Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der 1. Wehr­dienst­se­nat ver­han­delt erst- und letzt­in­stanz­lich über zwei An­trä­ge von Of­fi­zie­ren ge­gen die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat ab 24. No­vem­ber 2021 die all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 zur Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A 840/8 "Impf- und wei­te­re Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" da­hin­ge­hend ge­än­dert, dass ne­ben der Te­ta­nus-, Di­ph­te­rie-, Per­tus­sis-, In­flu­en­za-, He­pa­ti­tis- und FSME-Imp­fung nun­mehr auch die Co­vid-19-Imp­fung ver­bind­lich ist. Dem­entspre­chend sind die An­trag­stel­ler an­ge­hal­ten wor­den, Impf­an­ge­bo­te ge­gen das Co­ro­na­vi­rus zu nut­zen. Für die­se Imp­fung be­stehe nun­mehr ei­ne ge­setz­li­che Dul­dungs­pflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.*


Die An­trag­stel­ler be­strei­ten die Rechts­mä­ßig­keit der Än­de­rung die­ses Er­las­ses. Die Co­vid-19-Imp­fung sei nicht zur Ver­hü­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten ge­eig­net. Sie ver­hin­de­re ei­ne In­fek­ti­on oder Er­kran­kung nicht. Es sei auch nicht be­legt, dass die Impf­stof­fe die Ge­fahr ei­ner schwe­ren Co­vid-19-Er­kran­kung ver­min­der­ten. Die Ver­wen­dung der neu­ar­ti­gen mRNA-Impf­stof­fe stel­le kei­ne Imp­fung im her­kömm­li­chen Sin­ne dar, son­dern die Ver­ab­rei­chung ei­ner gen­ba­sier­ten, ex­pe­ri­men­tel­len Sub­stanz. Der Ein­satz die­ser Gen­tech­nik sei hin­sicht­lich der Ne­ben­wir­kun­gen und Lang­zeit­fol­gen un­zu­rei­chend er­forscht. Dar­um lie­ge nur ei­ne be­ding­te Arz­nei­mit­tel­zu­las­sung vor. Die Er­for­schung der Impf­ne­ben­wir­kun­gen und -kom­pli­ka­tio­nen wer­de in ei­nem gro­ßen Feld­ver­such bei der An­wen­dung in der Ge­samt­be­völ­ke­rung nach­ge­holt. Da­bei wür­den die tat­säch­lich ein­ge­tre­te­nen Impf­ne­ben­wir­kun­gen und -kom­pli­ka­tio­nen von den Be­hör­den er­heb­lich un­ter­er­fasst. Es droh­ten er­heb­li­che Impf­schä­den, wes­we­gen die An­ord­nung der Imp­fung un­ver­hält­nis­mä­ßig und un­zu­mut­bar sei. Der Impf­zwang ver­sto­ße ins­be­son­de­re ge­gen die Grund­rech­te der An­trag­stel­ler aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des Grund­ge­set­zes so­wie ge­gen Eu­ro­pa- und Völ­ker­recht. Die Ver­wen­dung der Impf­stof­fe sei so­gar nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3a AMG straf­bar, weil die­ses Arz­nei­mit­tel durch die Ab­wei­chung von den all­ge­mein an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln in sei­ner Qua­li­tät er­heb­lich ge­min­dert sei.


Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hält den An­trag be­reits für un­zu­läs­sig, weil die Än­de­rung der Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten noch nicht in die Rechts­sphä­re des Sol­da­ten ein­grei­fe. Im Üb­ri­gen sei die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der ge­ne­rell durch­zu­füh­ren­den Ba­si­s­imp­fun­gen recht­mä­ßig. Das Grund­recht der Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirk­sam ein­ge­schränkt wor­den. Die Vor­schrift er­lau­be die An­ord­nung ei­ner Schutz­imp­fung ge­gen das Co­ro­na­vi­rus Sars-Cov-2. Die Imp­fung die­ne der Ver­hü­tung ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit, auch wenn sie kei­nen voll­stän­di­gen Schutz bie­te. Es ge­nü­ge, dass sie die Wahr­schein­lich­keit ei­ner An­ste­ckung und die Ge­fahr schwe­rer Ver­läu­fe re­du­zie­re. Dies sei auf Grund ak­tu­el­ler wis­sen­schaft­li­cher Un­ter­su­chun­gen und nach den Er­he­bun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts er­wie­sen. Mit der Schutz­imp­fung sei­en auch kei­ne über­pro­por­tio­nal ho­hen Impf­ri­si­ken ver­bun­den. Die Impf­stoff­an­wen­dung wer­de lau­fend durch die zu­stän­di­gen eu­ro­päi­schen Stel­len und das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut über­wacht. Die­ses kom­me in sei­nem Si­cher­heits­be­richt zu dem Er­geb­nis, dass schwer­wie­gen­de Ne­ben­wir­kun­gen sehr sel­ten auf­tre­ten und das po­si­ti­ve Nut­zen-Ri­si­ko-Ver­hält­nis der Imp­fung nicht än­dern wür­den. Die Imp­fung ver­sto­ße auch nicht ge­gen na­tio­na­le oder in­ter­na­tio­na­le Vor­schrif­ten.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 20/2022 vom 25.03.2022

Münd­li­che Ver­hand­lung am 1. April 2022 in den Ver­wal­tungs­streit­sa­chen BVer­wG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 (Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen): An­mel­de- und Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren

Der 1. Wehr­dienst­se­nat ver­han­delt erst- und letzt­in­stanz­lich über zwei An­trä­ge von Of­fi­zie­ren ge­gen die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat ab 24. No­vem­ber 2021 die all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 zur Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A 840/8 "Impf- und wei­te­re Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" da­hin­ge­hend ge­än­dert, dass ne­ben der Te­ta­nus-, Di­ph­te­rie-, Per­tus­sis-, In­flu­en­za-, He­pa­ti­tis- und FSME-Imp­fung nun­mehr auch die Co­vid-19-Imp­fung ver­bind­lich ist. Dem­entspre­chend sind die An­trag­stel­ler an­ge­hal­ten wor­den, Impf­an­ge­bo­te ge­gen das Co­ro­na­vi­rus zu nut­zen. Für die­se Imp­fung be­stehe nun­mehr ei­ne ge­setz­li­che Dul­dungs­pflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.


An­mel­de­ver­fah­ren für in­ter­es­sier­te Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er


Die An­zahl der Plät­ze für Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er, die nicht an dem Kla­ge­ver­fah­ren be­tei­ligt sind, ist be­grenzt. Ei­ne An­mel­dung zur Teil­nah­me an der münd­li­chen Ver­hand­lung ist da­her er­for­der­lich. Hier­für ist aus­schlie­ß­lich das An­mel­de­for­mu­lar auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. We­gen der der­zeit gel­ten­den be­son­de­ren Re­ge­lun­gen auf­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie ist es er­for­der­lich, die Kon­takt­da­ten für je­de an­ge­mel­de­te Per­son **an­zu­ge­ben. Grup­pen wer­den nur bis zu ei­ner Grö­ße von zehn Per­so­nen be­rück­sich­tigt.


Die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge der ein­ge­gan­ge­nen An­mel­dun­gen ver­ge­ben. An­mel­dun­gen von Ein­zel­per­so­nen, die vor die­ser Pres­se­mit­tei­lung ein­ge­gan­gen sind, wer­den be­rück­sich­tigt; die er­neu­te An­mel­dung ist nicht er­for­der­lich. Die An­mel­dung von Grup­pen muss un­ter An­ga­be der Kon­takt­da­ten für je­de ein­zel­ne Per­son wie­der­holt wer­den. Ei­ne Rück­ant­wort auf die An­mel­dung er­folgt nur, wenn die Platz­ka­pa­zi­tät er­schöpft ist und die An­mel­dung des­halb nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den kann.


Ak­kre­di­tie­rungs­be­din­gun­gen und Hin­wei­se für Me­di­en­ver­tre­te­rin­nen und Me­di­en­ver­tre­ter


Ak­kre­di­tie­rung


Das Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren be­ginnt mit Ver­öf­fent­li­chung der Pres­se­mit­tei­lung und en­det am 30. März 2022, um 12.00 Uhr . Ver­spä­tet ein­ge­hen­de Ak­kre­di­tie­rungs­wün­sche kön­nen nur Be­rück­sich­ti­gung fin­den, so­fern das Platz­kon­tin­gent noch nicht aus­ge­schöpft ist.


Für Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che ist aus­schlie­ß­lich das be­reit­ge­stell­te An­mel­de­for­mu­lar auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. Die­ses muss voll­stän­dig aus­ge­füllt sein. Das Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such kann auch un­ter Ver­wen­dung des For­mu­lars per E-Mail an die Adres­se pres­se­stel­le@​bverwg.​bund.​de über­mit­telt wer­den. Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che an sons­ti­ge E-Mail-Adres­sen oder Te­le­fax­an­schlüs­se des Ge­richts wer­den nicht be­rück­sich­tigt.


Der gül­ti­ge Pres­se­aus­weis ist vor Ort vor­zu­le­gen.


Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che wer­den in der Rei­hen­fol­ge ih­res Ein­gangs be­rück­sich­tigt; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. We­ni­ge Ta­ge nach Ab­lauf der Frist ver­sen­det die Pres­se­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ei­ne Be­nach­rich­ti­gung über die er­folg­rei­che bzw. nicht er­folg­rei­che Ak­kre­di­tie­rung.


Ver­füg­ba­re Sitz­plät­ze und Sitz­platz­ver­ga­be


Für Me­di­en­ver­tre­ter ste­hen im Sit­zungs­saal auf­grund ak­tu­el­ler Maß­nah­men zum Schutz vor ei­ner An­ste­ckung mit dem Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 ins­ge­samt zehn Sitz­plät­ze zur Ver­fü­gung. Die Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge des Ak­kre­di­tie­rungs­ein­gangs ver­ge­ben. Auf­grund der be­grenz­ten Ka­pa­zi­tät steht nur ein Sitz­platz je Me­di­en­or­gan zur Ver­fü­gung.


Ein ge­son­der­ter Me­di­en­ar­beits­raum steht nicht zur Ver­fü­gung.


Fo­to- und Fern­seh­auf­nah­men; Pool-Bil­dung


1. Ge­mäß der Re­ge­lun­gen des Ge­richts­ver­fas­sungs­ge­set­zes (GVG) sind Fo­to-, Film-, und Ton­auf­nah­men im Sit­zungs­saal nur bis zum Be­ginn der münd­li­chen Ver­hand­lung zu­läs­sig. Da­nach ha­ben Fo­to­gra­fen und Ka­me­ra­teams den Sit­zungs­saal zu ver­las­sen.


2. Für Fo­to- und Film­auf­nah­men im Sit­zungs­saal wer­den Me­di­en­pools ge­bil­det. Zu­ge­las­sen wer­den zwei Fern­seh­teams (ein öf­fent­lich-recht­li­cher und ein pri­vat-recht­li­cher in­län­di­scher Sen­der mit je­weils ei­ner Ka­me­ra) so­wie sechs Fo­to­gra­fen (drei Agen­tur­fo­to­gra­fen und drei freie Fo­to­gra­fen aus dem In­land). Über­steigt die An­zahl der An­mel­dun­gen die Zahl der im je­wei­li­gen Me­di­en­pool zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze, ist Vor­aus­set­zung für ei­ne Zu­las­sung die im Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such er­klär­te Be­reit­schaft zur Über­nah­me der Pool­füh­rer­schaft. Ein Me­di­en­ver­tre­ter, der die ent­spre­chen­den tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt, kann nicht Pool­füh­rer wer­den. Der je­wei­li­ge Pool­füh­rer ist ver­pflich­tet, ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern des Me­di­en­pools die ge­fer­tig­ten Auf­nah­men auf An­fra­ge un­ver­züg­lich in ge­eig­ne­ter Form zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Zu­las­sung zum je­wei­li­gen Me­di­en­pool und ggfs. die Ver­ga­be der Pool­füh­rer­schaft er­fol­gen nach der Rei­hen­fol­ge des Ein­gangs des Ak­kre­di­tie­rungs­ge­suchs; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. Die Be­stim­mung der kon­kret mit­wir­ken­den Per­so­nen bleibt den Fern­seh­sen­dern bzw. den Agen­tu­ren und Fo­to­gra­fen selbst über­las­sen.


3. Der Auf­ent­halt hin­ter der Rich­ter­bank ist nicht ge­stat­tet. Ent­spre­chen­den An­wei­sun­gen der Wacht­meis­ter und der Pres­se­stel­le ist Fol­ge zu leis­ten. Fo­to- und Film­auf­nah­men sind aus­schlie­ß­lich mit ge­räusch­ar­men Ap­pa­ra­ten oh­ne Blitz­licht ge­stat­tet.


4. Nach Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung so­wie in den Pau­sen sind In­ter­views so­wie Fern­seh- und Fo­to­auf­nah­men mit Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten oder sons­ti­gen Per­so­nen le­dig­lich au­ßer­halb des Sit­zungs­saals zu­ge­las­sen.


Er­gän­zen­de Re­ge­lun­gen für den Sit­zungs­saal


Ein­lass in den Sit­zungs­saal wird ab ei­ne Stun­de vor Be­ginn der Ver­hand­lung ge­währt. Bis zum Er­rei­chen und ab Ver­las­sen des Sitz­plat­zes im Sit­zungs­saal ist ei­ne Mund-Na­sen-Be­de­ckung zu tra­gen. Me­di­en­ver­tre­ter dür­fen nur die zur Aus­übung ih­rer Tä­tig­keit er­for­der­li­chen Ge­rä­te und Ta­schen mit sich füh­ren.


Fo­to- und Film­auf­nah­men so­wie das Te­le­fo­nie­ren, Twit­tern und sons­ti­ge Ver­sen­den von Nach­rich­ten, das Ab­ru­fen von Da­ten so­wie jeg­li­che Nut­zung des In­ter­nets im bzw. aus dem Sit­zungs­saal wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung sind nicht ge­stat­tet. Al­le für die­se Zwe­cke nutz­ba­ren elek­tro­ni­schen Ge­rä­te, ins­be­son­de­re Mo­bil­te­le­fo­ne, Lap­top-Com­pu­ter oder Ta­blet-Com­pu­ter, dür­fen im Sit­zungs­saal nicht ver­wen­det wer­den. Me­di­en­ver­tre­tern wird wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung die Nut­zung die­ser Ge­rä­te im Off­line-Be­trieb zur Ein­ga­be von Text, nicht aber für Ton- und Bild­auf­nah­men so­wie Da­ten­über­mitt­lun­gen ge­stat­tet. Der Be­trieb der Ge­rä­te ist nur im Flug­zeug- und Laut­los­mo­dus zu­läs­sig. In den Sit­zungs­pau­sen und nach Schlie­ßung der Sit­zung ist den Me­di­en­ver­tre­tern die Ver­wen­dung die­ser Ge­rä­te im bzw. aus dem Sit­zungs­saal zum Te­le­fo­nie­ren, zur sons­ti­gen Kom­mu­ni­ka­ti­on, zum Ab­ru­fen von Da­ten so­wie zu jeg­li­cher sons­ti­gen Nut­zung des In­ter­nets ge­stat­tet.


BVer­wG 1 WB 2.22

BVer­wG 1 WB 5.22


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 24/2022 vom 12.04.2022

Münd­li­che Ver­hand­lung am 2. Mai 2022 in den Ver­wal­tungs­streit­sa­chen BVer­wG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 (Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen): An­mel­de- und Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren

Der 1. Wehr­dienst­se­nat ver­han­delt erst- und letzt­in­stanz­lich über zwei An­trä­ge von Of­fi­zie­ren ge­gen die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat ab 24. No­vem­ber 2021 die all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 zur Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A 840/8 "Impf- und wei­te­re Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" da­hin­ge­hend ge­än­dert, dass ne­ben der Te­ta­nus-, Di­ph­te­rie-, Per­tus­sis-, In­flu­en­za-, He­pa­ti­tis- und FSME-Imp­fung nun­mehr auch die Co­vid-19-Imp­fung ver­bind­lich ist. Dem­entspre­chend sind die An­trag­stel­ler an­ge­hal­ten wor­den, Impf­an­ge­bo­te ge­gen das Co­ro­na­vi­rus zu nut­zen. Für die­se Imp­fung be­stehe nun­mehr ei­ne ge­setz­li­che Dul­dungs­pflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.


An­mel­de­ver­fah­ren für in­ter­es­sier­te Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er


Die An­zahl der Plät­ze für Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er, die nicht an dem Kla­ge­ver­fah­ren be­tei­ligt sind, ist be­grenzt. Ei­ne An­mel­dung zur Teil­nah­me an der münd­li­chen Ver­hand­lung ist da­her er­for­der­lich. Hier­für ist aus­schlie­ß­lich das An­mel­de­for­mu­lar auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. We­gen der der­zeit gel­ten­den be­son­de­ren Re­ge­lun­gen auf­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie ist es er­for­der­lich, die Kon­takt­da­ten für je­de an­ge­mel­de­te Per­son an­zu­ge­ben. Grup­pen wer­den nur bis zu ei­ner Grö­ße von zehn Per­so­nen be­rück­sich­tigt.


Die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge der ein­ge­gan­ge­nen An­mel­dun­gen ver­ge­ben. An­mel­dun­gen von Ein­zel­per­so­nen, die vor die­ser Pres­se­mit­tei­lung ein­ge­gan­gen sind, wer­den be­rück­sich­tigt; die er­neu­te An­mel­dung ist nicht er­for­der­lich. Die An­mel­dung von Grup­pen muss un­ter An­ga­be der Kon­takt­da­ten für je­de ein­zel­ne Per­son wie­der­holt wer­den. Ei­ne Rück­ant­wort auf die An­mel­dung er­folgt nur, wenn die Platz­ka­pa­zi­tät er­schöpft ist und die An­mel­dung des­halb nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den kann.


Ak­kre­di­tie­rungs­be­din­gun­gen und Hin­wei­se für Me­di­en­ver­tre­te­rin­nen und Me­di­en­ver­tre­ter


Ak­kre­di­tie­rung


Das Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren be­ginnt mit Ver­öf­fent­li­chung der Pres­se­mit­tei­lung und en­det am 27. April 2022 um 12 Uhr . Ver­spä­tet ein­ge­hen­de Ak­kre­di­tie­rungs­wün­sche kön­nen nur Be­rück­sich­ti­gung fin­den, so­fern das Platz­kon­tin­gent noch nicht aus­ge­schöpft ist.


Für Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che ist aus­schlie­ß­lich das be­reit­ge­stell­te An­mel­de­for­mu­lar auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. Die­ses muss voll­stän­dig aus­ge­füllt sein. Das Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such kann auch un­ter Ver­wen­dung des For­mu­lars per E-Mail an die Adres­se pres­se­stel­le@​bverwg.​bund.​de über­mit­telt wer­den. Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che an sons­ti­ge E-Mail-Adres­sen oder Te­le­fax­an­schlüs­se des Ge­richts wer­den nicht be­rück­sich­tigt.


Der gül­ti­ge Pres­se­aus­weis ist vor Ort vor­zu­le­gen.


Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che wer­den in der Rei­hen­fol­ge ih­res Ein­gangs be­rück­sich­tigt; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. We­ni­ge Ta­ge nach Ab­lauf der Frist ver­sen­det die Pres­se­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ei­ne Be­nach­rich­ti­gung über die er­folg­rei­che bzw. nicht er­folg­rei­che Ak­kre­di­tie­rung.


Ver­füg­ba­re Sitz­plät­ze und Sitz­platz­ver­ga­be


Für Me­di­en­ver­tre­ter ste­hen im Sit­zungs­saal zehn Sitz­plät­ze zur Ver­fü­gung. Die Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge des Ak­kre­di­tie­rungs­ein­gangs ver­ge­ben. Auf­grund der be­grenz­ten Ka­pa­zi­tät steht nur ein Sitz­platz je Me­di­en­or­gan zur Ver­fü­gung.


Ein ge­son­der­ter Me­di­en­ar­beits­raum steht nicht zur Ver­fü­gung.


Fo­to- und Fern­seh­auf­nah­men; Pool-Bil­dung


1. Ge­mäß der Re­ge­lun­gen des Ge­richts­ver­fas­sungs­ge­set­zes (GVG) sind Fo­to-, Film-, und Ton­auf­nah­men im Sit­zungs­saal nur bis zum Be­ginn der münd­li­chen Ver­hand­lung zu­läs­sig. Da­nach ha­ben Fo­to­gra­fen und Ka­me­ra­teams den Sit­zungs­saal zu ver­las­sen.


2. Für Fo­to- und Film­auf­nah­men im Sit­zungs­saal wer­den Me­di­en­pools ge­bil­det. Zu­ge­las­sen wer­den zwei Fern­seh­teams (ein öf­fent­lich-recht­li­cher und ein pri­vat-recht­li­cher in­län­di­scher Sen­der) so­wie sechs Fo­to­gra­fen . Über­steigt die An­zahl der An­mel­dun­gen die Zahl der im je­wei­li­gen Me­di­en­pool zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze, ist Vor­aus­set­zung für ei­ne Zu­las­sung die im Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such er­klär­te Be­reit­schaft zur Über­nah­me der Pool­füh­rer­schaft. Ein Me­di­en­ver­tre­ter, der die ent­spre­chen­den tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt, kann nicht Pool­füh­rer wer­den. Der je­wei­li­ge Pool­füh­rer ist ver­pflich­tet, ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern des Me­di­en­pools die ge­fer­tig­ten Auf­nah­men auf An­fra­ge un­ver­züg­lich in ge­eig­ne­ter Form zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Zu­las­sung zum je­wei­li­gen Me­di­en­pool und ggfs. die Ver­ga­be der Pool­füh­rer­schaft er­fol­gen nach der Rei­hen­fol­ge des Ein­gangs des Ak­kre­di­tie­rungs­ge­suchs; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. Die Be­stim­mung der kon­kret mit­wir­ken­den Per­so­nen bleibt den Fern­seh­sen­dern bzw. den Agen­tu­ren und Fo­to­gra­fen selbst über­las­sen.


3. Der Auf­ent­halt hin­ter der Rich­ter­bank ist nicht ge­stat­tet. Ent­spre­chen­den An­wei­sun­gen der Wacht­meis­ter und der Pres­se­stel­le ist Fol­ge zu leis­ten. Fo­to- und Film­auf­nah­men sind aus­schlie­ß­lich mit ge­räusch­ar­men Ap­pa­ra­ten oh­ne Blitz­licht ge­stat­tet.


4. Nach Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung so­wie in den Pau­sen sind In­ter­views so­wie Fern­seh- und Fo­to­auf­nah­men mit Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten oder sons­ti­gen Per­so­nen le­dig­lich au­ßer­halb des Sit­zungs­saals zu­ge­las­sen.


Er­gän­zen­de Re­ge­lun­gen für den Sit­zungs­saal


Ein­lass in den Sit­zungs­saal wird ab ei­ne Stun­de vor Be­ginn der Ver­hand­lung ge­währt. Bis zum Er­rei­chen und ab Ver­las­sen des Sitz­plat­zes im Sit­zungs­saal ist ei­ne Mund-Na­sen-Be­de­ckung zu tra­gen. Me­di­en­ver­tre­ter dür­fen nur die zur Aus­übung ih­rer Tä­tig­keit er­for­der­li­chen Ge­rä­te und Ta­schen mit sich füh­ren.


Fo­to- und Film­auf­nah­men so­wie das Te­le­fo­nie­ren, Twit­tern und sons­ti­ge Ver­sen­den von Nach­rich­ten, das Ab­ru­fen von Da­ten so­wie jeg­li­che Nut­zung des In­ter­nets im bzw. aus dem Sit­zungs­saal wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung sind nicht ge­stat­tet. Al­le für die­se Zwe­cke nutz­ba­ren elek­tro­ni­schen Ge­rä­te, ins­be­son­de­re Mo­bil­te­le­fo­ne, Lap­top-Com­pu­ter oder Ta­blet-Com­pu­ter, dür­fen im Sit­zungs­saal nicht ver­wen­det wer­den. Me­di­en­ver­tre­tern wird wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung die Nut­zung die­ser Ge­rä­te im Off­line-Be­trieb zur Ein­ga­be von Text, nicht aber für Ton- und Bild­auf­nah­men so­wie Da­ten­über­mitt­lun­gen ge­stat­tet. Der Be­trieb der Ge­rä­te ist nur im Flug­zeug- und Laut­los­mo­dus zu­läs­sig. In den Sit­zungs­pau­sen und nach Schlie­ßung der Sit­zung ist den Me­di­en­ver­tre­tern die Ver­wen­dung die­ser Ge­rä­te im bzw. aus dem Sit­zungs­saal zum Te­le­fo­nie­ren, zur sons­ti­gen Kom­mu­ni­ka­ti­on, zum Ab­ru­fen von Da­ten so­wie zu jeg­li­cher sons­ti­gen Nut­zung des In­ter­nets ge­stat­tet.


BVer­wG 1 WB 2.22

BVer­wG 1 WB 5.22


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 30/2022 vom 05.05.2022

Fort­set­zung der münd­li­chen Ver­hand­lung am 7. Ju­ni 2022 in den Ver­wal­tungs­streit­sa­chen BVer­wG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 mit et­wai­ger Fort­set­zung am 8. Ju­ni 2022 (Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen): An­mel­de- und Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren

An­mel­de­ver­fah­ren für in­ter­es­sier­te Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er


Die An­zahl der Plät­ze für Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er, die nicht an dem Kla­ge­ver­fah­ren be­tei­ligt sind, ist be­grenzt. Ei­ne An­mel­dung zur Teil­nah­me an der münd­li­chen Ver­hand­lung ist da­her er­for­der­lich. Hier­für ist aus­schlie­ß­lich das An­mel­de­for­mu­lar für die Ver­hand­lung am 7. Ju­ni 2022 auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. Die An­mel­dung gilt au­to­ma­tisch auch für den even­tu­ell er­for­der­li­chen wei­te­ren Fort­set­zungs­ter­min am 8. Ju­ni 2022. Ei­ne An­mel­dung nur für ei­nen der Ter­mi­ne ist nicht mög­lich. Grup­pen wer­den nur bis zu ei­ner Grö­ße von zehn Per­so­nen be­rück­sich­tigt.


Die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge der ein­ge­gan­ge­nen An­mel­dun­gen ver­ge­ben. An­mel­dun­gen von Ein­zel­per­so­nen, die vor die­ser Pres­se­mit­tei­lung ein­ge­gan­gen sind, wer­den be­rück­sich­tigt; die er­neu­te An­mel­dung ist nicht er­for­der­lich. Die An­mel­dung von Grup­pen muss un­ter An­ga­be der Kon­takt­da­ten für je­de ein­zel­ne Per­son wie­der­holt wer­den. Ei­ne Rück­ant­wort auf die An­mel­dung er­folgt nur, wenn die Platz­ka­pa­zi­tät er­schöpft ist und die An­mel­dung des­halb nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den kann.


Ak­kre­di­tie­rungs­be­din­gun­gen und Hin­wei­se für Me­di­en­ver­tre­te­rin­nen und Me­di­en­ver­tre­ter


Ak­kre­di­tie­rung


Das Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren be­ginnt mit Ver­öf­fent­li­chung der Pres­se­mit­tei­lung und en­det am 31. Mai 2022, um 12.00 Uhr . Ver­spä­tet ein­ge­hen­de Ak­kre­di­tie­rungs­wün­sche kön­nen nur Be­rück­sich­ti­gung fin­den, so­fern das Platz­kon­tin­gent noch nicht aus­ge­schöpft ist.


Für Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che ist aus­schlie­ß­lich das be­reit­ge­stell­te An­mel­de­for­mu­lar auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. Die­ses muss voll­stän­dig aus­ge­füllt sein. Die An­mel­dung gilt au­to­ma­tisch auch für den even­tu­ell er­for­der­li­chen wei­te­ren Fort­set­zungs­ter­min am 8. Ju­ni 2022. Ei­ne An­mel­dung nur für ei­nen der Ter­mi­ne ist nicht mög­lich. Das Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such kann auch un­ter Ver­wen­dung des For­mu­lars per E-Mail an die Adres­se pres­se­stel­le@​bverwg.​bund.​de über­mit­telt wer­den. Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che an sons­ti­ge E-Mail-Adres­sen oder Te­le­fax­an­schlüs­se des Ge­richts wer­den nicht be­rück­sich­tigt.


