Verfahrensinformation

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelt erst- und letztinstanzlich über zwei Anträge von Offizieren gegen die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ab 24. November 2021 die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A 840/8 "Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen" dahingehend geändert, dass neben der Tetanus-, Diphterie-, Pertussis-, Influenza-, Hepatitis- und FSME-Impfung nunmehr auch die Covid-19-Impfung verbindlich ist. Dementsprechend sind die Antragsteller angehalten worden, Impfangebote gegen das Coronavirus zu nutzen. Für diese Impfung bestehe nunmehr eine gesetzliche Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.*


Die Antragsteller bestreiten die Rechtsmäßigkeit der Änderung dieses Erlasses. Die Covid-19-Impfung sei nicht zur Verhütung übertragbarer Krankheiten geeignet. Sie verhindere eine Infektion oder Erkrankung nicht. Es sei auch nicht belegt, dass die Impfstoffe die Gefahr einer schweren Covid-19-Erkrankung verminderten. Die Verwendung der neuartigen mRNA-Impfstoffe stelle keine Impfung im herkömmlichen Sinne dar, sondern die Verabreichung einer genbasierten, experimentellen Substanz. Der Einsatz dieser Gentechnik sei hinsichtlich der Nebenwirkungen und Langzeitfolgen unzureichend erforscht. Darum liege nur eine bedingte Arzneimittelzulassung vor. Die Erforschung der Impfnebenwirkungen und -komplikationen werde in einem großen Feldversuch bei der Anwendung in der Gesamtbevölkerung nachgeholt. Dabei würden die tatsächlich eingetretenen Impfnebenwirkungen und -komplikationen von den Behörden erheblich untererfasst. Es drohten erhebliche Impfschäden, weswegen die Anordnung der Impfung unverhältnismäßig und unzumutbar sei. Der Impfzwang verstoße insbesondere gegen die Grundrechte der Antragsteller aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes sowie gegen Europa- und Völkerrecht. Die Verwendung der Impfstoffe sei sogar nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3a AMG strafbar, weil dieses Arzneimittel durch die Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln in seiner Qualität erheblich gemindert sei.


Das Bundesministerium der Verteidigung hält den Antrag bereits für unzulässig, weil die Änderung der Verwaltungsvorschriften noch nicht in die Rechtssphäre des Soldaten eingreife. Im Übrigen sei die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der generell durchzuführenden Basisimpfungen rechtmäßig. Das Grundrecht der Soldaten auf körperliche Unversehrtheit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirksam eingeschränkt worden. Die Vorschrift erlaube die Anordnung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus Sars-Cov-2. Die Impfung diene der Verhütung einer übertragbaren Krankheit, auch wenn sie keinen vollständigen Schutz biete. Es genüge, dass sie die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und die Gefahr schwerer Verläufe reduziere. Dies sei auf Grund aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen und nach den Erhebungen des Robert-Koch-Instituts erwiesen. Mit der Schutzimpfung seien auch keine überproportional hohen Impfrisiken verbunden. Die Impfstoffanwendung werde laufend durch die zuständigen europäischen Stellen und das Paul-Ehrlich-Institut überwacht. Dieses komme in seinem Sicherheitsbericht zu dem Ergebnis, dass schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten auftreten und das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfung nicht ändern würden. Die Impfung verstoße auch nicht gegen nationale oder internationale Vorschriften.


Pressemitteilung Nr. 20/2022 vom 25.03.2022

Mündliche Verhandlung am 1. April 2022 in den Verwaltungsstreitsachen BVerwG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 (Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen): Anmelde- und Akkreditierungsverfahren

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelt erst- und letztinstanzlich über zwei Anträge von Offizieren gegen die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ab 24. November 2021 die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A 840/8 "Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen" dahingehend geändert, dass neben der Tetanus-, Diphterie-, Pertussis-, Influenza-, Hepatitis- und FSME-Impfung nunmehr auch die Covid-19-Impfung verbindlich ist. Dementsprechend sind die Antragsteller angehalten worden, Impfangebote gegen das Coronavirus zu nutzen. Für diese Impfung bestehe nunmehr eine gesetzliche Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.


Anmeldeverfahren für interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer


Die Anzahl der Plätze für Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht an dem Klageverfahren beteiligt sind, ist begrenzt. Eine Anmeldung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist daher erforderlich. Hierfür ist ausschließlich das Anmeldeformular auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Wegen der derzeit geltenden besonderen Regelungen aufgrund der Corona-Pandemie ist es erforderlich, die Kontaktdaten für jede angemeldete Person **anzugeben. Gruppen werden nur bis zu einer Größe von zehn Personen berücksichtigt.


Die zur Verfügung stehenden Plätze werden nach der Reihenfolge der eingegangenen Anmeldungen vergeben. Anmeldungen von Einzelpersonen, die vor dieser Pressemitteilung eingegangen sind, werden berücksichtigt; die erneute Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Anmeldung von Gruppen muss unter Angabe der Kontaktdaten für jede einzelne Person wiederholt werden. Eine Rückantwort auf die Anmeldung erfolgt nur, wenn die Platzkapazität erschöpft ist und die Anmeldung deshalb nicht mehr berücksichtigt werden kann.


Akkreditierungsbedingungen und Hinweise für Medienvertreterinnen und Medienvertreter


Akkreditierung


Das Akkreditierungsverfahren beginnt mit Veröffentlichung der Pressemitteilung und endet am 30. März 2022, um 12.00 Uhr . Verspätet eingehende Akkreditierungswünsche können nur Berücksichtigung finden, sofern das Platzkontingent noch nicht ausgeschöpft ist.


Für Akkreditierungsgesuche ist ausschließlich das bereitgestellte Anmeldeformular auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Dieses muss vollständig ausgefüllt sein. Das Akkreditierungsgesuch kann auch unter Verwendung des Formulars per E-Mail an die Adresse pressestelle@bverwg.bund.de übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt.


Der gültige Presseausweis ist vor Ort vorzulegen.


Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Wenige Tage nach Ablauf der Frist versendet die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung.


Verfügbare Sitzplätze und Sitzplatzvergabe


Für Medienvertreter stehen im Sitzungssaal aufgrund aktueller Maßnahmen zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 insgesamt zehn Sitzplätze zur Verfügung. Die Plätze werden nach der Reihenfolge des Akkreditierungseingangs vergeben. Aufgrund der begrenzten Kapazität steht nur ein Sitzplatz je Medienorgan zur Verfügung.


Ein gesonderter Medienarbeitsraum steht nicht zur Verfügung.


Foto- und Fernsehaufnahmen; Pool-Bildung


1. Gemäß der Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind Foto-, Film-, und Tonaufnahmen im Sitzungssaal nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zulässig. Danach haben Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.


2. Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden Medienpools gebildet. Zugelassen werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher inländischer Sender mit jeweils einer Kamera) sowie sechs Fotografen (drei Agenturfotografen und drei freie Fotografen aus dem Inland). Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen die Zahl der im jeweiligen Medienpool zur Verfügung stehenden Plätze, ist Voraussetzung für eine Zulassung die im Akkreditierungsgesuch erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Poolführerschaft. Ein Medienvertreter, der die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, kann nicht Poolführer werden. Der jeweilige Poolführer ist verpflichtet, abgelehnten Bewerbern des Medienpools die gefertigten Aufnahmen auf Anfrage unverzüglich in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Die Zulassung zum jeweiligen Medienpool und ggfs. die Vergabe der Poolführerschaft erfolgen nach der Reihenfolge des Eingangs des Akkreditierungsgesuchs; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Die Bestimmung der konkret mitwirkenden Personen bleibt den Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen selbst überlassen.


3. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeister und der Pressestelle ist Folge zu leisten. Foto- und Filmaufnahmen sind ausschließlich mit geräuscharmen Apparaten ohne Blitzlicht gestattet.


4. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sowie in den Pausen sind Interviews sowie Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen lediglich außerhalb des Sitzungssaals zugelassen.


Ergänzende Regelungen für den Sitzungssaal


Einlass in den Sitzungssaal wird ab eine Stunde vor Beginn der Verhandlung gewährt. Bis zum Erreichen und ab Verlassen des Sitzplatzes im Sitzungssaal ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Medienvertreter dürfen nur die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Geräte und Taschen mit sich führen.


Foto- und Filmaufnahmen sowie das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im bzw. aus dem Sitzungssaal während der mündlichen Verhandlung sind nicht gestattet. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertretern wird während der mündlichen Verhandlung die Nutzung dieser Geräte im Offline-Betrieb zur Eingabe von Text, nicht aber für Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen gestattet. Der Betrieb der Geräte ist nur im Flugzeug- und Lautlosmodus zulässig. In den Sitzungspausen und nach Schließung der Sitzung ist den Medienvertretern die Verwendung dieser Geräte im bzw. aus dem Sitzungssaal zum Telefonieren, zur sonstigen Kommunikation, zum Abrufen von Daten sowie zu jeglicher sonstigen Nutzung des Internets gestattet.


BVerwG 1 WB 2.22

BVerwG 1 WB 5.22


Pressemitteilung Nr. 24/2022 vom 12.04.2022

Mündliche Verhandlung am 2. Mai 2022 in den Verwaltungsstreitsachen BVerwG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 (Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen): Anmelde- und Akkreditierungsverfahren

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelt erst- und letztinstanzlich über zwei Anträge von Offizieren gegen die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ab 24. November 2021 die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A 840/8 "Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen" dahingehend geändert, dass neben der Tetanus-, Diphterie-, Pertussis-, Influenza-, Hepatitis- und FSME-Impfung nunmehr auch die Covid-19-Impfung verbindlich ist. Dementsprechend sind die Antragsteller angehalten worden, Impfangebote gegen das Coronavirus zu nutzen. Für diese Impfung bestehe nunmehr eine gesetzliche Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.


Anmeldeverfahren für interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer


Die Anzahl der Plätze für Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht an dem Klageverfahren beteiligt sind, ist begrenzt. Eine Anmeldung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist daher erforderlich. Hierfür ist ausschließlich das Anmeldeformular auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Wegen der derzeit geltenden besonderen Regelungen aufgrund der Corona-Pandemie ist es erforderlich, die Kontaktdaten für jede angemeldete Person anzugeben. Gruppen werden nur bis zu einer Größe von zehn Personen berücksichtigt.


Die zur Verfügung stehenden Plätze werden nach der Reihenfolge der eingegangenen Anmeldungen vergeben. Anmeldungen von Einzelpersonen, die vor dieser Pressemitteilung eingegangen sind, werden berücksichtigt; die erneute Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Anmeldung von Gruppen muss unter Angabe der Kontaktdaten für jede einzelne Person wiederholt werden. Eine Rückantwort auf die Anmeldung erfolgt nur, wenn die Platzkapazität erschöpft ist und die Anmeldung deshalb nicht mehr berücksichtigt werden kann.


Akkreditierungsbedingungen und Hinweise für Medienvertreterinnen und Medienvertreter


Akkreditierung


Das Akkreditierungsverfahren beginnt mit Veröffentlichung der Pressemitteilung und endet am 27. April 2022 um 12 Uhr . Verspätet eingehende Akkreditierungswünsche können nur Berücksichtigung finden, sofern das Platzkontingent noch nicht ausgeschöpft ist.


Für Akkreditierungsgesuche ist ausschließlich das bereitgestellte Anmeldeformular auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Dieses muss vollständig ausgefüllt sein. Das Akkreditierungsgesuch kann auch unter Verwendung des Formulars per E-Mail an die Adresse pressestelle@bverwg.bund.de übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt.


Der gültige Presseausweis ist vor Ort vorzulegen.


Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Wenige Tage nach Ablauf der Frist versendet die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung.


Verfügbare Sitzplätze und Sitzplatzvergabe


Für Medienvertreter stehen im Sitzungssaal zehn Sitzplätze zur Verfügung. Die Plätze werden nach der Reihenfolge des Akkreditierungseingangs vergeben. Aufgrund der begrenzten Kapazität steht nur ein Sitzplatz je Medienorgan zur Verfügung.


Ein gesonderter Medienarbeitsraum steht nicht zur Verfügung.


Foto- und Fernsehaufnahmen; Pool-Bildung


1. Gemäß der Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind Foto-, Film-, und Tonaufnahmen im Sitzungssaal nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zulässig. Danach haben Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.


2. Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden Medienpools gebildet. Zugelassen werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher inländischer Sender) sowie sechs Fotografen . Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen die Zahl der im jeweiligen Medienpool zur Verfügung stehenden Plätze, ist Voraussetzung für eine Zulassung die im Akkreditierungsgesuch erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Poolführerschaft. Ein Medienvertreter, der die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, kann nicht Poolführer werden. Der jeweilige Poolführer ist verpflichtet, abgelehnten Bewerbern des Medienpools die gefertigten Aufnahmen auf Anfrage unverzüglich in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Die Zulassung zum jeweiligen Medienpool und ggfs. die Vergabe der Poolführerschaft erfolgen nach der Reihenfolge des Eingangs des Akkreditierungsgesuchs; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Die Bestimmung der konkret mitwirkenden Personen bleibt den Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen selbst überlassen.


3. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeister und der Pressestelle ist Folge zu leisten. Foto- und Filmaufnahmen sind ausschließlich mit geräuscharmen Apparaten ohne Blitzlicht gestattet.


4. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sowie in den Pausen sind Interviews sowie Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen lediglich außerhalb des Sitzungssaals zugelassen.


Ergänzende Regelungen für den Sitzungssaal


Einlass in den Sitzungssaal wird ab eine Stunde vor Beginn der Verhandlung gewährt. Bis zum Erreichen und ab Verlassen des Sitzplatzes im Sitzungssaal ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Medienvertreter dürfen nur die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Geräte und Taschen mit sich führen.


Foto- und Filmaufnahmen sowie das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im bzw. aus dem Sitzungssaal während der mündlichen Verhandlung sind nicht gestattet. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertretern wird während der mündlichen Verhandlung die Nutzung dieser Geräte im Offline-Betrieb zur Eingabe von Text, nicht aber für Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen gestattet. Der Betrieb der Geräte ist nur im Flugzeug- und Lautlosmodus zulässig. In den Sitzungspausen und nach Schließung der Sitzung ist den Medienvertretern die Verwendung dieser Geräte im bzw. aus dem Sitzungssaal zum Telefonieren, zur sonstigen Kommunikation, zum Abrufen von Daten sowie zu jeglicher sonstigen Nutzung des Internets gestattet.


BVerwG 1 WB 2.22

BVerwG 1 WB 5.22


Pressemitteilung Nr. 30/2022 vom 05.05.2022

Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2022 in den Verwaltungsstreitsachen BVerwG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 mit etwaiger Fortsetzung am 8. Juni 2022 (Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen): Anmelde- und Akkreditierungsverfahren

Anmeldeverfahren für interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer


Die Anzahl der Plätze für Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht an dem Klageverfahren beteiligt sind, ist begrenzt. Eine Anmeldung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist daher erforderlich. Hierfür ist ausschließlich das Anmeldeformular für die Verhandlung am 7. Juni 2022 auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Die Anmeldung gilt automatisch auch für den eventuell erforderlichen weiteren Fortsetzungstermin am 8. Juni 2022. Eine Anmeldung nur für einen der Termine ist nicht möglich. Gruppen werden nur bis zu einer Größe von zehn Personen berücksichtigt.


Die zur Verfügung stehenden Plätze werden nach der Reihenfolge der eingegangenen Anmeldungen vergeben. Anmeldungen von Einzelpersonen, die vor dieser Pressemitteilung eingegangen sind, werden berücksichtigt; die erneute Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Anmeldung von Gruppen muss unter Angabe der Kontaktdaten für jede einzelne Person wiederholt werden. Eine Rückantwort auf die Anmeldung erfolgt nur, wenn die Platzkapazität erschöpft ist und die Anmeldung deshalb nicht mehr berücksichtigt werden kann.


Akkreditierungsbedingungen und Hinweise für Medienvertreterinnen und Medienvertreter


Akkreditierung


Das Akkreditierungsverfahren beginnt mit Veröffentlichung der Pressemitteilung und endet am 31. Mai 2022, um 12.00 Uhr . Verspätet eingehende Akkreditierungswünsche können nur Berücksichtigung finden, sofern das Platzkontingent noch nicht ausgeschöpft ist.


Für Akkreditierungsgesuche ist ausschließlich das bereitgestellte Anmeldeformular auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Dieses muss vollständig ausgefüllt sein. Die Anmeldung gilt automatisch auch für den eventuell erforderlichen weiteren Fortsetzungstermin am 8. Juni 2022. Eine Anmeldung nur für einen der Termine ist nicht möglich. Das Akkreditierungsgesuch kann auch unter Verwendung des Formulars per E-Mail an die Adresse pressestelle@bverwg.bund.de übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt.


Der gültige Presseausweis ist vor Ort vorzulegen.


Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Wenige Tage nach Ablauf der Frist versendet die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung.


Verfügbare Sitzplätze und Sitzplatzvergabe


Für Medienvertreter stehen im Sitzungssaal zehn Sitzplätze zur Verfügung. Die Plätze werden nach der Reihenfolge des Akkreditierungseingangs vergeben. Aufgrund der begrenzten Kapazität steht nur ein Sitzplatz je Medienorgan zur Verfügung.


Ein gesonderter Medienarbeitsraum steht nicht zur Verfügung.


Foto- und Fernsehaufnahmen; Pool-Bildung


1. Gemäß der Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind Foto-, Film-, und Tonaufnahmen im Sitzungssaal nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zulässig. Danach haben Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.


2. Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden Medienpools gebildet. Zugelassen werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher inländischer Sender) sowie sechs Fotografen . Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen die Zahl der im jeweiligen Medienpool zur Verfügung stehenden Plätze, ist Voraussetzung für eine Zulassung die im Akkreditierungsgesuch erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Poolführerschaft. Ein Medienvertreter, der die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, kann nicht Poolführer werden. Der jeweilige Poolführer ist verpflichtet, abgelehnten Bewerbern des Medienpools die gefertigten Aufnahmen auf Anfrage unverzüglich in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Die Zulassung zum jeweiligen Medienpool und ggfs. die Vergabe der Poolführerschaft erfolgen nach der Reihenfolge des Eingangs des Akkreditierungsgesuchs; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Die Bestimmung der konkret mitwirkenden Personen bleibt den Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen selbst überlassen.


3. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeister und der Pressestelle ist Folge zu leisten. Foto- und Filmaufnahmen sind ausschließlich mit geräuscharmen Apparaten ohne Blitzlicht gestattet.


4. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sowie in den Pausen sind Interviews sowie Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen lediglich außerhalb des Sitzungssaals zugelassen.



Ergänzende Regelungen für den Sitzungssaal


Einlass in den Sitzungssaal wird ab eine Stunde vor Beginn der Verhandlung gewährt. Bis zum Erreichen und ab Verlassen des Sitzplatzes im Sitzungssaal ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Medienvertreter dürfen nur die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Geräte und Taschen mit sich führen.


Foto- und Filmaufnahmen sowie das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im bzw. aus dem Sitzungssaal während der mündlichen Verhandlung sind nicht gestattet. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertretern wird während der mündlichen Verhandlung die Nutzung dieser Geräte im Offline-Betrieb zur Eingabe von Text, nicht aber für Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen gestattet. Der Betrieb der Geräte ist nur im Flugzeug- und Lautlosmodus zulässig. In den Sitzungspausen und nach Schließung der Sitzung ist den Medienvertretern die Verwendung dieser Geräte im bzw. aus dem Sitzungssaal zum Telefonieren, zur sonstigen Kommunikation, zum Abrufen von Daten sowie zu jeglicher sonstigen Nutzung des Internets gestattet.


BVerwG 1 WB 2.22

BVerwG 1 WB 5.22


Pressemitteilung Nr. 38/2022 vom 21.06.2022

Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 6. Juli 2022 in den Verwaltungsstreitsachen BVerwG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 mit etwaiger Fortsetzung am 7. Juli 2022 (Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen): Anmelde- und Akkreditierungsverfahren

Anmeldeverfahren für interessierte Zuschauerinnen und Zuschauer


Die Anzahl der Plätze für Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht an dem Klageverfahren beteiligt sind, ist begrenzt. Eine Anmeldung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist daher erforderlich. Hierfür ist ausschließlich das Anmeldeformular für die Verhandlung am 6. Juli 2022 auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Die Anmeldung gilt automatisch auch für den eventuell erforderlichen weiteren Fortsetzungstermin am 7. Juli 2022. Eine Anmeldung nur für einen der Termine ist nicht möglich. Gruppen werden nur bis zu einer Größe von zehn Personen berücksichtigt.


Die zur Verfügung stehenden Plätze werden nach der Reihenfolge der eingegangenen Anmeldungen vergeben. Anmeldungen von Einzelpersonen, die vor dieser Pressemitteilung eingegangen sind, werden berücksichtigt; die erneute Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Anmeldung von Gruppen muss unter Angabe der Kontaktdaten für jede einzelne Person wiederholt werden. Eine Rückantwort auf die Anmeldung erfolgt nur, wenn die Platzkapazität erschöpft ist und die Anmeldung deshalb nicht mehr berücksichtigt werden kann.


Akkreditierungsbedingungen und Hinweise für Medienvertreterinnen und Medienvertreter


Akkreditierung


Das Akkreditierungsverfahren beginnt mit Veröffentlichung der Pressemitteilung und endet am 29. Juni 2022, um 12.00 Uhr . Verspätet eingehende Akkreditierungswünsche können nur Berücksichtigung finden, sofern das Platzkontingent noch nicht ausgeschöpft ist.


Für Akkreditierungsgesuche ist ausschließlich das bereitgestellte Anmeldeformular auf der Website des Bundesverwaltungsgerichts zu nutzen. Dieses muss vollständig ausgefüllt sein. Die Anmeldung gilt automatisch auch für den eventuell erforderlichen weiteren Fortsetzungstermin am 7. Juli 2022. Eine Anmeldung nur für einen der Termine ist nicht möglich. Das Akkreditierungsgesuch kann auch unter Verwendung des Formulars per E-Mail an die Adresse pressestelle@bverwg.bund.de übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt.


Der gültige Presseausweis ist vor Ort vorzulegen.


Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Wenige Tage nach Ablauf der Frist versendet die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung.


Verfügbare Sitzplätze und Sitzplatzvergabe


Für Medienvertreter stehen im Sitzungssaal zehn Sitzplätze zur Verfügung. Die Plätze werden nach der Reihenfolge des Akkreditierungseingangs vergeben. Aufgrund der begrenzten Kapazität steht nur ein Sitzplatz je Medienorgan zur Verfügung.


Ein gesonderter Medienarbeitsraum steht nicht zur Verfügung.


Foto- und Fernsehaufnahmen; Pool-Bildung


1. Gemäß der Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind Foto-, Film-, und Tonaufnahmen im Sitzungssaal nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zulässig. Danach haben Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.


2. Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden Medienpools gebildet. Zugelassen werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher inländischer Sender) sowie sechs Fotografen . Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen die Zahl der im jeweiligen Medienpool zur Verfügung stehenden Plätze, ist Voraussetzung für eine Zulassung die im Akkreditierungsgesuch erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Poolführerschaft. Ein Medienvertreter, der die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, kann nicht Poolführer werden. Der jeweilige Poolführer ist verpflichtet, abgelehnten Bewerbern des Medienpools die gefertigten Aufnahmen auf Anfrage unverzüglich in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Die Zulassung zum jeweiligen Medienpool und ggfs. die Vergabe der Poolführerschaft erfolgen nach der Reihenfolge des Eingangs des Akkreditierungsgesuchs; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Die Bestimmung der konkret mitwirkenden Personen bleibt den Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen selbst überlassen.


3. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeister und der Pressestelle ist Folge zu leisten. Foto- und Filmaufnahmen sind ausschließlich mit geräuscharmen Apparaten ohne Blitzlicht gestattet.


4. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sowie in den Pausen sind Interviews sowie Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen lediglich außerhalb des Sitzungssaals zugelassen.


Ergänzende Regelungen für den Sitzungssaal


Einlass in den Sitzungssaal wird ab eine Stunde vor Beginn der Verhandlung gewährt. Bis zum Erreichen und ab Verlassen des Sitzplatzes im Sitzungssaal ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Medienvertreter dürfen nur die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Geräte und Taschen mit sich führen.


Foto- und Filmaufnahmen sowie das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im bzw. aus dem Sitzungssaal während der mündlichen Verhandlung sind nicht gestattet. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertretern wird während der mündlichen Verhandlung die Nutzung dieser Geräte im Offline-Betrieb zur Eingabe von Text, nicht aber für Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen gestattet. Der Betrieb der Geräte ist nur im Flugzeug- und Lautlosmodus zulässig. In den Sitzungspausen und nach Schließung der Sitzung ist den Medienvertretern die Verwendung dieser Geräte im bzw. aus dem Sitzungssaal zum Telefonieren, zur sonstigen Kommunikation, zum Abrufen von Daten sowie zu jeglicher sonstigen Nutzung des Internets gestattet.


BVerwG 1 WB 2.22

BVerwG 1 WB 5.22


Pressemitteilung Nr. 44/2022 vom 07.07.2022

Soldaten müssen sich gegen Covid-19 impfen lassen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Anträge zweier Luftwaffenoffiziere gegen die Verpflichtung, die Covid-19-Impfung zu dulden, als unbegründet zurückgewiesen. Gegenstand dieser Anträge nach der Wehrbeschwerdeordnung ist eine Allgemeine Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 24. November 2021, mit der die Schutzimpfung gegen Covid-19 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen worden ist. Die beiden Antragsteller haben vorgetragen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.


Der 1. Wehrdienstsenat hat die Allgemeine Regelung zur Durchführung der Covid-19-Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Disziplinarvorgesetzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der betroffenen Soldaten hat. Er hat darum die Einwände gegen die Covid-19-Impfung an vier Verhandlungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei sind neben Sachverständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts angehört worden.


Im Ergebnis hat sich die Allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Regelung in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen und insbesondere die Soldatenvertretungen beteiligt. Es war im Rahmen der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Abs. 4 SG berechtigt, nach pflichtgemäßen Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen durch Verwaltungsvorschrift festzulegen. Denn das Soldatengesetz enthält in § 17a SG* eine ausdrückliche Regelung darüber, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden. Dies hat seinen Grund darin, dass der militärische Dienst seit jeher durch die Zusammenarbeit in engen Räumen (Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen), durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefährdungslagen und durch das Gemeinschaftsleben in Kasernen das besondere Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringt. Das Gesetz erwartet, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatzfähigkeit und damit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 87a GG) insgesamt beiträgt. Die Erhaltung der eigenen Einsatzfähigkeit ist eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten (Art. 33 Abs. 4 GG)


Die gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht genügt auch dem rechtsstaatlichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Denn er hat die Reichweite des Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in allgemeiner Weise hinreichend klar bestimmt und auf zumutbare Eingriffe begrenzt. Die genaue Festlegung der im Einzelnen hinzunehmenden Impfungen und zu verwendenden Impfstoffe konnte er dem Dienstherrn überlassen, weil die Soldatinnen und Soldaten abhängig von ihrem Einsatzort im In- und Ausland unterschiedliche Impfungen benötigen. Außerdem erfordern etwa das Auftreten neuer Krankheitserreger oder das Bekanntwerden neuer Nebenwirkungen von Impfstoffen eine flexible und schnelle Entscheidungsfindung.


Das Bundesministerium der Verteidigung hat bei der Einführung der Duldungspflicht im November 2021 das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Damals wies die Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus eine erhebliche Gefährlichkeit auf. Die vorhandenen Impfstoffe konnten zwar das Risiko einer Infektion und Übertragung nur verringern, aber die Gefahr schwerer Verläufe um 90 % reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Vorhandensein einer sich verschärfenden pandemischen Lage im Winter 2021 bestätigt und näher ausgeführt, dass nach damaliger überwiegender fachlicher Einschätzung von einer erheblichen Reduzierung der Infektions- und Transmissionsgefahr durch die Covid-19-Impfung ausgegangen wurde (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 157 ff., 173 f.).


Der 1. Wehrdienstsenat hat sich nach der von ihm durchgeführten Sachverständigen-anhörung auch der Bewertung angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion und Transmission bewirkt (BVerfG a.a.O. Rn. 184 f.). Außerdem reduziert sie vor allem nach einer Auffrischungsimpfung das Risiko eines schweren Verlaufs über längere Zeiträume, so dass der positive Effekt der Impfung das mit ihr verbundene Risiko weiter deutlich überwiegt. Dies gilt nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts auch für die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, die den überwiegenden Anteil des militärischen Personals ausmachen. Das Bundesministerium der Verteidigung war berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen, auch wenn diese Fachbehörde die Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen entgegen § 13 Abs. 5 IfSG bislang nicht erhalten hat. Durch die zahlreichen Einwendungen der Antragsteller wurde die Überzeugungskraft der amtlichen Auskünfte der beiden Fachbehörden nicht durchgreifend erschüttert.


Allerdings ist das Bundesministerium der Verteidigung verpflichtet, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssen stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung für die Anordnung weiterer Auffrischungsimpfungen angezeigt erscheinen lassen. Außerdem ist eine Evaluierung der Entscheidung dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss im Schlichtungsverfahren zugesagt worden.


Fußnote:

*§ 17a Soldatengesetz (Auszug)


(1) Der Soldat hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen.


(2) Der Soldat muss ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn sie


      1. der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen


          oder


      2. der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen.


Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bleibt § 25 Absatz 3 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes unberührt.


(3) Einfache ärztliche Maßnahmen wie Blutentnahmen aus Kapillaren oder peripheren Venen und röntgenologische Untersuchungen hat der Soldat zu dulden.


(4) Lehnt der Soldat eine zumutbare ärztliche Maßnahme ab und wird dadurch seine Dienst- oder Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, kann ihm die Versorgung insoweit versagt werden. Nicht zumutbar ist eine ärztliche Maßnahme, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist.


BVerwG 1 WB 2.22 - Beschluss vom 07. Juli 2022

BVerwG 1 WB 5.22 - Beschluss vom 07. Juli 2022


Beschluss vom 01.06.2022 -
BVerwG 1 WB 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:010622B1WB2.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.06.2022 - 1 WB 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:010622B1WB2.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 2.22

In den Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 1. Juni 2022 beschlossen:

  1. I. In der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2022 wird Herr Dr. med. ... M., ... am Paul-Ehrlich-Institut als Sachverständiger zur Erläuterung der aktuellen Sicherheitsberichte und zu den Risiken und Nebenwirkungen der COVID-19-Impfstoffe vernommen.
  2. II. Ferner wird Herr PD Dr. med. ... W., ... Robert-Koch-Institut als Sachverständiger zu den aktuellen Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe und zu den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission vernommen.
  3. III. Inwieweit die Vernehmung weiterer gerichtlicher Sachverständiger - insbesondere von Prof. Dr. med. ... S. und Prof. Dr. med. ... M. - erforderlich erscheint, wird nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung entschieden.
  4. IV. Frau Prof. Dr. rer. hum. biol. ... K. und Herr ... L. werden am 7. Juni 2022 bei Erscheinen als mitgebrachte Parteisachverständige angehört.
  5. V. Die in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2022 und in nachgereichten Schriftsätzen gestellten Anträge auf Beweiserhebung durch Vernehmung von
    1. Dr. ... L.
    2. ... R.
    3. Prof. Dr. ... M.
    4. Dr. med. ... R.
    5. ... J.
    6. ... McL.
    7. Prof. Dr. ... S. und Prof. Dr. ... T.
    8. Dr. ... Y.
    9. Dr. ... M.
    10. ... G.
  6. als (sachverständige) Zeugen werden abgelehnt.
  7. VI. Das Bundesministerium der Verteidigung wird aufgefordert, schnellstmöglich vorhandene Sach- oder Verfahrensakten im Zusammenhang mit der Aufnahme der Impfung gegen COVID-19 in die Liste der Basisimpfungen für Soldaten und mit der entsprechenden Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" vorzulegen. Im Übrigen werden die Aktenbeiziehungsanträge abgelehnt.

Gründe

1 Die Entscheidung, über die der Senat gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 WBO i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 1979 - 1 WB 161.77 , 1 WB 166.77 - BVerwGE 63, 289 <292>), beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 106 WDO, § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 244 Abs. 2 und 3 StPO.

2 1. Dr. med. ... M. ist als Sachverständiger vom Paul-Ehrlich-Institut vorgeschlagen worden und erscheint als ... geeignet, die Erkenntnisse des Paul-Ehrlich-Instituts zu den Risiken und Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe anhand der aktuellen Sicherheitsberichte zu erläutern. Er wird auch gebeten, zum Risiko von impfstoffbedingten Genomveränderungen Stellung zu nehmen. Soweit die Antragsteller vortragen, seine Vorgesetzte wäre aus ihrer Sicht fachlich besser geeignet, ändert dies an der Expertise des Sachverständigen nichts.

3 2. PD Dr. med. ... W. ist als Experte vom Robert-Koch-Institut vorgeschlagen worden und erscheint als ... beim Robert-Koch-Institut geeignet, dessen Einschätzung zu erläutern und Fragen zur Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe fachkundig zu beantworten.

4 3. Über die Notwendigkeit der Erhebung weiteren Sachverständigenbeweises wird auf Antrag in der mündlichen Verhandlung entschieden. Bereits mit dem schriftlichen Antrag auf Vernehmung von Herrn Prof. Dr. med. ... S. als Sachverständigen zur Frage eines Underreporting von Impftoten ist mitgeteilt worden, dass er nicht zum Termin am 7. oder 8. Juni 2022 erscheinen könne. Prof. Dr. med. ... M. ist voraussichtlich auch nicht kurzfristig erreichbar. Beide haben sich in Zeitungsinterviews unter Bezug auf ihre laufenden Forschungseindrücke oder -arbeiten geäußert, die (noch) nicht in medizinischen Fachblättern veröffentlicht sind. In welchem Umfang hierüber Beweis erhoben werden muss, soll in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in der mündlichen Verhandlung erörtert werden.

5 4. Der Senat ist bereit, Frau Prof. Dr. rer. hum. biol. ... K. als mitgebrachte Parteisachverständige zur Erläuterung ihrer bereits schriftsätzlich eingereichten Gutachten zur Eignung von PCR-Tests und Antigen-Schnelltests zum Nachweis der COVID-19-Infektion anzuhören. Die Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang die Nachweistauglichkeit oder Erfassungsgenauigkeit von PCR- und Antigen-Schnelltests entscheidungserheblich ist, bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten. Der Senat ist zudem bereit, Herrn ... L. - soweit die Antragsteller ein konkretes Thema hierfür benennen - als mitgebrachten Parteisachverständigen anzuhören.

6 5. Die beantragte Vernehmung von sachverständigen Zeugen ist nicht geboten.

7 a) Die Tatsachen, zu denen die Ärztin der Luftwaffe der USA Dr. ... L. aussagen könnte, sind in diesem Verfahren unerheblich. Das Bundesministerium der Verteidigung muss seine Einschätzung zur Zumutbarkeit einer COVID-19-Impfung auf eine sorgfältige Auswertung der ihm erkennbaren Umstände, also wissenschaftlicher Erkenntnisse und verfügbarer eigener Daten zur Wirksamkeit und Gefährlichkeit der verwendeten Impfstoffe stützen. Es ist aber nicht verpflichtet, wissenschaftlich nicht verifizierte Angaben zu Vorgängen im Ausland in seine Abwägung einzubeziehen.

8 b) Unerheblich sind aus demselben Grund auch die Tatsachen, zu denen der Rechtsanwalt ... R. aus O. aussagen soll. Als sachverständiger Zeuge ist er zudem ungeeignet, weil die Feststellung von Impfnebenwirkungen medizinischen Sachverstand erfordert, den eine juristische Ausbildung nicht vermittelt. Rechtsfragen, zu denen er sich als Jurist sachkundig äußern kann, können nicht Gegenstand der Beweiserhebung sein und sind ohne Bedeutung für diesen Rechtsstreit, soweit sie sich auf das Rechtssystem der USA beziehen.

9 c) Die Tatsachen, zu denen der Chemiker Prof. Dr. ... M. vom ... der Fakultät für Chemie in L. als sachverständiger Zeuge aussagen könnte, sind unerheblich. Soweit unter Beweis gestellt werden soll, dass er an einen Mitgründer der Firma BioNTech bislang unbeantwortete Fragen zur Sicherheit von Comirnaty gestellt hat, kann dies offenbleiben. Dass der Zeuge selbst Einblick in den Produktionsprozess von Comirnaty hat und daher aus eigener Wahrnehmung mittels seiner Sachkunde als Chemiker über Gefahrenquellen berichten kann, ist nicht ersichtlich.

10 d) Konkrete und entscheidungserhebliche Tatsachen, zu denen Dr. ... R. als sachverständiger Zeuge aussagen könnte, sind nicht vorgebracht. Die Bewertung von Tatsachen - insbesondere die Abwägung von Nutzen und Risiken der von der Bundeswehr verwendeten Impfstoffe - kann nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises sein. Ob die Impfung erforderlich und zumutbar ist, ist eine Rechtsfrage, die der Beweiserhebung nicht unterliegt.

11 e) Die Tatsachen, zu denen ... J. als sachverständige Zeugin benannt ist, sind unerheblich. Das Zulassungsverfahren für Comirnaty ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens. Die Anordnung einer Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 SG verlangt keine Rechtmäßigkeitskontrolle des Zulassungsverfahrens des verwendeten Impfstoffes, erst recht nicht eines Zulassungsverfahrens in den USA oder Kanada.

12 f) Unerheblich sind daher auch die Behauptungen, die durch die Vernehmung von ... McL. unter Beweis gestellt werden sollen. Da die Zulassungsverfahren für die verwendeten Impfstoffe nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, sind auch diesbezügliche Tatsachenbehauptungen zu nicht-europäischen Zulassungsverfahren ohne Bedeutung für dieses Verfahren. Die Rechtsmeinung der Zeugin kann zudem nicht Gegenstand einer Beweiserhebung sein. Unerheblich sind hiernach auch die mit Schriftsatz von Rechtsanwalt S. vom 12. Mai 2022 in das Wissen der Zeugin gestellten Aspekte der Impfstoffentwicklung in Kanada.

13 g) Konkrete und entscheidungserhebliche Tatsachen sind auch nicht in das Wissen der BioNTech-Gründer Prof. Dr. S. und Prof. Dr. T. gestellt worden. Es ist nicht ersichtlich, was sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Firma BioNTech, deren Erklärungen gegenüber der US-Börsenaufsicht sowie Zeitpunkt und Motivation der Aufnahme der Impfstoffproduktion für die im vorliegenden Rechtsstreit wesentlichen Fragen nach der Wirksamkeit und den Risiken der von der Bundeswehr verwendeten COVID-19 Impfstoffe ergeben könnte.

14 h) Unerheblich sind des Weiteren die Tatsachen, zu denen sich der ehemalige Mitarbeiter von Pfizer Dr. ... Y. äußern soll. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die abstrakte Pflicht zur Duldung einer COVID-19-Impfung, nicht die Überprüfung einzelner konkreter Impfstoffchargen. Da der Zeuge ausweislich seines Eintrages in die englischsprachige Wikipedia die Fa. Pfizer 2011 verlassen hat, ist zudem nicht ersichtlich, dass er aus eigener Wahrnehmung der Herstellung oder Entwicklung von COVID-19-Vakzinen dort über Gefahrenquellen berichten kann.

15 i) Die Tatsachen, zu denen Dr. ... M. als Zeuge aussagen soll, sind ebenfalls nicht erheblich. Der Ursprung des SARS-CoV-2 Virus ist ohne Bedeutung für die Frage, ob zur Bekämpfung von COVID-19 eine Impfung mit den in Rede stehenden Impfstoffen erforderlich und zumutbar ist.

16 j) Unerheblich sind auch die in das Wissen des Schriftstellers ... G. gestellten Tatsachenbehauptungen. Dass in der Vergangenheit Pharmakonzerne illegaler Machenschaften überführt wurden und eine Pandemiesituation in Planspielen und Konferenzen thematisiert wurde, ist weder streitig, noch von Bedeutung für die entscheidungserhebliche Frage, ob die in Rede stehenden Impfungen zu dulden, erforderlich und zumutbar ist.

17 6. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen auf Aktenbeiziehung wird überwiegend nicht gefolgt.

18 a) Der Antrag, die beim Paul-Ehrlich-Institut vorliegenden Unterlagen zu den Zulassungsnummern EU/1/20/1528/001, EU/1/20/1528/002, EU/1/20/1528/003, EU/1/20/1507/001, EU/1/21/1529/001, EU/1/21/1529/002, EU/1/1525/001, EU/1/1525/002 und EU/1/21/1618/001 und die zu diesen Zulassungsnummern bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA vorliegenden Zulassungsdossiers beizuziehen (Schriftsatz der Bev. Rechtsanwältin Dr. R. vom 14. April 2022, Seite 5 bis 7 unter Nr. 1 und 2), wird abgelehnt.

19 Die Beiziehung dieser Unterlagen ist für die Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO) in den vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahren nicht sachdienlich. Gegenstand der Verfahren ist nicht die arzneimittelrechtliche Zulassung einzelner Impfstoffe, sondern die Aufnahme der Impfung gegen COVID-19 in die Liste der Basisimpfungen für Soldaten; für die Rechtmäßigkeit dieser vom Bundesministerium der Verteidigung getroffenen Ermessensentscheidung kommt es auf die für das Bundesministerium erkennbaren Umstände an; es muss den militärischen Nutzen einer Duldungspflicht mit den gesundheitlichen Risiken abwägen. Dabei bildet das Vorliegen einer bedingten oder unbedingten Zulassung der für den Einsatz vorgesehenen Impfstoffe durch die Europäische Arzneimittelagentur nur einen von mehreren abwägungserheblichen Belangen. Dies verpflichtet das Bundesministerium der Verteidigung jedoch nicht zu einer umfangreichen Fehlersuche im vorgelagerten arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren. Umgekehrt darf es bei seiner Abwägung im Zulassungsverfahren nicht erkannte, aber später wissenschaftlich nachgewiesene Risiken und Nebenwirkungen zugelassener Impfstoffe nicht außer Acht lassen.

20 Als in der mündlichen Verhandlung (durch den Bev. Rechtsanwalt S.) gestellter Beweisantrag ist der Antrag mangels Entscheidungserheblichkeit und mangels Angabe konkreter Beweistatsachen als Ausforschungsbeweis abzulehnen.

21 b) Der Antrag, die bei der Ständigen Impfkommission vorliegenden Unterlagen zur Analyse und Bewertung des individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnisses einer genbasierten COVID-19-Impfung für die Altersgruppe der 18- bis 65-Jährigen beizuziehen (Schriftsatz der Bev. Rechtsanwältin Dr. R. vom 14. April 2022, Seite 7 unter Nr. 3), wird abgelehnt.

22 Die pauschale Beiziehung dieser Unterlagen in einer nicht aufbereiteten Form erscheint nicht zweckmäßig für die Sachverhaltsaufklärung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO). Der Senat beabsichtigt stattdessen, zur mündlichen Verhandlung je einen Vertreter des Robert-Koch-Instituts, bei dem die Ständige Impfkommission eingerichtet ist (§ 20 Abs. 2 IfSG), und des Paul-Ehrlich-Instituts für die sachverständige Erläuterung von Nutzen und Risiken der COVID-19-Impfung für die Altersgruppe der Bundeswehrangehörigen auf der Grundlage des diesen Instituten - und damit auch der Ständigen Impfkommission - vorliegenden Datenmaterials, zu laden.

23 Als in der mündlichen Verhandlung (durch den Bev. Rechtsanwalt S.) gestellter Beweisantrag ist der Antrag mangels Angabe konkreter Beweistatsachen abzulehnen.

24 c) Das Bundesministerium der Verteidigung wird aufgefordert, schnellstmöglich die vorhandenen Sach- oder Verfahrensakten im Zusammenhang mit der Aufnahme der Impfung gegen COVID-19 in die Liste der Basisimpfungen für Soldaten und mit der entsprechenden Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" vorzulegen. Im Übrigen wird der Antrag, beim Bundesministerium der Verteidigung vorliegende Unterlagen beizuziehen (Schriftsatz der Bev. Rechtsanwältin Dr. R. vom 14. April 2022, Seite 8 unter Nr. 4), abgelehnt.

25 Die Vorlage der Sach- oder Verfahrensakten, die im Rahmen der Vorbereitung und beim Erlass der verfahrensgegenständlichen Maßnahme angefallen sind, ist wesentliche Voraussetzung für die gerichtliche Überprüfung der Maßnahme. Das Bundesministerium der Verteidigung hat bisher keine in sich geschlossenen Akten, sondern - in beiden Verfahren - eine Reihe einzelner Dokumente jeweils als Anlage zu einem Schreiben vom 23. Februar 2022 übermittelt. Es wird deshalb um Vorlage der vollständigen, im Zusammenhang mit der Aufnahme der Impfung gegen COVID-19 in die Liste der Basisimpfungen und der entsprechenden Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" angefallenen Sach- oder Verfahrensakten auf den Ebenen Ministerium (einschließlich Beteiligungsgremien) und Kommando Sanitätsdienst gebeten.

26 Die Vorlage von Akten oder Vorgängen zu den Tagesbefehlen der Bundesministerin der Verteidigung und des Generalinspekteurs der Bundeswehr, denen keine selbständige Bedeutung für den Streitgegenstand zukommt, ist nicht erforderlich.

27 d) Der Antrag, die beim Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr, Abteilung B, vorliegenden Unterlagen aus den Jahren 2020, 2021 sowie 01 bis 03/2022 zum Gesundheitszustand der Bundeswehrangehörigen beizuziehen (Schriftsatz der Bev. Rechtsanwältin Dr. R. vom 14. April 2022, Seite 8 unter Nr. 5), wird abgelehnt.

28 Die Beiziehung dieser Unterlagen ist für die Sachverhaltsaufklärung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO) in den vorliegenden Verfahren nicht sachdienlich. Eine Vorlage der Krankenkarten und Gesundheitsakten kommt wegen des Schutzes der Gesundheitsdaten der betroffenen Soldaten nicht in Betracht. Eine pauschale Anforderung von Unterlagen "zum Gesundheitszustand der Bundeswehrangehörigen" über einen Zeitraum von zwei Jahren und drei Monaten ist für die gerichtliche Sachverhaltsermittlung weder notwendig noch förderlich.

29 Als in der mündlichen Verhandlung (durch den Bev. Rechtsanwalt S.) gestellter Beweisantrag ist der Antrag aus Gründen des Schutzes der Gesundheitsdaten der betroffenen Soldaten größtenteils unzulässig und im Übrigen mangels Angabe konkreter Beweistatsachen als unzulässiger Beweisermittlungsantrag abzulehnen.

Beschluss vom 07.07.2022 -
BVerwG 1 WB 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:070722B1WB2.22.0

Rechtmäßigkeit der Einführung einer Duldungspflicht für Covid-19-Impfungen bei Soldaten

Leitsätze:

1. Die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG enthaltene Verpflichtung der Soldatinnen und Soldaten, ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen zu dulden und insbesondere Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten hinzunehmen, ist verfassungsmäßig.

2. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der verpflichtenden militärischen Basisimpfungen gegen Infektionskrankheiten begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

  • Rechtsquellen
    EMRK Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 8 Abs. 1, 2
    GRC Art. 1, 3 Abs. 1, Art. 51
    EUV Art. 6 Abs. 2
    AEUV Art. 267 Abs. 3
    GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Art. 25, 33 Abs. 4, Art. 35, 87a
    SG § 10 Abs. 4, § 17a Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2
    AR A1-840/8-4000 Nr. 1080, 2001
    IfSG § 2 Nr. 3, § 20 Abs. 2a, § 25 Abs. 3
    AMG § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 1, 3a, § 96 Nr. 5
    IPbürgR Art. 7 Satz 2
    BWÜ Art. 1 Nr. 1
    LuftSiG § 7 Abs. 1a Satz 3, 4 Nr. 4

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 - 1 WB 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070722B1WB2.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 2.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der
mündlichen Verhandlungen am 2. Mai, 7. Juni, 8. Juni und 6. Juli 2022 durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Mielke und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Suchordt
am 7. Juli 2022 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die Verpflichtung zur Duldung einer Covid-19-Impfung.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Er wird derzeit als ... beim ... der Bundeswehr verwendet.

3 Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den Covid-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 erfordern die Covid-19-Impfstoffe eine oder zwei Teilimpfungen sowie Auffrischimpfungen gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für alle Kräfte (Einheiten und Einzelpersonen), die für Hilfs- und Unterstützungsleistungen im Inland eingesetzt werden - die sogenannten "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" – die Basisimmunisierung erforderlich. Nr. 210 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" sieht vor, dass alle Soldaten die angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen und Impfungen der "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" zu dulden haben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind damit alle aktiven Soldaten duldungspflichtig zu impfen, sofern in der Person des Soldaten keine individuelle medizinische Kontraindikation vorliegt.

4 Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2021 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die Änderungen der AR A1-840/8-4000 sowie die damit in Zusammenhang stehende Befehlsgebung im ... der Bundeswehr. Die Covid-19-Impfung erfülle nicht die Voraussetzungen nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG. Sie verhindere eine Infektion oder Erkrankung nicht und bekämpfe diese auch nicht. Dass die Impfung die Gefahr der Ansteckung anderer Personen ausschließe oder verringere bzw. die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufes vermindere, sei nicht belegt. Ihn beunruhigten Informationen über Neben- und Langzeitwirkungen, nicht durchgeführte Studien zu Kontraindikationen, das vollständige Fehlen von Langzeitstudien und die mangelnde Erfahrung mit den neuartigen mRNA-Impfstoffen. Die Impfung beeinträchtige Leib und Leben unzumutbar und stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Grundrechte dar. Es handele sich nicht um eine Impfung im herkömmlichen Sinne, sondern um die experimentelle Verabreichung einer genbasierten Substanz, die nur bedingt zugelassen worden sei. Die konsequente Testung vor Präsenzveranstaltungen und die Einhaltung der Abstandsregeln gebe eine ausreichende Sicherheit.

5 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und mit Stellungnahme vom 5. Januar 2022 dem Senat vorgelegt. Soweit sich die Beschwerde des Antragstellers gegen den Amtsbefehl 20/2021 richtete, hat der Generalinspekteur der Bundeswehr sie mit - hier nicht streitgegenständlichem - Bescheid vom 14. Februar 2022 zurückgewiesen.

6 Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller im Wesentlichen geltend gemacht, er würde durch die Auferlegung einer als Duldungspflicht bezeichneten Impfpflicht unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt. Das Basisimpfschema sei als Allgemeinverfügung zu qualifizieren. Die Pflicht, die Covid-19-Impfung zu dulden, sei nicht durch die Gesunderhaltungspflicht des § 17a SG gerechtfertigt. Die Duldungspflicht verletze seine Menschenwürde sowie seine Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Glaubensfreiheit und Berufsfreiheit. Sie verstoße weiter gegen Art. 1 und 3 Abs. 2 Buchst. a bis c und Art. 9 der Europäischen Grundrechtscharta. Durch diese Grundrechtsgarantien würden im Rahmen der Medizin eine freie Einwilligung vorgeschrieben, eugenische Praktiken untersagt und die Nutzung des menschlichen Körpers zur Gewinnerzielung verboten. Die Impfung greife auch in das von Art. 2 EMRK gewährleistete Recht auf Leben ein. Verstoßen werde auch gegen Art. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, der medizinische Versuche ohne Zustimmung der Betroffenen verbiete. Verstoßen werde des Weiteren gegen die Resolution 2361 (2021) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2021, die in Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 die Freiwilligkeit von Covid-19-Impfungen und ein Verbot der Diskriminierung von Impfgegnern gefordert habe. Die Duldungspflicht verletze ferner die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts. Insbesondere sei ein Verstoß gegen Art. 5 des europäischen Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin und gegen Art. 6 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung über Bioethik und Menschenrechte der Vereinten Nationen festzustellen.

7 Bei den mRNA-Impfstoffen handele es sich nicht um herkömmliche Impfstoffe, sondern um genbasierte experimentelle Substanzen. Die Injektion dieser Stoffe stelle eine Gentherapie dar, die zu Unrecht als Impfstoff deklariert worden sei. Dadurch sei es möglich geworden, die Substanzen ohne mehrjährige Erprobung zuzulassen. Es sei aber nur eine bedingte Zulassung erfolgt mit der Konsequenz, dass die Erforschung der Impfnebenwirkungen und -komplikationen in einem großen Feldversuch bei der Anwendung in der Gesamtbevölkerung nachgeholt werde. Die Impfkampagne stelle vor diesem Hintergrund ein medizinisches Experiment dar, ohne dass Impfwillige darüber aufgeklärt würden, dass sie an einer noch laufenden Studie teilnehmen würden. Ihre Einwilligung könne daher nicht freiwillig sein. Zur Teilnahme an einem wissenschaftlichen Experiment dürfe niemand genötigt werden. Im Widerspruch dazu würden die Soldaten unter Verstoß gegen § 17a Abs. 5 SG i. V. m. § 630c Abs. 2 BGB unzureichend über die Impfrisiken aufgeklärt, weil das Aufklärungsblatt des Sanitätsdienstes unvollständig sei. Ferner würden sie rechtswidrig durch die Androhung erheblicher beruflicher Nachteile und straf- und disziplinarrechtlicher Folgen zu einer Impfung gezwungen.

8 In der Durchführung der Impfkampagne lägen Verstöße gegen den Nürnberger Kodex sowie weitere durch den Internationalen Strafgerichtshof zu verfolgende Straftaten. Der Impfstoff Comirnaty enthalte für die Behandlung von Menschen nicht zugelassene Nanolipide als Trägersubstanzen. Die Verwendung dieses Impfstoffes stelle eine Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 3a, Abs. 3 AMG dar, weil der Impfstoff durch die Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln in seiner Qualität erheblich gemindert sei. Die als Trägersubstanzen genutzten Nanolipide seien als neuartige Hilfsstoffe nicht im Arzneibuch enthalten und nicht ausreichend untersucht. Sie würden Entzündungen auslösen und seien vermutlich für schwere Impfkomplikationen verantwortlich. Die mRNA-Impfstoffe seien zudem als Biowaffen anzusehen und nach Art. 1 der Biowaffenkonvention verboten.

9 Durch die Verbreitung von SARS-CoV-2 sei keine außergewöhnliche Notlage entstanden, die die zur Eindämmung der Pandemie beschlossenen Maßnahmen einschließlich der soldatenrechtlichen Impfduldungspflicht rechtfertigen könnten. Die meisten Menschen seien gegen das Virus durch ihr Immunsystem bereits ausreichend geschützt. Im Übrigen gebe es gute Behandlungs- und konventionelle Präventionsmöglichkeiten. Die Einsatzfähigkeit der Truppe sei nicht gefährdet. Entsprechende Gefährdungen würden auch nicht drohen. Insbesondere seien das Gesundheitssystem und auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht an der Belastungsgrenze.

10 Die Impfung begründe dagegen erhebliche Gefahren für Leib und Leben Geimpfter. Europaweit sei es - Stand 17. Juli 2021 - zu 18 928 Todesfällen und 1 823 219 Verletzungen im Zusammenhang mit den Impfungen gekommen. Zwischen der Übersterblichkeit und der Impfkampagne gebe es einen die Kausalität indizierenden zeitlichen Zusammenhang. Impfkomplikationen und -nebenwirkungen würden von den Gesundheitsbehörden nur unzureichend erfasst. Die tatsächliche Gefährlichkeit der Impfstoffe und ihre Nebenwirkungen würden der Öffentlichkeit gegenüber verschleiert. Die Impfkomplikationen würden in der deutschlandweiten Statistik des Paul-Ehrlich-Instituts verharmlost. Dies habe eine von der BKK ProVita herausgegebene Studie ergeben.

11 Die in Rede stehenden Impfstoffe hätten auch nicht den behaupteten Nutzen. Ein positiver Effekt auf das Infektionsgeschehen sei nicht belegt. Vor einer Infektion oder Erkrankung würden die Stoffe nicht schützen. Sie würden auch keine sterile Immunität erzeugen. Dass sie zu milderen Verläufen führten, sei nicht nachgewiesen. Vielmehr werde die Einsatzfähigkeit durch die Impfung gefährdet. Es sei nicht auszuschließen, dass erst durch die Impfung schwere Verläufe hervorgerufen würden. Falls das Verteidigungsministerium keine Daten über Impfschäden erhoben haben sollte, liege hierin ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht. In diesem Fall sei eine Bewertung des Nutzens der Impfung für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gar nicht möglich. Die Gesundheits- und Umweltrisiken durch die Freisetzung genetisch veränderter Organismen sei noch unbekannt. Im Hinblick darauf, dass die Impfstoffe derzeit fast keinen Nutzen brächten, sei das Gesundheitsrisiko unannehmbar hoch. Die Teilnahme an der Impfung sei daher unzumutbar im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG.

12 Der Antragsteller beantragt,
die Anweisung der Bundesverteidigungsministerin vom 24.11.2021 zur Aufnahme der Covid-19-Impfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr "Allgemeine Regelung Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - A 1-840/8-4000" aufzuheben.

13 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Der Antrag sei bereits unzulässig. Es liege keine anfechtbare dienstliche Maßnahme vor, weil die Erlassregelung der Aufnahme der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Soldaten hineinwirke. Es bestehe schon kraft Gesetzes eine Duldungspflicht, die von der ZDv A-840/8 nur wiederholt werde. Die Duldungspflicht des einzelnen Soldaten hänge von weiteren Umsetzungsakten dem Befehl eines militärischen Vorgesetzten und der Ermessensausübung eines Impfarztes nach Prüfung einer medizinischen Kontraindikation ab. Es fehle jedenfalls noch die Prüfung der medizinischen Kontraindikation durch den Impfarzt.

15 Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, weil die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der generell durchzuführenden Basisimpfungen rechtmäßig sei. Das Grundrecht des Soldaten auf körperliche Unversehrtheit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirksam eingeschränkt worden. Die Vorschrift erlaube die Durchführung ärztlicher Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten. Die Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 werde im Infektionsschutzgesetz als Verhütungsmaßnahme begriffen und falle darum auch bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG unter diesen Begriff. Dafür sei es nicht erforderlich, dass die Maßnahme einen vollständigen Schutz gegen eine Infektion biete. Dies sei auch bei anderen Impfstoffen - etwa gegen Influenza, Typhus und Cholera - nicht der Fall. Es genüge, wenn die Impfung die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung oder die Wahrscheinlichkeit schwerer Verläufe reduziere. Bereits der individuelle Schutz vor schweren Verläufen und die Verringerung der Transmission des Erregers trage maßgeblich zur Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten bei. Dem stehe auch die vielen Impfstoffen immanente Notwendigkeit einer Auffrischung oder Anpassung an mutierte Erreger nicht entgegen.

16 Die Pflicht, die Impfung zu dulden, diene der Sicherstellung der Auftragserfüllung der Streitkräfte und sei Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber den Soldaten. SARS-CoV-2 begründe ernste Gesundheitsgefahren auch für Soldaten. Eine Infektion könne zu schweren Krankheitsverläufen oder zum Tod führen. Dies gelte nicht nur für vulnerable Gruppen, sondern auch für ansonsten gesunde Personen zwischen 17 und 65 Jahren. Militärisches Personal sei durch die Besonderheiten des Dienstbetriebs einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt.

17 Die Impfung diene in erster Linie der Verhütung einer Übertragung des Virus und in zweiter Linie der Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe, insbesondere der Hospitalisierung und intensivmedizinischer Behandlung. Auch hinsichtlich der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 senke die Impfung - vor allem bei aktuell aufgefrischtem Impfschutz - das Risiko einer symptomatischen und vor allem einer schweren Erkrankung deutlich. Optimal seien präventivmedizinische Zwecke durch eine Impfung im Verbund mit anderen Hygienemaßnahmen zu erreichen. Diese allein - insbesondere Homeoffice und hohe Testfrequenzen - seien aber nicht ausreichend.

18 Soweit der Antragsteller auf die allgemeinen Impfrisiken und -nebenwirkungen abstelle, habe eine grundsätzliche Risikoabwägung bereits bei der Zulassung der Impfstoffe stattgefunden. Die Impfstoffanwendung werde zudem durch die zuständigen europäischen Stellen und das Paul-Ehrlich-Institut laufend überwacht. Nach dessen Sicherheitsbericht vom 30. November 2021 habe es bei einer Verabreichung von mehr als 123 Millionen Impfstoffdosen in 0,16 % der Fälle Meldungen über Komplikationen, in 0,02 % Meldungen über schwerwiegende Reaktionen und 15 Meldungen zu Todesfällen gegeben. In drei Fällen werde auch ein tatsächlicher Zusammenhang zur Impfung angenommen. Zusammenfassend komme das Paul-Ehrlich-Institut zu der Auffassung, dass schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten auftreten und das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfung nicht ändern würden. Spätere Sicherheitsberichte ergäben kein grundlegend anderes Bild. Die Studie der BKK ProVita beruhe nicht auf aussagefähigen Daten und erlaube daher nicht den Schluss auf eine höhere als die vom Paul-Ehrlich-Institut bei seiner Risikobewertung berücksichtigte Zahl von Impfnebenwirkungen. Auch das Bundesverfassungsgericht sei in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht vom 27. April 2022 von der Fachexpertise des Paul-Ehrlich-Instituts und der Verlässlichkeit der Risikoeinschätzung ausgegangen.

19 Das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr überwache fortlaufend Meldungen zu Impfnebenwirkungen und aktualisiere nach Maßgabe der fortlaufend aktualisierten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission regelmäßig seine fachlichen Hinweise. Neben dieser grundsätzlichen Risikoabwägung erfolge in jedem Einzelfall eine individuelle Risikoabwägung durch die Kontraindikationsprüfung des zuständigen Impfarztes. Bei der Nutzen-Risiko-Bewertung der Impfstoffe seien Impfnebenwirkungen und -komplikationen in Relation zur Menge der verabreichten Impfdosen zu beurteilen. Der zeitliche Zusammenhang von Nebenwirkungen mit der Impfung beweise nicht stets den kausalen Zusammenhang. In die Risikobewertung müsse auch das Risiko schwerer Folgen einer Covid-19-Erkrankung eingestellt werden. Hiernach sei die Duldungspflicht verhältnismäßig und nach der Nutzen-Risiko-Bewertung der fachlich zuständigen Stellen zumutbar. Auch diese Einschätzung habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht bestätigt.

20 Im Frühjahr 2022 ist der proteinbasierte Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax auch in Deutschland auf den Arzneimittelmarkt gekommen, der auf dem klassischen Wirkprinzip der Totimpfstoffe basiert. Der Antragsteller sieht auch diesen Impfstoff als unzumutbar an.

21 Der Antragsteller hat gleichzeitig mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorläufigen Rechtsschutz beantragt (1 W-VR 1.22 ). Der Senat hat das Verfahren mit dem Antrag eines anderen Luftwaffenoffiziers (1 WB 5.22 ) durch Beschluss vom 3. März 2022 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und darüber an vier Verhandlungstagen verhandelt und Sachverständigenbeweis erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

22 Der Antrag hat keinen Erfolg.

23 1. Er ist zwar zulässig. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen stellt eine unmittelbar geltende dienstliche Maßnahme dar (a), von der der Soldat betroffen ist (b) und deren Aufhebung nach § 17 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 2 WBO beim Bundesverwaltungsgericht beantragt werden kann (c).

24 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche dienstlichen Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 13).

25 Hiernach ist der Antrag statthaft, weil die in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 enthaltene Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der Basisimpfungen unmittelbar die Pflicht zur Duldung begründet. Zwar ist die Pflicht eines Soldaten, ärztliche Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden, bereits gesetzlich in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geregelt. Das Gesetz legt indessen nicht fest, welche Impfungen im Einzelnen durchzuführen sind. Vielmehr überlässt es diese Entscheidung dem Dienstherrn, der unter Berücksichtigung der an bestimmten Orten bei bestimmten Einsätzen drohenden Gesundheitsgefahren über die notwendigen Impfungen für die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr entscheidet.

26 Mit der Aufnahme der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen im November 2021 ist die Pflicht zur Duldung für diese Impfung aktiviert worden. Denn die Basisimpfungen sind nach der Regelungstechnik des Erlasses für alle militärischen Kräfte vorgeschrieben, die im Inland im Rahmen der Hilfs- und Katastrophenschutzaufgaben der Bundeswehr (Art. 35 GG) zum Einsatz kommen (Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000). Dabei zählen alle aktiven Soldatinnen und Soldaten zum "Hilfs- und Katastrophenschutz Inland", sodass sie für das dafür vorgesehene Impfschema duldungspflichtig sind (Nr. 406 ZDv A-840/8).

27 Die Duldungspflicht gilt unmittelbar mit Inkrafttreten des Erlasses. Denn das ärztliche Impfpersonal ist ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, die vorgeschriebenen Impfmaßnahmen durchzuführen (Nr. 208 ZDv A-840/8), und die Disziplinarvorgesetzten sind für die Kontrolle des Fortschritts der Impfungen und die zeitgerechte Vorstellung der Soldatinnen und Soldaten zu diesen Impfungen verantwortlich (Nr. 801 ZDv A-840/8). Zwar kann die Duldungspflicht nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG in Sonderfällen zeitweise oder auf Dauer entfallen, wenn die ärztliche Impfung aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar ist. Diese Dispensmöglichkeit ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass mit der Aufnahme einer Impfung in die Liste der vorgeschriebenen Basisimpfungen eine Dienstpflicht zur Teilnahme an der entsprechenden Impfung ausgelöst wird und dass allgemeine Einwendungen gegen diese Impfung von dem zuständigen Truppenarzt nicht berücksichtigt werden.

28 b) Da unmittelbar geltende Erlasse und Befehle häufig Ausnahmen oder Beschränkungen des Anwendungsbereichs enthalten, muss der Antragsteller hinreichend substantiiert darlegen, dass und inwiefern er von der beanstandeten Regelung unmittelbar betroffen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2015 - 1 WB 25.15 - NZWehrr 2015, 255 f.). Dieser Pflicht ist der Antragsteller nachgekommen, indem er auf seine Zugehörigkeit zum impfpflichtigen Personenkreis, auf die ihm für die Covid-19-Impfung gesetzte Nachweisfrist und das Fehlen von bekannten Kontraindikationen hingewiesen hat.

29 c) Eine Frist für die Einlegung des Antrags war nicht zu beachten, da es sich bei der Festlegung des Katalogs der Basisimpfungen um eine Daueranordnung handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 15). Denn alle betroffenen Soldatinnen und Soldaten müssen sich nicht nur einmal gegen Covid-19 impfen lassen, sondern je nach medizinischer Erforderlichkeit Auffrischimpfungen durchführen (vgl. Nr. 1080 AR A1-840/8-4000). Auch die in dem Erlass geregelten Verpflichtungen zur Feststellung des Impfstatus, zur Überwachung der Impfungen auf Kontrollblättern und zu deren Durchführung gelten auf unbestimmte Zeit. Der Antrag auf Aufhebung dieser dauerhaften Duldungspflicht ist formgerecht eingelegt und dem Bundesverwaltungsgericht, das dafür nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO erst- und letztinstanzlich zuständig ist, vorgelegt worden.

30 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen ist rechtmäßig. Die diesbezügliche Ermessensentscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung beruht auf sachgerechten Erwägungen und ist weiterhin verhältnismäßig. Die entsprechende Änderung der Allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 ist insbesondere formell rechtmäßig.

31 a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur der allgemeine Verwaltungserlass zur Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in die Liste der verpflichtenden Basisimpfungen. Darin sind noch nicht alle für den einzelnen Soldaten maßgeblichen Fragen geregelt. Insbesondere wird der zu verwendende Impfstoff nicht definitiv festgelegt. Dies geschieht erst, wenn der jeweilige Soldat keinen gültigen Impfnachweis vorlegt, wenn der Truppenarzt dessen medizinische Impftauglichkeit feststellt und den infrage kommenden Impfstoff bestimmt. Dann befiehlt der Disziplinarvorgesetzte einzelfallbezogen gegenüber dem betroffenen Soldaten die Duldung einer bestimmten Impfung mit einem konkreten Impfstoff. Da ein entsprechender Befehl als Einzelfallanordnung mit der Beschwerde und einem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung angegriffen werden kann, sind die Besonderheiten einzelner Impfstoffe und insbesondere die Frage einer individuellen medizinischen Kontraindikation, die eine persönliche Unzumutbarkeit nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG begründen kann, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

32 Die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Anordnung einer Schutzimpfung ist allerdings keine völlig abstrakte Frage, sondern jeweils auf eine konkrete übertragbare Krankheit und auf die dafür vorhandenen konkreten Impfstoffe bezogen. Daher müssen die zu erwartenden Nebenwirkungen, die bei den zur Verfügung stehenden und nach Mitteilung des Dienstherrn eingesetzten Impfstoffen auftreten, schon bei Erlass der allgemeinen Verwaltungsvorschrift in die Rechtmäßigkeitsprüfung einbezogen werden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat dazu ausgeführt, dass die Bundeswehr vorwiegend die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna verwendet und bei der Auswahl der Impfstoffe im Einzelfall die medizinisch-fachlichen Vorgaben, insbesondere die Altersempfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut, beachtet. Dies folgt auch aus Nr. 1080 bis 1084 AR A1-840/8-4000.

33 b) Die Rechtsgrundlage für den Verwaltungserlass besteht einerseits in der allgemeinen Befehls- und Weisungsbefugnis des Vorgesetzten für dienstliche Fragen nach § 10 Abs. 4 SG und andererseits in der speziellen Regelung des § 17a SG, der dem einzelnen Soldaten die Dienstpflicht auferlegt, sich gesund zu erhalten und ärztliche Maßnahmen zur Verhinderung übertragbarer Krankheiten zu dulden. Durch das Zusammenspiel dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die Duldung von ärztlichen Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten eine persönliche Dienstpflicht jedes einzelnen Soldaten ist und dass die Vorgesetzten die Durchführung solcher Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben anordnen, organisieren und regeln.

34 c) Für den Erlass ist das Bundesministerium der Verteidigung als höchste vorgesetzte Stelle, die der nach Art. 65a GG mit Befehls- und Kommandogewalt ausgestatteten Verteidigungsministerin untersteht, letztverantwortlich. Es hat gemeinsam mit dem Kommando Sanitätsdienst die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" nach einem ordnungsgemäßen Verfahren am 23. November 2021 geändert. Dabei wurden - wie vorgeschrieben - die Hauptschwerbehindertenvertretung, der Hauptpersonalrat und der Gesamtvertrauenspersonenausschuss nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG beteiligt. Während die Hauptschwerbehindertenvertretung und der Hauptpersonalrat ohne Vorbehalte zugestimmt haben, hat der Gesamtvertrauenspersonenausschuss Einwände erhoben und das Schlichtungsverfahren nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SBG eingeleitet. Schließlich hat der Schlichtungsausschuss am 22. November 2021 der Aufnahme der Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus einschließlich der Boosterimpfungen in das Impfschema zugestimmt und die künftige Aufnahme einer Risikoanalyse gefordert. Auf der Grundlage dieser Empfehlung hat das Bundesministerium der Verteidigung nach § 38 Abs. 4 Satz 4 SBG die Verwaltungsvorschrift am folgenden Tag erlassen. Einer nochmaligen Befassung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bedurfte es nicht.

35 3. Die Anordnung der Covid-19-Schutzimpfung beruht auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage. Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG muss ein Soldat ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen dulden, wenn sie der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen. Diese Rechtsnorm genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (a) und der auch im Demokratieprinzip wurzelnden Wesentlichkeitstheorie (b). Sie stellt eine zulässige Beschränkung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (c) und Berufsfreiheit (d) dar.

36 a) Nach dem allgemeinen, im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze ist der Gesetzgeber gehalten, Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Dabei sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm rechtfertigen soll. Allerdings fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist. Das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht aus. Der Gesetzgeber muss in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Dabei lässt sich der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestands einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben. Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen keine Bedenken, wenn sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 502/16 - BVerfGE 149, 293 Rn. 77 f. m. w. N.).

37 Nach diesen Maßstäben ermöglicht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem einzelnen Soldaten zwar nicht, dem Gesetz selbst einen abschließenden Katalog an duldungspflichtigen ärztlichen Eingriffen zu entnehmen. Vielmehr sind die verwendeten Begriffe "Maßnahmen", "Verhütung oder Bekämpfung" und "übertragbare Krankheiten" eher allgemeine Umschreibungen von einer gewissen Spannweite. Allerdings gibt es für die Entscheidung des Gesetzgebers, die notwendigen ärztlichen Maßnahmen nicht konkret im Einzelnen aufzulisten, sondern abstrakt zu umschreiben, gute Gründe. Die Norm dient der Abwehr einer Vielzahl nicht abschließend vorhersehbarer Gefahren, die mit der Infektion von Soldaten für sie selbst und für die Einsatzfähigkeit ihrer militärischen Verbände verbunden sind. Die Infektionsgefahren sind je nach Ort und Zeit eines militärischen Einsatzes unterschiedlich. Bei einem Auslandseinsatz in Afrika kann beispielsweise eine Malariaprophylaxe geboten sein, die im militärischen Alltag im Inland nicht veranlasst ist. Auch die möglichen Gefahrenabwehrmaßnahmen sind abhängig von den in einem Szenario tatsächlich zur Verfügung stehenden medizinischen Ressourcen und Handlungsoptionen. Dies legt es nahe, der Exekutive - wie im gesamten Gefahrenabwehrrecht - einen Ermessensspielraum bei der Festlegung der im Einzelnen notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen einzuräumen und nur den Handlungsrahmen gesetzlich abzustecken.