Der gül­ti­ge Pres­se­aus­weis ist vor Ort vor­zu­le­gen.


Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che wer­den in der Rei­hen­fol­ge ih­res Ein­gangs be­rück­sich­tigt; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. We­ni­ge Ta­ge nach Ab­lauf der Frist ver­sen­det die Pres­se­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ei­ne Be­nach­rich­ti­gung über die er­folg­rei­che bzw. nicht er­folg­rei­che Ak­kre­di­tie­rung.


Ver­füg­ba­re Sitz­plät­ze und Sitz­platz­ver­ga­be


Für Me­di­en­ver­tre­ter ste­hen im Sit­zungs­saal zehn Sitz­plät­ze zur Ver­fü­gung. Die Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge des Ak­kre­di­tie­rungs­ein­gangs ver­ge­ben. Auf­grund der be­grenz­ten Ka­pa­zi­tät steht nur ein Sitz­platz je Me­di­en­or­gan zur Ver­fü­gung.


Ein ge­son­der­ter Me­di­en­ar­beits­raum steht nicht zur Ver­fü­gung.


Fo­to- und Fern­seh­auf­nah­men; Pool-Bil­dung


1. Ge­mäß der Re­ge­lun­gen des Ge­richts­ver­fas­sungs­ge­set­zes (GVG) sind Fo­to-, Film-, und Ton­auf­nah­men im Sit­zungs­saal nur bis zum Be­ginn der münd­li­chen Ver­hand­lung zu­läs­sig. Da­nach ha­ben Fo­to­gra­fen und Ka­me­ra­teams den Sit­zungs­saal zu ver­las­sen.


2. Für Fo­to- und Film­auf­nah­men im Sit­zungs­saal wer­den Me­di­en­pools ge­bil­det. Zu­ge­las­sen wer­den zwei Fern­seh­teams (ein öf­fent­lich-recht­li­cher und ein pri­vat-recht­li­cher in­län­di­scher Sen­der) so­wie sechs Fo­to­gra­fen . Über­steigt die An­zahl der An­mel­dun­gen die Zahl der im je­wei­li­gen Me­di­en­pool zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze, ist Vor­aus­set­zung für ei­ne Zu­las­sung die im Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such er­klär­te Be­reit­schaft zur Über­nah­me der Pool­füh­rer­schaft. Ein Me­di­en­ver­tre­ter, der die ent­spre­chen­den tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt, kann nicht Pool­füh­rer wer­den. Der je­wei­li­ge Pool­füh­rer ist ver­pflich­tet, ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern des Me­di­en­pools die ge­fer­tig­ten Auf­nah­men auf An­fra­ge un­ver­züg­lich in ge­eig­ne­ter Form zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Zu­las­sung zum je­wei­li­gen Me­di­en­pool und ggfs. die Ver­ga­be der Pool­füh­rer­schaft er­fol­gen nach der Rei­hen­fol­ge des Ein­gangs des Ak­kre­di­tie­rungs­ge­suchs; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. Die Be­stim­mung der kon­kret mit­wir­ken­den Per­so­nen bleibt den Fern­seh­sen­dern bzw. den Agen­tu­ren und Fo­to­gra­fen selbst über­las­sen.


3. Der Auf­ent­halt hin­ter der Rich­ter­bank ist nicht ge­stat­tet. Ent­spre­chen­den An­wei­sun­gen der Wacht­meis­ter und der Pres­se­stel­le ist Fol­ge zu leis­ten. Fo­to- und Film­auf­nah­men sind aus­schlie­ß­lich mit ge­räusch­ar­men Ap­pa­ra­ten oh­ne Blitz­licht ge­stat­tet.


4. Nach Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung so­wie in den Pau­sen sind In­ter­views so­wie Fern­seh- und Fo­to­auf­nah­men mit Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten oder sons­ti­gen Per­so­nen le­dig­lich au­ßer­halb des Sit­zungs­saals zu­ge­las­sen.



Er­gän­zen­de Re­ge­lun­gen für den Sit­zungs­saal


Ein­lass in den Sit­zungs­saal wird ab ei­ne Stun­de vor Be­ginn der Ver­hand­lung ge­währt. Bis zum Er­rei­chen und ab Ver­las­sen des Sitz­plat­zes im Sit­zungs­saal ist ei­ne Mund-Na­sen-Be­de­ckung zu tra­gen. Me­di­en­ver­tre­ter dür­fen nur die zur Aus­übung ih­rer Tä­tig­keit er­for­der­li­chen Ge­rä­te und Ta­schen mit sich füh­ren.


Fo­to- und Film­auf­nah­men so­wie das Te­le­fo­nie­ren, Twit­tern und sons­ti­ge Ver­sen­den von Nach­rich­ten, das Ab­ru­fen von Da­ten so­wie jeg­li­che Nut­zung des In­ter­nets im bzw. aus dem Sit­zungs­saal wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung sind nicht ge­stat­tet. Al­le für die­se Zwe­cke nutz­ba­ren elek­tro­ni­schen Ge­rä­te, ins­be­son­de­re Mo­bil­te­le­fo­ne, Lap­top-Com­pu­ter oder Ta­blet-Com­pu­ter, dür­fen im Sit­zungs­saal nicht ver­wen­det wer­den. Me­di­en­ver­tre­tern wird wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung die Nut­zung die­ser Ge­rä­te im Off­line-Be­trieb zur Ein­ga­be von Text, nicht aber für Ton- und Bild­auf­nah­men so­wie Da­ten­über­mitt­lun­gen ge­stat­tet. Der Be­trieb der Ge­rä­te ist nur im Flug­zeug- und Laut­los­mo­dus zu­läs­sig. In den Sit­zungs­pau­sen und nach Schlie­ßung der Sit­zung ist den Me­di­en­ver­tre­tern die Ver­wen­dung die­ser Ge­rä­te im bzw. aus dem Sit­zungs­saal zum Te­le­fo­nie­ren, zur sons­ti­gen Kom­mu­ni­ka­ti­on, zum Ab­ru­fen von Da­ten so­wie zu jeg­li­cher sons­ti­gen Nut­zung des In­ter­nets ge­stat­tet.


BVer­wG 1 WB 2.22

BVer­wG 1 WB 5.22


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 38/2022 vom 21.06.2022

Fort­set­zung der münd­li­chen Ver­hand­lung am 6. Ju­li 2022 in den Ver­wal­tungs­streit­sa­chen BVer­wG 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22 mit et­wai­ger Fort­set­zung am 7. Ju­li 2022 (Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen): An­mel­de- und Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren

An­mel­de­ver­fah­ren für in­ter­es­sier­te Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er


Die An­zahl der Plät­ze für Zu­schaue­rin­nen und Zu­schau­er, die nicht an dem Kla­ge­ver­fah­ren be­tei­ligt sind, ist be­grenzt. Ei­ne An­mel­dung zur Teil­nah­me an der münd­li­chen Ver­hand­lung ist da­her er­for­der­lich. Hier­für ist aus­schlie­ß­lich das An­mel­de­for­mu­lar für die Ver­hand­lung am 6. Ju­li 2022 auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. Die An­mel­dung gilt au­to­ma­tisch auch für den even­tu­ell er­for­der­li­chen wei­te­ren Fort­set­zungs­ter­min am 7. Ju­li 2022. Ei­ne An­mel­dung nur für ei­nen der Ter­mi­ne ist nicht mög­lich. Grup­pen wer­den nur bis zu ei­ner Grö­ße von zehn Per­so­nen be­rück­sich­tigt.


Die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge der ein­ge­gan­ge­nen An­mel­dun­gen ver­ge­ben. An­mel­dun­gen von Ein­zel­per­so­nen, die vor die­ser Pres­se­mit­tei­lung ein­ge­gan­gen sind, wer­den be­rück­sich­tigt; die er­neu­te An­mel­dung ist nicht er­for­der­lich. Die An­mel­dung von Grup­pen muss un­ter An­ga­be der Kon­takt­da­ten für je­de ein­zel­ne Per­son wie­der­holt wer­den. Ei­ne Rück­ant­wort auf die An­mel­dung er­folgt nur, wenn die Platz­ka­pa­zi­tät er­schöpft ist und die An­mel­dung des­halb nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den kann.


Ak­kre­di­tie­rungs­be­din­gun­gen und Hin­wei­se für Me­di­en­ver­tre­te­rin­nen und Me­di­en­ver­tre­ter


Ak­kre­di­tie­rung


Das Ak­kre­di­tie­rungs­ver­fah­ren be­ginnt mit Ver­öf­fent­li­chung der Pres­se­mit­tei­lung und en­det am 29. Ju­ni 2022, um 12.00 Uhr . Ver­spä­tet ein­ge­hen­de Ak­kre­di­tie­rungs­wün­sche kön­nen nur Be­rück­sich­ti­gung fin­den, so­fern das Platz­kon­tin­gent noch nicht aus­ge­schöpft ist.


Für Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che ist aus­schlie­ß­lich das be­reit­ge­stell­te An­mel­de­for­mu­lar auf der Web­site des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu nut­zen. Die­ses muss voll­stän­dig aus­ge­füllt sein. Die An­mel­dung gilt au­to­ma­tisch auch für den even­tu­ell er­for­der­li­chen wei­te­ren Fort­set­zungs­ter­min am 7. Ju­li 2022. Ei­ne An­mel­dung nur für ei­nen der Ter­mi­ne ist nicht mög­lich. Das Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such kann auch un­ter Ver­wen­dung des For­mu­lars per E-Mail an die Adres­se pres­se­stel­le@​bverwg.​bund.​de über­mit­telt wer­den. Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che an sons­ti­ge E-Mail-Adres­sen oder Te­le­fax­an­schlüs­se des Ge­richts wer­den nicht be­rück­sich­tigt.


Der gül­ti­ge Pres­se­aus­weis ist vor Ort vor­zu­le­gen.


Ak­kre­di­tie­rungs­ge­su­che wer­den in der Rei­hen­fol­ge ih­res Ein­gangs be­rück­sich­tigt; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. We­ni­ge Ta­ge nach Ab­lauf der Frist ver­sen­det die Pres­se­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ei­ne Be­nach­rich­ti­gung über die er­folg­rei­che bzw. nicht er­folg­rei­che Ak­kre­di­tie­rung.


Ver­füg­ba­re Sitz­plät­ze und Sitz­platz­ver­ga­be


Für Me­di­en­ver­tre­ter ste­hen im Sit­zungs­saal zehn Sitz­plät­ze zur Ver­fü­gung. Die Plät­ze wer­den nach der Rei­hen­fol­ge des Ak­kre­di­tie­rungs­ein­gangs ver­ge­ben. Auf­grund der be­grenz­ten Ka­pa­zi­tät steht nur ein Sitz­platz je Me­di­en­or­gan zur Ver­fü­gung.


Ein ge­son­der­ter Me­di­en­ar­beits­raum steht nicht zur Ver­fü­gung.


Fo­to- und Fern­seh­auf­nah­men; Pool-Bil­dung


1. Ge­mäß der Re­ge­lun­gen des Ge­richts­ver­fas­sungs­ge­set­zes (GVG) sind Fo­to-, Film-, und Ton­auf­nah­men im Sit­zungs­saal nur bis zum Be­ginn der münd­li­chen Ver­hand­lung zu­läs­sig. Da­nach ha­ben Fo­to­gra­fen und Ka­me­ra­teams den Sit­zungs­saal zu ver­las­sen.


2. Für Fo­to- und Film­auf­nah­men im Sit­zungs­saal wer­den Me­di­en­pools ge­bil­det. Zu­ge­las­sen wer­den zwei Fern­seh­teams (ein öf­fent­lich-recht­li­cher und ein pri­vat-recht­li­cher in­län­di­scher Sen­der) so­wie sechs Fo­to­gra­fen . Über­steigt die An­zahl der An­mel­dun­gen die Zahl der im je­wei­li­gen Me­di­en­pool zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze, ist Vor­aus­set­zung für ei­ne Zu­las­sung die im Ak­kre­di­tie­rungs­ge­such er­klär­te Be­reit­schaft zur Über­nah­me der Pool­füh­rer­schaft. Ein Me­di­en­ver­tre­ter, der die ent­spre­chen­den tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt, kann nicht Pool­füh­rer wer­den. Der je­wei­li­ge Pool­füh­rer ist ver­pflich­tet, ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern des Me­di­en­pools die ge­fer­tig­ten Auf­nah­men auf An­fra­ge un­ver­züg­lich in ge­eig­ne­ter Form zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Zu­las­sung zum je­wei­li­gen Me­di­en­pool und ggfs. die Ver­ga­be der Pool­füh­rer­schaft er­fol­gen nach der Rei­hen­fol­ge des Ein­gangs des Ak­kre­di­tie­rungs­ge­suchs; bei et­wai­ger Zeit­gleich­heit ent­schei­det das Los. Die Be­stim­mung der kon­kret mit­wir­ken­den Per­so­nen bleibt den Fern­seh­sen­dern bzw. den Agen­tu­ren und Fo­to­gra­fen selbst über­las­sen.


3. Der Auf­ent­halt hin­ter der Rich­ter­bank ist nicht ge­stat­tet. Ent­spre­chen­den An­wei­sun­gen der Wacht­meis­ter und der Pres­se­stel­le ist Fol­ge zu leis­ten. Fo­to- und Film­auf­nah­men sind aus­schlie­ß­lich mit ge­räusch­ar­men Ap­pa­ra­ten oh­ne Blitz­licht ge­stat­tet.


4. Nach Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung so­wie in den Pau­sen sind In­ter­views so­wie Fern­seh- und Fo­to­auf­nah­men mit Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten oder sons­ti­gen Per­so­nen le­dig­lich au­ßer­halb des Sit­zungs­saals zu­ge­las­sen.


Er­gän­zen­de Re­ge­lun­gen für den Sit­zungs­saal


Ein­lass in den Sit­zungs­saal wird ab ei­ne Stun­de vor Be­ginn der Ver­hand­lung ge­währt. Bis zum Er­rei­chen und ab Ver­las­sen des Sitz­plat­zes im Sit­zungs­saal ist ei­ne Mund-Na­sen-Be­de­ckung zu tra­gen. Me­di­en­ver­tre­ter dür­fen nur die zur Aus­übung ih­rer Tä­tig­keit er­for­der­li­chen Ge­rä­te und Ta­schen mit sich füh­ren.


Fo­to- und Film­auf­nah­men so­wie das Te­le­fo­nie­ren, Twit­tern und sons­ti­ge Ver­sen­den von Nach­rich­ten, das Ab­ru­fen von Da­ten so­wie jeg­li­che Nut­zung des In­ter­nets im bzw. aus dem Sit­zungs­saal wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung sind nicht ge­stat­tet. Al­le für die­se Zwe­cke nutz­ba­ren elek­tro­ni­schen Ge­rä­te, ins­be­son­de­re Mo­bil­te­le­fo­ne, Lap­top-Com­pu­ter oder Ta­blet-Com­pu­ter, dür­fen im Sit­zungs­saal nicht ver­wen­det wer­den. Me­di­en­ver­tre­tern wird wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung die Nut­zung die­ser Ge­rä­te im Off­line-Be­trieb zur Ein­ga­be von Text, nicht aber für Ton- und Bild­auf­nah­men so­wie Da­ten­über­mitt­lun­gen ge­stat­tet. Der Be­trieb der Ge­rä­te ist nur im Flug­zeug- und Laut­los­mo­dus zu­läs­sig. In den Sit­zungs­pau­sen und nach Schlie­ßung der Sit­zung ist den Me­di­en­ver­tre­tern die Ver­wen­dung die­ser Ge­rä­te im bzw. aus dem Sit­zungs­saal zum Te­le­fo­nie­ren, zur sons­ti­gen Kom­mu­ni­ka­ti­on, zum Ab­ru­fen von Da­ten so­wie zu jeg­li­cher sons­ti­gen Nut­zung des In­ter­nets ge­stat­tet.


BVer­wG 1 WB 2.22

BVer­wG 1 WB 5.22


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 44/2022 vom 07.07.2022

Sol­da­ten müs­sen sich ge­gen Co­vid-19 imp­fen las­sen

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heu­te die An­trä­ge zwei­er Luft­waf­fen­of­fi­zie­re ge­gen die Ver­pflich­tung, die Co­vid-19-Imp­fung zu dul­den, als un­be­grün­det zu­rück­ge­wie­sen. Ge­gen­stand die­ser An­trä­ge nach der Wehr­be­schwer­de­ord­nung ist ei­ne All­ge­mei­ne Re­ge­lung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 24. No­vem­ber 2021, mit der die Schutz­imp­fung ge­gen Co­vid-19 in die Lis­te der für al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ver­bind­li­chen Ba­si­s­imp­fun­gen auf­ge­nom­men wor­den ist. Die bei­den An­trag­stel­ler ha­ben vor­ge­tra­gen, die Imp­fung mit den von der Bun­des­wehr ver­wen­de­ten mRNA-Impf­stof­fen sei rechts­wid­rig und grei­fe in un­zu­mut­ba­rer Wei­se in ih­re Rech­te ein. Die mit den Impf­stof­fen ver­bun­de­nen Ri­si­ken stün­den au­ßer Ver­hält­nis zu de­ren Nut­zen.


Der 1. Wehr­dienst­se­nat hat die All­ge­mei­ne Re­ge­lung zur Durch­füh­rung der Co­vid-19-Imp­fung als an­fecht­ba­re dienst­li­che Maß­nah­me i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO an­ge­se­hen, weil sie für die aus­füh­ren­den Trup­pen­ärz­te und Dis­zi­pli­nar­vor­ge­setz­ten bin­dend ist und un­mit­tel­ba­re Aus­wir­kun­gen auf die Rechts­po­si­ti­on der be­trof­fe­nen Sol­da­ten hat. Er hat dar­um die Ein­wän­de ge­gen die Co­vid-19-Imp­fung an vier Ver­hand­lungs­ta­gen er­ör­tert und in­halt­lich über­prüft. Da­bei sind ne­ben Sach­ver­stän­di­gen der An­trag­stel­ler und der Bun­des­wehr auch Fach­leu­te des Paul-Ehr­lich- und Ro­bert-Koch-In­sti­tuts an­ge­hört wor­den.


Im Er­geb­nis hat sich die All­ge­mei­ne Re­ge­lung als for­mell und ma­te­ri­ell recht­mä­ßig er­wie­sen. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat die Re­ge­lung in ei­nem ord­nungs­ge­mä­ßen Ver­fah­ren er­las­sen und ins­be­son­de­re die Sol­da­ten­ver­tre­tun­gen be­tei­ligt. Es war im Rah­men der ihm zu­ste­hen­den Wei­sungs­be­fug­nis nach § 10 Abs. 4 SG be­rech­tigt, nach pflicht­ge­mä­ßen Er­mes­sen den Kreis der not­wen­di­gen Schutz­imp­fun­gen durch Ver­wal­tungs­vor­schrift fest­zu­le­gen. Denn das Sol­da­ten­ge­setz ent­hält in § 17a SG* ei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung dar­über, dass je­der Sol­dat ver­pflich­tet ist, sich im In­ter­es­se der mi­li­tä­ri­schen Auf­trags­er­fül­lung ge­sund zu er­hal­ten und da­bei ärzt­li­che Maß­nah­men zur Ver­hü­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten ge­gen sei­nen Wil­len zu dul­den. Dies hat sei­nen Grund dar­in, dass der mi­li­tä­ri­sche Dienst seit je­her durch die Zu­sam­men­ar­beit in en­gen Räu­men (Fahr­zeu­gen, Schif­fen, Flug­zeu­gen), durch Übun­gen und Ein­sät­ze in be­son­de­ren na­tur­räum­li­chen Ge­fähr­dungs­la­gen und durch das Ge­mein­schafts­le­ben in Ka­ser­nen das be­son­de­re Ri­si­ko der Ver­brei­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten mit sich bringt. Das Ge­setz er­war­tet, dass je­der Sol­dat durch die Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen zu sei­ner per­sön­li­chen Ein­satz­fä­hig­keit und da­mit zur Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr (Art. 87a GG) ins­ge­samt bei­trägt. Die Er­hal­tung der ei­ge­nen Ein­satz­fä­hig­keit ist ei­ne zen­tra­le Dienst­pflicht im ho­heit­li­chen Dienst- und Treue­ver­hält­nis des Sol­da­ten (Art. 33 Abs. 4 GG)


Die ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung der Dul­dungs­pflicht ge­nügt auch dem rechts­staat­li­chen Ge­bot, dass der Ge­setz­ge­ber al­le we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen selbst trifft. Denn er hat die Reich­wei­te des Ein­griffs in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit in all­ge­mei­ner Wei­se hin­rei­chend klar be­stimmt und auf zu­mut­ba­re Ein­grif­fe be­grenzt. Die ge­naue Fest­le­gung der im Ein­zel­nen hin­zu­neh­men­den Imp­fun­gen und zu ver­wen­den­den Impf­stof­fe konn­te er dem Dienst­herrn über­las­sen, weil die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ab­hän­gig von ih­rem Ein­satz­ort im In- und Aus­land un­ter­schied­li­che Imp­fun­gen be­nö­ti­gen. Au­ßer­dem er­for­dern et­wa das Auf­tre­ten neu­er Krank­heits­er­re­ger oder das Be­kannt­wer­den neu­er Ne­ben­wir­kun­gen von Impf­stof­fen ei­ne fle­xi­ble und schnel­le Ent­schei­dungs­fin­dung.


Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat bei der Ein­füh­rung der Dul­dungs­pflicht im No­vem­ber 2021 das ihm ein­ge­räum­te Er­mes­sen nicht über­schrit­ten. Da­mals wies die Del­ta-Va­ri­an­te des SARS-CoV-2-Vi­rus ei­ne er­heb­li­che Ge­fähr­lich­keit auf. Die vor­han­de­nen Impf­stof­fe konn­ten zwar das Ri­si­ko ei­ner In­fek­ti­on und Über­tra­gung nur ver­rin­gern, aber die Ge­fahr schwe­rer Ver­läu­fe um 90 % re­du­zie­ren. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­pflicht das Vor­han­den­sein ei­ner sich ver­schär­fen­den pan­de­mi­schen La­ge im Win­ter 2021 be­stä­tigt und nä­her aus­ge­führt, dass nach da­ma­li­ger über­wie­gen­der fach­li­cher Ein­schät­zung von ei­ner er­heb­li­chen Re­du­zie­rung der In­fek­ti­ons- und Trans­mis­si­ons­ge­fahr durch die Co­vid-19-Imp­fung aus­ge­gan­gen wur­de (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 157 ff., 173 f.).


Der 1. Wehr­dienst­se­nat hat sich nach der von ihm durch­ge­führ­ten Sach­ver­stän­di­gen-an­hö­rung auch der Be­wer­tung an­ge­schlos­sen, dass die Imp­fung ge­gen­über der nun­mehr vor­herr­schen­den Omi­kron-Va­ri­an­te ei­ne noch re­le­van­te Schutz­wir­kung im Sin­ne ei­ner Ver­rin­ge­rung der In­fek­ti­on und Trans­mis­si­on be­wirkt (BVerfG a.a.O. Rn. 184 f.). Au­ßer­dem re­du­ziert sie vor al­lem nach ei­ner Auf­fri­schungs­imp­fung das Ri­si­ko ei­nes schwe­ren Ver­laufs über län­ge­re Zeit­räu­me, so dass der po­si­ti­ve Ef­fekt der Imp­fung das mit ihr ver­bun­de­ne Ri­si­ko wei­ter deut­lich über­wiegt. Dies gilt nach den ak­tu­el­len Emp­feh­lun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts auch für die Grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen, die den über­wie­gen­den An­teil des mi­li­tä­ri­schen Per­so­nals aus­ma­chen. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung war be­rech­tigt, bei sei­ner Ein­schät­zung der Impf­ri­si­ken auf die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zu­rück­zu­grei­fen, auch wenn die­se Fach­be­hör­de die Da­ten der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen ent­ge­gen § 13 Abs. 5 IfSG bis­lang nicht er­hal­ten hat. Durch die zahl­rei­chen Ein­wen­dun­gen der An­trag­stel­ler wur­de die Über­zeu­gungs­kraft der amt­li­chen Aus­künf­te der bei­den Fach­be­hör­den nicht durch­grei­fend er­schüt­tert.


Al­ler­dings ist das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung ver­pflich­tet, die Auf­recht­erhal­tung der Co­vid-19-Imp­fung zu eva­lu­ie­ren und zu über­wa­chen. Denn Dau­er­an­ord­nun­gen müs­sen stets dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob sie an­ge­sichts ver­än­der­ter Um­stän­de wei­ter­hin ver­hält­nis­mä­ßig und er­mes­sens­ge­recht sind. Das Nach­las­sen der Ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus und die Ver­rin­ge­rung der Ef­fek­ti­vi­tät der ak­tu­ell ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe sind Um­stän­de, die ei­ne er­neu­te Er­mes­sens­ent­schei­dung für die An­ord­nung wei­te­rer Auf­fri­schungs­imp­fun­gen an­ge­zeigt er­schei­nen las­sen. Au­ßer­dem ist ei­ne Eva­lu­ie­rung der Ent­schei­dung dem Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss im Schlich­tungs­ver­fah­ren zu­ge­sagt wor­den.


Fuß­no­te:

*§ 17a Sol­da­ten­ge­setz (Aus­zug)


(1) Der Sol­dat hat al­les in sei­nen Kräf­ten Ste­hen­de zu tun, um sei­ne Ge­sund­heit zu er­hal­ten oder wie­der­her­zu­stel­len. Er darf sei­ne Ge­sund­heit nicht vor­sätz­lich oder grob fahr­läs­sig be­ein­träch­ti­gen.


(2) Der Sol­dat muss ärzt­li­che Maß­nah­men ge­gen sei­nen Wil­len nur dann dul­den, wenn sie


      1. der Ver­hü­tung oder Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten die­nen


          oder


      2. der Fest­stel­lung sei­ner Dienst- oder Ver­wen­dungs­fä­hig­keit die­nen.


Das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit (Ar­ti­kel 2 Ab­satz 2 Satz 1 des Grund­ge­set­zes) wird in­so­weit ein­ge­schränkt. In den Fäl­len des Sat­zes 1 Num­mer 1 bleibt § 25 Ab­satz 3 Satz 3 des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes un­be­rührt.


(3) Ein­fa­che ärzt­li­che Maß­nah­men wie Blut­ent­nah­men aus Ka­pil­la­ren oder pe­ri­phe­ren Ve­nen und rönt­ge­no­lo­gi­sche Un­ter­su­chun­gen hat der Sol­dat zu dul­den.


(4) Lehnt der Sol­dat ei­ne zu­mut­ba­re ärzt­li­che Maß­nah­me ab und wird da­durch sei­ne Dienst- oder Er­werbs­fä­hig­keit be­ein­träch­tigt, kann ihm die Ver­sor­gung in­so­weit ver­sagt wer­den. Nicht zu­mut­bar ist ei­ne ärzt­li­che Maß­nah­me, die mit ei­ner er­heb­li­chen Ge­fahr für Le­ben oder Ge­sund­heit ver­bun­den ist.