38 Dieser Handlungsrahmen ist bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG durch Auslegung bestimmbar, weil die Schlüsselbegriffe der Norm den Grundbegriffen des Infektionsschutzgesetzes entsprechen und dort teilweise gesetzlich definiert sind (vgl. § 2 IfSG). Dementsprechend hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits in den 60er Jahren entschieden, dass sich die Bestimmung des Soldatengesetzes an der Begriffsbildung des Bundesseuchengesetzes - dem Vorläufer des heutigen Infektionsschutzgesetzes - orientiert (BVerwG, Beschluss vom 24. September 1969 - 1 WDB 11.68 - BVerwGE 33, 339). Da sich der Begriff der übertragbaren Krankheiten auch in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG findet, ist er zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konturiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 124 - 126). Aber auch der zunächst weit erscheinende Begriff der ärztlichen Maßnahmen ist durch Auslegung gut eingrenzbar. Damit sollte nach dem historischen Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 2/2140 S. 8) in erster Linie die Durchführung von Schutzimpfungen ermöglicht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 1979 - 1 WB 149.78 - BVerwGE 63, 278 <284 f.>). Schwerwiegendere Eingriffe werden durch die Verweisung in § 17a Abs. 2 Satz 3 SG auf die in § 25 Abs. 3 Satz 3 IfSG vorgesehenen rechtlichen Grenzen für ärztliche Eingriffe ohne Zustimmung des Betroffenen ausgeschlossen. Demnach sind erhebliche invasive Eingriffe ebenso wie eine Narkose erfordernde Behandlungen gegen den Willen des Soldaten unzulässig.

39 b) Die Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG entspricht auch dem im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip enthaltenen Gebot an den Gesetzgeber, die wesentlichen Fragen selbst zu regeln und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie). Wann es aufgrund der Wesentlichkeit einer Frage der Regelung des parlamentarischen Gesetzgebers bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des Regelungsgegenstandes ab. Dabei bedeutet "wesentlich" im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". Als wesentlich sind also Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen. Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden muss (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u. a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 125).

40 Nach diesen Maßstäben hat der Gesetzgeber mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die wesentliche Grundentscheidung für die Impfpflicht der Soldatinnen und Soldaten selbst getroffen. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Berufsbildes der Soldatinnen und Soldaten die körperliche Einsatzfähigkeit als wesentliches Merkmal angesehen. Er hat die Pflicht zur Gesunderhaltung als allgemeinen Grundsatz des militärischen Dienstes und die Bereitschaft zur Duldung der für die Gesunderhaltung notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen als besondere Ausprägung dieses Prinzips normiert. Dabei ging es ihm insbesondere um die Bereitschaft zur Durchführung der zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erforderlichen Schutzimpfungen (BT-Drs. 2/2140 S. 8).

41 Eine nähere gesetzliche Ausgestaltung der im Einzelnen notwendigen Schutzimpfungen bedurfte es angesichts der Eigenart des Regelungsgegenstandes nicht. Zum einen ging es schon bei Einführung der Duldungspflicht für Infektionsschutzmaßnahmen (früher Seuchenbekämpfungsmaßnahmen), die es seit Bestehen der Bundeswehr gibt, von vornherein nicht nur um die Duldung einer einzigen Impfung, sondern angesichts der Bedrohung durch verschiedene übertragbare Krankheiten um die Hinnahme einer Mehrzahl denkbarer Infektionsschutzmaßnahmen. Zum anderen orientiert sich die Erforderlichkeit von Schutzimpfungen und sonstigen Infektionsschutzmaßnahmen - wie ausgeführt - am jeweiligen militärischen Einsatz und an den sich ändernden Gesundheitsgefährdungen. Eine konkrete Auflistung einzelner Impfzwecke und Impfstoffe im Soldatengesetz stünde stets in der Gefahr, dem aktuellen Infektionsgeschehen und den konkreten Einsatzerfordernissen nicht gerecht zu werden.

42 Daher konnte es der Gesetzgeber bei der abstrakten Umschreibung der gesetzlichen Duldungspflicht belassen und musste selbst nur den besonders grundrechtsrelevanten Rechtsrahmen (ärztliche Überwachung, einzelfallbezogene Zumutbarkeitsprüfung, nicht-invasive Maßnahmen, Infektionsschutzzweck) vorgeben. Die Umsetzung dieser Vorgaben in den sich wandelnden militärischen Einsatzszenarien und epidemischen Bedrohungslagen konnte der Gesetzgeber angesichts der Besonderheiten des militärischen Regelungsbereichs der Exekutive überlassen. Dafür sprach, dass Dienstpflichten in der Bundeswehr allgemein durch Dienstanweisungen und Befehle konkretisiert werden, auch soweit es die Gesunderhaltung und den Dienstsport betrifft. Außerdem führt die Bundeswehr durch eigene Ärzte und Bundeswehrkrankenhäuser die medizinische Betreuung durch und kann aufgrund der Expertise einer eigenen Sanitätsakademie eine fachgerechte Abstimmung der militärischen und medizinischen Belange gewährleisten.

43 Besteht somit nach der Wesentlichkeitstheorie keine Notwendigkeit, die im militärischen Bereich erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen im Soldatengesetz einzeln gesetzlich zu bestimmen, ist auch eine ausdrückliche Erwähnung der Covid-19-Schutzimpfung in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nicht erforderlich. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das SARS-CoV-2-Virus ein neuartiger Erreger ist, an den bei Erlass der Vorschrift niemand gedacht hat. Denn die inhaltliche Offenheit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dient gerade dazu, auf neue Infektionsgefahren flexibel reagieren zu können. Deswegen macht auch der Umstand, dass bei der Bekämpfung des Virus eine neue Impfstofftechnologie zur Anwendung gekommen ist, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht erforderlich. Die Bewertung der Effektivität und Sicherheit der Impfstoffe ist ebenfalls aus Gründen der Flexibilität und Sachnähe der Exekutive überlassen worden. Der politische Streit um die Einführung einer allgemeinen Covid-19-Impfpflicht ist schließlich - wie ausgeführt - für sich genommen kein Umstand, der für die verfassungsrechtliche Bewertung der Notwendigkeit einer ergänzenden gesetzlichen Regelung ausschlaggebend sein kann.

44 c) Die Norm des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG begegnet auch keinen durchgreifenden grundrechtlichen Bedenken. Sie greift allerdings in die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ein.

45 aa) Die Vorschrift berührt das Grundrecht der Soldatinnen und Soldaten auf körperliche Unversehrtheit in zweierlei Hinsicht. Sie gestattet Eingriffe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Freiheit jedes Menschen, autonom über die bei ihm durchzuführenden medizinischen Untersuchungs-, Vorsorge- und Heilmaßnahmen zu entscheiden (körperliches Selbstbestimmungsrecht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282 <300>). Während die Durchführung einer Schutzimpfung ansonsten von der Einwilligung des Einzelnen, das heißt seiner individuellen und subjektiven Nutzen-Risiko-Bewertung abhängt, ermöglicht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienstherrn, dem Soldaten "gegen seinen Willen" Schutzimpfungen und andere Infektionsschutzmaßnahmen im Interesse der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr verpflichtend auf der Grundlage einer das Einzel- wie das Gesamtinteresse berücksichtigenden Nutzen-Risiko-Abwägung aufzuerlegen.

46 Zum anderen ermöglicht das Gesetz auch die mit Schutzimpfungen und anderen ärztlichen Infektionsschutzmaßnahmen verbundenen Eingriffe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte körperliche Integrität (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282 <300>). Denn Impfstoffe führen zu Veränderungen im Körper. Sie bewirken die Bildung von Antikörpern gegen bestimmte Erreger; schon diese intendierte körperliche Reaktion ist häufig mit einer vorübergehenden Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens verbunden (sog. Impfreaktionen). Daneben können aber fast alle zugelassenen Impfstoffe in Einzelfällen gravierende unerwünschte Auswirkungen (sog. Impfkomplikationen) verursachen.

47 Der Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann auch nicht mit dem Argument bestritten werden, dass für den Fall der Impfverweigerung kein unmittelbarer Zwang vorgesehen ist. Zwar ist weder in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG noch an anderer Stelle des Soldatengesetzes eine Zwangsimpfung vorgesehen. Darum wird körperlicher Zwang in Nr. 209 ZDv A-840/8 ausdrücklich untersagt. Ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG liegt jedoch nicht nur bei körperlichem, sondern auch bei psychisch vermitteltem Zwang vor, der insbesondere durch die Androhung von Strafen vermittelt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 244 ff. und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 113 f.). Dem steht die Androhung von Disziplinarmaßnahmen gleich. Aus der Ausgestaltung der soldatenrechtlichen Impfpflicht als Dienstpflicht folgt, dass eine vorsätzliche Verweigerung eines entsprechenden Befehls als Dienstvergehen geahndet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - Buchholz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Das Bundesministerium der Verteidigung hat für den Fall der Impfverweigerung die disziplinarrechtliche Ahndung auch angedroht.

48 Dem Eingriffscharakter einer Impfpflicht steht auch nicht entgegen, dass sie zum Zwecke der Verhinderung einer symptomatischen oder schweren Infektionserkrankung vorgenommen wird. Eine schädigende Zielrichtung ist nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Eingriffes in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 57). Die Freiheitsrechte schließen das Recht ein, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der - jedenfalls in den Augen Dritter - den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwiderläuft. Dies umfasst das Recht, auf medizinischen Schutz zielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn dies nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerfGE 142, 313 Rn. 74).

49 bb) Der Gesetzgeber hat allerdings nicht - wie der Antragsteller meint - in das Grundrecht auf Leben eingegriffen. Da es um eine vorbeugende medizinische Maßnahme geht, bildet das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit als spezielles Grundrecht den Prüfungsmaßstab (vgl. Gebhard, Impfpflicht und Grundgesetz, 2022, S. 138 ff.). Dies hat seinen Grund darin, dass es bei Heileingriffen und vorbeugenden medizinischen Maßnahmen um eine Verbesserung des Gesundheitszustands oder um eine Verringerung des Risikos schwerer Erkrankungen geht. Eine Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos wird weder bezweckt noch bewirkt, sodass kein finaler Eingriff in das Grundrecht auf Leben vorliegt. Der unvermeidliche Umstand, dass es bei Impfungen in seltenen Fällen zu tödlich verlaufenden Komplikationen kommen kann, ändert am Charakter der Impfungen als medizinische Heileingriffe und am grundrechtlichen Prüfungsmaßstab des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nichts.

50 Die Vorschrift des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift auch nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Soldatinnen und Soldaten ein, weil die Impfstoffe nach dieser Vorschrift nicht unter physischem Zwang verabreicht werden und keine persönlichkeitsverändernde Wirkung haben (anders bei Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerfGE 142, 313 Rn. 74 und vom 8. Juni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 58).

51 Ein Eingriff in das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ist gleichfalls nicht intendiert und vorliegend nicht plausibel dargelegt.

52 cc) Die Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift allerdings in das Grundrecht auf Berufsfreiheit ein, indem sie den Soldatinnen und Soldaten die Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen als Dienstpflicht vorschreibt.

53 Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Unter Beruf ist dabei jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zu verstehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvR 3102/13 - BVerfGE 141, 121 Rn. 32 ff. und vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - BVerfGE 155, 238 Rn. 92). Der Schutz dieses Grundrechts ist umfassend angelegt, wie die ausdrückliche Erwähnung von Berufswahl, Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz und Berufsausübung zeigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <48>). Der Schutzbereich erfasst auch Berufe im öffentlichen Dienst, wie das Wehrdienstverhältnis der Soldaten (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397 f.>; Beschluss vom 2. April 1963 - 2 BvL 22/60 - BVerfGE 16, 6 <21>). Dem steht Art. 33 GG nicht entgegen, der für Berufe im öffentlichen Dienst lediglich Sonderregelungen ermöglicht und die Berufsfreiheit entsprechend modifiziert (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397 f.>).

54 Die Pflicht zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen, insbesondere von Schutzimpfungen, hat eine objektiv berufsregelnde Tendenz (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 u. a. - BVerfGE 111, 191 <213>). Sie greift als fortlaufende Dienstpflicht in erster Linie in den Bereich der beruflichen Betätigung ein. Die Pflicht zur Duldung von Schutzimpfungen aktualisiert sich im beruflichen Alltag der Soldatinnen und Soldaten meist im Rahmen allgemeiner medizinischer Gesundheitsuntersuchungen oder im zeitlichen Vorfeld von bestimmten Auslandseinsätzen.

55 Die Freiheit der Berufswahl wird durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwar nicht unmittelbar eingeschränkt, weil die Bereitschaftserklärung zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen nicht Voraussetzung für die Begründung des Wehrdienstverhältnisses ist. Die Vorschrift greift jedoch mittelbar in die Freiheit der Berufswahl ein. Denn die Verweigerung der Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen hat - wie ausgeführt - als Dienstpflichtverletzung disziplinarrechtliche Folgen und kann jedenfalls im Extremfall der wiederholten Befehlsverweigerung auch zur Beendigung des Wehrdienstverhältnisses führen. Dies betrifft den von der Wahlfreiheit umfassten Schutz vor Aufgabe des frei gewählten Berufs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 u. a. - BVerfGE 149, 126 Rn. 38). Zudem bewirkt § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG mittelbar, dass Personen, die bestimmte oder alle Schutzimpfungen ablehnen, der Zugang zum Soldatenberuf faktisch verwehrt ist.

56 d) Der mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verbundene Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und auf Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

57 aa) Der Gesetzgeber ist grundsätzlich berechtigt, entsprechende freiheitsbeschränkende Regelungen zu erlassen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung "durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden". Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG gestattet es ebenfalls, in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit "auf Grund eines Gesetzes" einzugreifen. Bereits bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates stand den Müttern und Vätern des Grundgesetzes die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht als möglicher Anwendungsfall einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme vor Augen (JÖR <N. F.> 1, S. 60). Deswegen haben der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht die in der Nachkriegszeit fortgeltende allgemeine Impfpflicht gegen Pocken, die noch auf dem Impfgesetz vom 8. April 1874 (RGBl. S. 31) beruhte, als verfassungsmäßig angesehen (vgl. BGH, Gutachten vom 25. Januar 1952 - VRG 5/51 - BGHSt 4, 375 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 1 C 170.56 - BVerwGE 9, 78 ff.).

58 Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ist nicht als reiner Verwaltungsvorbehalt zu verstehen. Der Gesetzgeber kann es zwar der Exekutive gestatten, zum Schutz gewichtiger Gemeinwohlziele oder der Grundrechte anderer in die Freiheit der Person oder die körperliche Unversehrtheit einzugreifen. Er kann den Eingriff aber auch selbst ganz oder teilweise durch das Gesetz vornehmen (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 269 - 272 zu sog. selbstvollziehenden Gesetzen). Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber mit der Begründung einer dienstrechtlichen Duldungspflicht den Eingriff in das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Soldaten zu einem gewichtigen Teil selbst vorgenommen. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ersetzt die Einwilligung der Soldaten in ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen und verpflichtet sie daher, die mit dem ärztlichen Eingriff - hier der Schutzimpfung - verbundenen Risiken und Nebenwirkungen wie im Falle der Einwilligung hinzunehmen. Der Anteil der Exekutive an dem Grundrechtseingriff besteht darin, die im Einzelnen erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Der Dienstherr bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen die nach Art, Zeit und Ort des Einsatzes der Bundeswehreinheiten zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft notwendigen und medizinisch zumutbaren Schutzimpfungen beziehungsweise anderweitigen Infektionsschutzmaßnahmen. Er aktualisiert dabei die gesetzliche Duldungspflicht.

59 bb) Die gesetzliche Regelung ist auch formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Bereits im Soldatengesetz von 1957 war in § 17 Abs. 4 Satz 3 SG a. F. eine Duldungspflicht für ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen vorgesehen. Mit dem Gesetz zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1147) wurden zur Verbesserung der rechtssystematischen Klarheit und der Rechtsanwenderfreundlichkeit die gesundheitlichen Rechte und Pflichten der Soldatinnen und Soldaten in eine neue Vorschrift überführt, wobei hinsichtlich der Duldungspflicht nur redaktionelle und sprachliche Anpassungen vorgenommen wurden (BT-Drs. 19/9491 S. 103, 104). Bei diesem Gesetz sind die für Bundesgesetze geltenden Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften beachtet worden. Wie schon in der Vorgängerregelung hat der Bundesgesetzgeber seinen Willen, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einzuschränken mit § 17a Abs. 2 Satz 2 SG im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht und damit das in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Zitiergebot beachtet. Einer zusätzlichen Erwähnung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bedurfte es nicht. Denn Berufsregelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sind nicht als Einschränkungen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu verstehen (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <403 f.>; Beschluss vom 17. Juli 1961 - 1 BvL 44/55 - BVerfGE 13, 97 <122>).

60 cc) Die soldatenrechtliche Pflicht zur Duldung von Schutzimpfungen ist auch materiell-rechtlich verfassungsgemäß. Sie verfolgt gewichtige und legitime Gemeinwohlziele. Dazu zählt allerdings nicht der Schutz der Volksgesundheit, weil eine berufsspezifische Impfpflicht vorliegt.

61 (1) Dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einer weitgehenden Impfpflicht unterworfen werden, dient in erster Linie der in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzten Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Juni 1986 - 1 WB 170.84 - BVerwGE 83, 191 <192> und vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 7). Die soldatenrechtliche Impfpflicht fußt auf der Erkenntnis, dass die Schlagkraft militärischer Verbände ganz wesentlich von der Gesundheit und körperlichen Einsatzfähigkeit jedes einzelnen Soldaten abhängt. Militärische Einheiten sind so zusammengesetzt, dass Soldatinnen und Soldaten mit unterschiedlichen Befähigungen arbeitsteilig zusammenwirken. Beispielsweise hängt die Einsatzbereitschaft eines Panzers nicht nur davon ab, dass der Panzerfahrer dienstfähig ist. Sie entfällt auch dann, wenn der Panzerschütze, der Funker oder der Kommandant ausfallen. Übliche krankheitsbedingte Ausfälle können durch Personalreserven abgedeckt werden. Die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in einer militärischen Einheit kann aber zum gleichzeitigen Ausfall einer großen Zahl von Soldatinnen und Soldaten führen und die Einsatzbereitschaft der gesamten militärischen Einheit infrage stellen (vgl. Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 17a Rn. 7).

62 (2) Die Pflicht zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen dient ferner dem Schutz der Grundrechte anderer Soldatinnen und Soldaten. Eine Vielzahl von Infektionserregern ist unmittelbar oder mittelbar von Mensch zu Mensch übertragbar, sodass die Durchführung einer Schutzimpfung etwa gegen Influenza auch das Erkrankungsrisiko anderer Soldatinnen und Soldaten reduziert. Da viele Soldaten sich aufgrund ihrer Kasernierung oft längere Zeit mit anderen Kameraden in denselben Räumen aufhalten und bei Übungen und Einsätzen etwa in Panzern, U-Booten oder Hubschraubern in unmittelbarer räumlicher Nähe eng mit ihren Kameraden zusammenarbeiten, besteht zwischen ihnen ein überdurchschnittlich hohes Übertragungsrisiko. Schutzimpfungen können in diesen Fällen einen Beitrag dazu leisten, dass die Weitergabe (Transmission) des Erregers erschwert oder verhindert wird; dies dient dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit anderer Soldaten, deren Impfschutz etwa durch mangelnde Bildung von Antikörpern oder durch Zeitablauf unzureichend ist oder zum Beispiel wegen einer medizinischen Kontraindikation fehlt.

63 (3) Unabhängig davon muss die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG normierte Pflicht im Kontext der besonderen Stellung der Soldatinnen und Soldaten als Staatsdiener gesehen werden. Diese Vorschrift gestaltet das Berufsbild der Soldatinnen und Soldaten aus. Sie stehen als Hoheitsträger gemäß Art. 33 Abs. 4 GG, § 1 Abs. 1 Satz 2 SG in einem besonderen öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 61). Gerade weil militärische Verbände stets einsatzbereit sein müssen, um für unterschiedliche, nicht vorhersehbare Einsätze militärischer oder ziviler Art (vgl. Art. 35 GG) schnell zur Verfügung zu stehen, gehört die Bereitschaft des einzelnen Soldaten, auf seine körperliche Einsatzfähigkeit zu achten und sie nach Möglichkeit zu gewährleisten, zu seinen besonderen Dienstpflichten; diese für das militärische Dienst- und Treueverhältnis spezifische Dienstpflicht ist einfach-rechtlich in § 17a Abs. 1 SG als allgemeine Gesunderhaltungspflicht normiert worden. Sie findet im Dienstalltag der Soldatinnen und Soldaten beispielsweise darin ihren Niederschlag, dass sie im Dienst zur Erhaltung ihrer Fitness und Gesundheit Sport treiben und Sportprüfungen ablegen müssen. Sie dürfen weder im Dienst noch außer Dienst Drogen zu sich nehmen und müssen im Einsatz ein Alkoholverbot beachten. Die von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geforderte Bereitschaft, sich der Gesunderhaltung dienenden Impfungen zu unterwerfen, ist ein Ausfluss dieser allgemeinen Gesunderhaltungspflicht.

64 dd) Die gesetzliche Normierung einer allgemeinen Duldungspflicht in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG für ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie dient dem Schutz verfassungsrechtlich gewichtiger Güter und ist zur Verfolgung dieser Zwecke im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, erforderlich sowie angemessen.

65 (1) Das mit der Duldungspflicht verfolgte Ziel der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr ist ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang. Insbesondere in Art. 87a GG hat der Verfassungsgeber eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung getroffen. Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u. a. - BVerfGE 69, 1 <21 f.>). Ebenso hat die Schutzpflicht des Staates aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf die Gesundheit anderer Personen, die einer Gefährdung nicht ausweichen können, verfassungsrechtlichen Rang (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 64). Der Rechtsgedanke, dass die Verpflichtung zum Erhalt der eigenen Einsatzbereitschaft dem spezifischen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten nach Art. 33 Abs. 4 GG innewohnt, kommt bei der Frage der Einschränkbarkeit der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtliche Bedeutung zu.

66 (2) Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Einführung einer berufsspezifischen Duldungspflicht für Schutzimpfungen ein geeignetes Mittel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und der Gesundheit anderer Soldaten ist. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Maßnahme ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185, 204, 217). Seine Annahme ist naheliegend, dass im beruflichen Alltagsleben der Soldaten in Kasernen und bei Übungen und Einsätzen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht und dass die Durchführung von ärztlichen Schutzimpfungen und anderen Infektionsschutzmaßnahmen einen gewichtigen Beitrag zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken und zum Erhalt der Einsatzbereitschaft leistet.

67 (3) Der Gesetzgeber konnte die Begründung einer berufsbezogenen Duldungspflicht für Schutzimpfungen als erforderlich ansehen. Ein milderes gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Die Einführung eines freiwilligen Impfangebots wäre nicht gleich effektiv. Denn dies gewährleistet gerade nicht, dass der größtmögliche Schutz vor Infektionsgefahren besteht.

68 (4) Schließlich konnte der Gesetzgeber die Einführung einer allgemeinen Duldungspflicht für ärztliche Schutzimpfungen auch als angemessene Maßnahme bewerten. Der Gesetzgeber hat dem Gesundheitsschutz der Betroffenen dadurch Rechnung getragen, dass die Impfung nur durch Ärzte erfolgt, die vor dem medizinischen Eingriff die besonderen gesundheitlichen Risiken des Einzelnen prüfen. Er hat die Duldungspflicht dadurch schonend ausgestaltet, dass sie nur Schutzimpfungen und wenig belastende ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen umfasst (§ 17a Abs. 2 Satz 3 SG i. V. m. § 25 Abs. 3 IfSG). Zudem hat er die Duldungspflicht dadurch begrenzt, dass die Soldaten nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG keine Maßnahmen dulden müssen, die eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit begründen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn beim Einzelnen eine medizinische Kontraindikation vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - Buchholz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Damit geht die Impfpflicht der Soldatinnen und Soldaten nicht über das Maß hinaus, das anderen Berufsgruppen bei einer verpflichtenden Schutzimpfung abverlangt wird (vgl. § 20 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 Satz 4 IfSG).

69 Schließlich fließt die besondere Einsatzorientierung des soldatischen Dienst- und Treueverhältnisses (Art. 33 Abs. 4 GG) in die Abwägung mit ein. Soldaten müssen von Berufs wegen bei militärischen Einsätzen - insbesondere bei Auslandsmissionen und im Fall der Landesverteidigung - erhebliche Gesundheitsrisiken hinnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 6). Dieser besondere Einsatzbezug des Soldatenberufs rechtfertigt es, den Soldaten im Interesse ihrer Einsatzfähigkeit eine Impfpflicht aufzuerlegen, die anderen Staatsbürgern nicht abverlangt wird.

70 Für die Angemessenheit der gesetzlichen Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG spricht schließlich, dass der Gesetzgeber die Einzelheiten der Impfpflicht ins pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt hat. Dies ermöglicht dem Dienstherrn flexible und situationsabhängige Entscheidungen und eröffnet Raum, Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden. Zugleich findet auch Grundrechtsschutz durch Verfahren statt. Denn die allgemeine Einführung neuer Impfungen unterliegt - wie unten näher ausgeführt wird - der Mitbestimmung der Soldatinnen und Soldaten. Zugleich wird eine gerichtliche Kontrolle der Verhältnismäßigkeit bestimmter Infektionsschutzmaßnahmen ermöglicht. Der einzelne Soldat kann trotz Vorliegens einer berufsbezogenen Impfpflicht im Rahmen der Wehrbeschwerde und des wehrdienstgerichtlichen Antragsverfahrens Grundrechtsschutz im Einzelfall erlangen. Die wehrdienstgerichtliche Kontrolle hat sich in der Vergangenheit bewährt und wichtige Klarstellungen zur Verhältnismäßigkeit von Infektionsschutzmaßnahmen erbracht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 1969 - 1 WDB 11.68 - BVerwGE 33, 339 zur Tetanusimpfung, vom 22. Oktober 1982 - 1 WB 142.82 - und vom 3. November 1983 - 1 WB 108.80 - zur Pockenschutzimpfung sowie vom 24. Juni 1986 - 1 WB 170.84 - BVerwGE 83, 191 zur TBC-Reihenuntersuchung).

71 Schließlich hat der Dienstherr dem Umstand, dass die Soldatinnen und Soldaten im Rahmen ihres Dienst- und Treueverhältnisses Impfungen zu dulden haben, auch dadurch Rechnung getragen, dass er den Soldaten im Falle eines Impfschadens neben den jedermann zustehenden infektionsschutzrechtlichen Ausgleichsansprüchen (vgl. Dutta, NJW 2022, 649) auch einen soldatenversorgungsrechtlichen Anspruch eingeräumt hat. Die Duldung einer dienstlich angeordneten Impfung ist als Wehrdienstverrichtung im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG anerkannt, sodass im Falle eines Impfschadens nach § 85 SVG ein versorgungsrechtlicher Ausgleich wegen einer Wehrdienstbeschädigung gewährt wird (vgl. LSG Bremen, Urteil vom 28. Januar 2021 - L 10 VE 11/16 - juris Rn. 28 ff.).

72 ee) Durch die Begründung einer gesetzlichen Duldungspflicht für ärztliche Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten wird auch nicht der nach Art. 19 Abs. 2 GG unantastbare Wesensgehalt der betroffenen Grundrechte verletzt. Ein Eingriff in den unantastbaren Wesensgehalt der körperlichen Unversehrtheit liegt schon deswegen nicht vor, weil die dienstrechtliche Duldungspflicht nicht gegen den Willen des Soldaten mit physischem Zwang durchgesetzt wird und auf diese Weise das Selbstbestimmungsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht völlig ausgeschlossen wird (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom 8. April 2021 - Nr. 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 LS 5).

73 Auch hinsichtlich der körperlichen Integrität wird der Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt. Denn die mit einer Impfung üblicherweise verbundenen Nebenwirkungen führen nur zu geringen Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens. Auch wenn in verhältnismäßig wenigen Fällen Impfkomplikationen mit schweren Erkrankungen oder tödlichen Verläufen auftreten, bewahren diese Schutzimpfungen typischer Weise in einer weit größeren Zahl von Fällen die Soldatinnen und Soldaten davor, aufgrund einer Infektion schwer zu erkranken oder zu sterben. Aufgrund des präventiv-medizinischen Charakters der Maßnahme kann nicht von einem Eingriff in den Wesensgehalt des Grundrechts gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 1 C 170.56 - BVerwGE 9, 78 <79>).

74 Auch hinsichtlich der Berufsfreiheit liegt keine Verletzung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG vor. Denn die mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verbundenen Beschränkungen beruhen auf vernünftigen Gemeinwohlgründen und führen nicht zu unüberwindbaren objektiven Hindernissen bei der Berufsausübung oder Berufswahl.

75 4. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen ist gleichfalls eine materiell-rechtmäßige dienstliche Maßnahme.

76 a) Das Bundesministerium der Verteidigung hat auf der Grundlage des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche ärztlichen Schutzimpfungen und Infektionsschutzmaßnahmen im Einzelnen nach Art, Zeit und Ort des Einsatzes der Bundeswehreinheiten zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft notwendig und medizinisch zumutbar sind. Die angefochtenen Dienstvorschriften können gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens verkannt oder überschritten worden sind oder ob das Bundesministerium der Verteidigung von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Wie für jedes den Bürger belastende hoheitliche Tätigwerden gilt dabei der verfassungskräftige Grundsatz des Übermaßverbots, auf dessen Beachtung auch der Soldat, der die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger besitzt (§ 6 Satz 1 SG), einen Anspruch hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 1986 - 1 WB 170.84 - BVerwGE 83, 191 <193>).

77 Wird eine Maßnahme - wie die Durchführung von Basisimpfungen - nicht einmalig, sondern auf unbestimmte Dauer angeordnet, ist der Dienstherr verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme fortlaufend zu überwachen. Er muss insbesondere überprüfen, ob eine einmal festgelegte Duldungspflicht für eine Impfung weiterhin geeignet, erforderlich und zumutbar ist. Bei der gerichtlichen Kontrolle von Dauerverwaltungsakten kommt es darauf an, dass sie sich nicht nur zum Zeitpunkt des Erlasses, sondern auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig erweisen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Oktober 2014 - 9 B 32.14 - juris Rn. 3 und vom 28. Oktober 2021 - 1 WRB 2.21 - BVerwGE 174, 94 Rn. 31). Weil die Duldungspflicht für Schutzimpfungen auch in die Grundrechte der Soldaten auf körperliche Unversehrtheit und auf Berufsfreiheit eingreift, ist eine fortdauernde Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer verpflichtenden Impfanordnung und eine ständige Überwachung der Impfsicherheit auch unter dem grundrechtlichen Aspekt der Schutzpflicht des Staates für die Gesundheit des Einzelnen sowie unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn rechtlich geboten.

78 Dabei kann die Frage, welche Gefahren von einem Krankheitserreger ausgehen und welche vor- und nachteiligen Auswirkungen von einer Schutzimpfung zu erwarten sind, nur vor dem Hintergrund des jeweils aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis und mit Blick auf die im jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden und zum Einsatz bestimmten Impfstoffe beurteilt werden. Im Laufe der Zeit kann sich eine anfänglich positive Nutzen-Risiko-Bewertung für einen Impfstoff ändern, weil bisher unbekannte Nebenwirkungen auftreten oder die Wirksamkeit des Impfstoffs aufgrund einer Mutation des Erregers nachlässt. Ferner kann die Entwicklung eines effektiveren oder nebenwirkungsärmeren Impfstoffs Anlass zu einem Wechsel des Präparats geben. Das Soldatengesetz betraut in § 10 Abs. 4 i. V. m § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die militärischen Vorgesetzten mit der Anordnung und Organisation der duldungspflichtigen Infektionsschutzmaßnahmen, sodass ihnen hinsichtlich der Frage, ob bei einem bestimmten Erreger eine Schutzimpfung geboten ist, ein Entschließungsermessen und bei der Auswahl der Impfstoffe ein Auswahlermessen zukommt.

79 Ferner obliegt es der militärischen Führung, die von einem Krankheitserreger ausgehenden Gefahren für die Gesundheit der Soldaten, die voraussichtliche Wirksamkeit eines Impfstoffs und die Gefahr von Nebenwirkungen im Rahmen einer Gesamtprognose einzuschätzen. Da die Bundeswehr über eigene Bundeswehrkrankenhäuser, wissenschaftliche Institute und eine Sanitätsakademie verfügt, besitzt die militärische Führung auch eine ausreichende fachliche Expertise bei der durchaus komplexen medizinischen Einschätzung der von einzelnen Krankheitserregern ausgehenden Gefahren, der Effektivität von Impfstoffen und der Risiken von Impfnebenwirkungen. Weil diese Prognoseentscheidungen nach § 10 Abs. 4 i. V. m § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienstherrn obliegen, steht ihm hinsichtlich der Gefahrenlage, der Effektivität der Impfstoffe und der von ihnen ausgehenden Risiken ein Prognosespielraum zu. Das Wehrdienstgericht kann bei der gerichtlichen Kontrolle einer Impfanordnung nicht seine Einschätzung von der Gefährlichkeit eines Erregers, von der Effektivität eines Impfstoffs oder von dessen Risiken zugrunde legen. Vielmehr ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gefassten oder beibehaltenen Impfanweisungen des Dienstherrn auf Prognose- und Ermessensfehler zu überprüfen.

80 b) Das Bundesministerium der Verteidigung hat bei der Einführung der Duldungspflicht für die Covid-19-Schutzimpfung die gesetzlichen Grenzen seines von § 10 Abs. 4 SG eröffneten Ermessens nicht überschritten und insbesondere den von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vorgegebenen Handlungsrahmen beachtet. Denn die Anordnung dieser Impfung dient der Verhütung einer übertragbaren Krankheit.

81 aa) Von einer übertragbaren Krankheit ist - wie ausgeführt - im Soldatenrecht in Anlehnung an das Infektionsschutzrecht (§ 2 Nr. 3 IfSG) und das Verfassungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) die Rede, wenn eine Erkrankung, das heißt ein behandlungsbedürftiger pathologischer Zustand, von unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragbaren Krankheitserregern oder deren toxischen Produkten verursacht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 124). Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG, der vorwiegend über die Atemluft (Aerosole) von Mensch zu Mensch übertragen wird und bei einem erheblichen Anteil der Betroffenen die Krankheit Covid-19 (coronavirus disease 2019) verursacht. Die an ihr Erkrankten müssen in einer nicht geringen Anzahl von Fällen stationär und auch intensivmedizinisch behandelt werden; die Krankheit kann trotz Behandlung zum Tode führen. Eine Infektion kann zudem erhebliche langfristige Leiden ("Long-Covid") nach sich ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 126). Nach Erkenntnissen des Bundesamts für Statistik hat Covid-19 in den Jahren 2020 und 2021 zu einer erheblichen Übersterblichkeit, das heißt zu einer Zunahme der Sterberate um 3 % beziehungsweise 4 % über das demografisch zu erwartende Maß, geführt (vgl. www.destatis.de, Pressemitteilung Nr. 014 vom 11. Januar 2022).

82 bb) Die Covid-19-Schutzimpfung stellt auch eine Maßnahme zur Verhütung dieser Krankheit dar. Die Unterscheidung zwischen Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG orientiert sich an der Systematik des Infektionsschutzgesetzes, das in seinem vierten Abschnitt die Maßnahmen der Verhütung (§§ 16 ff. IfSG) und im fünften Abschnitt die Maßnahmen der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (§§ 24 ff. IfSG) regelt. Ebenso wie im früheren Bundesseuchengesetz dienen Verhütungsmaßnahmen der Vorbeugung und der Verhinderung des Auftretens einer übertragbaren Krankheit, während Bekämpfungsmaßnahmen die Verbreitung einer bereits aufgetretenen Infektionskrankheit eindämmen oder unterbinden sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1971 - 1 C 60.67 - BVerwGE 39, 190 <192 f.>; LG Hannover, Urteil vom 9. Juli 2020 - 8 O 2/20 - NJW-RR 2020, 1226 Rn. 28; Mers, in: Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 2). Schutzimpfungen sind in § 20 IfSG und damit im Abschnitt über die Verhütung übertragbarer Krankheiten untergebracht. Ihre Einordnung als Verhütungsmaßnahme bleibt - wie § 20 Abs. 2a IfSG zeigt - auch dann bestehen, wenn die mit einer Schutzimpfung verbundene individuelle Prophylaxe gegen das Coronavirus zugleich der Eindämmung der Covid-19-Pandemie dient.

83 Soweit die Impfstoffe gegen das Coronavirus schon nach den Herstellerangaben keinen 100%igen Schutz vor Infektionen gewähren, ändert dies am Charakter der Schutzimpfung als Verhütungsmaßnahme nichts. Denn es ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwingend, eine Maßnahme nur dann als Verhütungsmaßnahme anzusehen, wenn sie einen vollständigen Schutz gewährt. Vielmehr fallen darunter auch weniger effektive vorbeugende Maßnahmen. Auch die von § 20 Abs. 2a IfSG für eine Covid-19-Schutzimpfung vorgegebenen Impfziele lassen eine Empfehlung nicht nur bei vollständiger Unterbindung der Transmission, sondern auch bei der Reduktion schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe zu.

84 cc) Die Covid-19-Schutzimpfung soll schließlich nach der klaren Regelung in Nr. 208 ZDv A-840/8 durch den Arzt verabreicht werden. Dies entspricht § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, der nur ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen zulässt. Entscheidend ist dabei die vom medizinischen Sachverstand des Arztes getragene Kontrolle des Impfvorgangs, die den Soldaten vor Fehlern in der Impfstoffauswahl und -dosierung bewahren soll. Diese Kontrolle kann auch gewährleistet sein, wenn der Arzt die Impfdosis nicht selbst verabreicht, sondern dies anordnet (vgl. BT-Drs. 19/9491 S. 104). Soweit der Antragsteller meint, aufgrund der von ihm angenommenen Gefährlichkeit und Schädlichkeit der Impfstoffe könne die Verabreichung der Covid-19-Impfung nie eine ärztliche Maßnahme sein, verkennt er den Regelungsgehalt der Vorschrift, die nur die Durchführung der Maßnahme regelt und nicht deren Gegenstand.

85 dd) Die Covid-19-Impfung "dient" schließlich auch der Verhütung einer Erkrankung. Dies folgt daraus, dass § 20 Abs. 2a IfSG die Impfung als mögliche Prophylaxemaßnahme nennt. Die auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency - EMA) zugelassenen Impfstoffe sind auf ihre Wirksamkeit gegen das Virus SARS-CoV-2 bereits bei der Zulassung geprüft worden und sind daher dazu bestimmt, einen Beitrag zur Vorbeugung gegen die Erkrankung an Covid-19 zu erbringen. Dass diese Schutzimpfung auch objektiv betrachtet einen Beitrag zur Covid-19-Prophylaxe erbringen kann, steht - wie unten näher ausgeführt wird - auch zur Überzeugung des Gerichts fest.

86 c) Die Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in den Katalog der verpflichtend durchzuführenden Basisimpfungen ist eine Ermessensentscheidung, die dem Zweck der Ermächtigung entspricht (§ 40 VwVfG). Sie dient dem Normzweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, die gesundheitliche Einsatzbereitschaft der Soldaten zu erhalten. Die Basisimpfungen sind nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 für alle militärischen Kräfte vorgeschrieben, die im Inland im Rahmen der Hilfs- und Katastrophenschutzaufgaben der Bundeswehr (Art. 35 GG) zum Einsatz kommen. Durch die Orientierung an den "Hilfs- und Katastrophenkräfte(n) Inland" bringt die Allgemeine Regelung zum Ausdruck, dass der Dienstherr die Basisimpfungen für alle Soldaten und Soldatinnen für erforderlich hält, deren Einsatzort das Inland ist und die gegenwärtig auch für Amtshilfe und Katastrophenschutzeinsätze bereitstehen. Dass die Hauptaufgabe der Streitkräfte gemäß Art. 87a Abs. 2 GG die Landesverteidigung ist und dass die Bundeswehr nach Art. 87a Abs. 4 i. V. m. Art. 91 Abs. 2 GG unter engen Voraussetzungen auch zur Verstärkung der Polizeikräfte eingesetzt werden kann, bleibt dabei nicht unberücksichtigt. Vielmehr wird lediglich ausgedrückt, dass die Basisimpfungen dem Zweck dienen, die Einsatzbereitschaft für alle - auch zivile - Verwendungen der Bundeswehr im Inland sicherzustellen.

87 d) Der Dienstherr konnte bei der Einfügung der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen im November 2021 auch davon ausgehen, dass sie dem Zweck der Gesunderhaltung der Soldatinnen und Soldaten und der Erhaltung der Einsatzbereitschaft der Inlandskräfte dienen würde. Für die Annahme eines solchen Nutzens einer Impfung ist es nicht erforderlich, dass aufgrund eines übertragbaren Krankheitserregers bereits konkret eine Epidemie im Einsatzgebiet der Streitkräfte droht oder dass die Einsatzbereitschaft bestimmter Verbände der Bundeswehr akut gefährdet ist. Vielmehr genügt eine allgemeine Gefahrenlage im Einsatzgebiet, um vor dem Hintergrund der Gesunderhaltungspflicht jedes einzelnen Soldaten eine vorbeugende Schutzimpfung als angezeigt erscheinen zu lassen. Findet etwa ein Auslandseinsatz in einem afrikanischen Land statt, in dem immer wieder Malaria-Erkrankungen auftreten, dann genügt dieses allgemeine Gefahrenwissen, um eine Impfung als vorbeugende Infektionsschutzmaßnahme für erforderlich zu halten, ohne dass es auf den Nachweis eines aktuellen Malaria-Ausbruchs am konkreten Einsatzort ankäme.

88 aa) Im November 2021 lag nicht nur eine solche allgemeine, sondern eine konkrete Gefahr im Inland vor. Sie hatte bereits über einen längeren Zeitraum bestanden. Nachdem das SARS-CoV-2-Virus im Januar 2020 erstmals in Deutschland nachgewiesen wurde, verbreitete es sich rasch. Bereits am 25. März 2020 stellte der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest (BT-Prot. 19/154 S. 19191). Parallel zu dieser mehrfach verlängerten Feststellung wurden durch Bund und Länder zahlreiche Infektionsschutzmaßnahmen erlassen, insbesondere Abstandsgebote, Maskenpflichten, Ausgangsbeschränkungen, Gastronomieschließungen, Beherbergungsverbote, Schulschließungen und Reiseverbote. Auch nach Zulassung von mehreren Impfstoffen gegen Covid-19 im Winter 2020/2021 führte die auf Freiwilligkeit basierende Durchführung von Schutzimpfungen zu keiner endgültigen Eindämmung der Pandemie.

89 Vielmehr kam es im Herbst 2021 zu einer vierten Infektionswelle, in der die Delta-Variante des Virus vorherrschte. Sie sorgte für einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen. Im November/Dezember 2021 war die Lage nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts sehr besorgniserregend und ließ eine weitere Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle erwarten, was das Institut in seinen im Internet veröffentlichten Wöchentlichen Lageberichten zur Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19) vom 2., 9. und 16. Dezember 2021 für die Kalenderwochen 47 (22. bis 28. November), 48 (29. November bis 5. Dezember) und 49 (6. bis 12. Dezember) zusammengefasst und statistisch unterlegt hat. Danach waren die Infektionszahlen wieder deutlich angestiegen und betrugen in allen drei Kalenderwochen über 400 Infektionen pro 100 000 Einwohner. Diese sich verschärfende Lage machte sich auch bei der wachsenden Anzahl schwerer Erkrankungs- und Todesfälle bemerkbar (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 158 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund war auch die Einschätzung des Dienstherrn gerechtfertigt, dass die pandemische Bedrohung im November 2021 fortbestand und dass im Hinblick auf die Gesunderhaltung der Soldaten und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr Handlungsbedarf bestand. Ob eine Überlastung des Gesundheitswesens und der Krankenhäuser unmittelbar bevorstand, ist hierfür nicht maßgeblich. Daher kommt es auf die vom Parteisachverständigen Tom Lausen hierzu vorgelegten Daten nicht an.

90 bb) Der Dienstherr durfte dabei auf die Belastbarkeit des vom Robert-Koch-Institut und der Ständigen Impfkommission erhobenen und bewerteten Datenmaterials vertrauen. Beide verfügen hierfür über die notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen, sind in ihren Beurteilungen unabhängig und international vernetzt. Bei dem Robert-Koch-Institut (RKI) handelt es sich um das Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten. Zu seinen wichtigsten Arbeitsbereichen gehören die Bekämpfung von Infektionskrankheiten und die Analyse langfristiger gesundheitlicher Trends in der Bevölkerung. Die dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen die vielschichtigen Einflüsse auf Gesundheit und Krankheit, erarbeiten und überprüfen evidenzbasierte Empfehlungen und entwickeln neue Methoden für den Gesundheitsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138, 160).

91 Bei der Ständigen Impfkommission (STIKO) handelt es sich um ein politisch und weltanschaulich neutrales, 1972 gegründetes Expertengremium, das beim Robert-Koch-Institut im Fachgebiet Impfprävention angesiedelt ist und einen optimalen Einsatz verfügbaren Impfstoffs gewährleisten soll. Seine Empfehlungen gelten als medizinischer Standard (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - XII ZB 157/16 - NJW 2017, 2826 Rn. 25). Die dort ehrenamtlich Tätigen sind Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft und Forschung, aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der niedergelassenen Ärzteschaft. Bei ihrer Tätigkeit sind sie nur ihrem Gewissen verantwortlich und zur unparteiischen Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung der STIKO). Bei ihrer Aufgabenerfüllung benutzt die Ständige Impfkommission Kriterien der evidenzbasierten Medizin, bezieht insbesondere die Bewertungen des Paul-Ehrlich-Instituts zur Sicherheit von Impfstoffen mit ein und führt eine unabhängige epidemiologische Nutzen-Risiko-Abwägung durch. Dabei hat die Ständige Impfkommission nicht nur den Nutzwert einer Impfung für die Einzelnen, sondern auch für die Gesamtbevölkerung im Blick (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 139).

92 Bei den Sitzungen der Ständigen Impfkommission nimmt zur Berücksichtigung des Aspekts der Impfstoffsicherheit stets ein Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts beratend teil. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist die in Deutschland federführend zuständige Behörde im Zusammenhang mit der Entwicklung, Zulassung, Bewertung und Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen. Ihm obliegt insbesondere die Erfassung und Auswertung von impfinduzierten Risiken und die Koordination gegebenenfalls zu ergreifender Maßnahmen. Daneben ist das Paul-Ehrlich-Institut eine Forschungseinrichtung, um die Expertise zur Impfstoffbeurteilung einschließlich der Beurteilung von individuell auftretenden unerwünschten Impfreaktionen zu bündeln. Geforscht wird unter anderem auf den Gebieten der Immunologie, der Virologie und der Bakteriologie. Aufgrund dieser herausgehobenen Stellung ist das Paul-Ehrlich-Institut weltweit vernetzt und berät nationale, europäische und internationale Gremien im Zusammenhang mit Impfstoffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138).

93 Das Bundesministerium der Verteidigung konnte bei seiner Einschätzung der Gefahrenlage auf die Expertise des Robert-Koch-Instituts und bei der Beurteilung des Nutzens einer Covid-19-Impfung auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zurückgreifen. Deren Einschätzungen wurden vom Sanitätsdienst der Bundeswehr, der über eine eigene fachliche Expertise verfügt, nach Aktenlage aufmerksam verfolgt und inhaltlich geteilt. Danach bestand im Herbst 2021 auch für die bei der Bundeswehr am stärksten vertretene Altersgruppe der 18- bis 59-jährigen Personen im "Einsatzgebiet Inland" eine erhebliche Gefahr der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und das Risiko, in dessen Folge schwer zu erkranken.

94 cc) Die Gefahrenlage durch das SARS-CoV-2-Virus hat sich zwar insgesamt in den vergangenen Monaten erheblich entspannt. Die aktuelle Situation Anfang Juli 2022 ist dadurch geprägt, dass mit der Omikron-Variante des Coronavirus eine besonders leicht übertragbare Virusvariante vorherrscht; weil die vorhandenen Impfstoffe eine Infektion mit dieser Variante nur eingeschränkt hindern, gibt es einerseits mehr Neuinfektionen als früher. Andererseits werden gegenwärtig unter der Omikron-Variante seltener als früher schwere Verläufe festgestellt, weswegen trotz der gestiegenen Zahl der Infektionen bislang keine Überlastung der Krankenhäuser aufgetreten ist. Dies hat seine Ursache zum einen darin, dass die Omikron-Variante einen im Durchschnitt milderen Verlauf nimmt. Zum anderen trifft sie auf einen hohen Prozentsatz von Personen, die bereits geimpft sind oder aufgrund einer vorangegangenen Infektion Antikörper gebildet haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Omikron-Variante für ungeimpfte Personen und vulnerable Gruppen völlig ungefährlich geworden wäre. Vielmehr hat sich an der grundsätzlichen Gefährlichkeit der Covid-19-Erkrankung nach aktuellem Wissensstand nichts geändert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 164).

95 dd) Soweit der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ausgeführt hat, dass die Erkrankung an Covid-19 nicht gefährlicher sei als ein Schnupfen und dass insbesondere für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund ihres Alters und ihrer Fitness kein nennenswertes Risiko einer schweren Erkrankung bestehe, trifft dies nicht zu. Zum einen sind schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle im gesamten Verlauf der Pandemie auch bei jungen Erwachsenen und berufstätigen Personen unter 60 Jahren aufgetreten. Betroffen waren nicht nur ältere Personen und Menschen mit speziellen Vorerkrankungen. Diese Einschätzung wurde in der Hauptverhandlung durch den Sachverständigen Privatdozent Dr. med. Ole Wichmann, Leiter Fachgebiet Impfprävention beim Robert-Koch-Institut, bestätigt. Unter der Omikron-Variante seien in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen zwar weniger schwere Verläufe als unter der Delta-Variante zu beobachten. Hospitalisierung sei überwiegend in der Altersgruppe über 60 Jahre zu beobachten. Das Risiko eines schweren oder eines tödlichen Verlaufs bestehe jedoch in geringem Maße weiterhin. In der 13. bis 16. Meldewoche 2022 seien beispielsweise acht Personen in diesem Altersband im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben.

96 Zum anderen sind in der Bundeswehr auch ältere Soldatinnen und Soldaten beschäftigt sowie Personen mit Vorerkrankungen, bei denen eine erhöhte Gefahr eines gefährlichen Verlaufs der Covid-19-Erkrankung besteht. Dies hat seinen Grund darin, dass die Altersgrenze für die meisten Stabsoffiziere über dem 60. Lebensjahr liegt und dass etliche Soldaten im Laufe ihres Berufslebens trotz Dienstsport und Gesunderhaltungsbemühungen erkranken und danach ein risikoerhöhendes Grundleiden (z. B. Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, Herzkreislauferkrankungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, chronische Leber- oder Nierenerkrankungen) besitzen. Ferner gibt es auch in der Bundeswehr Soldaten mit erhöhten Risiken aufgrund Rauchens oder Übergewichts (Adipositas).

97 Nicht zuletzt besteht für die Soldaten aller Altersgruppen die Gefahr, nach einem milden oder symptomlosen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion an Long-Covid beziehungsweise Post-Covid zu erkranken. Dabei umfasst die übliche Klassifikation unter dem Begriff Long-Covid alle im Anschluss an eine akute Covid-19-Erkrankung vier Wochen nach Symptombeginn noch bestehenden Symptome. Als Post-Covid-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als zwölf Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Zu den Symptomen des Post-Covid-Syndroms gehören unter anderem Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Muskelschwäche oder eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand: 26. November 2021). Bisherige Studien legen nahe, dass die Zahl der von einem "Post-Covid-Syndrom" betroffenen Personen in der für den Soldatenberuf typischen Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen gemessen an ihrer Hospitalisierungsrate deutlich erhöht ist und nicht nur Risikogruppen betrifft. Der Leiter der Long-Covid-Station des Bundeswehrkrankenhauses Ulm Prof. Dr. Dr. Steinestel hat in der mündlichen Verhandlung über Fälle betroffener Soldatinnen und Soldaten berichtet und im Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Mai 2022 vorgetragen, dass hiervon überwiegend ungeimpfte Patienten betroffen seien.

98 Insgesamt konnte und kann der Dienstherr somit von einer nicht nur abstrakten, sondern konkreten gesundheitlichen Gefahrenlage durch das SARS-CoV-2-Virus für die Soldaten der Bundeswehr ausgehen.

99 5. Der Dienstherr konnte und kann die Covid-19-Schutzimpfung auch als verhältnismäßige Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und zum Schutz der Grundrechte anderer ansehen.

100 a) Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen war und ist geeignet, den Gesetzeszweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu erreichen. Die diesbezüglichen Annahmen und Prognosen des Dienstherrn beruhen auf hinreichend tragfähigen Grundlagen.

101 aa) Der Dienstherr konnte im November 2021 zum Zeitpunkt der Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" davon ausgehen, dass eine Impfung zum Schutz der Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten beiträgt und damit auch die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte sichert. Die damals zugelassenen Impfstoffe boten nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts bei Infektionen mit der Delta-Variante des Virus eine sehr hohe Wirksamkeit von etwa 90 % gegen eine schwere Infektion (z. B. Behandlung im Krankenhaus) und eine gute Wirksamkeit von etwa 75 % gegen eine symptomatische Covid-19-Infektion (vgl. www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html und RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 27. Januar 2022, S. 28 f. mit Aufschlüsselung nach Altersgruppen). Im November 2021 ging eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon aus, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren und auch das Virus seltener übertragen können als nicht geimpfte oder nicht genesene Personen. Angenommen wurde auch, dass dann, wenn sich Geimpfte infizieren, sie weniger und nur für einen kürzeren Zeitraum als nicht Geimpfte infektiös sind und eine Covid-19-Schutzimpfung zum Schutz anderer beiträgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 173 m. w. N.).

102 Im Rahmen der Eignungsprognose musste der Dienstherr auch nicht von der Aufnahme der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen Abstand nehmen, weil die Wirksamkeit der Impfung gegen die im November 2021 noch neuartige Omikron-Variante unsicher war. Er durfte berücksichtigen, dass damals die Delta-Variante des Virus mehr als 99 % sämtlicher Neuinfektionen ausmachte und das weitere Infektionsgeschehen zumindest noch für einen gewissen Zeitraum prägen würde. Außerdem konnte er auf Grundlage der damals verfügbaren wissenschaftlichen Daten von einer jedenfalls nach einer Auffrischimpfung guten Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe auch gegen die Omikron-Variante des Virus ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 174 m. w. N.).

103 bb) Der Dienstherr kann auch davon ausgehen, dass die Eignung der mRNA-Impfstoffe über den Winter 2021/2022 hinaus bis heute erhalten geblieben ist. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die verfügbaren Impfstoffe auch unter der Dominanz der Omikron-Variante für vollständig geimpfte Personen aller Altersgruppen - insbesondere nach einer Auffrischimpfung - weiterhin einen sehr guten Schutz gegenüber einer schweren Covid-19-Erkrankung vermitteln (RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 30. Juni 2022, S. 4). Die Ständige Impfkommission empfiehlt ebenfalls seit dem Herbst 2021 eine Auffrischimpfung (Booster-Impfung) mit einem mRNA-Impfstoff für alle Erwachsenen, wobei für unter 30-Jährige nur Comirnaty und für ab 30-Jährige auch Spikevax befürwortet wird (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 48/2021 vom 2. Dezember 2021, S. 3 ff.).

104 Für die Wirksamkeit einer solchen Dreifach-Impfung gegenüber der Omikron-Variante spricht die vom Bundesministerium der Verteidigung zitierte Studie aus Israel. Der Sachverständige Dr. Wichmann hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 bestätigt, dass der Schutz vor schweren Infektionen nach einer Booster-Impfung stabil hoch bleibt. Ein solcher Schutz liege bei zehn und mehr Wochen noch bei 88 %. In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen liege der Schutz vor einer Hospitalisierung nach 100 Tagen bei 76 %. Eine genauere Abschätzung zu den Langzeitwirkungen der Impfung unter der Omikron-Variante sei derzeit noch nicht möglich. Auch aus dem Covid-19-Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 28. April 2022 geht hervor, dass die verfügbaren Impfstoffe weiterhin eine erhebliche Wirksamkeit in Bezug auf den Krankheitsverlauf haben. Danach lag die Impfeffektivität gegenüber einer Hospitalisierung bei 18- bis 59-Jährigen nach längeren Zeitintervallen im Falle der Booster-Impfung bei 61 % (RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 28. April 2022, S. 28 f.).

105 Der Sachverständige hat auch die Ausführungen von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel im Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Mai 2022 bestätigt, dass die Covid-19-Impfung nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auch einen gewissen Schutz vor dem Post-Covid-Syndrom bietet. Erste Forschungsergebnisse der Long-Covid-Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses Ulm lassen ebenso wie wissenschaftliche Arbeiten aus anderen Ländern den Schluss zu, dass die Covid-19-Schutzimpfung die Prävalenz, Dauer und Schwere von Long-Covid signifikant reduziert. Da die allgemeine Erforschung dieser neuartigen Erkrankung aber noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, ist dies eine vertretbare, aber wissenschaftlich noch nicht vollständig gesicherte Prognose.

106 Auch die Annahme des Bundesministeriums der Verteidigung, dass die Covid-19-Impfung gegenüber einer Infektion mit der Omikron-Variante noch einen relevanten Schutz vermittelt, ist epidemiologisch gut vertretbar. Das Robert-Koch-Institut hat im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeführt, nach seinen Schätzungen liege der Schutz vor einer Covid-19-Infektion zehn Wochen nach der Booster-Impfung noch bei 50 bis 60 %. Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ist von einem Wert von 40 bis 70 % ausgegangen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 und juris Rn. 51). Auch wenn der Schutz vor einer Infektion nach einiger Zeit nachlässt, kann und muss davon ausgegangen werden, dass die durch das Impfserum ausgelöste Antikörper-Bildung noch einen relevanten Beitrag zur Infektionsverhinderung leistet (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 f.).

107 Dass damit auch eine Reduktion des Transmissionsrisikos unter dreifach-geimpften Personen verbunden ist, ist gleichfalls - auch bei Berücksichtigung wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten - eine vertretbare Prognose. Die hierzu vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegte Darstellung in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2022 mit einer behaupteten Reduktion des Übertragungsrisikos von 77 % im Vergleich zu Ungeimpften ist von dem Sachverständigen Dr. Wichmann zwar in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 nicht bestätigt worden. Er hat jedoch unter Verweis auf Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark ausgeführt, dass nach drei bis vier Monaten ein Transmissionsschutz bestehe, der sich bei 20 bis 40 % bewege. Die Ständige Impfkommission begründet ihre Impfempfehlung ebenfalls mit der damit verbundenen Reduzierung der Transmission (RKI, Epidemiologisches Bulletin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 4 f.). Diesem Aspekt hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht Bedeutung beigemessen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 185).

108 b) Der Dienstherr konnte die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen auch als erforderliche Maßnahme ansehen. Ihm standen und stehen keine gleich wirksamen und weniger belastenden Mittel zur Verfügung.

109 aa) Insbesondere sind reine Verhaltensregeln, wie etwa das Abstandhalten, das Tragen einer (medizinischen) Schutzmaske, die Einhaltung von Hygieneregeln, regelmäßiges Lüften oder das Einsetzen eines Luftfilters, nicht gleich wirksam (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 197). Die konsequente Einhaltung dieser Regeln ist zum einen nur schwer zu gewährleisten. Zum anderen kann dadurch nur das Infektions- und Transmissionsrisiko reduziert werden. Im Fall einer Erkrankung ändern diese Maßnahmen aber an der Schwere des Verlaufs nichts. Das Bundesministerium der Verteidigung hat daher zutreffend ausgeführt, dass es sich bei diesen vorbeugenden Maßnahmen nur um komplementäre, nicht aber um alternative Schutzmaßnahmen handelt.

110 Auch die Verpflichtung, sich vor Dienstantritt zu testen, stellt kein gleich effektives Mittel dar, um den Zweck von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu erreichen. Für die Bundeswehr als Arbeitgeber ist zwar die ausreichende Beschaffung von Antigen-Schnelltests möglich und wirtschaftlich zumutbar. Selbst durchgeführte Antigentests bergen allerdings das Risiko einer bewussten oder unbewusst fehlerhaften Anwendung und sind insbesondere bei geringer Viruslast im Frühstadium einer Infektion fehleranfällig (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 193 m. w. N.). PCR-Tests bieten zwar einen zuverlässigeren Nachweis, stehen aber wegen mangelnder Testkapazitäten nicht für das gesamte Bundeswehrpersonal täglich zur Verfügung. Im Übrigen stellen sie angesichts des hohen zeitlichen, organisatorischen und kostenmäßigen Aufwands keine realistische Alternative dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 194 ff.). Jedenfalls kann auch diese Form der Covid-19-Testung vor Dienstantritt nur die Verbreitung der Infektion im Dienst verhindern; eine Reduzierung des Infektionsrisikos und eine Vorbeugung gegen schwere Krankheitsverläufe bewirken diese Tests nicht, sodass auch sie nur als ein zusätzliches Instrument der Infektionsverhütung anzusehen sind.

111 bb) Als gleichwertige Alternative zur Impfung kommt die medikamentöse Covid-19-Therapie nach dem derzeitigen Stand der Forschung ebenfalls nicht in Betracht. Entsprechende Therapien versprechen nach wie vor weder eine sichere Heilung nach einer Covid-19-Infektion noch eine mit der gebotenen Eindeutigkeit festzustellende sichere Vermeidung von schweren bis hin zu tödlichen Krankheitsverläufen. Gleichzeitig können die derzeitigen Therapien nicht das Transmissionsrisiko senken (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021 Nr. 14; BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 198). Das gilt auch für das mittlerweile zugelassene Medikament Paxlovid und erst recht für nichtzugelassene Mittel wie zum Beispiel Chlordioxidlösung oder die anderen vom Antragsteller vorgeschlagenen alternativen Therapieansätze.

112 Das seitens des Antragstellers ins Spiel gebrachte Einnehmen von Vitamin D ist kein gleich geeignetes Mittel. Zwar ist eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021 Nr. 20). Der präventive Effekt dieses Hausmittels gegen Covid-19 ist jedoch nicht nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. Wichmann hat in der mündlichen Verhandlung dazu ausgeführt, dass die Ständige Impfkommission alternative Präventionsmaßnahmen durchaus prüfe; Erfolg versprechende alternativ-medizinische Medikamente präventiver Art lägen derzeit allerdings nicht vor.

113 cc) Schließlich kann auch die Beschränkung der Covid-19-Impfung auf bestimmte Gruppen von Soldaten oder auf bestimmte Szenarien nicht als milderes und gleich wirksames Mittel angesehen werden. Eine Beschränkung auf ältere und vulnerable Soldaten wäre nicht gleich effektiv. Zum einen haben auch jüngere und gesunde Soldatinnen und Soldaten ohne Impfung ein höheres Risiko einer schweren Erkrankung. Zum anderen würde bei einer Impfung nur weniger Soldaten eine erhöhte Infektions- und Transmissionsgefahr bestehen, die eine Erhöhung der Ausfallzeiten im Bereich der gesamten Bundeswehr nach sich ziehen würde. Mit einer Beschränkung der Impfung auf bestimmte Bereiche oder Einsätze - wie den Sanitätsdienst oder bei Auslandseinsätzen - wäre derselbe Nachteil verbunden.

114 Keine gleich effektive Option wäre es auch, die Impfung von einer vorherigen Bestimmung der im Blut der Soldatinnen und Soldaten vorhandenen Antikörper abhängig zu machen. Denn es gibt keine wissenschaftlich klar definierte Menge an Antikörpern, ab der ein ausreichender Schutz auch ohne Impfung vorhanden ist (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021 Nr. 18). Außerdem würde eine laufende Überprüfung der Antikörper-Titer bei ca. 180 000 Soldatinnen und Soldaten einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen.

115 c) Schließlich konnte und kann das Bundesministerium der Verteidigung die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der Basisimpfungen auch als angemessene Maßnahme ansehen. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - BVerfGE 155, 119 <178>).

116 aa) Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen aktualisiert und erweitert die gesetzlich vorgesehenen Eingriffe in die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten. Der damit verbundene zusätzliche Eingriff in die Berufsfreiheit ist allerdings durch die gesetzliche Ausgestaltung der Gesunderhaltung als eine das Berufsbild der Soldaten prägende Dienstpflicht weitgehend vorgezeichnet. Die mit einer weiteren Impfung für die Ausübung des Soldatenberufs verbundene Belastung wiegt für sich genommen nicht besonders schwer. Bei der Beurteilung der Schwere des Eingriffs ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Verweigerung der Covid-19-Impfung schwerwiegende berufliche Konsequenzen hat. Kommt es zu infektionsbedingten Beeinträchtigungen der Dienst- und Erwerbsfähigkeit erwachsen nach § 17a Abs. 4 Satz 1 SG aus der fehlenden Teilnahme an der Schutzimpfung erhebliche versorgungsrechtliche Nachteile. Die Eingriffstiefe erhöht sich weiter dadurch, dass eine Verweigerung der Impfung eine Dienstpflichtverletzung darstellt, die - wie ausgeführt - dienstrechtliche Konsequenzen in Form eines Disziplinarverfahrens nach sich zieht und im Extremfall auch zur Entfernung aus dem Dienst führen kann.

117 bb) Der Eingriff in das körperliche Selbstbestimmungsrecht führt dazu, dass der einzelne Soldat die Freiheit verliert, selbst eine Abwägung zwischen den mit einer Covid-19-Infektion verbundenen Gefahren einerseits und den Chancen und Risiken einer Schutzimpfung andererseits zu treffen. Dieser Eingriff in die Entscheidungsautonomie ist zwar ebenfalls gesetzlich vorgezeichnet, weil § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG gerade eine Verlagerung der Entscheidung über Nutzen und Risiken von Infektionsschutzmaßnahmen auf die militärischen Vorgesetzten vornimmt, um durch ein einheitliches Vorgehen eine infektionsbedingte Schwächung der Einsatzfähigkeit der Soldaten und ihrer militärischen Verbände zu verhindern.

118 Bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs einer zusätzlichen Impfung ist allerdings vorrangig das von Art. 2 Abs. 2 GG geschützte körperliche Integritätsinteresse in den Blick zu nehmen. Der Dienstherr muss bei der Aufnahme einer neuen Impfung in die Liste der verpflichtenden Schutzimpfungen die drohenden gesundheitlichen Belastungen überprüfen. Je höher die mit einer Impfung verbundenen Gesundheitsrisiken sind und je geringer der Mehrwert einer Impfung für die militärische Einsatzbereitschaft ist, desto eher ist eine Schutzimpfung unangemessen.

119 Im vorliegenden Fall konnte der Dienstherr davon ausgehen, dass die mit einer mRNA-Impfung verbundenen typischen Impfreaktionen nicht schwerwiegend sind. Sie sind auf die Immunantwort des Körpers auf die Verabreichung des Impfstoffes zurückzuführen. Zwar klingen diese nach relativ kurzer Zeit vollständig ab. Dies lässt aber die mit der Immunantwort nicht selten einhergehenden Nebenwirkungen wie etwa Kopf- und Gliederschmerzen unberührt, die die Betroffenen auch über mehrere Tage in ihrem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigen können. Diese auch bei anderen Impfungen auftretenden, eher harmlosen Impfreaktionen erhöhen das Gewicht des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nicht maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 143).

120 Daneben können im Einzelfall aber auch schwerwiegende und/oder länger andauernde Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen eintreten. Zwar handelt es sich bei den gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen zunächst nur um Verdachtsfälle, die nur zu einem Teil auch nachweislich zwingend kausal auf die Impfung zurückzuführen sind. Auch waren die gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen sehr selten und in der Regel nicht von Dauer. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass eine Impfung im ganz extremen Ausnahmefall auch tödlich sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 207 f.).

121 Allerdings ist das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs statistisch betrachtet nicht hoch. Nach dem Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 4. Mai 2022 gab es bei den bis März 2022 durchgeführten ca. 172,1 Millionen Impfungen 296 233 Meldungen über mögliche Impfkomplikationen (Verdachtsfälle). Davon waren 0,02 % Berichte über schwere Impfkomplikationen, deren Kausalität allerdings nicht weiter erforscht ist. Die schwerwiegendsten Komplikationen betrafen allergische Schocks (anaphylaktische Reaktionen), Entzündungen des Herzmuskels und des Herzbeutels (Myokarditis/Perikarditis) und lebensbedrohliche Blutgerinnselbildungen (Thrombosen), insbesondere Hirnblutgerinnsel (Sinusvenenthrombosen). Es gab 2 810 Verdachtsmeldungen über tödliche Verläufe. Davon hat das Paul-Ehrlich-Institut in 116 Fällen, in denen Patienten in zeitlich plausiblem Abstand zur jeweiligen Impfung an bekannten Impfrisiken verstorben sind, den Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet (vgl. PEI, Sicherheitsbericht vom 4. Mai 2022 - Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19, S. 8 f.).

122 Soweit der Antragsteller von einer wesentlich höheren Zahl an Impfgeschädigten und Impftoten ausgeht und die Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts in Zweifel zieht, kann dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, das unten näher dargestellt wird, nicht gefolgt werden. Auch wenn schwere Impfkomplikationen danach nur in zwei von 10 000 Fällen auftreten und die Gefahr eines tödlichen Verlaufs unter einem Millionstel liegt, erhöht dieser Umstand die Eingriffstiefe erheblich.

123 cc) In die Abwägung der Angemessenheit der Maßnahme ist aber auch der Nutzen der Impfung einzubeziehen. Der Dienstherr konnte im November 2021 bei Bewertung des militärischen Nutzens davon ausgehen, dass die Covid-19-Schutzimpfung für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewichtige Vorteile mit sich bringen würde. Bekanntlich absolvierte die Bundeswehr im Jahr 2021 verschiedene In- und Auslandseinsätze. Sie war im Rahmen der Katastrophenhilfe im Inland insbesondere bei der Beseitigung der Überschwemmungsschäden im Ahrtal involviert und erbrachte im Rahmen der Amtshilfe zahlreiche Unterstützungseinsätze in Gesundheitsämtern, Impfzentren und Pflegeeinrichtungen. Ferner führte sie Auslandseinsätze im Rahmen von NATO- und UNO-Missionen etwa in Mali durch oder leistete internationale Hilfe bei der Pandemiebekämpfung in Portugal. Vor dem Hintergrund einer drohenden Verschärfung der pandemischen Lage im Winter 2021/2022 konnte die größtmögliche Erhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr als besonders vordringlich angesehen werden, weil mit einer Fortführung einer erheblichen Anzahl von Inlandseinsätzen und diverser Auslandseinsätze zu rechnen war.

124 Der Nutzen der Covid-19-Impfung für die allgemeine Einsatzfähigkeit der Bundeswehr konnte auch als hoch eingestuft werden. Zwar versprach die Impfung - wie ausgeführt - unter der Dominanz der Deltavariante keinen vollständigen Schutz, sondern nur einen 90%igen Schutz gegen schwere Verläufe und einen 75%igen Schutz gegen symptomatische Erkrankungen. Unter dem Gesichtspunkt der allgemein-militärischen Einsatzfähigkeit ist aber auch schon eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Verhinderung eines schweren Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung als bedeutender Vorteil einzustufen. Eine Reduzierung schwerer Verläufe bewirkt nicht nur für die infizierten Soldatinnen und Soldaten einen geringeren Leidensdruck und eine kürzere Leidenszeit. Zugleich bedeutet dies für den Dienstherrn kürzere Ausfallzeiten mit insgesamt höherer Einsatzbereitschaft. Hinzu kommt, dass eine 75%ige Reduzierung symptomatischer Erkrankungen ein gewichtiges Weniger an Ausfallzeiten durch Erkrankung und Quarantäne verspricht. Gleichzeitig wird mit der Reduzierung symptomatischer Erkrankungen auch eine Verringerung der Transmission des Virus innerhalb der Truppe erreicht, was die Gefahr einer Infektion anderer Soldaten mindert, Angehörige vulnerabler Gruppen innerhalb der Streitkräfte schützt und der Einsatzbereitschaft der Verbände insgesamt zugutekommt.

125 Vor dem Hintergrund bestehender und fortzuführender Inlandseinsätze im Bereich der zivilen Gesundheitsämter, Impfzentren und Pflegeeinrichtungen konnte auch die mit der Schutzimpfung der Soldaten verbundene Verringerung der Transmissionsgefahr als wesentlicher Faktor zur Optimierung der Inlandseinsätze begriffen werden. Denn bei diesen Unterstützungseinsätzen im Gesundheitsbereich bestand einerseits ein erhöhtes Risiko des Zusammentreffens mit Infizierten und andererseits die Gefahr der Übertragung des SARS-CoV-2-Virus auf Angehörige vulnerabler Gruppen. Dabei hatte der bestmögliche Schutz vulnerabler Personen besondere Priorität. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht mit Recht hervorgehoben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 228 ff.). Diese Erwägungen gelten im Übrigen auch für die Sanitätsversorgungszentren und Krankenhäuser der Bundeswehr, in denen der Schutz vulnerabler Gruppen ebenfalls besonders im Vordergrund steht.

126 Schließlich konnte der Dienstherr auch davon ausgehen, dass die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Gruppe der Basisimpfungen positive Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im Ausland haben würde. Zum einen sind zahlreiche Auslandseinsätze der Bundeswehr bei NATO- und UNO-Missionen durch das äußerst beengte Zusammenleben von Soldaten in besonders gesicherten Camps geprägt, in denen zwangsläufig eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Die Erkrankung eines Soldaten an Covid-19 erfordert häufig eine rasche Rückholung des Betroffenen zur medizinischen Behandlung und eine Isolation von Kontaktpersonen. Dies schwächt die Einsatzkontingente erheblich, sodass einer bestmöglichen Prävention eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Zum anderen war ein Auslandseinsatz im Winter 2021/2022 schon aus rechtlichen Gründen in zahlreichen ausländischen Staaten nur mit einer Covid-19-Impfung möglich. Wie das Schweizer Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Nachweis einer vollständigen Covid-19-Impfung in zahlreichen ausländischen Staaten Ein- und Durchreisevoraussetzung, sodass Soldaten ohne Impfnachweis vielerorts nicht einreisen konnten und damit nicht auslandsverwendungsfähig waren (BVGer, Urteil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 15 ff.). Daher war die Durchführung einer Covid-19-Impfung schon vor deren Aufnahme in die Reihe der Basisimpfungen auch in der Bundeswehr regelmäßig Voraussetzung für die Teilnahme an einem Auslandseinsatz. Mit ihrer Aufnahme in die Basisimpfungen entfiel aber die Notwendigkeit, vor dem Einsatz das Wirksamwerden der Impfung abzuwarten, und es erweiterte sich das für Auslandseinsätze schnell verfügbare Personal.