BVer­wG 1 WB 2.22 - Be­schluss vom 07. Ju­li 2022

BVer­wG 1 WB 5.22 - Be­schluss vom 07. Ju­li 2022


Be­schluss vom 01.06.2022 -
BVer­wG 1 WB 2.22ECLI:DE:BVer­wG:2022:010622B1W­B2.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 2.22

In den Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger und
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ep­pelt
am 1. Ju­ni 2022 be­schlos­sen:

  1. I. In der münd­li­chen Ver­hand­lung am 7. Ju­ni 2022 wird Herr Dr. med. ... M., ... am Paul-Ehr­lich-In­sti­tut als Sach­ver­stän­di­ger zur Er­läu­te­rung der ak­tu­el­len Si­cher­heits­be­rich­te und zu den Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen der CO­VID-19-Impf­stof­fe ver­nom­men.
  2. II. Fer­ner wird Herr PD Dr. med. ... W., ... Ro­bert-Koch-In­sti­tut als Sach­ver­stän­di­ger zu den ak­tu­el­len Er­kennt­nis­sen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts zur Wirk­sam­keit der CO­VID-19-Impf­stof­fe und zu den Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on ver­nom­men.
  3. III. In­wie­weit die Ver­neh­mung wei­te­rer ge­richt­li­cher Sach­ver­stän­di­ger - ins­be­son­de­re von Prof. Dr. med. ... S. und Prof. Dr. med. ... M. - er­for­der­lich er­scheint, wird nach dem Ein­druck der münd­li­chen Ver­hand­lung ent­schie­den.
  4. IV. Frau Prof. Dr. rer. hum. bi­ol. ... K. und Herr ... L. wer­den am 7. Ju­ni 2022 bei Er­schei­nen als mit­ge­brach­te Par­tei­sach­ver­stän­di­ge an­ge­hört.
  5. V. Die in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Mai 2022 und in nach­ge­reich­ten Schrift­sät­zen ge­stell­ten An­trä­ge auf Be­weis­er­he­bung durch Ver­neh­mung von
    1. Dr. ... L.
    2. ... R.
    3. Prof. Dr. ... M.
    4. Dr. med. ... R.
    5. ... J.
    6. ... McL.
    7. Prof. Dr. ... S. und Prof. Dr. ... T.
    8. Dr. ... Y.
    9. Dr. ... M.
    10. ... G.
  6. als (sach­ver­stän­di­ge) Zeu­gen wer­den ab­ge­lehnt.
  7. VI. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung wird auf­ge­for­dert, schnellst­mög­lich vor­han­de­ne Sach- oder Ver­fah­rens­ak­ten im Zu­sam­men­hang mit der Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen CO­VID-19 in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen für Sol­da­ten und mit der ent­spre­chen­den Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil" vor­zu­le­gen. Im Üb­ri­gen wer­den die Ak­ten­bei­zie­hungs­an­trä­ge ab­ge­lehnt.

Grün­de

1 Die Ent­schei­dung, über die der Se­nat ge­mäß § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 WBO i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO in der Be­set­zung oh­ne eh­ren­amt­li­che Rich­ter ent­schei­det (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 20. No­vem­ber 1979 - 1 WB 161.77 , 1 WB 166.77 - BVer­w­GE 63, 289 <292>), be­ruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 106 WDO, § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 244 Abs. 2 und 3 StPO.

2 1. Dr. med. ... M. ist als Sach­ver­stän­di­ger vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut vor­ge­schla­gen wor­den und er­scheint als ... ge­eig­net, die Er­kennt­nis­se des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zu den Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen der mRNA-Impf­stof­fe an­hand der ak­tu­el­len Si­cher­heits­be­rich­te zu er­läu­tern. Er wird auch ge­be­ten, zum Ri­si­ko von impf­stoff­be­ding­ten Ge­nom­ver­än­de­run­gen Stel­lung zu neh­men. So­weit die An­trag­stel­ler vor­tra­gen, sei­ne Vor­ge­setz­te wä­re aus ih­rer Sicht fach­lich bes­ser ge­eig­net, än­dert dies an der Ex­per­ti­se des Sach­ver­stän­di­gen nichts.

3 2. PD Dr. med. ... W. ist als Ex­per­te vom Ro­bert-Koch-In­sti­tut vor­ge­schla­gen wor­den und er­scheint als ... beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut ge­eig­net, des­sen Ein­schät­zung zu er­läu­tern und Fra­gen zur Wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe fach­kun­dig zu be­ant­wor­ten.

4 3. Über die Not­wen­dig­keit der Er­he­bung wei­te­ren Sach­ver­stän­di­gen­be­wei­ses wird auf An­trag in der münd­li­chen Ver­hand­lung ent­schie­den. Be­reits mit dem schrift­li­chen An­trag auf Ver­neh­mung von Herrn Prof. Dr. med. ... S. als Sach­ver­stän­di­gen zur Fra­ge ei­nes Un­der­re­por­ting von Impf­t­o­ten ist mit­ge­teilt wor­den, dass er nicht zum Ter­min am 7. oder 8. Ju­ni 2022 er­schei­nen kön­ne. Prof. Dr. med. ... M. ist vor­aus­sicht­lich auch nicht kurz­fris­tig er­reich­bar. Bei­de ha­ben sich in Zei­tungs­in­ter­views un­ter Be­zug auf ih­re lau­fen­den For­schungs­ein­drü­cke oder -ar­bei­ten ge­äu­ßert, die (noch) nicht in me­di­zi­ni­schen Fach­blät­tern ver­öf­fent­licht sind. In wel­chem Um­fang hier­über Be­weis er­ho­ben wer­den muss, soll in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­ör­tert wer­den.

5 4. Der Se­nat ist be­reit, Frau Prof. Dr. rer. hum. bi­ol. ... K. als mit­ge­brach­te Par­tei­sach­ver­stän­di­ge zur Er­läu­te­rung ih­rer be­reits schrift­sätz­lich ein­ge­reich­ten Gut­ach­ten zur Eig­nung von PCR-Tests und An­ti­gen-Schnell­tests zum Nach­weis der CO­VID-19-In­fek­ti­on an­zu­hö­ren. Die Rechts­fra­ge, ob und in wel­chem Um­fang die Nach­weis­taug­lich­keit oder Er­fas­sungs­ge­nau­ig­keit von PCR- und An­ti­gen-Schnell­tests ent­schei­dungs­er­heb­lich ist, bleibt der Haupt­sa­che­ent­schei­dung vor­be­hal­ten. Der Se­nat ist zu­dem be­reit, Herrn ... L. - so­weit die An­trag­stel­ler ein kon­kre­tes The­ma hier­für be­nen­nen - als mit­ge­brach­ten Par­tei­sach­ver­stän­di­gen an­zu­hö­ren.

6 5. Die be­an­trag­te Ver­neh­mung von sach­ver­stän­di­gen Zeu­gen ist nicht ge­bo­ten.

7 a) Die Tat­sa­chen, zu de­nen die Ärz­tin der Luft­waf­fe der USA Dr. ... L. aus­sa­gen könn­te, sind in die­sem Ver­fah­ren un­er­heb­lich. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung muss sei­ne Ein­schät­zung zur Zu­mut­bar­keit ei­ner CO­VID-19-Imp­fung auf ei­ne sorg­fäl­ti­ge Aus­wer­tung der ihm er­kenn­ba­ren Um­stän­de, al­so wis­sen­schaft­li­cher Er­kennt­nis­se und ver­füg­ba­rer ei­ge­ner Da­ten zur Wirk­sam­keit und Ge­fähr­lich­keit der ver­wen­de­ten Impf­stof­fe stüt­zen. Es ist aber nicht ver­pflich­tet, wis­sen­schaft­lich nicht ve­ri­fi­zier­te An­ga­ben zu Vor­gän­gen im Aus­land in sei­ne Ab­wä­gung ein­zu­be­zie­hen.

8 b) Un­er­heb­lich sind aus dem­sel­ben Grund auch die Tat­sa­chen, zu de­nen der Rechts­an­walt ... R. aus O. aus­sa­gen soll. Als sach­ver­stän­di­ger Zeu­ge ist er zu­dem un­ge­eig­net, weil die Fest­stel­lung von Impf­ne­ben­wir­kun­gen me­di­zi­ni­schen Sach­ver­stand er­for­dert, den ei­ne ju­ris­ti­sche Aus­bil­dung nicht ver­mit­telt. Rechts­fra­gen, zu de­nen er sich als Ju­rist sach­kun­dig äu­ßern kann, kön­nen nicht Ge­gen­stand der Be­weis­er­he­bung sein und sind oh­ne Be­deu­tung für die­sen Rechts­streit, so­weit sie sich auf das Rechts­sys­tem der USA be­zie­hen.

9 c) Die Tat­sa­chen, zu de­nen der Che­mi­ker Prof. Dr. ... M. vom ... der Fa­kul­tät für Che­mie in L. als sach­ver­stän­di­ger Zeu­ge aus­sa­gen könn­te, sind un­er­heb­lich. So­weit un­ter Be­weis ge­stellt wer­den soll, dass er an ei­nen Mit­grün­der der Fir­ma BioNTech bis­lang un­be­ant­wor­te­te Fra­gen zur Si­cher­heit von Co­mirna­ty ge­stellt hat, kann dies of­fen­blei­ben. Dass der Zeu­ge selbst Ein­blick in den Pro­duk­ti­ons­pro­zess von Co­mirna­ty hat und da­her aus ei­ge­ner Wahr­neh­mung mit­tels sei­ner Sach­kun­de als Che­mi­ker über Ge­fah­ren­quel­len be­rich­ten kann, ist nicht er­sicht­lich.

10 d) Kon­kre­te und ent­schei­dungs­er­heb­li­che Tat­sa­chen, zu de­nen Dr. ... R. als sach­ver­stän­di­ger Zeu­ge aus­sa­gen könn­te, sind nicht vor­ge­bracht. Die Be­wer­tung von Tat­sa­chen - ins­be­son­de­re die Ab­wä­gung von Nut­zen und Ri­si­ken der von der Bun­des­wehr ver­wen­de­ten Impf­stof­fe - kann nicht Ge­gen­stand ei­nes Zeu­gen­be­wei­ses sein. Ob die Imp­fung er­for­der­lich und zu­mut­bar ist, ist ei­ne Rechts­fra­ge, die der Be­weis­er­he­bung nicht un­ter­liegt.

11 e) Die Tat­sa­chen, zu de­nen ... J. als sach­ver­stän­di­ge Zeu­gin be­nannt ist, sind un­er­heb­lich. Das Zu­las­sungs­ver­fah­ren für Co­mirna­ty ist nicht Streit­ge­gen­stand die­ses Ver­fah­rens. Die An­ord­nung ei­ner Dul­dungs­pflicht nach § 17a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 SG ver­langt kei­ne Recht­mä­ßig­keits­kon­trol­le des Zu­las­sungs­ver­fah­rens des ver­wen­de­ten Impf­stof­fes, erst recht nicht ei­nes Zu­las­sungs­ver­fah­rens in den USA oder Ka­na­da.

12 f) Un­er­heb­lich sind da­her auch die Be­haup­tun­gen, die durch die Ver­neh­mung von ... McL. un­ter Be­weis ge­stellt wer­den sol­len. Da die Zu­las­sungs­ver­fah­ren für die ver­wen­de­ten Impf­stof­fe nicht Ge­gen­stand die­ses Rechts­streits sind, sind auch dies­be­züg­li­che Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen zu nicht-eu­ro­päi­schen Zu­las­sungs­ver­fah­ren oh­ne Be­deu­tung für die­ses Ver­fah­ren. Die Rechts­mei­nung der Zeu­gin kann zu­dem nicht Ge­gen­stand ei­ner Be­weis­er­he­bung sein. Un­er­heb­lich sind hier­nach auch die mit Schrift­satz von Rechts­an­walt S. vom 12. Mai 2022 in das Wis­sen der Zeu­gin ge­stell­ten As­pek­te der Impf­stoff­ent­wick­lung in Ka­na­da.

13 g) Kon­kre­te und ent­schei­dungs­er­heb­li­che Tat­sa­chen sind auch nicht in das Wis­sen der BioNTech-Grün­der Prof. Dr. S. und Prof. Dr. T. ge­stellt wor­den. Es ist nicht er­sicht­lich, was sich aus der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung der Fir­ma BioNTech, de­ren Er­klä­run­gen ge­gen­über der US-Bör­sen­auf­sicht so­wie Zeit­punkt und Mo­ti­va­ti­on der Auf­nah­me der Impf­stoff­pro­duk­ti­on für die im vor­lie­gen­den Rechts­streit we­sent­li­chen Fra­gen nach der Wirk­sam­keit und den Ri­si­ken der von der Bun­des­wehr ver­wen­de­ten CO­VID-19 Impf­stof­fe er­ge­ben könn­te.

14 h) Un­er­heb­lich sind des Wei­te­ren die Tat­sa­chen, zu de­nen sich der ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter von Pfi­zer Dr. ... Y. äu­ßern soll. Ge­gen­stand die­ses Rechts­streits ist die abs­trak­te Pflicht zur Dul­dung ei­ner CO­VID-19-Imp­fung, nicht die Über­prü­fung ein­zel­ner kon­kre­ter Impf­stoff­char­gen. Da der Zeu­ge aus­weis­lich sei­nes Ein­tra­ges in die eng­lisch­spra­chi­ge Wi­ki­pe­dia die Fa. Pfi­zer 2011 ver­las­sen hat, ist zu­dem nicht er­sicht­lich, dass er aus ei­ge­ner Wahr­neh­mung der Her­stel­lung oder Ent­wick­lung von CO­VID-19-Vak­zi­nen dort über Ge­fah­ren­quel­len be­rich­ten kann.

15 i) Die Tat­sa­chen, zu de­nen Dr. ... M. als Zeu­ge aus­sa­gen soll, sind eben­falls nicht er­heb­lich. Der Ur­sprung des SARS-CoV-2 Vi­rus ist oh­ne Be­deu­tung für die Fra­ge, ob zur Be­kämp­fung von CO­VID-19 ei­ne Imp­fung mit den in Re­de ste­hen­den Impf­stof­fen er­for­der­lich und zu­mut­bar ist.

16 j) Un­er­heb­lich sind auch die in das Wis­sen des Schrift­stel­lers ... G. ge­stell­ten Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen. Dass in der Ver­gan­gen­heit Phar­ma­kon­zer­ne il­le­ga­ler Ma­chen­schaf­ten über­führt wur­den und ei­ne Pan­de­mie­si­tua­ti­on in Plan­spie­len und Kon­fe­ren­zen the­ma­ti­siert wur­de, ist we­der strei­tig, noch von Be­deu­tung für die ent­schei­dungs­er­heb­li­che Fra­ge, ob die in Re­de ste­hen­den Imp­fun­gen zu dul­den, er­for­der­lich und zu­mut­bar ist.

17 6. Den in der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­stell­ten An­trä­gen auf Ak­ten­bei­zie­hung wird über­wie­gend nicht ge­folgt.

18 a) Der An­trag, die beim Paul-Ehr­lich-In­sti­tut vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen zu den Zu­las­sungs­num­mern EU/1/20/1528/001, EU/1/20/1528/002, EU/1/20/1528/003, EU/1/20/1507/001, EU/1/21/1529/001, EU/1/21/1529/002, EU/1/1525/001, EU/1/1525/002 und EU/1/21/1618/001 und die zu die­sen Zu­las­sungs­num­mern bei der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur EMA vor­lie­gen­den Zu­las­sungs­dos­siers bei­zu­zie­hen (Schrift­satz der Bev. Rechts­an­wäl­tin Dr. R. vom 14. April 2022, Sei­te 5 bis 7 un­ter Nr. 1 und 2), wird ab­ge­lehnt.

19 Die Bei­zie­hung die­ser Un­ter­la­gen ist für die Sach­ver­halts­auf­klä­rung von Amts we­gen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO) in den vor­lie­gen­den Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren nicht sach­dien­lich. Ge­gen­stand der Ver­fah­ren ist nicht die arz­nei­mit­tel­recht­li­che Zu­las­sung ein­zel­ner Impf­stof­fe, son­dern die Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen CO­VID-19 in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen für Sol­da­ten; für die Recht­mä­ßig­keit die­ser vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung ge­trof­fe­nen Er­mes­sens­ent­schei­dung kommt es auf die für das Bun­des­mi­nis­te­ri­um er­kenn­ba­ren Um­stän­de an; es muss den mi­li­tä­ri­schen Nut­zen ei­ner Dul­dungs­pflicht mit den ge­sund­heit­li­chen Ri­si­ken ab­wä­gen. Da­bei bil­det das Vor­lie­gen ei­ner be­ding­ten oder un­be­ding­ten Zu­las­sung der für den Ein­satz vor­ge­se­he­nen Impf­stof­fe durch die Eu­ro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur nur ei­nen von meh­re­ren ab­wä­gungs­er­heb­li­chen Be­lan­gen. Dies ver­pflich­tet das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung je­doch nicht zu ei­ner um­fang­rei­chen Feh­ler­su­che im vor­ge­la­ger­ten arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sungs­ver­fah­ren. Um­ge­kehrt darf es bei sei­ner Ab­wä­gung im Zu­las­sungs­ver­fah­ren nicht er­kann­te, aber spä­ter wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­se­ne Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen zu­ge­las­se­ner Impf­stof­fe nicht au­ßer Acht las­sen.

20 Als in der münd­li­chen Ver­hand­lung (durch den Bev. Rechts­an­walt S.) ge­stell­ter Be­weis­an­trag ist der An­trag man­gels Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit und man­gels An­ga­be kon­kre­ter Be­weistat­sa­chen als Aus­for­schungs­be­weis ab­zu­leh­nen.

21 b) Der An­trag, die bei der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen zur Ana­ly­se und Be­wer­tung des in­di­vi­du­el­len Nut­zen-Ri­si­ko-Ver­hält­nis­ses ei­ner gen­ba­sier­ten CO­VID-19-Imp­fung für die Al­ters­grup­pe der 18- bis 65-Jäh­ri­gen bei­zu­zie­hen (Schrift­satz der Bev. Rechts­an­wäl­tin Dr. R. vom 14. April 2022, Sei­te 7 un­ter Nr. 3), wird ab­ge­lehnt.

22 Die pau­scha­le Bei­zie­hung die­ser Un­ter­la­gen in ei­ner nicht auf­be­rei­te­ten Form er­scheint nicht zweck­mä­ßig für die Sach­ver­halts­auf­klä­rung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO). Der Se­nat be­ab­sich­tigt statt­des­sen, zur münd­li­chen Ver­hand­lung je ei­nen Ver­tre­ter des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts, bei dem die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on ein­ge­rich­tet ist (§ 20 Abs. 2 IfSG), und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts für die sach­ver­stän­di­ge Er­läu­te­rung von Nut­zen und Ri­si­ken der CO­VID-19-Imp­fung für die Al­ters­grup­pe der Bun­des­wehr­an­ge­hö­ri­gen auf der Grund­la­ge des die­sen In­sti­tu­ten - und da­mit auch der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on - vor­lie­gen­den Da­ten­ma­te­ri­als, zu la­den.

23 Als in der münd­li­chen Ver­hand­lung (durch den Bev. Rechts­an­walt S.) ge­stell­ter Be­weis­an­trag ist der An­trag man­gels An­ga­be kon­kre­ter Be­weistat­sa­chen ab­zu­leh­nen.

24 c) Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung wird auf­ge­for­dert, schnellst­mög­lich die vor­han­de­nen Sach- oder Ver­fah­rens­ak­ten im Zu­sam­men­hang mit der Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen CO­VID-19 in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen für Sol­da­ten und mit der ent­spre­chen­den Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil" vor­zu­le­gen. Im Üb­ri­gen wird der An­trag, beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung vor­lie­gen­de Un­ter­la­gen bei­zu­zie­hen (Schrift­satz der Bev. Rechts­an­wäl­tin Dr. R. vom 14. April 2022, Sei­te 8 un­ter Nr. 4), ab­ge­lehnt.

25 Die Vor­la­ge der Sach- oder Ver­fah­rens­ak­ten, die im Rah­men der Vor­be­rei­tung und beim Er­lass der ver­fah­rens­ge­gen­ständ­li­chen Maß­nah­me an­ge­fal­len sind, ist we­sent­li­che Vor­aus­set­zung für die ge­richt­li­che Über­prü­fung der Maß­nah­me. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat bis­her kei­ne in sich ge­schlos­se­nen Ak­ten, son­dern - in bei­den Ver­fah­ren - ei­ne Rei­he ein­zel­ner Do­ku­men­te je­weils als An­la­ge zu ei­nem Schrei­ben vom 23. Fe­bru­ar 2022 über­mit­telt. Es wird des­halb um Vor­la­ge der voll­stän­di­gen, im Zu­sam­men­hang mit der Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen CO­VID-19 in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen und der ent­spre­chen­den Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil" an­ge­fal­le­nen Sach- oder Ver­fah­rens­ak­ten auf den Ebe­nen Mi­nis­te­ri­um (ein­schlie­ß­lich Be­tei­li­gungs­gre­mi­en) und Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst ge­be­ten.

26 Die Vor­la­ge von Ak­ten oder Vor­gän­gen zu den Ta­ges­be­feh­len der Bun­des­mi­nis­te­rin der Ver­tei­di­gung und des Ge­ne­ral­in­spek­teurs der Bun­des­wehr, de­nen kei­ne selb­stän­di­ge Be­deu­tung für den Streit­ge­gen­stand zu­kommt, ist nicht er­for­der­lich.

27 d) Der An­trag, die beim In­sti­tut für Prä­ven­tiv­me­di­zin der Bun­des­wehr, Ab­tei­lung B, vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen aus den Jah­ren 2020, 2021 so­wie 01 bis 03/2022 zum Ge­sund­heits­zu­stand der Bun­des­wehr­an­ge­hö­ri­gen bei­zu­zie­hen (Schrift­satz der Bev. Rechts­an­wäl­tin Dr. R. vom 14. April 2022, Sei­te 8 un­ter Nr. 5), wird ab­ge­lehnt.

28 Die Bei­zie­hung die­ser Un­ter­la­gen ist für die Sach­ver­halts­auf­klä­rung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO) in den vor­lie­gen­den Ver­fah­ren nicht sach­dien­lich. Ei­ne Vor­la­ge der Kran­ken­kar­ten und Ge­sund­heits­ak­ten kommt we­gen des Schut­zes der Ge­sund­heits­da­ten der be­trof­fe­nen Sol­da­ten nicht in Be­tracht. Ei­ne pau­scha­le An­for­de­rung von Un­ter­la­gen "zum Ge­sund­heits­zu­stand der Bun­des­wehr­an­ge­hö­ri­gen" über ei­nen Zeit­raum von zwei Jah­ren und drei Mo­na­ten ist für die ge­richt­li­che Sach­ver­halts­er­mitt­lung we­der not­wen­dig noch för­der­lich.

29 Als in der münd­li­chen Ver­hand­lung (durch den Bev. Rechts­an­walt S.) ge­stell­ter Be­weis­an­trag ist der An­trag aus Grün­den des Schut­zes der Ge­sund­heits­da­ten der be­trof­fe­nen Sol­da­ten grö­ß­ten­teils un­zu­läs­sig und im Üb­ri­gen man­gels An­ga­be kon­kre­ter Be­weistat­sa­chen als un­zu­läs­si­ger Be­weis­er­mitt­lungs­an­trag ab­zu­leh­nen.

Be­schluss vom 07.07.2022 -
BVer­wG 1 WB 2.22ECLI:DE:BVer­wG:2022:070722B1W­B2.22.0

Recht­mä­ßig­keit der Ein­füh­rung ei­ner Dul­dungs­pflicht für Co­vid-19-Imp­fun­gen bei Sol­da­ten

Leit­sät­ze:

1. Die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ent­hal­te­ne Ver­pflich­tung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten, ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men zu dul­den und ins­be­son­de­re Schutz­imp­fun­gen ge­gen über­trag­ba­re Krank­hei­ten hin­zu­neh­men, ist ver­fas­sungs­mä­ßig.

2. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der ver­pflich­ten­den mi­li­tä­ri­schen Ba­si­s­imp­fun­gen ge­gen In­fek­ti­ons­krank­hei­ten be­geg­net kei­nen durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 2.22

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts auf­grund der
münd­li­chen Ver­hand­lun­gen am 2. Mai, 7. Ju­ni, 8. Ju­ni und 6. Ju­li 2022 durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ep­pelt,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Oberst i.G. Miel­ke und
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Oberst­leut­nant i.G. Su­chordt
am 7. Ju­li 2022 be­schlos­sen:

Der An­trag wird zu­rück­ge­wie­sen.

Grün­de

I

1 Das Ver­fah­ren be­trifft die Ver­pflich­tung zur Dul­dung ei­ner Co­vid-19-Imp­fung.

2 Der ... ge­bo­re­ne An­trag­stel­ler ist Be­rufs­sol­dat im Dienst­grad ei­nes Oberst­leut­nants. Er wird der­zeit als ... beim ... der Bun­des­wehr ver­wen­det.

3 Mit Wir­kung vom 24. No­vem­ber 2021 trat im Ge­schäfts­be­reich des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung nach Be­tei­li­gung des Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­s­s­es, des Haupt­per­so­nal­ra­tes und der Haupt­schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung ei­ne Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil" in Kraft. Da­durch wur­de die Imp­fung ge­gen den Co­vid-19-Er­re­ger in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 auf­ge­nom­men. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 er­for­dern die Co­vid-19-Impf­stof­fe ei­ne oder zwei Tei­limp­fun­gen so­wie Auf­fri­schimp­fun­gen ge­mäß den ak­tu­el­len na­tio­na­len Emp­feh­lun­gen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für al­le Kräf­te (Ein­hei­ten und Ein­zel­per­so­nen), die für Hilfs- und Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen im In­land ein­ge­setzt wer­den - die so­ge­nann­ten "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­kräf­te In­land" – die Ba­sis­im­mu­ni­sie­rung er­for­der­lich. Nr. 210 der Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und wei­te­re aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" sieht vor, dass al­le Sol­da­ten die an­ge­wie­se­nen Impf- und Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men und Imp­fun­gen der "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­kräf­te In­land" zu dul­den ha­ben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind da­mit al­le ak­ti­ven Sol­da­ten dul­dungs­pflich­tig zu imp­fen, so­fern in der Per­son des Sol­da­ten kei­ne in­di­vi­du­el­le me­di­zi­ni­sche Kon­tra­in­di­ka­ti­on vor­liegt.

4 Mit Schrift­satz vom 6. De­zem­ber 2021 er­hob der An­trag­stel­ler Be­schwer­de ge­gen die Än­de­run­gen der AR A1-840/8-4000 so­wie die da­mit in Zu­sam­men­hang ste­hen­de Be­fehls­ge­bung im ... der Bun­des­wehr. Die Co­vid-19-Imp­fung er­fül­le nicht die Vor­aus­set­zun­gen nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG. Sie ver­hin­de­re ei­ne In­fek­ti­on oder Er­kran­kung nicht und be­kämp­fe die­se auch nicht. Dass die Imp­fung die Ge­fahr der An­ste­ckung an­de­rer Per­so­nen aus­schlie­ße oder ver­rin­ge­re bzw. die Ge­fahr ei­nes schwe­ren Krank­heits­ver­lau­fes ver­min­de­re, sei nicht be­legt. Ihn be­un­ru­hig­ten In­for­ma­tio­nen über Ne­ben- und Lang­zeit­wir­kun­gen, nicht durch­ge­führ­te Stu­di­en zu Kon­tra­in­di­ka­tio­nen, das voll­stän­di­ge Feh­len von Lang­zeit­stu­di­en und die man­geln­de Er­fah­rung mit den neu­ar­ti­gen mRNA-Impf­stof­fen. Die Imp­fung be­ein­träch­ti­ge Leib und Le­ben un­zu­mut­bar und stel­le ei­nen un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Ein­griff in sei­ne Grund­rech­te dar. Es han­de­le sich nicht um ei­ne Imp­fung im her­kömm­li­chen Sin­ne, son­dern um die ex­pe­ri­men­tel­le Ver­ab­rei­chung ei­ner gen­ba­sier­ten Sub­stanz, die nur be­dingt zu­ge­las­sen wor­den sei. Die kon­se­quen­te Testung vor Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen und die Ein­hal­tung der Ab­stands­re­geln ge­be ei­ne aus­rei­chen­de Si­cher­heit.

5 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat die Be­schwer­de als An­trag auf ge­richt­li­che Ent­schei­dung ge­wer­tet und mit Stel­lung­nah­me vom 5. Ja­nu­ar 2022 dem Se­nat vor­ge­legt. So­weit sich die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers ge­gen den Amts­be­fehl 20/2021 rich­te­te, hat der Ge­ne­ral­in­spek­teur der Bun­des­wehr sie mit - hier nicht streit­ge­gen­ständ­li­chem - Be­scheid vom 14. Fe­bru­ar 2022 zu­rück­ge­wie­sen.

6 Im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren hat der An­trag­stel­ler im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht, er wür­de durch die Auf­er­le­gung ei­ner als Dul­dungs­pflicht be­zeich­ne­ten Impf­pflicht un­mit­tel­bar in sei­nen Rech­ten be­ein­träch­tigt. Das Ba­si­s­impf­sche­ma sei als All­ge­mein­ver­fü­gung zu qua­li­fi­zie­ren. Die Pflicht, die Co­vid-19-Imp­fung zu dul­den, sei nicht durch die Ge­sund­erhal­tungs­pflicht des § 17a SG ge­recht­fer­tigt. Die Dul­dungs­pflicht ver­let­ze sei­ne Men­schen­wür­de so­wie sei­ne Grund­rech­te auf Le­ben und kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit, auf Glau­bens­frei­heit und Be­rufs­frei­heit. Sie ver­sto­ße wei­ter ge­gen Art. 1 und 3 Abs. 2 Buchst. a bis c und Art. 9 der Eu­ro­päi­schen Grund­rechts­char­ta. Durch die­se Grund­rechts­ga­ran­ti­en wür­den im Rah­men der Me­di­zin ei­ne freie Ein­wil­li­gung vor­ge­schrie­ben, eu­ge­ni­sche Prak­ti­ken un­ter­sagt und die Nut­zung des mensch­li­chen Kör­pers zur Ge­winn­erzie­lung ver­bo­ten. Die Imp­fung grei­fe auch in das von Art. 2 EM­RK ge­währ­leis­te­te Recht auf Le­ben ein. Ver­sto­ßen wer­de auch ge­gen Art. 7 des In­ter­na­tio­na­len Pakts über bür­ger­li­che und po­li­ti­sche Rech­te, der me­di­zi­ni­sche Ver­su­che oh­ne Zu­stim­mung der Be­trof­fe­nen ver­bie­te. Ver­sto­ßen wer­de des Wei­te­ren ge­gen die Re­so­lu­ti­on 2361 (2021) der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­ra­tes vom 27. Ja­nu­ar 2021, die in Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 die Frei­wil­lig­keit von Co­vid-19-Imp­fun­gen und ein Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung von Impf­geg­nern ge­for­dert ha­be. Die Dul­dungs­pflicht ver­let­ze fer­ner die all­ge­mein an­er­kann­ten Re­geln des Völ­ker­rechts. Ins­be­son­de­re sei ein Ver­stoß ge­gen Art. 5 des eu­ro­päi­schen Über­ein­kom­mens über Men­schen­rech­te und Bio­me­di­zin und ge­gen Art. 6 Abs. 1 der All­ge­mei­nen Er­klä­rung über Bio­ethik und Men­schen­rech­te der Ver­ein­ten Na­tio­nen fest­zu­stel­len.

7 Bei den mRNA-Impf­stof­fen han­de­le es sich nicht um her­kömm­li­che Impf­stof­fe, son­dern um gen­ba­sier­te ex­pe­ri­men­tel­le Sub­stan­zen. Die In­jek­ti­on die­ser Stof­fe stel­le ei­ne Gen­the­ra­pie dar, die zu Un­recht als Impf­stoff de­kla­riert wor­den sei. Da­durch sei es mög­lich ge­wor­den, die Sub­stan­zen oh­ne mehr­jäh­ri­ge Er­pro­bung zu­zu­las­sen. Es sei aber nur ei­ne be­ding­te Zu­las­sung er­folgt mit der Kon­se­quenz, dass die Er­for­schung der Impf­ne­ben­wir­kun­gen und -kom­pli­ka­tio­nen in ei­nem gro­ßen Feld­ver­such bei der An­wen­dung in der Ge­samt­be­völ­ke­rung nach­ge­holt wer­de. Die Impf­kam­pa­gne stel­le vor die­sem Hin­ter­grund ein me­di­zi­ni­sches Ex­pe­ri­ment dar, oh­ne dass Impf­wil­li­ge dar­über auf­ge­klärt wür­den, dass sie an ei­ner noch lau­fen­den Stu­die teil­neh­men wür­den. Ih­re Ein­wil­li­gung kön­ne da­her nicht frei­wil­lig sein. Zur Teil­nah­me an ei­nem wis­sen­schaft­li­chen Ex­pe­ri­ment dür­fe nie­mand ge­nö­tigt wer­den. Im Wi­der­spruch da­zu wür­den die Sol­da­ten un­ter Ver­stoß ge­gen § 17a Abs. 5 SG i. V. m. § 630c Abs. 2 BGB un­zu­rei­chend über die Impf­ri­si­ken auf­ge­klärt, weil das Auf­klä­rungs­blatt des Sa­ni­täts­diens­tes un­voll­stän­dig sei. Fer­ner wür­den sie rechts­wid­rig durch die An­dro­hung er­heb­li­cher be­ruf­li­cher Nach­tei­le und straf- und dis­zi­pli­nar­recht­li­cher Fol­gen zu ei­ner Imp­fung ge­zwun­gen.

8 In der Durch­füh­rung der Impf­kam­pa­gne lä­gen Ver­stö­ße ge­gen den Nürn­ber­ger Ko­dex so­wie wei­te­re durch den In­ter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof zu ver­fol­gen­de Straf­ta­ten. Der Impf­stoff Co­mirna­ty ent­hal­te für die Be­hand­lung von Men­schen nicht zu­ge­las­se­ne Na­no­li­pi­de als Trä­ger­sub­stan­zen. Die Ver­wen­dung die­ses Impf­stof­fes stel­le ei­ne Straf­tat nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 3a, Abs. 3 AMG dar, weil der Impf­stoff durch die Ab­wei­chung von den all­ge­mein an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln in sei­ner Qua­li­tät er­heb­lich ge­min­dert sei. Die als Trä­ger­sub­stan­zen ge­nutz­ten Na­no­li­pi­de sei­en als neu­ar­ti­ge Hilfs­stof­fe nicht im Arz­nei­buch ent­hal­ten und nicht aus­rei­chend un­ter­sucht. Sie wür­den Ent­zün­dun­gen aus­lö­sen und sei­en ver­mut­lich für schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen ver­ant­wort­lich. Die mRNA-Impf­stof­fe sei­en zu­dem als Bio­waf­fen an­zu­se­hen und nach Art. 1 der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on ver­bo­ten.

9 Durch die Ver­brei­tung von SARS-CoV-2 sei kei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Not­la­ge ent­stan­den, die die zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie be­schlos­se­nen Maß­nah­men ein­schlie­ß­lich der sol­da­ten­recht­li­chen Impf­dul­dungs­pflicht recht­fer­ti­gen könn­ten. Die meis­ten Men­schen sei­en ge­gen das Vi­rus durch ihr Im­mun­sys­tem be­reits aus­rei­chend ge­schützt. Im Üb­ri­gen ge­be es gu­te Be­hand­lungs- und kon­ven­tio­nel­le Prä­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Die Ein­satz­fä­hig­keit der Trup­pe sei nicht ge­fähr­det. Ent­spre­chen­de Ge­fähr­dun­gen wür­den auch nicht dro­hen. Ins­be­son­de­re sei­en das Ge­sund­heits­sys­tem und auch der Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr nicht an der Be­las­tungs­gren­ze.

10 Die Imp­fung be­grün­de da­ge­gen er­heb­li­che Ge­fah­ren für Leib und Le­ben Ge­impf­ter. Eu­ro­pa­weit sei es - Stand 17. Ju­li 2021 - zu 18 928 To­des­fäl­len und 1 823 219 Ver­let­zun­gen im Zu­sam­men­hang mit den Imp­fun­gen ge­kom­men. Zwi­schen der Über­sterb­lich­keit und der Impf­kam­pa­gne ge­be es ei­nen die Kau­sa­li­tät in­di­zie­ren­den zeit­li­chen Zu­sam­men­hang. Impf­kom­pli­ka­tio­nen und -ne­ben­wir­kun­gen wür­den von den Ge­sund­heits­be­hör­den nur un­zu­rei­chend er­fasst. Die tat­säch­li­che Ge­fähr­lich­keit der Impf­stof­fe und ih­re Ne­ben­wir­kun­gen wür­den der Öf­fent­lich­keit ge­gen­über ver­schlei­ert. Die Impf­kom­pli­ka­tio­nen wür­den in der deutsch­land­wei­ten Sta­tis­tik des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ver­harm­lost. Dies ha­be ei­ne von der BKK Pro­Vi­ta her­aus­ge­ge­be­ne Stu­die er­ge­ben.

11 Die in Re­de ste­hen­den Impf­stof­fe hät­ten auch nicht den be­haup­te­ten Nut­zen. Ein po­si­ti­ver Ef­fekt auf das In­fek­ti­ons­ge­sche­hen sei nicht be­legt. Vor ei­ner In­fek­ti­on oder Er­kran­kung wür­den die Stof­fe nicht schüt­zen. Sie wür­den auch kei­ne ste­ri­le Im­mu­ni­tät er­zeu­gen. Dass sie zu mil­de­ren Ver­läu­fen führ­ten, sei nicht nach­ge­wie­sen. Viel­mehr wer­de die Ein­satz­fä­hig­keit durch die Imp­fung ge­fähr­det. Es sei nicht aus­zu­schlie­ßen, dass erst durch die Imp­fung schwe­re Ver­läu­fe her­vor­ge­ru­fen wür­den. Falls das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um kei­ne Da­ten über Impf­schä­den er­ho­ben ha­ben soll­te, lie­ge hier­in ein Ver­stoß ge­gen die Für­sor­ge­pflicht. In die­sem Fall sei ei­ne Be­wer­tung des Nut­zens der Imp­fung für die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr gar nicht mög­lich. Die Ge­sund­heits- und Um­welt­ri­si­ken durch die Frei­set­zung ge­ne­tisch ver­än­der­ter Or­ga­nis­men sei noch un­be­kannt. Im Hin­blick dar­auf, dass die Impf­stof­fe der­zeit fast kei­nen Nut­zen bräch­ten, sei das Ge­sund­heits­ri­si­ko un­an­nehm­bar hoch. Die Teil­nah­me an der Imp­fung sei da­her un­zu­mut­bar im Sin­ne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG.

12 Der An­trag­stel­ler be­an­tragt,
die An­wei­sung der Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin vom 24.11.2021 zur Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in das Ba­si­s­impf­sche­ma der Bun­des­wehr "All­ge­mei­ne Re­ge­lung Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil - A 1-840/8-4000" auf­zu­he­ben.

13 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung be­an­tragt,
den An­trag zu­rück­zu­wei­sen.

14 Der An­trag sei be­reits un­zu­läs­sig. Es lie­ge kei­ne an­fecht­ba­re dienst­li­che Maß­nah­me vor, weil die Er­lass­re­ge­lung der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen nicht un­mit­tel­bar in die Rechts­sphä­re des Sol­da­ten hin­ein­wir­ke. Es be­stehe schon kraft Ge­set­zes ei­ne Dul­dungs­pflicht, die von der ZDv A-840/8 nur wie­der­holt wer­de. Die Dul­dungs­pflicht des ein­zel­nen Sol­da­ten hän­ge von wei­te­ren Um­set­zungs­ak­ten dem Be­fehl ei­nes mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten und der Er­mes­sens­aus­übung ei­nes Impf­arz­tes nach Prü­fung ei­ner me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on ab. Es feh­le je­den­falls noch die Prü­fung der me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on durch den Impf­arzt.

15 Je­den­falls sei der An­trag un­be­grün­det, weil die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der ge­ne­rell durch­zu­füh­ren­den Ba­si­s­imp­fun­gen recht­mä­ßig sei. Das Grund­recht des Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirk­sam ein­ge­schränkt wor­den. Die Vor­schrift er­lau­be die Durch­füh­rung ärzt­li­cher Maß­nah­men zur Ver­hü­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten. Die Schutz­imp­fung ge­gen das Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 wer­de im In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz als Ver­hü­tungs­maß­nah­me be­grif­fen und fal­le dar­um auch bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG un­ter die­sen Be­griff. Da­für sei es nicht er­for­der­lich, dass die Maß­nah­me ei­nen voll­stän­di­gen Schutz ge­gen ei­ne In­fek­ti­on bie­te. Dies sei auch bei an­de­ren Impf­stof­fen - et­wa ge­gen In­flu­en­za, Ty­phus und Cho­le­ra - nicht der Fall. Es ge­nü­ge, wenn die Imp­fung die Wahr­schein­lich­keit der An­ste­ckung oder die Wahr­schein­lich­keit schwe­rer Ver­läu­fe re­du­zie­re. Be­reits der in­di­vi­du­el­le Schutz vor schwe­ren Ver­läu­fen und die Ver­rin­ge­rung der Trans­mis­si­on des Er­re­gers tra­ge ma­ß­geb­lich zur Ver­hü­tung und Be­kämp­fung von über­trag­ba­ren Krank­hei­ten bei. Dem ste­he auch die vie­len Impf­stof­fen im­ma­nen­te Not­wen­dig­keit ei­ner Auf­fri­schung oder An­pas­sung an mu­tier­te Er­re­ger nicht ent­ge­gen.

16 Die Pflicht, die Imp­fung zu dul­den, die­ne der Si­cher­stel­lung der Auf­trags­er­fül­lung der Streit­kräf­te und sei Aus­druck der Für­sor­ge­pflicht des Dienst­herrn ge­gen­über den Sol­da­ten. SARS-CoV-2 be­grün­de erns­te Ge­sund­heits­ge­fah­ren auch für Sol­da­ten. Ei­ne In­fek­ti­on kön­ne zu schwe­ren Krank­heits­ver­läu­fen oder zum Tod füh­ren. Dies gel­te nicht nur für vul­ne­r­a­ble Grup­pen, son­dern auch für an­sons­ten ge­sun­de Per­so­nen zwi­schen 17 und 65 Jah­ren. Mi­li­tä­ri­sches Per­so­nal sei durch die Be­son­der­hei­ten des Dienst­be­triebs ei­nem ho­hen In­fek­ti­ons­ri­si­ko aus­ge­setzt.

17 Die Imp­fung die­ne in ers­ter Li­nie der Ver­hü­tung ei­ner Über­tra­gung des Vi­rus und in zwei­ter Li­nie der Ver­mei­dung schwe­rer Krank­heits­ver­läu­fe, ins­be­son­de­re der Hos­pi­ta­li­sie­rung und in­ten­siv­me­di­zi­ni­scher Be­hand­lung. Auch hin­sicht­lich der Omi­kron-Va­ri­an­te von SARS-CoV-2 sen­ke die Imp­fung - vor al­lem bei ak­tu­ell auf­ge­frisch­tem Impf­schutz - das Ri­si­ko ei­ner sym­pto­ma­ti­schen und vor al­lem ei­ner schwe­ren Er­kran­kung deut­lich. Op­ti­mal sei­en prä­ven­tiv­me­di­zi­ni­sche Zwe­cke durch ei­ne Imp­fung im Ver­bund mit an­de­ren Hy­gie­ne­maß­nah­men zu er­rei­chen. Die­se al­lein - ins­be­son­de­re Ho­me­of­fice und ho­he Test­fre­quen­zen - sei­en aber nicht aus­rei­chend.

18 So­weit der An­trag­stel­ler auf die all­ge­mei­nen Impf­ri­si­ken und -ne­ben­wir­kun­gen ab­stel­le, ha­be ei­ne grund­sätz­li­che Ri­si­ko­ab­wä­gung be­reits bei der Zu­las­sung der Impf­stof­fe statt­ge­fun­den. Die Impf­stoff­an­wen­dung wer­de zu­dem durch die zu­stän­di­gen eu­ro­päi­schen Stel­len und das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut lau­fend über­wacht. Nach des­sen Si­cher­heits­be­richt vom 30. No­vem­ber 2021 ha­be es bei ei­ner Ver­ab­rei­chung von mehr als 123 Mil­lio­nen Impf­stoff­do­sen in 0,16 % der Fäl­le Mel­dun­gen über Kom­pli­ka­tio­nen, in 0,02 % Mel­dun­gen über schwer­wie­gen­de Re­ak­tio­nen und 15 Mel­dun­gen zu To­des­fäl­len ge­ge­ben. In drei Fäl­len wer­de auch ein tat­säch­li­cher Zu­sam­men­hang zur Imp­fung an­ge­nom­men. Zu­sam­men­fas­send kom­me das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut zu der Auf­fas­sung, dass schwer­wie­gen­de Ne­ben­wir­kun­gen sehr sel­ten auf­tre­ten und das po­si­ti­ve Nut­zen-Ri­si­ko-Ver­hält­nis der Imp­fung nicht än­dern wür­den. Spä­te­re Si­cher­heits­be­rich­te er­gä­ben kein grund­le­gend an­de­res Bild. Die Stu­die der BKK Pro­Vi­ta be­ru­he nicht auf aus­sa­ge­fä­hi­gen Da­ten und er­lau­be da­her nicht den Schluss auf ei­ne hö­he­re als die vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut bei sei­ner Ri­si­ko­be­wer­tung be­rück­sich­tig­te Zahl von Impf­ne­ben­wir­kun­gen. Auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt sei in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht vom 27. April 2022 von der Fach­ex­per­ti­se des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und der Ver­läss­lich­keit der Ri­si­ko­ein­schät­zung aus­ge­gan­gen.

19 Das Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr über­wa­che fort­lau­fend Mel­dun­gen zu Impf­ne­ben­wir­kun­gen und ak­tua­li­sie­re nach Ma­ß­ga­be der fort­lau­fend ak­tua­li­sier­ten Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on re­gel­mä­ßig sei­ne fach­li­chen Hin­wei­se. Ne­ben die­ser grund­sätz­li­chen Ri­si­ko­ab­wä­gung er­fol­ge in je­dem Ein­zel­fall ei­ne in­di­vi­du­el­le Ri­si­ko­ab­wä­gung durch die Kon­tra­in­di­ka­ti­ons­prü­fung des zu­stän­di­gen Impf­arz­tes. Bei der Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung der Impf­stof­fe sei­en Impf­ne­ben­wir­kun­gen und -kom­pli­ka­tio­nen in Re­la­ti­on zur Men­ge der ver­ab­reich­ten Impf­do­sen zu be­ur­tei­len. Der zeit­li­che Zu­sam­men­hang von Ne­ben­wir­kun­gen mit der Imp­fung be­wei­se nicht stets den kau­sa­len Zu­sam­men­hang. In die Ri­si­ko­be­wer­tung müs­se auch das Ri­si­ko schwe­rer Fol­gen ei­ner Co­vid-19-Er­kran­kung ein­ge­stellt wer­den. Hier­nach sei die Dul­dungs­pflicht ver­hält­nis­mä­ßig und nach der Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung der fach­lich zu­stän­di­gen Stel­len zu­mut­bar. Auch die­se Ein­schät­zung ha­be das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht be­stä­tigt.

20 Im Früh­jahr 2022 ist der pro­te­in­ba­sier­te Impf­stoff Nu­va­xo­vid des Her­stel­lers No­va­vax auch in Deutsch­land auf den Arz­nei­mit­tel­markt ge­kom­men, der auf dem klas­si­schen Wirk­prin­zip der Tot­impf­stof­fe ba­siert. Der An­trag­stel­ler sieht auch die­sen Impf­stoff als un­zu­mut­bar an.

21 Der An­trag­stel­ler hat gleich­zei­tig mit dem An­trag auf ge­richt­li­che Ent­schei­dung vor­läu­fi­gen Rechts­schutz be­an­tragt (1 W-VR 1.22 ). Der Se­nat hat das Ver­fah­ren mit dem An­trag ei­nes an­de­ren Luft­waf­fen­of­fi­ziers (1 WB 5.22 ) durch Be­schluss vom 3. März 2022 zur ge­mein­sa­men Ver­hand­lung ver­bun­den und dar­über an vier Ver­hand­lungs­ta­gen ver­han­delt und Sach­ver­stän­di­gen­be­weis er­ho­ben. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf das Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung und den In­halt der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

II

22 Der An­trag hat kei­nen Er­folg.

23 1. Er ist zwar zu­läs­sig. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der grund­sätz­lich ver­pflich­ten­den Ba­si­s­imp­fun­gen stellt ei­ne un­mit­tel­bar gel­ten­de dienst­li­che Maß­nah­me dar (a), von der der Sol­dat be­trof­fen ist (b) und de­ren Auf­he­bung nach § 17 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 2 WBO beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt be­an­tragt wer­den kann (c).

24 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Sol­dat die Wehr­dienst­ge­rich­te an­ru­fen, wenn sein An­trag ei­ne Ver­let­zung sei­ner Rech­te oder ei­ne Ver­let­zung von Vor­ge­setz­ten­pflich­ten ihm ge­gen­über zum Ge­gen­stand hat, die im Zwei­ten Un­ter­ab­schnitt des Ers­ten Ab­schnitts des Sol­da­ten­ge­set­zes mit Aus­nah­me der §§ 24, 25, 30 und 31 ge­re­gelt sind. Dar­aus folgt, dass der Sol­dat nur sol­che dienst­li­chen Maß­nah­men und Un­ter­las­sun­gen (§ 17 Abs. 3 WBO) sei­ner mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten ei­ner ge­richt­li­chen Über­prü­fung un­ter­zie­hen kann, die un­mit­tel­bar ge­gen ihn ge­rich­tet sind oder die - ob­wohl an an­de­re Sol­da­ten ge­rich­tet - in Form ei­ner Rechts­ver­let­zung oder ei­nes Pflich­ten­ver­sto­ßes in sei­ne Rechts­sphä­re hin­ein­wir­ken (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 31. Ja­nu­ar 2019 - 1 WB 28.17 - BVer­w­GE 164, 304 Rn. 13).

25 Hier­nach ist der An­trag statt­haft, weil die in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 ent­hal­te­ne Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen un­mit­tel­bar die Pflicht zur Dul­dung be­grün­det. Zwar ist die Pflicht ei­nes Sol­da­ten, ärzt­li­che Maß­nah­men zur Ver­hü­tung und Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten ge­gen sei­nen Wil­len zu dul­den, be­reits ge­setz­lich in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­re­gelt. Das Ge­setz legt in­des­sen nicht fest, wel­che Imp­fun­gen im Ein­zel­nen durch­zu­füh­ren sind. Viel­mehr über­lässt es die­se Ent­schei­dung dem Dienst­herrn, der un­ter Be­rück­sich­ti­gung der an be­stimm­ten Or­ten bei be­stimm­ten Ein­sät­zen dro­hen­den Ge­sund­heits­ge­fah­ren über die not­wen­di­gen Imp­fun­gen für die Auf­recht­erhal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr ent­schei­det.

26 Mit der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen im No­vem­ber 2021 ist die Pflicht zur Dul­dung für die­se Imp­fung ak­ti­viert wor­den. Denn die Ba­si­s­imp­fun­gen sind nach der Re­ge­lungs­tech­nik des Er­las­ses für al­le mi­li­tä­ri­schen Kräf­te vor­ge­schrie­ben, die im In­land im Rah­men der Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­schutz­auf­ga­ben der Bun­des­wehr (Art. 35 GG) zum Ein­satz kom­men (Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000). Da­bei zäh­len al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten zum "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­schutz In­land", so­dass sie für das da­für vor­ge­se­he­ne Impf­sche­ma dul­dungs­pflich­tig sind (Nr. 406 ZDv A-840/8).

27 Die Dul­dungs­pflicht gilt un­mit­tel­bar mit In­kraft­tre­ten des Er­las­ses. Denn das ärzt­li­che Impf­per­so­nal ist ab die­sem Zeit­punkt ver­pflich­tet, die vor­ge­schrie­be­nen Impf­maß­nah­men durch­zu­füh­ren (Nr. 208 ZDv A-840/8), und die Dis­zi­pli­nar­vor­ge­setz­ten sind für die Kon­trol­le des Fort­schritts der Imp­fun­gen und die zeit­ge­rech­te Vor­stel­lung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten zu die­sen Imp­fun­gen ver­ant­wort­lich (Nr. 801 ZDv A-840/8). Zwar kann die Dul­dungs­pflicht nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG in Son­der­fäl­len zeit­wei­se oder auf Dau­er ent­fal­len, wenn die ärzt­li­che Imp­fung aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den un­zu­mut­bar ist. Die­se Dis­pens­mög­lich­keit än­dert je­doch nichts an dem Grund­satz, dass mit der Auf­nah­me ei­ner Imp­fung in die Lis­te der vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen ei­ne Dienst­pflicht zur Teil­nah­me an der ent­spre­chen­den Imp­fung aus­ge­löst wird und dass all­ge­mei­ne Ein­wen­dun­gen ge­gen die­se Imp­fung von dem zu­stän­di­gen Trup­pen­arzt nicht be­rück­sich­tigt wer­den.

28 b) Da un­mit­tel­bar gel­ten­de Er­las­se und Be­feh­le häu­fig Aus­nah­men oder Be­schrän­kun­gen des An­wen­dungs­be­reichs ent­hal­ten, muss der An­trag­stel­ler hin­rei­chend sub­stan­ti­iert dar­le­gen, dass und in­wie­fern er von der be­an­stan­de­ten Re­ge­lung un­mit­tel­bar be­trof­fen ist (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 27. Au­gust 2015 - 1 WB 25.15 - NZWehrr 2015, 255 f.). Die­ser Pflicht ist der An­trag­stel­ler nach­ge­kom­men, in­dem er auf sei­ne Zu­ge­hö­rig­keit zum impf­pflich­ti­gen Per­so­nen­kreis, auf die ihm für die Co­vid-19-Imp­fung ge­setz­te Nach­weis­frist und das Feh­len von be­kann­ten Kon­tra­in­di­ka­tio­nen hin­ge­wie­sen hat.

29 c) Ei­ne Frist für die Ein­le­gung des An­trags war nicht zu be­ach­ten, da es sich bei der Fest­le­gung des Ka­ta­logs der Ba­si­s­imp­fun­gen um ei­ne Dau­er­an­ord­nung han­delt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 31. Ja­nu­ar 2019 - 1 WB 28.17 - BVer­w­GE 164, 304 Rn. 15). Denn al­le be­trof­fe­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten müs­sen sich nicht nur ein­mal ge­gen Co­vid-19 imp­fen las­sen, son­dern je nach me­di­zi­ni­scher Er­for­der­lich­keit Auf­fri­schimp­fun­gen durch­füh­ren (vgl. Nr. 1080 AR A1-840/8-4000). Auch die in dem Er­lass ge­re­gel­ten Ver­pflich­tun­gen zur Fest­stel­lung des Impf­sta­tus, zur Über­wa­chung der Imp­fun­gen auf Kon­troll­blät­tern und zu de­ren Durch­füh­rung gel­ten auf un­be­stimm­te Zeit. Der An­trag auf Auf­he­bung die­ser dau­er­haf­ten Dul­dungs­pflicht ist form­ge­recht ein­ge­legt und dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, das da­für nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO erst- und letzt­in­stanz­lich zu­stän­dig ist, vor­ge­legt wor­den.

30 2. Der An­trag ist je­doch un­be­grün­det. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen ist recht­mä­ßig. Die dies­be­züg­li­che Er­mes­sens­ent­schei­dung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung be­ruht auf sach­ge­rech­ten Er­wä­gun­gen und ist wei­ter­hin ver­hält­nis­mä­ßig. Die ent­spre­chen­de Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 ist ins­be­son­de­re for­mell recht­mä­ßig.

31 a) Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ist nur der all­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­er­lass zur Auf­nah­me der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in die Lis­te der ver­pflich­ten­den Ba­si­s­imp­fun­gen. Dar­in sind noch nicht al­le für den ein­zel­nen Sol­da­ten ma­ß­geb­li­chen Fra­gen ge­re­gelt. Ins­be­son­de­re wird der zu ver­wen­den­de Impf­stoff nicht de­fi­ni­tiv fest­ge­legt. Dies ge­schieht erst, wenn der je­wei­li­ge Sol­dat kei­nen gül­ti­gen Impf­nach­weis vor­legt, wenn der Trup­pen­arzt des­sen me­di­zi­ni­sche Impf­taug­lich­keit fest­stellt und den in­fra­ge kom­men­den Impf­stoff be­stimmt. Dann be­fiehlt der Dis­zi­pli­nar­vor­ge­setz­te ein­zel­fall­be­zo­gen ge­gen­über dem be­trof­fe­nen Sol­da­ten die Dul­dung ei­ner be­stimm­ten Imp­fung mit ei­nem kon­kre­ten Impf­stoff. Da ein ent­spre­chen­der Be­fehl als Ein­zel­fall­an­ord­nung mit der Be­schwer­de und ei­nem An­trag auf Her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung an­ge­grif­fen wer­den kann, sind die Be­son­der­hei­ten ein­zel­ner Impf­stof­fe und ins­be­son­de­re die Fra­ge ei­ner in­di­vi­du­el­len me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on, die ei­ne per­sön­li­che Un­zu­mut­bar­keit nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG be­grün­den kann, nicht Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens.