127 Dieses besondere militärische Interesse an der Covid-19-Impfung besteht auch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung im Wesentlichen fort. Zwar hat das öffentliche Interesse dadurch an Gewicht eingebüßt, dass die vorhandenen mRNA-Impfstoffe bei der Verhütung der Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus weniger effektiv sind. Insbesondere hat der zeitliche Schutz gegen die Infektion und Transmission nachgelassen. Auch hat die Bundeswehr im März 2022 die Amtshilfeeinsätze im Inland im Bereich des Gesundheitswesens beendet. Jedoch hat sich die militärische Bedrohungslage seit dem Beginn des Ukraine-Krieges verändert und eine Verlegung von Verbänden der Bundeswehr zur Erfüllung einsatzgleicher Verpflichtungen im Bereich der NATO wahrscheinlicher werden lassen. Ein Wegfall der Impfnachweispflicht für die Einreise in ausländische Staaten ist bis dato überwiegend nicht erfolgt. Auch ist eine bestmögliche Prävention bei einsatzgleichen Verwendungen und Auslandseinsätzen weiterhin geboten.

128 dd) Bei Abwägung der privaten Interessen des Antragstellers, sich nicht dem Nebenwirkungsrisiko einer Covid-19-Impfung auszusetzen und seine persönliche Abwägungsentscheidung zwischen dem Impf- und dem Erkrankungsrisiko zu treffen, konnte und kann der Dienstherr von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses ausgehen. Dabei fällt es ins Gewicht, dass der Antragsteller den Beruf des Soldaten freiwillig ergriffen und dass schon zu Beginn seines Berufslebens die Verpflichtung zur Gesunderhaltung und zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen bestanden hat. Die Durchführung von Schutzimpfungen entspricht der langjährig gelebten Praxis der Bundeswehr, der sich der Antragsteller bislang nicht verschlossen hat. Die Corona-Pandemie und die Entwicklung einer Covid-19-Impfung war für den Antragsteller zwar so wenig vorhersehbar wie für den Rest der Bevölkerung. Er konnte aber wissen, dass das dienstliche Impfkonzept nicht starr ist, sondern geänderten Gegebenheiten angepasst werden kann. Insofern musste er damit rechnen, bei Auftreten einer neuartigen Erkrankung eine weitere Impfung dulden zu müssen (vgl. BVGer, Urteil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 20).

129 Für die Angemessenheit der Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Allgemeine Regelung A1-840/8-4000 spricht ferner, dass den Soldatinnen und Soldaten nur ein Impfrisiko abverlangt wird, das die Mehrheit der Bevölkerung freiwillig zur Bekämpfung der Pandemie einzugehen bereit ist. Die Ständige Impfkommission als unabhängiges Expertengremium hat die Covid-19-Impfung unter Einschluss der Auffrischimpfung bereits im November 2021 für alle Erwachsenen empfohlen und hält daran weiterhin fest. Die Durchführung der Impfung entspricht damit dem in der Bundesrepublik Deutschland ganz allgemein anerkannten medizinischen Standard (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136). Außerdem hat der Gesetzgeber mit § 20a IfSG auch anderen Berufsgruppen - wenn auch aus anderen Gründen - eine Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Covid-19 auferlegt. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ohne rechtfertigenden Grund ein besonderes Risiko auferlegt und ein unzumutbares Sonderopfer abverlangt werden würde.

130 Hinzu kommt, dass die Duldungspflicht in Bezug auf die Covid-19-Schutzimpfung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG das Selbstbestimmungsrecht der Soldatinnen und Soldaten nicht völlig ausschaltet. Die Duldungspflicht ist - wie ausgeführt - keine Zwangsimpfung und wird nicht mit körperlicher Gewalt durchgesetzt, sodass ein Kernbereich des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erhalten bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 221). Den Soldatinnen und Soldaten wird auch kein bestimmter Impfstoff aufoktroyiert. Zwar sieht die Allgemeine Regelung A1-840/8-4000 nicht vor, dass der einzelne Soldat bei der Durchführung der Impfung durch den Truppenarzt ein Wahlrecht hinsichtlich des zur Anwendung kommenden Impfstoffes besitzt. Er hat jedoch nach der Erlasslage die Möglichkeit, sich selbst bei einem niedergelassenen Arzt oder in einem Impfzentrum um die Durchführung der Impfung zu kümmern und dabei den Impfstoff zu bestimmen. Nur wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, muss er die Impfung mit dem vom Truppenarzt aus den Bundeswehrbeständen ausgewählten Impfstoff, das heißt nunmehr regelmäßig mit einem mRNA-Impfstoff, dulden.

131 Die Allgemeine Regelung ermöglicht es damit insbesondere Gegnern der von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffe, sich mit einem nicht genetisch operierenden Impfstoff (Nuvaxovid) behandeln zu lassen. Der Nachweis einer entsprechenden Impfung wird - wie das Bundesministerium der Verteidigung im Verfahren bestätigt hat - grundsätzlich akzeptiert. Damit wird die Entscheidungsautonomie der Soldatinnen und Soldaten aus Art. 2 Abs. 2 GG bei der Wahl des Impfstoffes respektiert.

132 Zur Verhältnismäßigkeit des Erlasses trägt auch bei, dass die Truppenärzte verpflichtet sind, bei der Verwendung der Impfstoffe die jeweils aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zu beachten (Nr. 1082 AR A1-840/8-4000). Durch die fortlaufende Beachtung aktueller Impfempfehlungen und Impfwarnungen erfolgt eine weitere Risikominimierung. Das Bundesministerium der Verteidigung hat im Verfahren mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 darauf hingewiesen, dass diese Regelung auch in der Praxis ernst genommen wird. Im Hinblick auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission kommt derzeit bei den jüngeren Soldatinnen und Soldaten nur der Impfstoff von BioNTech/Pfizer und bei den über 30-Jährigen auch der Impfstoff von Moderna zur Anwendung. Zugleich trägt zur Angemessenheit der allgemeinen Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in die Liste der Basisimpfungen bei, dass in jedem Einzelfall eine Überprüfung von medizinischen Kontraindikationen durch den Truppenarzt erfolgt (Nr. 210 ZDv A-840/8) und damit eine individuelle Unzumutbarkeit im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG vermieden wird. Im Übrigen greifen auch bei der Covid-19-Impfung die übrigen bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG erwähnten Mechanismen (Rechtsschutz, Entschädigung etc.) zur Abmilderung des Eingriffs ein.

133 6. Allerdings ist das Bundesministerium der Verteidigung auch in Zukunft verpflichtet, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssen - wie oben ausgeführt - stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Diese allgemein bestehende Überwachungspflicht wird dadurch verstärkt, dass der Staat nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG auch zum Schutz der Gesundheit und als Dienstherr zur Fürsorge gegenüber seinen Soldatinnen und Soldaten verpflichtet ist. Diese Überwachungspflicht hat bei der Covid-19-Impfung besondere Bedeutung, weil es sich um eine vergleichsweise neue Erkrankung handelt, weil die vorhandenen Impfstoffe auf einer für diesen Zweck noch nicht genutzten Technologie beruhen, weil die weltweite Erforschung der Erkrankung und des Erregers in vergleichsweise kurzer Zeit neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefert und weil die in Wellen verlaufende pandemische Verbreitung der Erkrankung durch einen ständigen Wandel des Virus geprägt ist. Es liegt also eine sehr volatile Lage vor, die immer wieder zu einer erneuten Bewertung, Überprüfung und Anpassung der im Zusammenhang mit der Covid-19-Impfungen stehenden Entscheidungen zwingt.

134 Dabei zeichnet sich aktuell eine Entwicklung ab, die verschiedentlich als Übergang einer Pandemie in eine Endemie gedeutet wird. Einerseits lässt die Gefährlichkeit des Coronavirus durch seine Mutationen in einer nicht genau bestimmbaren Weise nach. Andererseits verbreitet es sich häufiger und entwickelt sich zu einer in Europa dauerhaft präsenten Gesundheitsgefahr, die - wie die Influenza - saisonal im Winter höher ist als im Sommer. Andererseits ist aktuell eine ebenfalls nicht exakt bestimmbare Verringerung der Effektivität der vorhandenen Impfstoffe zu verzeichnen, die sich in einem immer schneller nachlassenden Schutz vor Infektion und Transmission und einem eher langsamer nachlassenden Schutz vor schweren Verläufen ausdrückt.

135 Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung insbesondere für die Anordnung weiterer Auffrischimpfungen angezeigt erscheinen lassen. Nach den derzeitigen Erkenntnissen der Ständigen Impfkommission schützt eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht nachhaltig vor dem Virus, während ein durch Impfungen verstärkter mindestens dreifacher Kontakt mit dem SARS-CoV-2-Virus einen relativ guten Schutz vor schweren Verläufen bietet (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 44 ff.). Vor diesem Hintergrund muss die pauschale Entscheidung in der Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 für alle weiteren Auffrischimpfungen gemäß den nationalen Empfehlungen daraufhin überprüft werden, inwieweit weitere Impfungen als zwingende Basisimpfungen für alle Soldatinnen und Soldaten bei einer Nutzen-Risiko-Abwägung im Sinne des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ermessensgerecht sind. Da außerdem auch vom Gesamtvertrauenspersonenausschuss eine Evaluierung gefordert und im Schlichtungsverfahren eine präzisere Risikoanalyse beschlossen worden ist, wäre eine Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bei der Ermessensentscheidung über diese Frage zielführend.

136 7. Die oben geschilderten tatsächlichen Einschätzungen und Prognosen des Dienstherrn sind nach dem Ergebnis der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme durch die Einwendungen von Seiten des Antragstellers nicht erschüttert worden.

137 a) Wie oben ausgeführt konnte sich der Dienstherr auf die fachlichen Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts bei der Einordnung der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und der Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe verlassen. Denn beim Robert-Koch-Institut handelt es sich um die Fachbehörde zur Erforschung von Infektionskrankheiten und beim Paul-Ehrlich-Institut um die federführende Bundesbehörde zur Überwachung der Impfstoffsicherheit (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 223). Beide Fachbehörden beschäftigen eine Vielzahl hochspezialisierter Experten, die laufend die einschlägigen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse auswerten und sich auf europäischer und internationaler Ebene mit den Überwachungsbehörden anderer Länder und der Europäischen Union austauschen. Sie werten in beträchtlichem Umfang nur ihnen zur Verfügung stehende Gesundheitsdaten aus und verfügen dadurch über Informationsquellen, die anderen Forschungsstellen nicht zugänglich sind. Die von ihnen veröffentlichten Fachinformationen zur Gefährlichkeit des Coronavirus, zur Verbreitung von Covid-19, zu den zugelassenen Impfstoffen und Medikamenten können daher von den Dienststellen der Bundeswehr als der Allgemeinheit zugänglich gemachte amtliche Auskünfte und damit nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG als Beweismittel verwertet werden.

138 aa) Im Prozess vor den Wehrdienstgerichten sind amtliche Auskünfte ebenfalls als Beweismittel zugelassen. Dies folgt daraus, dass § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO für Fragen des Prozessrechts ergänzend auf die Verwaltungsgerichtsordnung verweist und dass im Verwaltungsprozess die Verwendung amtlicher Auskünfte als ein selbständiges Beweismittel anerkannt ist, das in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 99 Abs. 1 Satz 1 sowie § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO erwähnt ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 1986 - 9 B 144.86 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 48 S. 30 und vom 28. Juni 2010 - 5 B 49.09 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 116 Rn. 5). Amtliche Auskünfte können je nach ihrem Inhalt den Zeugenbeweis oder - wie hier bei fachwissenschaftlichen Informationen - den Sachverständigenbeweis ersetzen (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 98 Rn. 65). Treten amtliche Auskünfte an die Stelle von Sachverständigengutachten, bedarf die durch sie geklärte Frage im Allgemeinen keiner Klärung durch Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302 S. 5).

139 Die Einholung eines weiteren Gutachtens kann in Anlehnung an § 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO nur geboten sein, wenn das Gericht die amtliche sachverständige Auskunft für ungenügend hält (BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Die Verpflichtung zur ergänzenden Begutachtung folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter die amtliche Auskunft als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012 - 7 C 8.11 - Buchholz 419.01 § 26 GenTG Nr. 1 Rn. 37 und Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - juris Rn. 26 m. w. N.).

140 Der erkennende Senat hat nach entsprechenden Hinweisen verschiedene amtliche Fachinformationen, insbesondere die wöchentlichen Lageberichte des Robert-Koch-Instituts und die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts, beweisrechtlich als sachverständige Auskünfte herangezogen. Die wissenschaftliche Überzeugungskraft dieser amtlichen Auskünfte konnte - wie im Folgenden näher ausgeführt wird - durch den Antragsteller und die in seinem Namen auftretenden Parteisachverständigen nicht erschüttert werden. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung der amtlichen Fachinformationen und zur Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag des Antragstellers mehrere Fachleute des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts als Sachverständige angehört, die ergänzende Fragen beantworten und Unklarheiten ausräumen konnten.

141 bb) Aus den vom Antragsteller geforderten und vom Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 vorgelegten eigenen Daten der Bundeswehr zu Impfkomplikationen ergeben sich keine Befunde, die die Aussagekraft und Verwertbarkeit der Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts als sachverständige amtliche Auskunft in Frage stellen würden.

142 Die Ärzte des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sind in gleicher Weise wie zivile Ärzte verpflichtet, den Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfkomplikation) an das Gesundheitsamt zu melden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG), das seinerseits die Meldung in pseudonymisierter Form über die zuständige Landesbehörde an das Paul-Ehrlich-Institut übermittelt (§ 11 Abs. 4 IfSG). Die auf diesem Weg gemeldeten Fälle werden zugleich vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr erfasst. Danach ergaben sich seit Beginn der Impfungen bei der Bundeswehr (Januar 2021) bis zum 5. Mai 2022 (ca. 480 000 Impfungen) auf dem Meldeweg der Bundeswehr 54 Verdachtsfälle, die sich auf alle eingesetzten Impfstoffe (pharmazeutische Unternehmer: AstraZeneca/BioNTech/Johnson & Johnson/Moderna) verteilen. Als Impfkomplikationen genannt sind grippale Symptome/Kopfschmerz/Lymphadenopathie (18 Meldungen, 8/4/-/6), Hautreaktionen (10 Meldungen, -/2/-/8), anaphylaktische Reaktionen (4 Meldungen, -/1/1/2), Myokarditis (5 Meldungen, 1/2/-/2), Myokarditis mit Begleitperikarditis (3 Meldungen, -/3/-/-), Thrombosen (5 Meldungen, 3/-/-/2) sowie 1 Meldung eines Todesfalls mit unbekannter Kausalität (Moderna); 8 weitere Meldungen betreffen verschiedene geringfügigere Beschwerden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ferner ausgeführt, dass sämtliche Sicherheitshinweise des Paul-Ehrlich-Instituts umgesetzt würden, wie zum Beispiel der Stopp des Einsatzes von Vektorimpfstoffen und des mRNA-Impfstoffs Spikevax bei jüngeren Altersgruppen, nachdem dort höhere Komplikationsraten bekannt geworden seien.

143 Zu dem Verdachtsfall eines Todesfalls hat das Bundesministerium der Verteidigung in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass bei dem "deutlich über 50-jährigen" Soldaten eine Vorerkrankung vorgelegen habe und im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung ein Vorhofflimmern entstanden sei. Soweit der Antragsteller beanstandet, dass eine Obduktion nicht stattgefunden habe, konnte nicht geklärt werden, ob eine solche rechtlich wie tatsächlich überhaupt in Betracht kam. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr insoweit über keine anderen oder weitergehenden Eingriffsrechte und Untersuchungsmöglichkeiten verfügt als sie im zivilen Bereich bestehen.

144 Insgesamt ergeben sich aus den mitgeteilten Daten keine nach Quantität oder Qualität wesentlichen Abweichungen von den allgemeinen Melderaten, wie sie in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts zur Ermittlung von Risikosignalen ausgewertet werden (siehe zuletzt den 18. Sicherheitsbericht vom 4. Mai 2022, S. 3 ff.). Auch der Einwand, Soldaten würden Impfkomplikationen häufig nicht oder nur zurückhaltend melden, ist nicht plausibel. Die Möglichkeit, wegen einer Wehrdienstbeschädigung Ansprüche nach dem Soldatenversorgungs- und dem Bundesversorgungsgesetz geltend zu machen, ist allgemein, namentlich im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, bekannt. Impfschäden können nicht nur Versorgungsansprüche nach dem Infektionsschutzrecht (hier insbesondere § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG), sondern als Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 Abs. 1 SVG auch - zum Teil weitergehende - dienstrechtliche Versorgungsansprüche auslösen (vgl. z. B. LSG Stuttgart, Urteil vom 14. Oktober 2021 - L 6 VS 2595/20 - juris Rn. 50 m. w. N.). Es ist fernliegend, anzunehmen, dass Soldaten auf solche Ansprüche verzichten wollten und die anspruchswahrende Meldung von Impfkomplikationen unterließen.

145 b) Im Hinblick auf die übereinstimmende Einschätzung des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts konnte der Dienstherr - wie ausgeführt - im November 2021 davon ausgehen, dass von dem SARS-CoV-2-Virus eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten und damit für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ausging, weil in vielen Fällen das menschliche Immunsystem alleine zur Abwehr nicht ausreichte (RKI, Epidemiologisches Bulletin 48/2021 vom 29. November 2021, S. 15 f.). Diese unter der Dominanz der Delta-Variante des Virus getroffene Einschätzung wird von den beiden Fachbehörden - wie ausgeführt - auch im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung aufrechterhalten. Dass derzeit die ganz überwiegende Mehrzahl der Infektionen einen milden Verlauf nimmt, kann nicht - wie der Antragsteller vermutet - darauf zurückgeführt werden, dass die Omikron-Variante des Coronavirus an sich bereits ungefährlich sei. Denn mittlerweile ist nach dem aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts etwa drei Viertel der deutschen Bevölkerung (76,2 %) zweifach und mehr als die Hälfte (61,6 %) sogar dreifach geimpft. In der für die Bundeswehr besonders relevanten Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen sind etwa vier Fünftel geimpft und ca. 16 % ungeimpft (RKI, Wöchentlicher Lagebericht zu Covid-19 vom 30. Juni 2022, S. 20). Hinzu kommt, dass eine zahlenmäßig nicht klar erfasste Bevölkerungsgruppe genesen ist. Das Virus trifft also in vielen Fällen auf Personen mit einer unterschiedlich hohen Anzahl von Antikörpern, die bereits bei der Infektion vorhanden sind und die Immunabwehr stärken. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Omikron-Variante des Virus keine schweren Verläufe verursacht, wenn sie auf Personen trifft, deren Immunabwehr unvorbereitet oder aus anderen Gründen geschwächt ist (vgl. RKI, Risikobewertung zu Covid-19 vom 29. Juni 2022).

146 aa) Die Richtigkeit dieser Gefahrenprognose konnte insbesondere nicht durch den vom Antragsteller als Parteisachverständigen beigezogenen Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi erschüttert werden. Dieser bis zu seiner Pensionierung als Institutsleiter an der Universität Mainz tätige Mikrobiologe und Mediziner hat zwar in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das Virus aufgrund seiner Verwandtschaft zu alltäglichen Coronaviren vom Immunsystem Ungeimpfter problemlos erkannt werde. Gerade junge Menschen hätten eine Hintergrundimmunität, die eine ernstliche Erkrankung verhindere, sodass eine Impfung nicht notwendig sei.

147 Diese These vom Ausreichen der körpereigenen Immunabwehr vermag jedoch nicht zu überzeugen. Sie gilt ohnedies nur für junge Menschen und nicht für ältere oder immungeschwächte Personen. Wie bereits ausgeführt finden sich in der Bundeswehr aber nicht nur junge, sondern auch ältere Soldaten. Einige gehören aufgrund von Vorerkrankungen oder anderen Risikofaktoren zu den sog. vulnerablen Gruppen. Zudem ist die These vom Ausreichen der vorhandenen Hintergrundimmunität auch für junge Menschen nicht bewiesen. Oberstarzt Prof. Dr. med. Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr, hat in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Mai 2022 überzeugend dargelegt, dass die von Prof. Dr. Bhakdi für seine Behauptung herangezogene Studie (Killingley et al., Nature Medicine, 2021) seine Einschätzung nicht stützt. Denn in der Studie werden keine Messwerte zur vorhandenen Hintergrundimmunität junger Menschen erhoben oder ausgewertet.

148 Ebenso wenig konnte Prof. Dr. Bhakdi seine Einschätzung belegen, dass bei einer Covid-19-Erkrankung schwere Krankheitsfolgen nur durch Behandlungsfehler, insbesondere eine zu frühe oder unnötige künstliche Beatmung, verursacht werden. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der nicht selbst kurativ tätige Prof. Dr. Bhakdi diese Einschätzung auf eine wissenschaftlichen Standards genügende Datenerhebung stützen kann.

149 bb) Auch die vom Antragsteller beigezogene Parteisachverständige Dr. med. vet. Susanne Wagner konnte die These von der relativen Ungefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus nicht überzeugend belegen. Sie hat selbst eingeräumt weder über eine humanmedizinische Ausbildung noch über eine spezielle virologische Expertise zu verfügen. Sie werte allerdings die Wochenberichte des Robert-Koch-Instituts aus. Ihre Annahme, dass im Allgemeinen nur Menschen mit Übergewicht oder Angst an Covid-19 erkrankten, entspricht jedoch weder der Beschreibung vulnerabler Gruppen durch das Robert-Koch-Institut noch dem breiten fachwissenschaftlichen Konsens.

150 cc) Schließlich konnte der Antragsteller den Senat auch nicht von seiner These überzeugen, die Gefährlichkeit und Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus werde aufgrund der Anwendung nicht aussagefähiger Antigen- und PCR-Tests völlig überschätzt, sodass in Wahrheit keine Corona-Pandemie, sondern eine Testpandemie vorläge. Die hierzu vorgelegten Gutachten von Frau Prof. Dr. rer. hum. biol. Ulrike Kämmerer sowie ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 zeigen zwar einige Schwächen der Antigen- und PCR-Testung auf. Insbesondere weisen Antigen- und PCR-Tests unterschiedlich hohe Messungenauigkeiten auf. Ferner belegen PCR-Tests unmittelbar nur das Vorhandensein des abgetöteten Virus in den entnommenen Proben, nicht die Infektiosität des Probanden. Hierzu hat Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung aber zutreffend erwidert, dass in den PCR-Tests zwar richtigerweise nur für SARS-CoV-2 typische Nukleotidsequenzen nachgewiesen werden. Jedoch sei bei einer bestimmten Höhe der nachgewiesenen Viruslast eine Aussage über eine Infektiosität der Person möglich.

151 Das Bundesministerium der Verteidigung hat zudem im Schriftsatz vom 20. Mai 2022 aufgezeigt, dass das von Dr. Victor Corman und Prof. Dr. Christian Drosten entwickelte PCR-Nachweisverfahren seit seiner Entwicklung, wie im wissenschaftlichen Prozess üblich, auf seine Eignung als Diagnostikverfahren mehrfach unabhängig durch empirische Studien überprüft worden ist. Dabei sind die methodischen Beschränkungen und die grundsätzliche Robustheit dieses PCR-Tests für den Nachweis von SARS-CoV-2 nachgewiesen worden. Soweit Frau Prof. Dr. Kämmerer, die selbst nicht auf dem Gebiet der Virologie forscht, dies in Frage stellt, beruhen ihre Einwände nicht auf eigenen empirischen Studien, sondern auf einer selektiven Auswertung der einschlägigen medizinischen Literatur.

152 Aus diesen Gründen folgt der Senat der Einschätzung von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel, dass Frau Prof. Dr. Kämmerer aus ihren richtigen Grundannahmen unzutreffende Schlüsse zieht. Es leuchtet ein, dass der Nachweis einer erheblichen Konzentration an für SARS-CoV-2 typischen Nukleotidsequenzen ein Indikator für die Wirksamkeit des Virus in einem Organismus ist. Zur korrekten Quantifizierung der in Rede stehenden Konzentration sind für die Testlabore einheitliche Standards entwickelt worden, bei denen der sogenannte Ct-Wert eine erhebliche Rolle spielt. Wie Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, arbeiten akkreditierte Labore nach einheitlichen Qualitätsstandards, deren Einhaltung überwacht wird. Dass es in Einzelfällen zu Anwendungsfehlern kommen mag, diskreditiert nicht das diagnostische System als solches. Auch Frau Prof. Dr. Kämmerer konnte keine plausiblen Anhaltspunkte dafür aufzeigen, dass in einer erheblichen Zahl von Fällen PCR-Tests fehlerhaft durchgeführt werden, sodass die aus ihnen ermittelten Infiziertenzahlen ergebnisrelevant deutlich überhöht wären.

153 Dass die durch PCR-Tests ermittelten Gensequenzen für SARS-CoV-2 nicht hinreichend spezifisch wären, wird durch Frau Prof. Dr. Kämmerer ebenfalls nicht wissenschaftlich fundiert aufgezeigt. Aus diesem Grund ist ihre Folgerung, in die Zahl der SARS-CoV-2-Infizierten würde einfließen, was vor dem Auftreten von SARS-CoV-2 als Erkältung oder Influenza erfasst worden wäre, nicht plausibel. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel, dass die in Deutschland durchgeführten PCR-Tests, deren Ergebnisse in die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts zur Gefahrenlage und zur Wirksamkeit der Impfstoffe einfließen, geeignet sind, verlässliche Indikatoren für Infektionen mit SARS-CoV-2 zu liefern. Sie bilden - wie vom Robert-Koch-Institut angenommen - den "Goldstandard für den Nachweis von SARS-CoV-2". Dass handelsübliche Antigen-Schnelltests weniger verlässliche Ergebnisse liefern, ist unstrittig, aber auch unerheblich, weil die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts maßgeblich auf den durch PCR-Tests ermittelten Werten beruhen.

154 c) Ferner konnten die Einwendungen des Antragstellers und der von ihm beigezogenen Parteisachverständigen zur Unwirksamkeit und Gefährlichkeit der mRNA-Impfstoffe nicht überzeugen.

155 aa) Insbesondere konnte Prof. Dr. Bhakdi in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2022 seine These, die mRNA-Impfstoffe hätten nie zum Schutz gegen eine Infektion beigetragen, nicht wissenschaftlich fundiert belegen. Er hat nie selbst irgendwelche Studien über das SARS-CoV-2-Virus oder die Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen durchgeführt und auch in seiner mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden aktiven Dienstzeit nicht über Coronaviren geforscht. Zum Nachweis seiner These hat er dem Senat zwar ein Bündel von rund einem Dutzend Textauszügen und Abdrucken aus fachwissenschaftlichen Aufsätzen übergeben, in denen er meist einzelne Sätze oder Abschnitte markiert hat. Allerdings vertritt keine dieser Publikationen Prof. Dr. Bhakdis These von der vollständigen Unwirksamkeit der mRNA-Impfstoffe. Seine sehr selektive Textexegese dieser Publikationen kann jedoch einen empirischen Nachweis für die behauptete Unwirksamkeit der mRNA-Impfstoffe nicht ersetzen.

156 Das Vorbringen von Prof. Dr. Bhakdi ist schon aus diesem Grund nicht geeignet, die sachverständige Einschätzung des Robert-Koch-Instituts und der herrschenden fachwissenschaftlichen Meinung zur Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe zu erschüttern. Soweit Prof. Dr. Bhakdi auf methodische Fehler einer an einer Zulassungsstudie beteiligten Forschungseinrichtung (Ventavia Research Group) verweist, ist durch das Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 nachvollziehbar erläutert worden, dass die durch Investigativjournalisten erhobenen Einwände nur einen kleineren Teil der Probanden betreffen und daher keinen Einfluss auf die Ergebnisse der Gesamtstudien haben. Prof. Dr. Bhakdi konnte den Senat auch nicht davon überzeugen, dass die verwendeten Impfstoffe keine Verbesserung der Immunantwort auf das SARS-CoV-2-Virus bewirken. Dies ist weder durch seine Behauptung, die Schutzimpfungen würden nicht zur Bildung von Schleimhaut-Antikörpern führen, dargetan, noch ist nachgewiesen, dass die Übertragung von SARS-CoV-2 unter Geimpften nicht erheblich geringer oder sogar höher ist als unter Ungeimpften. Prof. Dr. Bhakdi bezieht sich zum Beleg seiner Einschätzung auf Veröffentlichungen, die nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Erläuterungen von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 11. Mai 2022 die Behauptungen stützende Daten gar nicht enthalten bzw. Prof. Dr. Bhakdis Schlussfolgerungen nicht tragen.

157 bb) Soweit der Antragsteller befürchtet, die mRNA-Impfstoffe führten zu einer Veränderung der menschlichen Genome, hat sich dafür in der mündlichen Verhandlung ebenfalls kein wissenschaftlich tragfähiger Anhaltspunkt ergeben. Die Wirkungsweise von mRNA-Impfstoffen besteht darin, dass die im Impfstoff enthaltene Boten-Ribonukleinsäure (messenger Ribonucleic Acid = mRNA) eine genetische Information enthält. Damit bewegt sie die menschliche Gewebezelle, in die sie nach der Impfung eindringt, dazu, ein bestimmtes Protein herzustellen, das äußerlich mit seiner spitzen Form der Eiweißhülle des SARS-CoV-2-Virus entspricht. Dieses sogenannte Spikeprotein wird vom menschlichen Immunsystem als Fremdeiweiß erkannt; in der Folge bildet das Immunsystem Antikörper und Abwehrzellen gegen das Spikeprotein. Gelangt später im Rahmen einer Infektion das SARS-CoV-2-Virus in einem ähnlichen Spikeprotein-Mantel in den menschlichen Körper, wehren die vorhandenen Antikörper und Abwehrzellen das Virus mit dem Spikeprotein-Mantel ab.

158 Nach der vielfach beschriebenen Wirkungsweise der mRNA-Technologie gelangt die Boten-Ribonukleinsäure nicht in den Zellkern der Gewebezelle und verändert das darin enthaltene Erbgut nicht. Vielmehr wendet sich die künstliche mRNA ebenso wie die körpereigene mRNA an die für die Eiweißproduktion zuständigen Teile der Zelle, die Ribosomen. Dort wird die Botschaft der künstlichen mRNA abgelesen und das Spikeprotein produziert (vgl. RKI, Homepage, FAQ, Was wissen wir über mRNA-Impfstoffe?). Im Einklang mit diesen amtlichen Fachinformationen führte der Sachverständige Dr. med. Dirk Mentzer, Leiter des Referats Pharmakovigilanz im Paul-Ehrlich-Institut, in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 aus, dass die in der Impfdosis enthaltene mRNA nur kurzzeitig in der menschlichen Zelle verweile und nach kurzer Zeit nicht mehr nachweisbar sei. Ein Einbau in das menschliche Genom finde nicht statt.

159 Das Vorbringen des Antragstellers, es handele sich bei der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff um eine Gentherapie, die das menschliche Genom verändere, ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. Bhakdi nicht beachtlich wahrscheinlich. Soweit sich Prof. Dr. Bhakdi auf eine Studie zur Einbringung von mRNA-Impfstoffen in Leberkrebszellen bezieht (Alden et al., Curr. Issues Mol. Biol., 2022), ist durch Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel im Schriftsatz vom 11. Mai 2022 überzeugend entgegnet worden, dass die methodischen Fehler der fraglichen Studie bereits im fachwissenschaftlichen Schrifttum aufgezeigt wurden und dass ihre Ergebnisse von anderen Forschern bislang nicht reproduziert werden konnten. Unabhängig davon besteht ihr in weiteren Studien nicht validiertes Ergebnis darin, dass nach dem Einbringen eines mRNA-Impfstoffs in einer Kultur von Leberkrebszellen DNA-Fragmente festgestellt wurden. Dieses Studienergebnis trägt die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. Bhakdi nicht. Denn die Arbeit liefert keinen Nachweis dafür, dass die beobachteten DNA-Fragmente in den Zellkern wandern und in die DNA-Sequenz integriert werden.

160 cc) Für die wiederholt vorgetragene These des Antragstellers, die mRNA-Impfung bewirke im menschlichen Körper die Produktion toxischer Spikeproteine, fehlen ebenfalls ausreichende wissenschaftliche Belege. Auch in diesem Kontext konnten die Fachleute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr nachweisen, dass die diesbezüglichen Thesen von Prof. Dr. Bhakdi durch Daten der von ihm angeführten Studien nicht untermauert werden. Soweit Prof. Dr. Bhakdi auf Thrombosen, Lungenembolien, Leberentzündungen, Myo- oder Perikarditis als Folge der in Rede stehenden Impfung verweist, zeigt er zwar zutreffend mögliche Risiken einer Impfung auf. Diese sind aber - wie die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts und die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. Mentzer sowie die mündlichen und schriftlichen Erläuterungen von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel ergaben - in der fachwissenschaftlichen Bewertung der Impfrisiken als solche bekannt. Dass diese Impfkomplikationen kausal auf einer besonderen Toxizität der vom Körper produzierten Spikeproteine beruhen, ist damit nicht belegt.

161 dd) Schließlich hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme auch der vom Antragsteller mehrfach vorgetragene Verdacht nicht erhärtet, die in den mRNA-Impfstoffen verwendeten Nanolipide seien hoch entzündungserregend und besonders gesundheitsschädlich. Es trifft zwar zu, dass in den Impfstoffen "Comirnaty" und "Spikevax" jeweils unterschiedliche Nanolipide als äußere Hülle der mRNA verwendet werden. Denn ohne diese Verpackung würde die sehr empfindliche Boten-Ribonukleinsäure Transportschäden erleiden und ihren intrazellulären Wirkort nicht unversehrt erreichen. Bei diesen Nanolipiden handelt es sich um Substanzen im Größenbereich von Millionstel-Millimetern (Nano), die aus bestimmten Fetten (Lipos) bestehen. Die Nanolipide sind körpereigenen Lipiden sehr ähnlich und werden in dem körpereigenen Fettstoffwechsel abgebaut. Die Transfertechnologie mit Nanolipiden findet schon seit über 20 Jahren in anderen pharmazeutischen Bereichen Anwendung, ohne dass deren gesundheitliche Verträglichkeit in Frage gestellt worden wäre (PEI, Was wissen wir über die Sicherheit der Lipidnanopartikel in mRNA-Impfstoffen? Homepage-Beitrag vom 8. Januar 2021).

162 Eine besondere Schädlichkeit der in den mRNA-Impfstoffen enthaltenen Nanolipide ist bislang ebenfalls nicht wissenschaftlich belegt. Die von Prof. Dr. Bhakdi zum Nachweis in diesem Kontext angeführte Studie (Ndeupen et al., iScience, 2021) belegt keine Fehleinschätzungen in der Risikobewertung. Die Studie beschäftigt sich mit Tierexperimenten an Mäusen, denen mRNA-Impfstoffe in hoher Konzentration unter die Haut, in die Muskeln sowie in die Nase und Atemwege gespritzt worden sind. Die entzündlichen Reaktionen in der Haut und im Muskelgewebe bewerteten die Autoren als Ausdruck einer beabsichtigten Aktivierung des Immunsystems. Die Injektion des Impfstoffes in die Nasen der Tiere erfolgte, weil auch die Möglichkeit einer intranasalen Impfstoffanwendung untersucht werden sollte. Allerdings starben 80 % der Versuchstiere daran, dass zu große Mengen des Impfstoffs in ihre Lungen gerieten. Die Autoren der Studie schließen daraus, dass bei einer nasalen Anwendung des Impfstoffes die Optimierung des verabreichten Volumens von wesentlicher Bedeutung sei. Eine auf ein Viertel verringerte Dosis überlebten alle Versuchstiere.

163 Wie Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel zutreffend ausgeführt hat, belegt diese Studie neben bekannten Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe allenfalls die Grenzen der Aussagekraft von Tierversuchen. Einen Beleg für "hochgiftige Eigenschaften der Impfstoff-Verpackung" liefert sie nicht. Dasselbe gilt für die von den Bevollmächtigten des Antragstellers wiederholt herangezogene Zulassungsstudie an Ratten. Auch deren Hautausschläge und Entzündungen sind nach einer überdosierten Gabe des Gesamtimpfstoffs entstanden und belegen im Tierversuch Nebenwirkungen des Impfstoffs, ohne dass eine spezifische Ursächlichkeit der Nanolipide untersucht oder bewiesen worden wäre.

164 ee) Für die vom Antragsteller mehrfach behauptete Gefahr, dass bei der Covid-19-Impfung verunreinigte mRNA-Impfstoffchargen zum Einsatz kämen, haben sich im gerichtlichen Verfahren ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben. Der Senat ist dieser Frage unabhängig davon nachgegangen, dass die Unbedenklichkeit einzelner Impfstoffchargen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Umsetzung der individuellen Impfung, sondern die Anordnung der allgemeinen Duldungspflicht für die Covid-19-Impfung. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Nutzen-Risiko-Abwägung des Dienstherrn auch dabei anders ausfallen könnte, wenn nach der Organisation der Chargenprüfung systembedingt und grundsätzlich die Gefahr von Verunreinigungen und nicht zugelassenen Veränderungen bestünde.

165 Zunächst ist allerdings festzustellen, dass der Antragsteller selbst die angenommene Gefahr lediglich mit vagen Befürchtungen von Verunreinigungen, Beimischungen oder anderen Zusammensetzungsveränderungen begründet hat. Seine Bevollmächtigten haben zwar darauf verwiesen, dass es in den USA eine von Impfskeptikern betriebene Internet-Datenbank mit dem Titel "How bad is my batch" gebe, in der Betroffene ihre Impfschäden und ihre Impfcharge eingetragen hätten. Daraus lasse sich ablesen, dass wenige Chargen der Impfstoffe einen Großteil der schwerwiegenden Impfnebenwirkungen verursacht hätten. Dass diese Internetberichte sich im Rahmen einer unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchung als richtig erwiesen hätten, ist allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass etwaige Mängel der Chargenprüfung in den USA nichts über die Qualität der Chargenprüfung in Europa und speziell in Deutschland aussagen würden. Der Antragsteller hat auch nicht plausibel gemacht, dass es im europäischen Raum bereits zu Verunreinigungen bei einzelnen Impfstoffchargen gekommen wäre; ferner hat er nicht näher konkretisiert, nach welchen, nicht zugelassenen Beimischungen das Paul-Ehrlich-Institut als die für die Chargenkontrolle nach § 32 Abs. 1 i. V. m. § 77 Abs. 2 AMG zuständige Bundesbehörde zusätzlich suchen sollte und welche potentiellen, nicht bloß theoretisch möglichen Gesundheitsrisiken damit minimiert werden könnten.

166 Der Senat hat sich dessen ungeachtet durch den für die Chargenfreigabe zuständigen Fachgebietsleiter des Paul-Ehrlich-Instituts, den Sachverständigen Dr. med. Ralf Wagner, das System der Chargenprüfung in seiner praktischen Umsetzung erläutern lassen. Danach führt das Paul-Ehrlich-Institut die Kontrollen in enger Abstimmung mit den für die Chargenqualität der Hersteller verantwortlichen sachkundigen Personen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1, §§ 15, 19 AMG) durch. Es prüft nicht nur die von den sachkundigen Personen durchgeführten Qualitätsuntersuchungen und vorgelegten Gutachten, sondern führt selbst bei jeder Charge die Analyse einer Impfstoffprobe durch. Dazu gehört die einleitende Sichtkontrolle auf Verfärbungen. Wichtiger sind allerdings die nach einem standardisierten Ablaufplan durchgeführten Laborkontrollen. Es wird insbesondere untersucht, ob in der Probe eine den Zulassungsunterlagen entsprechende Menge an Boten-Ribonukleinsäuren vorhanden ist und ob sie die vorgesehene Konsistenz und Länge haben. Der Sachverständige hat erläutert, dass dies für die Wirkungsweise der Impfung besonders bedeutsam ist. Bei den mRNA-Impfstoffen handle es sich im Hinblick auf Verunreinigungen um vergleichsweise unkritische Präparate, weil außer der mRNA und der sie umgebenden Nanolipide nur klare Flüssigkeit enthalten sei.

167 Auch die Befragung des zuständigen Fachgebietsleiters Dr. Wagner durch die vom Antragsteller hinzugezogenen Parteisachverständigen hat nicht zu einer Substantiierung und Konkretisierung der vagen Befürchtungen des Antragstellers oder zum Nachweis einer Kontrolllücke geführt. Unerheblich ist, dass nach deren Einschätzung ein anderer Ablauf der Prüfung effektiver oder zusätzliche Tests möglich wären. Denn es geht im vorliegenden Fall nicht um die Frage, welche Maßnahmen zur Optimierung der Chargenkontrollen möglich sind, sondern ob das bestehende Kontrollniveau ausreicht, um mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Gesundheitsschädigung durch verunreinigte oder sonst mangelhaft produzierte Impfstoffe zu verhindern. Der Senat ist auch unter Berücksichtigung der Bedenken des Antragstellers davon überzeugt, dass die Chargenprüfung, so wie sie nach Maßgabe geltenden Rechts von den zuständigen Prüfeinrichtungen regelmäßig gehandhabt wird, geeignet ist, eine konstant gleiche, verunreinigungsfreie Zusammensetzung der Impfstoffe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr die Verwendung von Impfstoffen vorsieht, die diese Kontrollmechanismen beanstandungsfrei passiert haben.

168 d) Schließlich ist es dem Antragsteller auch nicht gelungen, die Aussagekraft des Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts als sachverständige amtliche Auskunft über unerwünschte Impfnebenwirkungen durch den Verweis auf andere Erkenntnisquellen oder die anderweitige Einschätzung von Experten zu erschüttern.

169 aa) In dem zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren sind dem Gericht zahlreiche Einzelberichte von Impfnebenwirkungen, Reportagen, Presseberichte, Stellungnahmen impfkritischer Ärzte und Anwälte, deutsch- und fremdsprachige Internet-Links sowie das Sachbuch einer Anwältin zum Nachweis einer wesentlich höheren Quote an Impfkomplikationen und impfbedingten Todesfällen vorgelegt worden. Es wurde ferner angeregt, einzelne impfgeschädigte Soldaten anzuhören, und beantragt, eine amerikanische Ärztin und einen amerikanischen Rechtsanwalt zu Impfschäden in den Streitkräften der Vereinigten Staaten als Zeugen zu vernehmen. Dieses Vorbringen war jedoch nicht entscheidungserheblich. Aufgabe dieses Gerichtsverfahrens ist es nicht, Einzelfällen oder Meinungen von Bloggern, Journalisten und Sachbuchautoren nachzugehen oder behauptete Impfnebenwirkungen im Ausland zu erforschen. Der Senat hat dies in verschiedenen rechtlichen Hinweisen während der mündlichen Verhandlung und in den Beweisbeschlüssen vom 1., 8., 16. und 28. Juni 2022 deutlich gemacht, sodass hierauf noch einmal verwiesen werden kann.

170 Untersuchungsgegenstand dieses Verfahrens ist vielmehr die Frage, in welchem statistischen Umfang der Dienstherr bei Einführung und Beibehaltung der Duldungspflicht für Covid-19-Impfungen mit unerwünschten Nebenwirkungen der zugelassenen und insbesondere der von ihm verwendeten Impfstoffe rechnen musste. Maßgeblich sind dabei die bei der Entscheidung des Dienstherrn vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts veröffentlichten Zahlen sind nach wissenschaftlichen Methoden ermittelt worden und konnten als amtliche Auskunft über diese Frage vom Dienstherrn verwertet und in das gerichtliche Verfahren eingeführt werden. Deren statistische Richtigkeit wird durch Einzelfallberichte und nicht-wissenschaftliche Meinungsäußerungen nicht erschüttert. Auch soweit der Antragsteller wiederholt aus einem Schreiben der Fa. BioNTech zitiert hat, in dem das Unternehmen aus Anlass seines Börsengangs die Kapitalanleger auf diverse denkbare Risiken im Bereich der Impfstoffherstellung hingewiesen hat, folgt daraus nichts für die tatsächlichen Risiken der danach mit Hilfe der Kapitalerhöhung konkret produzierten mRNA-Impfstoffe. Es sind auch keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass Wirkstoffbestandteile des Impfstoffs von Geimpften an Ungeimpfte übertragen werden können.

171 bb) Keinen Erkenntnisgewinn vermitteln auch die Hinweise des Antragstellers auf noch laufende wissenschaftliche Forschungen von Prof. Dr. Schirmacher (Heidelberg) und Prof. Dr. Matthes (Berlin). In verschiedenen Medien ist zwar darüber spekuliert worden, dass diese Studien Nachweise für eine höhere Dunkelziffer an Impftoten oder für ein wesentlich höheres Niveau an unerwünschten Impfnebenwirkungen ergeben könnten. Dem kann im vorliegenden Verfahren jedoch nicht nachgegangen werden, weil nicht abgeschlossene wissenschaftliche Studien - wie der Senat im Beweisbeschluss vom 8. Juni 2022 deutlich gemacht hat - nicht zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gehören. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse diese wissenschaftlichen Studien im Einzelnen erbringen und ob sie einer kritischen Überprüfung in der Fachwissenschaft standhalten. Der Dienstherr ist zwar bei der dauerhaften Anordnung einer Impfduldungspflicht gehalten, deren Verhältnis- und Rechtmäßigkeit ständig zu überwachen. Dies bedeutet auch, dass er sich mit dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über diese Impfung befassen muss. Er muss und kann bei seiner Entscheidung für die Beibehaltung einer Impfung aber nur veröffentlichte und validierte Studien zugrunde legen.

172 cc) Auch die Ausführungen der Parteisachverständigen Prof. Dr. Bhakdi und Prof. Dr. Kämmerer haben nicht wissenschaftlich belegen können, dass die Covid-19-Impfstoffe andere oder größere Risiken mit sich bringen als in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts und den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission bereits berücksichtigt. Insbesondere hat Prof. Dr. Bhakdi - wie oben ausgeführt - nicht plausibel dargetan, dass die in den mRNA-Impfstoffen als Trägersubstanzen verwendeten Nanolipidpartikel gesundheitsschädigend wären, dass die im Impfstoff enthaltene Boten-Ribonukleinsäure das menschliche Erbgut verändern könnte oder dass die vom Körper produzierten Spikeproteine toxisch wären. Dasselbe gilt für die entsprechenden Ausführungen von Frau Prof. Dr. Kämmerer in der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2022, die ebenfalls nicht auf einer nachvollziehbaren Auswertung des Forschungsstandes beruhen.

173 Auch im Übrigen ist der Senat auf der Grundlage der fundierten mündlichen und schriftlichen Erläuterungen der Oberstärzte Prof. Dr. Wölfel und Prof. Dr. Dr. Steinestel überzeugt, dass die von Prof. Dr. Bhakdi geäußerten Befürchtungen durch Daten der von ihm angeführten Studien nicht untermauert werden. Soweit Prof. Dr. Bhakdi zur Plausibilisierung seiner Thesen auf das Risiko impfbedingter Thrombosen, Lungenembolien, Leberentzündungen, Myo- oder Perikarditis verweist, handelt es sich um bereits bekannte mögliche Impfkomplikationen, deren Auftreten und Häufigkeit in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts bereits erfasst sind. Prof. Dr. Bhakdi konnte nicht belegen, dass die Risiken derartiger Impfnebenwirkungen signifikant höher sind als in der amtlichen Risikobeschreibung des Paul-Ehrlich-Instituts angegeben. Eine statistisch höhere Relevanz einzelner Impfkomplikationen ergibt sich insbesondere nicht aus dem Verweis auf medizinische Fallberichte über Einzelschicksale, die nicht ins Verhältnis zur Zahl der Impfungen gesetzt werden.

174 Die mündlich wie schriftlich vorgetragene Kritik der Bevollmächtigten des Antragstellers an den Gegenargumenten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr veranlasst den Senat zu keiner anderen Einschätzung. Darin werden keine grundlegend neuen fachlichen Argumente vorgetragen, sondern nur die bekannten Kernthesen von Prof. Dr. Bhakdi umfangreich wiederholt, ohne dass die Richtigkeit der vom Paul-Ehrlich-Institut in seinem Sicherheitsbericht zur Verfügung gestellten amtlichen Auskunft durchgreifend erschüttert wäre. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Verweis auf fachwissenschaftliche Einzelstimmen und -studien, die sich - wie Prof. Dr. Bhakdi - mit ihrer Kritik an der medizinischen Mehrheitsmeinung in der wissenschaftlichen Diskussion nicht durchsetzen konnten.

175 dd) Auch bei Würdigung des mündlichen und schriftlichen Vortrages des pensionierten Pathologen Prof. Dr. med. Arne Burkhardt ist davon auszugehen, dass die Risikoeinschätzung der Ständigen Impfkommission und des Paul-Ehrlich-Instituts auf verlässlicher Grundlage beruhen. Der Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts ist insbesondere nicht deswegen fehlerhaft, weil er die von Prof. Dr. Burkhardt behaupteten Obduktionsnachweise von 40 weiteren Impftoten höchstwahrscheinlich nicht berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Fachbehörde bei der ihr obliegenden Risikoeinschätzung nur solche mutmaßlichen Impfschadensfälle erfasst, die ihr ordnungsgemäß gemeldet werden. Prof. Dr. Burkhardt hat aber selbst nicht ausgeführt, dass er die von ihm untersuchten Impfschadensfälle unter Nennung von Namen, Adresse, Todes- und Impfzeitpunkt, Impfcharge etc. an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet und dieser Behörde damit die Möglichkeit einer Nachprüfung eröffnet hat. Es ist damit völlig unklar, ob es sich um in- oder ausländische Fälle handelt und ob die Angehörigen diese Fälle nicht teilweise bereits dem Paul-Ehrlich-Institut gemeldet haben.

176 Auch der Dienstherr war nicht verpflichtet, aufgrund der von Prof. Dr. Burkhardt in Zeitungen und im Internet verbreiteten Ergebnisse von zwei sogenannten "Pathologie-Konferenzen" oder aufgrund seiner Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2022 von einer erheblichen Dunkelziffer an Impftoten auszugehen, die bei der Risikoeinschätzung der genannten Institutionen nicht berücksichtigt wäre. Denn bei der Risikoeinschätzung von Impfstoffen können nur Publikationen zu pathologischen Befunden berücksichtigt werden, die anerkannten fachwissenschaftlichen Qualitätsstandards genügen.

177 Die Thesen und Befunde von Prof. Dr. Burkhardt sind nie einem "peer-review" durch unabhängige Wissenschaftler unterzogen und auch nicht in einer Form veröffentlicht worden, die eine solche Kontrolle erlaubt. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, beruhen seine Ergebnisse auf von ihm und einem Kollegen durchgeführten Nachuntersuchungen von Proben, die aus nicht von ihnen selbst durchgeführten Obduktionen stammen. Damit sind sie - wie Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Mai 2022 nachvollziehbar erläutert hat - mangels eines Nachweises der Einhaltung von Qualitätsrichtlinien von nur eingeschränkter Aussagekraft. Hinzu kommt, dass nach der plausiblen Einschätzung von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel für eine Bewertung der dargestellten Befunde weitere Informationen - insbesondere eine ergänzende Anamnese der untersuchten Todesfälle und eine vollständige Darstellung der Methodik der durchgeführten Untersuchungen - erforderlich wären.

178 Vor diesem Hintergrund sind alterstypische Vorerkrankungen als alternative Todesursachen für die von Prof. Dr. Burkhardt nachuntersuchten Todesfälle nicht mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die behauptete Kausalität von Impfung und Todesfall ist damit schon für die von Prof. Dr. Burkhardt untersuchten 40 Fälle nicht hinreichend belegt. Damit fehlt es seiner Behauptung einer hohen Dunkelziffer an Impftoten an einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die methodischen Mängel der Befunddarstellung von Prof. Dr. Burkhardt sind auch nicht durch seine nachgereichte schriftliche Stellungnahme und die Kritik des Antragstellers an den Einwänden von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel ausgeräumt.

179 ee) Ferner erbringt auch die Presseveröffentlichung der Betriebskrankenkasse (BKK) ProVita vom 24. Februar 2022 keinen Nachweis für wesentlich höhere Nebenwirkungen. Darin hatte der frühere Vorstand der BKK ProVita, Andreas Schöfbeck, erklärt, eine Analyse der ärztlichen Abrechnungsdaten durch sein Haus habe ergeben, dass bei allen Deutschen Betriebskrankenkassen in den ersten zweieinhalb Quartalen des Jahres 2021 in 216 695 Fälle Nebenwirkungen einer Corona-Impfung gemeldet worden seien. Eine Hochrechnung auf das Gesamtjahr und auf die Bevölkerung in Deutschland ergebe, dass sich vermutlich 2,5 bis 3 Millionen Menschen in Deutschland wegen Impfnebenwirkungen in ärztliche Behandlung begeben hätten, was etwa 5 % der Geimpften entspreche. Diese Analyse ist unter Mitwirkung des in der mündlichen Verhandlung als Parteigutachter des Antragstellers erschienenen Datenanalysten Tom Lausen erstellt worden. In einem gleichzeitig veröffentlichten offenen Brief forderte Andreas Schöfbeck das Paul-Ehrlich-Institut auf, seine Angaben im Sicherheitsbericht für die Covid-19-Impfung von 0,3 % gemeldeter Fälle zu korrigieren.

180 Die in diesen Presseveröffentlichungen gemachten Angaben sind nicht belegt worden. Insbesondere ist die Quelle der Daten, die Grundlage der Analyse gewesen sein soll, nicht nachvollziehbar. Der BKK Dachverband stellte in einer Mitteilung vom 24. Februar 2022 klar, dass die verwendeten Daten nicht von ihm stammten (vgl. www.aerzteblatt.de/nachrichten/132101). Nach Bekanntwerden der Schreiben distanzierte sich die BKK ProVita von Andreas Schöfbeck und dessen Analyse. In mehreren Pressemitteilungen wies sie darauf hin, dass die Veröffentlichungen unabgestimmt, unter gezielter Umgehung von Kontrollgremien und Fachabteilungen der BKK ProVita erfolgt sei und nicht den aktuellen Wissensstand und die Haltung der Kasse widerspiegle, sondern von der persönlichen Haltung des Vorstands gegen die Corona-Impfung geprägt sei. Der Verwaltungsrat der BKK ProVita beschloss als Konsequenz am 1. März 2022 dessen Entlassung (vgl. BKK ProVita, Pressemitteilungen vom 1. März, 3. März und 11. April 2022).

181 Auch im gerichtlichen Verfahren konnte nur festgestellt werden, dass die vom Antragsteller zitierte Pressemeldung der BKK ProVita vom 24. Februar 2022 über wesentlich höhere Impfnebenwirkungen keine verwertbaren Erkenntnisse erbringt und dass auch die zugrundeliegende Analyse mangels transparenter Datengrundlage und nachvollziehbarer Auswertung ungeeignet ist, Aussagen über meldepflichtige Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung zu treffen. Soweit der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung den Datenanalysten Tom Lausen als Parteisachverständigen beigezogen und dieser unter Bezugnahme auf die ihm zur Verfügung stehenden Daten auch vor Gericht eine wesentlich höhere Quote an Impfnebenwirkungen behauptet hat, ist auch diese Analyse letztlich nur eine wissenschaftlich nicht belegte Einschätzung auf unklarer und intransparenter Erkenntnisgrundlage. Derartige Datenanalysen vermögen den Beweiswert der amtlichen Auskünfte des Paul-Ehrlich-Instituts in seinen Sicherheitsberichten über die Zahl der gemeldeten Impfnebenwirkungen nicht zu erschüttern.

182 e) Schließlich vermag auch die umfangreiche Kritik des Antragstellers und seiner Parteisachverständigen an den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts deren Beweiswert als amtliche Auskünfte über die in Deutschland beobachteten Impfnebenwirkungen bei der Covid-19-Impfung nicht zu erschüttern.

183 aa) Soweit der Antragsteller die Richtigkeit der vom Paul-Ehrlich-Institut vorgelegten Zahlen damit bestritten hat, dass dessen Repräsentanten zu sehr mit der Pharmaindustrie zusammenarbeiteten und dass deren wirtschaftliche Interessen gegen eine neutrale Amtsausübung sprächen, sind diese Behauptungen unsubstantiiert geblieben und nicht geeignet, die Neutralität der Institution in Frage zu stellen. Auch soweit immer wieder ein erhebliches "Underreporting" von Nebenwirkungen beklagt worden ist, ist zunächst festzuhalten, dass es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beim Paul-Ehrlich-Institut eingegangenen Meldungen nicht ordnungsgemäß erfasst und nicht im Sicherheitsbericht aufgelistet worden wären. Der These, dass die Betroffenen und die behandelnden Ärzte zu wenig Impfreaktionen und Impfkomplikationen melden, hat der Sachverständige Dr. Mentzer zugestimmt. Allerdings gibt es für den Umfang dieses "Underreporting" derzeit keine belastbaren Zahlen. Der Sachverständige Dr. Mentzer hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, nach seiner Einschätzung gebe es zwar ein sogenanntes "Underreporting" im Bereich der weniger schweren Nebenwirkungen der Impfung, nicht aber im Bereich der schweren Impfschäden. Diese Einschätzung ist auch überzeugend. Patienten und Ärzte werden im Bereich weniger schwerwiegender Impfnebenwirkungen von Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut eher absehen, wenn die Betroffenen nach kurzer Behandlungsdauer wieder genesen sind. Hingegen besteht bei schweren und schwersten Impfkomplikationen ein erhebliches Interesse an der Meldung. In diesen Fällen sind einerseits die Ärzte zur Meldung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG verpflichtet und andererseits die Betroffenen an einer Erfassung als Impfgeschädigte interessiert. Es besteht daher eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass auch die Betroffenen von der jedermann eröffneten Meldemöglichkeit Gebrauch machen. Valide Daten, die ein anderes Meldeverhalten der Beteiligten belegen können, hat auch der Parteisachverständige Lausen nicht vorgelegt.

184 bb) Die Validität und Aussagekraft der Berichte des Paul-Ehrlich-Instituts wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrer Pflicht, gemäß § 13 Abs. 5 IfSG bestimmte pseudonymisierte Patienten- und Versorgungsdaten an das Paul-Ehrlich-Institut zu übermitteln, bisher nicht nachgekommen sind.

185 Die Bestimmung des § 13 Abs. 5 IfSG sah ursprünglich nur eine Datenübermittlung an das Robert-Koch-Institut für Zwecke der Feststellung der Inanspruchnahme von Schutzimpfungen und von Impfeffekten (Impfsurveillance) vor (vgl. BT-Drs. 19/13452 S. 24 f.). Diese Regelung wurde durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) um eine entsprechende Übermittlungspflicht an das Paul-Ehrlich-Institut für Zwecke der Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen (Pharmakovigilanz) ergänzt (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28). Aus den vom Antragsteller vorgelegten Schriftlichen Fragen des Bundestagsabgeordneten Ziegler (Arbeitsnummern 3/362 und 4/212) und den Antworten des Bundesministeriums für Gesundheit vom 5. April 2022 und 2. Mai 2022 hierauf ergibt sich, dass das Paul-Ehrlich-Institut bis dahin keine anonymisierten Diagnosedaten (ICD-Codes) gemäß § 13 Abs. 5 IfSG von den Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten hat. Diesen Befund hat auch der Sachverständige Dr. Mentzer bestätigt.

186 Ungeachtet dieses Defizits im Vollzug von § 13 Abs. 5 IfSG war das Bundesministerium der Verteidigung jedoch berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen. Abgesehen davon, dass dem Paul-Ehrlich-Institut keine rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, um die Übermittlung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen zu erzwingen, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die vorhandene Datengrundlage völlig unzureichend wäre und dass die zusätzliche Datengrundlage den Erkenntnisstand ausschlaggebend verändert hätte.

187 Zum einen überschneidet und deckt sich die Datenübermittlung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 13 Abs. 5 IfSG in weitem Umfang mit der daneben bestehenden Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, wonach der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung dem Gesundheitsamt zu melden ist, das seinerseits die Meldungen in pseudonymisierter Form an das Paul-Ehrlich-Institut weiterleitet (vgl. Sangs/Eibenstein, Infektionsschutzgesetz, 2022, § 6 Rn. 13 ff., § 13 Rn. 19). Zum anderen stützt sich die Datengewinnung durch das Paul-Ehrlich-Institut nicht alleine auf die Wege des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG und § 13 Abs. 5 IfSG. Weitere Gesundheitsdaten erwirbt das Paul-Ehrlich-Institut auf der Grundlage von § 75 SGB X (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28).

188 Hinzu kommen, wie sich aus den Sicherheitsberichten ergibt, Meldungen von Beteiligten aus verschiedenen Gesundheitsberufen und Fachkreisen sowie vor allem die jedermann eröffnete Möglichkeit der direkten Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut, auch elektronisch über das dort eröffnete Meldeportal. Auf letzterer Möglichkeit beruht, wie der Sachverständige Dr. Mentzer ausgeführt hat, insbesondere der Großteil der Meldungen besonders gravierender Verdachtsfälle. Das Unterbleiben von Meldungen dürfte sich - wie oben ausgeführt - aber vornehmlich im Bereich geringfügiger Impfnebenwirkungen und nicht im hier vor allem interessierenden Bereich gravierender Nebenwirkungen bewegen. Insgesamt ergeben sich damit aus dem - gleichwohl auf Dauer so nicht hinnehmbaren - Vollzugsdefizit bei der Anwendung von § 13 Abs. 5 IfSG keine durchgreifenden Bedenken gegen die aus verschiedenen Quellen gespeisten Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts und deren Verwertung als sachverständige amtliche Auskunft.

189 cc) Keinen Erfolg haben auch die methodischen Einwände gegen die vom Paul-Ehrlich-Institut durchgeführten und in seinen Sicherheitsberichten dargestellten Auswertungsverfahren zu den ihm gemeldeten Impfschadensfällen. Der Antragsteller kritisiert, dass die Handhabung der Observed-versus-Expected-Analyse durch das Paul-Ehrlich-Institut zu einer erheblichen Fehleinschätzung der Impfstoffsicherheit führe. Dieses Verfahren sei kein taugliches statistisches Instrument, um aus den Meldedaten Anhaltspunkte für auffällige Häufungen von Nebenwirkungen herauszufiltern. Diese Einschätzung hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme jedoch nicht bestätigt.

190 Die Auswertung der von Medizinern und medizinischen Laien gemeldeten Verdachtsfälle für Impfkomplikationen ist eine komplexe Aufgabe. Wird wie im Jahre 2021 etwa drei Viertel der Bevölkerung Deutschlands gegen eine Erkrankung geimpft, treten im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auch eine hohe Zahl an durch andere Ursachen bedingten Erkrankungen und Todesfällen auf. Ebenso gibt es eine große Zahl an Fällen, deren kausale Zuordnung unklar ist. Das Paul-Ehrlich-Institut hat nach der Mitteilung des Sachverständigen Dr. Mentzer, der dort als Leiter des Sachgebiets Pharmakovigilanz tätig ist, nur die personelle Kapazität gehabt, um die Verdachtsfälle für impfbedingte Todesfälle in jedem Einzelfall nachzuverfolgen, das heißt Krankenakten anzufordern und - falls vorhanden - Obduktionsberichte auszuwerten. Die Auswertung des übrigen Datenmaterials ist fast nur durch statistische Verfahren erfolgt. Deren Aussagekraft ist zwangsläufig dadurch limitiert, dass nur Verdachtsfälle vorliegen und die medizinische Richtigkeit des gemeldeten Verdachts nicht belegt ist.

191 Die vom Antragsteller vorgetragene Kritik an der vom Paul-Ehrlich-Institut durchgeführten Observed-versus-Expected-Analyse zielt - wie die Begründung des dem Gericht übergebenen Fragenkatalogs (Anlage 1 zum Protokoll vom 6. Juli 2022) erkennen lässt - auf den Vorwurf ab, dieses Verfahren sei hinsichtlich der Aufdeckung von Nebenwirkungen äußerst ungenau und würde "selbst bei extrem tödlichen Impfstoffen kein Risikosignal ergeben" (Fragenkatalog S. 2). Dieser Vorwurf ist schon deswegen wenig evident, weil es - wie der Sachverständige Dr. Mentzer berichtet hat - gerade mithilfe der Observed-versus-Expected-Analyse gelungen ist, bei dem Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca die Nebenwirkung des Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndroms (TTS) zu entdecken. Durch die Entdeckung und anschließende Erforschung dieser schweren Impfkomplikation konnte ein wesentlicher Beitrag zur Impfstoffsicherheit geleistet werden. Darüber hinaus haben die Sachverständigen Dr. Mentzer und Dr. Dr. Oberle dem Gericht bestätigt, dass es sich um ein international übliches statistisches Auswertungsverfahren handelt, das wissenschaftlich anerkannt ist.

192 Die Vorgehensweise bei der Observed-versus-Expected-Analyse wird im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 4. Mai 2022 näher erläutert. Danach wird die Häufigkeit der nach einer Impfung gemeldeten unerwünschten Ereignisse mit den statistisch zufälligen und zu erwartenden Häufigkeiten in einer vergleichbaren (nicht geimpften) Bevölkerung unter Berücksichtigung verschiedener Zeitfenster verglichen (a. a. O. S. 22). Es wird also die Zahl der ohne Impfung zu erwartenden Erkrankungsfälle, die in gewisser Hinsicht erwartet werden ("expected"), mit der Zahl der beobachteten Fälle ("observed") verglichen. Übersteigt die Zahl der gemeldeten Impfnebenwirkungen die erwarteten Erkrankungsfälle, geht das Paul-Ehrlich-Institut von einem Risikosignal aus. In diesem Falle müssen die Gründe einer höheren Melderate durch zusätzliche Studien untersucht werden, um tatsächlich eine Impfnebenwirkung nachweisen zu können. Denn es handelt sich - wie ausgeführt - bei den Meldungen nur um medizinische Verdachtsfälle.

193 Der Senat hat sich die Einzelheiten des Berechnungsverfahrens durch die im Sachgebiet Pharmakovigilanz des Paul-Ehrlich-Instituts mit statistischen Fragen befasste Sachverständige Dr. Dr. Oberle in der mündlichen Verhandlung erläutern lassen. Die Kritik des Antragstellers an diesem Verfahren besteht hauptsächlich darin, dass bei dem Zahlenvergleich zwei unterschiedlich große Grundgesamtheiten verglichen werden: die sehr hohe Zahl an regelmäßig auftretenden Erkrankungen oder Todesfällen mit der erwartungsgemäß kleinen Zahl an Meldungen impfbedingter Erkrankungen und Todesfälle. Speziell bei den Todesfällen würden unter der Rubrik "expected" alle unabhängig von der Todesursache eingetretenen Versterbensfälle der zwangsläufig kleineren Menge an impfbedingten Todesfällen gegenübergestellt. Ein Risikosignal könne sich somit nie ergeben.

194 Diese Kritik verkennt, dass das Paul-Ehrlich-Institut nicht alle in einem Zeitraum aufgetretenen Erkrankungs- oder Todesfälle mit den im selben Zeitraum impfbedingten Erkrankungs- und Todesfällen vergleicht. Dann könnte sich schon rein mathematisch nie ein Wert von 1:1 = 1,0 ergeben. Vielmehr stellt es die in vergangenen Zeiträumen (ohne Covid-19-Impfungen) ermittelten durchschnittlichen Erkrankungs- und Todesfallraten pro 100 000 Einwohner dem im aktuellen Zeitraum als Covid-19-Impfschaden gemeldeten Erkrankungs- und Todesfällen pro 100 000 Einwohner gegenüber. Verglichen werden also Erkrankungs- und Todeszahlen ohne Impfung mit als Impfschäden gemeldeten Krankheits- und Todesereignissen. Den behaupteten logischen Fehler im Berechnungsverfahren gibt es darum nicht.

195 Allerdings steht zu erwarten, dass bei einem Vergleich über lange Zeiträume von häufig vorkommenden Erkrankungen die regelmäßig auftretenden Erkrankungs- und Todesfallwerte ohne Impfung höher sein werden als die entsprechenden Impfschadensmeldungen. Die Sachverständige Dr. Dr. Oberle hat aber überzeugend dargelegt, dass dies bei kurzen Zeitintervallen anders ist. Werden in kurzer Zeit sehr viele Impfstoffdosen verabreicht, wie dies im Frühjahr 2021 der Fall gewesen ist, dann kann es durchaus vorkommen, dass die dadurch bedingten Erkrankungen statistisch in kurzen Zeiträumen wesentlich höher sind als die durch andere Ursachen bedingten Erkrankungen. Die Sachverständige zeigte sich überzeugt, dass auch ein impfbedingt wesentlich erhöhtes Sterberisiko bei einem Vergleich der 7-Tages-Intervalle bei einer schnellen Verimpfung von hunderttausend Dosen in kurzer Zeit ein Warnsignal ergeben hätte. Darüber hinaus ergibt sich bei bislang eher seltenen Krankheitsverläufen auch bei längeren Zeitintervallen ein Warnsignal, wenn es sich um eine impfbedingte Nebenwirkung handelt und die Impfung - wie bei Covid-19 - millionenfach verabreicht wird. Daher hat sich der Vorwurf der Ungeeignetheit des Observed-versus-Expected-Analyseverfahrens zur Detektion von Impfnebenwirkungen nicht bestätigt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass das Paul-Ehrlich-Institut dieses Verfahren so anwendet, dass möglichst keine Impfnebenwirkungen aufgedeckt werden.

196 Es mag sein, dass die Observed-versus-Expected-Analyse bei der Identifizierung von Risikosignalen für Todesfälle infolge der Impfung an Grenzen stößt. Derartige Grenzen der Aussagekraft einer anerkannten und grundsätzlich geeigneten statistischen Methode entwerten allerdings die Sicherheitsberichte nicht. Denn gerade zur Einschätzung der Gefahr des Versterbens infolge einer Impfung liegen dem Paul-Ehrlich-Institut ergänzende Informationen vor, die es aus seiner Nachverfolgung der gemeldeten Verdachtsfälle gewinnt. Damit werden die Ergebnisse der statistischen Methode ergänzt und abgesichert. Im Übrigen ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Observed-versus-Expected-Analyse ohne den vom Antragsteller behaupteten methodischen Fehler zu einem Risikosignal für Todesfälle infolge von Impfungen führen würde.

197 dd) Auch der Einwand des Antragstellers, dass die Nebenwirkungen von Covid-19-Impfstoffen nicht nach der sogenannten Disproportionalitätsanalyse bewertet worden sind, ändert an der Richtigkeit und Verlässlichkeit der Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts im Sicherheitsbericht nichts. Die Disproportionalitätsanalyse besteht nach dem Vortrag des Antragstellers darin, dass für mehrere Impfstoffe jeweils das Verhältnis der gemeldeten Impfnebenwirkungen zu den gemeldeten Impftodesfällen ermittelt wird. Treten bei einem Vergleich dieser Durchschnittszahlen erhebliche Unterschiede auf, können diese Disproportionalitäten ein Indiz für eine Untererfassung von Todesfällen sein. Die Sachverständige Frau Dr. Dr. Oberle vom Paul-Ehrlich-Institut hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass diese Analyse von den Gesundheitsbehörden anderer Nationen durchgeführt und veröffentlicht werde. Die korrekte Berechnung sei allerdings sehr aufwändig. Das Paul-Ehrlich-Institut betrachte sie im vorliegenden Fall nicht für sehr aussagekräftig, weil die Datengrundlagen (Zahl der Impfungen und Nebenwirkungsmeldungen) für diesen Vergleich zwischen den Impfstoffen zu unterschiedlich seien. Aus diesen Gründen habe das Paul-Ehrlich-Institut von deren Ermittlung abgesehen. Der Senat hält diese sachverständige Einschätzung für vertretbar. Unabhängig davon bietet der Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts auch ohne diese Auswertung einen guten Überblick über die gemeldeten Nebenwirkungen und deren statistische Relevanz, sodass er als fachliche Auskunft dazu uneingeschränkt verwendet werden kann.

198 Schließlich verfängt auch der Einwand des Antragstellers nicht, dass man bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Covid-19-Impfung deren Nebenwirkungen mit den Nebenwirkungen von Influenza-Impfstoffen vergleichen müsse und dass die Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung um ein Vielfaches höher seien. Denn bei der Bewertung des Nutzens und der Risiken von Covid-19-Impfstoffen muss das Risiko der Erkrankung und des dadurch bedingten schweren Verlaufs mit dem Effekt der Covid-19-Impfung und deren Impfrisiken abgewogen werden. Ein Quervergleich der Nebenwirkungen von Impfstoffen gegen unterschiedliche Krankheiten mag zwar hermeneutische Bedeutung haben, vermag aber keinen entscheidenden Erkenntnisgewinn bei der Abwägung von Pro und Contra einer Covid-19-Impfung zu vermitteln.

199 Nach allem liegt entgegen den Ausführungen des Antragstellers keine systematische Unterschätzung der Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe vor.

200 8. Schließlich ist die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Impfungen auch nicht deswegen eine rechtswidrige und damit nach § 10 Abs. 4 SG unzulässige Weisung, weil der Impfung zwingende arzneimittelrechtliche Vorschriften entgegenstünden.

201 a) Insbesondere können die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna keinen Erfolg haben.