32 Die Recht­mä­ßig­keit der all­ge­mei­nen An­ord­nung ei­ner Schutz­imp­fung ist al­ler­dings kei­ne völ­lig abs­trak­te Fra­ge, son­dern je­weils auf ei­ne kon­kre­te über­trag­ba­re Krank­heit und auf die da­für vor­han­de­nen kon­kre­ten Impf­stof­fe be­zo­gen. Da­her müs­sen die zu er­war­ten­den Ne­ben­wir­kun­gen, die bei den zur Ver­fü­gung ste­hen­den und nach Mit­tei­lung des Dienst­herrn ein­ge­setz­ten Impf­stof­fen auf­tre­ten, schon bei Er­lass der all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift in die Recht­mä­ßig­keits­prü­fung ein­be­zo­gen wer­den. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat da­zu aus­ge­führt, dass die Bun­des­wehr vor­wie­gend die mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na ver­wen­det und bei der Aus­wahl der Impf­stof­fe im Ein­zel­fall die me­di­zi­nisch-fach­li­chen Vor­ga­ben, ins­be­son­de­re die Al­ters­emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut, be­ach­tet. Dies folgt auch aus Nr. 1080 bis 1084 AR A1-840/8-4000.

33 b) Die Rechts­grund­la­ge für den Ver­wal­tungs­er­lass be­steht ei­ner­seits in der all­ge­mei­nen Be­fehls- und Wei­sungs­be­fug­nis des Vor­ge­setz­ten für dienst­li­che Fra­gen nach § 10 Abs. 4 SG und an­de­rer­seits in der spe­zi­el­len Re­ge­lung des § 17a SG, der dem ein­zel­nen Sol­da­ten die Dienst­pflicht auf­er­legt, sich ge­sund zu er­hal­ten und ärzt­li­che Maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten zu dul­den. Durch das Zu­sam­men­spiel die­ser Vor­schrif­ten hat der Ge­setz­ge­ber fest­ge­legt, dass die Dul­dung von ärzt­li­chen Maß­nah­men ge­gen über­trag­ba­re Krank­hei­ten ei­ne per­sön­li­che Dienst­pflicht je­des ein­zel­nen Sol­da­ten ist und dass die Vor­ge­setz­ten die Durch­füh­rung sol­cher In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im Rah­men ih­rer dienst­li­chen Auf­ga­ben an­ord­nen, or­ga­ni­sie­ren und re­geln.

34 c) Für den Er­lass ist das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung als höchs­te vor­ge­setz­te Stel­le, die der nach Art. 65a GG mit Be­fehls- und Kom­man­do­ge­walt aus­ge­stat­te­ten Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin un­ter­steht, letzt­ver­ant­wort­lich. Es hat ge­mein­sam mit dem Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst die all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 zur Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und wei­te­re aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" nach ei­nem ord­nungs­ge­mä­ßen Ver­fah­ren am 23. No­vem­ber 2021 ge­än­dert. Da­bei wur­den - wie vor­ge­schrie­ben - die Haupt­schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung, der Haupt­per­so­nal­rat und der Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG be­tei­ligt. Wäh­rend die Haupt­schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung und der Haupt­per­so­nal­rat oh­ne Vor­be­hal­te zu­ge­stimmt ha­ben, hat der Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss Ein­wän­de er­ho­ben und das Schlich­tungs­ver­fah­ren nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SBG ein­ge­lei­tet. Schlie­ß­lich hat der Schlich­tungs­aus­schuss am 22. No­vem­ber 2021 der Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus ein­schlie­ß­lich der Boos­terimp­fun­gen in das Impf­sche­ma zu­ge­stimmt und die künf­ti­ge Auf­nah­me ei­ner Ri­si­ko­ana­ly­se ge­for­dert. Auf der Grund­la­ge die­ser Emp­feh­lung hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung nach § 38 Abs. 4 Satz 4 SBG die Ver­wal­tungs­vor­schrift am fol­gen­den Tag er­las­sen. Ei­ner noch­ma­li­gen Be­fas­sung des Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­s­s­es be­durf­te es nicht.

35 3. Die An­ord­nung der Co­vid-19-Schutz­imp­fung be­ruht auf ei­ner ver­fas­sungs­mä­ßi­gen ge­setz­li­chen Grund­la­ge. Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG muss ein Sol­dat ärzt­li­che Maß­nah­men ge­gen sei­nen Wil­len dul­den, wenn sie der Ver­hü­tung oder Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten die­nen. Die­se Rechts­norm ge­nügt dem rechts­staat­li­chen Be­stimmt­heits­ge­bot (a) und der auch im De­mo­kra­tie­prin­zip wur­zeln­den We­sent­lich­keits­theo­rie (b). Sie stellt ei­ne zu­läs­si­ge Be­schrän­kung der Grund­rech­te auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit (c) und Be­rufs­frei­heit (d) dar.

36 a) Nach dem all­ge­mei­nen, im Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GG) grün­den­den Ge­bot hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit der Ge­set­ze ist der Ge­setz­ge­ber ge­hal­ten, Vor­schrif­ten so be­stimmt zu fas­sen, wie dies nach der Ei­gen­art der zu ord­nen­den Le­bens­sach­ver­hal­te mit Rück­sicht auf den Norm­zweck mög­lich ist. Die Be­trof­fe­nen müs­sen die Rechts­la­ge er­ken­nen und ihr Ver­hal­ten da­nach aus­rich­ten kön­nen. Da­bei sind die An­for­de­run­gen an den Grad der Klar­heit und Be­stimmt­heit um­so stren­ger, je in­ten­si­ver der Grund­rechts­ein­griff ist, den ei­ne Norm recht­fer­ti­gen soll. Al­ler­dings fehlt es an der not­wen­di­gen Be­stimmt­heit nicht schon des­halb, weil ei­ne Norm aus­le­gungs­be­dürf­tig ist. Das Be­stimmt­heits­ge­bot schlie­ßt die Ver­wen­dung wert­aus­fül­lungs­be­dürf­ti­ger Be­grif­fe bis hin zu Ge­ne­ral­klau­seln nicht aus. Der Ge­setz­ge­ber muss in der La­ge blei­ben, der Viel­ge­stal­tig­keit des Le­bens Herr zu wer­den. Da­bei lässt sich der Grad der für ei­ne Norm je­weils er­for­der­li­chen Be­stimmt­heit nicht abs­trakt fest­le­gen, son­dern hängt von den Be­son­der­hei­ten des je­wei­li­gen Tat­be­stands ein­schlie­ß­lich der Um­stän­de ab, die zur ge­setz­li­chen Re­ge­lung ge­führt ha­ben. Ge­gen die Ver­wen­dung un­be­stimm­ter Rechts­be­grif­fe be­stehen kei­ne Be­den­ken, wenn sich mit­hil­fe der üb­li­chen Aus­le­gungs­me­tho­den, ins­be­son­de­re durch Her­an­zie­hung an­de­rer Vor­schrif­ten des­sel­ben Ge­set­zes, durch Be­rück­sich­ti­gung des Norm­zu­sam­men­hangs oder auf­grund ei­ner ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung ei­ne zu­ver­läs­si­ge Grund­la­ge für die Aus­le­gung und An­wen­dung der Norm ge­win­nen lässt (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Ju­li 2018 - 2 BvR 309/15, 502/16 - BVerf­GE 149, 293 Rn. 77 f. m. w. N.).

37 Nach die­sen Maß­stä­ben er­mög­licht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem ein­zel­nen Sol­da­ten zwar nicht, dem Ge­setz selbst ei­nen ab­schlie­ßen­den Ka­ta­log an dul­dungs­pflich­ti­gen ärzt­li­chen Ein­grif­fen zu ent­neh­men. Viel­mehr sind die ver­wen­de­ten Be­grif­fe "Maß­nah­men", "Ver­hü­tung oder Be­kämp­fung" und "über­trag­ba­re Krank­hei­ten" eher all­ge­mei­ne Um­schrei­bun­gen von ei­ner ge­wis­sen Spann­wei­te. Al­ler­dings gibt es für die Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers, die not­wen­di­gen ärzt­li­chen Maß­nah­men nicht kon­kret im Ein­zel­nen auf­zu­lis­ten, son­dern abs­trakt zu um­schrei­ben, gu­te Grün­de. Die Norm dient der Ab­wehr ei­ner Viel­zahl nicht ab­schlie­ßend vor­her­seh­ba­rer Ge­fah­ren, die mit der In­fek­ti­on von Sol­da­ten für sie selbst und für die Ein­satz­fä­hig­keit ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­de ver­bun­den sind. Die In­fek­ti­ons­ge­fah­ren sind je nach Ort und Zeit ei­nes mi­li­tä­ri­schen Ein­sat­zes un­ter­schied­lich. Bei ei­nem Aus­lands­ein­satz in Afri­ka kann bei­spiels­wei­se ei­ne Ma­la­ria­pro­phy­la­xe ge­bo­ten sein, die im mi­li­tä­ri­schen All­tag im In­land nicht ver­an­lasst ist. Auch die mög­li­chen Ge­fah­ren­ab­wehr­maß­nah­men sind ab­hän­gig von den in ei­nem Sze­na­rio tat­säch­lich zur Ver­fü­gung ste­hen­den me­di­zi­ni­schen Res­sour­cen und Hand­lungs­op­tio­nen. Dies legt es na­he, der Exe­ku­ti­ve - wie im ge­sam­ten Ge­fah­ren­ab­wehr­recht - ei­nen Er­mes­sens­spiel­raum bei der Fest­le­gung der im Ein­zel­nen not­wen­di­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ein­zu­räu­men und nur den Hand­lungs­rah­men ge­setz­lich ab­zu­ste­cken.

38 Die­ser Hand­lungs­rah­men ist bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG durch Aus­le­gung be­stimm­bar, weil die Schlüs­sel­be­grif­fe der Norm den Grund­be­grif­fen des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes ent­spre­chen und dort teil­wei­se ge­setz­lich de­fi­niert sind (vgl. § 2 IfSG). Dem­entspre­chend hat die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts be­reits in den 60er Jah­ren ent­schie­den, dass sich die Be­stim­mung des Sol­da­ten­ge­set­zes an der Be­griffs­bil­dung des Bun­des­seu­chen­ge­set­zes - dem Vor­läu­fer des heu­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes - ori­en­tiert (BVer­wG, Be­schluss vom 24. Sep­tem­ber 1969 - 1 WDB 11.68 - BVer­w­GE 33, 339). Da sich der Be­griff der über­trag­ba­ren Krank­hei­ten auch in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG fin­det, ist er zu­dem durch die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts kon­tu­riert (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 124 - 126). Aber auch der zu­nächst weit er­schei­nen­de Be­griff der ärzt­li­chen Maß­nah­men ist durch Aus­le­gung gut ein­grenz­bar. Da­mit soll­te nach dem his­to­ri­schen Wil­len des Ge­setz­ge­bers (BT-Drs. 2/2140 S. 8) in ers­ter Li­nie die Durch­füh­rung von Schutz­imp­fun­gen er­mög­licht wer­den (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 23. Ok­to­ber 1979 - 1 WB 149.78 - BVer­w­GE 63, 278 <284 f.>). Schwer­wie­gen­de­re Ein­grif­fe wer­den durch die Ver­wei­sung in § 17a Abs. 2 Satz 3 SG auf die in § 25 Abs. 3 Satz 3 IfSG vor­ge­se­he­nen recht­li­chen Gren­zen für ärzt­li­che Ein­grif­fe oh­ne Zu­stim­mung des Be­trof­fe­nen aus­ge­schlos­sen. Dem­nach sind er­heb­li­che in­va­si­ve Ein­grif­fe eben­so wie ei­ne Nar­ko­se er­for­dern­de Be­hand­lun­gen ge­gen den Wil­len des Sol­da­ten un­zu­läs­sig.

39 b) Die Re­ge­lung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ent­spricht auch dem im Rechts­staats- und De­mo­kra­tie­prin­zip ent­hal­te­nen Ge­bot an den Ge­setz­ge­ber, die we­sent­li­chen Fra­gen selbst zu re­geln und nicht dem Han­deln und der Ent­schei­dungs­macht der Exe­ku­ti­ve zu über­las­sen (sog. We­sent­lich­keits­theo­rie). Wann es auf­grund der We­sent­lich­keit ei­ner Fra­ge der Re­ge­lung des par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­bers be­darf, hängt vom je­wei­li­gen Sach­be­reich und der Ei­gen­art des Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des ab. Da­bei be­deu­tet "we­sent­lich" im grund­rechts­re­le­van­ten Be­reich in der Re­gel "we­sent­lich für die Ver­wirk­li­chung der Grund­rech­te". Als we­sent­lich sind al­so Re­ge­lun­gen zu ver­ste­hen, die für die Ver­wirk­li­chung von Grund­rech­ten er­heb­li­che Be­deu­tung ha­ben und sie be­son­ders in­ten­siv be­tref­fen. Die Tat­sa­che, dass ei­ne Fra­ge po­li­tisch um­strit­ten ist, führt da­ge­gen nicht da­zu, dass die­se als we­sent­lich ver­stan­den wer­den muss (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u. a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 52 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 125).

40 Nach die­sen Maß­stä­ben hat der Ge­setz­ge­ber mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die we­sent­li­che Grund­ent­schei­dung für die Impf­pflicht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten selbst ge­trof­fen. Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Aus­ge­stal­tung des Be­rufs­bil­des der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten die kör­per­li­che Ein­satz­fä­hig­keit als we­sent­li­ches Merk­mal an­ge­se­hen. Er hat die Pflicht zur Ge­sund­erhal­tung als all­ge­mei­nen Grund­satz des mi­li­tä­ri­schen Diens­tes und die Be­reit­schaft zur Dul­dung der für die Ge­sund­erhal­tung not­wen­di­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men als be­son­de­re Aus­prä­gung die­ses Prin­zips nor­miert. Da­bei ging es ihm ins­be­son­de­re um die Be­reit­schaft zur Durch­füh­rung der zur Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten er­for­der­li­chen Schutz­imp­fun­gen (BT-Drs. 2/2140 S. 8).

41 Ei­ne nä­he­re ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung der im Ein­zel­nen not­wen­di­gen Schutz­imp­fun­gen be­durf­te es an­ge­sichts der Ei­gen­art des Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des nicht. Zum ei­nen ging es schon bei Ein­füh­rung der Dul­dungs­pflicht für In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men (frü­her Seu­chen­be­kämp­fungs­maß­nah­men), die es seit Be­stehen der Bun­des­wehr gibt, von vorn­her­ein nicht nur um die Dul­dung ei­ner ein­zi­gen Imp­fung, son­dern an­ge­sichts der Be­dro­hung durch ver­schie­de­ne über­trag­ba­re Krank­hei­ten um die Hin­nah­me ei­ner Mehr­zahl denk­ba­rer In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men. Zum an­de­ren ori­en­tiert sich die Er­for­der­lich­keit von Schutz­imp­fun­gen und sons­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men - wie aus­ge­führt - am je­wei­li­gen mi­li­tä­ri­schen Ein­satz und an den sich än­dern­den Ge­sund­heits­ge­fähr­dun­gen. Ei­ne kon­kre­te Auf­lis­tung ein­zel­ner Impf­zwe­cke und Impf­stof­fe im Sol­da­ten­ge­setz stün­de stets in der Ge­fahr, dem ak­tu­el­len In­fek­ti­ons­ge­sche­hen und den kon­kre­ten Ein­satz­er­for­der­nis­sen nicht ge­recht zu wer­den.

42 Da­her konn­te es der Ge­setz­ge­ber bei der abs­trak­ten Um­schrei­bung der ge­setz­li­chen Dul­dungs­pflicht be­las­sen und muss­te selbst nur den be­son­ders grund­rechts­re­le­van­ten Rechts­rah­men (ärzt­li­che Über­wa­chung, ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Zu­mut­bar­keits­prü­fung, nicht-in­va­si­ve Maß­nah­men, In­fek­ti­ons­schutz­zweck) vor­ge­ben. Die Um­set­zung die­ser Vor­ga­ben in den sich wan­deln­den mi­li­tä­ri­schen Ein­satz­sze­na­ri­en und epi­de­mi­schen Be­dro­hungs­la­gen konn­te der Ge­setz­ge­ber an­ge­sichts der Be­son­der­hei­ten des mi­li­tä­ri­schen Re­ge­lungs­be­reichs der Exe­ku­ti­ve über­las­sen. Da­für sprach, dass Dienst­pflich­ten in der Bun­des­wehr all­ge­mein durch Dienst­an­wei­sun­gen und Be­feh­le kon­kre­ti­siert wer­den, auch so­weit es die Ge­sund­erhal­tung und den Dienst­sport be­trifft. Au­ßer­dem führt die Bun­des­wehr durch ei­ge­ne Ärz­te und Bun­des­wehr­kran­ken­häu­ser die me­di­zi­ni­sche Be­treu­ung durch und kann auf­grund der Ex­per­ti­se ei­ner ei­ge­nen Sa­ni­täts­aka­de­mie ei­ne fach­ge­rech­te Ab­stim­mung der mi­li­tä­ri­schen und me­di­zi­ni­schen Be­lan­ge ge­währ­leis­ten.

43 Be­steht so­mit nach der We­sent­lich­keits­theo­rie kei­ne Not­wen­dig­keit, die im mi­li­tä­ri­schen Be­reich er­for­der­li­chen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im Sol­da­ten­ge­setz ein­zeln ge­setz­lich zu be­stim­men, ist auch ei­ne aus­drück­li­che Er­wäh­nung der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nicht er­for­der­lich. Et­was an­de­res folgt nicht dar­aus, dass das SARS-CoV-2-Vi­rus ein neu­ar­ti­ger Er­re­ger ist, an den bei Er­lass der Vor­schrift nie­mand ge­dacht hat. Denn die in­halt­li­che Of­fen­heit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dient ge­ra­de da­zu, auf neue In­fek­ti­ons­ge­fah­ren fle­xi­bel re­agie­ren zu kön­nen. Des­we­gen macht auch der Um­stand, dass bei der Be­kämp­fung des Vi­rus ei­ne neue Impf­stoff­tech­no­lo­gie zur An­wen­dung ge­kom­men ist, ei­ne aus­drück­li­che ge­setz­li­che Re­ge­lung nicht er­for­der­lich. Die Be­wer­tung der Ef­fek­ti­vi­tät und Si­cher­heit der Impf­stof­fe ist eben­falls aus Grün­den der Fle­xi­bi­li­tät und Sach­nä­he der Exe­ku­ti­ve über­las­sen wor­den. Der po­li­ti­sche Streit um die Ein­füh­rung ei­ner all­ge­mei­nen Co­vid-19-Impf­pflicht ist schlie­ß­lich - wie aus­ge­führt - für sich ge­nom­men kein Um­stand, der für die ver­fas­sungs­recht­li­che Be­wer­tung der Not­wen­dig­keit ei­ner er­gän­zen­den ge­setz­li­chen Re­ge­lung aus­schlag­ge­bend sein kann.

44 c) Die Norm des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG be­geg­net auch kei­nen durch­grei­fen­den grund­recht­li­chen Be­den­ken. Sie greift al­ler­dings in die Grund­rech­te aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ein.

45 aa) Die Vor­schrift be­rührt das Grund­recht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit in zwei­er­lei Hin­sicht. Sie ge­stat­tet Ein­grif­fe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ge­schütz­te Frei­heit je­des Men­schen, au­to­nom über die bei ihm durch­zu­füh­ren­den me­di­zi­ni­schen Un­ter­su­chungs-, Vor­sor­ge- und Heil­maß­nah­men zu ent­schei­den (kör­per­li­ches Selbst­be­stim­mungs­recht, vgl. BVerfG, Be­schluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerf­GE 128, 282 <300>). Wäh­rend die Durch­füh­rung ei­ner Schutz­imp­fung an­sons­ten von der Ein­wil­li­gung des Ein­zel­nen, das hei­ßt sei­ner in­di­vi­du­el­len und sub­jek­ti­ven Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung ab­hängt, er­mög­licht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienst­herrn, dem Sol­da­ten "ge­gen sei­nen Wil­len" Schutz­imp­fun­gen und an­de­re In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im In­ter­es­se der Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr ver­pflich­tend auf der Grund­la­ge ei­ner das Ein­zel- wie das Ge­samt­in­ter­es­se be­rück­sich­ti­gen­den Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung auf­zu­er­le­gen.

46 Zum an­de­ren er­mög­licht das Ge­setz auch die mit Schutz­imp­fun­gen und an­de­ren ärzt­li­chen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ver­bun­de­nen Ein­grif­fe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ge­schütz­te kör­per­li­che In­te­gri­tät (vgl. da­zu BVerfG, Be­schluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerf­GE 128, 282 <300>). Denn Impf­stof­fe füh­ren zu Ver­än­de­run­gen im Kör­per. Sie be­wir­ken die Bil­dung von An­ti­kör­pern ge­gen be­stimm­te Er­re­ger; schon die­se in­ten­dier­te kör­per­li­che Re­ak­ti­on ist häu­fig mit ei­ner vor­über­ge­hen­den Be­ein­träch­ti­gung des kör­per­li­chen Wohl­be­fin­dens ver­bun­den (sog. Impf­re­ak­tio­nen). Da­ne­ben kön­nen aber fast al­le zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe in Ein­zel­fäl­len gra­vie­ren­de un­er­wünsch­te Aus­wir­kun­gen (sog. Impf­kom­pli­ka­tio­nen) ver­ur­sa­chen.

47 Der Ein­griff in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit kann auch nicht mit dem Ar­gu­ment be­strit­ten wer­den, dass für den Fall der Impf­ver­wei­ge­rung kein un­mit­tel­ba­rer Zwang vor­ge­se­hen ist. Zwar ist we­der in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG noch an an­de­rer Stel­le des Sol­da­ten­ge­set­zes ei­ne Zwangs­imp­fung vor­ge­se­hen. Dar­um wird kör­per­li­cher Zwang in Nr. 209 ZDv A-840/8 aus­drück­lich un­ter­sagt. Ein Ein­griff in das Grund­recht aus Art. 2 Abs. 2 GG liegt je­doch nicht nur bei kör­per­li­chem, son­dern auch bei psy­chisch ver­mit­tel­tem Zwang vor, der ins­be­son­de­re durch die An­dro­hung von Stra­fen ver­mit­telt wird (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 244 ff. und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 113 f.). Dem steht die An­dro­hung von Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men gleich. Aus der Aus­ge­stal­tung der sol­da­ten­recht­li­chen Impf­pflicht als Dienst­pflicht folgt, dass ei­ne vor­sätz­li­che Ver­wei­ge­rung ei­nes ent­spre­chen­den Be­fehls als Dienst­ver­ge­hen ge­ahn­det wer­den kann (BVer­wG, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - Buch­holz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat für den Fall der Impf­ver­wei­ge­rung die dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ahn­dung auch an­ge­droht.

48 Dem Ein­griffs­cha­rak­ter ei­ner Impf­pflicht steht auch nicht ent­ge­gen, dass sie zum Zwe­cke der Ver­hin­de­rung ei­ner sym­pto­ma­ti­schen oder schwe­ren In­fek­ti­ons­er­kran­kung vor­ge­nom­men wird. Ei­ne schä­di­gen­de Ziel­rich­tung ist nicht Vor­aus­set­zung für das Vor­lie­gen ei­nes Ein­grif­fes in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit (BVerfG, Be­schluss vom 8. Ju­ni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 57). Die Frei­heits­rech­te schlie­ßen das Recht ein, von der Frei­heit ei­nen Ge­brauch zu ma­chen, der - je­den­falls in den Au­gen Drit­ter - den wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­sen des Grund­rechts­trä­gers zu­wi­der­läuft. Dies um­fasst das Recht, auf me­di­zi­ni­schen Schutz zie­len­de Ein­grif­fe ab­zu­leh­nen, selbst wenn dies nach dem Stand des me­di­zi­ni­schen Wis­sens drin­gend an­ge­zeigt ist (BVerfG, Be­schluss vom 26. Ju­li 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerf­GE 142, 313 Rn. 74).

49 bb) Der Ge­setz­ge­ber hat al­ler­dings nicht - wie der An­trag­stel­ler meint - in das Grund­recht auf Le­ben ein­ge­grif­fen. Da es um ei­ne vor­beu­gen­de me­di­zi­ni­sche Maß­nah­me geht, bil­det das Grund­recht der kör­per­li­chen Un­ver­sehrt­heit als spe­zi­el­les Grund­recht den Prü­fungs­maß­stab (vgl. Geb­hard, Impf­pflicht und Grund­ge­setz, 2022, S. 138 ff.). Dies hat sei­nen Grund dar­in, dass es bei Heil­ein­grif­fen und vor­beu­gen­den me­di­zi­ni­schen Maß­nah­men um ei­ne Ver­bes­se­rung des Ge­sund­heits­zu­stands oder um ei­ne Ver­rin­ge­rung des Ri­si­kos schwe­rer Er­kran­kun­gen geht. Ei­ne Er­hö­hung des Sterb­lich­keits­ri­si­kos wird we­der be­zweckt noch be­wirkt, so­dass kein fi­na­ler Ein­griff in das Grund­recht auf Le­ben vor­liegt. Der un­ver­meid­li­che Um­stand, dass es bei Imp­fun­gen in sel­te­nen Fäl­len zu töd­lich ver­lau­fen­den Kom­pli­ka­tio­nen kom­men kann, än­dert am Cha­rak­ter der Imp­fun­gen als me­di­zi­ni­sche Heil­ein­grif­fe und am grund­recht­li­chen Prü­fungs­maß­stab des Grund­rechts auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit nichts.

50 Die Vor­schrift des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift auch nicht in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht der be­trof­fe­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ein, weil die Impf­stof­fe nach die­ser Vor­schrift nicht un­ter phy­si­schem Zwang ver­ab­reicht wer­den und kei­ne per­sön­lich­keits­ver­än­dern­de Wir­kung ha­ben (an­ders bei Zwangs­be­hand­lung mit Psy­cho­phar­ma­ka vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 26. Ju­li 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerf­GE 142, 313 Rn. 74 und vom 8. Ju­ni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 58).

51 Ein Ein­griff in das Grund­recht auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit aus Art. 4 Abs. 1 GG ist gleich­falls nicht in­ten­diert und vor­lie­gend nicht plau­si­bel dar­ge­legt.

52 cc) Die Re­ge­lung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift al­ler­dings in das Grund­recht auf Be­rufs­frei­heit ein, in­dem sie den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten die Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men als Dienst­pflicht vor­schreibt.

53 Art. 12 Abs. 1 GG ge­währ­leis­tet die Frei­heit der be­ruf­li­chen Be­tä­ti­gung. Un­ter Be­ruf ist da­bei je­de auf Dau­er an­ge­leg­te Tä­tig­keit zur Schaf­fung und Er­hal­tung ei­ner Le­bens­grund­la­ge zu ver­ste­hen (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 12. Ja­nu­ar 2016 - 1 BvR 3102/13 - BVerf­GE 141, 121 Rn. 32 ff. und vom 30. Ju­ni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - BVerf­GE 155, 238 Rn. 92). Der Schutz die­ses Grund­rechts ist um­fas­send an­ge­legt, wie die aus­drück­li­che Er­wäh­nung von Be­rufs­wahl, Wahl von Aus­bil­dungs­stät­te und Ar­beits­platz und Be­rufs­aus­übung zeigt (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerf­GE 113, 29 <48>). Der Schutz­be­reich er­fasst auch Be­ru­fe im öf­fent­li­chen Dienst, wie das Wehr­dienst­ver­hält­nis der Sol­da­ten (BVerfG, Ur­teil vom 11. Ju­ni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerf­GE 7, 377 <397 f.>; Be­schluss vom 2. April 1963 - 2 BvL 22/60 - BVerf­GE 16, 6 <21>). Dem steht Art. 33 GG nicht ent­ge­gen, der für Be­ru­fe im öf­fent­li­chen Dienst le­dig­lich Son­der­re­ge­lun­gen er­mög­licht und die Be­rufs­frei­heit ent­spre­chend mo­di­fi­ziert (BVerfG, Ur­teil vom 11. Ju­ni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerf­GE 7, 377 <397 f.>).

54 Die Pflicht zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men, ins­be­son­de­re von Schutz­imp­fun­gen, hat ei­ne ob­jek­tiv be­rufs­re­geln­de Ten­denz (vgl. da­zu BVerfG, Be­schluss vom 13. Ju­li 2004 - 1 BvR 1298/94 u. a. - BVerf­GE 111, 191 <213>). Sie greift als fort­lau­fen­de Dienst­pflicht in ers­ter Li­nie in den Be­reich der be­ruf­li­chen Be­tä­ti­gung ein. Die Pflicht zur Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen ak­tua­li­siert sich im be­ruf­li­chen All­tag der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten meist im Rah­men all­ge­mei­ner me­di­zi­ni­scher Ge­sund­heits­un­ter­su­chun­gen oder im zeit­li­chen Vor­feld von be­stimm­ten Aus­lands­ein­sät­zen.

55 Die Frei­heit der Be­rufs­wahl wird durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwar nicht un­mit­tel­bar ein­ge­schränkt, weil die Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men nicht Vor­aus­set­zung für die Be­grün­dung des Wehr­dienst­ver­hält­nis­ses ist. Die Vor­schrift greift je­doch mit­tel­bar in die Frei­heit der Be­rufs­wahl ein. Denn die Ver­wei­ge­rung der Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men hat - wie aus­ge­führt - als Dienst­pflicht­ver­let­zung dis­zi­pli­nar­recht­li­che Fol­gen und kann je­den­falls im Ex­trem­fall der wie­der­hol­ten Be­fehls­ver­wei­ge­rung auch zur Be­en­di­gung des Wehr­dienst­ver­hält­nis­ses füh­ren. Dies be­trifft den von der Wahl­frei­heit um­fass­ten Schutz vor Auf­ga­be des frei ge­wähl­ten Be­rufs (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 6. Ju­ni 2018 - 1 BvL 7/14 u. a. - BVerf­GE 149, 126 Rn. 38). Zu­dem be­wirkt § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG mit­tel­bar, dass Per­so­nen, die be­stimm­te oder al­le Schutz­imp­fun­gen ab­leh­nen, der Zu­gang zum Sol­da­ten­be­ruf fak­tisch ver­wehrt ist.

56 d) Der mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­bun­de­ne Ein­griff in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit und auf Be­rufs­frei­heit ist ver­fas­sungs­recht­lich ge­recht­fer­tigt.

57 aa) Der Ge­setz­ge­ber ist grund­sätz­lich be­rech­tigt, ent­spre­chen­de frei­heits­be­schrän­ken­de Re­ge­lun­gen zu er­las­sen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Be­rufs­aus­übung "durch Ge­setz oder auf Grund ei­nes Ge­set­zes ge­re­gelt wer­den". Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ge­stat­tet es eben­falls, in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit "auf Grund ei­nes Ge­set­zes" ein­zu­grei­fen. Be­reits bei den Be­ra­tun­gen des Par­la­men­ta­ri­schen Ra­tes stand den Müt­tern und Vä­tern des Grund­ge­set­zes die Ein­füh­rung ei­ner ge­setz­li­chen Impf­pflicht als mög­li­cher An­wen­dungs­fall ei­ner grund­rechts­be­schrän­ken­den Maß­nah­me vor Au­gen (JÖR <N. F.> 1, S. 60). Des­we­gen ha­ben der Bun­des­ge­richts­hof und das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die in der Nach­kriegs­zeit fort­gel­ten­de all­ge­mei­ne Impf­pflicht ge­gen Po­cken, die noch auf dem Impf­ge­setz vom 8. April 1874 (RGBl. S. 31) be­ruh­te, als ver­fas­sungs­mä­ßig an­ge­se­hen (vgl. BGH, Gut­ach­ten vom 25. Ja­nu­ar 1952 - VRG 5/51 - BGHSt 4, 375 ff.; BVer­wG, Ur­teil vom 14. Ju­li 1959 - 1 C 170.56 - BVer­w­GE 9, 78 ff.).

58 Der Ge­set­zes­vor­be­halt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ist nicht als rei­ner Ver­wal­tungs­vor­be­halt zu ver­ste­hen. Der Ge­setz­ge­ber kann es zwar der Exe­ku­ti­ve ge­stat­ten, zum Schutz ge­wich­ti­ger Ge­mein­wohl­zie­le oder der Grund­rech­te an­de­rer in die Frei­heit der Per­son oder die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit ein­zu­grei­fen. Er kann den Ein­griff aber auch selbst ganz oder teil­wei­se durch das Ge­setz vor­neh­men (BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 269 - 272 zu sog. selbst­voll­zie­hen­den Ge­set­zen). Im vor­lie­gen­den Fall hat der Ge­setz­ge­ber mit der Be­grün­dung ei­ner dienst­recht­li­chen Dul­dungs­pflicht den Ein­griff in das kör­per­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht der Sol­da­ten zu ei­nem ge­wich­ti­gen Teil selbst vor­ge­nom­men. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG er­setzt die Ein­wil­li­gung der Sol­da­ten in ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men und ver­pflich­tet sie da­her, die mit dem ärzt­li­chen Ein­griff - hier der Schutz­imp­fung - ver­bun­de­nen Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen wie im Fal­le der Ein­wil­li­gung hin­zu­neh­men. Der An­teil der Exe­ku­ti­ve an dem Grund­rechts­ein­griff be­steht dar­in, die im Ein­zel­nen er­for­der­li­chen Maß­nah­men fest­zu­le­gen. Der Dienst­herr be­stimmt nach pflicht­ge­mä­ßem Er­mes­sen die nach Art, Zeit und Ort des Ein­sat­zes der Bun­des­wehr­ein­hei­ten zur Er­hal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft not­wen­di­gen und me­di­zi­nisch zu­mut­ba­ren Schutz­imp­fun­gen be­zie­hungs­wei­se an­der­wei­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men. Er ak­tua­li­siert da­bei die ge­setz­li­che Dul­dungs­pflicht.

59 bb) Die ge­setz­li­che Re­ge­lung ist auch for­mell ord­nungs­ge­mäß zu­stan­de ge­kom­men. Be­reits im Sol­da­ten­ge­setz von 1957 war in § 17 Abs. 4 Satz 3 SG a. F. ei­ne Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men vor­ge­se­hen. Mit dem Ge­setz zur nach­hal­ti­gen Stär­kung der per­so­nel­len Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr vom 4. Au­gust 2019 (BGBl. I S. 1147) wur­den zur Ver­bes­se­rung der rechts­sys­te­ma­ti­schen Klar­heit und der Rechts­an­wen­der­freund­lich­keit die ge­sund­heit­li­chen Rech­te und Pflich­ten der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten in ei­ne neue Vor­schrift über­führt, wo­bei hin­sicht­lich der Dul­dungs­pflicht nur re­dak­tio­nel­le und sprach­li­che An­pas­sun­gen vor­ge­nom­men wur­den (BT-Drs. 19/9491 S. 103, 104). Bei die­sem Ge­setz sind die für Bun­des­ge­set­ze gel­ten­den Zu­stän­dig­keits- und Ver­fah­rens­vor­schrif­ten be­ach­tet wor­den. Wie schon in der Vor­gän­ger­re­ge­lung hat der Bun­des­ge­setz­ge­ber sei­nen Wil­len, das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit ein­zu­schrän­ken mit § 17a Abs. 2 Satz 2 SG im Ge­setz selbst zum Aus­druck ge­bracht und da­mit das in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ent­hal­te­ne Zi­tier­ge­bot be­ach­tet. Ei­ner zu­sätz­li­chen Er­wäh­nung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG be­durf­te es nicht. Denn Be­rufs­re­ge­lun­gen im Sin­ne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sind nicht als Ein­schrän­kun­gen im Sin­ne von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu ver­ste­hen (BVerfG, Ur­teil vom 11. Ju­ni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerf­GE 7, 377 <403 f.>; Be­schluss vom 17. Ju­li 1961 - 1 BvL 44/55 - BVerf­GE 13, 97 <122>).

60 cc) Die sol­da­ten­recht­li­che Pflicht zur Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen ist auch ma­te­ri­ell-recht­lich ver­fas­sungs­ge­mäß. Sie ver­folgt ge­wich­ti­ge und le­gi­ti­me Ge­mein­wohl­zie­le. Da­zu zählt al­ler­dings nicht der Schutz der Volks­ge­sund­heit, weil ei­ne be­rufs­spe­zi­fi­sche Impf­pflicht vor­liegt.

61 (1) Dass die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr ei­ner weit­ge­hen­den Impf­pflicht un­ter­wor­fen wer­den, dient in ers­ter Li­nie der in Art. 87a Abs. 1 GG vor­aus­ge­setz­ten Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 24. Ju­ni 1986 - 1 WB 170.84 - BVer­w­GE 83, 191 <192> und vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 7). Die sol­da­ten­recht­li­che Impf­pflicht fu­ßt auf der Er­kennt­nis, dass die Schlag­kraft mi­li­tä­ri­scher Ver­bän­de ganz we­sent­lich von der Ge­sund­heit und kör­per­li­chen Ein­satz­fä­hig­keit je­des ein­zel­nen Sol­da­ten ab­hängt. Mi­li­tä­ri­sche Ein­hei­ten sind so zu­sam­men­ge­setzt, dass Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten mit un­ter­schied­li­chen Be­fä­hi­gun­gen ar­beits­tei­lig zu­sam­men­wir­ken. Bei­spiels­wei­se hängt die Ein­satz­be­reit­schaft ei­nes Pan­zers nicht nur da­von ab, dass der Pan­zer­fah­rer dienst­fä­hig ist. Sie ent­fällt auch dann, wenn der Pan­zer­schüt­ze, der Fun­ker oder der Kom­man­dant aus­fal­len. Üb­li­che krank­heits­be­ding­te Aus­fäl­le kön­nen durch Per­so­nal­re­ser­ven ab­ge­deckt wer­den. Die Ver­brei­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten in ei­ner mi­li­tä­ri­schen Ein­heit kann aber zum gleich­zei­ti­gen Aus­fall ei­ner gro­ßen Zahl von Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten füh­ren und die Ein­satz­be­reit­schaft der ge­sam­ten mi­li­tä­ri­schen Ein­heit in­fra­ge stel­len (vgl. Metz­ger, in: Ei­chen/Metz­ger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 17a Rn. 7).

62 (2) Die Pflicht zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men dient fer­ner dem Schutz der Grund­rech­te an­de­rer Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Ei­ne Viel­zahl von In­fek­ti­ons­er­re­gern ist un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar von Mensch zu Mensch über­trag­bar, so­dass die Durch­füh­rung ei­ner Schutz­imp­fung et­wa ge­gen In­flu­en­za auch das Er­kran­kungs­ri­si­ko an­de­rer Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten re­du­ziert. Da vie­le Sol­da­ten sich auf­grund ih­rer Ka­ser­nie­rung oft län­ge­re Zeit mit an­de­ren Ka­me­ra­den in den­sel­ben Räu­men auf­hal­ten und bei Übun­gen und Ein­sät­zen et­wa in Pan­zern, U-Boo­ten oder Hub­schrau­bern in un­mit­tel­ba­rer räum­li­cher Nä­he eng mit ih­ren Ka­me­ra­den zu­sam­men­ar­bei­ten, be­steht zwi­schen ih­nen ein über­durch­schnitt­lich ho­hes Über­tra­gungs­ri­si­ko. Schutz­imp­fun­gen kön­nen in die­sen Fäl­len ei­nen Bei­trag da­zu leis­ten, dass die Wei­ter­ga­be (Trans­mis­si­on) des Er­re­gers er­schwert oder ver­hin­dert wird; dies dient dem Schutz der kör­per­li­chen Un­ver­sehrt­heit an­de­rer Sol­da­ten, de­ren Impf­schutz et­wa durch man­geln­de Bil­dung von An­ti­kör­pern oder durch Zeit­ab­lauf un­zu­rei­chend ist oder zum Bei­spiel we­gen ei­ner me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on fehlt.

63 (3) Un­ab­hän­gig da­von muss die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nor­mier­te Pflicht im Kon­text der be­son­de­ren Stel­lung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten als Staats­die­ner ge­se­hen wer­den. Die­se Vor­schrift ge­stal­tet das Be­rufs­bild der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten aus. Sie ste­hen als Ho­heits­trä­ger ge­mäß Art. 33 Abs. 4 GG, § 1 Abs. 1 Satz 2 SG in ei­nem be­son­de­ren öf­fent­li­chen Dienst- und Treue­ver­hält­nis (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2014 - 2 C 1.13 - BVer­w­GE 149, 117 Rn. 61). Ge­ra­de weil mi­li­tä­ri­sche Ver­bän­de stets ein­satz­be­reit sein müs­sen, um für un­ter­schied­li­che, nicht vor­her­seh­ba­re Ein­sät­ze mi­li­tä­ri­scher oder zi­vi­ler Art (vgl. Art. 35 GG) schnell zur Ver­fü­gung zu ste­hen, ge­hört die Be­reit­schaft des ein­zel­nen Sol­da­ten, auf sei­ne kör­per­li­che Ein­satz­fä­hig­keit zu ach­ten und sie nach Mög­lich­keit zu ge­währ­leis­ten, zu sei­nen be­son­de­ren Dienst­pflich­ten; die­se für das mi­li­tä­ri­sche Dienst- und Treue­ver­hält­nis spe­zi­fi­sche Dienst­pflicht ist ein­fach-recht­lich in § 17a Abs. 1 SG als all­ge­mei­ne Ge­sund­erhal­tungs­pflicht nor­miert wor­den. Sie fin­det im Dienst­all­tag der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei­spiels­wei­se dar­in ih­ren Nie­der­schlag, dass sie im Dienst zur Er­hal­tung ih­rer Fit­ness und Ge­sund­heit Sport trei­ben und Sport­prü­fun­gen ab­le­gen müs­sen. Sie dür­fen we­der im Dienst noch au­ßer Dienst Dro­gen zu sich neh­men und müs­sen im Ein­satz ein Al­ko­hol­ver­bot be­ach­ten. Die von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­for­der­te Be­reit­schaft, sich der Ge­sund­erhal­tung die­nen­den Imp­fun­gen zu un­ter­wer­fen, ist ein Aus­fluss die­ser all­ge­mei­nen Ge­sund­erhal­tungs­pflicht.

64 dd) Die ge­setz­li­che Nor­mie­rung ei­ner all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG für ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ent­spricht auch dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit. Sie dient dem Schutz ver­fas­sungs­recht­lich ge­wich­ti­ger Gü­ter und ist zur Ver­fol­gung die­ser Zwe­cke im ver­fas­sungs­recht­li­chen Sin­ne ge­eig­net, er­for­der­lich so­wie an­ge­mes­sen.

65 (1) Das mit der Dul­dungs­pflicht ver­folg­te Ziel der Er­hal­tung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr ist ein über­ra­gend wich­ti­ger Ge­mein­wohl­be­lang. Ins­be­son­de­re in Art. 87a GG hat der Ver­fas­sungs­ge­ber ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­ent­schei­dung für ei­ne wirk­sa­me mi­li­tä­ri­sche Lan­des­ver­tei­di­gung ge­trof­fen. Ein­rich­tung und Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr ha­ben ver­fas­sungs­recht­li­chen Rang (BVerfG, Ur­teil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u. a. - BVerf­GE 69, 1 <21 f.>). Eben­so hat die Schutz­pflicht des Staa­tes aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Be­zug auf die Ge­sund­heit an­de­rer Per­so­nen, die ei­ner Ge­fähr­dung nicht aus­wei­chen kön­nen, ver­fas­sungs­recht­li­chen Rang (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 8. Ju­ni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 64). Der Rechts­ge­dan­ke, dass die Ver­pflich­tung zum Er­halt der ei­ge­nen Ein­satz­be­reit­schaft dem spe­zi­fi­schen Dienst- und Treue­ver­hält­nis des Sol­da­ten nach Art. 33 Abs. 4 GG in­ne­wohnt, kommt bei der Fra­ge der Ein­schränk­bar­keit der Grund­rech­te aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 GG eben­falls ver­fas­sungs­recht­li­che Be­deu­tung zu.

66 (2) Der Ge­setz­ge­ber konn­te da­von aus­ge­hen, dass die Ein­füh­rung ei­ner be­rufs­spe­zi­fi­schen Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen ein ge­eig­ne­tes Mit­tel zur Si­che­rung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr und der Ge­sund­heit an­de­rer Sol­da­ten ist. Dem Ge­setz­ge­ber steht bei der Be­ur­tei­lung der Eig­nung, Er­for­der­lich­keit und An­ge­mes­sen­heit ei­ner Maß­nah­me ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 185, 204, 217). Sei­ne An­nah­me ist na­he­lie­gend, dass im be­ruf­li­chen All­tags­le­ben der Sol­da­ten in Ka­ser­nen und bei Übun­gen und Ein­sät­zen ein er­höh­tes In­fek­ti­ons­ri­si­ko be­steht und dass die Durch­füh­rung von ärzt­li­chen Schutz­imp­fun­gen und an­de­ren In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ei­nen ge­wich­ti­gen Bei­trag zur Re­du­zie­rung von Ge­sund­heits­ri­si­ken und zum Er­halt der Ein­satz­be­reit­schaft leis­tet.

67 (3) Der Ge­setz­ge­ber konn­te die Be­grün­dung ei­ner be­rufs­be­zo­ge­nen Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen als er­for­der­lich an­se­hen. Ein mil­de­res gleich wirk­sa­mes Mit­tel ist nicht er­sicht­lich. Die Ein­füh­rung ei­nes frei­wil­li­gen Impf­an­ge­bots wä­re nicht gleich ef­fek­tiv. Denn dies ge­währ­leis­tet ge­ra­de nicht, dass der grö­ßt­mög­li­che Schutz vor In­fek­ti­ons­ge­fah­ren be­steht.

68 (4) Schlie­ß­lich konn­te der Ge­setz­ge­ber die Ein­füh­rung ei­ner all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che Schutz­imp­fun­gen auch als an­ge­mes­se­ne Maß­nah­me be­wer­ten. Der Ge­setz­ge­ber hat dem Ge­sund­heits­schutz der Be­trof­fe­nen da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass die Imp­fung nur durch Ärz­te er­folgt, die vor dem me­di­zi­ni­schen Ein­griff die be­son­de­ren ge­sund­heit­li­chen Ri­si­ken des Ein­zel­nen prü­fen. Er hat die Dul­dungs­pflicht da­durch scho­nend aus­ge­stal­tet, dass sie nur Schutz­imp­fun­gen und we­nig be­las­ten­de ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men um­fasst (§ 17a Abs. 2 Satz 3 SG i. V. m. § 25 Abs. 3 IfSG). Zu­dem hat er die Dul­dungs­pflicht da­durch be­grenzt, dass die Sol­da­ten nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG kei­ne Maß­nah­men dul­den müs­sen, die ei­ne er­heb­li­che Ge­fahr für Le­ben und Ge­sund­heit be­grün­den. Dies ist ins­be­son­de­re der Fall, wenn beim Ein­zel­nen ei­ne me­di­zi­ni­sche Kon­tra­in­di­ka­ti­on vor­liegt (BVer­wG, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - Buch­holz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Da­mit geht die Impf­pflicht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nicht über das Maß hin­aus, das an­de­ren Be­rufs­grup­pen bei ei­ner ver­pflich­ten­den Schutz­imp­fung ab­ver­langt wird (vgl. § 20 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 Satz 4 IfSG).

69 Schlie­ß­lich flie­ßt die be­son­de­re Ein­satz­ori­en­tie­rung des sol­da­ti­schen Dienst- und Treue­ver­hält­nis­ses (Art. 33 Abs. 4 GG) in die Ab­wä­gung mit ein. Sol­da­ten müs­sen von Be­rufs we­gen bei mi­li­tä­ri­schen Ein­sät­zen - ins­be­son­de­re bei Aus­lands­mis­sio­nen und im Fall der Lan­des­ver­tei­di­gung - er­heb­li­che Ge­sund­heits­ri­si­ken hin­neh­men (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 6). Die­ser be­son­de­re Ein­satz­be­zug des Sol­da­ten­be­rufs recht­fer­tigt es, den Sol­da­ten im In­ter­es­se ih­rer Ein­satz­fä­hig­keit ei­ne Impf­pflicht auf­zu­er­le­gen, die an­de­ren Staats­bür­gern nicht ab­ver­langt wird.

70 Für die An­ge­mes­sen­heit der ge­setz­li­chen Re­ge­lung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG spricht schlie­ß­lich, dass der Ge­setz­ge­ber die Ein­zel­hei­ten der Impf­pflicht ins pflicht­ge­mä­ße Er­mes­sen des Dienst­herrn ge­stellt hat. Dies er­mög­licht dem Dienst­herrn fle­xi­ble und si­tua­ti­ons­ab­hän­gi­ge Ent­schei­dun­gen und er­öff­net Raum, Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls ge­recht zu wer­den. Zu­gleich fin­det auch Grund­rechts­schutz durch Ver­fah­ren statt. Denn die all­ge­mei­ne Ein­füh­rung neu­er Imp­fun­gen un­ter­liegt - wie un­ten nä­her aus­ge­führt wird - der Mit­be­stim­mung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Zu­gleich wird ei­ne ge­richt­li­che Kon­trol­le der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit be­stimm­ter In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men er­mög­licht. Der ein­zel­ne Sol­dat kann trotz Vor­lie­gens ei­ner be­rufs­be­zo­ge­nen Impf­pflicht im Rah­men der Wehr­be­schwer­de und des wehr­dienst­ge­richt­li­chen An­trags­ver­fah­rens Grund­rechts­schutz im Ein­zel­fall er­lan­gen. Die wehr­dienst­ge­richt­li­che Kon­trol­le hat sich in der Ver­gan­gen­heit be­währt und wich­ti­ge Klar­stel­lun­gen zur Ver­hält­nis­mä­ßig­keit von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men er­bracht (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 24. Sep­tem­ber 1969 - 1 WDB 11.68 - BVer­w­GE 33, 339 zur Te­ta­nus­imp­fung, vom 22. Ok­to­ber 1982 - 1 WB 142.82 - und vom 3. No­vem­ber 1983 - 1 WB 108.80 - zur Po­cken­schutz­imp­fung so­wie vom 24. Ju­ni 1986 - 1 WB 170.84 - BVer­w­GE 83, 191 zur TBC-Rei­hen­un­ter­su­chung).

71 Schlie­ß­lich hat der Dienst­herr dem Um­stand, dass die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten im Rah­men ih­res Dienst- und Treue­ver­hält­nis­ses Imp­fun­gen zu dul­den ha­ben, auch da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass er den Sol­da­ten im Fal­le ei­nes Impf­scha­dens ne­ben den je­der­mann zu­ste­hen­den in­fek­ti­ons­schutz­recht­li­chen Aus­gleichs­an­sprü­chen (vgl. Dut­ta, NJW 2022, 649) auch ei­nen sol­da­ten­ver­sor­gungs­recht­li­chen An­spruch ein­ge­räumt hat. Die Dul­dung ei­ner dienst­lich an­ge­ord­ne­ten Imp­fung ist als Wehr­dienst­ver­rich­tung im Sin­ne des § 81 Abs. 1 SVG an­er­kannt, so­dass im Fal­le ei­nes Impf­scha­dens nach § 85 SVG ein ver­sor­gungs­recht­li­cher Aus­gleich we­gen ei­ner Wehr­dienst­be­schä­di­gung ge­währt wird (vgl. LSG Bre­men, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2021 - L 10 VE 11/16 - ju­ris Rn. 28 ff.).

72 ee) Durch die Be­grün­dung ei­ner ge­setz­li­chen Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che Maß­nah­men ge­gen In­fek­ti­ons­krank­hei­ten wird auch nicht der nach Art. 19 Abs. 2 GG un­an­tast­ba­re We­sens­ge­halt der be­trof­fe­nen Grund­rech­te ver­letzt. Ein Ein­griff in den un­an­tast­ba­ren We­sens­ge­halt der kör­per­li­chen Un­ver­sehrt­heit liegt schon des­we­gen nicht vor, weil die dienst­recht­li­che Dul­dungs­pflicht nicht ge­gen den Wil­len des Sol­da­ten mit phy­si­schem Zwang durch­ge­setzt wird und auf die­se Wei­se das Selbst­be­stim­mungs­recht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht völ­lig aus­ge­schlos­sen wird (vgl. EGMR <GK>, Ur­teil vom 8. April 2021 - Nr. 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 LS 5).

73 Auch hin­sicht­lich der kör­per­li­chen In­te­gri­tät wird der We­sens­ge­halt des Grund­rechts nicht ver­letzt. Denn die mit ei­ner Imp­fung üb­li­cher­wei­se ver­bun­de­nen Ne­ben­wir­kun­gen füh­ren nur zu ge­rin­gen Be­ein­träch­ti­gun­gen des kör­per­li­chen Wohl­be­fin­dens. Auch wenn in ver­hält­nis­mä­ßig we­ni­gen Fäl­len Impf­kom­pli­ka­tio­nen mit schwe­ren Er­kran­kun­gen oder töd­li­chen Ver­läu­fen auf­tre­ten, be­wah­ren die­se Schutz­imp­fun­gen ty­pi­scher Wei­se in ei­ner weit grö­ße­ren Zahl von Fäl­len die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten da­vor, auf­grund ei­ner In­fek­ti­on schwer zu er­kran­ken oder zu ster­ben. Auf­grund des prä­ven­tiv-me­di­zi­ni­schen Cha­rak­ters der Maß­nah­me kann nicht von ei­nem Ein­griff in den We­sens­ge­halt des Grund­rechts ge­spro­chen wer­den (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 14. Ju­li 1959 - 1 C 170.56 - BVer­w­GE 9, 78 <79>).

74 Auch hin­sicht­lich der Be­rufs­frei­heit liegt kei­ne Ver­let­zung der We­sens­ge­halts­ga­ran­tie des Art. 19 Abs. 2 GG vor. Denn die mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­bun­de­nen Be­schrän­kun­gen be­ru­hen auf ver­nünf­ti­gen Ge­mein­wohl­grün­den und füh­ren nicht zu un­über­wind­ba­ren ob­jek­ti­ven Hin­der­nis­sen bei der Be­rufs­aus­übung oder Be­rufs­wahl.

75 4. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen ist gleich­falls ei­ne ma­te­ri­ell-recht­mä­ßi­ge dienst­li­che Maß­nah­me.

76 a) Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat auf der Grund­la­ge des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nach pflicht­ge­mä­ßem Er­mes­sen zu ent­schei­den, wel­che ärzt­li­chen Schutz­imp­fun­gen und In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im Ein­zel­nen nach Art, Zeit und Ort des Ein­sat­zes der Bun­des­wehr­ein­hei­ten zur Er­hal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft not­wen­dig und me­di­zi­nisch zu­mut­bar sind. Die an­ge­foch­te­nen Dienst­vor­schrif­ten kön­nen ge­richt­lich nur dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob die ge­setz­li­chen Gren­zen des Er­mes­sens ver­kannt oder über­schrit­ten wor­den sind oder ob das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung von sei­nem Er­mes­sen in ei­ner dem Zweck der Er­mäch­ti­gung nicht ent­spre­chen­den Wei­se Ge­brauch ge­macht hat. Wie für je­des den Bür­ger be­las­ten­de ho­heit­li­che Tä­tig­wer­den gilt da­bei der ver­fas­sungs­kräf­ti­ge Grund­satz des Über­ma­ß­ver­bots, auf des­sen Be­ach­tung auch der Sol­dat, der die glei­chen staats­bür­ger­li­chen Rech­te wie je­der an­de­re Staats­bür­ger be­sitzt (§ 6 Satz 1 SG), ei­nen An­spruch hat (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 24. Ju­ni 1986 - 1 WB 170.84 - BVer­w­GE 83, 191 <193>).