202 aa) Denn diese Frage bildet nicht den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Antragsteller wendet sich gegen die ihm mit der Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 im November 2021 auferlegte Verpflichtung, eine Impfung gegen Covid-19 zu dulden. In Nr. 2001 dieser Allgemeinen Regelung wird kein bestimmter Impfstoff zwingend vorgeschrieben. Wie ausgeführt greift die Duldungspflicht nur ein, wenn sich der Antragsteller nicht selbst mit einem Impfstoff seiner Wahl gegen Covid-19 impfen lässt. Dementsprechend hat es der Antragsteller in der Hand, auf einen anderen Impfstoff zurückzugreifen, der - wie etwa Nuvaxovid - ohne mRNA-Technologie arbeitet. Da im vorliegenden Verfahren kein bestimmter Impfstoff festgelegt wird und der Antragsteller auf andere Impfstoffe ausweichen kann, ist die Frage der ordnungsgemäßen arzneimittelrechtlichen Zulassung der mRNA-Impfstoffe durch die Europäische Arzneimittelagentur schon nicht entscheidungserheblich.

203 bb) Darüber hinaus gehört die Überprüfung der Zulassung eines Impfstoffes nicht zu dem von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vorgegebenen Prüfprogramm. Ordnet ein militärischer Vorgesetzter die Durchführung einer Impfung an, muss er - wie dargelegt - im Rahmen der Ermessensentscheidung das öffentliche Interesse an der Impfung mit den entgegenstehenden gesundheitlichen und beruflichen Interessen des Soldaten abwägen. Das Weisungs- und Befehlsrecht des § 10 Abs. 4 SG und die Duldungspflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG enthalten keine ausdrückliche Regelung des Inhalts, dass bei der Anordnung einer Infektionsschutzmaßnahme in Form einer Schutzimpfung das Vorliegen einer rechtmäßigen Zulassung des Impfstoffes geprüft werden muss. Allerdings folgt aus dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit von Weisungen und Befehlen, dass die Anordnung einer arzneimittelrechtlich unzulässigen Impfung gegen § 10 Abs. 4 SG verstoßen würde. Dementsprechend ist die Anordnung eines Vorgesetzten, die Impfung mit einem bestimmten Impfstoff zu dulden, nur rechtmäßig, wenn dieser Impfstoff arzneimittelrechtlich zugelassen ist (§ 21 Abs. 1 AMG). Wird die Duldung einer Impfung - wie hier - in allgemeiner Form ohne Vorgabe des zu verwendenden Impfstoffes angewiesen, genügt es, wenn überhaupt ein Impfstoff arzneimittelrechtlich zugelassen ist oder verwendet werden darf.

204 Hingegen ist die Überprüfung der arzneimittelrechtlichen Rechtmäßigkeit der Impfstoffzulassung nicht Aufgabe des militärischen Vorgesetzten oder des behandelnden Truppenarztes. Dies folgt nicht nur daraus, dass das Soldatengesetz eine solche Nachprüfung nicht vorsieht, sondern auch aus dem Umstand, dass die Kontrolle des Inverkehrbringens von Impfstoffen und Arzneimitteln den nach dem Arzneimittelrecht zuständigen Fachbehörden obliegt. Eine zusätzliche arzneimittelrechtliche Zulassungskontrolle durch die Dienststellen der Bundeswehr, die bei ihrer kurativen Behandlung von Soldatinnen und Soldaten wie ein Verbraucher zugelassene Medikamente und Impfstoffe auf dem Arzneimittelmarkt erwerben, ist weder staatsorganisatorisch noch gesetzlich vorgesehen.

205 Die vom Antragsteller geforderte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von der Europäischen Arzneimittelagentur durchgeführten Zulassungsverfahrens für die mRNA-Impfstoffe ist auch nicht deswegen notwendig, weil die den Herstellern erteilten bedingten Zulassungen für die Impfstoffe "Comirnaty" und "Spikevax" bei Nachweis eines Verfahrens- oder Rechtsanwendungsfehlers im Zulassungsverfahren automatisch unwirksam wären. Vielmehr gilt im Unionsrecht der Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten. Dieser Grundsatz besagt, dass die Rechtsakte einer europäischen Behörde - hier der Europäischen Kommission - Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden sind (EuGH, Urteile vom 15. Juni 1994 - C-137/92 P [ECLI:​EU:​C:​1994:​247] - Rn. 48, vom 8. Juli 1999 - C-245/92 P [ECLI:​EU:​C:​1999:​363] - Rn. 93 und vom 12. Februar 2008 - C-199/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​79] - Rn. 60).

206 Dieser Grundsatz betrifft die Rechtsbeständigkeit von Gemeinschaftsakten und enthält - ähnlich wie die § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1 VwVfG im nationalen Recht - das Prinzip der Rechtswirksamkeit auch fehlerhafter Gemeinschaftsakte (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3.15 - BVerwGE 156, 199 Rn. 29). Er gestattet es insbesondere anderen europäischen und nationalen Behörden sowie Gerichten in nachfolgenden Verfahren von der Tatbestandswirkung dieses europäischen Rechtsakts auszugehen, das heißt in nachfolgenden Verfahren bei der Rechtsprüfung das tatbestandliche Vorliegen einer rechtswirksamen Zulassung festzustellen (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <111> und vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3522/08 -juris Rn. 50). Dementsprechend sind die Dienststellen der Bundeswehr nach der Zulassung eines Impfstoffes durch die Europäische Arzneimittelagentur aufgrund des Grundsatzes der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten berechtigt, diesen Impfstoff zu erwerben und im Rahmen ihrer kurativen Tätigkeit einzusetzen.

207 cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz vom 9. November 2021. Darin ist eine Klage mehrerer italienischer Privatpersonen auf Feststellung der Nichtigkeit der Zulassung des Impfstoffes Comirnaty von BioNTech/Pfizer zurückgewiesen worden, weil die Kläger nicht durch die Zulassung des Impfstoffes beschwert seien. Sie würden durch die Zulassung des Impfstoffes nicht zu dessen Benutzung verpflichtet. Daran ändere sich auch nichts, wenn ein nationales Gesetz die Verpflichtung zur Benutzung dieses Impfstoffes enthalte. Auch in diesem Falle verlange der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nicht, die unmittelbare Anrufung des Europäischen Gerichts zuzulassen, weil die nationalen Gerichte bei der Kontrolle der Impfpflicht effektiven Rechtsschutz gewährleisten und gegebenenfalls eine mittelbare Kontrolle des europäischen Zulassungsakts über das Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV herbeiführen könnten (EUG, Beschluss vom 9. November 2021 - T-96/21 - Rn. 67).

208 Allerdings besagt dieser abschließende Hinweis des Europäischen Gerichts bei der Zurückweisung der Nichtigkeitsklage gegen die Zulassung des mRNA-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer nur, dass die nationalen Gerichte bei einer in ihrem Lande beschlossenen Impfpflicht den Gerichtshof der Europäischen Union wegen einer europarechtlichen Frage im Zusammenhang mit der europäischen Impfstoffzulassung anrufen können, wenn dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes notwendig sein sollte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, S. 3415 Rn. 21 und vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - NJW 2021, 3303 Rn. 33) kann und muss ein mitgliedstaatliches letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerfGE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - NStZ-RR 2022, 222 Rn. 37).

209 Im vorliegenden Fall fehlt es aber - wie ausgeführt - an der Entscheidungserheblichkeit der vom Antragsteller aufgeworfenen europarechtlichen Frage der Rechtmäßigkeit der Zulassung der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna. Zum einen schreibt die hier im Streit stehende Regelung Nr. 2001 (AR) A1-840/8-4000 keine Verwendung bestimmter Impfstoffe vor. Zum anderen verlangt das Prüfprogramm des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vom militärischen Vorgesetzten bei der Anordnung einer Impfung nur eine umfassende Berücksichtigung der davon zu erwartenden gesundheitlichen Auswirkungen auf den Soldaten und deren Abwägung mit dem zu erwartenden Nutzen der Impfung für die militärische Einsatzfähigkeit. Für diese auf die zukünftigen Auswirkungen der Impfung gerichtete Ermessensentscheidung ist aber eine rückblickende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von der Europäischen Arzneimittelagentur durchgeführten Impfstoffzulassungsverfahrens nicht vonnöten.

210 Aus diesen Gründen hat der Senat auch im Beweisbeschluss vom 1. Juni 2022 die vom Antragsteller beantragte Beiziehung von Unterlagen zu diversen Impfstoffzulassungsverfahren abgelehnt und ausgeführt, für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung über die Aufnahme der Impfung gegen Covid-19 in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen für Soldaten genüge das Vorliegen einer bedingten oder unbedingten Zulassung der für den Einsatz vorgesehenen Impfstoffe. Das Bundesministerium der Verteidigung sei nicht zu einer umfangreichen Fehlersuche im vorgelagerten arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren verpflichtet. Umgekehrt dürfe es bei seiner Abwägung im Zulassungsverfahren nicht erkannte, aber später wissenschaftlich nachgewiesene Risiken und Nebenwirkungen zugelassener Impfstoffe nicht außer Acht lassen.

211 An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Insbesondere ist es auch für den effektiven Schutz der Grundrechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 GG nicht veranlasst, das zeitlich anderthalb Jahre zurückliegende Zulassungsverfahren zu untersuchen. Vielmehr ist es unter dem Aspekt des effizienten Grundrechtsschutzes ausreichend und geboten, auf der Grundlage der jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse die künftig von einer Impfung ausgehenden gesundheitlichen Auswirkungen in den Blick zu nehmen. Auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG erfordert es nicht, in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Anordnung der Impfpflicht die im vorangegangenen behördlichen Verfahren erteilten rechtswirksamen arzneimittelrechtlichen Zulassungen von Impfstoffen inzident zu überprüfen. Vielmehr stellt es grundsätzlich keine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz dar, wenn die Gerichte in nachfolgenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren den Tatbestand einer vorhandenen Zulassung ohne weitere Überprüfung ihren Entscheidungen zugrunde legen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerfGE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - juris Rn. 37).

212 Der Rechtsstreit war folglich auch nicht - wie vom Antragsteller schriftsätzlich angeregt - zur Klärung der Rechtmäßigkeit der von der Europäischen Kommission erteilten bedingten Zulassungen für die mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax nach Art. 267 AEUV auszusetzen.

213 b) Schließlich überzeugt auch die Annahme des Antragstellers nicht, dass die Anwendung der mRNA-Impfstoffe durch die Truppenärzte der Bundeswehr gegen arzneimittelrechtliche Strafvorschriften verstoßen würde.

214 aa) Eine Anwendung der Strafvorschrift wegen verbotener Anwendung nicht zugelassener Arzneimittel (§ 96 Nr. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG) kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Europäische Kommission auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur für die beiden Impfstoffe Comirnaty und Spikevax mit Beschlüssen vom 21. Dezember 2020 (vgl. dazu EuG, Beschluss vom 9. November 2021 - T-96/21 - Rn. 2) und vom 6. Januar 2021 (vgl. dazu EuG, Beschluss vom 1. März 2022 - T-632/21 - Rn. 3) bedingte Zulassungen erteilt hat, die später verlängert worden sind. Diese Genehmigungen erfolgten jeweils auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, Seite 1). Damit liegt eine europarechtliche Zulassung im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG vor.

215 Für den Ausschluss der Strafbarkeit nach § 96 Nr. 5 AMG kommt es nur auf die Rechtswirksamkeit dieser Zulassung an (vgl. Raum, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl. 2022, § 96 Rn. 13). Soweit die Bevollmächtigten des Antragstellers umfangreiche Ausführungen zu der Frage gemacht haben, dass die bedingte Zulassung nicht erteilt werden durfte oder zu widerrufen wäre, ist dies unerheblich. Denn die Zulassung hat jedenfalls - wie oben ausgeführt - nach dem Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Unionsakten rechtlichen Bestand, bis sie aufgehoben wird oder ausläuft (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3.15 - BVerwGE 156, 199 Rn. 29).

216 bb) Auch für die Annahme einer Strafbarkeit wegen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel nach § 95 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 AMG ist kein Raum. Als bedenklich sind nach § 5 Abs. 2 AMG nur Medikamente anzusehen, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

217 Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind die mRNA-Impfstoffe nicht schon deswegen bedenklich, weil es sich nach seiner subjektiven Einschätzung nicht um herkömmliche Impfstoffe, sondern um genbasierte experimentelle Substanzen handelt. Vielmehr kommt es dem objektiven Zweck des Gesetzes entsprechend darauf an, ob bei Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Risiken der Arzneimittel ein überwiegender medizinischer Nutzen gegenübersteht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1999 - 2 StR 44/99 - NStZ 1999, 625 Rn. 2).

218 Objektiv betrachtet erfüllen die Präparate Comirnaty und Spikevax eindeutig den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff. Nach § 4 Abs. 4 AMG sind Impfstoffe Arzneimittel, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden, und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind. Die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna enthalten anders als herkömmliche Impfstoffe keine Antigene. Sie arbeiten aber - wie ausgeführt - mit Boten-Ribonukleinsäuren, die mit gentechnischen Methoden neu zusammengestellt (rekombiniert) werden. Zudem sind die Präparate dazu bestimmt, beim Menschen (mittelbar) die Erzeugung bestimmter Abwehrstoffe (Antikörper) auszulösen und dienen ausschließlich zur Vorbeugung der Infektionskrankheit Covid-19.

219 Dass diese neuartigen Impfstoffe den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff erfüllen, kann auch nicht mit europarechtlichen Argumenten bestritten werden. Soweit der Antragsteller wiederholt behauptet hat, die Präparate hätten von der Europäischen Arzneimittelagentur als Gentherapeutika beurteilt und geprüft werden müssen, steht dem eine klare und eindeutige Regelung in der Richtlinie 2009/120/EG der Kommission vom 14. September 2009 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel im Hinblick auf Arzneimittel für neuartige Therapien (ABl. L 242 vom 15. September 2009, S. 4) entgegen. In dieser Richtlinie wird zunächst der Begriff des Gentherapeutikums näher definiert und dann in einem Nachsatz ausgeführt: "Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten sind keine Gentherapeutika". Damit hat der Normgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass Impfstoffe unabhängig von ihrer Zusammensetzung und Wirkungsweise nicht dem Zulassungsverfahren für Gentherapeutika unterliegen.

220 Ebenso haben die mRNA-Impfstoffe objektiv betrachtet nach den vorhandenen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein vertretbares Maß an Nebenwirkungen. Dies folgt schon daraus, dass die Ständige Kommission beim Robert-Koch-Institut für nahezu alle Altersgruppen die Impfung gegen Covid-19 mit den derzeit zugelassenen mRNA-Impfstoffen empfiehlt. Denn die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission bilden den medizinischen Standard ab und berechtigen zu der Annahme, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiegt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136).

221 cc) Schließlich überzeugt auch die Annahme des Antragstellers nicht, dass die Anwendung des mRNA-Impfstoffes von BioNTech/Pfizer gegen das strafrechtliche Verbot des § 95 Nr. 3a i. V. m. § 8 Abs. 1 AMG verstößt. Nach diesen Vorschriften ist es zum Schutz der Verbraucher vor Täuschung untersagt, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind. Soweit der Antragsteller annimmt, zwei als Trägersubstanzen eingesetzte Nanolipide seien als Hilfsstoffe nicht im Arzneibuch enthalten und darin liege eine Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln, kann dies offenbleiben.

222 Das strafrechtliche Verbot greift erst ein, wenn ein Arzneimittel dadurch in seiner Qualität erheblich gemindert ist. Eine derartige Feststellung kann nicht getroffen werden. Für die Annahme des Antragstellers, dass etliche schwere Impfkomplikationen der mRNA- bzw. DNA-Impfstoffe auf diese Trägersubstanzen zurückzuführen sind, fehlen - wie ausgeführt - jegliche wissenschaftlichen Belege. Vielmehr handelt es sich bei den Nanopartikeln lediglich um Fettpartikel, die körpereigenen Fettpartikeln sehr ähnlich sind (PEI, Was wissen wir über die Sicherheit der Lipidnanopartikel in mRNA-Impfstoffen? Homepage-Beitrag vom 8. Januar 2021). Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass die Ständige Impfkommission den Einsatz dieser Medikamente von BioNTech/Pfizer und Moderna empfiehlt, gegen die Annahme, dass ein Arzneimittel minderer Qualität vorliegt. Denn die Ständige Impfkommission ist ein Expertengremium, dessen Empfehlungen den medizinischen Standard im Bereich der Impfstoffe bestimmen.

223 9. Die Anordnung der Duldung einer Covid-19-Schutzimpfung verstößt auch ansonsten nicht gegen höherrangiges Recht. Zwar dürfen Dienstvorschriften des Bundesministeriums der Verteidigung wie Befehle nach § 10 Abs. 4 SG nur zu dienstlichen Zwecken ergehen und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts und der Gesetze erteilt werden. Im vorliegenden Fall liegt der vom Antragsteller behauptete Widerspruch der Dienstvorschrift zu höherrangigem Recht jedoch nicht vor.

224 a) Was die Verletzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (GRCh) anbetrifft, ist bereits der Anwendungsbereich dieses Grundrechtskatalogs nicht eröffnet. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh gilt die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. Für die Mitgliedstaaten findet sie ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union Anwendung. In den offiziellen Erläuterungen des Konventsvorstandes zu Art. 51 GRCh wird auf Art. 6 Abs. 2 EUV verwiesen. Danach werden durch die Bestimmungen der Charta die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert. Es bleibe bei der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Verpflichtung zur Einhaltung der im Rahmen der Union definierten Grundrechte für die Mitgliedstaaten nur dann gelte, wenn sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts handelten (EuGH, Urteil vom 13. April 2000 - C-292/97 [ECLI:​EU:​C:​2000:​202] - Slg. 2000 I-2737 Rn. 37). Soweit die Bundesrepublik Deutschland für ihre Soldaten eine besondere Duldungspflicht gegenüber Impfungen in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verankert hat, stellt die Konkretisierung dieser militärischen Duldungspflicht im Hinblick auf die Covid-19-Impfung eine rein national-rechtliche Maßnahme dar, die in keinerlei Bezug zum Anwendungsbereich des Europarechts steht.

225 Im Übrigen vermitteln diese europäischen Grundrechte, insbesondere die in Art. 1 GRCh geschützte Menschenwürde und das in Art. 3 Abs. 1 GRCh gewährleistete Recht auf körperliche Unversehrtheit, keine über Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG hinausgehenden Rechte. Soweit in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b und c GRCh spezielle Verbote zu eugenischen Praktiken und zur Gewinnerzielung mit menschlichen Körperteilen enthalten sind, sind sie offenkundig nicht einschlägig. Der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a GRCh für medizinische Behandlungen aufgestellte Grundsatz der freien Einwilligung des Betroffenen geht über das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte körperliche Selbstbestimmungsrecht nicht hinaus. Dieser Grundsatz unterliegt einem Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG vergleichbaren Gesetzesvorbehalt nach Art. 52 Abs. 1 GRCh.

226 b) Auch der Europäischen Menschenrechtskonvention lässt sich kein generelles Verbot von Impfpflichten entnehmen. Das von dem Antragsteller zitierte Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist nicht einschlägig, weil - wie oben ausgeführt - kein finaler Eingriff in dieses Rechtsgut vorliegt. Es wird nur in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zwischen dem Krankheits- und dem Impfrisiko und damit zwischen zwei Gesundheits- und Lebensrisiken eingegriffen. Daher verwendet der Europäische Gerichtshof bei Heileingriffen des Staates regelmäßig Art. 8 EMRK als Prüfungsmaßstab. Die Anordnung einer Impfpflicht ist danach ein Eingriff in die Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK, das die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen mitumfasst (EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 172 - 186, 261 - 263).

227 Ein solcher Eingriff kann allerdings im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen sein, wenn sich dies aus einem Zusammenwirken von Parlamentsgesetzen (hier: § 17a SG) und ministeriellen Verordnungen (hier: Nr. 2001 AR A1-840/8-4000) ergibt. Es genügt, wenn die Rechtsgrundlagen in angemessenen Umfang zugänglich und hinreichend bestimmt formuliert sind (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 265 f.).

228 Der Eingriff muss schließlich nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ein berechtigtes Ziel verfolgen und in einer demokratischen Gesellschaft etwa zum Schutz der nationalen Sicherheit oder zum Schutz der Rechte anderer notwendig sein. Dabei räumt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Mitgliedstaaten einen besonderen Beurteilungsspielraum ("margin of appreciation") ein. Wenn es innerhalb der Mitgliedstaaten Regelungsmodelle mit und ohne Impfpflichten gibt, sind die jeweiligen Regierungen der Mitgliedstaaten am besten in der Lage, die nationalen Prioritäten und Bedürfnisse zu beurteilen und sich für das eine oder andere Modell zu entscheiden (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 277 - 280). In diesem Sinne gibt es auch bei der Impfpflicht der Soldaten innerhalb der europäischen Staaten unterschiedliche Modelle. Insbesondere Frankreich, Italien, Griechenland und Lettland haben wie die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika für ihr Militär bzw. für alle Staatsdiener eine Covid-19-Impfung verpflichtend vorgeschrieben, während dies in anderen Staaten nicht der Fall ist. Die dafür sprechenden, militärfachlichen Argumente - jederzeitige militärische Einsetzbarkeit, besondere Gefährdungslage der Soldaten durch räumlich beengte Zusammenarbeit - sind jedenfalls gewichtige Gründe, die eine Option für das Impfpflichtmodell zulassen.

229 Demnach ist die Einführung einer Covid-19-Impfpflicht für Soldaten zulässig, wenn sie sich im Rahmen der vom Europäischen Gerichtshof angestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen bewegt. Für die Frage, ob die Impfpflicht in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht, kommt es unter anderem auf die Ausnahmen bei medizinischen Kontraindikationen, das Fehlen physischen Zwangs, die Angemessenheit der Sanktionen bei Missachtung der Impfpflicht, den verfahrensrechtlichen Schutz durch Behörden und Gerichte sowie die Vorbeugung gegen Impfschäden und die staatliche Haftung bei Impfschäden an (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 290 ff.). In dieser Hinsicht wahrt die gesetzliche Impfpflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG - wie bereits ausgeführt - die angesprochenen Standards des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

230 c) Auch das vom Europarat initiierte "Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin" (Übereinkommen über Menschenwürde und Biomedizin) vom 4. April 1997 vermittelt keine weitergehenden Rechte. Zum einen ist es bislang nur von wenigen Mitgliedstaaten und insbesondere nicht von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet worden (vgl. Lindemann, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Band 6, 1. Aufl. 2022, Medizinische Forschung, I Rn. 7). Zum anderen schreibt Art. 5 Abs. 1 dieser Biomedizin-Konvention zwar für jede Intervention im Gesundheitsbereich eine ausreichende Aufklärung und die freie Einwilligung des Betroffenen vor. Art. 26 Abs. 1 der Biomedizin-Konvention lässt jedoch eine Einschränkung dieses Rechts durch Maßnahmen zu, die in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Damit vermittelt sie bei der gesetzlichen Anordnung von Impfpflichten keine über Art. 8 Abs. 2 EMRK hinausgehenden Rechte.

231 d) Die Duldungspflicht für Covid-19-Schutzimpfungen verletzt auch nicht deswegen allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, weil sie der Resolution 2361 der Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2021 widerspricht. Der Antragsteller weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarats über die Covid-19-Impfung beraten und den Mitgliedstaaten unter Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 dieser Resolution nahegelegt hat, alle Bürger darüber zu informieren, dass die Impfung keine Pflicht ist. Niemand solle durch politischen, sozialen oder sonstigen Druck zu einer Impfung genötigt werden. Hierbei handelt es sich jedoch - wie bereits die Überschrift der Resolution "Covid-19-Impfungen: ethische, gesetzgeberische und praktische Überlegungen" – um eine rein politische Handlungsempfehlung. Es liegt also kein Rechtsetzungsakt der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vor und damit auch keine verbindliche Regel des Völkerrechts.

232 e) Schließlich verfängt auch der Hinweis des Antragstellers auf die "Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte", die am 19. Oktober 2005 von der UNESCO-Generalkonferenz verabschiedet worden ist, nicht. Hierbei handelt es sich schon vom Wortlaut her um eine rein appellative Erklärung, die den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Schaffung bestimmter gesetzlicher Regelungen nahelegt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Buchst. a der Bioethik-Deklaration). Eine völkerrechtliche Verbindlichkeit hat diese Deklaration schon deswegen nicht, weil gemäß Art. 25 VN-Charta nur Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats bindende Wirkung haben (vgl. Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. 2015, Rn. 90). Im Übrigen fordert Art. 6 der Bioethik-Deklaration die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zwar auf, das Prinzip der informierten Einwilligung zur Grundlage jeder präventiven medizinischen Intervention zu machen. Dieses Prinzip soll jedoch nicht ausnahmslos gelten. Vielmehr werden Ausnahmeregelungen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und öffentlichen Gesundheit sowie der Rechte anderer in Art. 27 der Bioethik-Deklaration explizit für zulässig gehalten. Damit verfolgt die Bioethik-Deklaration der UNESCO keine Regelungsvision, die über Art. 8 Abs. 2 EMRK und die Bioethik-Konvention des Europarates hinausgeht. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit angeordnete gesetzliche Impfpflichten für Soldatinnen und Soldaten sind dadurch nicht ausgeschlossen.

233 f) Auch das Folterverbot des Art. 7 Satz 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) ist nicht berührt. Nach dieser Vorschrift darf niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden. Dieses von dem Antragsteller zitierte Verbot der zwangsweisen Durchführung medizinischer Experimente hat seinen historischen Hintergrund in den grausamen Medizinexperimenten deutscher KZ-Ärzte (Dr. Mengele u. a.) vor und während des Zweiten Weltkriegs. Es betrifft - wie das Wort "insbesondere" am Anfang des zweiten Satzes der Vorschrift zeigt - die Misshandlung von Gefangenen und deren erniedrigende Behandlung durch medizinische Experimente. Dieser Fall liegt schon deswegen nicht vor, weil es bei der Impfpflicht der Soldatinnen und Soldaten nicht um die Misshandlung Gefangener, sondern um die Anwendung eines zugelassenen Medikaments zum Zwecke der Vorbeugung gegen die Covid-19-Erkrankung geht.

234 g) Nichts anderes gilt für den von dem Antragsteller mehrfach zitierten "Nürnberger Kodex". Er ist in der Urteilsbegründung des Nürnberger Ärzteprozesses am 20. August 1947 aufgestellt worden und enthält zehn weltweit anerkannte Grundsätze für die Durchführung medizinischer Versuche (Text in Mitscherlich/Mielke, Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, 1960, S. 272 f.). Es ist unstreitig, dass das Urteil im Nürnberger Ärzteprozess und die darin als "Nürnberger Kodex" bekannt gewordenen Grundsätze rechtliche Relevanz im Rahmen des geltenden Völkerstrafrechts haben, soweit es um die Frage geht, wann die Durchführung von medizinischen Experimenten an Gefangenen oder aus rassistischen, ethnischen oder religiösen Gründen Verfolgten ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt (näher Kiriakaki, ZStW 2006, S. 229 ff.). Diese in Art. 8 IGH-Statut angesprochenen und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle der menschenrechtswidrigen Misshandlung von Gefangenen und Verfolgten liegen offensichtlich nicht vor.

235 Soweit es außerhalb dieses völkerstrafrechtlichen Anwendungsbereichs um medizinische Versuche an freien Bürgern bei der pharmakologischen Medikamentenerprobung geht, wird der Nürnberger Kodex zwar ebenfalls als ethische Leitlinie angesehen und durch andere ethische Leitlinien, insbesondere die 1964 erstmals vom Weltärztebund verabschiedete Deklaration von Helsinki über ethische Grundsätze für die Forschung am Menschen ergänzt. Medizinethische Postulate sind aber nicht geltendes Recht oder völkerrechtliches Gewohnheitsrecht. Vielmehr haben die einzelnen Staaten und Staatenverbünde in diesem Bereich ihre eigenen, teilweise von den genannten medizinethischen Forderungen inspirierte, teilweise davon abweichende gesetzliche Regeln geschaffen. Diese innerstaatlichen Gesetze enthalten die dafür maßgeblichen rechtsverbindlichen Vorgaben. In diesem Bereich der zivilen pharmakologischen Forschung fehlt es zwar nicht unbedingt an übereinstimmenden Rechtsgrundsätzen, aber an der für Völkergewohnheitsrecht oder Rechtsgrundsätze des Völkerrechts notwendigen Überzeugung einer völkerrechtlichen Verpflichtung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 824/15 u. a. - NJW 2019, 2761 Rn. 32 f. m. w. N.). Denn die innerhalb der einzelnen Staaten durchgeführten Forschungsvorhaben haben keine besondere zwischenstaatliche Relevanz, sodass für den Bereich der zivilen pharmakologischen Forschung eine Überzeugung von der völkerrechtlichen Verpflichtung durch den "Nürnberger Kodex" nicht entstanden und nicht anerkannt ist (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung in BT-Drs. 18/10443 S. 44 ohne Begründung).

236 Im Übrigen wären die Grundsätze des "Nürnberger Kodex" auch nicht verletzt. Denn das Gebot, dass ein medizinischer Versuch der freien Zustimmung des Betroffenen bedarf, ist nicht berührt. Die Durchführung von Impfungen mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Impfstoffen ist anders, als der Antragsteller meint, gerade kein medizinisches Experiment. Die von der Bundeswehr zum Einsatz vorgesehenen mRNA-Impfstoffe sind von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) nach eingehender Prüfung zugelassen worden und vor ihrer Zulassung an tausenden freiwilligen Versuchspersonen getestet und auf mögliche Nebenwirkungen untersucht worden. Der Einsatz dieser Impfstoffe in der Bundeswehr dient nicht der experimentellen Erforschung der Impfstoffe, sondern allein dem Infektionsschutz der Betroffenen und ihrer militärischen Verbände. Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wird gerade nicht ohne deren Zustimmung das besonders hohe Risiko der erstmaligen Anwendung eines neuen Medikaments am Menschen auferlegt. Vielmehr werden sie mit bereits entsprechend evaluierten Impfstoffen behandelt. Von einem Medizinversuch kann daher nicht gesprochen werden. Soweit die Europäische Kommission den Herstellern der mRNA-Impfstoffe im Rahmen ihrer bedingten Zulassungen weitere Kontrolluntersuchungen auferlegt hat, dient dies der fortlaufenden Überwachung und Verbesserung der Impfstoffsicherheit.

237 h) Offensichtlich nicht einschlägig ist das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BWÜ) vom 10. April 1972. Zwar ist auch die Bundesrepublik Deutschland dieser am 26. März 1975 in Kraft getretenen UN-Konvention beigetreten. Nach Art. 1 Nr. 1 BWÜ bezieht sich das Entwicklungs- und Herstellungsverbot von mikrobiologischen oder anderen biologischen Agenzien aber nicht auf Arten und Mengen, die durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind. Die Herstellung von Impfstoffen gegen Covid-19 dient jedoch dem friedlichen Zweck der Verhütung einer in der Zivilbevölkerung verbreiteten Erkrankung, weswegen diese Impfstoffe auch nicht als Biowaffen bezeichnet werden können.

238 i) Erkennbar ohne rechtliche Relevanz für den vorliegenden Fall sind schließlich die vom Antragsteller vorgetragenen Flugsicherheitsargumente. Soweit er mit dem zum Schutz vor Angriffen auf die zivile Luftfahrt erlassenen Luftsicherheitsgesetz argumentiert, die Zuverlässigkeitsprüfung für alle im zivilen Luftverkehr beschäftigten Personen anspricht und auf die Aberkennung der Zuverlässigkeit bei Medikamentenabhängigkeit und -missbrauch nach § 7 Abs. 1a Satz 3, 4 Nr. 4 LuftSiG hinweist, ist diese Regelung offensichtlich für ihn nicht einschlägig. Der Antragsteller ist weder in der zivilen Luftfahrt beschäftigt noch wird er durch die Verpflichtung zur Duldung einer Covid-19-Schutzimpfung zu Medikamentenmissbrauch angehalten.

239 Ohne Einfluss auf die Rechtsstellung des Antragstellers ist auch das völkerrechtlich verbindliche Abkommen über die zivile Luftfahrt (Chicagoer Abkommen) vom 7. Dezember 1944 (BGBl. 1956 II S. 411) in seiner aktuell geltenden Fassung. Dass im Annex I dieses Abkommens an Piloten bei der Ausübung ihrer Fluglizenz besondere medizinische Anforderungen gestellt werden, betrifft den Antragsteller nicht, weil er weder in der zivilen Luftfahrt tätig noch als Pilot in der Bundeswehr eingesetzt ist. Aus den gleichen Gründen betreffen ihn die Bestimmungen der "Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates" (ABl. L 311 vom 25. November 2011, S. 1) nicht.

240 Im Übrigen folgt auch aus Annex I Kapitel 6.2.2.d) des Chicagoer Abkommens und den nahezu wortgleichen Bestimmungen der zitierten EU-Verordnung nur, dass Piloten frei sein müssen von jeder Wirkung oder Nebenwirkung eines verschriebenen oder nicht verschriebenen, therapeutischen, diagnostischen oder präventiven Medikaments; maßgeblich ist ein Grad an Funktionsbeeinträchtigung, der voraussichtlich die sichere Steuerung eines Flugzeugs oder die sichere Pflichterfüllung einschränken würde. Diese Regelung schließt eine Covid-19-Schutzimpfung erkennbar nicht aus, weil damit in aller Regel keine dauerhaften Beeinträchtigungen verbunden sind. Dementsprechend empfiehlt auch die Europäische Flugsicherheitsbehörde (European Union Aviation Safety Agency - EASA) eine Covid-19-Schutzimpfung von Piloten und fordert lediglich, dass nach jeder Impfung eine Überwachungszeit von 48 Stunden bis zum nächsten Flug eingehalten wird (EASA, Safety Information Bulletin vom 25. März 2021, Nr. 2021-06 S. 2). Soweit in der Wissenschaft unter Verweis auf nicht konkretisierte flugmedizinische Forschungsdefizite vereinzelt Gegenteiliges vertreten wird (vgl. Giemulla, ZLW 2022, S. 175 <193>), vermag dies die Überzeugungskraft der amtlichen Einschätzung der insoweit sachverständigen Flugsicherheitsbehörde nicht zu schwächen.

241 10. Eine Belastung des Antragstellers mit den vor dem Senat entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.

Beschluss vom 07.07.2022 -
BVerwG 1 WB 5.22ECLI:DE:BVerwG:2022:070722B1WB5.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 - 1 WB 5.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070722B1WB5.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 5.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung am 2. Mai, 7. Juni, 8. Juni und 6. Juli 2022 durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Mielke und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant i.G. Suchordt
am 7. Juli 2022 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die Verpflichtung zur Duldung einer Covid-19-Impfung.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Er wird derzeit als ... beim ... der Bundeswehr verwendet.

3 Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen — Fachlicher Teil" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den Covid-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 erfordern die Covid-19-Impfstoffe eine oder zwei Teilimpfungen sowie Auffrischimpfungen gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für alle Kräfte (Einheiten und Einzelpersonen), die für Hilfs- und Unterstützungsleistungen im Inland eingesetzt werden — die sogenannten "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" — die Basisimmunisierung erforderlich. Nr. 210 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" sieht vor, dass alle Soldaten die angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen und Impfungen der "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" zu dulden haben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind damit alle aktiven Soldaten duldungspflichtig zu impfen, sofern in der Person des Soldaten keine individuelle medizinische Kontraindikation vorliegt.

4 Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2021 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die Änderungen der AR A1-840/8-4000 sowie die damit in Zusammenhang stehende Befehlsgebung im ... der Bundeswehr. Die Covid-19-Impfung erfülle nicht die Voraussetzungen nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG. Sie verhindere eine Infektion oder Erkrankung nicht und bekämpfe diese auch nicht. Dass die Impfung die Gefahr der Ansteckung anderer Personen ausschließe oder verringere bzw. die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufes vermindere, sei nicht belegt. Ihn beunruhigten Informationen über Neben- und Langzeitwirkungen, nicht durchgeführte Studien zu Kontraindikationen, das vollständige Fehlen von Langzeitstudien und die mangelnde Erfahrung mit den neuartigen mRNA-Impfstoffen. Die Impfung beeinträchtige Leib und Leben unzumutbar und stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Grundrechte dar. Es handele sich nicht um eine Impfung im herkömmlichen Sinne, sondern um die experimentelle Verabreichung einer genbasierten Substanz, die nur bedingt zugelassen worden sei. Die konsequente Testung vor Präsenzveranstaltungen und die Einhaltung der Abstandsregeln gebe eine ausreichende Sicherheit.

5 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und mit Stellungnahme vom 14. Januar 2022 dem Senat vorgelegt. Soweit sich die Beschwerde des Antragstellers gegen den Amtsbefehl 20/2021 richtete, hat der Generalinspekteur der Bundeswehr sie mit - hier nicht streitgegenständlichem - Bescheid vom 14. Februar 2022 zurückgewiesen.

6 Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller im Wesentlichen geltend gemacht, er würde durch die Auferlegung einer als Duldungspflicht bezeichneten Impfpflicht unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt. Das Basisimpfschema sei als Allgemeinverfügung zu qualifizieren. Die Pflicht, die Covid-19-Impfung zu dulden, sei nicht durch die Gesunderhaltungspflicht des § 17a SG gerechtfertigt. Die Duldungspflicht verletze seine Menschenwürde sowie seine Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Glaubensfreiheit und Berufsfreiheit. Sie verstoße weiter gegen Art. 1 und 3 Abs. 2 Buchst. a bis c und Art. 9 der Europäischen Grundrechtscharta. Durch diese Grundrechtsgarantien würden im Rahmen der Medizin eine freie Einwilligung vorgeschrieben, eugenische Praktiken untersagt und die Nutzung des menschlichen Körpers zur Gewinnerzielung verboten. Die Impfung greife auch in das von Art. 2 EMRK gewährleistete Recht auf Leben ein. Verstoßen werde auch gegen Art. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, der medizinische Versuche ohne Zustimmung der Betroffenen verbiete. Verstoßen werde des Weiteren gegen die Resolution 2361 (2021) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2021, die in Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 die Freiwilligkeit von Covid-19-Impfungen und ein Verbot der Diskriminierung von Impfgegnern gefordert habe. Die Duldungspflicht verletze ferner die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts. Insbesondere sei ein Verstoß gegen Art. 5 des europäischen Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin und gegen Art. 6 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung über Bioethik und Menschenrechte der Vereinten Nationen festzustellen.

7 Bei den mRNA-Impfstoffen handele es sich nicht um herkömmliche Impfstoffe, sondern um genbasierte experimentelle Substanzen. Die Injektion dieser Stoffe stelle eine Gentherapie dar, die zu Unrecht als Impfstoff deklariert worden sei. Dadurch sei es möglich geworden, die Substanzen ohne mehrjährige Erprobung zuzulassen. Es sei aber nur eine bedingte Zulassung erfolgt mit der Konsequenz, dass die Erforschung der Impfnebenwirkungen und -komplikationen in einem großen Feldversuch bei der Anwendung in der Gesamtbevölkerung nachgeholt werde. Die Impfkampagne stelle vor diesem Hintergrund ein medizinisches Experiment dar, ohne dass Impfwillige darüber aufgeklärt würden, dass sie an einer noch laufenden Studie teilnehmen würden. Ihre Einwilligung könne daher nicht freiwillig sein. Zur Teilnahme an einem wissenschaftlichen Experiment dürfe niemand genötigt werden. Im Widerspruch dazu würden die Soldaten unter Verstoß gegen § 17a Abs. 5 SG i. V. m. § 630c Abs. 2 BGB unzureichend über die Impfrisiken aufgeklärt, weil das Aufklärungsblatt des Sanitätsdienstes unvollständig sei. Ferner würden sie rechtswidrig durch die Androhung erheblicher beruflicher Nachteile und straf- und disziplinarrechtlicher Folgen zu einer Impfung gezwungen.

8 In der Durchführung der Impfkampagne lägen Verstöße gegen den Nürnberger Kodex sowie weitere durch den Internationalen Strafgerichtshof zu verfolgende Straftaten. Der Impfstoff Comirnaty enthalte für die Behandlung von Menschen nicht zugelassene Nanolipide als Trägersubstanzen. Die Verwendung dieses Impfstoffes stelle eine Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 3a, Abs. 3 AMG dar, weil der Impfstoff durch die Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln in seiner Qualität erheblich gemindert sei. Die als Trägersubstanzen genutzten Nanolipide seien als neuartige Hilfsstoffe nicht im Arzneibuch enthalten und nicht ausreichend untersucht. Sie würden Entzündungen auslösen und seien vermutlich für schwere Impfkomplikationen verantwortlich. Die mRNA-Impfstoffe seien zudem als Biowaffen anzusehen und nach Art. 1 der Biowaffenkonvention verboten.

9 Durch die Verbreitung von SARS-CoV-2 sei keine außergewöhnliche Notlage entstanden, die die zur Eindämmung der Pandemie beschlossenen Maßnahmen einschließlich der soldatenrechtlichen Impfduldungspflicht rechtfertigen könnten. Die meisten Menschen seien gegen das Virus durch ihr Immunsystem bereits ausreichend geschützt. Im Übrigen gebe es gute Behandlungs- und konventionelle Präventionsmöglichkeiten. Die Einsatzfähigkeit der Truppe sei nicht gefährdet. Entsprechende Gefährdungen würden auch nicht drohen. Insbesondere seien das Gesundheitssystem und auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht an der Belastungsgrenze.

10 Die Impfung begründe dagegen erhebliche Gefahren für Leib und Leben Geimpfter. Europaweit sei es — Stand 17. Juli 2021 — zu 18 928 Todesfällen und 1 823 219 Verletzungen im Zusammenhang mit den Impfungen gekommen. Zwischen der Übersterblichkeit und der Impfkampagne gebe es einen die Kausalität indizierenden zeitlichen Zusammenhang. Impfkomplikationen und -nebenwirkungen würden von den Gesundheitsbehörden nur unzureichend erfasst. Die tatsächliche Gefährlichkeit der Impfstoffe und ihre Nebenwirkungen würden der Öffentlichkeit gegenüber verschleiert. Die Impfkomplikationen würden in der deutschlandweiten Statistik des Paul-Ehrlich-Instituts verharmlost. Dies habe eine von der BKK ProVita herausgegebene Studie ergeben.

11 Die in Rede stehenden Impfstoffe hätten auch nicht den behaupteten Nutzen. Ein positiver Effekt auf das Infektionsgeschehen sei nicht belegt. Vor einer Infektion oder Erkrankung würden die Stoffe nicht schützen. Sie würden auch keine sterile Immunität erzeugen. Dass sie zu milderen Verläufen führten, sei nicht nachgewiesen. Vielmehr werde die Einsatzfähigkeit durch die Impfung gefährdet. Es sei nicht auszuschließen, dass erst durch die Impfung schwere Verläufe hervorgerufen würden. Falls das Verteidigungsministerium keine Daten über Impfschäden erhoben haben sollte, liege hierin ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht. In diesem Fall sei eine Bewertung des Nutzens der Impfung für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gar nicht möglich. Die Gesundheits- und Umweltrisiken durch die Freisetzung genetisch veränderter Organismen sei noch unbekannt. Im Hinblick darauf, dass die Impfstoffe derzeit fast keinen Nutzen brächten, sei das Gesundheitsrisiko unannehmbar hoch. Die Teilnahme an der Impfung sei daher unzumutbar im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG.

12 Der Antragsteller beantragt,
die Anweisung der Bundesverteidigungsministerin vom 24.11.2021 zur Aufnahme der Covid-19-Impfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr "Allgemeine Regelung Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - A 1-840/8-4000" aufzuheben.

13 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Der Antrag sei bereits unzulässig. Es liege keine anfechtbare dienstliche Maßnahme vor, weil die Erlassregelung der Aufnahme der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Soldaten hineinwirke. Es bestehe schon kraft Gesetzes eine Duldungspflicht, die von der ZDv A-840/8 nur wiederholt werde. Die Duldungspflicht des einzelnen Soldaten hänge von weiteren Umsetzungsakten — dem Befehl eines militärischen Vorgesetzten und der Ermessensausübung eines Impfarztes nach Prüfung einer medizinischen Kontraindikation — ab. Es fehle jedenfalls noch die Prüfung der medizinischen Kontraindikation durch den Impfarzt.

15 Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, weil die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der generell durchzuführenden Basisimpfungen rechtmäßig sei. Das Grundrecht des Soldaten auf körperliche Unversehrtheit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirksam eingeschränkt worden. Die Vorschrift erlaube die Durchführung ärztlicher Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten. Die Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 werde im Infektionsschutzgesetz als Verhütungsmaßnahme begriffen und falle darum auch bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG unter diesen Begriff. Dafür sei es nicht erforderlich, dass die Maßnahme einen vollständigen Schutz gegen eine Infektion biete. Dies sei auch bei anderen Impfstoffen — etwa gegen Influenza, Typhus und Cholera — nicht der Fall. Es genüge, wenn die Impfung die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung oder die Wahrscheinlichkeit schwerer Verläufe reduziere. Bereits der individuelle Schutz vor schweren Verläufen und die Verringerung der Transmission des Erregers trage maßgeblich zur Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten bei. Dem stehe auch die vielen Impfstoffen immanente Notwendigkeit einer Auffrischung oder Anpassung an mutierte Erreger nicht entgegen.

16 Die Pflicht, die Impfung zu dulden, diene der Sicherstellung der Auftragserfüllung der Streitkräfte und sei Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber den Soldaten. SARS-CoV-2 begründe ernste Gesundheitsgefahren auch für Soldaten. Eine Infektion könne zu schweren Krankheitsverläufen oder zum Tod führen. Dies gelte nicht nur für vulnerable Gruppen, sondern auch für ansonsten gesunde Personen zwischen 17 und 65 Jahren. Militärisches Personal sei durch die Besonderheiten des Dienstbetriebs einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt.

17 Die Impfung diene in erster Linie der Verhütung einer Übertragung des Virus und in zweiter Linie der Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe, insbesondere der Hospitalisierung und intensivmedizinischer Behandlung. Auch hinsichtlich der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 senke die Impfung — vor allem bei aktuell aufgefrischtem Impfschutz — das Risiko einer symptomatischen und vor allem einer schweren Erkrankung deutlich. Optimal seien präventivmedizinische Zwecke durch eine Impfung im Verbund mit anderen Hygienemaßnahmen zu erreichen. Diese allein — insbesondere Homeoffice und hohe Testfrequenzen — seien aber nicht ausreichend.

18 Soweit der Antragsteller auf die allgemeinen Impfrisiken und -nebenwirkungen abstelle, habe eine grundsätzliche Risikoabwägung bereits bei der Zulassung der Impfstoffe stattgefunden. Die Impfstoffanwendung werde zudem durch die zuständigen europäischen Stellen und das Paul-Ehrlich-Institut laufend überwacht. Nach dessen Sicherheitsbericht vom 30. November 2021 habe es bei einer Verabreichung von mehr als 123 Millionen Impfstoffdosen in 0,16 % der Fälle Meldungen über Komplikationen, in 0,02 % Meldungen über schwerwiegende Reaktionen und 15 Meldungen zu Todesfällen gegeben. In drei Fällen werde auch ein tatsächlicher Zusammenhang zur Impfung angenommen. Zusammenfassend komme das Paul-Ehrlich-Institut zu der Auffassung, dass schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten auftreten und das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfung nicht ändern würden. Spätere Sicherheitsberichte ergäben kein grundlegend anderes Bild. Die Studie der BKK ProVita beruhe nicht auf aussagefähigen Daten und erlaube daher nicht den Schluss auf eine höhere als die vom Paul-Ehrlich-Institut bei seiner Risikobewertung berücksichtigte Zahl von Impfnebenwirkungen. Auch das Bundesverfassungsgericht sei in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht vom 27. April 2022 von der Fachexpertise des Paul-Ehrlich-Instituts und der Verlässlichkeit der Risikoeinschätzung ausgegangen.

19 Das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr überwache fortlaufend Meldungen zu Impfnebenwirkungen und aktualisiere nach Maßgabe der fortlaufend aktualisierten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission regelmäßig seine fachlichen Hinweise. Neben dieser grundsätzlichen Risikoabwägung erfolge in jedem Einzelfall eine individuelle Risikoabwägung durch die Kontraindikationsprüfung des zuständigen Impfarztes. Bei der Nutzen-Risiko-Bewertung der Impfstoffe seien Impfnebenwirkungen und -komplikationen in Relation zur Menge der verabreichten Impfdosen zu beurteilen. Der zeitliche Zusammenhang von Nebenwirkungen mit der Impfung beweise nicht stets den kausalen Zusammenhang. In die Risikobewertung müsse auch das Risiko schwerer Folgen einer Covid-19-Erkrankung eingestellt werden. Hiernach sei die Duldungspflicht verhältnismäßig und nach der Nutzen-Risiko-Bewertung der fachlich zuständigen Stellen zumutbar. Auch diese Einschätzung habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht bestätigt.

20 Im Frühjahr 2022 ist der proteinbasierte Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax auch in Deutschland auf den Arzneimittelmarkt gekommen, der auf dem klassischen Wirkprinzip der Totimpfstoffe basiert. Der Antragsteller sieht auch diesen Impfstoff als unzumutbar an.

21 Der Antragsteller hat gleichzeitig mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorläufigen Rechtsschutz beantragt (1 W-VR 3.22 ). Der Senat hat das Verfahren mit dem Antrag eines anderen Luftwaffenoffiziers (1 WB 2.22 ) durch Beschluss vom 3. März 2022 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und darüber an vier Verhandlungstagen verhandelt und Sachverständigenbeweis erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

22 Der Antrag hat keinen Erfolg.

23 1. Er ist zwar zulässig. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen stellt eine unmittelbar geltende dienstliche Maßnahme dar (a), von der der Soldat betroffen ist (b) und deren Aufhebung nach § 17 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 2 WBO beim Bundesverwaltungsgericht beantragt werden kann (c).

24 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche dienstlichen Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die — obwohl an andere Soldaten gerichtet — in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 13).

25 Hiernach ist der Antrag statthaft, weil die in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 enthaltene Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der Basisimpfungen unmittelbar die Pflicht zur Duldung begründet. Zwar ist die Pflicht eines Soldaten, ärztliche Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden, bereits gesetzlich in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geregelt. Das Gesetz legt indessen nicht fest, welche Impfungen im Einzelnen durchzuführen sind. Vielmehr überlässt es diese Entscheidung dem Dienstherrn, der unter Berücksichtigung der an bestimmten Orten bei bestimmten Einsätzen drohenden Gesundheitsgefahren über die notwendigen Impfungen für die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr entscheidet.

26 Mit der Aufnahme der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen im November 2021 ist die Pflicht zur Duldung für diese Impfung aktiviert worden. Denn die Basisimpfungen sind nach der Regelungstechnik des Erlasses für alle militärischen Kräfte vorgeschrieben, die im Inland im Rahmen der Hilfs- und Katastrophenschutzaufgaben der Bundeswehr (Art. 35 GG) zum Einsatz kommen (Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000). Dabei zählen alle aktiven Soldatinnen und Soldaten zum "Hilfs- und Katastrophenschutz Inland", sodass sie für das dafür vorgesehene Impfschema duldungspflichtig sind (Nr. 406 ZDv A-840/8).

27 Die Duldungspflicht gilt unmittelbar mit Inkrafttreten des Erlasses. Denn das ärztliche Impfpersonal ist ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, die vorgeschriebenen Impfmaßnahmen durchzuführen (Nr. 208 ZDv A-840/8), und die Disziplinarvorgesetzten sind für die Kontrolle des Fortschritts der Impfungen und die zeitgerechte Vorstellung der Soldatinnen und Soldaten zu diesen Impfungen verantwortlich (Nr. 801 ZDv A-840/8). Zwar kann die Duldungspflicht nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG in Sonderfällen zeitweise oder auf Dauer entfallen, wenn die ärztliche Impfung aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar ist. Diese Dispensmöglichkeit ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass mit der Aufnahme einer Impfung in die Liste der vorgeschriebenen Basisimpfungen eine Dienstpflicht zur Teilnahme an der entsprechenden Impfung ausgelöst wird und dass allgemeine Einwendungen gegen diese Impfung von dem zuständigen Truppenarzt nicht berücksichtigt werden.

28 b) Da unmittelbar geltende Erlasse und Befehle häufig Ausnahmen oder Beschränkungen des Anwendungsbereichs enthalten, muss der Antragsteller hinreichend substantiiert darlegen, dass und inwiefern er von der beanstandeten Regelung unmittelbar betroffen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2015 - 1 WB 25.15 - NZWehrr 2015, 255 f.). Dieser Pflicht ist der Antragsteller nachgekommen, indem er auf seine Zugehörigkeit zum impfpflichtigen Personenkreis, auf die ihm für die Covid-19-Impfung gesetzte Nachweisfrist und das Fehlen von bekannten Kontraindikationen hingewiesen hat.

29 c) Eine Frist für die Einlegung des Antrags war nicht zu beachten, da es sich bei der Festlegung des Katalogs der Basisimpfungen um eine Daueranordnung handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 15). Denn alle betroffenen Soldatinnen und Soldaten müssen sich nicht nur einmal gegen Covid-19 impfen lassen, sondern je nach medizinischer Erforderlichkeit Auffrischimpfungen durchführen (vgl. Nr. 1080 AR A1-840/8-4000). Auch die in dem Erlass geregelten Verpflichtungen zur Feststellung des Impfstatus, zur Überwachung der Impfungen auf Kontrollblättern und zu deren Durchführung gelten auf unbestimmte Zeit. Der Antrag auf Aufhebung dieser dauerhaften Duldungspflicht ist formgerecht eingelegt und dem Bundesverwaltungsgericht, das dafür nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO erst- und letztinstanzlich zuständig ist, vorgelegt worden.

30 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen ist rechtmäßig. Die diesbezügliche Ermessensentscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung beruht auf sachgerechten Erwägungen und ist weiterhin verhältnismäßig. Die entsprechende Änderung der Allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 ist insbesondere formell rechtmäßig.

31 a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur der allgemeine Verwaltungserlass zur Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in die Liste der verpflichtenden Basisimpfungen. Darin sind noch nicht alle für den einzelnen Soldaten maßgeblichen Fragen geregelt. Insbesondere wird der zu verwendende Impfstoff nicht definitiv festgelegt. Dies geschieht erst, wenn der jeweilige Soldat keinen gültigen Impfnachweis vorlegt, wenn der Truppenarzt dessen medizinische Impftauglichkeit feststellt und den infrage kommenden Impfstoff bestimmt. Dann befiehlt der Disziplinarvorgesetzte einzelfallbezogen gegenüber dem betroffenen Soldaten die Duldung einer bestimmten Impfung mit einem konkreten Impfstoff. Da ein entsprechender Befehl als Einzelfallanordnung mit der Beschwerde und einem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung angegriffen werden kann, sind die Besonderheiten einzelner Impfstoffe und insbesondere die Frage einer individuellen medizinischen Kontraindikation, die eine persönliche Unzumutbarkeit nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG begründen kann, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

32 Die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Anordnung einer Schutzimpfung ist allerdings keine völlig abstrakte Frage, sondern jeweils auf eine konkrete übertragbare Krankheit und auf die dafür vorhandenen konkreten Impfstoffe bezogen. Daher müssen die zu erwartenden Nebenwirkungen, die bei den zur Verfügung stehenden und nach Mitteilung des Dienstherrn eingesetzten Impfstoffen auftreten, schon bei Erlass der allgemeinen Verwaltungsvorschrift in die Rechtmäßigkeitsprüfung einbezogen werden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat dazu ausgeführt, dass die Bundeswehr vorwiegend die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna verwendet und bei der Auswahl der Impfstoffe im Einzelfall die medizinisch-fachlichen Vorgaben, insbesondere die Altersempfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut, beachtet. Dies folgt auch aus Nr. 1080 bis 1084 AR A1-840/8-4000.

33 b) Die Rechtsgrundlage für den Verwaltungserlass besteht einerseits in der allgemeinen Befehls- und Weisungsbefugnis des Vorgesetzten für dienstliche Fragen nach § 10 Abs. 4 SG und andererseits in der speziellen Regelung des § 17a SG, der dem einzelnen Soldaten die Dienstpflicht auferlegt, sich gesund zu erhalten und ärztliche Maßnahmen zur Verhinderung übertragbarer Krankheiten zu dulden. Durch das Zusammenspiel dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die Duldung von ärztlichen Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten eine persönliche Dienstpflicht jedes einzelnen Soldaten ist und dass die Vorgesetzten die Durchführung solcher Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben anordnen, organisieren und regeln.

34 c) Für den Erlass ist das Bundesministerium der Verteidigung als höchste vorgesetzte Stelle, die der nach Art. 65a GG mit Befehls- und Kommandogewalt ausgestatteten Verteidigungsministerin untersteht, letztverantwortlich. Es hat gemeinsam mit dem Kommando Sanitätsdienst die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" nach einem ordnungsgemäßen Verfahren am 23. November 2021 geändert. Dabei wurden — wie vorgeschrieben — die Hauptschwerbehindertenvertretung, der Hauptpersonalrat und der Gesamtvertrauenspersonenausschuss nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG beteiligt. Während die Hauptschwerbehindertenvertretung und der Hauptpersonalrat ohne Vorbehalte zugestimmt haben, hat der Gesamtvertrauenspersonenausschuss Einwände erhoben und das Schlichtungsverfahren nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SBG eingeleitet. Schließlich hat der Schlichtungsausschuss am 22. November 2021 der Aufnahme der Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus einschließlich der Boosterimpfungen in das Impfschema zugestimmt und die künftige Aufnahme einer Risikoanalyse gefordert. Auf der Grundlage dieser Empfehlung hat das Bundesministerium der Verteidigung nach § 38 Abs. 4 Satz 4 SBG die Verwaltungsvorschrift am folgenden Tag erlassen. Einer nochmaligen Befassung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bedurfte es nicht.

35 3. Die Anordnung der Covid-19-Schutzimpfung beruht auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage. Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG muss ein Soldat ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen dulden, wenn sie der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen. Diese Rechtsnorm genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (a) und der auch im Demokratieprinzip wurzelnden Wesentlichkeitstheorie (b). Sie stellt eine zulässige Beschränkung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (c) und Berufsfreiheit (d) dar.

36 a) Nach dem allgemeinen, im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze ist der Gesetzgeber gehalten, Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Dabei sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm rechtfertigen soll. Allerdings fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist. Das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht aus. Der Gesetzgeber muss in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Dabei lässt sich der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestands einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben. Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen keine Bedenken, wenn sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 502/16 - BVerfGE 149, 293 Rn. 77 f. m. w. N.).

37 Nach diesen Maßstäben ermöglicht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem einzelnen Soldaten zwar nicht, dem Gesetz selbst einen abschließenden Katalog an duldungspflichtigen ärztlichen Eingriffen zu entnehmen. Vielmehr sind die verwendeten Begriffe "Maßnahmen", "Verhütung oder Bekämpfung" und "übertragbare Krankheiten" eher allgemeine Umschreibungen von einer gewissen Spannweite. Allerdings gibt es für die Entscheidung des Gesetzgebers, die notwendigen ärztlichen Maßnahmen nicht konkret im Einzelnen aufzulisten, sondern abstrakt zu umschreiben, gute Gründe. Die Norm dient der Abwehr einer Vielzahl nicht abschließend vorhersehbarer Gefahren, die mit der Infektion von Soldaten für sie selbst und für die Einsatzfähigkeit ihrer militärischen Verbände verbunden sind. Die Infektionsgefahren sind je nach Ort und Zeit eines militärischen Einsatzes unterschiedlich. Bei einem Auslandseinsatz in Afrika kann beispielsweise eine Malariaprophylaxe geboten sein, die im militärischen Alltag im Inland nicht veranlasst ist. Auch die möglichen Gefahrenabwehrmaßnahmen sind abhängig von den in einem Szenario tatsächlich zur Verfügung stehenden medizinischen Ressourcen und Handlungsoptionen. Dies legt es nahe, der Exekutive — wie im gesamten Gefahrenabwehrrecht — einen Ermessensspielraum bei der Festlegung der im Einzelnen notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen einzuräumen und nur den Handlungsrahmen gesetzlich abzustecken.

38 Dieser Handlungsrahmen ist bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG durch Auslegung bestimmbar, weil die Schlüsselbegriffe der Norm den Grundbegriffen des Infektionsschutzgesetzes entsprechen und dort teilweise gesetzlich definiert sind (vgl. § 2 IfSG). Dementsprechend hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits in den 60er Jahren entschieden, dass sich die Bestimmung des Soldatengesetzes an der Begriffsbildung des Bundesseuchengesetzes — dem Vorläufer des heutigen Infektionsschutzgesetzes — orientiert (BVerwG, Beschluss vom 24. September 1969 - 1 WDB 11.68 - BVerwGE 33, 339). Da sich der Begriff der übertragbaren Krankheiten auch in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG findet, ist er zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konturiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 124 - 126). Aber auch der zunächst weit erscheinende Begriff der ärztlichen Maßnahmen ist durch Auslegung gut eingrenzbar. Damit sollte nach dem historischen Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 2/2140 S. 8) in erster Linie die Durchführung von Schutzimpfungen ermöglicht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 1979 - 1 WB 149.78 - BVerwGE 63, 278 <284 f.>). Schwerwiegendere Eingriffe werden durch die Verweisung in § 17a Abs. 2 Satz 3 SG auf die in § 25 Abs. 3 Satz 3 IfSG vorgesehenen rechtlichen Grenzen für ärztliche Eingriffe ohne Zustimmung des Betroffenen ausgeschlossen. Demnach sind erhebliche invasive Eingriffe ebenso wie eine Narkose erfordernde Behandlungen gegen den Willen des Soldaten unzulässig.

39 b) Die Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG entspricht auch dem im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip enthaltenen Gebot an den Gesetzgeber, die wesentlichen Fragen selbst zu regeln und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie). Wann es aufgrund der Wesentlichkeit einer Frage der Regelung des parlamentarischen Gesetzgebers bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des Regelungsgegenstandes ab. Dabei bedeutet "wesentlich" im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". Als wesentlich sind also Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen. Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden muss (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u. a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 125).

40 Nach diesen Maßstäben hat der Gesetzgeber mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die wesentliche Grundentscheidung für die Impfpflicht der Soldatinnen und Soldaten selbst getroffen. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Berufsbildes der Soldatinnen und Soldaten die körperliche Einsatzfähigkeit als wesentliches Merkmal angesehen. Er hat die Pflicht zur Gesunderhaltung als allgemeinen Grundsatz des militärischen Dienstes und die Bereitschaft zur Duldung der für die Gesunderhaltung notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen als besondere Ausprägung dieses Prinzips normiert. Dabei ging es ihm insbesondere um die Bereitschaft zur Durchführung der zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erforderlichen Schutzimpfungen (BT-Drs. 2/2140 S. 8).

41 Eine nähere gesetzliche Ausgestaltung der im Einzelnen notwendigen Schutzimpfungen bedurfte es angesichts der Eigenart des Regelungsgegenstandes nicht. Zum einen ging es schon bei Einführung der Duldungspflicht für Infektionsschutzmaßnahmen (früher Seuchenbekämpfungsmaßnahmen), die es seit Bestehen der Bundeswehr gibt, von vornherein nicht nur um die Duldung einer einzigen Impfung, sondern angesichts der Bedrohung durch verschiedene übertragbare Krankheiten um die Hinnahme einer Mehrzahl denkbarer Infektionsschutzmaßnahmen. Zum anderen orientiert sich die Erforderlichkeit von Schutzimpfungen und sonstigen Infektionsschutzmaßnahmen — wie ausgeführt — am jeweiligen militärischen Einsatz und an den sich ändernden Gesundheitsgefährdungen. Eine konkrete Auflistung einzelner Impfzwecke und Impfstoffe im Soldatengesetz stünde stets in der Gefahr, dem aktuellen Infektionsgeschehen und den konkreten Einsatzerfordernissen nicht gerecht zu werden.

42 Daher konnte es der Gesetzgeber bei der abstrakten Umschreibung der gesetzlichen Duldungspflicht belassen und musste selbst nur den besonders grundrechtsrelevanten Rechtsrahmen (ärztliche Überwachung, einzelfallbezogene Zumutbarkeitsprüfung, nicht-invasive Maßnahmen, Infektionsschutzzweck) vorgeben. Die Umsetzung dieser Vorgaben in den sich wandelnden militärischen Einsatzszenarien und epidemischen Bedrohungslagen konnte der Gesetzgeber angesichts der Besonderheiten des militärischen Regelungsbereichs der Exekutive überlassen. Dafür sprach, dass Dienstpflichten in der Bundeswehr allgemein durch Dienstanweisungen und Befehle konkretisiert werden, auch soweit es die Gesunderhaltung und den Dienstsport betrifft. Außerdem führt die Bundeswehr durch eigene Ärzte und Bundeswehrkrankenhäuser die medizinische Betreuung durch und kann aufgrund der Expertise einer eigenen Sanitätsakademie eine fachgerechte Abstimmung der militärischen und medizinischen Belange gewährleisten.

43 Besteht somit nach der Wesentlichkeitstheorie keine Notwendigkeit, die im militärischen Bereich erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen im Soldatengesetz einzeln gesetzlich zu bestimmen, ist auch eine ausdrückliche Erwähnung der Covid-19-Schutzimpfung in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nicht erforderlich. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das SARS-CoV-2-Virus ein neuartiger Erreger ist, an den bei Erlass der Vorschrift niemand gedacht hat. Denn die inhaltliche Offenheit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dient gerade dazu, auf neue Infektionsgefahren flexibel reagieren zu können. Deswegen macht auch der Umstand, dass bei der Bekämpfung des Virus eine neue Impfstofftechnologie zur Anwendung gekommen ist, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht erforderlich. Die Bewertung der Effektivität und Sicherheit der Impfstoffe ist ebenfalls aus Gründen der Flexibilität und Sachnähe der Exekutive überlassen worden. Der politische Streit um die Einführung einer allgemeinen Covid-19-Impfpflicht ist schließlich — wie ausgeführt — für sich genommen kein Umstand, der für die verfassungsrechtliche Bewertung der Notwendigkeit einer ergänzenden gesetzlichen Regelung ausschlaggebend sein kann.

44 c) Die Norm des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG begegnet auch keinen durchgreifenden grundrechtlichen Bedenken. Sie greift allerdings in die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ein.

45 aa) Die Vorschrift berührt das Grundrecht der Soldatinnen und Soldaten auf körperliche Unversehrtheit in zweierlei Hinsicht. Sie gestattet Eingriffe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Freiheit jedes Menschen, autonom über die bei ihm durchzuführenden medizinischen Untersuchungs-, Vorsorge- und Heilmaßnahmen zu entscheiden (körperliches Selbstbestimmungsrecht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282 <300>). Während die Durchführung einer Schutzimpfung ansonsten von der Einwilligung des Einzelnen, das heißt seiner individuellen und subjektiven Nutzen-Risiko-Bewertung abhängt, ermöglicht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienstherrn, dem Soldaten "gegen seinen Willen" Schutzimpfungen und andere Infektionsschutzmaßnahmen im Interesse der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr verpflichtend auf der Grundlage einer das Einzel- wie das Gesamtinteresse berücksichtigenden Nutzen-Risiko-Abwägung aufzuerlegen.

46 Zum anderen ermöglicht das Gesetz auch die mit Schutzimpfungen und anderen ärztlichen Infektionsschutzmaßnahmen verbundenen Eingriffe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte körperliche Integrität (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282 <300>). Denn Impfstoffe führen zu Veränderungen im Körper. Sie bewirken die Bildung von Antikörpern gegen bestimmte Erreger; schon diese intendierte körperliche Reaktion ist häufig mit einer vorübergehenden Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens verbunden (sog. Impfreaktionen). Daneben können aber fast alle zugelassenen Impfstoffe in Einzelfällen gravierende unerwünschte Auswirkungen (sog. Impfkomplikationen) verursachen.

47 Der Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann auch nicht mit dem Argument bestritten werden, dass für den Fall der Impfverweigerung kein unmittelbarer Zwang vorgesehen ist. Zwar ist weder in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG noch an anderer Stelle des Soldatengesetzes eine Zwangsimpfung vorgesehen. Darum wird körperlicher Zwang in Nr. 209 ZDv A-840/8 ausdrücklich untersagt. Ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG liegt jedoch nicht nur bei körperlichem, sondern auch bei psychisch vermitteltem Zwang vor, der insbesondere durch die Androhung von Strafen vermittelt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 244 ff. und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 113 f.). Dem steht die Androhung von Disziplinarmaßnahmen gleich. Aus der Ausgestaltung der soldatenrechtlichen Impfpflicht als Dienstpflicht folgt, dass eine vorsätzliche Verweigerung eines entsprechenden Befehls als Dienstvergehen geahndet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - Buchholz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Das Bundesministerium der Verteidigung hat für den Fall der Impfverweigerung die disziplinarrechtliche Ahndung auch angedroht.

48 Dem Eingriffscharakter einer Impfpflicht steht auch nicht entgegen, dass sie zum Zwecke der Verhinderung einer symptomatischen oder schweren Infektionserkrankung vorgenommen wird. Eine schädigende Zielrichtung ist nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Eingriffes in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 57). Die Freiheitsrechte schließen das Recht ein, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der - jedenfalls in den Augen Dritter - den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwiderläuft. Dies umfasst das Recht, auf medizinischen Schutz zielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn dies nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerfGE 142, 313 Rn. 74).

49 bb) Der Gesetzgeber hat allerdings nicht — wie der Antragsteller meint — in das Grundrecht auf Leben eingegriffen. Da es um eine vorbeugende medizinische Maßnahme geht, bildet das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit als spezielles Grundrecht den Prüfungsmaßstab (vgl. Gebhard, Impfpflicht und Grundgesetz, 2022, S. 138 ff.). Dies hat seinen Grund darin, dass es bei Heileingriffen und vorbeugenden medizinischen Maßnahmen um eine Verbesserung des Gesundheitszustands oder um eine Verringerung des Risikos schwerer Erkrankungen geht. Eine Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos wird weder bezweckt noch bewirkt, sodass kein finaler Eingriff in das Grundrecht auf Leben vorliegt. Der unvermeidliche Umstand, dass es bei Impfungen in seltenen Fällen zu tödlich verlaufenden Komplikationen kommen kann, ändert am Charakter der Impfungen als medizinische Heileingriffe und am grundrechtlichen Prüfungsmaßstab des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nichts.

50 Die Vorschrift des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift auch nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Soldatinnen und Soldaten ein, weil die Impfstoffe nach dieser Vorschrift nicht unter physischem Zwang verabreicht werden und keine persönlichkeitsverändernde Wirkung haben (anders bei Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerfGE 142, 313 Rn. 74 und vom 8. Juni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 58).

51 Ein Eingriff in das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ist gleichfalls nicht intendiert und vorliegend nicht plausibel dargelegt.

52 cc) Die Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift allerdings in das Grundrecht auf Berufsfreiheit ein, indem sie den Soldatinnen und Soldaten die Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen als Dienstpflicht vorschreibt.

53 Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Unter Beruf ist dabei jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zu verstehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvR 3102/13 - BVerfGE 141, 121 Rn. 32 ff. und vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - BVerfGE 155, 238 Rn. 92). Der Schutz dieses Grundrechts ist umfassend angelegt, wie die ausdrückliche Erwähnung von Berufswahl, Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz und Berufsausübung zeigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <48>). Der Schutzbereich erfasst auch Berufe im öffentlichen Dienst, wie das Wehrdienstverhältnis der Soldaten (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397 f.>; Beschluss vom 2. April 1963 - 2 BvL 22/60 - BVerfGE 16, 6 <21>). Dem steht Art. 33 GG nicht entgegen, der für Berufe im öffentlichen Dienst lediglich Sonderregelungen ermöglicht und die Berufsfreiheit entsprechend modifiziert (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <397 f.>).

54 Die Pflicht zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen, insbesondere von Schutzimpfungen, hat eine objektiv berufsregelnde Tendenz (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 u. a. - BVerfGE 111, 191 <213>). Sie greift als fortlaufende Dienstpflicht in erster Linie in den Bereich der beruflichen Betätigung ein. Die Pflicht zur Duldung von Schutzimpfungen aktualisiert sich im beruflichen Alltag der Soldatinnen und Soldaten meist im Rahmen allgemeiner medizinischer Gesundheitsuntersuchungen oder im zeitlichen Vorfeld von bestimmten Auslandseinsätzen.

55 Die Freiheit der Berufswahl wird durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwar nicht unmittelbar eingeschränkt, weil die Bereitschaftserklärung zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen nicht Voraussetzung für die Begründung des Wehrdienstverhältnisses ist. Die Vorschrift greift jedoch mittelbar in die Freiheit der Berufswahl ein. Denn die Verweigerung der Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen hat — wie ausgeführt — als Dienstpflichtverletzung disziplinarrechtliche Folgen und kann jedenfalls im Extremfall der wiederholten Befehlsverweigerung auch zur Beendigung des Wehrdienstverhältnisses führen. Dies betrifft den von der Wahlfreiheit umfassten Schutz vor Aufgabe des frei gewählten Berufs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 u. a. - BVerfGE 149, 126 Rn. 38). Zudem bewirkt § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG mittelbar, dass Personen, die bestimmte oder alle Schutzimpfungen ablehnen, der Zugang zum Soldatenberuf faktisch verwehrt ist.