77 Wird ei­ne Maß­nah­me - wie die Durch­füh­rung von Ba­si­s­imp­fun­gen - nicht ein­ma­lig, son­dern auf un­be­stimm­te Dau­er an­ge­ord­net, ist der Dienst­herr ver­pflich­tet, die Recht­mä­ßig­keit der Maß­nah­me fort­lau­fend zu über­wa­chen. Er muss ins­be­son­de­re über­prü­fen, ob ei­ne ein­mal fest­ge­leg­te Dul­dungs­pflicht für ei­ne Imp­fung wei­ter­hin ge­eig­net, er­for­der­lich und zu­mut­bar ist. Bei der ge­richt­li­chen Kon­trol­le von Dau­er­ver­wal­tungs­ak­ten kommt es dar­auf an, dass sie sich nicht nur zum Zeit­punkt des Er­las­ses, son­dern auch zum Zeit­punkt der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung als recht­mä­ßig er­wei­sen (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 29. Ok­to­ber 2014 - 9 B 32.14 - ju­ris Rn. 3 und vom 28. Ok­to­ber 2021 - 1 WRB 2.21 - BVer­w­GE 174, 94 Rn. 31). Weil die Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen auch in die Grund­rech­te der Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit und auf Be­rufs­frei­heit ein­greift, ist ei­ne fort­dau­ern­de Über­prü­fung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ei­ner ver­pflich­ten­den Impf­an­ord­nung und ei­ne stän­di­ge Über­wa­chung der Impf­si­cher­heit auch un­ter dem grund­recht­li­chen As­pekt der Schutz­pflicht des Staa­tes für die Ge­sund­heit des Ein­zel­nen so­wie un­ter dem Ge­sichts­punkt der Für­sor­ge­pflicht des Dienst­herrn recht­lich ge­bo­ten.

78 Da­bei kann die Fra­ge, wel­che Ge­fah­ren von ei­nem Krank­heits­er­re­ger aus­ge­hen und wel­che vor- und nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen von ei­ner Schutz­imp­fung zu er­war­ten sind, nur vor dem Hin­ter­grund des je­weils ak­tu­el­len Stands der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis und mit Blick auf die im je­wei­li­gen Zeit­punkt zur Ver­fü­gung ste­hen­den und zum Ein­satz be­stimm­ten Impf­stof­fe be­ur­teilt wer­den. Im Lau­fe der Zeit kann sich ei­ne an­fäng­lich po­si­ti­ve Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung für ei­nen Impf­stoff än­dern, weil bis­her un­be­kann­te Ne­ben­wir­kun­gen auf­tre­ten oder die Wirk­sam­keit des Impf­stoffs auf­grund ei­ner Mu­ta­ti­on des Er­re­gers nach­lässt. Fer­ner kann die Ent­wick­lung ei­nes ef­fek­ti­ve­ren oder ne­ben­wir­kungs­är­me­ren Impf­stoffs An­lass zu ei­nem Wech­sel des Prä­pa­rats ge­ben. Das Sol­da­ten­ge­setz be­traut in § 10 Abs. 4 i. V. m § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten mit der An­ord­nung und Or­ga­ni­sa­ti­on der dul­dungs­pflich­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men, so­dass ih­nen hin­sicht­lich der Fra­ge, ob bei ei­nem be­stimm­ten Er­re­ger ei­ne Schutz­imp­fung ge­bo­ten ist, ein Ent­schlie­ßungs­er­mes­sen und bei der Aus­wahl der Impf­stof­fe ein Aus­wah­ler­mes­sen zu­kommt.

79 Fer­ner ob­liegt es der mi­li­tä­ri­schen Füh­rung, die von ei­nem Krank­heits­er­re­ger aus­ge­hen­den Ge­fah­ren für die Ge­sund­heit der Sol­da­ten, die vor­aus­sicht­li­che Wirk­sam­keit ei­nes Impf­stoffs und die Ge­fahr von Ne­ben­wir­kun­gen im Rah­men ei­ner Ge­samt­pro­gno­se ein­zu­schät­zen. Da die Bun­des­wehr über ei­ge­ne Bun­des­wehr­kran­ken­häu­ser, wis­sen­schaft­li­che In­sti­tu­te und ei­ne Sa­ni­täts­aka­de­mie ver­fügt, be­sitzt die mi­li­tä­ri­sche Füh­rung auch ei­ne aus­rei­chen­de fach­li­che Ex­per­ti­se bei der durch­aus kom­ple­xen me­di­zi­ni­schen Ein­schät­zung der von ein­zel­nen Krank­heits­er­re­gern aus­ge­hen­den Ge­fah­ren, der Ef­fek­ti­vi­tät von Impf­stof­fen und der Ri­si­ken von Impf­ne­ben­wir­kun­gen. Weil die­se Pro­gno­se­ent­schei­dun­gen nach § 10 Abs. 4 i. V. m § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienst­herrn ob­lie­gen, steht ihm hin­sicht­lich der Ge­fah­ren­la­ge, der Ef­fek­ti­vi­tät der Impf­stof­fe und der von ih­nen aus­ge­hen­den Ri­si­ken ein Pro­gno­se­spiel­raum zu. Das Wehr­dienst­ge­richt kann bei der ge­richt­li­chen Kon­trol­le ei­ner Impf­an­ord­nung nicht sei­ne Ein­schät­zung von der Ge­fähr­lich­keit ei­nes Er­re­gers, von der Ef­fek­ti­vi­tät ei­nes Impf­stoffs oder von des­sen Ri­si­ken zu­grun­de le­gen. Viel­mehr ist die ge­richt­li­che Kon­trol­le dar­auf be­schränkt, die zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt ge­fass­ten oder bei­be­hal­te­nen Impf­an­wei­sun­gen des Dienst­herrn auf Pro­gno­se- und Er­mes­sens­feh­ler zu über­prü­fen.

80 b) Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat bei der Ein­füh­rung der Dul­dungs­pflicht für die Co­vid-19-Schutz­imp­fung die ge­setz­li­chen Gren­zen sei­nes von § 10 Abs. 4 SG er­öff­ne­ten Er­mes­sens nicht über­schrit­ten und ins­be­son­de­re den von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vor­ge­ge­be­nen Hand­lungs­rah­men be­ach­tet. Denn die An­ord­nung die­ser Imp­fung dient der Ver­hü­tung ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit.

81 aa) Von ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit ist - wie aus­ge­führt - im Sol­da­ten­recht in An­leh­nung an das In­fek­ti­ons­schutz­recht (§ 2 Nr. 3 IfSG) und das Ver­fas­sungs­recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) die Re­de, wenn ei­ne Er­kran­kung, das hei­ßt ein be­hand­lungs­be­dürf­ti­ger pa­tho­lo­gi­scher Zu­stand, von un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar auf den Men­schen über­trag­ba­ren Krank­heits­er­re­gern oder de­ren to­xi­schen Pro­duk­ten ver­ur­sacht wird (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 124). Das Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 ist ein Krank­heits­er­re­ger im Sin­ne des § 2 Nr. 1 IfSG, der vor­wie­gend über die Atem­luft (Ae­ro­so­le) von Mensch zu Mensch über­tra­gen wird und bei ei­nem er­heb­li­chen An­teil der Be­trof­fe­nen die Krank­heit Co­vid-19 (co­ro­na­vi­rus di­sea­se 2019) ver­ur­sacht. Die an ihr Er­krank­ten müs­sen in ei­ner nicht ge­rin­gen An­zahl von Fäl­len sta­tio­när und auch in­ten­siv­me­di­zi­nisch be­han­delt wer­den; die Krank­heit kann trotz Be­hand­lung zum To­de füh­ren. Ei­ne In­fek­ti­on kann zu­dem er­heb­li­che lang­fris­ti­ge Lei­den ("Long-Co­vid") nach sich zie­hen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 126). Nach Er­kennt­nis­sen des Bun­des­amts für Sta­tis­tik hat Co­vid-19 in den Jah­ren 2020 und 2021 zu ei­ner er­heb­li­chen Über­sterb­lich­keit, das hei­ßt zu ei­ner Zu­nah­me der Ster­be­ra­te um 3 % be­zie­hungs­wei­se 4 % über das de­mo­gra­fisch zu er­war­ten­de Maß, ge­führt (vgl. www.​des​tati​s.​de, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 014 vom 11. Ja­nu­ar 2022).

82 bb) Die Co­vid-19-Schutz­imp­fung stellt auch ei­ne Maß­nah­me zur Ver­hü­tung die­ser Krank­heit dar. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen Ver­hü­tungs- und Be­kämp­fungs­maß­nah­men in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ori­en­tiert sich an der Sys­te­ma­tik des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes, das in sei­nem vier­ten Ab­schnitt die Maß­nah­men der Ver­hü­tung (§§ 16 ff. IfSG) und im fünf­ten Ab­schnitt die Maß­nah­men der Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten (§§ 24 ff. IfSG) re­gelt. Eben­so wie im frü­he­ren Bun­des­seu­chen­ge­setz die­nen Ver­hü­tungs­maß­nah­men der Vor­beu­gung und der Ver­hin­de­rung des Auf­tre­tens ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit, wäh­rend Be­kämp­fungs­maß­nah­men die Ver­brei­tung ei­ner be­reits auf­ge­tre­te­nen In­fek­ti­ons­krank­heit ein­däm­men oder un­ter­bin­den sol­len (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 1971 - 1 C 60.67 - BVer­w­GE 39, 190 <192 f.>; LG Han­no­ver, Ur­teil vom 9. Ju­li 2020 - 8 O 2/20 - NJW-RR 2020, 1226 Rn. 28; Mers, in: Kie­ß­ling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 2). Schutz­imp­fun­gen sind in § 20 IfSG und da­mit im Ab­schnitt über die Ver­hü­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten un­ter­ge­bracht. Ih­re Ein­ord­nung als Ver­hü­tungs­maß­nah­me bleibt - wie § 20 Abs. 2a IfSG zeigt - auch dann be­stehen, wenn die mit ei­ner Schutz­imp­fung ver­bun­de­ne in­di­vi­du­el­le Pro­phy­la­xe ge­gen das Co­ro­na­vi­rus zu­gleich der Ein­däm­mung der Co­vid-19-Pan­de­mie dient.

83 So­weit die Impf­stof­fe ge­gen das Co­ro­na­vi­rus schon nach den Her­stel­ler­an­ga­ben kei­nen 100%igen Schutz vor In­fek­tio­nen ge­wäh­ren, än­dert dies am Cha­rak­ter der Schutz­imp­fung als Ver­hü­tungs­maß­nah­me nichts. Denn es ist we­der nach dem Wort­laut noch nach dem Zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwin­gend, ei­ne Maß­nah­me nur dann als Ver­hü­tungs­maß­nah­me an­zu­se­hen, wenn sie ei­nen voll­stän­di­gen Schutz ge­währt. Viel­mehr fal­len dar­un­ter auch we­ni­ger ef­fek­ti­ve vor­beu­gen­de Maß­nah­men. Auch die von § 20 Abs. 2a IfSG für ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung vor­ge­ge­be­nen Impf­zie­le las­sen ei­ne Emp­feh­lung nicht nur bei voll­stän­di­ger Un­ter­bin­dung der Trans­mis­si­on, son­dern auch bei der Re­duk­ti­on schwe­rer oder töd­li­cher Krank­heits­ver­läu­fe zu.

84 cc) Die Co­vid-19-Schutz­imp­fung soll schlie­ß­lich nach der kla­ren Re­ge­lung in Nr. 208 ZDv A-840/8 durch den Arzt ver­ab­reicht wer­den. Dies ent­spricht § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, der nur ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men zu­lässt. Ent­schei­dend ist da­bei die vom me­di­zi­ni­schen Sach­ver­stand des Arz­tes ge­tra­ge­ne Kon­trol­le des Impf­vor­gangs, die den Sol­da­ten vor Feh­lern in der Impf­stoff­aus­wahl und -do­sie­rung be­wah­ren soll. Die­se Kon­trol­le kann auch ge­währ­leis­tet sein, wenn der Arzt die Impf­do­sis nicht selbst ver­ab­reicht, son­dern dies an­ord­net (vgl. BT-Drs. 19/9491 S. 104). So­weit der An­trag­stel­ler meint, auf­grund der von ihm an­ge­nom­me­nen Ge­fähr­lich­keit und Schäd­lich­keit der Impf­stof­fe kön­ne die Ver­ab­rei­chung der Co­vid-19-Imp­fung nie ei­ne ärzt­li­che Maß­nah­me sein, ver­kennt er den Re­ge­lungs­ge­halt der Vor­schrift, die nur die Durch­füh­rung der Maß­nah­me re­gelt und nicht de­ren Ge­gen­stand.

85 dd) Die Co­vid-19-Imp­fung "dient" schlie­ß­lich auch der Ver­hü­tung ei­ner Er­kran­kung. Dies folgt dar­aus, dass § 20 Abs. 2a IfSG die Imp­fung als mög­li­che Pro­phy­la­x­e­maß­nah­me nennt. Die auf Emp­feh­lung der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel-Agen­tur (Eu­rope­an Me­di­ci­nes Agen­cy - EMA) zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe sind auf ih­re Wirk­sam­keit ge­gen das Vi­rus SARS-CoV-2 be­reits bei der Zu­las­sung ge­prüft wor­den und sind da­her da­zu be­stimmt, ei­nen Bei­trag zur Vor­beu­gung ge­gen die Er­kran­kung an Co­vid-19 zu er­brin­gen. Dass die­se Schutz­imp­fung auch ob­jek­tiv be­trach­tet ei­nen Bei­trag zur Co­vid-19-Pro­phy­la­xe er­brin­gen kann, steht - wie un­ten nä­her aus­ge­führt wird - auch zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest.

86 c) Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in den Ka­ta­log der ver­pflich­tend durch­zu­füh­ren­den Ba­si­s­imp­fun­gen ist ei­ne Er­mes­sens­ent­schei­dung, die dem Zweck der Er­mäch­ti­gung ent­spricht (§ 40 VwVfG). Sie dient dem Norm­zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, die ge­sund­heit­li­che Ein­satz­be­reit­schaft der Sol­da­ten zu er­hal­ten. Die Ba­si­s­imp­fun­gen sind nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 für al­le mi­li­tä­ri­schen Kräf­te vor­ge­schrie­ben, die im In­land im Rah­men der Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­schutz­auf­ga­ben der Bun­des­wehr (Art. 35 GG) zum Ein­satz kom­men. Durch die Ori­en­tie­rung an den "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­kräf­te(n) In­land" bringt die All­ge­mei­ne Re­ge­lung zum Aus­druck, dass der Dienst­herr die Ba­si­s­imp­fun­gen für al­le Sol­da­ten und Sol­da­tin­nen für er­for­der­lich hält, de­ren Ein­satz­ort das In­land ist und die ge­gen­wär­tig auch für Amts­hil­fe und Ka­ta­stro­phen­schutz­ein­sät­ze be­reit­ste­hen. Dass die Haupt­auf­ga­be der Streit­kräf­te ge­mäß Art. 87a Abs. 2 GG die Lan­des­ver­tei­di­gung ist und dass die Bun­des­wehr nach Art. 87a Abs. 4 i. V. m. Art. 91 Abs. 2 GG un­ter en­gen Vor­aus­set­zun­gen auch zur Ver­stär­kung der Po­li­zei­kräf­te ein­ge­setzt wer­den kann, bleibt da­bei nicht un­be­rück­sich­tigt. Viel­mehr wird le­dig­lich aus­ge­drückt, dass die Ba­si­s­imp­fun­gen dem Zweck die­nen, die Ein­satz­be­reit­schaft für al­le - auch zi­vi­le - Ver­wen­dun­gen der Bun­des­wehr im In­land si­cher­zu­stel­len.

87 d) Der Dienst­herr konn­te bei der Ein­fü­gung der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen im No­vem­ber 2021 auch da­von aus­ge­hen, dass sie dem Zweck der Ge­sund­erhal­tung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten und der Er­hal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft der In­lands­kräf­te die­nen wür­de. Für die An­nah­me ei­nes sol­chen Nut­zens ei­ner Imp­fung ist es nicht er­for­der­lich, dass auf­grund ei­nes über­trag­ba­ren Krank­heits­er­re­gers be­reits kon­kret ei­ne Epi­de­mie im Ein­satz­ge­biet der Streit­kräf­te droht oder dass die Ein­satz­be­reit­schaft be­stimm­ter Ver­bän­de der Bun­des­wehr akut ge­fähr­det ist. Viel­mehr ge­nügt ei­ne all­ge­mei­ne Ge­fah­ren­la­ge im Ein­satz­ge­biet, um vor dem Hin­ter­grund der Ge­sund­erhal­tungs­pflicht je­des ein­zel­nen Sol­da­ten ei­ne vor­beu­gen­de Schutz­imp­fung als an­ge­zeigt er­schei­nen zu las­sen. Fin­det et­wa ein Aus­lands­ein­satz in ei­nem afri­ka­ni­schen Land statt, in dem im­mer wie­der Ma­la­ria-Er­kran­kun­gen auf­tre­ten, dann ge­nügt die­ses all­ge­mei­ne Ge­fah­ren­wis­sen, um ei­ne Imp­fung als vor­beu­gen­de In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­me für er­for­der­lich zu hal­ten, oh­ne dass es auf den Nach­weis ei­nes ak­tu­el­len Ma­la­ria-Aus­bruchs am kon­kre­ten Ein­satz­ort an­kä­me.

88 aa) Im No­vem­ber 2021 lag nicht nur ei­ne sol­che all­ge­mei­ne, son­dern ei­ne kon­kre­te Ge­fahr im In­land vor. Sie hat­te be­reits über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum be­stan­den. Nach­dem das SARS-CoV-2-Vi­rus im Ja­nu­ar 2020 erst­mals in Deutsch­land nach­ge­wie­sen wur­de, ver­brei­te­te es sich rasch. Be­reits am 25. März 2020 stell­te der Deut­sche Bun­des­tag ei­ne epi­de­mi­sche La­ge von na­tio­na­ler Trag­wei­te fest (BT-Prot. 19/154 S. 19191). Par­al­lel zu die­ser mehr­fach ver­län­ger­ten Fest­stel­lung wur­den durch Bund und Län­der zahl­rei­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men er­las­sen, ins­be­son­de­re Ab­stands­ge­bo­te, Mas­ken­pflich­ten, Aus­gangs­be­schrän­kun­gen, Gas­tro­no­mie­schlie­ßun­gen, Be­her­ber­gungs­ver­bo­te, Schul­schlie­ßun­gen und Rei­se­ver­bo­te. Auch nach Zu­las­sung von meh­re­ren Impf­stof­fen ge­gen Co­vid-19 im Win­ter 2020/2021 führ­te die auf Frei­wil­lig­keit ba­sie­ren­de Durch­füh­rung von Schutz­imp­fun­gen zu kei­ner end­gül­ti­gen Ein­däm­mung der Pan­de­mie.

89 Viel­mehr kam es im Herbst 2021 zu ei­ner vier­ten In­fek­ti­ons­wel­le, in der die Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus vor­herrsch­te. Sie sorg­te für ei­nen er­neu­ten An­stieg der In­fek­ti­ons­zah­len. Im No­vem­ber/De­zem­ber 2021 war die La­ge nach Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts sehr be­sorg­nis­er­re­gend und ließ ei­ne wei­te­re Zu­nah­me schwe­rer Er­kran­kun­gen und To­des­fäl­le er­war­ten, was das In­sti­tut in sei­nen im In­ter­net ver­öf­fent­lich­ten Wö­chent­li­chen La­ge­be­rich­ten zur Co­ro­na­vi­rus-Krank­heit-2019 (Co­vid-19) vom 2., 9. und 16. De­zem­ber 2021 für die Ka­len­der­wo­chen 47 (22. bis 28. No­vem­ber), 48 (29. No­vem­ber bis 5. De­zem­ber) und 49 (6. bis 12. De­zem­ber) zu­sam­men­ge­fasst und sta­tis­tisch un­ter­legt hat. Da­nach wa­ren die In­fek­ti­ons­zah­len wie­der deut­lich an­ge­stie­gen und be­tru­gen in al­len drei Ka­len­der­wo­chen über 400 In­fek­tio­nen pro 100 000 Ein­woh­ner. Die­se sich ver­schär­fen­de La­ge mach­te sich auch bei der wach­sen­den An­zahl schwe­rer Er­kran­kungs- und To­des­fäl­le be­merk­bar (vgl. da­zu BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 158 m. w. N.). Vor die­sem Hin­ter­grund war auch die Ein­schät­zung des Dienst­herrn ge­recht­fer­tigt, dass die pan­de­mi­sche Be­dro­hung im No­vem­ber 2021 fort­be­stand und dass im Hin­blick auf die Ge­sund­erhal­tung der Sol­da­ten und die Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr Hand­lungs­be­darf be­stand. Ob ei­ne Über­las­tung des Ge­sund­heits­we­sens und der Kran­ken­häu­ser un­mit­tel­bar be­vor­stand, ist hier­für nicht ma­ß­geb­lich. Da­her kommt es auf die vom Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Tom Lau­sen hier­zu vor­ge­leg­ten Da­ten nicht an.

90 bb) Der Dienst­herr durf­te da­bei auf die Be­last­bar­keit des vom Ro­bert-Koch-In­sti­tut und der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on er­ho­be­nen und be­wer­te­ten Da­ten­ma­te­ri­als ver­trau­en. Bei­de ver­fü­gen hier­für über die not­wen­di­gen per­so­nel­len und sach­li­chen Res­sour­cen, sind in ih­ren Be­ur­tei­lun­gen un­ab­hän­gig und in­ter­na­tio­nal ver­netzt. Bei dem Ro­bert-Koch-In­sti­tut (RKI) han­delt es sich um das Bun­des­in­sti­tut für In­fek­ti­ons­krank­hei­ten und nicht über­trag­ba­re Krank­hei­ten. Zu sei­nen wich­tigs­ten Ar­beits­be­rei­chen ge­hö­ren die Be­kämp­fung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten und die Ana­ly­se lang­fris­ti­ger ge­sund­heit­li­cher Trends in der Be­völ­ke­rung. Die dort tä­ti­gen Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler er­for­schen die viel­schich­ti­gen Ein­flüs­se auf Ge­sund­heit und Krank­heit, er­ar­bei­ten und über­prü­fen evi­denz­ba­sier­te Emp­feh­lun­gen und ent­wi­ckeln neue Me­tho­den für den Ge­sund­heits­schutz (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138, 160).

91 Bei der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on (STI­KO) han­delt es sich um ein po­li­tisch und welt­an­schau­lich neu­tra­les, 1972 ge­grün­de­tes Ex­per­ten­gre­mi­um, das beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut im Fach­ge­biet Impf­prä­ven­ti­on an­ge­sie­delt ist und ei­nen op­ti­ma­len Ein­satz ver­füg­ba­ren Impf­stoffs ge­währ­leis­ten soll. Sei­ne Emp­feh­lun­gen gel­ten als me­di­zi­ni­scher Stan­dard (vgl. auch BGH, Be­schluss vom 3. Mai 2017 - XII ZB 157/16 - NJW 2017, 2826 Rn. 25). Die dort eh­ren­amt­lich Tä­ti­gen sind Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten aus un­ter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen der Wis­sen­schaft und For­schung, aus dem Be­reich des öf­fent­li­chen Ge­sund­heits­diens­tes und der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te­schaft. Bei ih­rer Tä­tig­keit sind sie nur ih­rem Ge­wis­sen ver­ant­wort­lich und zur un­par­tei­ischen Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben ver­pflich­tet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Ge­schäfts­ord­nung der STI­KO). Bei ih­rer Auf­ga­ben­er­fül­lung be­nutzt die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on Kri­te­ri­en der evi­denz­ba­sier­ten Me­di­zin, be­zieht ins­be­son­de­re die Be­wer­tun­gen des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zur Si­cher­heit von Impf­stof­fen mit ein und führt ei­ne un­ab­hän­gi­ge epi­de­mio­lo­gi­sche Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung durch. Da­bei hat die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on nicht nur den Nutz­wert ei­ner Imp­fung für die Ein­zel­nen, son­dern auch für die Ge­samt­be­völ­ke­rung im Blick (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 139).

92 Bei den Sit­zun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on nimmt zur Be­rück­sich­ti­gung des As­pekts der Impf­stoff­si­cher­heit stets ein Ver­tre­ter des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts be­ra­tend teil. Das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut (PEI) ist die in Deutsch­land fe­der­füh­rend zu­stän­di­ge Be­hör­de im Zu­sam­men­hang mit der Ent­wick­lung, Zu­las­sung, Be­wer­tung und Über­wa­chung der Qua­li­tät, Wirk­sam­keit und Si­cher­heit von Impf­stof­fen. Ihm ob­liegt ins­be­son­de­re die Er­fas­sung und Aus­wer­tung von imp­fin­du­zier­ten Ri­si­ken und die Ko­or­di­na­ti­on ge­ge­be­nen­falls zu er­grei­fen­der Maß­nah­men. Da­ne­ben ist das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ei­ne For­schungs­ein­rich­tung, um die Ex­per­ti­se zur Impf­stoff­be­ur­tei­lung ein­schlie­ß­lich der Be­ur­tei­lung von in­di­vi­du­ell auf­tre­ten­den un­er­wünsch­ten Impf­re­ak­tio­nen zu bün­deln. Ge­forscht wird un­ter an­de­rem auf den Ge­bie­ten der Im­mu­no­lo­gie, der Vi­ro­lo­gie und der Bak­te­rio­lo­gie. Auf­grund die­ser her­aus­ge­ho­be­nen Stel­lung ist das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut welt­weit ver­netzt und be­rät na­tio­na­le, eu­ro­päi­sche und in­ter­na­tio­na­le Gre­mi­en im Zu­sam­men­hang mit Impf­stof­fen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138).

93 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung konn­te bei sei­ner Ein­schät­zung der Ge­fah­ren­la­ge auf die Ex­per­ti­se des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und bei der Be­ur­tei­lung des Nut­zens ei­ner Co­vid-19-Imp­fung auf die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on zu­rück­grei­fen. De­ren Ein­schät­zun­gen wur­den vom Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr, der über ei­ne ei­ge­ne fach­li­che Ex­per­ti­se ver­fügt, nach Ak­ten­la­ge auf­merk­sam ver­folgt und in­halt­lich ge­teilt. Da­nach be­stand im Herbst 2021 auch für die bei der Bun­des­wehr am stärks­ten ver­tre­te­ne Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-jäh­ri­gen Per­so­nen im "Ein­satz­ge­biet In­land" ei­ne er­heb­li­che Ge­fahr der In­fek­ti­on mit dem SARS-CoV-2-Vi­rus und das Ri­si­ko, in des­sen Fol­ge schwer zu er­kran­ken.

94 cc) Die Ge­fah­ren­la­ge durch das SARS-CoV-2-Vi­rus hat sich zwar ins­ge­samt in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten er­heb­lich ent­spannt. Die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on An­fang Ju­li 2022 ist da­durch ge­prägt, dass mit der Omi­kron-Va­ri­an­te des Co­ro­na­vi­rus ei­ne be­son­ders leicht über­trag­ba­re Vi­rus­va­ri­an­te vor­herrscht; weil die vor­han­de­nen Impf­stof­fe ei­ne In­fek­ti­on mit die­ser Va­ri­an­te nur ein­ge­schränkt hin­dern, gibt es ei­ner­seits mehr Neu­in­fek­tio­nen als frü­her. An­de­rer­seits wer­den ge­gen­wär­tig un­ter der Omi­kron-Va­ri­an­te sel­te­ner als frü­her schwe­re Ver­läu­fe fest­ge­stellt, wes­we­gen trotz der ge­stie­ge­nen Zahl der In­fek­tio­nen bis­lang kei­ne Über­las­tung der Kran­ken­häu­ser auf­ge­tre­ten ist. Dies hat sei­ne Ur­sa­che zum ei­nen dar­in, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te ei­nen im Durch­schnitt mil­de­ren Ver­lauf nimmt. Zum an­de­ren trifft sie auf ei­nen ho­hen Pro­zent­satz von Per­so­nen, die be­reits ge­impft sind oder auf­grund ei­ner vor­an­ge­gan­ge­nen In­fek­ti­on An­ti­kör­per ge­bil­det ha­ben. Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te für un­ge­impf­te Per­so­nen und vul­ne­r­a­ble Grup­pen völ­lig un­ge­fähr­lich ge­wor­den wä­re. Viel­mehr hat sich an der grund­sätz­li­chen Ge­fähr­lich­keit der Co­vid-19-Er­kran­kung nach ak­tu­el­lem Wis­sens­stand nichts ge­än­dert (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 164).