56 d) Der mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verbundene Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und auf Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

57 aa) Der Gesetzgeber ist grundsätzlich berechtigt, entsprechende freiheitsbeschränkende Regelungen zu erlassen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung "durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden". Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG gestattet es ebenfalls, in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit "auf Grund eines Gesetzes" einzugreifen. Bereits bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates stand den Müttern und Vätern des Grundgesetzes die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht als möglicher Anwendungsfall einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme vor Augen (JÖR <N. F.> 1, S. 60). Deswegen haben der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht die in der Nachkriegszeit fortgeltende allgemeine Impfpflicht gegen Pocken, die noch auf dem Impfgesetz vom 8. April 1874 (RGBl. S. 31) beruhte, als verfassungsmäßig angesehen (vgl. BGH, Gutachten vom 25. Januar 1952 - VRG 5/51 - BGHSt 4, 375 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 1 C 170.56 - BVerwGE 9, 78 ff.).

58 Der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ist nicht als reiner Verwaltungsvorbehalt zu verstehen. Der Gesetzgeber kann es zwar der Exekutive gestatten, zum Schutz gewichtiger Gemeinwohlziele oder der Grundrechte anderer in die Freiheit der Person oder die körperliche Unversehrtheit einzugreifen. Er kann den Eingriff aber auch selbst ganz oder teilweise durch das Gesetz vornehmen (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 269 - 272 zu sog. selbstvollziehenden Gesetzen). Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber mit der Begründung einer dienstrechtlichen Duldungspflicht den Eingriff in das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Soldaten zu einem gewichtigen Teil selbst vorgenommen. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ersetzt die Einwilligung der Soldaten in ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen und verpflichtet sie daher, die mit dem ärztlichen Eingriff — hier der Schutzimpfung — verbundenen Risiken und Nebenwirkungen wie im Falle der Einwilligung hinzunehmen. Der Anteil der Exekutive an dem Grundrechtseingriff besteht darin, die im Einzelnen erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Der Dienstherr bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen die nach Art, Zeit und Ort des Einsatzes der Bundeswehreinheiten zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft notwendigen und medizinisch zumutbaren Schutzimpfungen beziehungsweise anderweitigen Infektionsschutzmaßnahmen. Er aktualisiert dabei die gesetzliche Duldungspflicht.

59 bb) Die gesetzliche Regelung ist auch formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Bereits im Soldatengesetz von 1957 war in § 17 Abs. 4 Satz 3 SG a. F. eine Duldungspflicht für ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen vorgesehen. Mit dem Gesetz zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1147) wurden zur Verbesserung der rechtssystematischen Klarheit und der Rechtsanwenderfreundlichkeit die gesundheitlichen Rechte und Pflichten der Soldatinnen und Soldaten in eine neue Vorschrift überführt, wobei hinsichtlich der Duldungspflicht nur redaktionelle und sprachliche Anpassungen vorgenommen wurden (BT-Drs. 19/9491 S. 103, 104). Bei diesem Gesetz sind die für Bundesgesetze geltenden Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften beachtet worden. Wie schon in der Vorgängerregelung hat der Bundesgesetzgeber seinen Willen, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einzuschränken mit § 17a Abs. 2 Satz 2 SG im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht und damit das in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Zitiergebot beachtet. Einer zusätzlichen Erwähnung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bedurfte es nicht. Denn Berufsregelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sind nicht als Einschränkungen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu verstehen (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 <403 f.>; Beschluss vom 17. Juli 1961 - 1 BvL 44/55 - BVerfGE 13, 97 <122>).

60 cc) Die soldatenrechtliche Pflicht zur Duldung von Schutzimpfungen ist auch materiell-rechtlich verfassungsgemäß. Sie verfolgt gewichtige und legitime Gemeinwohlziele. Dazu zählt allerdings nicht der Schutz der Volksgesundheit, weil eine berufsspezifische Impfpflicht vorliegt.

61 (1) Dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einer weitgehenden Impfpflicht unterworfen werden, dient in erster Linie der in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzten Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Juni 1986 - 1 WB 170.84 - BVerwGE 83, 191 <192> und vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 7). Die soldatenrechtliche Impfpflicht fußt auf der Erkenntnis, dass die Schlagkraft militärischer Verbände ganz wesentlich von der Gesundheit und körperlichen Einsatzfähigkeit jedes einzelnen Soldaten abhängt. Militärische Einheiten sind so zusammengesetzt, dass Soldatinnen und Soldaten mit unterschiedlichen Befähigungen arbeitsteilig zusammenwirken. Beispielsweise hängt die Einsatzbereitschaft eines Panzers nicht nur davon ab, dass der Panzerfahrer dienstfähig ist. Sie entfällt auch dann, wenn der Panzerschütze, der Funker oder der Kommandant ausfallen. Übliche krankheitsbedingte Ausfälle können durch Personalreserven abgedeckt werden. Die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in einer militärischen Einheit kann aber zum gleichzeitigen Ausfall einer großen Zahl von Soldatinnen und Soldaten führen und die Einsatzbereitschaft der gesamten militärischen Einheit infrage stellen (vgl. Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 17a Rn. 7).

62 (2) Die Pflicht zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen dient ferner dem Schutz der Grundrechte anderer Soldatinnen und Soldaten. Eine Vielzahl von Infektionserregern ist unmittelbar oder mittelbar von Mensch zu Mensch übertragbar, sodass die Durchführung einer Schutzimpfung etwa gegen Influenza auch das Erkrankungsrisiko anderer Soldatinnen und Soldaten reduziert. Da viele Soldaten sich aufgrund ihrer Kasernierung oft längere Zeit mit anderen Kameraden in denselben Räumen aufhalten und bei Übungen und Einsätzen etwa in Panzern, U-Booten oder Hubschraubern in unmittelbarer räumlicher Nähe eng mit ihren Kameraden zusammenarbeiten, besteht zwischen ihnen ein überdurchschnittlich hohes Übertragungsrisiko. Schutzimpfungen können in diesen Fällen einen Beitrag dazu leisten, dass die Weitergabe (Transmission) des Erregers erschwert oder verhindert wird; dies dient dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit anderer Soldaten, deren Impfschutz etwa durch mangelnde Bildung von Antikörpern oder durch Zeitablauf unzureichend ist oder zum Beispiel wegen einer medizinischen Kontraindikation fehlt.

63 (3) Unabhängig davon muss die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG normierte Pflicht im Kontext der besonderen Stellung der Soldatinnen und Soldaten als Staatsdiener gesehen werden. Diese Vorschrift gestaltet das Berufsbild der Soldatinnen und Soldaten aus. Sie stehen als Hoheitsträger gemäß Art. 33 Abs. 4 GG, § 1 Abs. 1 Satz 2 SG in einem besonderen öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 61). Gerade weil militärische Verbände stets einsatzbereit sein müssen, um für unterschiedliche, nicht vorhersehbare Einsätze militärischer oder ziviler Art (vgl. Art. 35 GG) schnell zur Verfügung zu stehen, gehört die Bereitschaft des einzelnen Soldaten, auf seine körperliche Einsatzfähigkeit zu achten und sie nach Möglichkeit zu gewährleisten, zu seinen besonderen Dienstpflichten; diese für das militärische Dienst- und Treueverhältnis spezifische Dienstpflicht ist einfach-rechtlich in § 17a Abs. 1 SG als allgemeine Gesunderhaltungspflicht normiert worden. Sie findet im Dienstalltag der Soldatinnen und Soldaten beispielsweise darin ihren Niederschlag, dass sie im Dienst zur Erhaltung ihrer Fitness und Gesundheit Sport treiben und Sportprüfungen ablegen müssen. Sie dürfen weder im Dienst noch außer Dienst Drogen zu sich nehmen und müssen im Einsatz ein Alkoholverbot beachten. Die von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geforderte Bereitschaft, sich der Gesunderhaltung dienenden Impfungen zu unterwerfen, ist ein Ausfluss dieser allgemeinen Gesunderhaltungspflicht.

64 dd) Die gesetzliche Normierung einer allgemeinen Duldungspflicht in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG für ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie dient dem Schutz verfassungsrechtlich gewichtiger Güter und ist zur Verfolgung dieser Zwecke im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, erforderlich sowie angemessen.

65 (1) Das mit der Duldungspflicht verfolgte Ziel der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr ist ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang. Insbesondere in Art. 87a GG hat der Verfassungsgeber eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung getroffen. Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u. a. - BVerfGE 69, 1 <21 f.>). Ebenso hat die Schutzpflicht des Staates aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf die Gesundheit anderer Personen, die einer Gefährdung nicht ausweichen können, verfassungsrechtlichen Rang (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 64). Dem Rechtsgedanken, dass die Verpflichtung zum Erhalt der eigenen Einsatzbereitschaft dem spezifischen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten nach Art. 33 Abs. 4 GG innewohnt, kommt bei der Frage der Einschränkbarkeit der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtliche Bedeutung zu.

66 (2) Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Einführung einer berufsspezifischen Duldungspflicht für Schutzimpfungen ein geeignetes Mittel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und der Gesundheit anderer Soldaten ist. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Maßnahme ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 185, 204, 217). Seine Annahme ist naheliegend, dass im beruflichen Alltagsleben der Soldaten in Kasernen und bei Übungen und Einsätzen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht und dass die Durchführung von ärztlichen Schutzimpfungen und anderen Infektionsschutzmaßnahmen einen gewichtigen Beitrag zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken und zum Erhalt der Einsatzbereitschaft leistet.

67 (3) Der Gesetzgeber konnte die Begründung einer berufsbezogenen Duldungspflicht für Schutzimpfungen als erforderlich ansehen. Ein milderes gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Die Einführung eines freiwilligen Impfangebots wäre nicht gleich effektiv. Denn dies gewährleistet gerade nicht, dass der größtmögliche Schutz vor Infektionsgefahren besteht.

68 (4) Schließlich konnte der Gesetzgeber die Einführung einer allgemeinen Duldungspflicht für ärztliche Schutzimpfungen auch als angemessene Maßnahme bewerten. Der Gesetzgeber hat dem Gesundheitsschutz der Betroffenen dadurch Rechnung getragen, dass die Impfung nur durch Ärzte erfolgt, die vor dem medizinischen Eingriff die besonderen gesundheitlichen Risiken des Einzelnen prüfen. Er hat die Duldungspflicht dadurch schonend ausgestaltet, dass sie nur Schutzimpfungen und wenig belastende ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen umfasst (§ 17a Abs. 2 Satz 3 SG i. V. m. § 25 Abs. 3 IfSG). Zudem hat er die Duldungspflicht dadurch begrenzt, dass die Soldaten nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG keine Maßnahmen dulden müssen, die eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit begründen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn beim Einzelnen eine medizinische Kontraindikation vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - Buchholz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Damit geht die Impfpflicht der Soldatinnen und Soldaten nicht über das Maß hinaus, das anderen Berufsgruppen bei einer verpflichtenden Schutzimpfung abverlangt wird (vgl. § 20 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 Satz 4 IfSG).

69 Schließlich fließt die besondere Einsatzorientierung des soldatischen Dienst- und Treueverhältnisses (Art. 33 Abs. 4 GG) in die Abwägung mit ein. Soldaten müssen von Berufs wegen bei militärischen Einsätzen — insbesondere bei Auslandsmissionen und im Fall der Landesverteidigung — erhebliche Gesundheitsrisiken hinnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 6). Dieser besondere Einsatzbezug des Soldatenberufs rechtfertigt es, den Soldaten im Interesse ihrer Einsatzfähigkeit eine Impfpflicht aufzuerlegen, die anderen Staatsbürgern nicht abverlangt wird.

70 Für die Angemessenheit der gesetzlichen Regelung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG spricht schließlich, dass der Gesetzgeber die Einzelheiten der Impfpflicht ins pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt hat. Dies ermöglicht dem Dienstherrn flexible und situationsabhängige Entscheidungen und eröffnet Raum, Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden. Zugleich findet auch Grundrechtsschutz durch Verfahren statt. Denn die allgemeine Einführung neuer Impfungen unterliegt — wie unten näher ausgeführt wird — der Mitbestimmung der Soldatinnen und Soldaten. Zugleich wird eine gerichtliche Kontrolle der Verhältnismäßigkeit bestimmter Infektionsschutzmaßnahmen ermöglicht. Der einzelne Soldat kann trotz Vorliegens einer berufsbezogenen Impfpflicht im Rahmen der Wehrbeschwerde und des wehrdienstgerichtlichen Antragsverfahrens Grundrechtsschutz im Einzelfall erlangen. Die wehrdienstgerichtliche Kontrolle hat sich in der Vergangenheit bewährt und wichtige Klarstellungen zur Verhältnismäßigkeit von Infektionsschutzmaßnahmen erbracht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. September 1969 - 1 WDB 11.68 - BVerwGE 33, 339 zur Tetanusimpfung, vom 22. Oktober 1982 - 1 WB 142.82 - und vom 3. November 1983 - 1 WB 108.80 - zur Pockenschutzimpfung sowie vom 24. Juni 1986 - 1 WB 170.84 - BVerwGE 83, 191 zur TBC-Reihenuntersuchung).

71 Schließlich hat der Dienstherr dem Umstand, dass die Soldatinnen und Soldaten im Rahmen ihres Dienst- und Treueverhältnisses Impfungen zu dulden haben, auch dadurch Rechnung getragen, dass er den Soldaten im Falle eines Impfschadens neben den jedermann zustehenden infektionsschutzrechtlichen Ausgleichsansprüchen (vgl. Dutta, NJW 2022, 649) auch einen soldatenversorgungsrechtlichen Anspruch eingeräumt hat. Die Duldung einer dienstlich angeordneten Impfung ist als Wehrdienstverrichtung im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG anerkannt, sodass im Falle eines Impfschadens nach § 85 SVG ein versorgungsrechtlicher Ausgleich wegen einer Wehrdienstbeschädigung gewährt wird (vgl. LSG Bremen, Urteil vom 28. Januar 2021 - L 10 VE 11/16 - juris Rn. 28 ff.).

72 ee) Durch die Begründung einer gesetzlichen Duldungspflicht für ärztliche Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten wird auch nicht der nach Art. 19 Abs. 2 GG unantastbare Wesensgehalt der betroffenen Grundrechte verletzt. Ein Eingriff in den unantastbaren Wesensgehalt der körperlichen Unversehrtheit liegt schon deswegen nicht vor, weil die dienstrechtliche Duldungspflicht nicht gegen den Willen des Soldaten mit physischem Zwang durchgesetzt wird und auf diese Weise das Selbstbestimmungsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht völlig ausgeschlossen wird (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom 8. April 2021 - Nr. 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 LS 5).

73 Auch hinsichtlich der körperlichen Integrität wird der Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt. Denn die mit einer Impfung üblicherweise verbundenen Nebenwirkungen führen nur zu geringen Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens. Auch wenn in verhältnismäßig wenigen Fällen Impfkomplikationen mit schweren Erkrankungen oder tödlichen Verläufen auftreten, bewahren diese Schutzimpfungen typischer Weise in einer weit größeren Zahl von Fällen die Soldatinnen und Soldaten davor, aufgrund einer Infektion schwer zu erkranken oder zu sterben. Aufgrund des präventiv-medizinischen Charakters der Maßnahme kann nicht von einem Eingriff in den Wesensgehalt des Grundrechts gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 1 C 170.56 - BVerwGE 9, 78 <79>).

74 Auch hinsichtlich der Berufsfreiheit liegt keine Verletzung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG vor. Denn die mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verbundenen Beschränkungen beruhen auf vernünftigen Gemeinwohlgründen und führen nicht zu unüberwindbaren objektiven Hindernissen bei der Berufsausübung oder Berufswahl.

75 4. Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen ist gleichfalls eine materiell-rechtmäßige dienstliche Maßnahme.

76 a) Das Bundesministerium der Verteidigung hat auf der Grundlage des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche ärztlichen Schutzimpfungen und Infektionsschutzmaßnahmen im Einzelnen nach Art, Zeit und Ort des Einsatzes der Bundeswehreinheiten zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft notwendig und medizinisch zumutbar sind. Die angefochtenen Dienstvorschriften können gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens verkannt oder überschritten worden sind oder ob das Bundesministerium der Verteidigung von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Wie für jedes den Bürger belastende hoheitliche Tätigwerden gilt dabei der verfassungskräftige Grundsatz des Übermaßverbots, auf dessen Beachtung auch der Soldat, der die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger besitzt (§ 6 Satz 1 SG), einen Anspruch hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 1986 - 1 WB 170.84 - BVerwGE 83, 191 <193>).

77 Wird eine Maßnahme — wie die Durchführung von Basisimpfungen — nicht einmalig, sondern auf unbestimmte Dauer angeordnet, ist der Dienstherr verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme fortlaufend zu überwachen. Er muss insbesondere überprüfen, ob eine einmal festgelegte Duldungspflicht für eine Impfung weiterhin geeignet, erforderlich und zumutbar ist. Bei der gerichtlichen Kontrolle von Dauerverwaltungsakten kommt es darauf an, dass sie sich nicht nur zum Zeitpunkt des Erlasses, sondern auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig erweisen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Oktober 2014 - 9 B 32.14 - juris Rn. 3 und vom 28. Oktober 2021 - 1 WRB 2.21 - BVerwGE 174, 94 Rn. 31). Weil die Duldungspflicht für Schutzimpfungen auch in die Grundrechte der Soldaten auf körperliche Unversehrtheit und auf Berufsfreiheit eingreift, ist eine fortdauernde Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer verpflichtenden Impfanordnung und eine ständige Überwachung der Impfsicherheit auch unter dem grundrechtlichen Aspekt der Schutzpflicht des Staates für die Gesundheit des Einzelnen sowie unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn rechtlich geboten.

78 Dabei kann die Frage, welche Gefahren von einem Krankheitserreger ausgehen und welche vor- und nachteiligen Auswirkungen von einer Schutzimpfung zu erwarten sind, nur vor dem Hintergrund des jeweils aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis und mit Blick auf die im jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden und zum Einsatz bestimmten Impfstoffe beurteilt werden. Im Laufe der Zeit kann sich eine anfänglich positive Nutzen-Risiko-Bewertung für einen Impfstoff ändern, weil bisher unbekannte Nebenwirkungen auftreten oder die Wirksamkeit des Impfstoffs aufgrund einer Mutation des Erregers nachlässt. Ferner kann die Entwicklung eines effektiveren oder nebenwirkungsärmeren Impfstoffs Anlass zu einem Wechsel des Präparats geben. Das Soldatengesetz betraut in § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die militärischen Vorgesetzten mit der Anordnung und Organisation der duldungspflichtigen Infektionsschutzmaßnahmen, sodass ihnen hinsichtlich der Frage, ob bei einem bestimmten Erreger eine Schutzimpfung geboten ist, ein Entschließungsermessen und bei der Auswahl der Impfstoffe ein Auswahlermessen zukommt.

79 Ferner obliegt es der militärischen Führung, die von einem Krankheitserreger ausgehenden Gefahren für die Gesundheit der Soldaten, die voraussichtliche Wirksamkeit eines Impfstoffs und die Gefahr von Nebenwirkungen im Rahmen einer Gesamtprognose einzuschätzen. Da die Bundeswehr über eigene Bundeswehrkrankenhäuser, wissenschaftliche Institute und eine Sanitätsakademie verfügt, besitzt die militärische Führung auch eine ausreichende fachliche Expertise bei der durchaus komplexen medizinischen Einschätzung der von einzelnen Krankheitserregern ausgehenden Gefahren, der Effektivität von Impfstoffen und der Risiken von Impfnebenwirkungen. Weil diese Prognoseentscheidungen nach § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienstherrn obliegen, steht ihm hinsichtlich der Gefahrenlage, der Effektivität der Impfstoffe und der von ihnen ausgehenden Risiken ein Prognosespielraum zu. Das Wehrdienstgericht kann bei der gerichtlichen Kontrolle einer Impfanordnung nicht seine Einschätzung von der Gefährlichkeit eines Erregers, von der Effektivität eines Impfstoffs oder von dessen Risiken zugrunde legen. Vielmehr ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gefassten oder beibehaltenen Impfanweisungen des Dienstherrn auf Prognose- und Ermessensfehler zu überprüfen.

80 b) Das Bundesministerium der Verteidigung hat bei der Einführung der Duldungspflicht für die Covid-19-Schutzimpfung die gesetzlichen Grenzen seines von § 10 Abs. 4 SG eröffneten Ermessens nicht überschritten und insbesondere den von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vorgegebenen Handlungsrahmen beachtet. Denn die Anordnung dieser Impfung dient der Verhütung einer übertragbaren Krankheit.

81 aa) Von einer übertragbaren Krankheit ist — wie ausgeführt — im Soldatenrecht in Anlehnung an das Infektionsschutzrecht (§ 2 Nr. 3 IfSG) und das Verfassungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) die Rede, wenn eine Erkrankung, das heißt ein behandlungsbedürftiger pathologischer Zustand, von unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragbaren Krankheitserregern oder deren toxischen Produkten verursacht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 124). Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG, der vorwiegend über die Atemluft (Aerosole) von Mensch zu Mensch übertragen wird und bei einem erheblichen Anteil der Betroffenen die Krankheit Covid-19 (coronavirus disease 2019) verursacht. Die an ihr Erkrankten müssen in einer nicht geringen Anzahl von Fällen stationär und auch intensivmedizinisch behandelt werden; die Krankheit kann trotz Behandlung zum Tode führen. Eine Infektion kann zudem erhebliche langfristige Leiden ("Long-Covid") nach sich ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 126). Nach Erkenntnissen des Bundesamts für Statistik hat Covid-19 in den Jahren 2020 und 2021 zu einer erheblichen Übersterblichkeit, das heißt zu einer Zunahme der Sterberate um 3 % beziehungsweise 4 % über das demografisch zu erwartende Maß, geführt (vgl. www.destatis.de, Pressemitteilung Nr. 014 vom 11. Januar 2022).

82 bb) Die Covid-19-Schutzimpfung stellt auch eine Maßnahme zur Verhütung dieser Krankheit dar. Die Unterscheidung zwischen Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG orientiert sich an der Systematik des Infektionsschutzgesetzes, das in seinem vierten Abschnitt die Maßnahmen der Verhütung (§§ 16 ff. IfSG) und im fünften Abschnitt die Maßnahmen der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (§§ 24 ff. IfSG) regelt. Ebenso wie im früheren Bundesseuchengesetz dienen Verhütungsmaßnahmen der Vorbeugung und der Verhinderung des Auftretens einer übertragbaren Krankheit, während Bekämpfungsmaßnahmen die Verbreitung einer bereits aufgetretenen Infektionskrankheit eindämmen oder unterbinden sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1971 - 1 C 60.67 - BVerwGE 39, 190 <192 f.>; LG Hannover, Urteil vom 9. Juli 2020 - 8 O 2/20 - NJW-RR 2020, 1226 Rn. 28; Mers, in: Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 2). Schutzimpfungen sind in § 20 IfSG und damit im Abschnitt über die Verhütung übertragbarer Krankheiten untergebracht. Ihre Einordnung als Verhütungsmaßnahme bleibt — wie § 20 Abs. 2a IfSG zeigt — auch dann bestehen, wenn die mit einer Schutzimpfung verbundene individuelle Prophylaxe gegen das Coronavirus zugleich der Eindämmung der Covid-19-Pandemie dient.

83 Soweit die Impfstoffe gegen das Coronavirus schon nach den Herstellerangaben keinen 100%igen Schutz vor Infektionen gewähren, ändert dies am Charakter der Schutzimpfung als Verhütungsmaßnahme nichts. Denn es ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwingend, eine Maßnahme nur dann als Verhütungsmaßnahme anzusehen, wenn sie einen vollständigen Schutz gewährt. Vielmehr fallen darunter auch weniger effektive vorbeugende Maßnahmen. Auch die von § 20 Abs. 2a IfSG für eine Covid-19-Schutzimpfung vorgegebenen Impfziele lassen eine Empfehlung nicht nur bei vollständiger Unterbindung der Transmission, sondern auch bei der Reduktion schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe zu.

84 cc) Die Covid-19-Schutzimpfung soll schließlich nach der klaren Regelung in Nr. 208 ZDv A-840/8 durch den Arzt verabreicht werden. Dies entspricht § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, der nur ärztliche Infektionsschutzmaßnahmen zulässt. Entscheidend ist dabei die vom medizinischen Sachverstand des Arztes getragene Kontrolle des Impfvorgangs, die den Soldaten vor Fehlern in der Impfstoffauswahl und -dosierung bewahren soll. Diese Kontrolle kann auch gewährleistet sein, wenn der Arzt die Impfdosis nicht selbst verabreicht, sondern dies anordnet (vgl. BT-Drs. 19/9491 S. 104). Soweit der Antragsteller meint, aufgrund der von ihm angenommenen Gefährlichkeit und Schädlichkeit der Impfstoffe könne die Verabreichung der Covid-19-Impfung nie eine ärztliche Maßnahme sein, verkennt er den Regelungsgehalt der Vorschrift, die nur die Durchführung der Maßnahme regelt und nicht deren Gegenstand.

85 dd) Die Covid-19-Impfung "dient" schließlich auch der Verhütung einer Erkrankung. Dies folgt daraus, dass § 20 Abs. 2a IfSG die Impfung als mögliche Prophylaxemaßnahme nennt. Die auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency - EMA) zugelassenen Impfstoffe sind auf ihre Wirksamkeit gegen das Virus SARS-CoV-2 bereits bei der Zulassung geprüft worden und sind daher dazu bestimmt, einen Beitrag zur Vorbeugung gegen die Erkrankung an Covid-19 zu erbringen. Dass diese Schutzimpfung auch objektiv betrachtet einen Beitrag zur Covid-19-Prophylaxe erbringen kann, steht - wie unten näher ausgeführt wird - auch zur Überzeugung des Gerichts fest.

86 c) Die Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in den Katalog der verpflichtend durchzuführenden Basisimpfungen ist eine Ermessensentscheidung, die dem Zweck der Ermächtigung entspricht (§ 40 VwVfG). Sie dient dem Normzweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, die gesundheitliche Einsatzbereitschaft der Soldaten zu erhalten. Die Basisimpfungen sind nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 für alle militärischen Kräfte vorgeschrieben, die im Inland im Rahmen der Hilfs- und Katastrophenschutzaufgaben der Bundeswehr (Art. 35 GG) zum Einsatz kommen. Durch die Orientierung an den "Hilfs- und Katastrophenkräfte(n) Inland" bringt die Allgemeine Regelung zum Ausdruck, dass der Dienstherr die Basisimpfungen für alle Soldaten und Soldatinnen für erforderlich hält, deren Einsatzort das Inland ist und die gegenwärtig auch für Amtshilfe und Katastrophenschutzeinsätze bereitstehen. Dass die Hauptaufgabe der Streitkräfte gemäß Art. 87a Abs. 2 GG die Landesverteidigung ist und dass die Bundeswehr nach Art. 87a Abs. 4 i. V. m. Art. 91 Abs. 2 GG unter engen Voraussetzungen auch zur Verstärkung der Polizeikräfte eingesetzt werden kann, bleibt dabei nicht unberücksichtigt. Vielmehr wird lediglich ausgedrückt, dass die Basisimpfungen dem Zweck dienen, die Einsatzbereitschaft für alle — auch zivile — Verwendungen der Bundeswehr im Inland sicherzustellen.

87 d) Der Dienstherr konnte bei der Einfügung der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen im November 2021 auch davon ausgehen, dass sie dem Zweck der Gesunderhaltung der Soldatinnen und Soldaten und der Erhaltung der Einsatzbereitschaft der Inlandskräfte dienen würde. Für die Annahme eines solchen Nutzens einer Impfung ist es nicht erforderlich, dass aufgrund eines übertragbaren Krankheitserregers bereits konkret eine Epidemie im Einsatzgebiet der Streitkräfte droht oder dass die Einsatzbereitschaft bestimmter Verbände der Bundeswehr akut gefährdet ist. Vielmehr genügt eine allgemeine Gefahrenlage im Einsatzgebiet, um vor dem Hintergrund der Gesunderhaltungspflicht jedes einzelnen Soldaten eine vorbeugende Schutzimpfung als angezeigt erscheinen zu lassen. Findet etwa ein Auslandseinsatz in einem afrikanischen Land statt, in dem immer wieder Malaria-Erkrankungen auftreten, dann genügt dieses allgemeine Gefahrenwissen, um eine Impfung als vorbeugende Infektionsschutzmaßnahme für erforderlich zu halten, ohne dass es auf den Nachweis eines aktuellen Malaria-Ausbruchs am konkreten Einsatzort ankäme.

88 aa) Im November 2021 lag nicht nur eine solche allgemeine, sondern eine konkrete Gefahr im Inland vor. Sie hatte bereits über einen längeren Zeitraum bestanden. Nachdem das SARS-CoV-2-Virus im Januar 2020 erstmals in Deutschland nachgewiesen wurde, verbreitete es sich rasch. Bereits am 25. März 2020 stellte der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest (BT-Prot. 19/154 S. 19191). Parallel zu dieser mehrfach verlängerten Feststellung wurden durch Bund und Länder zahlreiche Infektionsschutzmaßnahmen erlassen, insbesondere Abstandsgebote, Maskenpflichten, Ausgangsbeschränkungen, Gastronomieschließungen, Beherbergungsverbote, Schulschließungen und Reiseverbote. Auch nach Zulassung von mehreren Impfstoffen gegen Covid-19 im Winter 2020/2021 führte die auf Freiwilligkeit basierende Durchführung von Schutzimpfungen zu keiner endgültigen Eindämmung der Pandemie.

89 Vielmehr kam es im Herbst 2021 zu einer vierten Infektionswelle, in der die Delta-Variante des Virus vorherrschte. Sie sorgte für einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen. Im November/Dezember 2021 war die Lage nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts sehr besorgniserregend und ließ eine weitere Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle erwarten, was das Institut in seinen im Internet veröffentlichten Wöchentlichen Lageberichten zur Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19) vom 2., 9. und 16. Dezember 2021 für die Kalenderwochen 47 (22. bis 28. November), 48 (29. November bis 5. Dezember) und 49 (6. bis 12. Dezember) zusammengefasst und statistisch unterlegt hat. Danach waren die Infektionszahlen wieder deutlich angestiegen und betrugen in allen drei Kalenderwochen über 400 Infektionen pro 100 000 Einwohner. Diese sich verschärfende Lage machte sich auch bei der wachsenden Anzahl schwerer Erkrankungs- und Todesfälle bemerkbar (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 158 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund war auch die Einschätzung des Dienstherrn gerechtfertigt, dass die pandemische Bedrohung im November 2021 fortbestand und dass im Hinblick auf die Gesunderhaltung der Soldaten und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr Handlungsbedarf bestand. Ob eine Überlastung des Gesundheitswesens und der Krankenhäuser unmittelbar bevorstand, ist hierfür nicht maßgeblich. Daher kommt es auf die vom Parteisachverständigen Tom Lausen hierzu vorgelegten Daten nicht an.

90 bb) Der Dienstherr durfte dabei auf die Belastbarkeit des vom Robert-Koch-Institut und der Ständigen Impfkommission erhobenen und bewerteten Datenmaterials vertrauen. Beide verfügen hierfür über die notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen, sind in ihren Beurteilungen unabhängig und international vernetzt. Bei dem Robert-Koch-Institut (RKI) handelt es sich um das Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten. Zu seinen wichtigsten Arbeitsbereichen gehören die Bekämpfung von Infektionskrankheiten und die Analyse langfristiger gesundheitlicher Trends in der Bevölkerung. Die dort tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen die vielschichtigen Einflüsse auf Gesundheit und Krankheit, erarbeiten und überprüfen evidenzbasierte Empfehlungen und entwickeln neue Methoden für den Gesundheitsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138, 160).

91 Bei der Ständigen Impfkommission (STIKO) handelt es sich um ein politisch und weltanschaulich neutrales, 1972 gegründetes Expertengremium, das beim Robert-Koch-Institut im Fachgebiet Impfprävention angesiedelt ist und einen optimalen Einsatz verfügbaren Impfstoffs gewährleisten soll. Seine Empfehlungen gelten als medizinischer Standard (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - XII ZB 157/16 - NJW 2017, 2826 Rn. 25). Die dort ehrenamtlich Tätigen sind Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft und Forschung, aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der niedergelassenen Ärzteschaft. Bei ihrer Tätigkeit sind sie nur ihrem Gewissen verantwortlich und zur unparteiischen Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung der STIKO). Bei ihrer Aufgabenerfüllung benutzt die Ständige Impfkommission Kriterien der evidenzbasierten Medizin, bezieht insbesondere die Bewertungen des Paul-Ehrlich-Instituts zur Sicherheit von Impfstoffen mit ein und führt eine unabhängige epidemiologische Nutzen-Risiko-Abwägung durch. Dabei hat die Ständige Impfkommission nicht nur den Nutzwert einer Impfung für die Einzelnen, sondern auch für die Gesamtbevölkerung im Blick (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 139).

92 Bei den Sitzungen der Ständigen Impfkommission nimmt zur Berücksichtigung des Aspekts der Impfstoffsicherheit stets ein Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts beratend teil. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist die in Deutschland federführend zuständige Behörde im Zusammenhang mit der Entwicklung, Zulassung, Bewertung und Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen. Ihm obliegt insbesondere die Erfassung und Auswertung von impfinduzierten Risiken und die Koordination gegebenenfalls zu ergreifender Maßnahmen. Daneben ist das Paul-Ehrlich-Institut eine Forschungseinrichtung, um die Expertise zur Impfstoffbeurteilung einschließlich der Beurteilung von individuell auftretenden unerwünschten Impfreaktionen zu bündeln. Geforscht wird unter anderem auf den Gebieten der Immunologie, der Virologie und der Bakteriologie. Aufgrund dieser herausgehobenen Stellung ist das Paul-Ehrlich-Institut weltweit vernetzt und berät nationale, europäische und internationale Gremien im Zusammenhang mit Impfstoffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138).

93 Das Bundesministerium der Verteidigung konnte bei seiner Einschätzung der Gefahrenlage auf die Expertise des Robert-Koch-Instituts und bei der Beurteilung des Nutzens einer Covid-19-Impfung auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zurückgreifen. Deren Einschätzungen wurden vom Sanitätsdienst der Bundeswehr, der über eine eigene fachliche Expertise verfügt, nach Aktenlage aufmerksam verfolgt und inhaltlich geteilt. Danach bestand im Herbst 2021 auch für die bei der Bundeswehr am stärksten vertretene Altersgruppe der 18- bis 59-jährigen Personen im "Einsatzgebiet Inland" eine erhebliche Gefahr der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und das Risiko, in dessen Folge schwer zu erkranken.

94 cc) Die Gefahrenlage durch das SARS-CoV-2-Virus hat sich zwar insgesamt in den vergangenen Monaten erheblich entspannt. Die aktuelle Situation Anfang Juli 2022 ist dadurch geprägt, dass mit der Omikron-Variante des Coronavirus eine besonders leicht übertragbare Virusvariante vorherrscht; weil die vorhandenen Impfstoffe eine Infektion mit dieser Variante nur eingeschränkt hindern, gibt es einerseits mehr Neuinfektionen als früher. Andererseits werden gegenwärtig unter der Omikron-Variante seltener als früher schwere Verläufe festgestellt, weswegen trotz der gestiegenen Zahl der Infektionen bislang keine Überlastung der Krankenhäuser aufgetreten ist. Dies hat seine Ursache zum einen darin, dass die Omikron-Variante einen im Durchschnitt milderen Verlauf nimmt. Zum anderen trifft sie auf einen hohen Prozentsatz von Personen, die bereits geimpft sind oder aufgrund einer vorangegangenen Infektion Antikörper gebildet haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Omikron-Variante für ungeimpfte Personen und vulnerable Gruppen völlig ungefährlich geworden wäre. Vielmehr hat sich an der grundsätzlichen Gefährlichkeit der Covid-19-Erkrankung nach aktuellem Wissensstand nichts geändert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 164).

95 dd) Soweit der Antragsteller im vorliegenden Verfahren ausgeführt hat, dass die Erkrankung an Covid-19 nicht gefährlicher sei als ein Schnupfen und dass insbesondere für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund ihres Alters und ihrer Fitness kein nennenswertes Risiko einer schweren Erkrankung bestehe, trifft dies nicht zu. Zum einen sind schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle im gesamten Verlauf der Pandemie auch bei jungen Erwachsenen und berufstätigen Personen unter 60 Jahren aufgetreten. Betroffen waren nicht nur ältere Personen und Menschen mit speziellen Vorerkrankungen. Diese Einschätzung wurde in der Hauptverhandlung durch den Sachverständigen Privatdozent Dr. med. Ole Wichmann, Leiter Fachgebiet Impfprävention beim Robert-Koch-Institut, bestätigt. Unter der Omikron-Variante seien in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen zwar weniger schwere Verläufe als unter der Delta-Variante zu beobachten. Hospitalisierung sei überwiegend in der Altersgruppe über 60 Jahre zu beobachten. Das Risiko eines schweren oder eines tödlichen Verlaufs bestehe jedoch in geringem Maße weiterhin. In der 13. bis 16. Meldewoche 2022 seien beispielsweise acht Personen in diesem Altersband im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben.

96 Zum anderen sind in der Bundeswehr auch ältere Soldatinnen und Soldaten beschäftigt sowie Personen mit Vorerkrankungen, bei denen eine erhöhte Gefahr eines gefährlichen Verlaufs der Covid-19-Erkrankung besteht. Dies hat seinen Grund darin, dass die Altersgrenze für die meisten Stabsoffiziere über dem 60. Lebensjahr liegt und dass etliche Soldaten im Laufe ihres Berufslebens trotz Dienstsport und Gesunderhaltungsbemühungen erkranken und danach ein risikoerhöhendes Grundleiden (z. B. Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, Herzkreislauferkrankungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, chronische Leber- oder Nierenerkrankungen) besitzen. Ferner gibt es auch in der Bundeswehr Soldaten mit erhöhten Risiken aufgrund Rauchens oder Übergewichts (Adipositas).

97 Nicht zuletzt besteht für die Soldaten aller Altersgruppen die Gefahr, nach einem milden oder symptomlosen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion an Long-Covid beziehungsweise Post-Covid zu erkranken. Dabei umfasst die übliche Klassifikation unter dem Begriff Long-Covid alle im Anschluss an eine akute Covid-19-Erkrankung vier Wochen nach Symptombeginn noch bestehenden Symptome. Als Post-Covid-Syndrom werden Beschwerden bezeichnet, die noch mehr als zwölf Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Zu den Symptomen des Post-Covid-Syndroms gehören unter anderem Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Muskelschwäche oder eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand: 26. November 2021). Bisherige Studien legen nahe, dass die Zahl der von einem "Post-Covid-Syndrom" betroffenen Personen in der für den Soldatenberuf typischen Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen gemessen an ihrer Hospitalisierungsrate deutlich erhöht ist und nicht nur Risikogruppen betrifft. Der Leiter der Long-Covid-Station des Bundeswehrkrankenhauses Ulm Prof. Dr. Dr. Steinestel hat in der mündlichen Verhandlung über Fälle betroffener Soldatinnen und Soldaten berichtet und im Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Mai 2022 vorgetragen, dass hiervon überwiegend ungeimpfte Patienten betroffen seien.

98 Insgesamt konnte und kann der Dienstherr somit von einer nicht nur abstrakten, sondern konkreten gesundheitlichen Gefahrenlage durch das SARS-CoV-2-Virus für die Soldaten der Bundeswehr ausgehen.

99 5. Der Dienstherr konnte und kann die Covid-19-Schutzimpfung auch als verhältnismäßige Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und zum Schutz der Grundrechte anderer ansehen.

100 a) Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen war und ist geeignet, den Gesetzeszweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu erreichen. Die diesbezüglichen Annahmen und Prognosen des Dienstherrn beruhen auf hinreichend tragfähigen Grundlagen.

101 aa) Der Dienstherr konnte im November 2021 zum Zeitpunkt der Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" davon ausgehen, dass eine Impfung zum Schutz der Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten beiträgt und damit auch die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte sichert. Die damals zugelassenen Impfstoffe boten nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts bei Infektionen mit der Delta-Variante des Virus eine sehr hohe Wirksamkeit von etwa 90 % gegen eine schwere Infektion (z. B. Behandlung im Krankenhaus) und eine gute Wirksamkeit von etwa 75 % gegen eine symptomatische Covid-19-Infektion (vgl. www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID/Impfen/gesamt.html und RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 27. Januar 2022, S. 28 f. mit Aufschlüsselung nach Altersgruppen). Im November 2021 ging eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon aus, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren und auch das Virus seltener übertragen können als nicht geimpfte oder nicht genesene Personen. Angenommen wurde auch, dass dann, wenn sich Geimpfte infizieren, sie weniger und nur für einen kürzeren Zeitraum als nicht Geimpfte infektiös sind und eine Covid-19-Schutzimpfung zum Schutz anderer beiträgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 173 m. w. N.).

102 Im Rahmen der Eignungsprognose musste der Dienstherr auch nicht von der Aufnahme der Covid-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen Abstand nehmen, weil die Wirksamkeit der Impfung gegen die im November 2021 noch neuartige Omikron-Variante unsicher war. Er durfte berücksichtigen, dass damals die Delta-Variante des Virus mehr als 99 % sämtlicher Neuinfektionen ausmachte und das weitere Infektionsgeschehen zumindest noch für einen gewissen Zeitraum prägen würde. Außerdem konnte er auf Grundlage der damals verfügbaren wissenschaftlichen Daten von einer jedenfalls nach einer Auffrischimpfung guten Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe auch gegen die Omikron-Variante des Virus ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 174 m. w. N.).

103 bb) Der Dienstherr kann auch davon ausgehen, dass die Eignung der mRNA-Impfstoffe über den Winter 2021/2022 hinaus bis heute erhalten geblieben ist. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die verfügbaren Impfstoffe auch unter der Dominanz der Omikron-Variante für vollständig geimpfte Personen aller Altersgruppen - insbesondere nach einer Auffrischimpfung - weiterhin einen sehr guten Schutz gegenüber einer schweren Covid-19-Erkrankung vermitteln (RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 30. Juni 2022, S. 4). Die Ständige Impfkommission empfiehlt ebenfalls seit dem Herbst 2021 eine Auffrischimpfung (Booster-Impfung) mit einem mRNA-Impfstoff für alle Erwachsenen, wobei für unter 30-Jährige nur Comirnaty und für ab 30-Jährige auch Spikevax befürwortet wird (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 48/2021 vom 2. Dezember 2021, S. 3 ff.).

104 Für die Wirksamkeit einer solchen Dreifach-Impfung gegenüber der Omikron-Variante spricht die vom Bundesministerium der Verteidigung zitierte Studie aus Israel. Der Sachverständige Dr. Wichmann hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 bestätigt, dass der Schutz vor schweren Infektionen nach einer Booster-Impfung stabil hoch bleibt. Ein solcher Schutz liege bei zehn und mehr Wochen noch bei 88 %. In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen liege der Schutz vor einer Hospitalisierung nach 100 Tagen bei 76 %. Eine genauere Abschätzung zu den Langzeitwirkungen der Impfung unter der Omikron-Variante sei derzeit noch nicht möglich. Auch aus dem Covid-19-Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 28. April 2022 geht hervor, dass die verfügbaren Impfstoffe weiterhin eine erhebliche Wirksamkeit in Bezug auf den Krankheitsverlauf haben. Danach lag die Impfeffektivität gegenüber einer Hospitalisierung bei 18- bis 59-Jährigen nach längeren Zeitintervallen im Falle der Booster-Impfung bei 61 % (RKI, Wöchentlicher Lagebericht vom 28. April 2022, S. 28 f.).

105 Der Sachverständige hat auch die Ausführungen von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel im Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Mai 2022 bestätigt, dass die Covid-19-Impfung nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auch einen gewissen Schutz vor dem Post-Covid-Syndrom bietet. Erste Forschungsergebnisse der Long-Covid-Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses Ulm lassen ebenso wie wissenschaftliche Arbeiten aus anderen Ländern den Schluss zu, dass die Covid-19-Schutzimpfung die Prävalenz, Dauer und Schwere von Long-Covid signifikant reduziert. Da die allgemeine Erforschung dieser neuartigen Erkrankung aber noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, ist dies eine vertretbare, aber wissenschaftlich noch nicht vollständig gesicherte Prognose.

106 Auch die Annahme des Bundesministeriums der Verteidigung, dass die Covid-19-Impfung gegenüber einer Infektion mit der Omikron-Variante noch einen relevanten Schutz vermittelt, ist epidemiologisch gut vertretbar. Das Robert-Koch-Institut hat im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeführt, nach seinen Schätzungen liege der Schutz vor einer Covid-19-Infektion zehn Wochen nach der Booster-Impfung noch bei 50 bis 60 %. Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ist von einem Wert von 40 bis 70 % ausgegangen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 und juris Rn. 51). Auch wenn der Schutz vor einer Infektion nach einiger Zeit nachlässt, kann und muss davon ausgegangen werden, dass die durch das Impfserum ausgelöste Antikörper-Bildung noch einen relevanten Beitrag zur Infektionsverhinderung leistet (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 f.).

107 Dass damit auch eine Reduktion des Transmissionsrisikos unter dreifach-geimpften Personen verbunden ist, ist gleichfalls — auch bei Berücksichtigung wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten — eine vertretbare Prognose. Die hierzu vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegte Darstellung in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2022 mit einer behaupteten Reduktion des Übertragungsrisikos von 77 % im Vergleich zu Ungeimpften ist von dem Sachverständigen Dr. Wichmann zwar in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 nicht bestätigt worden. Er hat jedoch unter Verweis auf Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark ausgeführt, dass nach drei bis vier Monaten ein Transmissionsschutz bestehe, der sich bei 20 bis 40 % bewege. Die Ständige Impfkommission begründet ihre Impfempfehlung ebenfalls mit der damit verbundenen Reduzierung der Transmission (RKI, Epidemiologisches Bulletin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 4 f.). Diesem Aspekt hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht Bedeutung beigemessen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 185).

108 b) Der Dienstherr konnte die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen auch als erforderliche Maßnahme ansehen. Ihm standen und stehen keine gleich wirksamen und weniger belastenden Mittel zur Verfügung.

109 aa) Insbesondere sind reine Verhaltensregeln, wie etwa das Abstandhalten, das Tragen einer (medizinischen) Schutzmaske, die Einhaltung von Hygieneregeln, regelmäßiges Lüften oder das Einsetzen eines Luftfilters, nicht gleich wirksam (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 197). Die konsequente Einhaltung dieser Regeln ist zum einen nur schwer zu gewährleisten. Zum anderen kann dadurch nur das Infektions- und Transmissionsrisiko reduziert werden. Im Fall einer Erkrankung ändern diese Maßnahmen aber an der Schwere des Verlaufs nichts. Das Bundesministerium der Verteidigung hat daher zutreffend ausgeführt, dass es sich bei diesen vorbeugenden Maßnahmen nur um komplementäre, nicht aber um alternative Schutzmaßnahmen handelt.

110 Auch die Verpflichtung, sich vor Dienstantritt zu testen, stellt kein gleich effektives Mittel dar, um den Zweck von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu erreichen. Für die Bundeswehr als Arbeitgeber ist zwar die ausreichende Beschaffung von Antigen-Schnelltests möglich und wirtschaftlich zumutbar. Selbst durchgeführte Antigentests bergen allerdings das Risiko einer bewussten oder unbewusst fehlerhaften Anwendung und sind insbesondere bei geringer Viruslast im Frühstadium einer Infektion fehleranfällig (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerfGE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 193 m. w. N.). PCR-Tests bieten zwar einen zuverlässigeren Nachweis, stehen aber wegen mangelnder Testkapazitäten nicht für das gesamte Bundeswehrpersonal täglich zur Verfügung. Im Übrigen stellen sie angesichts des hohen zeitlichen, organisatorischen und kostenmäßigen Aufwands keine realistische Alternative dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 194 ff.). Jedenfalls kann auch diese Form der Covid-19-Testung vor Dienstantritt nur die Verbreitung der Infektion im Dienst verhindern; eine Reduzierung des Infektionsrisikos und eine Vorbeugung gegen schwere Krankheitsverläufe bewirken diese Tests nicht, sodass auch sie nur als ein zusätzliches Instrument der Infektionsverhütung anzusehen sind.

111 bb) Als gleichwertige Alternative zur Impfung kommt die medikamentöse Covid-19-Therapie nach dem derzeitigen Stand der Forschung ebenfalls nicht in Betracht. Entsprechende Therapien versprechen nach wie vor weder eine sichere Heilung nach einer Covid-19-Infektion noch eine mit der gebotenen Eindeutigkeit festzustellende sichere Vermeidung von schweren bis hin zu tödlichen Krankheitsverläufen. Gleichzeitig können die derzeitigen Therapien nicht das Transmissionsrisiko senken (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021 Nr. 14; BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 198). Das gilt auch für das mittlerweile zugelassene Medikament Paxlovid und erst recht für nichtzugelassene Mittel wie zum Beispiel Chlordioxidlösung oder die anderen vom Antragsteller vorgeschlagenen alternativen Therapieansätze.

112 Das seitens des Antragstellers ins Spiel gebrachte Einnehmen von Vitamin D ist kein gleich geeignetes Mittel. Zwar ist eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021 Nr. 20). Der präventive Effekt dieses Hausmittels gegen Covid-19 ist jedoch nicht nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. Wichmann hat in der mündlichen Verhandlung dazu ausgeführt, dass die Ständige Impfkommission alternative Präventionsmaßnahmen durchaus prüfe; Erfolg versprechende alternativ-medizinische Medikamente präventiver Art lägen derzeit allerdings nicht vor.

113 cc) Schließlich kann auch die Beschränkung der Covid-19-Impfung auf bestimmte Gruppen von Soldaten oder auf bestimmte Szenarien nicht als milderes und gleich wirksames Mittel angesehen werden. Eine Beschränkung auf ältere und vulnerable Soldaten wäre nicht gleich effektiv. Zum einen haben auch jüngere und gesunde Soldatinnen und Soldaten ohne Impfung ein höheres Risiko einer schweren Erkrankung. Zum anderen würde bei einer Impfung nur weniger Soldaten eine erhöhte Infektions- und Transmissionsgefahr bestehen, die eine Erhöhung der Ausfallzeiten im Bereich der gesamten Bundeswehr nach sich ziehen würde. Mit einer Beschränkung der Impfung auf bestimmte Bereiche oder Einsätze - wie den Sanitätsdienst oder bei Auslandseinsätzen - wäre derselbe Nachteil verbunden.

114 Keine gleich effektive Option wäre es auch, die Impfung von einer vorherigen Bestimmung der im Blut der Soldatinnen und Soldaten vorhandenen Antikörper abhängig zu machen. Denn es gibt keine wissenschaftlich klar definierte Menge an Antikörpern, ab der ein ausreichender Schutz auch ohne Impfung vorhanden ist (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021, Nr. 18). Außerdem würde eine laufende Überprüfung der Antikörper-Titer bei ca. 180 000 Soldatinnen und Soldaten einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen.

115 c) Schließlich konnte und kann das Bundesministerium der Verteidigung die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der Basisimpfungen auch als angemessene Maßnahme ansehen. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - BVerfGE 155, 119 <178>).

116 aa) Die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen aktualisiert und erweitert die gesetzlich vorgesehenen Eingriffe in die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten. Der damit verbundene zusätzliche Eingriff in die Berufsfreiheit ist allerdings durch die gesetzliche Ausgestaltung der Gesunderhaltung als eine das Berufsbild der Soldaten prägende Dienstpflicht weitgehend vorgezeichnet. Die mit einer weiteren Impfung für die Ausübung des Soldatenberufs verbundene Belastung wiegt für sich genommen nicht besonders schwer. Bei der Beurteilung der Schwere des Eingriffs ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Verweigerung der Covid-19-Impfung schwerwiegende berufliche Konsequenzen hat. Kommt es zu infektionsbedingten Beeinträchtigungen der Dienst- und Erwerbsfähigkeit erwachsen nach § 17a Abs. 4 Satz 1 SG aus der fehlenden Teilnahme an der Schutzimpfung erhebliche versorgungsrechtliche Nachteile. Die Eingriffstiefe erhöht sich weiter dadurch, dass eine Verweigerung der Impfung eine Dienstpflichtverletzung darstellt, die - wie ausgeführt — dienstrechtliche Konsequenzen in Form eines Disziplinarverfahrens nach sich zieht und im Extremfall auch zur Entfernung aus dem Dienst führen kann.

117 bb) Der Eingriff in das körperliche Selbstbestimmungsrecht führt dazu, dass der einzelne Soldat die Freiheit verliert, selbst eine Abwägung zwischen den mit einer Covid-19-Infektion verbundenen Gefahren einerseits und den Chancen und Risiken einer Schutzimpfung andererseits zu treffen. Dieser Eingriff in die Entscheidungsautonomie ist zwar ebenfalls gesetzlich vorgezeichnet, weil § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG gerade eine Verlagerung der Entscheidung über Nutzen und Risiken von Infektionsschutzmaßnahmen auf die militärischen Vorgesetzten vornimmt, um durch ein einheitliches Vorgehen eine infektionsbedingte Schwächung der Einsatzfähigkeit der Soldaten und ihrer militärischen Verbände zu verhindern.

118 Bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs einer zusätzlichen Impfung ist allerdings vorrangig das von Art. 2 Abs. 2 GG geschützte körperliche Integritätsinteresse in den Blick zu nehmen. Der Dienstherr muss bei der Aufnahme einer neuen Impfung in die Liste der verpflichtenden Schutzimpfungen die drohenden gesundheitlichen Belastungen überprüfen. Je höher die mit einer Impfung verbundenen Gesundheitsrisiken sind und je geringer der Mehrwert einer Impfung für die militärische Einsatzbereitschaft ist, desto eher ist eine Schutzimpfung unangemessen.

119 Im vorliegenden Fall konnte der Dienstherr davon ausgehen, dass die mit einer mRNA-Impfung verbundenen typischen Impfreaktionen nicht schwerwiegend sind. Sie sind auf die Immunantwort des Körpers auf die Verabreichung des Impfstoffes zurückzuführen. Zwar klingen diese nach relativ kurzer Zeit vollständig ab. Dies lässt aber die mit der Immunantwort nicht selten einhergehenden Nebenwirkungen wie etwa Kopf- und Gliederschmerzen unberührt, die die Betroffenen auch über mehrere Tage in ihrem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigen können. Diese auch bei anderen Impfungen auftretenden, eher harmlosen Impfreaktionen erhöhen das Gewicht des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nicht maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 143).

120 Daneben können im Einzelfall aber auch schwerwiegende und/oder länger andauernde Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen eintreten. Zwar handelt es sich bei den gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen zunächst nur um Verdachtsfälle, die nur zu einem Teil auch nachweislich zwingend kausal auf die Impfung zurückzuführen sind. Auch waren die gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen sehr selten und in der Regel nicht von Dauer. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass eine Impfung im ganz extremen Ausnahmefall auch tödlich sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 207 f.).

121 Allerdings ist das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs statistisch betrachtet nicht hoch. Nach dem Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 4. Mai 2022 gab es bei den bis März 2022 durchgeführten ca. 172,1 Millionen Impfungen 296 233 Meldungen über mögliche Impfkomplikationen (Verdachtsfälle). Davon waren 0,02 % Berichte über schwere Impfkomplikationen, deren Kausalität allerdings nicht weiter erforscht ist. Die schwerwiegendsten Komplikationen betrafen allergische Schocks (anaphylaktische Reaktionen), Entzündungen des Herzmuskels und des Herzbeutels (Myokarditis/Perikarditis) und lebensbedrohliche Blutgerinnselbildungen (Thrombosen), insbesondere Hirnblutgerinnsel (Sinusvenenthrombosen). Es gab 2 810 Verdachtsmeldungen über tödliche Verläufe. Davon hat das Paul-Ehrlich-Institut in 116 Fällen, in denen Patienten in zeitlich plausiblem Abstand zur jeweiligen Impfung an bekannten Impfrisiken verstorben sind, den Zusammenhang mit der Impfung als möglich oder wahrscheinlich bewertet (vgl. PEI, Sicherheitsbericht vom 4. Mai 2022 - Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19, S. 8 f.).

122 Soweit der Antragsteller von einer wesentlich höheren Zahl an Impfgeschädigten und Impftoten ausgeht und die Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts in Zweifel zieht, kann dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, das unten näher dargestellt wird, nicht gefolgt werden. Auch wenn schwere Impfkomplikationen danach nur in zwei von 10 000 Fällen auftreten und die Gefahr eines tödlichen Verlaufs unter einem Millionstel liegt, erhöht dieser Umstand die Eingriffstiefe erheblich.

123 cc) In die Abwägung der Angemessenheit der Maßnahme ist aber auch der Nutzen der Impfung einzubeziehen. Der Dienstherr konnte im November 2021 bei Bewertung des militärischen Nutzens davon ausgehen, dass die Covid-19-Schutzimpfung für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewichtige Vorteile mit sich bringen würde. Bekanntlich absolvierte die Bundeswehr im Jahr 2021 verschiedene In- und Auslandseinsätze. Sie war im Rahmen der Katastrophenhilfe im Inland insbesondere bei der Beseitigung der Überschwemmungsschäden im Ahrtal involviert und erbrachte im Rahmen der Amtshilfe zahlreiche Unterstützungseinsätze in Gesundheitsämtern, Impfzentren und Pflegeeinrichtungen. Ferner führte sie Auslandseinsätze im Rahmen von NATO- und UNO-Missionen etwa in Mali durch oder leistete internationale Hilfe bei der Pandemiebekämpfung in Portugal. Vor dem Hintergrund einer drohenden Verschärfung der pandemischen Lage im Winter 2021/2022 konnte die größtmögliche Erhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr als besonders vordringlich angesehen werden, weil mit einer Fortführung einer erheblichen Anzahl von Inlandseinsätzen und diverser Auslandseinsätze zu rechnen war.

124 Der Nutzen der Covid-19-Impfung für die allgemeine Einsatzfähigkeit der Bundeswehr konnte auch als hoch eingestuft werden. Zwar versprach die Impfung - wie ausgeführt - unter der Dominanz der Deltavariante keinen vollständigen Schutz, sondern nur einen 90%igen Schutz gegen schwere Verläufe und einen 75%igen Schutz gegen symptomatische Erkrankungen. Unter dem Gesichtspunkt der allgemein-militärischen Einsatzfähigkeit ist aber auch schon eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Verhinderung eines schweren Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung als bedeutender Vorteil einzustufen. Eine Reduzierung schwerer Verläufe bewirkt nicht nur für die infizierten Soldatinnen und Soldaten einen geringeren Leidensdruck und eine kürzere Leidenszeit. Zugleich bedeutet dies für den Dienstherrn kürzere Ausfallzeiten mit insgesamt höherer Einsatzbereitschaft. Hinzu kommt, dass eine 75%ige Reduzierung symptomatischer Erkrankungen ein gewichtiges Weniger an Ausfallzeiten durch Erkrankung und Quarantäne verspricht. Gleichzeitig wird mit der Reduzierung symptomatischer Erkrankungen auch eine Verringerung der Transmission des Virus innerhalb der Truppe erreicht, was die Gefahr einer Infektion anderer Soldaten mindert, Angehörige vulnerabler Gruppen innerhalb der Streitkräfte schützt und der Einsatzbereitschaft der Verbände insgesamt zugutekommt.

125 Vor dem Hintergrund bestehender und fortzuführender Inlandseinsätze im Bereich der zivilen Gesundheitsämter, Impfzentren und Pflegeeinrichtungen konnte auch die mit der Schutzimpfung der Soldaten verbundene Verringerung der Transmissionsgefahr als wesentlicher Faktor zur Optimierung der Inlandseinsätze begriffen werden. Denn bei diesen Unterstützungseinsätzen im Gesundheitsbereich bestand einerseits ein erhöhtes Risiko des Zusammentreffens mit Infizierten und andererseits die Gefahr der Übertragung des SARS-CoV-2-Virus auf Angehörige vulnerabler Gruppen. Dabei hatte der bestmögliche Schutz vulnerabler Personen besondere Priorität. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht mit Recht hervorgehoben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 228 ff.). Diese Erwägungen gelten im Übrigen auch für die Sanitätsversorgungszentren und Krankenhäuser der Bundeswehr, in denen der Schutz vulnerabler Gruppen ebenfalls besonders im Vordergrund steht.

126 Schließlich konnte der Dienstherr auch davon ausgehen, dass die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Gruppe der Basisimpfungen positive Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im Ausland haben würde. Zum einen sind zahlreiche Auslandseinsätze der Bundeswehr bei NATO- und UNO-Missionen durch das äußerst beengte Zusammenleben von Soldaten in besonders gesicherten Camps geprägt, in denen zwangsläufig eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Die Erkrankung eines Soldaten an Covid-19 erfordert häufig eine rasche Rückholung des Betroffenen zur medizinischen Behandlung und eine Isolation von Kontaktpersonen. Dies schwächt die Einsatzkontingente erheblich, sodass einer bestmöglichen Prävention eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Zum anderen war ein Auslandseinsatz im Winter 2021/2022 schon aus rechtlichen Gründen in zahlreichen ausländischen Staaten nur mit einer Covid-19-Impfung möglich. Wie das Schweizer Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Nachweis einer vollständigen Covid-19-Impfung in zahlreichen ausländischen Staaten Ein- und Durchreisevoraussetzung, sodass Soldaten ohne Impfnachweis vielerorts nicht einreisen konnten und damit nicht auslandsverwendungsfähig waren (BVGer, Urteil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 15 ff.). Daher war die Durchführung einer Covid-19-Impfung schon vor deren Aufnahme in die Reihe der Basisimpfungen auch in der Bundeswehr regelmäßig Voraussetzung für die Teilnahme an einem Auslandseinsatz. Mit ihrer Aufnahme in die Basisimpfungen entfiel aber die Notwendigkeit, vor dem Einsatz das Wirksamwerden der Impfung abzuwarten, und es erweiterte sich das für Auslandseinsätze schnell verfügbare Personal.

127 Dieses besondere militärische Interesse an der Covid-19-Impfung besteht auch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung im Wesentlichen fort. Zwar hat das öffentliche Interesse dadurch an Gewicht eingebüßt, dass die vorhandenen mRNA-Impfstoffe bei der Verhütung der Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus weniger effektiv sind. Insbesondere hat der zeitliche Schutz gegen die Infektion und Transmission nachgelassen. Auch hat die Bundeswehr im März 2022 die Amtshilfeeinsätze im Inland im Bereich des Gesundheitswesens beendet. Jedoch hat sich die militärische Bedrohungslage seit dem Beginn des Ukraine-Krieges verändert und eine Verlegung von Verbänden der Bundeswehr zur Erfüllung einsatzgleicher Verpflichtungen im Bereich der NATO wahrscheinlicher werden lassen. Ein Wegfall der Impfnachweispflicht für die Einreise in ausländische Staaten ist bis dato überwiegend nicht erfolgt. Auch ist eine bestmögliche Prävention bei einsatzgleichen Verwendungen und Auslandseinsätzen weiterhin geboten.

128 dd) Bei Abwägung der privaten Interessen des Antragstellers, sich nicht dem Nebenwirkungsrisiko einer Covid-19-Impfung auszusetzen und seine persönliche Abwägungsentscheidung zwischen dem Impf- und dem Erkrankungsrisiko zu treffen, konnte und kann der Dienstherr von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses ausgehen. Dabei fällt es ins Gewicht, dass der Antragsteller den Beruf des Soldaten freiwillig ergriffen und dass schon zu Beginn seines Berufslebens die Verpflichtung zur Gesunderhaltung und zur Duldung von Infektionsschutzmaßnahmen bestanden hat. Die Durchführung von Schutzimpfungen entspricht der langjährig gelebten Praxis der Bundeswehr, der sich der Antragsteller bislang nicht verschlossen hat. Die Corona-Pandemie und die Entwicklung einer Covid-19-Impfung war für den Antragsteller zwar so wenig vorhersehbar wie für den Rest der Bevölkerung. Er konnte aber wissen, dass das dienstliche Impfkonzept nicht starr ist, sondern geänderten Gegebenheiten angepasst werden kann. Insofern musste er damit rechnen, bei Auftreten einer neuartigen Erkrankung eine weitere Impfung dulden zu müssen (vgl. BVGer, Urteil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 20).

129 Für die Angemessenheit der Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Allgemeine Regelung A1-840/8-4000 spricht ferner, dass den Soldatinnen und Soldaten nur ein Impfrisiko abverlangt wird, das die Mehrheit der Bevölkerung freiwillig zur Bekämpfung der Pandemie einzugehen bereit ist. Die Ständige Impfkommission als unabhängiges Expertengremium hat die Covid-19-Impfung unter Einschluss der Auffrischimpfung bereits im November 2021 für alle Erwachsenen empfohlen und hält daran weiterhin fest. Die Durchführung der Impfung entspricht damit dem in der Bundesrepublik Deutschland ganz allgemein anerkannten medizinischen Standard (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136). Außerdem hat der Gesetzgeber mit § 20a IfSG auch anderen Berufsgruppen - wenn auch aus anderen Gründen - eine Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Covid-19 auferlegt. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ohne rechtfertigenden Grund ein besonderes Risiko auferlegt und ein unzumutbares Sonderopfer abverlangt werden würde.

130 Hinzu kommt, dass die Duldungspflicht in Bezug auf die Covid-19-Schutzimpfung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG das Selbstbestimmungsrecht der Soldatinnen und Soldaten nicht völlig ausschaltet. Die Duldungspflicht ist - wie ausgeführt - keine Zwangsimpfung und wird nicht mit körperlicher Gewalt durchgesetzt, sodass ein Kernbereich des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erhalten bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 221). Den Soldatinnen und Soldaten wird auch kein bestimmter Impfstoff aufoktroyiert. Zwar sieht die Allgemeine Regelung A1-840/8-4000 nicht vor, dass der einzelne Soldat bei der Durchführung der Impfung durch den Truppenarzt ein Wahlrecht hinsichtlich des zur Anwendung kommenden Impfstoffes besitzt. Er hat jedoch nach der Erlasslage die Möglichkeit, sich selbst bei einem niedergelassenen Arzt oder in einem Impfzentrum um die Durchführung der Impfung zu kümmern und dabei den Impfstoff zu bestimmen. Nur wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, muss er die Impfung mit dem vom Truppenarzt aus den Bundeswehrbeständen ausgewählten Impfstoff, das heißt nunmehr regelmäßig mit einem mRNA-Impfstoff, dulden.

131 Die Allgemeine Regelung ermöglicht es damit insbesondere Gegnern der von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffe, sich mit einem nicht genetisch operierenden Impfstoff (Nuvaxovid) behandeln zu lassen. Der Nachweis einer entsprechenden Impfung wird - wie das Bundesministerium der Verteidigung im Verfahren bestätigt hat - grundsätzlich akzeptiert. Damit wird die Entscheidungsautonomie der Soldatinnen und Soldaten aus Art. 2 Abs. 2 GG bei der Wahl des Impfstoffes respektiert.

132 Zur Verhältnismäßigkeit des Erlasses trägt auch bei, dass die Truppenärzte verpflichtet sind, bei der Verwendung der Impfstoffe die jeweils aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zu beachten (Nr. 1082 AR A1-840/8-4000). Durch die fortlaufende Beachtung aktueller Impfempfehlungen und Impfwarnungen erfolgt eine weitere Risikominimierung. Das Bundesministerium der Verteidigung hat im Verfahren mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 darauf hingewiesen, dass diese Regelung auch in der Praxis ernst genommen wird. Im Hinblick auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission kommt derzeit bei den jüngeren Soldatinnen und Soldaten nur der Impfstoff von BioNTech/Pfizer und bei den über 30-Jährigen auch der Impfstoff von Moderna zur Anwendung. Zugleich trägt zur Angemessenheit der allgemeinen Aufnahme der Covid-19-Schutzimpfung in die Liste der Basisimpfungen bei, dass in jedem Einzelfall eine Überprüfung von medizinischen Kontraindikationen durch den Truppenarzt erfolgt (Nr. 210 ZDv A-840/8) und damit eine individuelle Unzumutbarkeit im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG vermieden wird. Im Übrigen greifen auch bei der Covid-19-Impfung die übrigen bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG erwähnten Mechanismen (Rechtsschutz, Entschädigung etc.) zur Abmilderung des Eingriffs ein.

133 6. Allerdings ist das Bundesministerium der Verteidigung auch in Zukunft verpflichtet, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssen - wie oben ausgeführt - stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Diese allgemein bestehende Überwachungspflicht wird dadurch verstärkt, dass der Staat nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG auch zum Schutz der Gesundheit und als Dienstherr zur Fürsorge gegenüber seinen Soldatinnen und Soldaten verpflichtet ist. Diese Überwachungspflicht hat bei der Covid-19-Impfung besondere Bedeutung, weil es sich um eine vergleichsweise neue Erkrankung handelt, weil die vorhandenen Impfstoffe auf einer für diesen Zweck noch nicht genutzten Technologie beruhen, weil die weltweite Erforschung der Erkrankung und des Erregers in vergleichsweise kurzer Zeit neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefert und weil die in Wellen verlaufende pandemische Verbreitung der Erkrankung durch einen ständigen Wandel des Virus geprägt ist. Es liegt also eine sehr volatile Lage vor, die immer wieder zu einer erneuten Bewertung, Überprüfung und Anpassung der im Zusammenhang mit der Covid-19-Impfungen stehenden Entscheidungen zwingt.

134 Dabei zeichnet sich aktuell eine Entwicklung ab, die verschiedentlich als Übergang einer Pandemie in eine Endemie gedeutet wird. Einerseits lässt die Gefährlichkeit des Coronavirus durch seine Mutationen in einer nicht genau bestimmbaren Weise nach. Andererseits verbreitet es sich häufiger und entwickelt sich zu einer in Europa dauerhaft präsenten Gesundheitsgefahr, die - wie die Influenza - saisonal im Winter höher ist als im Sommer. Andererseits ist aktuell eine ebenfalls nicht exakt bestimmbare Verringerung der Effektivität der vorhandenen Impfstoffe zu verzeichnen, die sich in einem immer schneller nachlassenden Schutz vor Infektion und Transmission und einem eher langsamer nachlassenden Schutz vor schweren Verläufen ausdrückt.

135 Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung insbesondere für die Anordnung weiterer Auffrischimpfungen angezeigt erscheinen lassen. Nach den derzeitigen Erkenntnissen der Ständigen Impfkommission schützt eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht nachhaltig vor dem Virus, während ein durch Impfungen verstärkter mindestens dreifacher Kontakt mit dem SARS-CoV-2-Virus einen relativ guten Schutz vor schweren Verläufen bietet (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 44 ff.). Vor diesem Hintergrund muss die pauschale Entscheidung in der Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 für alle weiteren Auffrischimpfungen gemäß den nationalen Empfehlungen daraufhin überprüft werden, inwieweit weitere Impfungen als zwingende Basisimpfungen für alle Soldatinnen und Soldaten bei einer Nutzen-Risiko-Abwägung im Sinne des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ermessensgerecht sind. Da außerdem auch vom Gesamtvertrauenspersonenausschuss eine Evaluierung gefordert und im Schlichtungsverfahren eine präzisere Risikoanalyse beschlossen worden ist, wäre eine Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bei der Ermessensentscheidung über diese Frage zielführend.

136 7. Die oben geschilderten tatsächlichen Einschätzungen und Prognosen des Dienstherrn sind nach dem Ergebnis der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme durch die Einwendungen von Seiten des Antragstellers nicht erschüttert worden.

137 a) Wie oben ausgeführt konnte sich der Dienstherr auf die fachlichen Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts bei der Einordnung der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und der Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe verlassen. Denn beim Robert-Koch-Institut handelt es sich um die Fachbehörde zur Erforschung von Infektionskrankheiten und beim Paul-Ehrlich-Institut um die federführende Bundesbehörde zur Überwachung der Impfstoffsicherheit (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 223). Beide Fachbehörden beschäftigen eine Vielzahl hochspezialisierter Experten, die laufend die einschlägigen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse auswerten und sich auf europäischer und internationaler Ebene mit den Überwachungsbehörden anderer Länder und der Europäischen Union austauschen. Sie werten in beträchtlichem Umfang nur ihnen zur Verfügung stehende Gesundheitsdaten aus und verfügen dadurch über Informationsquellen, die anderen Forschungsstellen nicht zugänglich sind. Die von ihnen veröffentlichten Fachinformationen zur Gefährlichkeit des Coronavirus, zur Verbreitung von Covid-19, zu den zugelassenen Impfstoffen und Medikamenten können daher von den Dienststellen der Bundeswehr als der Allgemeinheit zugänglich gemachte amtliche Auskünfte und damit nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG als Beweismittel verwertet werden.

138 aa) Im Prozess vor den Wehrdienstgerichten sind amtliche Auskünfte ebenfalls als Beweismittel zugelassen. Dies folgt daraus, dass § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO für Fragen des Prozessrechts ergänzend auf die Verwaltungsgerichtsordnung verweist und dass im Verwaltungsprozess die Verwendung amtlicher Auskünfte als ein selbständiges Beweismittel anerkannt ist, das in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 99 Abs. 1 Satz 1 sowie § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO erwähnt ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 1986 - 9 B 144.86 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 48 S. 30 und vom 28. Juni 2010 - 5 B 49.09 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 116 Rn. 5). Amtliche Auskünfte können je nach ihrem Inhalt den Zeugenbeweis oder - wie hier bei fachwissenschaftlichen Informationen - den Sachverständigenbeweis ersetzen (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 98 Rn. 65). Treten amtliche Auskünfte an die Stelle von Sachverständigengutachten, bedarf die durch sie geklärte Frage im Allgemeinen keiner Klärung durch Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302 S. 5).

139 Die Einholung eines weiteren Gutachtens kann in Anlehnung an § 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO nur geboten sein, wenn das Gericht die amtliche sachverständige Auskunft für ungenügend hält (BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Die Verpflichtung zur ergänzenden Begutachtung folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter die amtliche Auskunft als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012 - 7 C 8.11 - Buchholz 419.01 § 26 GenTG Nr. 1 Rn. 37 und Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - juris Rn. 26 m. w. N.).

140 Der erkennende Senat hat nach entsprechenden Hinweisen verschiedene amtliche Fachinformationen, insbesondere die wöchentlichen Lageberichte des Robert-Koch-Instituts und die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts, beweisrechtlich als sachverständige Auskünfte herangezogen. Die wissenschaftliche Überzeugungskraft dieser amtlichen Auskünfte konnte - wie im Folgenden näher ausgeführt wird - durch den Antragsteller und die in seinem Namen auftretenden Parteisachverständigen nicht erschüttert werden. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung der amtlichen Fachinformationen und zur Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag des Antragstellers mehrere Fachleute des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts als Sachverständige angehört, die ergänzende Fragen beantworten und Unklarheiten ausräumen konnten.

141 bb) Aus den vom Antragsteller geforderten und vom Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 vorgelegten eigenen Daten der Bundeswehr zu Impfkomplikationen ergeben sich keine Befunde, die die Aussagekraft und Verwertbarkeit der Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts als sachverständige amtliche Auskunft in Frage stellen würden.

142 Die Ärzte des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sind in gleicher Weise wie zivile Ärzte verpflichtet, den Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfkomplikation) an das Gesundheitsamt zu melden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG), das seinerseits die Meldung in pseudonymisierter Form über die zuständige Landesbehörde an das Paul-Ehrlich-Institut übermittelt (§ 11 Abs. 4 IfSG). Die auf diesem Weg gemeldeten Fälle werden zugleich vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr erfasst. Danach ergaben sich seit Beginn der Impfungen bei der Bundeswehr (Januar 2021) bis zum 5. Mai 2022 (ca. 480 000 Impfungen) auf dem Meldeweg der Bundeswehr 54 Verdachtsfälle, die sich auf alle eingesetzten Impfstoffe (pharmazeutische Unternehmer: AstraZeneca/BioNTech/Johnson & Johnson/Moderna) verteilen. Als Impfkomplikationen genannt sind grippale Symptome/Kopfschmerz/Lymphadenopathie (18 Meldungen, 8/4/-/6), Hautreaktionen (10 Meldungen, -/2/-/8), anaphylaktische Reaktionen (4 Meldungen, -/1/1/2), Myokarditis (5 Meldungen, 1/2/-/2), Myokarditis mit Begleitperikarditis (3 Meldungen, -/3/-/-), Thrombosen (5 Meldungen, 3/-/-/2) sowie 1 Meldung eines Todesfalls mit unbekannter Kausalität (Moderna); 8 weitere Meldungen betreffen verschiedene geringfügigere Beschwerden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ferner ausgeführt, dass sämtliche Sicherheitshinweise des Paul-Ehrlich-Instituts umgesetzt würden, wie zum Beispiel der Stopp des Einsatzes von Vektorimpfstoffen und des mRNA-Impfstoffs Spikevax bei jüngeren Altersgruppen, nachdem dort höhere Komplikationsraten bekannt geworden seien.

143 Zu dem Verdachtsfall eines Todesfalls hat das Bundesministerium der Verteidigung in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass bei dem "deutlich über 50-jährigen" Soldaten eine Vorerkrankung vorgelegen habe und im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung ein Vorhofflimmern entstanden sei. Soweit der Antragsteller beanstandet, dass eine Obduktion nicht stattgefunden habe, konnte nicht geklärt werden, ob eine solche rechtlich wie tatsächlich überhaupt in Betracht kam. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr insoweit über keine anderen oder weitergehenden Eingriffsrechte und Untersuchungsmöglichkeiten verfügt als sie im zivilen Bereich bestehen.

144 Insgesamt ergeben sich aus den mitgeteilten Daten keine nach Quantität oder Qualität wesentlichen Abweichungen von den allgemeinen Melderaten, wie sie in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts zur Ermittlung von Risikosignalen ausgewertet werden (siehe zuletzt den 18. Sicherheitsbericht vom 4. Mai 2022, S. 3 ff.). Auch der Einwand, Soldaten würden Impfkomplikationen häufig nicht oder nur zurückhaltend melden, ist nicht plausibel. Die Möglichkeit, wegen einer Wehrdienstbeschädigung Ansprüche nach dem Soldatenversorgungs- und dem Bundesversorgungsgesetz geltend zu machen, ist allgemein, namentlich im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, bekannt. Impfschäden können nicht nur Versorgungsansprüche nach dem Infektionsschutzrecht (hier insbesondere § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG), sondern als Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 Abs. 1 SVG auch - zum Teil weitergehende - dienstrechtliche Versorgungsansprüche auslösen (vgl. z. B. LSG Stuttgart, Urteil vom 14. Oktober 2021 - L 6 VS 2595/20 - juris Rn. 50 m. w. N.). Es ist fernliegend, anzunehmen, dass Soldaten auf solche Ansprüche verzichten wollten und die anspruchswahrende Meldung von Impfkomplikationen unterließen.

145 b) Im Hinblick auf die übereinstimmende Einschätzung des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts konnte der Dienstherr - wie ausgeführt - im November 2021 davon ausgehen, dass von dem SARS-CoV-2-Virus eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten und damit für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ausging, weil in vielen Fällen das menschliche Immunsystem alleine zur Abwehr nicht ausreichte (RKI, Epidemiologisches Bulletin 48/2021 vom 29. November 2021, S. 15 f.). Diese unter der Dominanz der Delta-Variante des Virus getroffene Einschätzung wird von den beiden Fachbehörden - wie ausgeführt - auch im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung aufrechterhalten. Dass derzeit die ganz überwiegende Mehrzahl der Infektionen einen milden Verlauf nimmt, kann nicht - wie der Antragsteller vermutet - darauf zurückgeführt werden, dass die Omikron-Variante des Coronavirus an sich bereits ungefährlich sei. Denn mittlerweile ist nach dem aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts etwa drei Viertel der deutschen Bevölkerung (76,2 %) zweifach und mehr als die Hälfte (61,6 %) sogar dreifach geimpft. In der für die Bundeswehr besonders relevanten Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen sind etwa vier Fünftel geimpft und ca. 16 % ungeimpft (RKI, Wöchentlicher Lagebericht zu Covid-19 vom 30. Juni 2022, S. 20). Hinzu kommt, dass eine zahlenmäßig nicht klar erfasste Bevölkerungsgruppe genesen ist. Das Virus trifft also in vielen Fällen auf Personen mit einer unterschiedlich hohen Anzahl von Antikörpern, die bereits bei der Infektion vorhanden sind und die Immunabwehr stärken. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Omikron-Variante des Virus keine schweren Verläufe verursacht, wenn sie auf Personen trifft, deren Immunabwehr unvorbereitet oder aus anderen Gründen geschwächt ist (vgl. RKI, Risikobewertung zu Covid-19 vom 29. Juni 2022).

146 aa) Die Richtigkeit dieser Gefahrenprognose konnte insbesondere nicht durch den vom Antragsteller als Parteisachverständigen beigezogenen Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi erschüttert werden. Dieser bis zu seiner Pensionierung als Institutsleiter an der Universität Mainz tätige Mikrobiologe und Mediziner hat zwar in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das Virus aufgrund seiner Verwandtschaft zu alltäglichen Coronaviren vom Immunsystem Ungeimpfter problemlos erkannt werde. Gerade junge Menschen hätten eine Hintergrundimmunität, die eine ernstliche Erkrankung verhindere, sodass eine Impfung nicht notwendig sei.

147 Diese These vom Ausreichen der körpereigenen Immunabwehr vermag jedoch nicht zu überzeugen. Sie gilt ohnedies nur für junge Menschen und nicht für ältere oder immungeschwächte Personen. Wie bereits ausgeführt finden sich in der Bundeswehr aber nicht nur junge, sondern auch ältere Soldaten. Einige gehören aufgrund von Vorerkrankungen oder anderen Risikofaktoren zu den sogenannten vulnerablen Gruppen. Zudem ist die These vom Ausreichen der vorhandenen Hintergrundimmunität auch für junge Menschen nicht bewiesen. Oberstarzt Prof. Dr. med. Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr, hat in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Mai 2022 überzeugend dargelegt, dass die von Prof. Dr. Bhakdi für seine Behauptung herangezogene Studie (Killingley et al., Nature Medicine, 2021) seine Einschätzung nicht stützt. Denn in der Studie werden keine Messwerte zur vorhandenen Hintergrundimmunität junger Menschen erhoben oder ausgewertet.

148 Ebenso wenig konnte Prof. Dr. Bhakdi seine Einschätzung belegen, dass bei einer Covid-19-Erkrankung schwere Krankheitsfolgen nur durch Behandlungsfehler, insbesondere eine zu frühe oder unnötige künstliche Beatmung, verursacht werden. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der nicht selbst kurativ tätige Prof. Dr. Bhakdi diese Einschätzung auf eine wissenschaftlichen Standards genügende Datenerhebung stützen kann.

149 bb) Auch die vom Antragsteller beigezogene Parteisachverständige Dr. med. vet. Susanne Wagner konnte die These von der relativen Ungefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus nicht überzeugend belegen. Sie hat selbst eingeräumt weder über eine humanmedizinische Ausbildung noch über eine spezielle virologische Expertise zu verfügen. Sie werte allerdings die Wochenberichte des Robert-Koch-Instituts aus. Ihre Annahme, dass im Allgemeinen nur Menschen mit Übergewicht oder Angst an Covid-19 erkrankten, entspricht jedoch weder der Beschreibung vulnerabler Gruppen durch das Robert-Koch-Institut noch dem breiten fachwissenschaftlichen Konsens.

150 cc) Schließlich konnte der Antragsteller den Senat auch nicht von seiner These überzeugen, die Gefährlichkeit und Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus werde aufgrund der Anwendung nicht aussagefähiger Antigen- und PCR-Tests völlig überschätzt, sodass in Wahrheit keine Corona-Pandemie, sondern eine Testpandemie vorläge. Die hierzu vorgelegten Gutachten von Frau Prof. Dr. rer. hum. biol. Ulrike Kämmerer sowie ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 zeigen zwar einige Schwächen der Antigen- und PCR-Testung auf. Insbesondere weisen Antigen- und PCR-Tests unterschiedlich hohe Messungenauigkeiten auf. Ferner belegen PCR-Tests unmittelbar nur das Vorhandensein des abgetöteten Virus in den entnommenen Proben, nicht die Infektiosität des Probanden. Hierzu hat Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung aber zutreffend erwidert, dass in den PCR-Tests zwar richtigerweise nur für SARS-CoV-2 typische Nukleotidsequenzen nachgewiesen werden. Jedoch sei bei einer bestimmten Höhe der nachgewiesenen Viruslast eine Aussage über eine Infektiosität der Person möglich.

151 Das Bundesministerium der Verteidigung hat zudem im Schriftsatz vom 20. Mai 2022 aufgezeigt, dass das von Dr. Victor Corman und Prof. Dr. Christian Drosten entwickelte PCR-Nachweisverfahren seit seiner Entwicklung, wie im wissenschaftlichen Prozess üblich, auf seine Eignung als Diagnostikverfahren mehrfach unabhängig durch empirische Studien überprüft worden ist. Dabei sind die methodischen Beschränkungen und die grundsätzliche Robustheit dieses PCR-Tests für den Nachweis von SARS-CoV-2 nachgewiesen worden. Soweit Frau Prof. Dr. Kämmerer, die selbst nicht auf dem Gebiet der Virologie forscht, dies in Frage stellt, beruhen ihre Einwände nicht auf eigenen empirischen Studien, sondern auf einer selektiven Auswertung der einschlägigen medizinischen Literatur.

152 Aus diesen Gründen folgt der Senat der Einschätzung von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel, dass Frau Prof. Dr. Kämmerer aus ihren richtigen Grundannahmen unzutreffende Schlüsse zieht. Es leuchtet ein, dass der Nachweis einer erheblichen Konzentration an für SARS-CoV-2 typischen Nukleotidsequenzen ein Indikator für die Wirksamkeit des Virus in einem Organismus ist. Zur korrekten Quantifizierung der in Rede stehenden Konzentration sind für die Testlabore einheitliche Standards entwickelt worden, bei denen der sogenannte Ct-Wert eine erhebliche Rolle spielt. Wie Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, arbeiten akkreditierte Labore nach einheitlichen Qualitätsstandards, deren Einhaltung überwacht wird. Dass es in Einzelfällen zu Anwendungsfehlern kommen mag, diskreditiert nicht das diagnostische System als solches. Auch Frau Prof. Dr. Kämmerer konnte keine plausiblen Anhaltspunkte dafür aufzeigen, dass in einer erheblichen Zahl von Fällen PCR-Tests fehlerhaft durchgeführt werden, sodass die aus ihnen ermittelten Infiziertenzahlen ergebnisrelevant deutlich überhöht wären.

153 Dass die durch PCR-Tests ermittelten Gensequenzen für SARS-CoV-2 nicht hinreichend spezifisch wären, wird durch Frau Prof. Dr. Kämmerer ebenfalls nicht wissenschaftlich fundiert aufgezeigt. Aus diesem Grund ist ihre Folgerung, in die Zahl der SARS-CoV-2-Infizierten würde einfließen, was vor dem Auftreten von SARS-CoV-2 als Erkältung oder Influenza erfasst worden wäre, nicht plausibel. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel, dass die in Deutschland durchgeführten PCR-Tests, deren Ergebnisse in die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts zur Gefahrenlage und zur Wirksamkeit der Impfstoffe einfließen, geeignet sind, verlässliche Indikatoren für Infektionen mit SARS-CoV-2 zu liefern. Sie bilden - wie vom Robert-Koch-Institut angenommen - den "Goldstandard für den Nachweis von SARS-CoV-2". Dass handelsübliche Antigen-Schnelltests weniger verlässliche Ergebnisse liefern, ist unstrittig, aber auch unerheblich, weil die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts maßgeblich auf den durch PCR-Tests ermittelten Werten beruhen.

154 c) Ferner konnten die Einwendungen des Antragstellers und der von ihm beigezogenen Parteisachverständigen zur Unwirksamkeit und Gefährlichkeit der mRNA-Impfstoffe nicht überzeugen.

155 aa) Insbesondere konnte Prof. Dr. Bhakdi in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2022 seine These, die mRNA-Impfstoffe hätten nie zum Schutz gegen eine Infektion beigetragen, nicht wissenschaftlich fundiert belegen. Er hat nie selbst irgendwelche Studien über das SARS-CoV-2-Virus oder die Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen durchgeführt und auch in seiner mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden aktiven Dienstzeit nicht über Coronaviren geforscht. Zum Nachweis seiner These hat er dem Senat zwar ein Bündel von rund einem Dutzend Textauszügen und Abdrucken aus fachwissenschaftlichen Aufsätzen übergeben, in denen er meist einzelne Sätze oder Abschnitte markiert hat. Allerdings vertritt keine dieser Publikationen Prof. Dr. Bhakdis These von der vollständigen Unwirksamkeit der mRNA-Impfstoffe. Seine sehr selektive Textexegese dieser Publikationen kann jedoch einen empirischen Nachweis für die behauptete Unwirksamkeit der mRNA-Impfstoffe nicht ersetzen.

156 Das Vorbringen von Prof. Dr. Bhakdi ist schon aus diesem Grund nicht geeignet, die sachverständige Einschätzung des Robert-Koch-Instituts und der herrschenden fachwissenschaftlichen Meinung zur Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe zu erschüttern. Soweit Prof. Dr. Bhakdi auf methodische Fehler einer an einer Zulassungsstudie beteiligten Forschungseinrichtung (Ventavia Research Group) verweist, ist durch das Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 nachvollziehbar erläutert worden, dass die durch Investigativjournalisten erhobenen Einwände nur einen kleineren Teil der Probanden betreffen und daher keinen Einfluss auf die Ergebnisse der Gesamtstudien haben. Prof. Dr. Bhakdi konnte den Senat auch nicht davon überzeugen, dass die verwendeten Impfstoffe keine Verbesserung der Immunantwort auf das SARS-CoV-2-Virus bewirken. Dies ist weder durch seine Behauptung, die Schutzimpfungen würden nicht zur Bildung von Schleimhaut-Antikörpern führen, dargetan, noch ist nachgewiesen, dass die Übertragung von SARS-CoV-2 unter Geimpften nicht erheblich geringer oder sogar höher ist als unter Ungeimpften. Prof. Dr. Bhakdi bezieht sich zum Beleg seiner Einschätzung auf Veröffentlichungen, die nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Erläuterungen von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 11. Mai 2022 die Behauptungen stützende Daten gar nicht enthalten bzw. Prof. Dr. Bhakdis Schlussfolgerungen nicht tragen.

157 bb) Soweit der Antragsteller befürchtet, die mRNA-Impfstoffe führten zu einer Veränderung der menschlichen Genome, hat sich dafür in der mündlichen Verhandlung ebenfalls kein wissenschaftlich tragfähiger Anhaltspunkt ergeben. Die Wirkungsweise von mRNA-Impfstoffen besteht darin, dass die im Impfstoff enthaltene Boten-Ribonukleinsäure (messenger Ribonucleic Acid = mRNA) eine genetische Information enthält. Damit bewegt sie die menschliche Gewebezelle, in die sie nach der Impfung eindringt, dazu, ein bestimmtes Protein herzustellen, das äußerlich mit seiner spitzen Form der Eiweißhülle des SARS-CoV-2-Virus entspricht. Dieses sogenannte Spikeprotein wird vom menschlichen Immunsystem als Fremdeiweiß erkannt; in der Folge bildet das Immunsystem Antikörper und Abwehrzellen gegen das Spikeprotein. Gelangt später im Rahmen einer Infektion das SARS-CoV-2-Virus in einem ähnlichen Spikeprotein-Mantel in den menschlichen Körper, wehren die vorhandenen Antikörper und Abwehrzellen das Virus mit dem Spikeprotein-Mantel ab.

158 Nach der vielfach beschriebenen Wirkungsweise der mRNA-Technologie gelangt die Boten-Ribonukleinsäure nicht in den Zellkern der Gewebezelle und verändert das darin enthaltene Erbgut nicht. Vielmehr wendet sich die künstliche mRNA ebenso wie die körpereigene mRNA an die für die Eiweißproduktion zuständigen Teile der Zelle, die Ribosomen. Dort wird die Botschaft der künstlichen mRNA abgelesen und das Spikeprotein produziert (vgl. RKI, Homepage, FAQ, Was wissen wir über mRNA-Impfstoffe?). Im Einklang mit diesen amtlichen Fachinformationen führte der Sachverständige Dr. med. Dirk Mentzer, Leiter des Referats Pharmakovigilanz im Paul-Ehrlich-Institut, in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 aus, dass die in der Impfdosis enthaltene mRNA nur kurzzeitig in der menschlichen Zelle verweile und nach kurzer Zeit nicht mehr nachweisbar sei. Ein Einbau in das menschliche Genom finde nicht statt.

159 Das Vorbringen des Antragstellers, es handele sich bei der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff um eine Gentherapie, die das menschliche Genom verändere, ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. Bhakdi nicht beachtlich wahrscheinlich. Soweit sich Prof. Dr. Bhakdi auf eine Studie zur Einbringung von mRNA-Impfstoffen in Leberkrebszellen bezieht (Alden et al., Curr. Issues Mol. Biol., 2022), ist durch Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel im Schriftsatz vom 11. Mai 2022 überzeugend entgegnet worden, dass die methodischen Fehler der fraglichen Studie bereits im fachwissenschaftlichen Schrifttum aufgezeigt wurden und dass ihre Ergebnisse von anderen Forschern bislang nicht reproduziert werden konnten. Unabhängig davon besteht ihr in weiteren Studien nicht validiertes Ergebnis darin, dass nach dem Einbringen eines mRNA-Impfstoffs in einer Kultur von Leberkrebszellen DNA-Fragmente festgestellt wurden. Dieses Studienergebnis trägt die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. Bhakdi nicht. Denn die Arbeit liefert keinen Nachweis dafür, dass die beobachteten DNA-Fragmente in den Zellkern wandern und in die DNA-Sequenz integriert werden.

160 cc) Für die wiederholt vorgetragene These des Antragstellers, die mRNA-Impfung bewirke im menschlichen Körper die Produktion toxischer Spikeproteine, fehlen ebenfalls ausreichende wissenschaftliche Belege. Auch in diesem Kontext konnten die Fachleute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr nachweisen, dass die diesbezüglichen Thesen von Prof. Dr. Bhakdi durch Daten der von ihm angeführten Studien nicht untermauert werden. Soweit Prof. Dr. Bhakdi auf Thrombosen, Lungenembolien, Leberentzündungen, Myo- oder Perikarditis als Folge der in Rede stehenden Impfung verweist, zeigt er zwar zutreffend mögliche Risiken einer Impfung auf. Diese sind aber - wie die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts und die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. Mentzer sowie die mündlichen und schriftlichen Erläuterungen von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel ergaben - in der fachwissenschaftlichen Bewertung der Impfrisiken als solche bekannt. Dass diese Impfkomplikationen kausal auf einer besonderen Toxizität der vom Körper produzierten Spikeproteine beruhen, ist damit nicht belegt.

161 dd) Schließlich hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme auch der vom Antragsteller mehrfach vorgetragene Verdacht nicht erhärtet, die in den mRNA-Impfstoffen verwendeten Nanolipide seien hoch entzündungserregend und besonders gesundheitsschädlich. Es trifft zwar zu, dass in den Impfstoffen "Comirnaty" und "Spikevax" jeweils unterschiedliche Nanolipide als äußere Hülle der mRNA verwendet werden. Denn ohne diese Verpackung würde die sehr empfindliche Boten-Ribonukleinsäure Transportschäden erleiden und ihren intrazellulären Wirkort nicht unversehrt erreichen. Bei diesen Nanolipiden handelt es sich um Substanzen im Größenbereich von Millionstel-Millimetern (Nano), die aus bestimmten Fetten (Lipos) bestehen. Die Nanolipide sind körpereigenen Lipiden sehr ähnlich und werden in dem körpereigenen Fettstoffwechsel abgebaut. Die Transfertechnologie mit Nanolipiden findet schon seit über 20 Jahren in anderen pharmazeutischen Bereichen Anwendung, ohne dass deren gesundheitliche Verträglichkeit in Frage gestellt worden wäre (PEI, Was wissen wir über die Sicherheit der Lipidnanopartikel in mRNA-Impfstoffen? Homepage-Beitrag vom 8. Januar 2021).

162 Eine besondere Schädlichkeit der in den mRNA-Impfstoffen enthaltenen Nanolipide ist bislang ebenfalls nicht wissenschaftlich belegt. Die von Prof. Dr. Bhakdi zum Nachweis in diesem Kontext angeführte Studie (Ndeupen et al., iScience, 2021) belegt keine Fehleinschätzungen in der Risikobewertung. Die Studie beschäftigt sich mit Tierexperimenten an Mäusen, denen mRNA-Impfstoffe in hoher Konzentration unter die Haut, in die Muskeln sowie in die Nase und Atemwege gespritzt worden sind. Die entzündlichen Reaktionen in der Haut und im Muskelgewebe bewerteten die Autoren als Ausdruck einer beabsichtigten Aktivierung des Immunsystems. Die Injektion des Impfstoffes in die Nasen der Tiere erfolgte, weil auch die Möglichkeit einer intranasalen Impfstoffanwendung untersucht werden sollte. Allerdings starben 80 % der Versuchstiere daran, dass zu große Mengen des Impfstoffs in ihre Lungen gerieten. Die Autoren der Studie schließen daraus, dass bei einer nasalen Anwendung des Impfstoffes die Optimierung des verabreichten Volumens von wesentlicher Bedeutung sei. Eine auf ein Viertel verringerte Dosis überlebten alle Versuchstiere.

163 Wie Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel zutreffend ausgeführt hat, belegt diese Studie neben bekannten Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe allenfalls die Grenzen der Aussagekraft von Tierversuchen. Einen Beleg für "hochgiftige Eigenschaften der Impfstoff-Verpackung" liefert sie nicht. Dasselbe gilt für die von den Bevollmächtigten des Antragstellers wiederholt herangezogene Zulassungsstudie an Ratten. Auch deren Hautausschläge und Entzündungen sind nach einer überdosierten Gabe des Gesamtimpfstoffs entstanden und belegen im Tierversuch Nebenwirkungen des Impfstoffs, ohne dass eine spezifische Ursächlichkeit der Nanolipide untersucht oder bewiesen worden wäre.

164 ee) Für die vom Antragsteller mehrfach behauptete Gefahr, dass bei der Covid-19-Impfung verunreinigte mRNA-Impfstoffchargen zum Einsatz kämen, haben sich im gerichtlichen Verfahren ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben. Der Senat ist dieser Frage unabhängig davon nachgegangen, dass die Unbedenklichkeit einzelner Impfstoffchargen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Umsetzung der individuellen Impfung, sondern die Anordnung der allgemeinen Duldungspflicht für die Covid-19-Impfung. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Nutzen-Risiko-Abwägung des Dienstherrn auch dabei anders ausfallen könnte, wenn nach der Organisation der Chargenprüfung systembedingt und grundsätzlich die Gefahr von Verunreinigungen und nicht zugelassenen Veränderungen bestünde.

165 Zunächst ist allerdings festzustellen, dass der Antragsteller selbst die angenommene Gefahr lediglich mit vagen Befürchtungen von Verunreinigungen, Beimischungen oder anderen Zusammensetzungsveränderungen begründet hat. Seine Bevollmächtigten haben zwar darauf verwiesen, dass es in den USA eine von Impfskeptikern betriebene Internet-Datenbank mit dem Titel "How bad is my batch" gebe, in der Betroffene ihre Impfschäden und ihre Impfcharge eingetragen hätten. Daraus lasse sich ablesen, dass wenige Chargen der Impfstoffe einen Großteil der schwerwiegenden Impfnebenwirkungen verursacht hätten. Dass diese Internetberichte sich im Rahmen einer unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchung als richtig erwiesen hätten, ist allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass etwaige Mängel der Chargenprüfung in den USA nichts über die Qualität der Chargenprüfung in Europa und speziell in Deutschland aussagen würden. Der Antragsteller hat auch nicht plausibel gemacht, dass es im europäischen Raum bereits zu Verunreinigungen bei einzelnen Impfstoffchargen gekommen wäre; ferner hat er nicht näher konkretisiert, nach welchen, nicht zugelassenen Beimischungen das Paul-Ehrlich-Institut als die für die Chargenkontrolle nach § 32 Abs. 1 i. V. m. § 77 Abs. 2 AMG zuständige Bundesbehörde zusätzlich suchen sollte und welche potentiellen, nicht bloß theoretisch möglichen Gesundheitsrisiken damit minimiert werden könnten.

166 Der Senat hat sich dessen ungeachtet durch den für die Chargenfreigabe zuständigen Fachgebietsleiter des Paul-Ehrlich-Instituts, den Sachverständigen Dr. med. Ralf Wagner, das System der Chargenprüfung in seiner praktischen Umsetzung erläutern lassen. Danach führt das Paul-Ehrlich-Institut die Kontrollen in enger Abstimmung mit den für die Chargenqualität der Hersteller verantwortlichen sachkundigen Personen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1, §§ 15, 19 AMG) durch. Es prüft nicht nur die von den sachkundigen Personen durchgeführten Qualitätsuntersuchungen und vorgelegten Gutachten, sondern führt selbst bei jeder Charge die Analyse einer Impfstoffprobe durch. Dazu gehört die einleitende Sichtkontrolle auf Verfärbungen. Wichtiger sind allerdings die nach einem standardisierten Ablaufplan durchgeführten Laborkontrollen. Es wird insbesondere untersucht, ob in der Probe eine den Zulassungsunterlagen entsprechende Menge an Boten-Ribonukleinsäuren vorhanden ist und ob sie die vorgesehene Konsistenz und Länge haben. Der Sachverständige hat erläutert, dass dies für die Wirkungsweise der Impfung besonders bedeutsam ist. Bei den mRNA-Impfstoffen handle es sich im Hinblick auf Verunreinigungen um vergleichsweise unkritische Präparate, weil außer der mRNA und der sie umgebenden Nanolipide nur klare Flüssigkeit enthalten sei.

167 Auch die Befragung des zuständigen Fachgebietsleiters Dr. Wagner durch die vom Antragsteller hinzugezogenen Parteisachverständigen hat nicht zu einer Substantiierung und Konkretisierung der vagen Befürchtungen des Antragstellers oder zum Nachweis einer Kontrolllücke geführt. Unerheblich ist, dass nach deren Einschätzung ein anderer Ablauf der Prüfung effektiver oder zusätzliche Tests möglich wären. Denn es geht im vorliegenden Fall nicht um die Frage, welche Maßnahmen zur Optimierung der Chargenkontrollen möglich sind, sondern ob das bestehende Kontrollniveau ausreicht, um mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Gesundheitsschädigung durch verunreinigte oder sonst mangelhaft produzierte Impfstoffe zu verhindern. Der Senat ist auch unter Berücksichtigung der Bedenken des Antragstellers davon überzeugt, dass die Chargenprüfung, so wie sie nach Maßgabe geltenden Rechts von den zuständigen Prüfeinrichtungen regelmäßig gehandhabt wird, geeignet ist, eine konstant gleiche, verunreinigungsfreie Zusammensetzung der Impfstoffe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr die Verwendung von Impfstoffen vorsieht, die diese Kontrollmechanismen beanstandungsfrei passiert haben.

168 d) Schließlich ist es dem Antragsteller auch nicht gelungen, die Aussagekraft des Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts als sachverständige amtliche Auskunft über unerwünschte Impfnebenwirkungen durch den Verweis auf andere Erkenntnisquellen oder die anderweitige Einschätzung von Experten zu erschüttern.

169 aa) In dem zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren sind dem Gericht zahlreiche Einzelberichte von Impfnebenwirkungen, Reportagen, Presseberichte, Stellungnahmen impfkritischer Ärzte und Anwälte, deutsch- und fremdsprachige Internet-Links sowie das Sachbuch einer Anwältin zum Nachweis einer wesentlich höheren Quote an Impfkomplikationen und impfbedingten Todesfällen vorgelegt worden. Es wurde ferner angeregt, einzelne impfgeschädigte Soldaten anzuhören, und beantragt, eine amerikanische Ärztin und einen amerikanischen Rechtsanwalt zu Impfschäden in den Streitkräften der Vereinigten Staaten als Zeugen zu vernehmen. Dieses Vorbringen war jedoch nicht entscheidungserheblich. Aufgabe dieses Gerichtsverfahrens ist es nicht, Einzelfällen oder Meinungen von Bloggern, Journalisten und Sachbuchautoren nachzugehen oder behauptete Impfnebenwirkungen im Ausland zu erforschen. Der Senat hat dies in verschiedenen rechtlichen Hinweisen während der mündlichen Verhandlung und in den Beweisbeschlüssen vom 1., 8., 16. und 28. Juni 2022 deutlich gemacht, sodass hierauf noch einmal verwiesen werden kann.

170 Untersuchungsgegenstand dieses Verfahrens ist vielmehr die Frage, in welchem statistischen Umfang der Dienstherr bei Einführung und Beibehaltung der Duldungspflicht für Covid-19-Impfungen mit unerwünschten Nebenwirkungen der zugelassenen und insbesondere der von ihm verwendeten Impfstoffe rechnen musste. Maßgeblich sind dabei die bei der Entscheidung des Dienstherrn vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts veröffentlichten Zahlen sind nach wissenschaftlichen Methoden ermittelt worden und konnten als amtliche Auskunft über diese Frage vom Dienstherrn verwertet und in das gerichtliche Verfahren eingeführt werden. Deren statistische Richtigkeit wird durch Einzelfallberichte und nicht-wissenschaftliche Meinungsäußerungen nicht erschüttert. Auch soweit der Antragsteller wiederholt aus einem Schreiben der Fa. BioNTech zitiert hat, in dem das Unternehmen aus Anlass seines Börsengangs die Kapitalanleger auf diverse denkbare Risiken im Bereich der Impfstoffherstellung hingewiesen hat, folgt daraus nichts für die tatsächlichen Risiken der danach mit Hilfe der Kapitalerhöhung konkret produzierten mRNA-Impfstoffe. Es sind auch keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass Wirkstoffbestandteile des Impfstoffs von Geimpften an Ungeimpfte übertragen werden können.

171 bb) Keinen Erkenntnisgewinn vermitteln auch die Hinweise des Antragstellers auf noch laufende wissenschaftliche Forschungen von Prof. Dr. Schirmacher (Heidelberg) und Prof. Dr. Matthes (Berlin). In verschiedenen Medien ist zwar darüber spekuliert worden, dass diese Studien Nachweise für eine höhere Dunkelziffer an Impftoten oder für ein wesentlich höheres Niveau an unerwünschten Impfnebenwirkungen ergeben könnten. Dem kann im vorliegenden Verfahren jedoch nicht nachgegangen werden, weil nicht abgeschlossene wissenschaftliche Studien - wie der Senat im Beweisbeschluss vom 8. Juni 2022 deutlich gemacht hat - nicht zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gehören. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse diese wissenschaftlichen Studien im Einzelnen erbringen und ob sie einer kritischen Überprüfung in der Fachwissenschaft standhalten. Der Dienstherr ist zwar bei der dauerhaften Anordnung einer Impfduldungspflicht gehalten, deren Verhältnis- und Rechtmäßigkeit ständig zu überwachen. Dies bedeutet auch, dass er sich mit dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über diese Impfung befassen muss. Er muss und kann bei seiner Entscheidung für die Beibehaltung einer Impfung aber nur veröffentlichte und validierte Studien zugrunde legen.

172 cc) Auch die Ausführungen der Parteisachverständigen Prof. Dr. Bhakdi und Prof. Dr. Kämmerer haben nicht wissenschaftlich belegen können, dass die Covid-19-Impfstoffe andere oder größere Risiken mit sich bringen als in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts und den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission bereits berücksichtigt. Insbesondere hat Prof. Dr. Bhakdi - wie oben ausgeführt - nicht plausibel dargetan, dass die in den mRNA-Impfstoffen als Trägersubstanzen verwendeten Nanolipidpartikel gesundheitsschädigend wären, dass die im Impfstoff enthaltene Boten-Ribonukleinsäure das menschliche Erbgut verändern könnte oder dass die vom Körper produzierten Spikeproteine toxisch wären. Dasselbe gilt für die entsprechenden Ausführungen von Frau Prof. Dr. Kämmerer in der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2022, die ebenfalls nicht auf einer nachvollziehbaren Auswertung des Forschungsstandes beruhen.

173 Auch im Übrigen ist der Senat auf der Grundlage der fundierten mündlichen und schriftlichen Erläuterungen der Oberstärzte Prof. Dr. Wölfel und Prof. Dr. Dr. Steinestel überzeugt, dass die von Prof. Dr. Bhakdi geäußerten Befürchtungen durch Daten der von ihm angeführten Studien nicht untermauert werden. Soweit Prof. Dr. Bhakdi zur Plausibilisierung seiner Thesen auf das Risiko impfbedingter Thrombosen, Lungenembolien, Leberentzündungen, Myo- oder Perikarditis verweist, handelt es sich um bereits bekannte mögliche Impfkomplikationen, deren Auftreten und Häufigkeit in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts bereits erfasst sind. Prof. Dr. Bhakdi konnte nicht belegen, dass die Risiken derartiger Impfnebenwirkungen signifikant höher sind als in der amtlichen Risikobeschreibung des Paul-Ehrlich-Instituts angegeben. Eine statistisch höhere Relevanz einzelner Impfkomplikationen ergibt sich insbesondere nicht aus dem Verweis auf medizinische Fallberichte über Einzelschicksale, die nicht ins Verhältnis zur Zahl der Impfungen gesetzt werden.

174 Die mündlich wie schriftlich vorgetragene Kritik der Bevollmächtigten des Antragstellers an den Gegenargumenten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr veranlasst den Senat zu keiner anderen Einschätzung. Darin werden keine grundlegend neuen fachlichen Argumente vorgetragen, sondern nur die bekannten Kernthesen von Prof. Dr. Bhakdi umfangreich wiederholt, ohne dass die Richtigkeit der vom Paul-Ehrlich-Institut in seinem Sicherheitsbericht zur Verfügung gestellten amtlichen Auskunft durchgreifend erschüttert wäre. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Verweis auf fachwissenschaftliche Einzelstimmen und -studien, die sich - wie Prof. Dr. Bhakdi - mit ihrer Kritik an der medizinischen Mehrheitsmeinung in der wissenschaftlichen Diskussion nicht durchsetzen konnten.

175 dd) Auch bei Würdigung des mündlichen und schriftlichen Vortrages des pensionierten Pathologen Prof. Dr. med. Arne Burkhardt ist davon auszugehen, dass die Risikoeinschätzung der Ständigen Impfkommission und des Paul-Ehrlich-Instituts auf verlässlicher Grundlage beruhen. Der Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts ist insbesondere nicht deswegen fehlerhaft, weil er die von Prof. Dr. Burkhardt behaupteten Obduktionsnachweise von 40 weiteren Impftoten höchstwahrscheinlich nicht berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Fachbehörde bei der ihr obliegenden Risikoeinschätzung nur solche mutmaßlichen Impfschadensfälle erfasst, die ihr ordnungsgemäß gemeldet werden. Prof. Dr. Burkhardt hat aber selbst nicht ausgeführt, dass er die von ihm untersuchten Impfschadensfälle unter Nennung von Namen, Adresse, Todes- und Impfzeitpunkt, Impfcharge etc. an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet und dieser Behörde damit die Möglichkeit einer Nachprüfung eröffnet hat. Es ist damit völlig unklar, ob es sich um in- oder ausländische Fälle handelt und ob die Angehörigen diese Fälle nicht teilweise bereits dem Paul-Ehrlich-Institut gemeldet haben.

176 Auch der Dienstherr war nicht verpflichtet, aufgrund der von Prof. Dr. Burkhardt in Zeitungen und im Internet verbreiteten Ergebnisse von zwei sogenannten "Pathologie-Konferenzen" oder aufgrund seiner Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2022 von einer erheblichen Dunkelziffer an Impftoten auszugehen, die bei der Risikoeinschätzung der genannten Institutionen nicht berücksichtigt wäre. Denn bei der Risikoeinschätzung von Impfstoffen können nur Publikationen zu pathologischen Befunden berücksichtigt werden, die anerkannten fachwissenschaftlichen Qualitätsstandards genügen.

177 Die Thesen und Befunde von Prof. Dr. Burkhardt sind nie einem "peer-review" durch unabhängige Wissenschaftler unterzogen und auch nicht in einer Form veröffentlicht worden, die eine solche Kontrolle erlaubt. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, beruhen seine Ergebnisse auf von ihm und einem Kollegen durchgeführten Nachuntersuchungen von Proben, die aus nicht von ihnen selbst durchgeführten Obduktionen stammen. Damit sind sie - wie Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Mai 2022 nachvollziehbar erläutert hat - mangels eines Nachweises der Einhaltung von Qualitätsrichtlinien von nur eingeschränkter Aussagekraft. Hinzu kommt, dass nach der plausiblen Einschätzung von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel für eine Bewertung der dargestellten Befunde weitere Informationen - insbesondere eine ergänzende Anamnese der untersuchten Todesfälle und eine vollständige Darstellung der Methodik der durchgeführten Untersuchungen - erforderlich wären.

178 Vor diesem Hintergrund sind alterstypische Vorerkrankungen als alternative Todesursachen für die von Prof. Dr. Burkhardt nachuntersuchten Todesfälle nicht mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die behauptete Kausalität von Impfung und Todesfall ist damit schon für die von Prof. Dr. Burkhardt untersuchten 40 Fälle nicht hinreichend belegt. Damit fehlt es seiner Behauptung einer hohen Dunkelziffer an Impftoten an einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die methodischen Mängel der Befunddarstellung von Prof. Dr. Burkhardt sind auch nicht durch seine nachgereichte schriftliche Stellungnahme und die Kritik des Antragstellers an den Einwänden von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel ausgeräumt.

179 ee) Ferner erbringt auch die Presseveröffentlichung der Betriebskrankenkasse (BKK) ProVita vom 24. Februar 2022 keinen Nachweis für wesentlich höhere Nebenwirkungen. Darin hatte der frühere Vorstand der BKK ProVita, Andreas Schöfbeck, erklärt, eine Analyse der ärztlichen Abrechnungsdaten durch sein Haus habe ergeben, dass bei allen Deutschen Betriebskrankenkassen in den ersten zweieinhalb Quartalen des Jahres 2021 in 216 695 Fälle Nebenwirkungen einer Corona-Impfung gemeldet worden seien. Eine Hochrechnung auf das Gesamtjahr und auf die Bevölkerung in Deutschland ergebe, dass sich vermutlich 2,5 bis 3 Millionen Menschen in Deutschland wegen Impfnebenwirkungen in ärztliche Behandlung begeben hätten, was etwa 5 % der Geimpften entspreche. Diese Analyse ist unter Mitwirkung des in der mündlichen Verhandlung als Parteigutachter des Antragstellers erschienenen Datenanalysten Tom Lausen erstellt worden. In einem gleichzeitig veröffentlichten offenen Brief forderte Andreas Schöfbeck das Paul-Ehrlich-Institut auf, seine Angaben im Sicherheitsbericht für die Covid-19-Impfung von 0,3 % gemeldeter Fälle zu korrigieren.

180 Die in diesen Presseveröffentlichungen gemachten Angaben sind nicht belegt worden. Insbesondere ist die Quelle der Daten, die Grundlage der Analyse gewesen sein soll, nicht nachvollziehbar. Der BKK Dachverband stellte in einer Mitteilung vom 24. Februar 2022 klar, dass die verwendeten Daten nicht von ihm stammten (vgl. www.aerzteblatt.de/nachrichten/132101). Nach Bekanntwerden der Schreiben distanzierte sich die BKK ProVita von Andreas Schöfbeck und dessen Analyse. In mehreren Pressemitteilungen wies sie darauf hin, dass die Veröffentlichungen unabgestimmt, unter gezielter Umgehung von Kontrollgremien und Fachabteilungen der BKK ProVita erfolgt sei und nicht den aktuellen Wissensstand und die Haltung der Kasse widerspiegle, sondern von der persönlichen Haltung des Vorstands gegen die Corona-Impfung geprägt sei. Der Verwaltungsrat der BKK ProVita beschloss als Konsequenz am 1. März 2022 dessen Entlassung (vgl. BKK ProVita, Pressemitteilungen vom 1. März, 3. März und 11. April 2022).

181 Auch im gerichtlichen Verfahren konnte nur festgestellt werden, dass die vom Antragsteller zitierte Pressemeldung der BKK ProVita vom 24. Februar 2022 über wesentlich höhere Impfnebenwirkungen keine verwertbaren Erkenntnisse erbringt und dass auch die zugrundeliegende Analyse mangels transparenter Datengrundlage und nachvollziehbarer Auswertung ungeeignet ist, Aussagen über meldepflichtige Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung zu treffen. Soweit der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung den Datenanalysten Tom Lausen als Parteisachverständigen beigezogen und dieser unter Bezugnahme auf die ihm zur Verfügung stehenden Daten auch vor Gericht eine wesentlich höhere Quote an Impfnebenwirkungen behauptet hat, ist auch diese Analyse letztlich nur eine wissenschaftlich nicht belegte Einschätzung auf unklarer und intransparenter Erkenntnisgrundlage. Derartige Datenanalysen vermögen den Beweiswert der amtlichen Auskünfte des Paul-Ehrlich-Instituts in seinen Sicherheitsberichten über die Zahl der gemeldeten Impfnebenwirkungen nicht zu erschüttern.

182 e) Schließlich vermag auch die umfangreiche Kritik des Antragstellers und seiner Parteisachverständigen an den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts deren Beweiswert als amtliche Auskünfte über die in Deutschland beobachteten Impfnebenwirkungen bei der Covid-19-Impfung nicht zu erschüttern.

183 aa) Soweit der Antragsteller die Richtigkeit der vom Paul-Ehrlich-Institut vorgelegten Zahlen damit bestritten hat, dass dessen Repräsentanten zu sehr mit der Pharmaindustrie zusammenarbeiteten und dass deren wirtschaftliche Interessen gegen eine neutrale Amtsausübung sprächen, sind diese Behauptungen unsubstantiiert geblieben und nicht geeignet, die Neutralität der Institution in Frage zu stellen. Auch soweit immer wieder ein erhebliches "Underreporting" von Nebenwirkungen beklagt worden ist, ist zunächst festzuhalten, dass es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beim Paul-Ehrlich-Institut eingegangenen Meldungen nicht ordnungsgemäß erfasst und nicht im Sicherheitsbericht aufgelistet worden wären. Der These, dass die Betroffenen und die behandelnden Ärzte zu wenig Impfreaktionen und Impfkomplikationen melden, hat der Sachverständige Dr. Mentzer zugestimmt. Allerdings gibt es für den Umfang dieses "Underreporting" derzeit keine belastbaren Zahlen. Der Sachverständige Dr. Mentzer hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, nach seiner Einschätzung gebe es zwar ein sogenanntes "Underreporting" im Bereich der weniger schweren Nebenwirkungen der Impfung, nicht aber im Bereich der schweren Impfschäden. Diese Einschätzung ist auch überzeugend. Patienten und Ärzte werden im Bereich weniger schwerwiegender Impfnebenwirkungen von Meldungen an das Paul-Ehrlich-Institut eher absehen, wenn die Betroffenen nach kurzer Behandlungsdauer wieder genesen sind. Hingegen besteht bei schweren und schwersten Impfkomplikationen ein erhebliches Interesse an der Meldung. In diesen Fällen sind einerseits die Ärzte zur Meldung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG verpflichtet und andererseits die Betroffenen an einer Erfassung als Impfgeschädigte interessiert. Es besteht daher eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass auch die Betroffenen von der jedermann eröffneten Meldemöglichkeit Gebrauch machen. Valide Daten, die ein anderes Meldeverhalten der Beteiligten belegen können, hat auch der Parteisachverständige Lausen nicht vorgelegt.

184 bb) Die Validität und Aussagekraft der Berichte des Paul-Ehrlich-Instituts wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrer Pflicht, gemäß § 13 Abs. 5 IfSG bestimmte pseudonymisierte Patienten- und Versorgungsdaten an das Paul-Ehrlich-Institut zu übermitteln, bisher nicht nachgekommen sind.

185 Die Bestimmung des § 13 Abs. 5 IfSG sah ursprünglich nur eine Datenübermittlung an das Robert-Koch-Institut für Zwecke der Feststellung der Inanspruchnahme von Schutzimpfungen und von Impfeffekten (Impfsurveillance) vor (vgl. BT-Drs. 19/13452 S. 24 f.). Diese Regelung wurde durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) um eine entsprechende Übermittlungspflicht an das Paul-Ehrlich-Institut für Zwecke der Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen (Pharmakovigilanz) ergänzt (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28). Aus den vom Antragsteller vorgelegten Schriftlichen Fragen des Bundestagsabgeordneten Ziegler (Arbeitsnummern 3/362 und 4/212) und den Antworten des Bundesministeriums für Gesundheit vom 5. April 2022 und 2. Mai 2022 hierauf ergibt sich, dass das Paul-Ehrlich-Institut bis dahin keine anonymisierten Diagnosedaten (ICD-Codes) gemäß § 13 Abs. 5 IfSG von den Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten hat. Diesen Befund hat auch der Sachverständige Dr. Mentzer bestätigt.

186 Ungeachtet dieses Defizits im Vollzug von § 13 Abs. 5 IfSG war das Bundesministerium der Verteidigung jedoch berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen. Abgesehen davon, dass dem Paul-Ehrlich-Institut keine rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, um die Übermittlung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen zu erzwingen, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die vorhandene Datengrundlage völlig unzureichend wäre und dass die zusätzliche Datengrundlage den Erkenntnisstand ausschlaggebend verändert hätte.

187 Zum einen überschneidet und deckt sich die Datenübermittlung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 13 Abs. 5 IfSG in weitem Umfang mit der daneben bestehenden Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, wonach der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung dem Gesundheitsamt zu melden ist, das seinerseits die Meldungen in pseudonymisierter Form an das Paul-Ehrlich-Institut weiterleitet (vgl. Sangs/Eibenstein, Infektionsschutzgesetz, 2022, § 6 Rn. 13 ff., § 13 Rn. 19). Zum anderen stützt sich die Datengewinnung durch das Paul-Ehrlich-Institut nicht alleine auf die Wege des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG und § 13 Abs. 5 IfSG. Weitere Gesundheitsdaten erwirbt das Paul-Ehrlich-Institut auf der Grundlage von § 75 SGB X (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28).

188 Hinzu kommen, wie sich aus den Sicherheitsberichten ergibt, Meldungen von Beteiligten aus verschiedenen Gesundheitsberufen und Fachkreisen sowie vor allem die jedermann eröffnete Möglichkeit der direkten Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut, auch elektronisch über das dort eröffnete Meldeportal. Auf letzterer Möglichkeit beruht, wie der Sachverständige Dr. Mentzer ausgeführt hat, insbesondere der Großteil der Meldungen besonders gravierender Verdachtsfälle. Das Unterbleiben von Meldungen dürfte sich - wie oben ausgeführt - aber vornehmlich im Bereich geringfügiger Impfnebenwirkungen und nicht im hier vor allem interessierenden Bereich gravierender Nebenwirkungen bewegen. Insgesamt ergeben sich damit aus dem - gleichwohl auf Dauer so nicht hinnehmbaren - Vollzugsdefizit bei der Anwendung von § 13 Abs. 5 IfSG keine durchgreifenden Bedenken gegen die aus verschiedenen Quellen gespeisten Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts und deren Verwertung als sachverständige amtliche Auskunft.

189 cc) Keinen Erfolg haben auch die methodischen Einwände gegen die vom Paul-Ehrlich-Institut durchgeführten und in seinen Sicherheitsberichten dargestellten Auswertungsverfahren zu den ihm gemeldeten Impfschadensfällen. Der Antragsteller kritisiert, dass die Handhabung der Observed-versus-Expected-Analyse durch das Paul-Ehrlich-Institut zu einer erheblichen Fehleinschätzung der Impfstoffsicherheit führe. Dieses Verfahren sei kein taugliches statistisches Instrument, um aus den Meldedaten Anhaltspunkte für auffällige Häufungen von Nebenwirkungen herauszufiltern. Diese Einschätzung hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme jedoch nicht bestätigt.

190 Die Auswertung der von Medizinern und medizinischen Laien gemeldeten Verdachtsfälle für Impfkomplikationen ist eine komplexe Aufgabe. Wird wie im Jahre 2021 etwa drei Viertel der Bevölkerung Deutschlands gegen eine Erkrankung geimpft, treten im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auch eine hohe Zahl an durch andere Ursachen bedingten Erkrankungen und Todesfällen auf. Ebenso gibt es eine große Zahl an Fällen, deren kausale Zuordnung unklar ist. Das Paul-Ehrlich-Institut hat nach der Mitteilung des Sachverständigen Dr. Mentzer, der dort als Leiter des Sachgebiets Pharmakovigilanz tätig ist, nur die personelle Kapazität gehabt, um die Verdachtsfälle für impfbedingte Todesfälle in jedem Einzelfall nachzuverfolgen, das heißt Krankenakten anzufordern und - falls vorhanden - Obduktionsberichte auszuwerten. Die Auswertung des übrigen Datenmaterials ist fast nur durch statistische Verfahren erfolgt. Deren Aussagekraft ist zwangsläufig dadurch limitiert, dass nur Verdachtsfälle vorliegen und die medizinische Richtigkeit des gemeldeten Verdachts nicht belegt ist.

191 Die vom Antragsteller vorgetragene Kritik an der vom Paul-Ehrlich-Institut durchgeführten Observed-versus-Expected-Analyse zielt - wie die Begründung des dem Gericht übergebenen Fragenkatalogs (Anlage 1 zum Protokoll vom 6. Juli 2022) erkennen lässt - auf den Vorwurf ab, dieses Verfahren sei hinsichtlich der Aufdeckung von Nebenwirkungen äußerst ungenau und würde "selbst bei extrem tödlichen Impfstoffen kein Risikosignal ergeben" (Fragenkatalog S. 2). Dieser Vorwurf ist schon deswegen wenig evident, weil es - wie der Sachverständige Dr. Mentzer berichtet hat - gerade mithilfe der Observed-versus-Expected-Analyse gelungen ist, bei dem Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca die Nebenwirkung des Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndroms (TTS) zu entdecken. Durch die Entdeckung und anschließende Erforschung dieser schweren Impfkomplikation konnte ein wesentlicher Beitrag zur Impfstoffsicherheit geleistet werden. Darüber hinaus haben die Sachverständigen Dr. Mentzer und Dr. Dr. Oberle dem Gericht bestätigt, dass es sich um ein international übliches statistisches Auswertungsverfahren handelt, das wissenschaftlich anerkannt ist.

192 Die Vorgehensweise bei der Observed-versus-Expected-Analyse wird im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 4. Mai 2022 näher erläutert. Danach wird die Häufigkeit der nach einer Impfung gemeldeten unerwünschten Ereignisse mit den statistisch zufälligen und zu erwartenden Häufigkeiten in einer vergleichbaren (nicht geimpften) Bevölkerung unter Berücksichtigung verschiedener Zeitfenster verglichen (a. a. O. S. 22). Es wird also die Zahl der ohne Impfung zu erwartenden Erkrankungsfälle, die in gewisser Hinsicht erwartet werden ("expected"), mit der Zahl der beobachteten Fälle ("observed") verglichen. Übersteigt die Zahl der gemeldeten Impfnebenwirkungen die erwarteten Erkrankungsfälle, geht das Paul-Ehrlich-Institut von einem Risikosignal aus. In diesem Falle müssen die Gründe einer höheren Melderate durch zusätzliche Studien untersucht werden, um tatsächlich eine Impfnebenwirkung nachweisen zu können. Denn es handelt sich - wie ausgeführt - bei den Meldungen nur um medizinische Verdachtsfälle.

193 Der Senat hat sich die Einzelheiten des Berechnungsverfahrens durch die im Sachgebiet Pharmakovigilanz des Paul-Ehrlich-Instituts mit statistischen Fragen befasste Sachverständige Dr. Dr. Oberle in der mündlichen Verhandlung erläutern lassen. Die Kritik des Antragstellers an diesem Verfahren besteht hauptsächlich darin, dass bei dem Zahlenvergleich zwei unterschiedlich große Grundgesamtheiten verglichen werden: die sehr hohe Zahl an regelmäßig auftretenden Erkrankungen oder Todesfällen mit der erwartungsgemäß kleinen Zahl an Meldungen impfbedingter Erkrankungen und Todesfälle. Speziell bei den Todesfällen würden unter der Rubrik "expected" alle unabhängig von der Todesursache eingetretenen Versterbensfälle der zwangsläufig kleineren Menge an impfbedingten Todesfällen gegenübergestellt. Ein Risikosignal könne sich somit nie ergeben.

194 Diese Kritik verkennt, dass das Paul-Ehrlich-Institut nicht alle in einem Zeitraum aufgetretenen Erkrankungs- oder Todesfälle mit den im selben Zeitraum impfbedingten Erkrankungs- und Todesfällen vergleicht. Dann könnte sich schon rein mathematisch nie ein Wert von 1:1 = 1,0 ergeben. Vielmehr stellt es die in vergangenen Zeiträumen (ohne Covid-19-Impfungen) ermittelten durchschnittlichen Erkrankungs- und Todesfallraten pro 100 000 Einwohner dem im aktuellen Zeitraum als Covid-19-Impfschaden gemeldeten Erkrankungs- und Todesfällen pro 100 000 Einwohner gegenüber. Verglichen werden also Erkrankungs- und Todeszahlen ohne Impfung mit als Impfschäden gemeldeten Krankheits- und Todesereignissen. Den behaupteten logischen Fehler im Berechnungsverfahren gibt es darum nicht.

195 Allerdings steht zu erwarten, dass bei einem Vergleich über lange Zeiträume von häufig vorkommenden Erkrankungen die regelmäßig auftretenden Erkrankungs- und Todesfallwerte ohne Impfung höher sein werden als die entsprechenden Impfschadensmeldungen. Die Sachverständige Dr. Dr. Oberle hat aber überzeugend dargelegt, dass dies bei kurzen Zeitintervallen anders ist. Werden in kurzer Zeit sehr viele Impfstoffdosen verabreicht, wie dies im Frühjahr 2021 der Fall gewesen ist, dann kann es durchaus vorkommen, dass die dadurch bedingten Erkrankungen statistisch in kurzen Zeiträumen wesentlich höher sind als die durch andere Ursachen bedingten Erkrankungen. Die Sachverständige zeigte sich überzeugt, dass auch ein impfbedingt wesentlich erhöhtes Sterberisiko bei einem Vergleich der 7-Tages-Intervalle bei einer schnellen Verimpfung von hunderttausend Dosen in kurzer Zeit ein Warnsignal ergeben hätte. Darüber hinaus ergibt sich bei bislang eher seltenen Krankheitsverläufen auch bei längeren Zeitintervallen ein Warnsignal, wenn es sich um eine impfbedingte Nebenwirkung handelt und die Impfung - wie bei Covid-19 - millionenfach verabreicht wird. Daher hat sich der Vorwurf der Ungeeignetheit des Observed-versus-Expected-Analyseverfahrens zur Detektion von Impfnebenwirkungen nicht bestätigt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass das Paul-Ehrlich-Institut dieses Verfahren so anwendet, dass möglichst keine Impfnebenwirkungen aufgedeckt werden.

196 Es mag sein, dass die Observed-versus-Expected-Analyse bei der Identifizierung von Risikosignalen für Todesfälle infolge der Impfung an Grenzen stößt. Derartige Grenzen der Aussagekraft einer anerkannten und grundsätzlich geeigneten statistischen Methode entwerten allerdings die Sicherheitsberichte nicht. Denn gerade zur Einschätzung der Gefahr des Versterbens infolge einer Impfung liegen dem Paul-Ehrlich-Institut ergänzende Informationen vor, die es aus seiner Nachverfolgung der gemeldeten Verdachtsfälle gewinnt. Damit werden die Ergebnisse der statistischen Methode ergänzt und abgesichert. Im Übrigen ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Observed-versus-Expected-Analyse ohne den vom Antragsteller behaupteten methodischen Fehler zu einem Risikosignal für Todesfälle infolge von Impfungen führen würde.

197 dd) Auch der Einwand des Antragstellers, dass die Nebenwirkungen von Covid-19-Impfstoffen nicht nach der sogenannten Disproportionalitätsanalyse bewertet worden sind, ändert an der Richtigkeit und Verlässlichkeit der Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts im Sicherheitsbericht nichts. Die Disproportionalitätsanalyse besteht nach dem Vortrag des Antragstellers darin, dass für mehrere Impfstoffe jeweils das Verhältnis der gemeldeten Impfnebenwirkungen zu den gemeldeten Impftodesfällen ermittelt wird. Treten bei einem Vergleich dieser Durchschnittszahlen erhebliche Unterschiede auf, können diese Disproportionalitäten ein Indiz für eine Untererfassung von Todesfällen sein. Die Sachverständige Frau Dr. Dr. Oberle vom Paul-Ehrlich-Institut hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass diese Analyse von den Gesundheitsbehörden anderer Nationen durchgeführt und veröffentlicht werde. Die korrekte Berechnung sei allerdings sehr aufwändig. Das Paul-Ehrlich-Institut betrachte sie im vorliegenden Fall nicht für sehr aussagekräftig, weil die Datengrundlagen (Zahl der Impfungen und Nebenwirkungsmeldungen) für diesen Vergleich zwischen den Impfstoffen zu unterschiedlich seien. Aus diesen Gründen habe das Paul-Ehrlich-Institut von deren Ermittlung abgesehen. Der Senat hält diese sachverständige Einschätzung für vertretbar. Unabhängig davon bietet der Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts auch ohne diese Auswertung einen guten Überblick über die gemeldeten Nebenwirkungen und deren statistische Relevanz, sodass er als fachliche Auskunft dazu uneingeschränkt verwendet werden kann.

198 Schließlich verfängt auch der Einwand des Antragstellers nicht, dass man bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Covid-19-Impfung deren Nebenwirkungen mit den Nebenwirkungen von Influenza-Impfstoffen vergleichen müsse und dass die Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung um ein Vielfaches höher seien. Denn bei der Bewertung des Nutzens und der Risiken von Covid-19-Impfstoffen muss das Risiko der Erkrankung und des dadurch bedingten schweren Verlaufs mit dem Effekt der Covid-19-Impfung und deren Impfrisiken abgewogen werden. Ein Quervergleich der Nebenwirkungen von Impfstoffen gegen unterschiedliche Krankheiten mag zwar hermeneutische Bedeutung haben, vermag aber keinen entscheidenden Erkenntnisgewinn bei der Abwägung von Pro und Contra einer Covid-19-Impfung zu vermitteln.

199 Nach allem liegt entgegen den Ausführungen des Antragstellers keine systematische Unterschätzung der Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe vor.

200 8. Schließlich ist die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Impfungen auch nicht deswegen eine rechtswidrige und damit nach § 10 Abs. 4 SG unzulässige Weisung, weil der Impfung zwingende arzneimittelrechtliche Vorschriften entgegenstünden.

201 a) Insbesondere können die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna keinen Erfolg haben.

202 aa) Denn diese Frage bildet nicht den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Antragsteller wendet sich gegen die ihm mit der Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 im November 2021 auferlegte Verpflichtung, eine Impfung gegen Covid-19 zu dulden. In Nr. 2001 dieser Allgemeinen Regelung wird kein bestimmter Impfstoff zwingend vorgeschrieben. Wie ausgeführt greift die Duldungspflicht nur ein, wenn sich der Antragsteller nicht selbst mit einem Impfstoff seiner Wahl gegen Covid-19 impfen lässt. Dementsprechend hat es der Antragsteller in der Hand, auf einen anderen Impfstoff zurückzugreifen, der - wie etwa Nuvaxovid - ohne mRNA-Technologie arbeitet. Da im vorliegenden Verfahren kein bestimmter Impfstoff festgelegt wird und der Antragsteller auf andere Impfstoffe ausweichen kann, ist die Frage der ordnungsgemäßen arzneimittelrechtlichen Zulassung der mRNA-Impfstoffe durch die Europäische Arzneimittelagentur schon nicht entscheidungserheblich.

203 bb) Darüber hinaus gehört die Überprüfung der Zulassung eines Impfstoffes nicht zu dem von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vorgegebenen Prüfprogramm. Ordnet ein militärischer Vorgesetzter die Durchführung einer Impfung an, muss er - wie dargelegt - im Rahmen der Ermessensentscheidung das öffentliche Interesse an der Impfung mit den entgegenstehenden gesundheitlichen und beruflichen Interessen des Soldaten abwägen. Das Weisungs- und Befehlsrecht des § 10 Abs. 4 SG und die Duldungspflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG enthalten keine ausdrückliche Regelung des Inhalts, dass bei der Anordnung einer Infektionsschutzmaßnahme in Form einer Schutzimpfung das Vorliegen einer rechtmäßigen Zulassung des Impfstoffes geprüft werden muss. Allerdings folgt aus dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit von Weisungen und Befehlen, dass die Anordnung einer arzneimittelrechtlich unzulässigen Impfung gegen § 10 Abs. 4 SG verstoßen würde. Dementsprechend ist die Anordnung eines Vorgesetzten, die Impfung mit einem bestimmten Impfstoff zu dulden, nur rechtmäßig, wenn dieser Impfstoff arzneimittelrechtlich zugelassen ist (§ 21 Abs. 1 AMG). Wird die Duldung einer Impfung - wie hier - in allgemeiner Form ohne Vorgabe des zu verwendenden Impfstoffes angewiesen, genügt es, wenn überhaupt ein Impfstoff arzneimittelrechtlich zugelassen ist oder verwendet werden darf.

204 Hingegen ist die Überprüfung der arzneimittelrechtlichen Rechtmäßigkeit der Impfstoffzulassung nicht Aufgabe des militärischen Vorgesetzten oder des behandelnden Truppenarztes. Dies folgt nicht nur daraus, dass das Soldatengesetz eine solche Nachprüfung nicht vorsieht, sondern auch aus dem Umstand, dass die Kontrolle des Inverkehrbringens von Impfstoffen und Arzneimitteln den nach dem Arzneimittelrecht zuständigen Fachbehörden obliegt. Eine zusätzliche arzneimittelrechtliche Zulassungskontrolle durch die Dienststellen der Bundeswehr, die bei ihrer kurativen Behandlung von Soldatinnen und Soldaten wie ein Verbraucher zugelassene Medikamente und Impfstoffe auf dem Arzneimittelmarkt erwerben, ist weder staatsorganisatorisch noch gesetzlich vorgesehen.

205 Die vom Antragsteller geforderte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von der Europäischen Arzneimittelagentur durchgeführten Zulassungsverfahrens für die mRNA-Impfstoffe ist auch nicht deswegen notwendig, weil die den Herstellern erteilten bedingten Zulassungen für die Impfstoffe "Comirnaty" und "Spikevax" bei Nachweis eines Verfahrens- oder Rechtsanwendungsfehlers im Zulassungsverfahren automatisch unwirksam wären. Vielmehr gilt im Unionsrecht der Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten. Dieser Grundsatz besagt, dass die Rechtsakte einer europäischen Behörde - hier der Europäischen Kommission - Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden sind (EuGH, Urteile vom 15. Juni 1994 - C-137/92 P [ECLI:​EU:​C:​1994:​247] Rn. 48, vom 8. Juli 1999 - C-245/92 P [ECLI:​EU:​C:​1999:​363] Rn. 93 und vom 12. Februar 2008 - C-199/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​79] Rn. 60).

206 Dieser Grundsatz betrifft die Rechtsbeständigkeit von Gemeinschaftsakten und enthält - ähnlich wie die § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1 VwVfG im nationalen Recht - das Prinzip der Rechtswirksamkeit auch fehlerhafter Gemeinschaftsakte (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3.15 - BVerwGE 156, 199 Rn. 29). Er gestattet es insbesondere anderen europäischen und nationalen Behörden sowie Gerichten in nachfolgenden Verfahren von der Tatbestandswirkung dieses europäischen Rechtsakts auszugehen, das heißt in nachfolgenden Verfahren bei der Rechtsprüfung das tatbestandliche Vorliegen einer rechtswirksamen Zulassung festzustellen (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <111> und vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3522/08 - juris Rn. 50). Dementsprechend sind die Dienststellen der Bundeswehr nach der Zulassung eines Impfstoffes durch die Europäische Arzneimittelagentur aufgrund des Grundsatzes der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten berechtigt, diesen Impfstoff zu erwerben und im Rahmen ihrer kurativen Tätigkeit einzusetzen.

207 cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz vom 9. November 2021. Darin ist eine Klage mehrerer italienischer Privatpersonen auf Feststellung der Nichtigkeit der Zulassung des Impfstoffes Comirnaty von BioNTech/Pfizer zurückgewiesen worden, weil die Kläger nicht durch die Zulassung des Impfstoffes beschwert seien. Sie würden durch die Zulassung des Impfstoffes nicht zu dessen Benutzung verpflichtet. Daran ändere sich auch nichts, wenn ein nationales Gesetz die Verpflichtung zur Benutzung dieses Impfstoffes enthalte. Auch in diesem Falle verlange der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nicht, die unmittelbare Anrufung des Europäischen Gerichts zuzulassen, weil die nationalen Gerichte bei der Kontrolle der Impfpflicht effektiven Rechtsschutz gewährleisten und gegebenenfalls eine mittelbare Kontrolle des europäischen Zulassungsakts über das Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV herbeiführen könnten (EUG, Beschluss vom 9. November 2021 - T-96/21 - Rn. 67).

208 Allerdings besagt dieser abschließende Hinweis des Europäischen Gerichts bei der Zurückweisung der Nichtigkeitsklage gegen die Zulassung des mRNA-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer nur, dass die nationalen Gerichte bei einer in ihrem Lande beschlossenen Impfpflicht den Gerichtshof der Europäischen Union wegen einer europarechtlichen Frage im Zusammenhang mit der europäischen Impfstoffzulassung anrufen können, wenn dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes notwendig sein sollte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, S. 3415 Rn. 21 und vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - NJW 2021, 3303 Rn. 33) kann und muss ein mitgliedstaatliches letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerfGE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - NStZ-RR 2022, 222 Rn. 37).

209 Im vorliegenden Fall fehlt es aber - wie ausgeführt - an der Entscheidungserheblichkeit der vom Antragsteller aufgeworfenen europarechtlichen Frage der Rechtmäßigkeit der Zulassung der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna. Zum einen schreibt die hier im Streit stehende Regelung Nr. 2001 (AR) A1-840/8-4000 keine Verwendung bestimmter Impfstoffe vor. Zum anderen verlangt das Prüfprogramm des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vom militärischen Vorgesetzten bei der Anordnung einer Impfung nur eine umfassende Berücksichtigung der davon zu erwartenden gesundheitlichen Auswirkungen auf den Soldaten und deren Abwägung mit dem zu erwartenden Nutzen der Impfung für die militärische Einsatzfähigkeit. Für diese auf die zukünftigen Auswirkungen der Impfung gerichtete Ermessensentscheidung ist aber eine rückblickende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von der Europäischen Arzneimittelagentur durchgeführten Impfstoffzulassungsverfahrens nicht vonnöten.

210 Aus diesen Gründen hat der Senat auch im Beweisbeschluss vom 1. Juni 2022 die vom Antragsteller beantragte Beiziehung von Unterlagen zu diversen Impfstoffzulassungsverfahren abgelehnt und ausgeführt, für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung über die Aufnahme der Impfung gegen Covid-19 in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen für Soldaten genüge das Vorliegen einer bedingten oder unbedingten Zulassung der für den Einsatz vorgesehenen Impfstoffe. Das Bundesministerium der Verteidigung sei nicht zu einer umfangreichen Fehlersuche im vorgelagerten arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren verpflichtet. Umgekehrt dürfe es bei seiner Abwägung im Zulassungsverfahren nicht erkannte, aber später wissenschaftlich nachgewiesene Risiken und Nebenwirkungen zugelassener Impfstoffe nicht außer Acht lassen.

211 An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Insbesondere ist es auch für den effektiven Schutz der Grundrechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 GG nicht veranlasst, das zeitlich anderthalb Jahre zurückliegende Zulassungsverfahren zu untersuchen. Vielmehr ist es unter dem Aspekt des effizienten Grundrechtsschutzes ausreichend und geboten, auf der Grundlage der jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse die künftig von einer Impfung ausgehenden gesundheitlichen Auswirkungen in den Blick zu nehmen. Auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG erfordert es nicht, in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Anordnung der Impfpflicht die im vorangegangenen behördlichen Verfahren erteilten rechtswirksamen arzneimittelrechtlichen Zulassungen von Impfstoffen inzident zu überprüfen. Vielmehr stellt es grundsätzlich keine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz dar, wenn die Gerichte in nachfolgenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren den Tatbestand einer vorhandenen Zulassung ohne weitere Überprüfung ihren Entscheidungen zugrunde legen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerfGE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - juris Rn. 37).

212 Der Rechtsstreit war folglich auch nicht - wie vom Antragsteller schriftsätzlich angeregt - zur Klärung der Rechtmäßigkeit der von der Europäischen Kommission erteilten bedingten Zulassungen für die mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax nach Art. 267 AEUV auszusetzen.

213 b) Schließlich überzeugt auch die Annahme des Antragstellers nicht, dass die Anwendung der mRNA-Impfstoffe durch die Truppenärzte der Bundeswehr gegen arzneimittelrechtliche Strafvorschriften verstoßen würde.

214 aa) Eine Anwendung der Strafvorschrift wegen verbotener Anwendung nicht zugelassener Arzneimittel (§ 96 Nr. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG) kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Europäische Kommission auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur für die beiden Impfstoffe Comirnaty und Spikevax mit Beschlüssen vom 21. Dezember 2020 (vgl. dazu EuG, Beschluss vom 9. November 2021 - T-96/21 - Rn. 2) und vom 6. Januar 2021 (vgl. dazu EuG, Beschluss vom 1. März 2022 - T-632/21 - Rn. 3) bedingte Zulassungen erteilt hat, die später verlängert worden sind. Diese Genehmigungen erfolgten jeweils auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, Seite 1). Damit liegt eine europarechtliche Zulassung im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG vor.

215 Für den Ausschluss der Strafbarkeit nach § 96 Nr. 5 AMG kommt es nur auf die Rechtswirksamkeit dieser Zulassung an (vgl. Raum, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl. 2022, § 96 Rn. 13). Soweit die Bevollmächtigten des Antragstellers umfangreiche Ausführungen zu der Frage gemacht haben, dass die bedingte Zulassung nicht erteilt werden durfte oder zu widerrufen wäre, ist dies unerheblich. Denn die Zulassung hat jedenfalls — wie oben ausgeführt — nach dem Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Unionsakten rechtlichen Bestand, bis sie aufgehoben wird oder ausläuft (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3.15 - BVerwGE 156, 199 Rn. 29).

216 bb) Auch für die Annahme einer Strafbarkeit wegen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel nach § 95 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 AMG ist kein Raum. Als bedenklich sind nach § 5 Abs. 2 AMG nur Medikamente anzusehen, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

217 Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind die mRNA-Impfstoffe nicht schon deswegen bedenklich, weil es sich nach seiner subjektiven Einschätzung nicht um herkömmliche Impfstoffe, sondern um genbasierte experimentelle Substanzen handelt. Vielmehr kommt es dem objektiven Zweck des Gesetzes entsprechend darauf an, ob bei Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Risiken der Arzneimittel ein überwiegender medizinischer Nutzen gegenübersteht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1999 - 2 StR 44/99 - NStZ 1999, 625 Rn. 2).

218 Objektiv betrachtet erfüllen die Präparate Comirnaty und Spikevax eindeutig den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff. Nach § 4 Abs. 4 AMG sind Impfstoffe Arzneimittel, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden, und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind. Die mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna enthalten anders als herkömmliche Impfstoffe keine Antigene. Sie arbeiten aber — wie ausgeführt — mit Boten-Ribonukleinsäuren, die mit gentechnischen Methoden neu zusammengestellt (rekombiniert) werden. Zudem sind die Präparate dazu bestimmt, beim Menschen (mittelbar) die Erzeugung bestimmter Abwehrstoffe (Antikörper) auszulösen und dienen ausschließlich zur Vorbeugung der Infektionskrankheit Covid-19.

219 Dass diese neuartigen Impfstoffe den arzneimittelrechtlichen Impfstoffbegriff erfüllen, kann auch nicht mit europarechtlichen Argumenten bestritten werden. Soweit der Antragsteller wiederholt behauptet hat, die Präparate hätten von der Europäischen Arzneimittelagentur als Gentherapeutika beurteilt und geprüft werden müssen, steht dem eine klare und eindeutige Regelung in der Richtlinie 2009/120/EG der Kommission vom 14. September 2009 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel im Hinblick auf Arzneimittel für neuartige Therapien (ABl. L 242 vom 15. September 2009, S. 4) entgegen. In dieser Richtlinie wird zunächst der Begriff des Gentherapeutikums näher definiert und dann in einem Nachsatz ausgeführt: "Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten sind keine Gentherapeutika". Damit hat der Normgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass Impfstoffe unabhängig von ihrer Zusammensetzung und Wirkungsweise nicht dem Zulassungsverfahren für Gentherapeutika unterliegen.

220 Ebenso haben die mRNA-Impfstoffe objektiv betrachtet nach den vorhandenen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein vertretbares Maß an Nebenwirkungen. Dies folgt schon daraus, dass die Ständige Kommission beim Robert-Koch-Institut für nahezu alle Altersgruppen die Impfung gegen Covid-19 mit den derzeit zugelassenen mRNA-Impfstoffen empfiehlt. Denn die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission bilden den medizinischen Standard ab und berechtigen zu der Annahme, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiegt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136).

221 cc) Schließlich überzeugt auch die Annahme des Antragstellers nicht, dass die Anwendung des mRNA-Impfstoffes von BioNTech/Pfizer gegen das strafrechtliche Verbot des § 95 Nr. 3a i. V. m. § 8 Abs. 1 AMG verstößt. Nach diesen Vorschriften ist es zum Schutz der Verbraucher vor Täuschung untersagt, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind. Soweit der Antragsteller annimmt, zwei als Trägersubstanzen eingesetzte Nanolipide seien als Hilfsstoffe nicht im Arzneibuch enthalten und darin liege eine Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln, kann dies offenbleiben.

222 Das strafrechtliche Verbot greift erst ein, wenn ein Arzneimittel dadurch in seiner Qualität erheblich gemindert ist. Eine derartige Feststellung kann nicht getroffen werden. Für die Annahme des Antragstellers, dass etliche schwere Impfkomplikationen der mRNA- bzw. DNA-Impfstoffe auf diese Trägersubstanzen zurückzuführen sind, fehlen - wie ausgeführt — jegliche wissenschaftlichen Belege. Vielmehr handelt es sich bei den Nanopartikeln lediglich um Fettpartikel, die körpereigenen Fettpartikeln sehr ähnlich sind (PEI, Was wissen wir über die Sicherheit der Lipidnanopartikel in mRNA-Impfstoffen? Homepage-Beitrag vom 8. Januar 2021). Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass die Ständige Impfkommission den Einsatz dieser Medikamente von BioNTech/Pfizer und Moderna empfiehlt, gegen die Annahme, dass ein Arzneimittel minderer Qualität vorliegt. Denn die Ständige Impfkommission ist ein Expertengremium, dessen Empfehlungen den medizinischen Standard im Bereich der Impfstoffe bestimmen.

223 9. Die Anordnung der Duldung einer Covid-19-Schutzimpfung verstößt auch ansonsten nicht gegen höherrangiges Recht. Zwar dürfen Dienstvorschriften des Bundesministeriums der Verteidigung wie Befehle nach § 10 Abs. 4 SG nur zu dienstlichen Zwecken ergehen und nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts und der Gesetze erteilt werden. Im vorliegenden Fall liegt der vom Antragsteller behauptete Widerspruch der Dienstvorschrift zu höherrangigem Recht jedoch nicht vor.

224 a) Was die Verletzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (GRCh) anbetrifft, ist bereits der Anwendungsbereich dieses Grundrechtskatalogs nicht eröffnet. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh gilt die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. Für die Mitgliedstaaten findet sie ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union Anwendung. In den offiziellen Erläuterungen des Konventsvorstandes zu Art. 51 GRCh wird auf Art. 6 Abs. 2 EUV verwiesen. Danach werden durch die Bestimmungen der Charta die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert. Es bleibe bei der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Verpflichtung zur Einhaltung der im Rahmen der Union definierten Grundrechte für die Mitgliedstaaten nur dann gelte, wenn sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts handelten (EuGH, Urteil vom 13. April 2000 - C-292/97 [ECLI:​EU:​C:​2000:​202] - Slg. 2000 I-2737 Rn. 37). Soweit die Bundesrepublik Deutschland für ihre Soldaten eine besondere Duldungspflicht gegenüber Impfungen in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verankert hat, stellt die Konkretisierung dieser militärischen Duldungspflicht im Hinblick auf die Covid-19-Impfung eine rein national-rechtliche Maßnahme dar, die in keinerlei Bezug zum Anwendungsbereich des Europarechts steht.

225 Im Übrigen vermitteln diese europäischen Grundrechte, insbesondere die in Art. 1 GRCh geschützte Menschenwürde und das in Art. 3 Abs. 1 GRCh gewährleistete Recht auf körperliche Unversehrtheit, keine über Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG hinausgehenden Rechte. Soweit in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b und c GRCh spezielle Verbote zu eugenischen Praktiken und zur Gewinnerzielung mit menschlichen Körperteilen enthalten sind, sind sie offenkundig nicht einschlägig. Der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a GRCh für medizinische Behandlungen aufgestellte Grundsatz der freien Einwilligung des Betroffenen geht über das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte körperliche Selbstbestimmungsrecht nicht hinaus. Dieser Grundsatz unterliegt einem Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG vergleichbaren Gesetzesvorbehalt nach Art. 52 Abs. 1 GRCh.

226 b) Auch der Europäischen Menschenrechtskonvention lässt sich kein generelles Verbot von Impfpflichten entnehmen. Das von dem Antragsteller zitierte Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist nicht einschlägig, weil — wie oben ausgeführt - kein finaler Eingriff in dieses Rechtsgut vorliegt. Es wird nur in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zwischen dem Krankheits- und dem Impfrisiko und damit zwischen zwei Gesundheits- und Lebensrisiken eingegriffen. Daher verwendet der Europäische Gerichtshof bei Heileingriffen des Staates regelmäßig Art. 8 EMRK als Prüfungsmaßstab. Die Anordnung einer Impfpflicht ist danach ein Eingriff in die Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK, das die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen mitumfasst (EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 172 - 186, 261 - 263).

227 Ein solcher Eingriff kann allerdings im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen sein, wenn sich dies aus einem Zusammenwirken von Parlamentsgesetzen (hier: § 17a SG) und ministeriellen Verordnungen (hier: Nr. 2001 AR A1-840/8-4000) ergibt. Es genügt, wenn die Rechtsgrundlagen in angemessenen Umfang zugänglich und hinreichend bestimmt formuliert sind (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 265 f.).

228 Der Eingriff muss schließlich nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ein berechtigtes Ziel verfolgen und in einer demokratischen Gesellschaft etwa zum Schutz der nationalen Sicherheit oder zum Schutz der Rechte anderer notwendig sein. Dabei räumt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Mitgliedstaaten einen besonderen Beurteilungsspielraum ("margin of appreciation") ein. Wenn es innerhalb der Mitgliedstaaten Regelungsmodelle mit und ohne Impfpflichten gibt, sind die jeweiligen Regierungen der Mitgliedstaaten am besten in der Lage, die nationalen Prioritäten und Bedürfnisse zu beurteilen und sich für das eine oder andere Modell zu entscheiden (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 277 - 280). In diesem Sinne gibt es auch bei der Impfpflicht der Soldaten innerhalb der europäischen Staaten unterschiedliche Modelle. Insbesondere Frankreich, Italien, Griechenland und Lettland haben wie die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika für ihr Militär bzw. für alle Staatsdiener eine Covid-19-Impfung verpflichtend vorgeschrieben, während dies in anderen Staaten nicht der Fall ist. Die dafür sprechenden, militärfachlichen Argumente - jederzeitige militärische Einsetzbarkeit, besondere Gefährdungslage der Soldaten durch räumlich beengte Zusammenarbeit - sind jedenfalls gewichtige Gründe, die eine Option für das Impfpflichtmodell zulassen.

229 Demnach ist die Einführung einer Covid-19-Impfpflicht für Soldaten zulässig, wenn sie sich im Rahmen der vom Europäischen Gerichtshof angestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen bewegt. Für die Frage, ob die Impfpflicht in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht, kommt es unter anderem auf die Ausnahmen bei medizinischen Kontraindikationen, das Fehlen physischen Zwangs, die Angemessenheit der Sanktionen bei Missachtung der Impfpflicht, den verfahrensrechtlichen Schutz durch Behörden und Gerichte sowie die Vorbeugung gegen Impfschäden und die staatliche Haftung bei Impfschäden an (vgl. EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 290 ff.). In dieser Hinsicht wahrt die gesetzliche Impfpflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG — wie bereits ausgeführt — die angesprochenen Standards des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

230 c) Auch das vom Europarat initiierte "Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin" (Übereinkommen über Menschenwürde und Biomedizin) vom 4. April 1997 vermittelt keine weitergehenden Rechte. Zum einen ist es bislang nur von wenigen Mitgliedstaaten und insbesondere nicht von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet worden (vgl. Lindemann, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Band 6, 1. Aufl. 2022, Medizinische Forschung, I Rn. 7). Zum anderen schreibt Art. 5 Abs. 1 dieser Biomedizin-Konvention zwar für jede Intervention im Gesundheitsbereich eine ausreichende Aufklärung und die freie Einwilligung des Betroffenen vor. Art. 26 Abs. 1 der Biomedizin-Konvention lässt jedoch eine Einschränkung dieses Rechts durch Maßnahmen zu, die in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Damit vermittelt sie bei der gesetzlichen Anordnung von Impfpflichten keine über Art. 8 Abs. 2 EMRK hinausgehenden Rechte.

231 d) Die Duldungspflicht für Covid-19-Schutzimpfungen verletzt auch nicht deswegen allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, weil sie der Resolution 2361 der Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2021 widerspricht. Der Antragsteller weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarats über die Covid-19-Impfung beraten und den Mitgliedstaaten unter Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 dieser Resolution nahegelegt hat, alle Bürger darüber zu informieren, dass die Impfung keine Pflicht ist. Niemand solle durch politischen, sozialen oder sonstigen Druck zu einer Impfung genötigt werden. Hierbei handelt es sich jedoch — wie bereits die Überschrift der Resolution "Covid-19-Impfungen: ethische, gesetzgeberische und praktische Überlegungen" — um eine rein politische Handlungsempfehlung. Es liegt also kein Rechtsetzungsakt der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vor und damit auch keine verbindliche Regel des Völkerrechts.

232 e) Schließlich verfängt auch der Hinweis des Antragstellers auf die "Allgemeine Erklärung über Bioethik und Menschenrechte", die am 19. Oktober 2005 von der UNESCO-Generalkonferenz verabschiedet worden ist, nicht. Hierbei handelt es sich schon vom Wortlaut her um eine rein appellative Erklärung, die den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Schaffung bestimmter gesetzlicher Regelungen nahelegt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Buchst. a der Bioethik-Deklaration). Eine völkerrechtliche Verbindlichkeit hat diese Deklaration schon deswegen nicht, weil gemäß Art. 25 VN-Charta nur Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats bindende Wirkung haben (vgl. Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. 2015, Rn. 90). Im Übrigen fordert Art. 6 der Bioethik-Deklaration die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zwar auf, das Prinzip der informierten Einwilligung zur Grundlage jeder präventiven medizinischen Intervention zu machen. Dieses Prinzip soll jedoch nicht ausnahmslos gelten. Vielmehr werden Ausnahmeregelungen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und öffentlichen Gesundheit sowie der Rechte anderer in Art. 27 der Bioethik-Deklaration explizit für zulässig gehalten. Damit verfolgt die Bioethik-Deklaration der UNESCO keine Regelungsvision, die über Art. 8 Abs. 2 EMRK und die Bioethik-Konvention des Europarates hinausgeht. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit angeordnete gesetzliche Impfpflichten für Soldatinnen und Soldaten sind dadurch nicht ausgeschlossen.

233 f) Auch das Folterverbot des Art. 7 Satz 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) ist nicht berührt. Nach dieser Vorschrift darf niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden. Dieses von dem Antragsteller zitierte Verbot der zwangsweisen Durchführung medizinischer Experimente hat seinen historischen Hintergrund in den grausamen Medizinexperimenten deutscher KZ-Ärzte (Dr. Mengele u. a.) vor und während des Zweiten Weltkriegs. Es betrifft — wie das Wort "insbesondere" am Anfang des zweiten Satzes der Vorschrift zeigt — die Misshandlung von Gefangenen und deren erniedrigende Behandlung durch medizinische Experimente. Dieser Fall liegt schon deswegen nicht vor, weil es bei der Impfpflicht der Soldatinnen und Soldaten nicht um die Misshandlung Gefangener, sondern um die Anwendung eines zugelassenen Medikaments zum Zwecke der Vorbeugung gegen die Covid-19-Erkrankung geht.

234 g) Nichts anderes gilt für den von dem Antragsteller mehrfach zitierten "Nürnberger Kodex". Er ist in der Urteilsbegründung des Nürnberger Ärzteprozesses am 20. August 1947 aufgestellt worden und enthält zehn weltweit anerkannte Grundsätze für die Durchführung medizinischer Versuche (Text in Mitscherlich/Mielke, Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, 1960, S. 272 f.). Es ist unstreitig, dass das Urteil im Nürnberger Ärzteprozess und die darin als "Nürnberger Kodex" bekannt gewordenen Grundsätze rechtliche Relevanz im Rahmen des geltenden Völkerstrafrechts haben, soweit es um die Frage geht, wann die Durchführung von medizinischen Experimenten an Gefangenen oder aus rassistischen, ethnischen oder religiösen Gründen Verfolgten ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt (näher Kiriakaki, ZStW 2006, S. 229 ff.). Diese in Art. 8 IGH-Statut angesprochenen und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Fälle der menschenrechtswidrigen Misshandlung von Gefangenen und Verfolgten liegen offensichtlich nicht vor.

235 Soweit es außerhalb dieses völkerstrafrechtlichen Anwendungsbereichs um medizinische Versuche an freien Bürgern bei der pharmakologischen Medikamentenerprobung geht, wird der Nürnberger Kodex zwar ebenfalls als ethische Leitlinie angesehen und durch andere ethische Leitlinien, insbesondere die 1964 erstmals vom Weltärztebund verabschiedete Deklaration von Helsinki über ethische Grundsätze für die Forschung am Menschen ergänzt. Medizinethische Postulate sind aber nicht geltendes Recht oder völkerrechtliches Gewohnheitsrecht. Vielmehr haben die einzelnen Staaten und Staatenverbünde in diesem Bereich ihre eigenen, teilweise von den genannten medizinethischen Forderungen inspirierte, teilweise davon abweichende gesetzliche Regeln geschaffen. Diese innerstaatlichen Gesetze enthalten die dafür maßgeblichen rechtsverbindlichen Vorgaben. In diesem Bereich der zivilen pharmakologischen Forschung fehlt es zwar nicht unbedingt an übereinstimmenden Rechtsgrundsätzen, aber an der für Völkergewohnheitsrecht oder Rechtsgrundsätze des Völkerrechts notwendigen Überzeugung einer völkerrechtlichen Verpflichtung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 824/15 u. a. - NJW 2019, 2761 Rn. 32 f. m. w. N.). Denn die innerhalb der einzelnen Staaten durchgeführten Forschungsvorhaben haben keine besondere zwischenstaatliche Relevanz, sodass für den Bereich der zivilen pharmakologischen Forschung eine Überzeugung von der völkerrechtlichen Verpflichtung durch den "Nürnberger Kodex" nicht entstanden und nicht anerkannt ist (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung in BT-Drs. 18/10443 S. 44 ohne Begründung).

236 Im Übrigen wären die Grundsätze des "Nürnberger Kodex" auch nicht verletzt. Denn das Gebot, dass ein medizinischer Versuch der freien Zustimmung des Betroffenen bedarf, ist nicht berührt. Die Durchführung von Impfungen mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Impfstoffen ist anders, als der Antragsteller meint, gerade kein medizinisches Experiment. Die von der Bundeswehr zum Einsatz vorgesehenen mRNA-Impfstoffe sind von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) nach eingehender Prüfung zugelassen worden und vor ihrer Zulassung an tausenden freiwilligen Versuchspersonen getestet und auf mögliche Nebenwirkungen untersucht worden. Der Einsatz dieser Impfstoffe in der Bundeswehr dient nicht der experimentellen Erforschung der Impfstoffe, sondern allein dem Infektionsschutz der Betroffenen und ihrer militärischen Verbände. Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wird gerade nicht ohne deren Zustimmung das besonders hohe Risiko der erstmaligen Anwendung eines neuen Medikaments am Menschen auferlegt. Vielmehr werden sie mit bereits entsprechend evaluierten Impfstoffen behandelt. Von einem Medizinversuch kann daher nicht gesprochen werden. Soweit die Europäische Kommission den Herstellern der mRNA-Impfstoffe im Rahmen ihrer bedingten Zulassungen weitere Kontrolluntersuchungen auferlegt hat, dient dies der fortlaufenden Überwachung und Verbesserung der Impfstoffsicherheit.

237 h) Offensichtlich nicht einschlägig ist das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BWÜ) vom 10. April 1972. Zwar ist auch die Bundesrepublik Deutschland dieser am 26. März 1975 in Kraft getretenen UN-Konvention beigetreten. Nach Art. 1 Nr. 1 BWÜ bezieht sich das Entwicklungs- und Herstellungsverbot von mikrobiologischen oder anderen biologischen Agenzien aber nicht auf Arten und Mengen, die durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind. Die Herstellung von Impfstoffen gegen Covid-19 dient jedoch dem friedlichen Zweck der Verhütung einer in der Zivilbevölkerung verbreiteten Erkrankung, weswegen diese Impfstoffe auch nicht als Biowaffen bezeichnet werden können.

238 i) Erkennbar ohne rechtliche Relevanz für den vorliegenden Fall sind schließlich die vom Antragsteller vorgetragenen Flugsicherheitsargumente. Soweit er mit dem zum Schutz vor Angriffen auf die zivile Luftfahrt erlassenen Luftsicherheitsgesetz argumentiert, die Zuverlässigkeitsprüfung für alle im zivilen Luftverkehr beschäftigten Personen anspricht und auf die Aberkennung der Zuverlässigkeit bei Medikamentenabhängigkeit und -missbrauch nach § 7 Abs. 1a Satz 3, 4 Nr. 4 LuftSiG hinweist, ist diese Regelung offensichtlich für ihn nicht einschlägig. Der Antragsteller ist weder in der zivilen Luftfahrt beschäftigt noch wird er durch die Verpflichtung zur Duldung einer Covid-19-Schutzimpfung zu Medikamentenmissbrauch angehalten.

239 Ohne Einfluss auf die Rechtsstellung des Antragstellers ist auch das völkerrechtlich verbindliche Abkommen über die zivile Luftfahrt (Chicagoer Abkommen) vom 7. Dezember 1944 (BGBl. 1956 II S. 411) in seiner aktuell geltenden Fassung. Dass im Annex I dieses Abkommens an Piloten bei der Ausübung ihrer Fluglizenz besondere medizinische Anforderungen gestellt werden, betrifft den Antragsteller nicht, weil er weder in der zivilen Luftfahrt tätig noch als Pilot in der Bundeswehr eingesetzt ist. Aus den gleichen Gründen betreffen ihn die Bestimmungen der "Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates" (ABl. L 311 vom 25. November 2011, S. 1) nicht.

240 Im Übrigen folgt auch aus Annex I Kapitel 6.2.2.d) des Chicagoer Abkommens und den nahezu wortgleichen Bestimmungen der zitierten EU-Verordnung nur, dass Piloten frei sein müssen von jeder Wirkung oder Nebenwirkung eines verschriebenen oder nicht verschriebenen, therapeutischen, diagnostischen oder präventiven Medikaments; maßgeblich ist ein Grad an Funktionsbeeinträchtigung, der voraussichtlich die sichere Steuerung eines Flugzeugs oder die sichere Pflichterfüllung einschränken würde. Diese Regelung schließt eine Covid-19-Schutzimpfung erkennbar nicht aus, weil damit in aller Regel keine dauerhaften Beeinträchtigungen verbunden sind. Dementsprechend empfiehlt auch die Europäische Flugsicherheitsbehörde (European Union Aviation Safety Agency - EASA) eine Covid-19-Schutzimpfung von Piloten und fordert lediglich, dass nach jeder Impfung eine Überwachungszeit von 48 Stunden bis zum nächsten Flug eingehalten wird (EASA, Safety Information Bulletin vom 25. März 2021, Nr. 2021-06 S. 2). Soweit in der Wissenschaft unter Verweis auf nicht konkretisierte flugmedizinische Forschungsdefizite vereinzelt Gegenteiliges vertreten wird (vgl. Giemulla, ZLW 2022, S. 175 <193>), vermag dies die Überzeugungskraft der amtlichen Einschätzung der insoweit sachverständigen Flugsicherheitsbehörde nicht zu schwächen.

241 10. Eine Belastung des Antragstellers mit den vor dem Senat entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.

Beschluss vom 05.10.2022 -
BVerwG 1 WB 48.22ECLI:DE:BVerwG:2022:051022B1WB48.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.10.2022 - 1 WB 48.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:051022B1WB48.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 48.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 5. Oktober 2022 beschlossen:

  1. 1. Das gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B und den Richter am Bundesverwaltungsgericht C gerichtete Ablehnungsgesuch wird verworfen.
  2. 2. Das gegen die ehrenamtlichen Richter D und E gerichtete Ablehnungsgesuch wird verworfen und das gegen die Richterin am Bundesverwaltungsgericht F, den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G und den Richter am Bundesverwaltungsgericht H gerichtete Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.

Gründe

I

1 1. Das gegen die ehrenamtlichen Richter D und E sowie gegen die Richterin am Bundesverwaltungsgericht F, den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G und den Richter am Bundesverwaltungsgericht H gerichtete Ablehnungsgesuch des Soldaten ist gestellt in dem seit dem 18. Juli 2022 anhängigen Anhörungsrügeverfahren, das sich auf das vom 1. Wehrdienstsenat am 7. Juli 2022 in dieser Besetzung entschiedene Wehrbeschwerdeverfahren - 1 WB 2.22 – (Wehrbeschwerdeverfahren) bezieht.

2 2. In dem Wehrbeschwerdeverfahren war der Antrag des Soldaten, die Pflicht zur Duldung der COVID-19-Impfung zu stoppen und eine sachgerechte Entscheidung zu treffen, die der Menschlichkeit entspreche, zurückgewiesen worden. Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht schriftlich vor. Die mündliche Entscheidungsbegründung ist in ihren Grundzügen der Pressemitteilung Nr. 44/2022 des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2022 zu entnehmen.

3 3. Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs lässt der anwaltlich vertretene Soldat im Wesentlichen vortragen:

4 a) Das Ablehnungsgesuch richte sich auch gegen die ehrenamtlichen Richter, selbst wenn sie im Anhörungsrügeverfahren nicht zu beteiligen seien. Denn sie seien bei einer Fortsetzung des Verfahrens gleichermaßen mit dem bösen Schein behaftet, den Rechtsstreit nicht mehr objektiv zu entscheiden. Die Anhörungsrüge bleibe als Annex Teil der Hauptsache und führe wieder zu ihr zurück, weshalb auch über die Befangenheit der ehrenamtlichen Richter zu befinden sei. Zudem sei das Wehrbeschwerdeverfahren noch nicht beendet, weil keine schriftlichen Entscheidungsgründe vorlägen.

5 b) Die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich daraus, dass die abgelehnten Richter seine Wehrbeschwerde mit einer Begründung abgewiesen hätten, die eine höchst willkürliche Befassung mit seinem Vortrag und den Ergebnissen der Beweisaufnahme zeige. Es sei - angesichts zahlreicher, im Internet abrufbarer Erkenntnisse, auf die erneut verwiesen werde – "unfassbar", dass sich die abgelehnten Richter über eindeutige Befunde sowie gesetzliche Vorgaben hinweggesetzt hätten. Kein Mensch könne "noch ernsthaft dementieren", dass COVID-19-Injektionen mit erheblichen Risiken für Leben und Gesundheit der Geimpften verbunden seien, die sich schon hunderttausendfach realisiert hätten. Die Befragung der Experten des Robert Koch Instituts (RKI) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) habe überdeutlich bestätigt, dass deren Arbeitsweise gesetzliche Pflichten verletze und teilweise so mangelhaft und stümperhaft organisiert sei, dass sie der Öffentlichkeit keine validen Daten geliefert hätten, auf die man eine Impfpflicht stützen könne. Diese "institutionalisierte Täuschung" sei offensichtlich; zudem liege eine neue Meta-Studie vor, die die weitgehende Wirkungslosigkeit von COVID-19-Impfungen auch gegen frühere Varianten belege.

6 Den Senat habe dies nicht ansatzweise interessiert und er habe dem über 1 000 Seiten (nebst Anlagen) umfassenden Vortrag in Wahrheit kein Gehör geschenkt, sondern "bloß ein politisches Glaubens- und Treuebekenntnis" bekannt gegeben. Die Senatsentscheidung sei ein unerträglicher richterlicher Willkürakt, weil es keine Pflicht zur Aufopferung des eigenen Lebens für andere, keine Pflicht, gesundheitliche Schäden hinnehmen zu müssen, um andere angeblich zu schützen, und kein Recht eines Dritten gebe, darüber befinden zu dürfen. Erläuterungen des Bundesgesundheitsministers zur Todesgefahr ließen Gedanken zum Schießbefehl in der DDR aufkommen. Allein aus politischen Gründen seien von den Richtern sämtliche prozessuale Rechtsgrundsätze zur Beweiswürdigung über Bord geworfen worden, um der Beschwerdegegnerin beim Vollzug ihres Genexperiments an der gesamten Bundeswehr zu helfen. Die Ignoranz des Senats sei derart perfide, dass sich der Soldat für die rechtsprechende Gewalt schäme. Die Exekutive habe augenscheinlich eine derartige Dominanz, dass die Justiz und mutmaßlich auch der Senat "an die Wand gedrückt" worden seien. Seit der Wehrbeschwerdeentscheidung wüssten alle Soldaten, dass nicht mehr das Bundesministerium der Verteidigung für Gesundheitsschäden und Tote bei der Bundeswehr verantwortlich sei, sondern der Senat. Seither sei auch nicht mehr an die sachliche Unabhängigkeit der Richter und eine effektive Gewaltenteilung zu glauben.

7 Von vielen Kritikern werde die "Impf"-Kampagne als großes medizinisches Verbrechen bezeichnet. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich Experten wie ... vor einem Strafgericht verantworten müssten. Die Expertin ... habe ihm schon am zweiten Verhandlungstag "um die Ohren gehauen", er hätte frühzeitig erkennen müssen, dass den Soldaten mit den COVID-19-Injektionen eine "Biowaffe" in die Blutbahnen gespritzt werde. Es sei auch längst offiziell, dass sich die Führung der Bundeswehr gerne transhumanistischen Phantasien, also der Verbindung von Mensch und Maschine, hingebe. Für einen gläubigen Menschen seien alle genetischen Eingriffe in die Schöpfung indes satanischer Natur. Die Verhandlung im Wehrbeschwerdeverfahren müsse auch deshalb fortgesetzt werden, damit die Beschwerdegegnerin sich dazu erkläre, ob die Durchsetzung der COVID-19-Injektionen in Wahrheit nicht bloß der Durchsetzung einer Kohortenstudie mit einer Biowaffe diene.

8 Der Senat habe in seiner mündlichen Entscheidungsbegründung kein schlüssiges Gegenargument geliefert. Vielmehr habe der Vorsitzende Richter komplett losgelöst von dem eindeutigen Wortlaut des § 17a Abs. 4 SG irgendetwas über Fragen der Verhältnismäßigkeit "fabuliert", wonach diese Injektionen im Hinblick auf die damit verbundene Zielsetzung und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände bei der Bundeswehr verhältnismäßig seien. Damit sei nicht nur gegen den Gesetzeswortlaut, sondern auch gegen das Zitiergebot verstoßen worden, weil durch die Impfung in das Recht auf Leben eingegriffen werde. Des Weiteren seien unter Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters bestimmte Fragen nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt worden.

9 Hinzu komme, dass der Vorsitzende Richter - für jeden Prozessbeobachter erkennbar - ersichtlich sehr bemüht gewesen sei, die Befragung der Vertreter des RKI und PEI durch die Bevollmächtigten und deren Sachverständigen zu behindern. Ein Prozessbeobachter wolle sogar beobachtet haben, dass der Vorsitzende während der Befragung des Vertreters des RKI von diesem mit Handzeichen darum gebeten worden sei, einzugreifen, was auch geschehen sei. Der Vorsitzende habe das Wort ergriffen und erklärt, dass diese Fragen doch schon beantwortet seien. Den Prozessbeobachter namentlich zu benennen, verbiete die Gefahr, dass dieser dadurch Nachteile zu befürchten habe.

10 Bei den der Pressemitteilung zu entnehmenden Entscheidungsgründen dränge sich der Verdacht der Rechtsbeugung auf. Dies erkläre auch, weshalb der Senat es nicht vermocht habe, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale präzise in die Entscheidungsgründe zu gießen. Es möge zwar sein, dass das ein oder andere Senatsmitglied sich geweigert habe, an dem Akt der Rechtsbeugung teilzunehmen; jedoch habe es sicher "nicht an der Vergewaltigung des Rechts in Form der Rechtsbeugung mitzuwirken".

11 Dass im Wehrbeschwerdeverfahren keine Ablehnungsgesuche gestellt worden seien, erkläre sich mit prozessstrategischen Erwägungen, unter anderem damit, dass das Wehrbeschwerdeverfahren von dem Senat in letzter Instanz entschieden worden und er zu einer Anhörung von Sachverständigen bereit gewesen sei. Dies ändere nichts daran, dass Ablehnungsgesuche nicht nur aufgrund der recht willkürlichen Ablehnung zahlreicher Beweisanträge und Beweisanregungen hätten gestellt werden können. So habe der Vertreter des Bundes schon am ersten Verhandlungstag erklärt, mit dem Vorsitzenden telefoniert zu haben; dies habe dieser freilich dementiert.

12 Da die abgelehnten Richter den eindeutigen Ergebnissen der Beweisaufnahme und seinem umfangreichen Vortrag kein Gehör geschenkt hätten, würden sie auch künftig faktenresistent und hochbefangen agieren. Ihr Versagen sei "unverzeihlich" und dürfe sich im Anhörungsrügeverfahren nicht wiederholen.

13 c) Ein solches Verhalten stehe auch wegen der Umstände der Entscheidungsverkündung zu befürchten; insbesondere die Mitteilung des Vorsitzenden vom 3. August 2022 dokumentiere Ignoranz und Willkür.

14 Nachweislich sei am 7. Juli 2022 bereits um 6:48 Uhr von FOCUS-Online die Wehrbeschwerdeentscheidung online eingestellt worden, obwohl deren Verkündung erst um 11 Uhr erfolgt sei. Damit liege nahe, dass Senatsmitglieder oder Dritte Informationen zum Verfahrensausgang weitergegeben hätten, um jeder Diskussion frühzeitig ein Ende zu bereiten. Der politische Druck sei augenscheinlich zu groß geworden.

15 Auf die Aufforderung, Stellungnahmen der beteiligten Richter zur Frage einzuholen, ob und mit welchen Personen sie außerhalb des Senats in der Zeit vom 6. Juli 2022 um 18 Uhr bis zur Verkündung der Entscheidung am 7. Juli 2022 um 11 Uhr über das Verfahren gesprochen hätten, habe der Vorsitzende unzutreffend mitgeteilt, der FOCUS-Online-Artikel sei nicht bereits um 6:48 Uhr eingestellt gewesen, es handele sich um einen falschen Zeitstempel. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass die Informationen auch aus Ministerien gekommen seien, die nach ihrer Einflussnahme und der Bestätigung, dass die Entscheidung wie von ihnen gewünscht ergehe, die Presse informiert hätten. Dass es zu diesen Fragen keine richterlichen Stellungnahmen geben solle, steigere die Besorgnis der Befangenheit.

16 Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Senat nicht mit den eindeutigen Fakten auseinandersetze und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehe. Danach müsse mindestens ein Mitglied des Senats schon am Abend des 6. Juli 2022 mit einer außenstehenden Person Kontakt aufgenommen und mit ihr über den Ausgang des Verfahrens gesprochen haben. Dabei sei irrelevant, ob die Initiative zu diesem Kontakt von einem Außenstehenden oder Senatsmitgliedern ausgegangen sei. Die Bereitschaft eines Richters, sich vor einer abschließenden Abstimmung mit Außenstehenden über eine Rechtssache bzw. den Beratungsstand zu unterhalten, belege dessen Befangenheit. Das Beratungsgeheimnis sei kein Freibrief für die Verletzung von Dienstpflichten und verbiete keine Aufklärung. § 48 ZPO bilde - entgegen der Rechtsauffassung des Vorsitzenden Richters - eine Grundlage dafür, die Senatsmitglieder dazu zu befragen, ob sie im fraglichen Zeitraum mit Dritten insbesondere über den Stand des Abstimmungsverhaltens gesprochen hätten und es Einflussnahmen gegeben habe. Dabei werde nicht behauptet, dass ein Senatsmitglied nur mit einem Vertreter von Focus-Online gesprochen haben könne; denkbar sei auch, dass es einen Kontakt etwa zu Behördenvertretern gegeben habe.

17 Bei fünf Senatsmitgliedern hänge alles vom Abstimmungsverhalten des fünften Richters ab, wenn zwei für und zwei gegen den Erfolg der Wehrbeschwerde hätten stimmen wollen. Falls am 6. Juli 2022 um 18 Uhr noch eine solche Konstellation bestanden habe, hätte es ausgereicht, diesen fünften Richter nach 18 Uhr zu kontaktieren und zu korrumpieren, um sein Abstimmungsverhalten zum Nachteil des Soldaten zu manipulieren. Das würde voraussetzen, dass der Stand der Beratungen nach dem 6. Juli 2022, 18 Uhr, von zumindest einem Richter an Personen außerhalb des Senats bekannt gegeben worden sei. Somit wären zumindest zwei Richter "kompromittiert" worden, nämlich der Richter, der mit Dritten über den "unwilligen" Richter gesprochen habe, und der "unwillige" Richter, der deshalb von Dritten kontaktiert und zur Ablehnung der Beschwerden beeinflusst worden sei.

18 Wenn es bereits am 6. Juli 2022 um 18 Uhr eine Mehrheit für die Ablehnung der Beschwerde gegeben habe, wäre diese Entscheidung sicherlich schon am selben Tag verkündet worden. Sollte die Entscheidung über den Ausgang des Wehrbeschwerdeverfahrens in Wahrheit also - worauf der FOCUS-Online-Artikel vom 7. Juli 2022, 6:48 Uhr zwingend schließen lasse - schon am Abend des 6. Juli 2022 gefallen sein und nicht erst aufgrund weiterer Beratungen am 7. Juli 2022, habe offensichtlich zumindest ein Richter schon am Abend des 6. Juli 2022 (nach 18 Uhr) gewusst, wie die Entscheidung am nächsten Tage aussehen würde, eben weil er gewusst habe, wie er dann entscheiden würde. Dies könnte der fünfte Richter gewesen sein, von dessen Votum der Ausgang des Verfahrens abhängig gewesen sei. Möglicherweise seien in der Nacht des 6. Juli 2022 auch gleich zwei Richter "gedreht" worden. Solche Sachverhalte könnten nur durch interne Ermittlungen aufgeklärt werden. Vor diesem Hintergrund erkläre sich auch, dass sich der Vertreter der Antragsgegnerin in seinem gleichsam entspannten Plädoyer auf wenige Phrasen beschränkt und den Sach- und Streitstand nicht mehr gewürdigt habe.

19 d) Die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter wirkten "nur wie Spottgesang". Sie könnten unmöglich über alle relevanten Fragen beraten haben, da sie dann antragsgemäß hätten entscheiden müssen. Zudem könne das Bundesverfassungsgericht, auf das sich der Senat beziehe, seit dem Amtsantritt des aktuellen Präsidenten von keinem kritischen Juristen mehr ernstgenommen werden, zumal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impflicht nicht herangezogen werden könne. Dass die Richter in ihren dienstlichen Äußerungen auf die Begründungen zur Anhörungsrüge nicht eingegangen seien, bekräftige die Besorgnis ihrer Befangenheit. In Wahrheit hätten sie nur "das politische Interesse, das seit März 2020 offenbar nur noch Ausdruck der Interessen der Pharmaindustrie und ihre Anteilseigner" sei, berücksichtigt.

20 4. Unter dem 12. Juli 2022 hatte der Vorsitzende Richter dem Soldaten mitgeteilt, auf Rückfrage der Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts habe die FOCUS-Redaktion erklärt, dass sie den Entscheidungstenor nicht vorab gekannt habe. Es handele sich um einen Ticker, der fortwährend aktualisiert werde. Möglicherweise habe an der fraglichen Stelle zuvor die Vorabmeldung ("Heute soll das Urteil fallen") gestanden, die dann durch die Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung ersetzt worden sei, ohne dass zugleich die Uhrzeit aktualisiert worden sei.

21 Unter dem 3. August 2022 hatte der Vorsitzende ausgeführt, er könne nur versichern, dass auch ihm über eine Vorabbekanntgabe der Beschlüsse an die Presse nichts bekannt sei. Soweit zum Beweis des Gegenteils eine Google-Cache Auswertung eines nicht näher genannten Experten vorgelegt worden sei, könne und müsse er nicht darüber entscheiden, ob dem ein besonderer Beweiswert zukomme. Denn ihm sei keine prozessrechtliche Bestimmung bekannt, die den Vorsitzenden dazu berechtige, entsprechende Ermittlungen vorzunehmen. Da er nicht die Dienstaufsicht über die Mitglieder des Senats führe, könne er auch nicht die Abgabe dienstlicher Stellungnahmen in Aussicht stellen.

22 5. Zu dem Ablehnungsgesuch haben sich die Richterin am Bundesverwaltungsgericht F, der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht G und der Richter am Bundesverwaltungsgericht H dienstlich geäußert und ihre Befangenheit verneint. Alle haben erklärt, insbesondere an einer etwaigen Vorabinformation an die Presse nicht beteiligt gewesen zu sein.

II

23 1. Das weitere Ablehnungsgesuch des Soldaten vom 25. August 2022 richtet sich gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B und den Richter am Bundesverwaltungsgericht C, die nach Auffassung des Soldaten über das unter I beschriebene Ablehnungsgesuch zu befinden haben. Er leitet deren Befangenheit aus der Begründung des von ihnen gefassten Beschlusses vom 18. August 2022 ab, mit dem in dem nicht vom Soldaten betriebenen Verfahren 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 ein ebenfalls gegen die hauptberuflichen regulären Richter des 1. Wehrdienstsenats gerichtetes Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden war (Befangenheitsbeschluss).

24 2. Der Befangenheitsbeschluss gehe vollkommen an der Sach-, Beweis- und Rechtslage vorbei wie sie im Wehrbeschwerdeverfahren herausgearbeitet worden sei. Die Beweislage in diesem Verfahren sei eindeutig gewesen. Die rechtlichen Erwägungen seien zwingend und ließen - anders als im Befangenheitsbeschluss unter Randnummer 21 angenommen - keinen Raum für eine von den Tatbeständen des § 17a SG losgelöste Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung. Richter, die die Einwendungen gegen eine COVID-19-Impfpflicht nicht ansatzweise widerlegen könnten, offenbarten im Rahmen ihrer Entscheidung über einen Befangenheitsantrag Willkür, wenn sie auf die rechtlichen Einwendungen mit keinem Wort eingingen. Dies spreche dafür, dass sie keine Gegenargumente hätten. Eine derart eindeutige und offensichtliche Willkür sei der beste Beleg für eine persönliche Voreingenommenheit. Die über das Befangenheitsgesuch entscheidenden Richter hätten in dem Befangenheitsbeschluss faktisch ihr "totales Einverständnis" mit der Wehrbeschwerdeentscheidung erklärt und seien von einer Ermessensentscheidung ausgegangen, obwohl für diese nach den gesetzlichen Vorgaben kein Raum bestehe.

III

25 1. Der Senat entscheidet über das unter I beschriebene Ablehnungsgesuch ohne Mitwirkung der Richter des 1. Wehrdienstsenats (§ 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 54 Abs. 1 VwGO, § 45 Abs. 1 ZPO).

26 2. Da der 1. Wehrdienstsenat dadurch in Gänze nicht mehr beschlussfähig ist, haben über das Ablehnungsgesuch gemäß C. III. 1. Satz 2 des Geschäftsverteilungsplanes des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsjahr 2022 (Geschäftsverteilungsplan) anstelle der Berufsrichter des 1. Wehrdienstsenats - F, G und H - die Berufsrichter des 2. Wehrdienstsenats - G, B sowie A - zu befinden, wobei G als Vorsitzender auch des 2. Wehrdienstsenats wegen des Ablehnungsgesuchs zu I von der Mitwirkung erneut ausgeschlossen ist. An seine Stelle tritt gemäß C. III. 4. des Geschäftsverteilungsplans Richter am Bundesverwaltungsgericht I, nachdem Richter am Bundesverwaltungsgericht C bereits an der Sache 1 WB 46.22 mitgewirkt hat. Der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter bedarf es nicht, weil im Ablehnungsverfahren keine abschließende Entscheidung zur Sache getroffen wird (BVerwG, Beschlüsse vom 26. April 2011 - 2 WDB 2.11 - Buchholz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 5 und vom 17. Januar 2006 - 1 WB 3.05 - juris Rn. 33).

27 3. Das weitere Ablehnungsgesuch des Soldaten gegen die Richter, die über sein Ablehnungsgesuch gemäß I zu entscheiden haben, ist offensichtlich unzulässig und zu verwerfen. Wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit dieses Ablehnungsgesuchs kann diese Entscheidung gemeinsam mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gemäß I ergehen (BVerfG, Beschluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - juris Rn. 1).

28 a) Soweit es sich gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht C richtet, ist es bereits deshalb offensichtlich unzulässig, weil dieser nach dem Geschäftsverteilungsplan an der Entscheidung über das gegen die regulären Richter des 1. Wehrdienstsenats gerichtete Ablehnungsgesuch nicht mit zu befinden hat (BVerfG, Beschluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - juris Rn. 2 und 4).

29 b) Auch das gegen die Richter am Bundesverwaltungsgericht A und B gerichtete Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig. Bei ihnen liegen nach dem gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO entsprechend anwendbaren § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 ZPO, § 54 Abs. 2 VwGO, § 77 WDO (BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2021 - 1 WB 27. 20 - juris Rn. 5 und vom 30. Januar 2018 - 1 WB 12.17 - juris Rn. 5) keine gesetzlichen Ausschließungsgründe vor; ebenso fehlt es an Gründen, die deren Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Dies ist derart offensichtlich, dass unter ihrer Mitwirkung über das gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden werden kann und von ihnen keine dienstlichen Äußerungen eingeholt zu werden brauchen (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 - Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - juris Rn. 2).

30 aa) Ob das gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuch bereits rechtsmissbräuchlich, insbesondere auf Verfahrensverschleppung oder auf die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke gerichtet ist, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls ist das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig, weil keine geeigneten Befangenheitsgründe dargelegt werden. Das über weite Strecken durch polemisierende, allgemeinpolitische Erwägungen getragene und in Überlegungen zu "satanischem" Agieren und ahistorischen Vergleichen gipfelnde Vorbringen ist von vornherein, d. h. ohne Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens, ersichtlich ungeeignet, bei ihnen die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 Rn. 8, vom 18. August 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - juris Rn. 5 m. w. N. und vom 20. März 2017 - 2 WD 16.16 -; ThürVerfGH, Beschluss vom 2. November 2016 - VerfGH 8/14 - juris Rn. 30; Zöller, ZPO, Kommentar, 34. Aufl. 2022, § 44 Rn. 17). Im Einzelnen:

31 bb) Nach dem gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO entsprechend anwendbaren § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, nicht hingegen, dass dieser tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt zwar, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit eines Richters zu zweifeln, mithin bereits der "böse Schein" besteht. Die ausschließlich subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht indes nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - Rn. 9 m. w. N.). Der Standpunkt dessen, der die Parteilichkeit geltend macht, ist rechtlich wichtig, aber nicht ausschlaggebend; entscheidend ist vielmehr, ob seine Befürchtung auch objektiv berechtigt ist (EGMR, Urteil vom 16. Februar 2021 - 1128/17 - NJW 2021, 2947 - Rn. 46).

32 cc) Gemäß § 23a Abs. 1 WBO i. V. m. 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 44 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO ist der Ablehnungsgrund individuell bezogen auf den oder die an der zu treffenden Entscheidung beteiligten Richter glaubhaft darzulegen (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 - Rn. 20). Glaubhaft zu machen sind nach § 294 ZPO dabei tatsächliche Angaben, aus denen sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Besorgnis der Befangenheit ableitet (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06 <KG> - NJW-RR 2007, 776 <777>; Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 44 Rn. 8 f.). Führt die Würdigung der glaubhaft gemachten Tatsachen dazu, dass sich das über das Befangenheitsgesuch entscheidende Gericht weder zur Bejahung noch zur Verneinung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit in der Lage sieht (non liquet), hat dies nicht die Glaubhaftmachung der die Besorgnis der Befangenheit begründenden Behauptung zur Folge. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Gericht den widerstreitenden Mitteln der Glaubhaftmachung den gleichen Beweiswert beimisst (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09 - NJW-RR 2011, 136 - Rn. 10 f. m. w. N.). Die Unparteilichkeit eines Richters wird vielmehr bis zum Beweis seines Gegenteils vermutet (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Februar 2021 - 1128/17 - NJW 2021, 2947 - Rn. 45).

33 dd) Anders als vom Soldaten angenommen, dient das Ablehnungsverfahren nicht dazu, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen oder einem Verfahrensbeteiligten eine Handhabe zu geben, einen seinem Anliegen gewogenen Richter auszuwählen. Es soll Verfahrensbeteiligte ausschließlich vor einer persönlichen Voreingenommenheit des Richters, nicht aber vor dessen Rechtsanwendung schützen. Richterliche Äußerungen zu Ablehnungsgesuchen brauchen sich deshalb auch nicht zu vermeintlichen Verstößen gegen materielles Recht bei der richterlichen Entscheidungsfindung und vermeintliches Fehlverhalten bei der Sachverhaltsbeurteilung zu verhalten. Dem entspricht des Weiteren, dass grundsätzlich allein aus der richterlichen Vorbefassung mit einer auch im anhängigen Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsfrage keine Besorgnis der Befangenheit abgeleitet werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - juris Rn. 10 m. w. N.). Dies gilt auch angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 16. Februar 2021 - 1128/17 - NJW 2021, 2947 Rn. 48; OLG Oldenburg, Beschluss vom 10. Juni 2022 - 1 Ws 203/22, 1 Ws 204/22 - NJW 2022, 2631 - Rn. 10), zumal die Richter A und B an dem dem Anhörungsrügeverfahren vorangegangenen Wehrbeschwerdeverfahren nicht beteiligt waren und der Soldat auch nicht Beteiligter in den Verfahren 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 war, in denen sie über das dortige Ablehnungsgesuch mit befunden haben.

34 ee) Soweit der Soldat ihre Befangenheit daraus ableitet, sie hätten in dem auch von ihnen unterzeichneten Befangenheitsbeschluss den von den Richtern des 1. Wehrdienstsenats in ihrer Wehrbeschwerdeentscheidung zugrunde gelegten rechtlichen wie tatsächlichen Bemessungsmaßstab nicht als willkürlich moniert und dadurch ihrerseits willkürlich befunden, behauptet der Soldat einen Rechtsanwendungsfehler, der für sich genommen ersichtlich ungeeignet ist, einen Ablehnungsgrund darzutun.

35 Seine sich auf den Nachweis vermeintlicher Willkür beschränkende Begründung trägt schon formal nicht dem Umstand Rechnung, dass es dazu der sachlichen Darlegung einer willkürlichen Auslegung des § 42 Abs. 2 ZPO im Befangenheitsbeschluss bedurft hätte; dies gilt umso mehr, als das Verfahren über ein Ablehnungsgesuch kein Rechtsbehelfsverfahren darstellt, mit dem die Richtigkeit der von den für befangen erachteten Richter getroffenen Entscheidung uneingeschränkt überprüft wird.

36 Die Entscheidung selbstständig tragend tritt schließlich hinzu, dass eine gerichtliche Entscheidung, die tragende Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts aufgreift, rechtlich nicht - insbesondere weil unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juli 2022 - 2 BvR 1154/21 - WM 2022, 1691 - juris Rn. 26) – willkürlich sein kann. Die Auffassung des Bevollmächtigten des Soldaten, impfbezogene Judikate des Bundesverfassungsgerichts würden seit dem Amtsantritt des dortigen Präsidenten von keinem kritischen Juristen mehr ernst genommen, entbehrt als rechtspolitische Einschätzung jeglichen juristischen Gehalts und bedarf daher keiner weiteren Erörterung.

37 ff) Konkrete Umstände, die darauf hindeuten, dass die Erwägungen im Befangenheitsbeschluss vom 18. August 2022 auf einer persönlichen Voreingenommenheit der Richter beruhen könnten, sind nicht ansatzweise vorgetragen worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - Rn. 11 m. w. N.).

38 4. Das gegen die am Wehrbeschwerdeverfahren beteiligten Richter gerichtete Ablehnungsgesuch ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

39 a) Ein anhängiges gerichtliches Verfahren, innerhalb dessen für ein Ablehnungsgesuch Raum ist, liegt in Gestalt des Anhörungsrügeverfahrens nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a VwGO vor. Denn das Wehrbeschwerdeverfahren ist bereits abgeschlossen. Zwar liegen in dem Wehrbeschwerdeverfahren noch keine schriftlichen Urteilsgründe vor; dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass bereits mit der Verkündung der Entscheidung eine gemäß § 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 125 Abs. 2 WDO unanfechtbare Entscheidung existiert.

40 b) Ob innerhalb eines Anhörungsrügeverfahrens ein Ablehnungsverfahren überhaupt statthaft ist (bejahend: BVerwG, Beschluss vom 14. April 2021 - 9 A 8.19 u. a. - juris Rn. 5; VGH Kassel, Beschluss vom 15. Juli 2021 - 3 B 370/21 - juris Rn. 3 f.; ablehnend: VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 S 783/16 - juris Rn. 3 ff.; VGH München, Beschluss vom 7. November 2016 - 10 BV 16.962 - juris Rn. 6 ff.; OVG Weimar, Beschluss vom 2. Juni 2017 - 3 SO 79/17 - juris Rn. 1; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. November 2020 - 20 WLw 3/20 - juris Rn. 13 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2021 - 1 B 117/21 - juris Rn. 1; offengelassen: BVerwG, Beschlüsse vom 28. Mai 2009 - 5 PKH 6.09 - juris Rn. 3 und vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 3 ff.; OVG Bautzen, Beschluss vom 29. November 2017 - 1 F 30/17 - juris Rn. 3), kann dahingestellt bleiben, weil das gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO entsprechend § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 41 bis 49 ZPO zu würdigende (BVerwG, Beschluss vom 11. März 2021 - 1 WB 27.20 -, juris Rn. 3) Ablehnungsgesuch des Soldaten jedenfalls keinen Erfolg hat.

41 c) Es ist offensichtlich unzulässig, soweit es sich gegen die ehrenamtlichen Richter richtet, die an dem Wehrbeschwerdeverfahren mitgewirkt haben. Denn in dem Anhörungsrügeverfahren wirken sie nicht mit (BVerwG, Beschluss vom 22. April 2010 - 1 WB 4.10 - juris Rn. 6 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 12 und BVerfG, Beschluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - juris Rn. 2 und 4).

42 Anders als vom Soldaten angenommen, folgt nichts anderes daraus, dass die ehrenamtlichen Richter - nur - im Falle einer erfolgreichen Anhörungsrüge an der Sachentscheidung im Wehrbeschwerdeverfahren wieder mitzuwirken hätten. Denn ob die Anhörungsrüge Erfolg hat und das Verfahren gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO fortzuführen ist, steht noch nicht fest. Angesichts dessen bedurfte es - anders als vom Soldaten in seinem Schriftsatz vom 8. September 2022 und 3. Oktober 2022 gefordert - auch nicht der Einholung dienstlicher Äußerungen der ehrenamtlichen Richter.

43 d) Bezogen auf die für befangen erachteten hauptberuflichen Richter ist - ungeachtet der Frage, ob nicht bereits nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 43 ZPO ein Verlust des Ablehnungsrechts eingetreten ist - das Ablehnungsgesuch insgesamt unbegründet. Bei ihnen liegen weder gesetzliche Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 ZPO, § 54 Abs. 2 VwGO, § 77 WDO (BVerwG, Beschlüsse vom 30. Januar 2018 - 1 WB 12.17 - juris Rn. 5 und vom 11. März 2021 - 1 WB 27. 20 - juris Rn. 5) vor noch ist deren Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt. Einen Ausschluss aus sonstigen Gründen verbietet der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; BVerwG, Beschluss vom 18. August 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - juris Rn. 8).

44 aa) Nach den unter III 3 b) dargelegten Rechtsgrundsätzen wäre selbst eine unzutreffende Beweiswürdigung oder Rechtsanwendung durch die betroffenen Richter allein nicht geeignet, den objektiven Anschein ihrer Befangenheit zu begründen.

45 Der Senat hält zudem auch in der vorliegenden Besetzung an der bereits im Befangenheitsbeschluss dargelegten Rechtsauffassung fest, derzufolge sich die unter Mitwirkung der abgelehnten Richter im Rahmen einer nach den gesetzlichen Vorgaben ausdrücklich freien Beweiswürdigung (§ 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO, § 261 StPO) getroffene Entscheidung und die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung nicht als rechtlich willkürlich erweist. Dies belegen sowohl rechtswissenschaftliche Positionierungen zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht (vgl. Richter, NVwZ 2022, 204 <204 ff.>; Gerhardt, ARP 2021, 149) als auch einer sektoralen Impfobliegenheit. Namentlich das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass sich der Staat trotz der Unwägbarkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnislage an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientieren und er Konflikte zwischen hoch- und höchstrangigen Interessen auch bei ungewisser Lage entscheiden darf (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 152 und 187; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 117 ff. sowie EGMR, Urteil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 274 ff.).

46 bb) Soweit der Soldat die Besorgnis der Befangenheit auch auf einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs stützt, hat er sie bereits deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil die schriftlichen Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, sodass er allein aus dem Ergebnis des Wehrbeschwerdeverfahrens mutmaßt, die Richter hätten seinen Vortrag unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 2022 - 2 BvR 1982/20 - juris Rn. 41) nicht gewürdigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - juris Rn. 15). Erst beim Vorliegen der schriftlichen Entscheidungsgründe lässt sich zudem vom Soldaten glaubhaft darlegen, ob gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union willkürlich verstoßen wurde. Dabei enthält der bisherige Vortrag nicht ansatzweise einen Vortrag zu den differenzierten Vorlagevoraussetzungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Mai 2022 - 1 BvR 2342/17 - NJW 2022, 2828 - Rn. 13).

47 cc) Ebenso wenig hat der Soldat nach Maßgabe der unter III 3. b) cc) dargestellten Anforderungen konkrete Umstände substantiiert und glaubhaft dargelegt, welche dafür streiten, dass die Rechtsauffassung der Richter auf einer persönlichen Voreingenommenheit ihm gegenüber beruht.

48 aaa) Bezogen auf den Richter G ist mit der Behauptung, insbesondere bei ihm sei allgemein aufgefallen, dass er darum bemüht gewesen sei, die Befragung der Vertreter des RKI und PEI zu behindern, unabhängig von den Vorgaben des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO schon dem Grunde nach kein Befangenheitsgrund glaubhaft dargelegt worden. Die Behauptung ist abstrakt und bewegt sich auf der Bewertungsebene ohne konkrete Tatsachen zu beschreiben, die die Verfahrensführung als rechtswidrig ausweisen könnten. Dass der Soldat aus prozesstaktischen Gründen davon abgesehen haben will, die Prozessführung des Vorsitzenden zu beanstanden (§ 104 Abs. 2 Satz 2 VwGO) oder ein Ablehnungsgesuch gegen ihn anzubringen, ist zudem ein Motiv, das nicht für die Befangenheit eines Richters spricht, sondern vielmehr belegt, dass beim Soldaten die Erwartung eines vorteilhaften Prozessausgangs überwog. Selbstständig tragend kommt hinzu, dass auch die gesetzgeberische Wertung des § 44 Abs. 4 ZPO dagegen streitet, prozesstaktischen Erwägungen dieser Art hier Raum zu geben.

49 bbb) Der Vortrag, ein Prozessbeobachter wolle sogar beobachtet haben, dass der Vorsitzende in der Verhandlung während der Befragung des Vertreters des Robert-Koch-Instituts von diesem mit Handzeichen darum gebeten worden sei, einzugreifen und ihm beizustehen, was auch geschehen sei, legt ebenso wenig einen Ablehnungsgrund glaubhaft dar. Die Behauptung bezieht sich zum einen auf die Wahrnehmung einer anderen, weiterhin unbenannten Person; zum anderen finden sich keine Darlegungen dazu, warum die Intervention des Vorsitzenden und dessen (angeblich unzutreffende) Einschätzung, die Fragen seien ausreichend beantwortet, nicht mehr von der Befugnis des Vorsitzenden zur Verhandlungsführung erfasst gewesen sein sollten. Auch insoweit hat der Soldat keinen Anlass gesehen, im Wehrbeschwerdeverfahren ein Ablehnungsgesuch anzubringen.

50 ccc) Die Weigerung des Vorsitzenden, dienstliche Stellungnahmen von den sonstigen Richtern zu ihrem dienstlichen Verhalten für den Zeitraum 6. Juli, ab 18 Uhr bis zum 7. Juli, 11 Uhr einzuholen, begründet ebenfalls nicht den Anschein der Befangenheit, zumal es sich um ein Verhalten handelte, das dieser erst nach Erlass der für willkürlich erachteten Wehrbeschwerdeentscheidung zeigte. Zudem hat sich der Vorsitzende Richter - wie auch die sonstigen hauptberuflichen Senatsmitglieder des 1. Wehrdienstsenats - in seiner dienstlichen Stellungnahme zu der vom Soldaten eingeforderten Auskunft geäußert. Dass sich die dienstlichen Äußerungen insbesondere nicht zur Berechtigung der Anhörungsrüge verhalten, spricht dabei gerade nicht für die Befangenheit der Richter, sondern für ihre Unvoreingenommenheit, die sie mit einer dezidierten rechtlichen Positionierung in Frage gestellt hätten.

51 ddd) Soweit es die Umstände im Zusammenhang mit der Verkündung der Wehrbeschwerdeentscheidung betrifft, legt der Vortrag ebenfalls nicht dar, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Besorgnis der Befangenheit besteht.

52 Zwar ist nicht zu verkennen, dass die FOCUS-Online-Mitteilung zu Irritationen geführt hat, weil dadurch denkmöglich wurde, dass sich ein Richter des 1. Wehrdienstsenats bereits vor einer abschließenden Abstimmung mit Außenstehenden über den Fall und richterliches Abstimmungsverhalten unterhalten und sich dadurch - oder einen anderen Richter - damit Einflussnahmen ausgesetzt hat. Ob sich diese Denkmöglichkeit bereits nur im Denktheoretischen bewegt, kann offenbleiben; jedenfalls ist sie angesichts der Darlegungen des Soldaten nach Maßgabe der unter gemäß III 3. b) cc) dargestellten Anforderungen nicht glaubhaft gemacht worden. Bereits semantisch verdeutlicht sich der weitgehend hypothetische Gehalt des Vortrags exemplarisch an zahlreichen "Falls-", "Wenn-" und "Möglicherweise"-Formulierungen (vgl. etwa Seite 4 des Schriftsatzes vom 5. August 2022). Im Einzelnen:

53 (1) Die der Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts gegenüber getätigte Aussage von FOCUS-Online, es sei unterlassen worden, die Uhrzeit bei der Ankündigung der Entscheidung der Uhrzeit über die Verkündung der Entscheidung anzupassen, ist plausibel. Selbst wenn es sich jedoch - wie vom Soldaten angenommen - um eine "Schutzbehauptung" der FOCUS-Online-Redaktion handelte und ihr bereits vor der offiziellen Verkündung Informationen über das Entscheidungsergebnis zugetragen worden wären, würde dies nicht zwingend bedeuten, dass sie von den für befangen erachteten Richtern herrührten. Denn zum einen ist nicht auszuschließen, dass Gerichtsexterne aus rein taktischen Gründen ohne jeglichen tatsächlichen Anhalt eine solche Information an die Presse lanciert haben, um die Justiz zu diskreditieren; zum anderen ließen selbst Informationen aus der Gerichtssphäre keinen Rückschluss auf eine Voreingenommenheit der Richter zu, wenn die Informationen nicht unmittelbar gerade von den über die Anhörungsrüge zu entscheidenden Richtern oder auf deren Hinweis durch andere Gerichtsangehörige übermittelt worden wären. Den dienstlichen Äußerungen der hauptamtlichen Richter, an deren Glaubhaftigkeit zu zweifeln keine Anhaltspunkte bestehen, ist jedoch eindeutig zu entnehmen, dass durch sie keine entsprechenden Informationen übermittelt wurden.

54 (2) Die Erwägungen des Prozessvertreters des Soldaten zum Stimmverhalten der Richter sind zudem konstruiert, wenn er annimmt, "falls" am 6. Juli 2022 um 18 Uhr eine Fallkonstellation bestanden hätte, wonach zwei der Richter für und zwei gegen den Erfolg der Wehrbeschwerde hätten stimmen wollen, hätte es ausgereicht, zumindest diesen fünften Richter nach 18 Uhr zu kontaktieren und zu korrumpieren, um das Abstimmungsverhalten im Senat zum Nachteil der Beschwerdeführer manipulieren zu können. Er folgert eine solche Pattsituation aus dem Umstand, dass schon am 6. Juli 2022 verkündet worden wäre, wenn eine Mehrheit für die Ablehnung seiner Beschwerde bestanden hätte. Dabei bringt er mit der relativierenden Formulierung "sicherlich" zutreffend zum Ausdruck, dass die von ihm gezogene Schlussfolgerung keineswegs "offensichtlich" zwingend, sondern auch mit anderen Gründen zu erklären ist. Mit der Behauptung "möglicherweise" seien in der Nacht vom 6. Juli 2022 "ja auch gleich zwei Richter 'gedreht' worden, damit die 'Impf-Kampagne' der Bundesregierung und der Bundeswehr keinen irreparablen Schaden" erleide, befeuert er unter anhaltsloser Kriminalisierung von Richtern (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. Februar 2017 - 2 BvR 240/17 - juris Rn. 5 sowie vom 7. Mai 2020 - 1 BvR 275/20 - juris Rn. 8) zudem Verschwörungstheorien (über kollusives Zusammenwirken von Judikative und Exekutive), die wegen ihrer Realitätsferne die Behauptung gerade nicht glaubhaft werden lassen.

55 5. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Beschluss vom 23.05.2023 -
BVerwG 1 WB 48.22ECLI:DE:BVerwG:2023:230523B1WB48.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.05.2023 - 1 WB 48.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:230523B1WB48.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 48.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 23. Mai 2023 beschlossen:

  1. Die Anhörungsrügen werden zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich mit seinen Anhörungsrügen gegen den Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22 -, mit dem der Senat seinen Antrag zurückgewiesen hat, die Anweisung der Bundesverteidigungsministerin vom 24. November 2021 zur Aufnahme der Covid-19-Impfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr "Allgemeine Regelung Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - A 1-840/8-4000" aufzuheben. Er macht in einer Vielzahl von Punkten eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

2 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

3 Die Anhörungsrügen, über die der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne ehrenamtliche Richter entscheidet (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2022 - 1 WB 27.22 - NVwZ 2022, 1139 Rn. 4 m. w. N.), bleiben erfolglos.

4 1. Die Anhörungsrüge des Antragstellers vom 18. Juli 2022 gegen den Beschluss vom 7. Juli 2022 ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben ist (§ 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 VwGO).

5 Eine Anhörungsrüge eines durch die Entscheidung beschwerten Antragstellers ist nur dann in der gesetzlichen Form erhoben, wenn der Antragsteller darlegt, inwiefern das Gericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Antragsteller kann dies nur darlegen, wenn er die Gründe der beanstandeten Entscheidung kennt. Einer Anhörungsrüge, die vor Bekanntgabe der mit Gründen versehenen Entscheidung erhoben ist, fehlt zwangsläufig der ordnungsgemäße Vortrag einer Gehörsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - I ZR 160/07 - juris Rn. 2; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabes vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 1 BvR 2553/10 - NJW-RR 2011, 1608 Rn. 39).

6 Ausgehend davon erweist sich die erste Anhörungsrüge als unzulässig. Der Antragsteller hat sie am 18. Juli 2022 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt waren ihm lediglich der Tenor des Beschlusses vom 7. Juli 2022, die von dem Vorsitzenden des Senats nach Verlesen der Urteilsformel in Anwesenheit des Antragstellers und seines Bevollmächtigten mündlich mitgeteilten Gründe sowie die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 44/2022 vom 7. Juli 2022 bekannt. Der in vollständiger Form abgefasste Beschluss ist ihm erst am 3. Dezember 2022 zugestellt worden. Da die Gründe des Beschlusses zum Zeitpunkt der Anhörungsrüge für den Antragsteller noch unbekannt waren, konnte er in seiner Anhörungsrüge auch nur Mutmaßungen über eine entscheidungserhebliche Verletzung seines rechtlichen Gehörs anstellen. Das gilt auch mit Blick auf die mündlich mitgeteilten Gründe und die Pressemitteilung. Diese Mitteilungen haben nur die Bedeutung einer vorläufigen Information, denen sich nicht verbindlich entnehmen lässt, welche Erwägungen für den Beschluss tatsächlich tragend sind. Allein die schriftliche Beschlussfassung ist maßgebend (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - B 12 KR 11/15 C - juris Rn. 4 m. w. N.; s. auch BVerwG, Beschluss vom 24. März 2014 - 1 WRB 1.14 , 1 WRB 2.14 - Buchholz 450.1 § 18 WBO Nr. 6 Rn. 14). Damit fehlte es im Zeitpunkt der Erhebung der Anhörungsrüge an einem rügefähigen Gegenstand sowie an den nach § 23a Abs. 3 i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO erforderlichen Darlegungen zum Vorliegen einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung.

7 2. Die weitere Anhörungsrüge des Antragstellers, die der Senat bei sachgerechter und rechtsschutzfreundlicher Auslegung seines Anliegens in dem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. Dezember 2022 erblickt, ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

8 a) Dass der Senat den Beschluss in vollständiger Form abgefasst und zugestellt hat, ohne zuvor über die erste Anhörungsrüge des Antragstellers entschieden zu haben, verletzt das rechtliche Gehör des Antragstellers schon deshalb nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil diese Anhörungsrüge als unzulässig zurückzuweisen war (vgl. unter 1.).

9 b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29. Oktober 2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497 Rn. 12 und vom 18. Januar 2011 - 1 BvR 2441/10 - juris Rn. 10, jeweils m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 28. März 2014 - 1 WB 10.14 <1 WB 1.13 > - juris Rn. 11). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht nachgekommen ist. Das Gericht ist insbesondere nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände in diesem Sinne liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist.

10 Danach liegt eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vor.

11 aa) Die Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers in dem Schreiben vom 5. Dezember 2022 vermögen einen Gehörsverstoß des Senats nicht aufzuzeigen.

12 (1) Die Darlegungen auf den Seiten 1 bis 3 des Schreibens beschränken sich im Wesentlichen auf eine pauschale Kritik der Anwendung des materiellen Rechts durch den Senat in dem angegriffenen Beschluss. Soweit der Antragsteller rügen lässt, er und seine Experten seien vom Senat nicht gehört und die Ergebnisse der Beweisaufnahme seien "entweder ignoriert oder teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt" worden, konkretisiert er diese Einwände nicht näher.

13 (2) Mit seinem in Abschnitt I. des Schreibens vom 5. Dezember 2022 auf den Seiten 4 bis 8 enthaltenen Vorbringen zu den Erwägungen des Senats unter den Rn. 49, 51 und 236 des angegriffenen Beschlusses belässt es der Antragsteller dabei, von seinem Bevollmächtigten als solche bezeichnete "besondere grobe Rechtsanwendungsfehler" zu beschreiben, ohne dabei zu erläutern, inwiefern sich mit diesen angeblichen Mängeln in der rechtlichen Argumentation Gehörsverstöße verbinden.

14 (3) Die in Abschnitt II. des Schreibens vom 5. Dezember 2022 auf den Seiten 9 bis 26 vorgetragene Kritik an im Einzelnen angesprochenen Erwägungen des Senats ist ebenfalls nicht geeignet, der Anhörungsrüge zum Erfolg zu verhelfen.

15 (a) Soweit der Antragsteller mit Blick auf Rn. 10 des angefochtenen Beschlusses darauf hinweisen lässt, dass er sich zur Illustration der von ihm angenommenen Verharmlosung von Impfkomplikationen in der deutschlandweiten Statistik des Paul-Ehrlich-Instituts - anders als vom Senat dargestellt - nicht nur auf die von der BKK Provita herausgegebene Studie bezogen habe, und daran die Kritik knüpft, der Sachverhalt werde grob verzerrt, zeigt dieser Vortrag schon nicht konkret auf, welche weiteren Belege von dem Antragsteller benannt worden sein sollen und inwiefern ihre fehlende Erwähnung im Tatbestand zu einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung geführt hat.

16 (b) Der mit der Anhörungsrüge zu Rn. 11 des angegriffenen Beschlusses dargelegte Einwand, der Antragsteller habe anders als vom Senat dargestellt nicht nur vorgetragen, dass die "Covid-19-Injektionen" "fast keinen" Nutzen hätten, sondern dass sie überhaupt keinen Nutzen hätten, legt ebenfalls keinen Gehörsverstoß nahe. Denn im Hauptsacheverfahren hat der Bevollmächtigte des Antragstellers den verfügbaren Impfstoffen zur Bekämpfung der Infektionskrankheit SARS-CoV-2 der Sache nach in Übereinstimmung mit der vom Senat gewählten Formulierung jedenfalls einen "minimalen Nutzen" zuerkannt (vgl. Schreiben vom 28. Januar 2022, S. 30, Abs. 6) und eingeräumt, dass diese Impfstoffe geeignet seien, "allenfalls einige Zeit vor schweren Verläufen" zu schützen (vgl. Schreiben vom 19. Mai 2022, S. 17). Abgesehen davon erweist sich die vom Antragsteller behauptete Auslassung des Senats auch schon deshalb als unzutreffend, weil der Senat schon am Anfang der Passage unter Rn. 11 das Vorbringen des Antragstellers wie folgt zusammengefasst hat: "Die in Rede stehenden Impfstoffe hätten auch nicht den behaupteten Nutzen. Ein positiver Effekt auf das Infektionsgeschehen sei nicht belegt. Vor einer Infektion oder Erkrankung würden die Stoffe nicht schützen. Sie würden auch keine sterile Immunität erzeugen. Dass sie zu milderen Verläufen führten, sei nicht nachgewiesen."

17 (c) Zu den Ausführungen des Senats unter Rn. 14 bis 19 des angefochtenen Beschlusses, die das wesentliche streitige Vorbringen des Bundesministeriums der Verteidigung wiedergeben, lässt der Antragsteller lediglich vortragen, dass dort erwähnte Behauptungen zur Gesundheitsgefährdung für Soldaten durch die Infektionskrankheit SARS-CoV-2 (Rn. 16), zur Wirkung der Impfstoffe (Rn. 17), zur Risikoabwägung im Vorfeld der Zulassung der Impfstoffe (Rn. 18), zu Todesfällen und Nebenwirkungen infolge von Impfungen (Rn. 18) sowie zur individuellen Risikoabwägung im Rahmen der Kontraindikationsprüfung des zuständigen Impfarztes (Rn. 19) schon vor dem 7. Juli 2022 widerlegt worden seien. Ein Gehörsverstoß erschließt sich daraus nicht.

18 (d) Soweit sich das Anhörungsrügevorbringen im Folgenden mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Senats unter den Rn. 35, 43, 46, 49 bis 51, 59, 65, 68, 71, 73, 78 bis 82, 85, 87, 89, 93, 97, 101, 111, 112, 116, 119, 133, 135, 144, 150 bis 153, 156, 158, 162, 166, 171, 183, 188 ff. und Rn. 234 ff. befasst, wendet sich der Antragsteller im Stile einer Rechtsmittelschrift durchgehend gegen die tatsächlichen Feststellungen des Senats und dessen rechtliche Würdigung. Damit ist aber eine Gehörsverletzung nicht dargelegt. Dass der Senat aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht die von ihm für richtig gehaltenen rechtlichen Schlüsse gezogen hat, stellt keine unrichtige Erfassung seines Sachvortrages dar.

19 Die in der Kritik des Antragstellers an den Erwägungen des Senats unter den Rn. 50 und 81 darüber hinaus geltend gemachten Verletzungen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 1 VwGO) müssen unberücksichtigt bleiben, weil die Anhörungsrüge nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 VwGO hierauf nicht gestützt werden kann.

20 (e) Auch die abschließenden Bemerkungen des Antragstellers auf den Seiten 26 bis 31 vermögen einen Gehörsverstoß nicht zu begründen, weil sie sich ebenfalls nur in einer Kritik an der Würdigung des Senats erschöpfen und sich darüber hinaus mit der Wiedergabe von Auszügen einer Strafanzeige der in der Schweiz ansässigen Kanzlei ... vom 14. Juli 2022 auf Erkenntnisse stützen, die der Senat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte, weil sie erst nach der Verkündung seines Beschlusses veröffentlicht worden sind.

21 bb) Der nach Ablauf der Rügefrist des § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO am 19. Dezember 2022 und damit verspätet unterbreitete Vortrag in den Schriftsätzen des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 3. Januar 2023, 5. Januar 2023, 10. Januar 2023, 20. Januar 2023, 30. Januar 2023, 1. März 2023, 13. März 2023, 17. März 2023, 18. April 2023, 22. April 2023 und vom 10. Mai 2023 ist, soweit er sich nicht nur auf erläuternde, ergänzende oder vervollständigende Bemerkungen beschränkt, unbeachtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - I ZR 160/07 - juris Rn. 16 f.; BFH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - IX S 7/10 - juris Rn. 6). Die beachtlichen Bemerkungen rechtfertigen die Annahme eines Gehörsverstoßes nicht, weil sie sich wiederum allein gegen die Würdigung des Senats richten und zudem in weiten Teilen auf Erkenntnissen gründen, die nach Verkündung des angegriffenen Beschlusses veröffentlicht bzw. von dem Antragsteller vorgetragen worden sind.

22 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

23 4. Dieser Beschluss ist gemäß § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.

Beschluss vom 23.05.2023 -
BVerwG 1 WB 5.22ECLI:DE:BVerwG:2023:230523B1WB5.22.0

Erfolgloser Antrag auf Tatbestandsberichtigung

Leitsatz:

Für einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines nicht anfechtbaren Beschlusses der Wehrdienstsenate fehlt regelmäßig das Rechtsschutzinteresse.

  • Rechtsquellen
    WBO § 23a Abs. 2 Satz 1
    VwGO § 119 Abs. 1 und 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.05.2023 - 1 WB 5.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:230523B1WB5.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 5.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 23. Mai 2023 beschlossen:

Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des Beschlusses vom 7. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Der Antrag auf Tatbestandsberichtigung, über den der Senat nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 119 Abs. 2 Satz 3, § 122 Abs. 1 VwGO durch die an der Abfassung des angegriffenen Beschlusses vom 7. Juli 2022 beteiligten Richter entscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1986 - 2 CB 5.85 - Buchholz 310 § 119 VwGO Nr. 3), ist unzulässig.

2 1. Der Antrag ist zwar grundsätzlich statthaft und innerhalb der Frist des § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 119 Abs. 1 VwGO von zwei Wochen nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses eingegangen. Nach der Begründung des Antrages vom 12. Dezember 2022 bezieht sich der Berichtigungsantrag nur auf den Beschluss vom 7. Juli 2022 im Hauptsacheverfahren 1 WB 5.22 , trotz der zusätzlichen Angabe des entsprechenden Aktenzeichens aber nicht auf den Einstellungsbeschluss im Eilverfahren 1 W-VR 3.22 vom 12. Juli 2022.

3 2. Für einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes eines nicht anfechtbaren Beschlusses der Wehrdienstsenate fehlt hier jedoch das Rechtsschutzinteresse, weil der Zweck eines solchen Antrages nicht erreicht werden kann. Soweit der Senat in der Vergangenheit derartige Anträge gegen seine unanfechtbaren Beschlüsse ohne Einschränkungen als zulässig behandelt hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. November 1972 - 1 WB 99.72 -, vom 12. September 1974 - 1 WB 47.73 , 1 WB 75.73 -, vom 24. März 1981 - 1 WB 161.77 , 1 WB 166.77 - und vom 12. Februar 1982 - 1 WB 118.81 -), hält er hieran nicht fest.

4 Denn der Tatbestandsberichtigungsantrag ist vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die urkundliche Beweiskraft, die dem Tatbestand nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 314 ZPO zukommt, zugelassen worden. Er soll verhindern, dass infolge dieser Beweiskraft ein unrichtig beurkundeter Prozessstoff Grundlage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts wird. Deshalb unterliegt der Tatbestand eines nicht anfechtbaren Urteils grundsätzlich nicht der Tatbestandsberichtigung gemäß § 119 Abs. 1 VwGO; anderes gilt nur, soweit ein solches Urteil urkundliche Beweiskraft entfaltet, so etwa bei der Wiedergabe der Anträge oder von Prozesserklärungen (BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 9 A 10.20 - juris Rn. 2). Insbesondere bedarf es eines Tatbestandsberichtigungsantrages nicht zur Substantiierung einer Gehörsverletzung, die mit einer Anhörungsrüge oder einer Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden soll (BVerwG, a. a. O., Rn. 3).

5 Hier rügt der Antragsteller eine unvollständige Dokumentation seines Vorbringens in der Begründung des von ihm mit einer Anhörungsrüge angegriffenen Beschlusses vom 7. Juli 2022. Er beanstandet die unterbliebene Wiedergabe von im Einzelnen bezeichneten Elementen seines Vortrages. Insbesondere verweist er auf seine Vorlage von Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der InEK-Daten, auf verschiedene von ihm vorgelegte bzw. in Bezug genommene Studien, einzelne Sätze seiner Ausführungen zur Verletzung seiner Grundrechte, seine Einwendungen gegen einzelne Studien, seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Vertreter des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, sein Vorbringen zu den Risiken eines Impfstoffes und seinen Vortrag zum Fehlen verschiedener Prüfungen im Impfstoffzulassungsverfahren.

6 Damit trägt er nicht vor, dass Anträge oder Prozesserklärungen nicht in den Tatbestand aufgenommen worden seien, so dass hier keiner der oben angeführten Ausnahmefälle vorliegt. Vielmehr wird allein die Auslassung von dem Antragsteller selbst wesentlich erscheinenden Teilen seines Sach- und Rechtsvortrages gerügt.

7 3. Die gegen die Tatbestandsangaben im Beschluss vom 7. Juli 2022 erhobenen Rügen wären zudem unbegründet. Denn der Antragsteller verkennt, dass nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO der Sach- und Streitstand nur seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen ist. Der angegriffene Beschluss fasst den sehr umfangreichen Vortrag des Antragstellers zusammen und referiert ihn in groben Umrissen, macht aber deutlich, dass der Antragsteller die Verletzung zahlreicher Vorschriften des Europa- und Völkerrechts, des deutschen Verfassungs- und einfachen Gesetzesrechts rügt und sowohl das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Duldungspflicht als auch die pflichtgemäße Ausübung von Ermessen angreift. Wegen der Einzelheiten wird im angegriffenen Beschluss ausdrücklich auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Damit sind die von ihm zum Nachweis seines tatsächlichen Vortrages vorgelegten Studien und Ausdrucke von diversen Internetseiten ebenso erfasst wie der detaillierte Gang seiner rechtlichen Argumentation. Es liegt keine Auslassung wesentlicher Punkte vor, soweit die Wiedergabe von Einzelheiten des Sach- und Streitstandes - wie hier - durch eine Bezugnahme nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO ersetzt wird (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 16. März 2015 - 16 A 1494/14 - juris Rn. 2; OVG Bautzen, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 1 A 238/13 - juris Rn. 3).

Beschluss vom 03.07.2023 -
BVerwG 1 WB 49.22ECLI:DE:BVerwG:2023:030723B1WB49.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.07.2023 - 1 WB 49.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:030723B1WB49.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 49.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 3. Juli 2023 beschlossen:

  1. Die Anhörungsrügen werden zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich mit seinen Anhörungsrügen gegen den Beschluss vom 7. Juli 2022 - BVerwG 1 WB 5.22 -, mit dem der Senat seinen Antrag zurückgewiesen hat, die Anweisung der Bundesverteidigungsministerin vom 24. November 2021 zur Aufnahme der Covid-19-Impfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr "Allgemeine Regelung Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - A 1-840/8-4000" aufzuheben. Er macht in einer Vielzahl von Punkten eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

2 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

3 Die Anhörungsrügen, über die der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne ehrenamtliche Richter entscheidet (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2022 - 1 WB 27.22 - NVwZ 2022, 1139 Rn. 4 m. w. N.), bleiben erfolglos.

4 1. Die für den Antragsteller von seinen Bevollmächtigten zu 1. und 2. erhobenen Anhörungsrügen vom 18. und 20. Juli 2022 gegen den Beschluss vom 7. Juli 2022 sind unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben sind (§ 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 VwGO).

5 Eine Anhörungsrüge eines durch die Entscheidung beschwerten Antragstellers ist nur dann in der gesetzlichen Form erhoben, wenn der Antragsteller darlegt, inwiefern das Gericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Antragsteller kann dies nur darlegen, wenn er die Gründe der beanstandeten Entscheidung kennt. Einer Anhörungsrüge, die vor Bekanntgabe der mit Gründen versehenen Entscheidung erhoben ist, fehlt zwangsläufig der ordnungsgemäße Vortrag einer Gehörsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - I ZR 160/07 - juris Rn. 2; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabes vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Juni 2011 - 1 BvR 2553/10 - NJW-RR 2011, 1608 Rn. 39).

6 Ausgehend davon erweisen sich die Anhörungsrügen als unzulässig. Der Antragsteller hat sie durch seine Bevollmächtigten zu 1. und 2. am 18. bzw. am 20. Juli 2022 erheben lassen. Zu diesen Zeitpunkten waren ihm und seinen Bevollmächtigten zu 1. und 2. lediglich der Tenor des Beschlusses vom 7. Juli 2022, die von dem Vorsitzenden des Senats nach Verlesen der Urteilsformel in Anwesenheit des Antragstellers und seiner Bevollmächtigten mündlich mitgeteilten Gründe sowie die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 44/2022 vom 7. Juli 2022 bekannt. Der in vollständiger Form abgefasste Beschluss ist seinem Bevollmächtigten zu 1. erst am 1. Dezember 2022 und seinem Bevollmächtigten zu 2. erst am 3. Dezember 2022 zugestellt worden. Da die Gründe des Beschlusses zu den Zeitpunkten der jeweiligen Anhörungsrüge für den Antragsteller noch unbekannt waren, konnte er in seinen Anhörungsrügen auch nur Mutmaßungen über eine entscheidungserhebliche Verletzung seines rechtlichen Gehörs anstellen. Das gilt auch mit Blick auf die mündlich mitgeteilten Gründe und die Pressemitteilung. Diese Mitteilungen haben nur die Bedeutung einer vorläufigen Information, denen sich nicht verbindlich entnehmen lässt, welche Erwägungen für den Beschluss tatsächlich tragend sind. Allein die schriftliche Beschlussfassung ist maßgebend (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - B 12 KR 11/15 C - juris Rn. 4 m. w. N.; s. a. BVerwG, Beschluss vom 24. März 2014 - 1 WRB 1.14 , 1 WRB 2.14 - Buchholz 450.1 § 18 WBO Nr. 6 Rn. 14). Damit fehlte es im jeweiligen Zeitpunkt der Erhebung der Anhörungsrüge an einem rügefähigen Gegenstand sowie an den nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO erforderlichen Darlegungen zum Vorliegen einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung.

7 2. Die weiteren Anhörungsrügen des Antragstellers, die der Senat bei sachgerechter und rechtsschutzfreundlicher Auslegung seines Anliegens in den Schreiben seines Bevollmächtigten zu 1. vom 5. Dezember 2022, seines Bevollmächtigten zu 2. vom 12. Dezember 2022 und seines früheren Bevollmächtigten zu 3. vom 12. Dezember 2022 erblickt, sind zwar zulässig, aber nicht begründet.

8 a) Dass der Senat den Beschluss in vollständiger Form abgefasst und zugestellt hat, ohne zuvor über die von den Bevollmächtigten zu 1. und 2. erhobenen ersten Anhörungsrügen des Antragstellers entschieden zu haben, verletzt das rechtliche Gehör des Antragstellers schon deshalb nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil diese Anhörungsrügen als unzulässig zurückzuweisen waren (vgl. unter 1.).

9 b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29. Oktober 2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497 Rn. 12 und vom 18. Januar 2011 - 1 BvR 2441/10 - juris Rn. 10, jeweils m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 28. März 2014 - 1 WB 10.14 <1 WB 1.13 > - juris Rn. 11). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht nachgekommen ist. Das Gericht ist insbesondere nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG begründet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände in diesem Sinne liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2022 - 1 WB 27.22 - NVwZ 2022, 1139 Rn. 5).

10 Danach liegt eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vor.

11 aa) Die Ausführungen des Bevollmächtigten zu 1. in dem Schreiben vom 5. Dezember 2022 vermögen einen Gehörsverstoß des Senats nicht aufzuzeigen.

12 (1) Die Darlegungen auf den Seiten 1 bis 3 des Schreibens beschränken sich im Wesentlichen auf eine pauschale Kritik der Anwendung des materiellen Rechts durch den Senat in dem angegriffenen Beschluss. Soweit der Antragsteller rügen lässt, er und seine Experten seien vom Senat nicht gehört und die Ergebnisse der Beweisaufnahme seien "entweder ignoriert oder teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt" worden, konkretisiert er diese Einwände nicht näher.

13 (2) Mit seinem in Abschnitt I. des Schreibens vom 5. Dezember 2022 auf den Seiten 4 bis 8 enthaltenen Vorbringen zu den Erwägungen des Senats unter den Rn. 49, 51 und 236 des angegriffenen Beschlusses belässt es der Antragsteller dabei, von seinem Bevollmächtigten als solche bezeichnete "besondere grobe Rechtsanwendungsfehler" zu beschreiben, ohne dabei zu erläutern, inwiefern sich mit diesen angeblichen Mängeln in der rechtlichen Argumentation Gehörsverstöße verbinden.

14 (3) Die in Abschnitt II. des Schreibens vom 5. Dezember 2022 auf den Seiten 9 bis 26 vorgetragene Kritik an im Einzelnen angesprochenen Erwägungen des Senats ist ebenfalls nicht geeignet, der Anhörungsrüge zum Erfolg zu verhelfen.

15 (a) Soweit der Antragsteller mit Blick auf Rn. 10 des angefochtenen Beschlusses darauf hinweisen lässt, dass er sich zur Illustration der von ihm angenommenen Verharmlosung von Impfkomplikationen in der deutschlandweiten Statistik des Paul-Ehrlich-Instituts - anders als vom Senat dargestellt - nicht nur auf die von der BKK Provita herausgegebene Studie bezogen habe, und daran die Kritik knüpft, der Sachverhalt werde grob verzerrt, zeigt dieser Vortrag schon nicht konkret auf, welche weiteren Belege von dem Antragsteller benannt worden sein sollen und inwiefern ihre fehlende Erwähnung im Tatbestand zu einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung geführt hat.

16 (b) Der mit der Anhörungsrüge zu Rn. 11 des angegriffenen Beschlusses dargelegte Einwand, der Antragsteller habe anders als vom Senat dargestellt nicht nur vorgetragen, dass die "Covid-19-Injektionen" "fast keinen" Nutzen hätten, sondern dass sie überhaupt keinen Nutzen hätten, legt ebenfalls keinen Gehörsverstoß nahe. Denn im Hauptsacheverfahren hat der Bevollmächtigte des Antragstellers den verfügbaren Impfstoffen zur Bekämpfung der Infektionskrankheit SARS-CoV-2 der Sache nach in Übereinstimmung mit der vom Senat gewählten Formulierung jedenfalls einen "minimalen Nutzen" zuerkannt (vgl. Schreiben vom 23. Februar 2022, S. 48) und eingeräumt, dass diese Impfstoffe geeignet seien, "allenfalls einige Zeit vor schweren Verläufen" zu schützen (vgl. Schreiben vom 19. Mai 2022, S. 17). Abgesehen davon erweist sich die vom Antragsteller behauptete Auslassung des Senats auch schon deshalb als unzutreffend, weil der Senat schon am Anfang der Passage unter Rn. 11 das Vorbringen des Antragstellers wie folgt zusammengefasst hat: "Die in Rede stehenden Impfstoffe hätten auch nicht den behaupteten Nutzen. Ein positiver Effekt auf das Infektionsgeschehen sei nicht belegt. Vor einer Infektion oder Erkrankung würden die Stoffe nicht schützen. Sie würden auch keine sterile Immunität erzeugen. Dass sie zu milderen Verläufen führten, sei nicht nachgewiesen."

17 (c) Zu den Ausführungen des Senats unter Rn. 14 bis 19 des angefochtenen Beschlusses, die das wesentliche streitige Vorbringen des Bundesministeriums der Verteidigung wiedergeben, lässt der Antragsteller lediglich vortragen, dass dort erwähnte Behauptungen zur Gesundheitsgefährdung für Soldaten durch die Infektionskrankheit SARS-CoV-2 (Rn. 16), zur Wirkung der Impfstoffe (Rn. 17), zur Risikoabwägung im Vorfeld der Zulassung der Impfstoffe (Rn. 18), zu Todesfällen und Nebenwirkungen infolge von Impfungen (Rn. 18) sowie zur individuellen Risikoabwägung im Rahmen der Kontraindikationsprüfung des zuständigen Impfarztes (Rn. 19) schon vor dem 7. Juli 2022 widerlegt worden seien. Ein Gehörsverstoß erschließt sich daraus nicht.

18 (d) Soweit sich das Anhörungsrügevorbringen im Folgenden mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Senats unter den Rn. 35, 43, 46, 49 bis 51, 59, 65, 68, 71, 73, 78 bis 82, 85, 87, 89, 93, 97, 101, 111, 112, 116, 119, 133, 135, 144, 150 bis 153, 156, 158, 162, 166, 171, 183, 188 ff. und Rn. 234 ff. befasst, wendet sich der Antragsteller im Stile einer Rechtsmittelschrift durchgehend gegen die tatsächlichen Feststellungen des Senats und dessen rechtliche Würdigung. Damit ist aber eine Gehörsverletzung nicht dargelegt. Dass der Senat aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht die von ihm für richtig gehaltenen rechtlichen Schlüsse gezogen hat, stellt keine unrichtige Erfassung seines Sachvortrages dar.

19 Die in der Kritik des Antragstellers an den Erwägungen des Senats unter den Rn. 50 und 81 darüber hinaus geltend gemachten Verletzungen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 1 VwGO) müssen unberücksichtigt bleiben, weil die Anhörungsrüge nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 VwGO hierauf nicht gestützt werden kann.

20 (e) Auch die abschließenden Bemerkungen des Antragstellers auf den Seiten 26 bis 31 vermögen einen Gehörsverstoß nicht zu begründen, weil sie sich ebenfalls nur in einer Kritik an der Würdigung des Senats erschöpfen und sich darüber hinaus mit der Wiedergabe von Auszügen einer Strafanzeige der in der Schweiz ansässigen Kanzlei ... vom 14. Juli 2022 auf Erkenntnisse stützen, die der Senat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte, weil sie erst nach der Verkündung seines Beschlusses veröffentlicht worden sind.

21 bb) Die Ausführungen des Bevollmächtigten zu 2. in seinem Schriftsatz vom 12. Dezember 2022 legen einen Gehörsverstoß zu Lasten des Antragstellers ebenfalls nicht dar.

22 (1) Mit seiner Anhörungsrüge macht der Antragsteller geltend, die Annahme des Senats, den "COVID-Injektionen" sei zumindest bis zu einem gewissen Grad die Fähigkeit beizulegen, die Übertragung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 101 ff.), stehe im Widerspruch zum dramatischen Anstieg der Corona-Fallzahlen bei der Bundeswehr, die das Bundesministerium der Verteidigung habe einräumen müssen und die von der früheren Bevollmächtigten B. in ihrem Schriftsatz vom 3. Juni 2022 im Einzelnen analysiert worden seien; auf diesen Anstieg gehe der Senat mit keinem Wort ein. Dieser Vortrag führt auf keinen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß.

23 Der Senat hat in den vom Bevollmächtigten zu 2. in Bezug genommenen Passagen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, der Dienstherr habe im November 2021 zum Zeitpunkt der Änderung der Allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" davon ausgehen können, dass eine Impfung zum Schutz der Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten beitrage und damit auch die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte sichere. Die damals zugelassenen Impfstoffe hätten nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts bei Infektionen mit der Delta-Variante des Virus eine sehr hohe Wirksamkeit von etwa 90 % gegen eine schwere Infektion (z. B. Behandlung im Krankenhaus) und eine gute Wirksamkeit von etwa 75 % gegen eine symptomatische Covid-19-Infektion geboten. Im November 2021 sei eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon ausgegangen, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten und auch das Virus seltener übertragen könnten als nicht geimpfte oder nicht genesene Personen. Es sei auch angenommen worden, dass dann, wenn sich Geimpfte infizierten, sie weniger und nur für einen kürzeren Zeitraum als nicht Geimpfte infektiös seien und eine Covid-19-Schutzimpfung zum Schutz anderer beitrage (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 101). Eine davon abweichende Eignungsprognose sei auch nicht mit dem Auftreten der im November 2021 noch neuartigen Omikron-Variante angezeigt gewesen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 102). Der Dienstherr könne auch davon ausgehen, dass die Eignung der mRNA-Impfstoffe über den Winter 2021/2022 hinaus bis heute erhalten geblieben sei. Das Robert-Koch-Institut gehe davon aus, dass die verfügbaren Impfstoffe auch unter der Dominanz der Omikron-Variante für vollständig geimpfte Personen aller Altersgruppen - insbesondere nach einer Auffrischimpfung - weiterhin einen sehr guten Schutz gegenüber einer schweren Covid-19-Erkrankung vermittelten (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 103).

24 Die vom Bundesministerium der Verteidigung mit Schreiben vom 22. Mai 2022 übermittelten und von der früheren Bevollmächtigten B. mit Schreiben vom 3. Juni 2022 erörterten Zahlen über den Anstieg der Inzidenzen in der Bundeswehr für den Zeitraum von November 2021 bis April 2022 sind nicht geeignet, die Würdigung der Geeignetheit der Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus durch den Senat infrage zu stellen. Wie bereits das Bundesministerium der Verteidigung in dem erwähnten Schreiben ausgeführt hat, korrespondieren die ansteigenden Inzidenzen ab November 2021 mit der in diesem Monat einsetzenden Welle im zivilen Bereich und bieten damit von vornherein keine nachvollziehbare Grundlage für die von der früheren Bevollmächtigten B. damit verbundenen Spekulationen über eine angebliche Kausalität zwischen der Pflicht zur Duldung der Schutzimpfung und dem Anstieg der SARS-CoV-2-Fallzahlen unter den Soldatinnen und Soldaten. Einer näheren Erörterung dieser erkennbar ohne Substanz angestellten Mutmaßungen bedurfte es deshalb nicht. Für die vom Senat hervorgehobenen positiven Wirkungen der Schutzimpfung, etwa bei der Verhinderung schwerer Infektionen, lassen sich ohnehin keine abweichenden Schlussfolgerungen ableiten.

25 (2) Entgegen der Ansicht des Antragstellers erschließt sich ein Gehörsverstoß auch nicht aus seinem Einwand, der Senat übergehe mit seiner auf eine dänische Haushaltsstudie und deren Heranziehung durch den Sachverständigen Dr. Wichmann gestützten Einschätzung, die "COVID-Injektionen" böten einen relevanten Übertragungsschutz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 107), den Vortrag zu den methodischen Schwächen dieser Studie auf Seite 19 des Schreibens seines Bevollmächtigten zu 2. vom 1. Juli 2022.

26 Unter Rn. 107 der angefochtenen Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass mit der durch das Impfserum ausgelösten Antikörper-Bildung auch eine Reduktion des Transmissionsrisikos unter dreifach-geimpften Personen verbunden sei, könne gleichfalls - auch bei Berücksichtigung wissenschaftlicher Bewertungsunsicherheiten - als eine vertretbare Prognose erachtet werden. Die hierzu vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegte Darstellung in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2022 mit einer behaupteten Reduktion des Übertragungsrisikos von 77 % im Vergleich zu Ungeimpften sei von dem Sachverständigen Dr. Wichmann zwar in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2022 nicht bestätigt worden. Er habe jedoch unter Verweis auf Haushaltsstudien aus Norwegen und Dänemark ausgeführt, dass nach drei bis vier Monaten ein Transmissionsschutz bestehe, der sich bei 20 bis 40 % bewege. Die Ständige Impfkommission begründe ihre Impfempfehlung ebenfalls mit der damit verbundenen Reduzierung der Transmission. Diesem Aspekt habe auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfnachweispflicht Bedeutung beigemessen (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 185).

27 Der Senat hat sich bei seiner Einschätzung der Vertretbarkeit der von dem Dienstherrn angestellten Prognose hiernach auf eine Reihe von Erkenntnissen gestützt, von denen der Bevollmächtigte zu 2. lediglich die dänische Haushaltsstudie behandelt und ihre Eignung als Erkenntnisquelle für die Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. Wichmann wegen der auf Seite 19 seines Schreibens vom 1. Juli 2022 beschriebenen Beanstandungen bezweifelt. Dort werden der Umstand, dass es sich um keine Studie, sondern nur um eine retrospektive Analyse positiver PCR- und Antigen-Tests von Personen handeln solle, die anhand ihrer persönlichen Identifikationsnummer Haushalten zugeordnet worden seien und deren Impf- und Teststatus sich aus der persönlichen Identifikationsnummer ergebe, sowie der von ihm als ungeeignet betrachtete Analysezeitraum "von Weihnachten bis über Neujahr" als methodische Schwächen benannt. Einen Gehörsverstoß legt diese punktuelle, sich ohnehin nur auf einen Ausschnitt der Würdigung des Senats beschränkende Kritik nicht plausibel nahe. Sie verkennt, dass der Senat seine Feststellung tragend auf die fachliche Expertise des Sachverständigen Dr. Wichmann stützt, der bei seiner Auswertung der Studienlage damit auch befähigt ist, den wissenschaftlichen Wert einer Studie unter Berücksichtigung fachlicher Kritik einzuschätzen und ihren Erkenntniswert für seine fachwissenschaftliche Auskunft durch die Zusammenschau mit einer Haushaltsstudie aus Norwegen zu ergänzen.

28 Ungeachtet dieser Überlegungen hätte es dem Antragsteller und seinen Bevollmächtigten zur Vermeidung eines Gehörsverstoßes oblegen, den vermeintlichen - sich aus Sicht des Senats freilich nicht aufdrängenden - Unstimmigkeiten in der Argumentation des Sachverständigen Dr. Wichmann nachzugehen, etwa durch die Stellung entsprechender Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung.

29 (3) Gleichermaßen erfolglos bleibt der Antragsteller mit seinen Rügen gegen die Erwägungen des Senats zu der Frage, ob der Impfung zwingende arzneimittelrechtliche Vorschriften entgegenstehen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 200 ff.).

30 (a) Der Vorwurf des Antragstellers, der Senat habe die "arzneimittelrechtlichen Fragen" unter Missachtung der Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG, Beschluss vom 9. November 2021 - T-96/21 - Rn. 67) und damit gehörsverletzend für unerheblich erklärt, ist nicht berechtigt.

31 Der Senat hat in seinem Beschluss ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen er sich nicht verpflichtet sieht, das Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 208 ff.). Auf diese Erwägungen geht die Anhörungsrüge nicht ansatzweise ein und setzt sich auch nicht mit den vom Senat zugrunde gelegten Voraussetzungen für die Vorlagepflicht eines mitgliedstaatlichen letztinstanzlichen Gerichts auseinander, sodass sich ihr auch nicht entnehmen lässt, aus welchen Gründen der vom Senat vertretene Ausschluss der Vorlage einen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß begründet. Der Antragsteller räumt vielmehr ausdrücklich ein, dass sich der Senat mit der von ihm in Bezug genommenen Rechtsprechung befasst hat, er widerspricht lediglich der rechtlichen Würdigung des Senats.

32 Der vom Antragsteller im vorliegenden Zusammenhang gerügten Verletzung seines Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG muss der Senat nicht nachgehen, da diese Beanstandung - unabhängig von der Geltendmachung einer Gehörsverletzung - keinen statthaften Gegenstand einer Anhörungsrüge behandelt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. April 2008 - 2 BvR 482/07 - NJW 2008, 3275 Rn. 9). Ungeachtet dessen ist dieser Vorwurf auch nicht begründet, weil ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht - wie zuvor dargestellt - nicht anzunehmen ist.

33 (b) Soweit sich der Antragsteller gegen die Annahme des Senats wendet, dass die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission - als Grundlage für die Beurteilung des Maßes der Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen durch den Senat - den medizinischen Standard abbildeten und zu der Annahme berechtigten, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiege (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 220 i. V. m. 91), und mit Blick darauf eine Verletzung der Hinweispflicht als gegeben erachtet, wird damit ebenfalls kein Gehörsverstoß aufgezeigt. Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht vor.

34 Art. 103 Abs. 1 GG verlangt grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; dem Gericht obliegt insoweit auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht. Deshalb ist das Gericht nicht gehalten, unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs seine die Entscheidung tragende Rechtsauffassung schon vor der Beschlussberatung im Einzelnen festzulegen und den Beteiligten zur Erörterung bekanntzugeben. Ein rechtlicher Hinweis ist nur dann erforderlich, wenn ein Beteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass ein rechtlicher Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich sein könnte (BVerwG, Beschluss vom 2. März 2021 - 1 WB 1.21 - juris Rn. 12 m. w. N.).

35 Gemessen daran beruht die angegriffene Entscheidung nicht auf einer überraschenden Rechtsauffassung, mit der der Antragsteller nicht rechnen und zu der er sich daher auch nicht äußern konnte.

36 Der Senat nimmt unter Rn. 220 der angegriffenen Entscheidung an, dass die mRNA-Impfstoffe objektiv betrachtet nach den vorhandenen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein vertretbares Maß an Nebenwirkungen hätten. Dies hat er schon daraus gefolgert, dass die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut für nahezu alle Altersgruppen die Impfung gegen Covid-19 mit den derzeit zugelassenen mRNA-Impfstoffen empfehle. Denn die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission bildeten den medizinischen Standard ab und berechtigten zu der Annahme, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiege. Der Senat hat an anderer Stelle ausgeführt, dass der Dienstherr auf die Belastbarkeit des von der Ständigen Impfkommission erhobenen und bewerteten Datenmaterials habe vertrauen dürfen. Das Robert-Koch-Institut verfüge über die notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen; in seiner Beurteilung sei es unabhängig und international vernetzt (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 90). Bei der Ständigen Impfkommission (STIKO) handele es sich um ein politisch und weltanschaulich neutrales, 1972 gegründetes Expertengremium, das beim Robert-Koch-Institut im Fachgebiet Impfprävention angesiedelt sei und einen optimalen Einsatz verfügbaren Impfstoffs gewährleisten solle. Seine Empfehlungen würden als medizinischer Standard gelten. Die dort ehrenamtlich Tätigen seien Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft und Forschung, aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der niedergelassenen Ärzteschaft. Bei ihrer Tätigkeit seien sie nur ihrem Gewissen verantwortlich und zur unparteiischen Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung der STIKO). Bei ihrer Aufgabenerfüllung benutze die Ständige Impfkommission Kriterien der evidenzbasierten Medizin, beziehe insbesondere die Bewertungen des Paul-Ehrlich-Instituts zur Sicherheit von Impfstoffen mit ein und führe eine unabhängige epidemiologische Nutzen-Risiko-Abwägung durch. Dabei habe die Ständige Impfkommission nicht nur den Nutzwert einer Impfung für die Einzelnen, sondern auch für die Gesamtbevölkerung im Blick (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 91). Der Senat schließt sich hiermit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - BVerfGE 161, 199 Rn. 139).

37 Mit dieser Würdigung konnte ein gewissenhafter und kundiger Bevollmächtigter ohne Weiteres rechnen. Der Antragsteller ist mit Hinweisverfügung des Vorsitzenden vom 24. März 2022 an seine beiden damaligen Bevollmächtigten ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Stellungnahmen staatlicher Fachbehörden aus dem Gesundheitsbereich das Gewicht amtlicher Auskünfte haben dürften. Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission im vorliegenden Zusammenhang waren Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesministerium der Verteidigung hat zudem schriftlich sowie in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Bundeswehr den STIKO-Empfehlungen folge. Auch die zuvor erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht war den Prozessbeteiligten bekannt. Eingedenk dieser Umstände musste ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter auch die Möglichkeit einkalkulieren, dass der Senat die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission als hinreichende Grundlage für die Beurteilung etwa von Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen erachtet und daran entsprechende Schlussfolgerungen knüpft. Der Bevollmächtigte zu 2. hätte danach seinen Vortrag nicht zuletzt aus Gründen der prozessualen Vorsicht darauf einrichten können. Eine Verpflichtung des Senats, sich schon vor der Beschlussberatung verbindlich in der angesprochenen Frage festzulegen und hiervon die Prozessbeteiligten zu unterrichten, bestand jedenfalls nicht.

38 (c) Die übrigen Rügen des Antragstellers gegen die Ausführungen des Senats unter den Rn. 200 ff. des angefochtenen Beschlusses beschränken sich auf eine Kritik im Stile einer Rechtsmittelschrift und bedürfen aus diesem Grunde keiner näheren Erörterung.

39 (4) (a) Den Bedenken des Antragstellers gegen die vom Senat unter den Rn. 49, 61 ff. und 67 des angegriffenen Beschlusses angestellten Erwägungen fehlt es bereits an der für die Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO erforderlichen Schlüssigkeit. Sein Vorbringen beschränkt sich auf Darlegungen zu angeblich übergangenem Vortrag, der sich mit behaupteten Impfkomplikationen, mit der Einsatzfähigkeit der Truppe und mit der Erforderlichkeit einer Schutzimpfung jeweils im Zusammenhang mit einer Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus befasst. Abgesehen davon, dass sich auch dieses Vorbringen jedenfalls in weiten Teilen auf eine Kritik der rechtlichen Würdigung durch den Senat beschränkt, verkennt der Bevollmächtigte zu 2. mit seinen diesbezüglichen Rügen, dass sich der Senat unter den besagten Randnummern des Beschlusses zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geregelten allgemeinen Duldungspflicht für Schutzimpfungen jeglicher Art äußert und nicht zu der Frage, ob die Pflicht zur Duldung von Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus einer verfassungsrechtlichen Überprüfung Stand zu halten vermag. Aus dem Anhörungsvorbringen lässt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres nachvollziehbar entnehmen, aus welchen Gründen die vorgetragenen Rügen die Erwägungen des Senats unter den nach Art. 103 Abs. 1 GG zu beachtenden Prämissen erschüttern könnten. Damit erschließt sich eine Gehörsverletzung, die entscheidungserheblich wäre, nicht.

40 (b) Unabhängig davon erweisen sich die vorgetragenen Einwände auch nicht als stichhaltig.

41 (aa) Soweit sich der Antragsteller gegen die bei der Prüfung der Frage, ob die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG geregelte Verpflichtung einen Eingriff in das Grundrecht auf Leben (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GG) darstellt, vom Senat angestellte Erwägung wendet, eine Erhöhung des Sterberisikos werde weder bezweckt noch bewirkt, und darin einen Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht erblickt, führt dies nicht zum Erfolg.

42 Der Antragsteller ist, wie alle anderen Prozessbevollmächtigten, auch zu der Frage einer entsprechenden Grundrechtsverletzung - zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Mai 2022 (vgl. Protokoll, S. 4) – gehört worden. Einen gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten konnte es auch nicht überraschen, dass der Senat - orientiert an der auch dem Bevollmächtigten zu 2. bekannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - BVerfGE 161, 199 Rn. 110 ff.) – einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit als für Heileingriffe und vorbeugende medizinische Maßnahmen spezielles Grundrecht bejaht. In der Konsequenz dessen konnte ein gewissenhafter und kundiger Bevollmächtigter dann auch nicht von vornherein ausschließen und musste sich darauf einstellen, dass ein Eingriff durch die in Rede stehende vorbeugende medizinische Maßnahme gegen das Grundrecht auf Leben vom Senat verneint wird. Ein derartiger Eingriff muss objektiv zurechenbar bewirkt sein (vgl. allgemein Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Rn. 44). Hierfür bedarf es freilich nachvollziehbarer Anhaltspunkte. Insoweit erscheint es auch vor dem Hintergrund gerade des Vortrages des Antragstellers zu einer entsprechenden Zielrichtung der Schutzimpfung (vgl. etwa Schreiben des Bevollmächtigten zu 2. vom 14. April 2022, S. 7 f., und des Bevollmächtigten zu 1. vom 19. Mai 2022, S. 11 ff.) nicht fernliegend, sich mit der Frage zu befassen, ob der Dienstherr mit der hier in Rede stehenden Maßnahme eine Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos der betroffenen Soldatinnen und Soldaten bezweckt oder bewirkt hat. Bei Heileingriffen und vorbeugenden medizinischen Maßnahmen wie hier ist das ohne Weiteres zu verneinen. Der Senat musste diese Gedankenführung nach alledem nicht schon vor der Beschlussfassung gegenüber dem Antragsteller im Einzelnen erläutern.

43 Soweit der Antragsteller zu bedenken gibt, dass der Senat im vorliegenden Zusammenhang Vortrag übergangen hätte, führt dies nicht weiter. Anders als mit der Anhörungsrüge vorgetragen, hat der Senat nicht ausgeschlossen, dass ein Soldat sowohl infiziert als auch geimpft sein und es dadurch zu einer Kumulation von Risiken kommen könne. Der Senat hat lediglich ausgeführt, der unvermeidliche Umstand, dass es bei Impfungen in seltenen Fällen zu tödlich verlaufenden Komplikationen kommen könne, ändere am Charakter der Impfungen als medizinische Heileingriffe und am grundrechtlichen Prüfungsmaßstab des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 49). Auf die Gründe für mögliche Komplikationen kam es hierbei nicht an. Die Argumentation des Bevollmächtigten zu 2. auf Seite 13 des Schreibens vom 3. Juni 2022 zu der angesprochenen Risikokumulation bedurfte daher keiner gesonderten Erörterung. Die hier angestellten Erwägungen gelten gleichermaßen für die Kritik des Bevollmächtigten zu 2. gegen die Annahme des Senats, durch die Begründung einer gesetzlichen Duldungspflicht für ärztliche Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten werde auch hinsichtlich der körperlichen Integrität der Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 73 i. V. m. 72).

44 Die weiteren Erwägungen beschränken sich auf eine inhaltliche Kritik insbesondere an dem vom Senat herangezogenen Maßstab und müssen im hiesigen Verfahren unerörtert bleiben.

45 (bb) Auf einen Gehörsverstoß weisen auch nicht die Bedenken des Bevollmächtigten zu 2. gegen die Ausführungen des Senats zur materiell-rechtlichen Verfassungsgemäßheit der soldatenrechtlichen Pflicht zur Duldung von Schutzimpfungen (s. dazu näher BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 61 ff.). Mit den Ausführungen der früheren Bevollmächtigten B. in dem Schreiben vom 3. Juni 2022 zum Anstieg der COVID-19-Fallzahlen und der Zunahme von Personalausfällen in der Bundeswehr seit November 2021 musste sich der Senat in diesem Kontext nicht näher auseinandersetzen, weil sie für die Frage, ob § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG verfassungsgemäß ist, ohne erkennbaren Erkenntniswert sind. Abgesehen davon lässt sich aus den Zahlen auch nicht ablesen, dass die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in nennenswertem Umfang beeinträchtigt gewesen ist. Seine Behauptung, die Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus habe die Einsatzfähigkeit in dem zuvor erwähnten Zeitraum akut gefährdet und sich nicht positiv ausgewirkt, bedurfte hiernach als haltlose Behauptung ins Blaue hinein weder ergänzender Beweiserhebung, noch einer ausdrücklichen Widerlegung in den Entscheidungsgründen.

46 (cc) Einen Gehörsverstoß im Hinblick auf die Annahme des Senats, der Gesetzgeber habe die Begründung einer berufsbezogenen Duldungspflicht für Schutzimpfungen als erforderlich ansehen können (dazu s. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 67), sucht der Bevollmächtigte vergeblich aus der Begründung des Senats für die Feststellung abzuleiten, es wäre auch keine gleich effektive Option, die Impfung von einer vorherigen Bestimmung der im Blut der Soldatinnen und Soldaten vorhandenen Antikörper abhängig zu machen.

47 Der Senat hat für seine Würdigung - in Reaktion auf Vorbringen des Bevollmächtigten zu 2. in dessen Schreiben vom 14. April 2022 (S. 9 f.) – zwei Gründe angegeben: Es gebe keine wissenschaftlich klar definierte Menge an Antikörpern, ab der ein ausreichender Schutz auch ohne Impfung vorhanden sei (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und Covid-19, Stand 26. November 2021, Nr. 18). Außerdem würde eine laufende Überprüfung der Antikörper-Titer bei ca. 180 000 Soldatinnen und Soldaten einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 114).

48 Der Bevollmächtigte zu 2. bemängelt, beide Behauptungen seien niemals Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Damit dringt er nicht durch. Der Bevollmächtigte zu 2. konnte damit rechnen, dass sich der Senat auch mit seinem diesbezüglichen schriftsätzlichen Vorbringen auseinandersetzen wird. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Mai 2022 bestand Gelegenheit für die Bevollmächtigten, sich zu jeder Frage der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zu äußern. Ein Hinweis des Senats vor der Beschlussberatung darauf, wie dieses Vorbringen zu würdigen ist, war vor diesem Hintergrund nicht angezeigt.

49 Eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung lässt sich darüber hinaus auch deshalb nicht feststellen, weil sich dem Vorbringen nicht konkret entnehmen lässt, was der Antragsteller im Einzelnen vorgetragen hätte, wenn der vermisste Hinweis erteilt worden wäre. Die Schreiben des Bevollmächtigten zu 2. vom 14. April 2022 (S. 10 ff.) und vom 3. Juni 2022 (S. 13) geben hierüber keinen hinreichenden Aufschluss und verhalten sich - ebenso wie die Anhörungsrüge - auch nicht zu den vom Senat herangezogenen Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts.

50 (5) Die gegen die Ausführungen des Senats unter Rn. 79 des angegriffenen Beschlusses vorgetragenen Rügen verfangen ebenfalls nicht. Sie richten sich in erster Linie gegen den dort wiedergegebenen Prüfungsmaßstab und erschöpfen sich in einer bloßen Kritik an der rechtlichen Würdigung durch den Senat. Soweit der Bevollmächtigte zu 2. beanstandet, dass es der Senat infolge der Annahme der Glaubhaftigkeit der Angaben und medizinischen Einschätzungen des Bundesministeriums der Verteidigung inner- und außerhalb des hiesigen Verfahrens versäumt habe, sich "mit den hier vorgetragenen Indizien" auseinanderzusetzen, "die eben diese Glaubhaftigkeit erschüttern", fehlt es diesem Vortrag bereits an der erforderlichen Substanz; auf welche "vorgetragenen Indizien" er im Einzelnen Bezug nimmt, erläutert der Bevollmächtigte zu 2. nicht konkret. Soweit er sich vage auf seinen Schriftsatz vom 3. Juni 2022 bezieht, liegt es fern, aus der dort geäußerten Kritik an einzelnen Äußerungen oder wissenschaftlichen Publikationen der Oberstärzte Prof. Dr. Kehe, Prof. Dr. Dr. Steinestel und Prof. Dr. Wölfel Schlüsse auf ihre Unglaubwürdigkeit zu ziehen. Derartig haltlose Angriffe gegen die persönliche Integrität und fachliche Expertise der Mitarbeiter des Sanitätsdienstes der Bundeswehr bedürfen keiner ausdrücklichen Widerlegung in den Entscheidungsgründen.

51 (6) (a) Die Einwände des Bevollmächtigten zu 2. gegen die Erwägungen des Senats unter Rn. 89 des angefochtenen Beschlusses belassen es im Wesentlichen erneut dabei, die rechtliche Würdigung durch den Senat zu bemängeln. Die insoweit vorgetragene Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG ist im vorliegenden Verfahren ohnehin ohne Belang, weil sie - wie bereits ausgeführt - unstatthaft ist.

52 (b) Soweit dem Senat überhaupt vorgeworfen wird, Vortrag übergangen zu haben, trifft dies nicht zu.

53 So hat der Senat entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten zu 2. die "schriftliche Ausarbeitung von Prof. Dr. Ulrike Kämmerer" – gemeint sind deren Gutachten zum Beleg der These, die Gefährlichkeit und Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus werde aufgrund der Anwendung nicht aussagefähiger Antigen- und PCR-Tests völlig überschätzt, sodass in Wahrheit keine Corona-Pandemie, sondern eine Testpandemie vorläge - zur Kenntnis genommen und auch gewürdigt, wie die - mit der Anhörungsrüge ausgeblendeten - Ausführungen unter Rn. 150, 152 und 153 der angegriffenen Entscheidung belegen.

54 Der weitere unter Geltendmachung eines Gehörsverstoßes erteilte Hinweis des Bevollmächtigten zu 2., die im Schriftsatz der früheren Bevollmächtigten B. (mutmaßlich) vom 3. Juni 2022 mitgeteilten Zahlen zum Anstieg der Inzidenzen innerhalb der Bundeswehr nach Einführung der Pflicht zur Duldung von Schutzimpfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus hätten in die angegriffene Entscheidung einfließen müssen, führt nicht weiter. Wie bereits ausgeführt, verbindet die frühere Bevollmächtigte B. mit dem Zahlenwerk Spekulationen über eine angebliche Kausalität zwischen der Pflicht zur Duldung der Schutzimpfung und dem Anstieg der SARS-CoV-2-Fallzahlen unter den Soldatinnen und Soldaten, die fernliegend sind und daher keiner näheren Erörterung im vorliegenden Zusammenhang bedurften.

55 (7) Der Bevollmächtigte zu 2. erblickt eine Gehörsverletzung durch den Senat darüber hinaus zu Unrecht in der Feststellung, von dem Antragsteller werde nur die Eingehung eines Impfrisikos verlangt, das eine Mehrheit freiwillig einzugehen bereit sei (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 129).

56 Der Bevollmächtigte zu 2. begründet dies wie folgt: Hätte der Senat während des Verfahrens darauf hingewiesen, dass er die angebliche Freiwilligkeit der Impfung in einer Mehrheit der Bevölkerung zum ausschlaggebenden Kriterium erhebe, hätte er für den Antragsteller zu der Frage, wie "freiwillig" die Impfung bei vielen in der Bevölkerung gewesen und wie "freiwillig" die Menschen die Impfrisiken eingegangen seien, viel ausführlicher vorgetragen. Er hätte in diesem Fall ins Feld geführt, dass die Impfung von all jenen nicht freiwillig empfangen worden sei, die nach medizinrechtlichen Maßstäben nicht wirksam eingewilligt hätten. Das seien jedenfalls all jene, die - wie im Gesundheitswesen - vor der Wahl "Spritze oder raus aus dem Job" gestanden hätten, ferner alle, die ohne Impfung aus dem gesellschaftlichen Leben komplett ausgeschlossen worden seien, schließlich all jene, die nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden seien. Da wären die Zustände in den Impfzentren und die irreführenden Angaben im RKI-Aufklärungsbogen thematisiert worden. Er hätte außerdem die systematische Verharmlosung der Impfrisiken in den Systemmedien vorgetragen und zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht. Ein Gehörsverstoß erschließt sich aus diesem Vortrag nicht.

57 Der Senat hat unter Rn. 129 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, für die Angemessenheit der Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Allgemeine Regelung A1-840/8-4000 spreche ferner, dass den Soldatinnen und Soldaten nur ein Impfrisiko abverlangt werde, das die Mehrheit der Bevölkerung freiwillig zur Bekämpfung der Pandemie einzugehen bereit sei. Die Ständige Impfkommission als unabhängiges Expertengremium habe die Covid-19-Impfung unter Einschluss der Auffrischimpfung bereits im November 2021 für alle Erwachsenen empfohlen und halte daran weiterhin fest. Die Durchführung der Impfung entspreche damit dem in der Bundesrepublik Deutschland ganz allgemein anerkannten medizinischen Standard (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136). Außerdem habe der Gesetzgeber mit § 20a IfSG auch anderen Berufsgruppen - wenn auch aus anderen Gründen - eine Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Covid-19 auferlegt. Es könne also nicht davon ausgegangen werden, dass den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ohne rechtfertigenden Grund ein besonderes Risiko auferlegt und ein unzumutbares Sonderopfer abverlangt werden würde.

58 Ein Gehörsverstoß liegt fern. Er lässt sich schon deshalb nicht feststellen, weil der Bevollmächtigte mit seiner Formulierung, er hätte "viel ausführlicher vorgetragen", zu erkennen gibt, dass die angesprochene Problematik Gegenstand des Verfahrens gewesen ist und er dazu vortragen konnte. Ungeachtet dessen stellt die kritisierte Erwägung des Senats nur einen Ausschnitt aus der vom Senat angestellten Abwägung der privaten Interessen des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse dar, worauf bereits die Verwendung der Formulierung "spricht ferner" weist; anders als die Anhörungsrüge nahezulegen sucht, war die Feststellung mithin nicht - wie der Bevollmächtigte zu 2. meint - von ausschlaggebender Bedeutung für den Senat, sondern stand - unselbständig entscheidungstragend - neben weiteren Erwägungen, die unter den Rn. 128 und 130 bis 132 der angegriffenen Entscheidung enthalten sind und mit denen sich der Bevollmächtigte zu 2. – mit Ausnahme der unter Rn. 131 enthaltenen Beurteilung - nicht auseinandersetzt. Ferner blendet der Bevollmächtigte zu 2. aus, dass auch der Senat Duldungspflichten anderer Berufsgruppen im vorliegenden Senat gesehen und in seine Betrachtung einbezogen hat. Der Antragsteller verkennt schließlich, dass der Senat nicht ausschlaggebend auf die Freiwilligkeit in dem vom Antragsteller eng begrenzten Sinn abstellt, sondern auf die Teile der Bevölkerung, die sich ohne allgemeine Impfpflicht und damit in diesem Sinne freiwillig impfen ließen.

59 (8) Ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller mit seiner Anhörungsrüge gegen die Erwägung des Senats, Erfolg versprechende alternativ-medizinische Medikamente präventiver Art lägen derzeit nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 112). Mit seiner Kritik, der Senat habe sich nicht mit dem im Schriftsatz seines Bevollmächtigten zu 2. vom 14. April 2022, S. 30, erwähnten Therapieansatz des südafrikanischen Arztes Dr. ... inhaltlich auseinandergesetzt und damit das rechtliche Gehör verletzt, gelangt der Antragsteller nicht zum Erfolg.

60 Der Senat hat die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beantwortende Frage, ob der Dienstherr die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Basisimpfungen auch als erforderliche Maßnahme ansehen konnte, dahingehend beantwortet, dass dem Dienstherrn keine gleich wirksamen und weniger belastenden Mittel zur Verfügung gestanden hätten und stünden (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 108). Die unter Anlegung dieses Maßstabs getroffene Einschätzung des Senats, Erfolg versprechende alternativ-medizinische Medikamente präventiver Art lägen derzeit nicht vor, beruht auf der entsprechenden Bekundung des Sachverständigen Dr. Wichmann, der gegenüber dem Senat in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dass die Ständige Impfkommission alternative Präventionsmaßnahmen durchaus prüfe (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 112).

61 Dass der Senat auf den Therapieansatz Dr. ... in den Gründen seiner Entscheidung nicht ausdrücklich eingegangen ist, erweist sich als unschädlich, weil sich bereits aus dem Schreiben des Bevollmächtigten zu 2. vom 14. April 2022 und der mit ihm vorgelegten Anlage BF-MS 65 nicht plausibel ableiten lässt, dass es sich bei der besagten Therapie um ein gleich wirksames und weniger belastendes Mittel im Vergleich zur Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus handelt. In dem Schreiben vom 14. April 2022 behauptet der Bevollmächtigte zu 2. zwar, dass Dr. ... "mit dem aus Anlage BF-MS 65 ersichtlichen Behandlungsprotokoll Tausende COVID-19-Patienten erfolgreich behandelt". Die Anlage selbst gibt darüber indessen keinen Aufschluss, sondern beschränkt sich in einer Beschreibung der Therapie, wobei in der Unterlage zudem betont wird, dass dieses Dokument nur zur Information diene und keine therapeutische Anweisung enthalte. Es wird dazu geraten, bei einer Infektion mit dem Virus "sofortige medizinische Hilfe" in Anspruch zu nehmen. Aus der Unterlage erschließt sich auch nicht, ob die Therapie nur vor schweren Verläufen oder auch gegen eine Infektion und eine Übertragung des Virus schützen soll. Vor diesem Hintergrund war der Senat nicht verpflichtet, sich mit diesem Vorbringen ausdrücklich zu befassen, das gar keine substantiierte Aussage zur Wirksamkeit des dargestellten Therapieansatzes enthält und daher auch nicht im Ansatz den Schluss rechtfertigt, diese Therapie sei in ihrer Wirksamkeit schulmedizinischen Therapien auch nur vergleichbar. Indessen wäre es Sache des Antragstellers gewesen, auf eine entsprechende - sich hier aus Sicht des Senats nicht aufdrängende - Beweisaufnahme hinzuwirken, um sich das aus seinem Blickwinkel erforderliche Gehör zu verschaffen.

62 (9) Der Annahme des Senats, das Einnehmen von Vitamin D sei (im Verhältnis zur Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus) kein gleich geeignetes Mittel (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 112), begegnet der Antragsteller erfolglos mit dem Einwand, damit übergehe der Senat die mit Schriftsatz des Bevollmächtigten zu 2. vom 14. April 2022 vorgelegten Metastudien, die eindeutig das Gegenteil bewiesen.

63 Diese Rüge erläuternd führt der Bevollmächtigte zu 2. aus, wenn der Senat meine, aus eigener Kraft entscheiden zu können, dass der Sachverständige Dr. Wichmann mit seiner abweichenden Ansicht recht habe, müsse er in den Entscheidungsgründen darlegen, woher er die erforderliche eigene Sachkunde nehme. Es würden hier jene Maßstäbe gelten, die der Bundesgerichtshof für den Fall eines Konflikts zwischen Privat- und Gerichtsgutachter aufgestellt habe (BGH, Beschluss vom 5. November 2019 - VIII ZR 344/18 - MDR 2020, 114 m. w. N.). Eine derartige Darlegung eigenen Sachverstands suche man in den Gründen der hier angefochtenen Entscheidung indes vergebens. Ein Gehörsverstoß lässt sich aus diesem Vorbringen nicht folgern.

64 Der Senat hat sich bei seiner Beurteilung nicht auf seinen eigenen Sachverstand, sondern auf die Expertise des Robert-Koch-Instituts sowie des Sachverständigen Dr. Wichmann gestützt, der diesem Institut angehört und dort als Leiter des Fachgebiets Impfprävention tätig ist; bei ihm konnte davon ausgegangen werden, dass er über einen hinreichenden Überblick über alle wissenschaftlich fundierten anderweitigen Präventions- und Therapiemöglichkeiten im Zusammenhang mit der Verhütung und Bekämpfung der SARS-CoV-2-Infektion besitzt. Auf diese fachlichen Einschätzungen konnte sich der Dienstherr - worauf der Senat in der angegriffenen Entscheidung hingewiesen hat - verlassen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 137). Der Senat konnte die amtlichen Auskünfte als Beweismittel verwerten; der Einholung eines weiteren Gutachtens bedurfte es hier bezogen auf die Frage, ob das Einnehmen von Vitamin D (im Verhältnis zur Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus) ein gleich geeignetes Mittel ist schon deswegen nicht, weil dazu in der mündlichen Verhandlung kein Beweisantrag gestellt worden ist. Dies ist im Übrigen auch unter Berücksichtigung des hier zu würdigenden Vortrages nicht erforderlich, weil die Anhörungsrüge des Bevollmächtigten zu 2. keinen substantiierten Vortrag enthält, der das Beweisergebnis zu erschüttern vermag (zu diesem Maßstab s. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 139 m. w. N.). Der bloße Verweis im Schreiben vom 14. April 2022 auf Metastudien, die angeblich "eindeutig" das Gegenteil beweisen sollen, genügt insoweit jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund hilft auch der Verweis auf die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht weiter. So wäre es auch hier dem Antragsteller und seinen Bevollmächtigten zur Vermeidung des nunmehr gerügten Gehörsverstoßes zuzumuten gewesen, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen, zumal sich dem Senat eine Beweiserhebung angesichts der beschriebenen Beweislage nicht aufdrängen musste.

65 (10) Keine Gehörsverletzung offenbaren auch die Einwände des Antragstellers gegen die Annahmen des Senats unter Rn. 120 und 121 des angegriffenen Beschlusses.

66 Der Bevollmächtigte zu 2. beanstandet, der Senat setze sich mit seiner Annahme, dass schwere Impfkomplikationen extreme Ausnahmefälle darstellten, über die 2,487 Mio. ICD-10-Codierungen hinweg, die sich auf Impfkomplikationen bezögen und die allein für das Jahr 2021 von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ermittelt worden seien; auf diese Angaben habe der Bevollmächtigte zu 2. sowohl schriftsätzlich als auch in der Beweisaufnahme vom 6. Juli 2022 hingewiesen. Zudem verweist der Bevollmächtigte zu 2. auf die von ihm im Gerichtsverfahren vorgelegte Anlage BF-MS 66 mit einer repräsentativen Auswahl aus über 1 250 Studien zu schweren Impfkomplikationen und dem damit verknüpften Hinweis auf die Breite des Nebenwirkungsspektrums. Daran knüpft er die Kritik, dass der Senat zur Stütze seiner Annahme dem Vortrag des Antragstellers hätte nachgehen müssen, um das wirkliche Ausmaß der Komplikationen zu ermitteln. Auch dieses Vorbringen legt eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung nicht dar.

67 Der Senat hat bereits in der angegriffenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass ihm in dem Verfahren u. a. zahlreiche Einzelberichte von Impfnebenwirkungen, vorgelegt worden sind. Dieses Vorbringen gab jedoch keinen Anlass zu einer von den amtlichen Auskünften abweichenden Einschätzung des Risikos von Impfnebenwirkungen. Aufgabe dieses Gerichtsverfahrens ist es nicht, Einzelfällen nachzugehen oder behauptete Impfnebenwirkungen im Ausland zu erforschen. Untersuchungsgegenstand dieses Verfahrens ist vielmehr die Frage, in welchem statistischen Umfang der Dienstherr bei Einführung und Beibehaltung der Duldungspflicht für Covid-19-Impfungen mit unerwünschten Nebenwirkungen der zugelassenen und insbesondere der von ihm verwendeten Impfstoffe rechnen musste. Maßgeblich sind dabei die bei der Entscheidung des Dienstherrn vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts veröffentlichten Zahlen sind nach wissenschaftlichen Methoden ermittelt worden und konnten als amtliche Auskunft über diese Frage vom Dienstherrn verwertet und in das gerichtliche Verfahren eingeführt werden. Deren statistische Richtigkeit wird durch Einzelfallberichte und nicht-wissenschaftliche Meinungsäußerungen nicht erschüttert (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 169 f.). Auf diese Erwägungen, die auch für die Rüge des Antragstellers gegen die vom Senat aufgezeigte Möglichkeit einer Impfung mit Nuvaxovid (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 131) in den Blick zu nehmen ist, geht die Anhörungsrüge nicht ein.

68 Die weiteren Einwände gegen die Ausführungen des Senats unter den Rn. 120 und 121 des angegriffenen Beschlusses bedürfen keiner näheren Erörterung, da es sich insoweit um Angriffe gegen die Würdigung des Senats ohne einen erkennbaren Bezug zu einer Gehörsverletzung handelt. Soweit der Antragsteller auch in diesem Kontext auf Dokumente verweist, die erst nach der angegriffenen Entscheidung entstanden bzw. vorgelegt wurden, kann damit eine Gehörsrüge schon im Ansatz nicht begründet werden.

69 (11) Keinen Gehörsverstoß vermag der Antragsteller mit Blick auf die Würdigung der Einlassungen des Sachverständigen Prof. Dr. Bhakdi durch den Senat unter Rn. 156 des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen.

70 (a) Die unter Hinweis auf den bereits erwähnten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2019 - VIII ZR 344/18 - (MDR 2020, 114) vorgetragene Kritik des Bevollmächtigten zu 2., aus den Entscheidungsgründen gehe nicht hervor, aus welchen Gründen der Senat dem Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel und nicht dem Sachverständigen Prof. Dr. Bhakdi folge und woher er seine Sachkunde nehme, ignoriert die eingehende Befassung des Senats mit den Thesen von Prof. Dr. Bhakdi (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 155 f.).

71 Mit diesen Erwägungen setzt sich der Bevollmächtigte zu 2. nicht auseinander und unterlässt es damit, die Möglichkeit einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung - auch gemessen an den in dem zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs aufgestellten Maßstäben - nachvollziehbar aufzuzeigen.

72 (b) Ebenso wenig auf einen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß weist der von dem Bevollmächtigten zu 2. erhobene Vorwurf, der Senat habe sich nicht mit den in seinem Schriftsatz vom 3. Juni 2022 enthaltenen Darlegungen zu einem nachgewiesenen wissenschaftlichen Fehlverhalten des Oberstarztes Prof. Dr. Wölfel (s. dort S. 6 ff.) auseinandergesetzt, mit denen dessen Glaubwürdigkeit "nachdrücklich erschüttert" worden sei. Dieser Auseinandersetzung bedurfte es nicht.

73 Die Kritik des Bevollmächtigten zu 2. bezieht sich auf die Erwägung des Senats, nach der die Veröffentlichungen, auf die sich Prof. Dr. Bhakdi zum Beleg seiner Einschätzung beziehe, dass die verwendeten Impfstoffe keine Verbesserung der Immunantwort auf das SARS-CoV-2-Virus vermittelten, nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Erläuterungen von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 11. Mai 2022 die Behauptungen stützende Daten gar nicht enthielten bzw. Prof. Dr. Bhakdis Schlussfolgerungen nicht trügen.

74 Die Glaubhaftigkeit von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel sieht der Bevollmächtigte zu 2. ausweislich seines Schreibens vom 3. Juni 2022 im Wesentlichen durch die in einem durch den Oberstarzt als Mitautor verfassten Artikel der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine enthaltene Bezugnahme des Oberstarztes auf den Fall einer angeblich nicht, tatsächlich aber doch unter Symptomen des SARS-CoV-2-Virus leidenden chinesischen Staatsangehörigen als Beleg für die Möglichkeit einer Ansteckung auch durch symptomlose Personen sowie durch den Umstand erschüttert, dass der Oberstarzt PCR-Tests als hinreichende Infektionsnachweise erachtet.

75 Aus Sicht des Senats fehlt es bereits an einer hinreichenden Grundlage für die von dem Bevollmächtigten zu 2. vertretene Annahme. Die aufgeworfenen Zweifel vermögen an den von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel gerügten und mit der Anhörungsrüge bezeichnenderweise auch nicht erörterten Defiziten nichts zu ändern; sie entsprechen auch dem Bild, das der Senat im Übrigen von der Überzeugungskraft des Parteisachverständigen Prof. Dr. Bhakdi gewonnen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 146, 148, 159, 160, 162, 172 bis 174). Darüber hinaus kann jedenfalls der von dem Bevollmächtigten zu 2. benannte Umstand aus Sicht des Senats kein wissenschaftliches Fehlverhalten begründen und damit weder die persönliche Integrität noch die fachliche Expertise von Oberstarzt Prof. Dr. Wölfel in Zweifel ziehen.

76 (12) Zu keinem Erfolg führt die Anhörungsrüge des Antragstellers, soweit sie sich gegen die Erwägungen des Senats zum Fehlen ausreichender wissenschaftlicher Belege für die wiederholt vorgetragene These des Antragstellers wendet, die mRNA-Impfung bewirke im menschlichen Körper die Produktion toxischer Spikeproteine (s. dazu BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 160). Der Antragsteller kritisiert dabei die in dem angefochtenen Beschluss fehlende Auseinandersetzung mit der Studie des Mediziners ..., die der Bevollmächtigte zu 2. auf Seite 25 des Schriftsatzes vom 1. Juli 2022 zitiert habe. Auf eine Gehörsverletzung weist dies nicht. Auch hier ist - wie zuvor in Abschnitt (10) – auf die Erwägungen des Senats unter den Rn. 169 und 170 zu verweisen. Dass die von dem Bevollmächtigten zu 2. erwähnte Studie unerörtert geblieben ist, erweist sich danach nicht als schädlich. Zudem haben der Antragsteller und seine Bevollmächtigten es unterlassen, zur Vermeidung eines Gehörsverstoßes auf eine entsprechende Beweiserhebung durch Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung zu dringen.

77 (13) Die Kritik des Antragstellers an den Ausführungen des Senats unter Rn. 163 des angefochtenen Beschlusses zu den Grenzen der Aussagekraft von Tierversuchen zu den Wirkungen von Nanolipiden offenbart keine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung. Soweit der Bevollmächtigte meint, der Senat hätte in der Konsequenz seiner Feststellung umso nachdrücklicher darauf dringen müssen, dass klinische Studien über die Wirkung von Nanolipiden an Menschen vorgelegt werden, und dies mit dem Hinweis verbindet, dass die frühere Bevollmächtigte R. "in den Schriftsätzen" dargelegt habe, dass im Zulassungsverfahren jegliche toxikologische Prüfung unterblieben sei, legt er einen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß nicht dar. Es wird nicht konkret dargetan, welcher Vortrag der früheren Bevollmächtigten R. zur Gefahr von Nanolipiden übergangen worden ist. Es ist weder erkennbar, welche Gefahren von Nanolipiden toxikologische Prüfungen im Zulassungsverfahren hätten entdecken können, noch ist in der mündlichen Verhandlung formell ordnungsgemäß ein auf die Einholung eines toxikologischen Gutachtens gerichteter Beweisantrag gestellt worden.

78 (14) Auch die mit der Anhörungsrüge vorgetragene Argumentation des Antragstellers gegen die Ausführungen des Senats unter Rn. 178 des angefochtenen Beschlusses verfängt nicht. Aus ihr ergibt sich kein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß. Der Antragsteller beanstandet, es fehle jegliche Darlegung, warum der erkennende Senat die Einwände von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel durch den diesseitigen Gegenvortrag nicht für ausgeräumt halte. Damit dringt der Antragsteller nicht durch.

79 Die Einwände des Oberstarztes Prof. Dr. Dr. Steinestel beziehen sich auf die Thesen und Befunde des Parteisachverständigen Prof. Dr. Burkhardt im Zusammenhang mit Obduktionsnachweisen zu angeblich 40 weiteren Impftoten. Der Senat hat hierzu ausgeführt, diese Erkenntnisse seien nie einem "peer-review" durch unabhängige Wissenschaftler unterzogen und auch nicht in einer Form veröffentlicht worden, die eine solche Kontrolle erlaube. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe, beruhten seine Ergebnisse auf von ihm und einem Kollegen durchgeführten Nachuntersuchungen von Proben, die aus nicht von ihnen selbst durchgeführten Obduktionen stammten. Damit seien sie - wie Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. Mai 2022 nachvollziehbar erläutert habe - mangels eines Nachweises der Einhaltung von Qualitätsrichtlinien von nur eingeschränkter Aussagekraft. Hinzu komme, dass nach der plausiblen Einschätzung von Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Steinestel für eine Bewertung der dargestellten Befunde weitere Informationen - insbesondere eine ergänzende Anamnese der untersuchten Todesfälle und eine vollständige Darstellung der Methodik der durchgeführten Untersuchungen - erforderlich wären (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 177).

80 Der Senat war schon deshalb nicht gehalten, sich in dem angegriffenen Beschluss mit der auf den Seiten 10 bis 24 des Schreibens des Bevollmächtigten zu 2. vom 3. Juni 2022 dargestellten Kritik ausdrücklich auseinanderzusetzen, weil sie - ebenso wie der Inhalt des Schreibens des Parteisachverständigen Prof. Dr. Burkhardt vom 30. April 2022 - in keiner erkennbaren Beziehung zu den vom Senat unter Rn. 177 der angegriffenen Entscheidung verwerteten Einwänden des Oberstarztes Prof. Dr. Dr. Steinestel steht und damit auch keine erörterungsfähigen Gegenargumente vermittelt.

81 (15) Anders als der Antragsteller meint, weisen seine Einwände gegen die Würdigung des Senats unter den Rn. 233 und 236 der angefochtenen Entscheidung auf keine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung. Der Bevollmächtigte zu 2. führt dazu aus, entgegen der Auffassung des Senats handele es sich bei den in den EU zugelassenen "COVID-Impfstoffen" um experimentelle Substanzen. Das zeige sich nicht nur daran, dass etliche klinische Prüfungen im Zulassungsverfahren unterblieben seien (Toxikologie etc.), sondern auch daran, dass nach wie vor klinische Studien liefen, u. a. zur Dosisfindung. Darauf habe er auf Seite 6 seines Schriftsatzes vom 14. April 2022 und auf Seite 10 seines Schriftsatzes vom 3. Juni 2022 hingewiesen. Der Senat setze sich damit nicht auseinander.

82 Ein Gehörsverstoß legt dieses Vorbringen schon deshalb nicht nahe, weil - wie die von dem Bevollmächtigten zu 2. in Bezug genommenen wie auch die weiteren, mit der Anhörungsrüge nicht diskutierten Erwägungen des Senats in diesem Zusammenhang ohne Weiteres zeigen - der in Bezug genommene schriftsätzliche Vortrag für die rechtliche Würdigung bedeutungslos ist. Auch wenn die besagten klinischen Studien noch laufen sollten, ändert dies nichts daran, dass die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der duldungspflichtigen Impfungen das Folterverbot des Art. 7 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) nicht ansatzweise zu berühren vermag.

83 (16) Soweit sich der Bevollmächtigte zu 2. gegen die Ausführungen des Senats zum Meldeverhalten von Soldaten im Falle von Impfkomplikationen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 144), zu Chargenprüfungen und Gefahr von Verunreinigungen der Impfstoffe (s. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 164 ff.), zur Diskussion über die Ausführungen des Parteisachverständigen Prof. Dr. Bhakdi und die Ausführungen des Senats zur Bedeutung wissenschaftlicher Mehrheitsmeinungen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 174), zur Würdigung der Thesen und Befunde des Pathologen Prof. Dr. Burkhardt (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 177), zur Erfassung von Impfkomplikationen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 183, 190), zur Bedeutung der unterbliebenen Datenübermittlung der Kassenärztlichen Vereinigungen für die Aussagekraft der Berichte des Paul-Ehrlich-Instituts (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 184 ff.), und zur Observed-versus-Expected-Analyse (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 5.22 - juris Rn. 189 ff.) wendet, richtet sich der jeweilige Vortrag allein gegen die inhaltliche Würdigung der angesprochenen Fragen durch den Senat, ohne insoweit konkrete Gehörsverstöße aufzuzeigen.

84 cc) Das Schreiben des früheren Bevollmächtigten zu 3. vom 12. Dezember 2022 beschränkt sich auf eine materiell-rechtliche Auseinandersetzung mit Teilen des angefochtenen Beschlusses, ohne dass hierbei auch nur ansatzweise entscheidungserhebliche Gehörsverletzungen aufgezeigt werden. Einer näheren Erörterung dieser Ausführungen bedarf es deshalb nicht.

85 dd) Der nach Ablauf der Rügefrist des § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO (spätestens) am 19. Dezember 2022 und damit verspätet unterbreitete Vortrag in den Schriftsätzen des Bevollmächtigten zu 1. vom 3. Januar 2023, 5. Januar 2023, 10. Januar 2023, 20. Januar 2023, 30. Januar 2023, 1. März 2023, 13. März 2023, 17. März 2023, 18. April 2023, 22. April 2023, 10. Mai 2023, 29. Mai 2023, 2. Juni 2023, 5. Juni 2023 und vom 9. Juni 2023 ist, soweit er sich nicht nur auf erläuternde, ergänzende oder vervollständigende Bemerkungen beschränkt, unbeachtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 10; BFH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - IX S 7/10 - juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - I ZR 160/07 - juris Rn. 16 f.). Die übrigen Bemerkungen rechtfertigen die Annahme eines Gehörsverstoßes nicht, weil sie sich wiederum allein gegen die Würdigung des Senats richten und zudem in weiten Teilen auf Erkenntnissen gründen, die nach Verkündung des angegriffenen Beschlusses veröffentlicht bzw. von dem Antragsteller vorgetragen worden sind. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls kein Instrument, neuen Vortrag in das Verfahren einzubringen und die Nachholung einer Beweiserhebung durchzusetzen, die im vorangegangenen Verfahren nicht beantragt und nach der Rechtsauffassung des Gerichts auch nicht erforderlich war, weil die zu ermittelnden Tatsachen nicht entscheidungserheblich sind (s. BVerwG, Beschluss vom 2. März 2021 - 1 WB 1.21 - juris Rn. 20).

86 ee) Auch einer Würdigung des Schreibens des Bevollmächtigten zu 2. vom 1. Februar 2023 bedarf es nicht; dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Inhalt dieses Schriftsatzes für die Anhörungsrüge ohne Relevanz sei (vgl. S. 12). Aus Sicht des Senats trifft dieser Befund zu. Entsprechendes gilt für die Schreiben des Bevollmächtigten zu 2. vom 3. April 2023 und vom 2. Juni 2023, die sich im Wesentlichen auf die Darlegung neuerer Erkenntnisse beschränken, die dem Senat - soweit ersichtlich - bei der Beschlussfassung nicht vorgelegen haben oder bekannt waren.

87 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

88 4. Dieser Beschluss ist gemäß § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.