95 dd) So­weit der An­trag­stel­ler im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren aus­ge­führt hat, dass die Er­kran­kung an Co­vid-19 nicht ge­fähr­li­cher sei als ein Schnup­fen und dass ins­be­son­de­re für die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr auf­grund ih­res Al­ters und ih­rer Fit­ness kein nen­nens­wer­tes Ri­si­ko ei­ner schwe­ren Er­kran­kung be­stehe, trifft dies nicht zu. Zum ei­nen sind schwe­re Krank­heits­ver­läu­fe und To­des­fäl­le im ge­sam­ten Ver­lauf der Pan­de­mie auch bei jun­gen Er­wach­se­nen und be­rufs­tä­ti­gen Per­so­nen un­ter 60 Jah­ren auf­ge­tre­ten. Be­trof­fen wa­ren nicht nur äl­te­re Per­so­nen und Men­schen mit spe­zi­el­len Vor­er­kran­kun­gen. Die­se Ein­schät­zung wur­de in der Haupt­ver­hand­lung durch den Sach­ver­stän­di­gen Pri­vat­do­zent Dr. med. Ole Wich­mann, Lei­ter Fach­ge­biet Impf­prä­ven­ti­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut, be­stä­tigt. Un­ter der Omi­kron-Va­ri­an­te sei­en in der Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen zwar we­ni­ger schwe­re Ver­läu­fe als un­ter der Del­ta-Va­ri­an­te zu be­ob­ach­ten. Hos­pi­ta­li­sie­rung sei über­wie­gend in der Al­ters­grup­pe über 60 Jah­re zu be­ob­ach­ten. Das Ri­si­ko ei­nes schwe­ren oder ei­nes töd­li­chen Ver­laufs be­stehe je­doch in ge­rin­gem Ma­ße wei­ter­hin. In der 13. bis 16. Mel­de­wo­che 2022 sei­en bei­spiels­wei­se acht Per­so­nen in die­sem Al­ters­band im Zu­sam­men­hang mit Co­vid-19 ver­stor­ben.

96 Zum an­de­ren sind in der Bun­des­wehr auch äl­te­re Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten be­schäf­tigt so­wie Per­so­nen mit Vor­er­kran­kun­gen, bei de­nen ei­ne er­höh­te Ge­fahr ei­nes ge­fähr­li­chen Ver­laufs der Co­vid-19-Er­kran­kung be­steht. Dies hat sei­nen Grund dar­in, dass die Al­ters­gren­ze für die meis­ten Stabs­of­fi­zie­re über dem 60. Le­bens­jahr liegt und dass et­li­che Sol­da­ten im Lau­fe ih­res Be­rufs­le­bens trotz Dienst­sport und Ge­sund­erhal­tungs­be­mü­hun­gen er­kran­ken und da­nach ein ri­si­ko­er­hö­hen­des Grund­lei­den (z. B. Dia­be­tes, Er­kran­kun­gen des At­mungs­sys­tems, Herz­kreis­lauf­er­kran­kun­gen, chro­nisch-ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen, chro­ni­sche Le­ber- oder Nie­ren­er­kran­kun­gen) be­sit­zen. Fer­ner gibt es auch in der Bun­des­wehr Sol­da­ten mit er­höh­ten Ri­si­ken auf­grund Rau­chens oder Über­ge­wichts (Adi­po­si­tas).

97 Nicht zu­letzt be­steht für die Sol­da­ten al­ler Al­ters­grup­pen die Ge­fahr, nach ei­nem mil­den oder sym­ptom­lo­sen Ver­lauf ei­ner SARS-CoV-2-In­fek­ti­on an Long-Co­vid be­zie­hungs­wei­se Post-Co­vid zu er­kran­ken. Da­bei um­fasst die üb­li­che Klas­si­fi­ka­ti­on un­ter dem Be­griff Long-Co­vid al­le im An­schluss an ei­ne aku­te Co­vid-19-Er­kran­kung vier Wo­chen nach Sym­ptom­be­ginn noch be­stehen­den Sym­pto­me. Als Post-Co­vid-Syn­drom wer­den Be­schwer­den be­zeich­net, die noch mehr als zwölf Wo­chen nach Be­ginn der SARS-CoV-2-In­fek­ti­on vor­han­den sind und nicht an­der­wei­tig er­klärt wer­den kön­nen. Zu den Sym­pto­men des Post-Co­vid-Syn­droms ge­hö­ren un­ter an­de­rem Mü­dig­keit, Kurz­at­mig­keit, Mus­kel­schwä­che oder ei­ne Ein­schrän­kung der geis­ti­gen Leis­tungs­fä­hig­keit (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand: 26. No­vem­ber 2021). Bis­he­ri­ge Stu­di­en le­gen na­he, dass die Zahl der von ei­nem "Post-Co­vid-Syn­drom" be­trof­fe­nen Per­so­nen in der für den Sol­da­ten­be­ruf ty­pi­schen Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen ge­mes­sen an ih­rer Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­te deut­lich er­höht ist und nicht nur Ri­si­ko­grup­pen be­trifft. Der Lei­ter der Long-Co­vid-Sta­ti­on des Bun­des­wehr­kran­ken­hau­ses Ulm Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung über Fäl­le be­trof­fe­ner Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten be­rich­tet und im Schrei­ben des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 22. Mai 2022 vor­ge­tra­gen, dass hier­von über­wie­gend un­ge­impf­te Pa­ti­en­ten be­trof­fen sei­en.

98 Ins­ge­samt konn­te und kann der Dienst­herr so­mit von ei­ner nicht nur abs­trak­ten, son­dern kon­kre­ten ge­sund­heit­li­chen Ge­fah­ren­la­ge durch das SARS-CoV-2-Vi­rus für die Sol­da­ten der Bun­des­wehr aus­ge­hen.

99 5. Der Dienst­herr konn­te und kann die Co­vid-19-Schutz­imp­fung auch als ver­hält­nis­mä­ßi­ge Maß­nah­me zur Auf­recht­erhal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft der Streit­kräf­te und zum Schutz der Grund­rech­te an­de­rer an­se­hen.

100 a) Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen war und ist ge­eig­net, den Ge­set­zes­zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu er­rei­chen. Die dies­be­züg­li­chen An­nah­men und Pro­gno­sen des Dienst­herrn be­ru­hen auf hin­rei­chend trag­fä­hi­gen Grund­la­gen.

101 aa) Der Dienst­herr konn­te im No­vem­ber 2021 zum Zeit­punkt der Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" da­von aus­ge­hen, dass ei­ne Imp­fung zum Schutz der Ge­sund­heit der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei­trägt und da­mit auch die Ein­satz­be­reit­schaft der Streit­kräf­te si­chert. Die da­mals zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe bo­ten nach Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts bei In­fek­tio­nen mit der Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus ei­ne sehr ho­he Wirk­sam­keit von et­wa 90 % ge­gen ei­ne schwe­re In­fek­ti­on (z. B. Be­hand­lung im Kran­ken­haus) und ei­ne gu­te Wirk­sam­keit von et­wa 75 % ge­gen ei­ne sym­pto­ma­ti­sche Co­vid-19-In­fek­ti­on (vgl. www.​rki.​de/​Sha​redD​ocs/​FAQ/​COVID-​Impfen/​gesamt.​html und RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt vom 27. Ja­nu­ar 2022, S. 28 f. mit Auf­schlüs­se­lung nach Al­ters­grup­pen). Im No­vem­ber 2021 ging ei­ne deut­li­che fach­wis­sen­schaft­li­che Mehr­heit da­von aus, dass sich ge­impf­te und ge­ne­se­ne Per­so­nen sel­te­ner mit dem Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 in­fi­zie­ren und auch das Vi­rus sel­te­ner über­tra­gen kön­nen als nicht ge­impf­te oder nicht ge­ne­se­ne Per­so­nen. An­ge­nom­men wur­de auch, dass dann, wenn sich Ge­impf­te in­fi­zie­ren, sie we­ni­ger und nur für ei­nen kür­ze­ren Zeit­raum als nicht Ge­impf­te in­fek­ti­ös sind und ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung zum Schutz an­de­rer bei­trägt (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 173 m. w. N.).

102 Im Rah­men der Eig­nungs­pro­gno­se muss­te der Dienst­herr auch nicht von der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen Ab­stand neh­men, weil die Wirk­sam­keit der Imp­fung ge­gen die im No­vem­ber 2021 noch neu­ar­ti­ge Omi­kron-Va­ri­an­te un­si­cher war. Er durf­te be­rück­sich­ti­gen, dass da­mals die Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus mehr als 99 % sämt­li­cher Neu­in­fek­tio­nen aus­mach­te und das wei­te­re In­fek­ti­ons­ge­sche­hen zu­min­dest noch für ei­nen ge­wis­sen Zeit­raum prä­gen wür­de. Au­ßer­dem konn­te er auf Grund­la­ge der da­mals ver­füg­ba­ren wis­sen­schaft­li­chen Da­ten von ei­ner je­den­falls nach ei­ner Auf­fri­schimp­fung gu­ten Wirk­sam­keit der ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe auch ge­gen die Omi­kron-Va­ri­an­te des Vi­rus aus­ge­hen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 174 m. w. N.).

103 bb) Der Dienst­herr kann auch da­von aus­ge­hen, dass die Eig­nung der mRNA-Impf­stof­fe über den Win­ter 2021/2022 hin­aus bis heu­te er­hal­ten ge­blie­ben ist. Das Ro­bert-Koch-In­sti­tut geht da­von aus, dass die ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe auch un­ter der Do­mi­nanz der Omi­kron-Va­ri­an­te für voll­stän­dig ge­impf­te Per­so­nen al­ler Al­ters­grup­pen - ins­be­son­de­re nach ei­ner Auf­fri­schimp­fung - wei­ter­hin ei­nen sehr gu­ten Schutz ge­gen­über ei­ner schwe­ren Co­vid-19-Er­kran­kung ver­mit­teln (RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt vom 30. Ju­ni 2022, S. 4). Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on emp­fiehlt eben­falls seit dem Herbst 2021 ei­ne Auf­fri­schimp­fung (Boos­ter-Imp­fung) mit ei­nem mRNA-Impf­stoff für al­le Er­wach­se­nen, wo­bei für un­ter 30-Jäh­ri­ge nur Co­mirna­ty und für ab 30-Jäh­ri­ge auch Spik­e­vax be­für­wor­tet wird (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 48/2021 vom 2. De­zem­ber 2021, S. 3 ff.).

104 Für die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Drei­fach-Imp­fung ge­gen­über der Omi­kron-Va­ri­an­te spricht die vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung zi­tier­te Stu­die aus Is­ra­el. Der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Wich­mann hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 be­stä­tigt, dass der Schutz vor schwe­ren In­fek­tio­nen nach ei­ner Boos­ter-Imp­fung sta­bil hoch bleibt. Ein sol­cher Schutz lie­ge bei zehn und mehr Wo­chen noch bei 88 %. In der Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen lie­ge der Schutz vor ei­ner Hos­pi­ta­li­sie­rung nach 100 Ta­gen bei 76 %. Ei­ne ge­naue­re Ab­schät­zung zu den Lang­zeit­wir­kun­gen der Imp­fung un­ter der Omi­kron-Va­ri­an­te sei der­zeit noch nicht mög­lich. Auch aus dem Co­vid-19-La­ge­be­richt des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts vom 28. April 2022 geht her­vor, dass die ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe wei­ter­hin ei­ne er­heb­li­che Wirk­sam­keit in Be­zug auf den Krank­heits­ver­lauf ha­ben. Da­nach lag die Impf­ef­fek­ti­vi­tät ge­gen­über ei­ner Hos­pi­ta­li­sie­rung bei 18- bis 59-Jäh­ri­gen nach län­ge­ren Zeit­in­ter­val­len im Fal­le der Boos­ter-Imp­fung bei 61 % (RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt vom 28. April 2022, S. 28 f.).

105 Der Sach­ver­stän­di­ge hat auch die Aus­füh­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel im Schrei­ben des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 22. Mai 2022 be­stä­tigt, dass die Co­vid-19-Imp­fung nach dem der­zei­ti­gen Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis auch ei­nen ge­wis­sen Schutz vor dem Post-Co­vid-Syn­drom bie­tet. Ers­te For­schungs­er­geb­nis­se der Long-Co­vid-Am­bu­lanz des Bun­des­wehr­kran­ken­hau­ses Ulm las­sen eben­so wie wis­sen­schaft­li­che Ar­bei­ten aus an­de­ren Län­dern den Schluss zu, dass die Co­vid-19-Schutz­imp­fung die Prä­va­lenz, Dau­er und Schwe­re von Long-Co­vid si­gni­fi­kant re­du­ziert. Da die all­ge­mei­ne Er­for­schung die­ser neu­ar­ti­gen Er­kran­kung aber noch nicht sehr weit fort­ge­schrit­ten ist, ist dies ei­ne ver­tret­ba­re, aber wis­sen­schaft­lich noch nicht voll­stän­dig ge­si­cher­te Pro­gno­se.

106 Auch die An­nah­me des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung, dass die Co­vid-19-Imp­fung ge­gen­über ei­ner In­fek­ti­on mit der Omi­kron-Va­ri­an­te noch ei­nen re­le­van­ten Schutz ver­mit­telt, ist epi­de­mio­lo­gisch gut ver­tret­bar. Das Ro­bert-Koch-In­sti­tut hat im Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­ge­führt, nach sei­nen Schät­zun­gen lie­ge der Schutz vor ei­ner Co­vid-19-In­fek­ti­on zehn Wo­chen nach der Boos­ter-Imp­fung noch bei 50 bis 60 %. Das Helm­holtz-Zen­trum für In­fek­ti­ons­for­schung ist von ei­nem Wert von 40 bis 70 % aus­ge­gan­gen (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 und ju­ris Rn. 51). Auch wenn der Schutz vor ei­ner In­fek­ti­on nach ei­ni­ger Zeit nach­lässt, kann und muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die durch das Impf­se­rum aus­ge­lös­te An­ti­kör­per-Bil­dung noch ei­nen re­le­van­ten Bei­trag zur In­fek­ti­ons­ver­hin­de­rung leis­tet (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 f.).

107 Dass da­mit auch ei­ne Re­duk­ti­on des Trans­mis­si­ons­ri­si­kos un­ter drei­fach-ge­impf­ten Per­so­nen ver­bun­den ist, ist gleich­falls - auch bei Be­rück­sich­ti­gung wis­sen­schaft­li­cher Be­wer­tungs­un­si­cher­hei­ten - ei­ne ver­tret­ba­re Pro­gno­se. Die hier­zu vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung vor­ge­leg­te Dar­stel­lung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Mai 2022 mit ei­ner be­haup­te­ten Re­duk­ti­on des Über­tra­gungs­ri­si­kos von 77 % im Ver­gleich zu Un­ge­impf­ten ist von dem Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann zwar in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 nicht be­stä­tigt wor­den. Er hat je­doch un­ter Ver­weis auf Haus­halts­stu­di­en aus Nor­we­gen und Dä­ne­mark aus­ge­führt, dass nach drei bis vier Mo­na­ten ein Trans­mis­si­ons­schutz be­stehe, der sich bei 20 bis 40 % be­we­ge. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on be­grün­det ih­re Impf­emp­feh­lung eben­falls mit der da­mit ver­bun­de­nen Re­du­zie­rung der Trans­mis­si­on (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 4 f.). Die­sem As­pekt hat auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht Be­deu­tung bei­ge­mes­sen (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 185).

108 b) Der Dienst­herr konn­te die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen auch als er­for­der­li­che Maß­nah­me an­se­hen. Ihm stan­den und ste­hen kei­ne gleich wirk­sa­men und we­ni­ger be­las­ten­den Mit­tel zur Ver­fü­gung.

109 aa) Ins­be­son­de­re sind rei­ne Ver­hal­tens­re­geln, wie et­wa das Ab­stand­hal­ten, das Tra­gen ei­ner (me­di­zi­ni­schen) Schutz­mas­ke, die Ein­hal­tung von Hy­gie­ne­re­geln, re­gel­mä­ßi­ges Lüf­ten oder das Ein­set­zen ei­nes Luft­fil­ters, nicht gleich wirk­sam (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 197). Die kon­se­quen­te Ein­hal­tung die­ser Re­geln ist zum ei­nen nur schwer zu ge­währ­leis­ten. Zum an­de­ren kann da­durch nur das In­fek­ti­ons- und Trans­mis­si­ons­ri­si­ko re­du­ziert wer­den. Im Fall ei­ner Er­kran­kung än­dern die­se Maß­nah­men aber an der Schwe­re des Ver­laufs nichts. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat da­her zu­tref­fend aus­ge­führt, dass es sich bei die­sen vor­beu­gen­den Maß­nah­men nur um kom­ple­men­tä­re, nicht aber um al­ter­na­ti­ve Schutz­maß­nah­men han­delt.

110 Auch die Ver­pflich­tung, sich vor Dienst­an­tritt zu tes­ten, stellt kein gleich ef­fek­ti­ves Mit­tel dar, um den Zweck von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu er­rei­chen. Für die Bun­des­wehr als Ar­beit­ge­ber ist zwar die aus­rei­chen­de Be­schaf­fung von An­ti­gen-Schnell­tests mög­lich und wirt­schaft­lich zu­mut­bar. Selbst durch­ge­führ­te An­ti­gen­tests ber­gen al­ler­dings das Ri­si­ko ei­ner be­wuss­ten oder un­be­wusst feh­ler­haf­ten An­wen­dung und sind ins­be­son­de­re bei ge­rin­ger Vi­rus­last im Früh­sta­di­um ei­ner In­fek­ti­on feh­ler­an­fäl­lig (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 193 m. w. N.). PCR-Tests bie­ten zwar ei­nen zu­ver­läs­si­ge­ren Nach­weis, ste­hen aber we­gen man­geln­der Test­ka­pa­zi­tä­ten nicht für das ge­sam­te Bun­des­wehr­per­so­nal täg­lich zur Ver­fü­gung. Im Üb­ri­gen stel­len sie an­ge­sichts des ho­hen zeit­li­chen, or­ga­ni­sa­to­ri­schen und kos­ten­mä­ßi­gen Auf­wands kei­ne rea­lis­ti­sche Al­ter­na­ti­ve dar (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 194 ff.). Je­den­falls kann auch die­se Form der Co­vid-19-Testung vor Dienst­an­tritt nur die Ver­brei­tung der In­fek­ti­on im Dienst ver­hin­dern; ei­ne Re­du­zie­rung des In­fek­ti­ons­ri­si­kos und ei­ne Vor­beu­gung ge­gen schwe­re Krank­heits­ver­läu­fe be­wir­ken die­se Tests nicht, so­dass auch sie nur als ein zu­sätz­li­ches In­stru­ment der In­fek­ti­ons­ver­hü­tung an­zu­se­hen sind.

111 bb) Als gleich­wer­ti­ge Al­ter­na­ti­ve zur Imp­fung kommt die me­di­ka­men­tö­se Co­vid-19-The­ra­pie nach dem der­zei­ti­gen Stand der For­schung eben­falls nicht in Be­tracht. Ent­spre­chen­de The­ra­pi­en ver­spre­chen nach wie vor we­der ei­ne si­che­re Hei­lung nach ei­ner Co­vid-19-In­fek­ti­on noch ei­ne mit der ge­bo­te­nen Ein­deu­tig­keit fest­zu­stel­len­de si­che­re Ver­mei­dung von schwe­ren bis hin zu töd­li­chen Krank­heits­ver­läu­fen. Gleich­zei­tig kön­nen die der­zei­ti­gen The­ra­pi­en nicht das Trans­mis­si­ons­ri­si­ko sen­ken (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021 Nr. 14; BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 198). Das gilt auch für das mitt­ler­wei­le zu­ge­las­se­ne Me­di­ka­ment Paxlo­vid und erst recht für nicht­zu­ge­las­se­ne Mit­tel wie zum Bei­spiel Chlor­di­oxid­lö­sung oder die an­de­ren vom An­trag­stel­ler vor­ge­schla­ge­nen al­ter­na­ti­ven The­ra­pie­an­sät­ze.

112 Das sei­tens des An­trag­stel­lers ins Spiel ge­brach­te Ein­neh­men von Vit­amin D ist kein gleich ge­eig­ne­tes Mit­tel. Zwar ist ei­ne aus­rei­chen­de Vit­amin-D-Ver­sor­gung wich­tig für ein gut funk­tio­nie­ren­des Im­mun­sys­tem (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021 Nr. 20). Der prä­ven­ti­ve Ef­fekt die­ses Haus­mit­tels ge­gen Co­vid-19 ist je­doch nicht nach­ge­wie­sen. Der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Wich­mann hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu aus­ge­führt, dass die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on al­ter­na­ti­ve Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men durch­aus prü­fe; Er­folg ver­spre­chen­de al­ter­na­tiv-me­di­zi­ni­sche Me­di­ka­men­te prä­ven­ti­ver Art lä­gen der­zeit al­ler­dings nicht vor.

113 cc) Schlie­ß­lich kann auch die Be­schrän­kung der Co­vid-19-Imp­fung auf be­stimm­te Grup­pen von Sol­da­ten oder auf be­stimm­te Sze­na­ri­en nicht als mil­de­res und gleich wirk­sa­mes Mit­tel an­ge­se­hen wer­den. Ei­ne Be­schrän­kung auf äl­te­re und vul­ne­r­a­ble Sol­da­ten wä­re nicht gleich ef­fek­tiv. Zum ei­nen ha­ben auch jün­ge­re und ge­sun­de Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten oh­ne Imp­fung ein hö­he­res Ri­si­ko ei­ner schwe­ren Er­kran­kung. Zum an­de­ren wür­de bei ei­ner Imp­fung nur we­ni­ger Sol­da­ten ei­ne er­höh­te In­fek­ti­ons- und Trans­mis­si­ons­ge­fahr be­stehen, die ei­ne Er­hö­hung der Aus­fall­zei­ten im Be­reich der ge­sam­ten Bun­des­wehr nach sich zie­hen wür­de. Mit ei­ner Be­schrän­kung der Imp­fung auf be­stimm­te Be­rei­che oder Ein­sät­ze - wie den Sa­ni­täts­dienst oder bei Aus­lands­ein­sät­zen - wä­re der­sel­be Nach­teil ver­bun­den.

114 Kei­ne gleich ef­fek­ti­ve Op­ti­on wä­re es auch, die Imp­fung von ei­ner vor­he­ri­gen Be­stim­mung der im Blut der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten vor­han­de­nen An­ti­kör­per ab­hän­gig zu ma­chen. Denn es gibt kei­ne wis­sen­schaft­lich klar de­fi­nier­te Men­ge an An­ti­kör­pern, ab der ein aus­rei­chen­der Schutz auch oh­ne Imp­fung vor­han­den ist (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021 Nr. 18). Au­ßer­dem wür­de ei­ne lau­fen­de Über­prü­fung der An­ti­kör­per-Ti­ter bei ca. 180 000 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ei­nen un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Auf­wand ver­ur­sa­chen.

115 c) Schlie­ß­lich konn­te und kann das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen auch als an­ge­mes­se­ne Maß­nah­me an­se­hen. Die An­ge­mes­sen­heit und da­mit die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit im en­ge­ren Sin­ne er­for­dern, dass der mit der Maß­nah­me ver­folg­te Zweck und die zu er­war­ten­de Zwecker­rei­chung nicht au­ßer Ver­hält­nis zu der Schwe­re des Ein­griffs ste­hen (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - BVerf­GE 155, 119 <178>).

116 aa) Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen ak­tua­li­siert und er­wei­tert die ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Ein­grif­fe in die Grund­rech­te der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Der da­mit ver­bun­de­ne zu­sätz­li­che Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit ist al­ler­dings durch die ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung der Ge­sund­erhal­tung als ei­ne das Be­rufs­bild der Sol­da­ten prä­gen­de Dienst­pflicht weit­ge­hend vor­ge­zeich­net. Die mit ei­ner wei­te­ren Imp­fung für die Aus­übung des Sol­da­ten­be­rufs ver­bun­de­ne Be­las­tung wiegt für sich ge­nom­men nicht be­son­ders schwer. Bei der Be­ur­tei­lung der Schwe­re des Ein­griffs ist al­ler­dings zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Ver­wei­ge­rung der Co­vid-19-Imp­fung schwer­wie­gen­de be­ruf­li­che Kon­se­quen­zen hat. Kommt es zu in­fek­ti­ons­be­ding­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen der Dienst- und Er­werbs­fä­hig­keit er­wach­sen nach § 17a Abs. 4 Satz 1 SG aus der feh­len­den Teil­nah­me an der Schutz­imp­fung er­heb­li­che ver­sor­gungs­recht­li­che Nach­tei­le. Die Ein­griffs­tie­fe er­höht sich wei­ter da­durch, dass ei­ne Ver­wei­ge­rung der Imp­fung ei­ne Dienst­pflicht­ver­let­zung dar­stellt, die - wie aus­ge­führt - dienst­recht­li­che Kon­se­quen­zen in Form ei­nes Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens nach sich zieht und im Ex­trem­fall auch zur Ent­fer­nung aus dem Dienst füh­ren kann.

117 bb) Der Ein­griff in das kör­per­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht führt da­zu, dass der ein­zel­ne Sol­dat die Frei­heit ver­liert, selbst ei­ne Ab­wä­gung zwi­schen den mit ei­ner Co­vid-19-In­fek­ti­on ver­bun­de­nen Ge­fah­ren ei­ner­seits und den Chan­cen und Ri­si­ken ei­ner Schutz­imp­fung an­de­rer­seits zu tref­fen. Die­ser Ein­griff in die Ent­schei­dungs­au­to­no­mie ist zwar eben­falls ge­setz­lich vor­ge­zeich­net, weil § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­ra­de ei­ne Ver­la­ge­rung der Ent­schei­dung über Nut­zen und Ri­si­ken von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men auf die mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten vor­nimmt, um durch ein ein­heit­li­ches Vor­ge­hen ei­ne in­fek­ti­ons­be­ding­te Schwä­chung der Ein­satz­fä­hig­keit der Sol­da­ten und ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­de zu ver­hin­dern.

118 Bei der Ge­wich­tung der Schwe­re des Ein­griffs ei­ner zu­sätz­li­chen Imp­fung ist al­ler­dings vor­ran­gig das von Art. 2 Abs. 2 GG ge­schütz­te kör­per­li­che In­te­gri­täts­in­ter­es­se in den Blick zu neh­men. Der Dienst­herr muss bei der Auf­nah­me ei­ner neu­en Imp­fung in die Lis­te der ver­pflich­ten­den Schutz­imp­fun­gen die dro­hen­den ge­sund­heit­li­chen Be­las­tun­gen über­prü­fen. Je hö­her die mit ei­ner Imp­fung ver­bun­de­nen Ge­sund­heits­ri­si­ken sind und je ge­rin­ger der Mehr­wert ei­ner Imp­fung für die mi­li­tä­ri­sche Ein­satz­be­reit­schaft ist, des­to eher ist ei­ne Schutz­imp­fung un­an­ge­mes­sen.

119 Im vor­lie­gen­den Fall konn­te der Dienst­herr da­von aus­ge­hen, dass die mit ei­ner mRNA-Imp­fung ver­bun­de­nen ty­pi­schen Impf­re­ak­tio­nen nicht schwer­wie­gend sind. Sie sind auf die Im­mun­ant­wort des Kör­pers auf die Ver­ab­rei­chung des Impf­stof­fes zu­rück­zu­füh­ren. Zwar klin­gen die­se nach re­la­tiv kur­zer Zeit voll­stän­dig ab. Dies lässt aber die mit der Im­mun­ant­wort nicht sel­ten ein­her­ge­hen­den Ne­ben­wir­kun­gen wie et­wa Kopf- und Glie­der­schmer­zen un­be­rührt, die die Be­trof­fe­nen auch über meh­re­re Ta­ge in ih­rem kör­per­li­chen Wohl­be­fin­den be­ein­träch­ti­gen kön­nen. Die­se auch bei an­de­ren Imp­fun­gen auf­tre­ten­den, eher harm­lo­sen Impf­re­ak­tio­nen er­hö­hen das Ge­wicht des Ein­griffs in die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit nicht ma­ß­geb­lich (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 143).

120 Da­ne­ben kön­nen im Ein­zel­fall aber auch schwer­wie­gen­de und/oder län­ger an­dau­ern­de Ne­ben­wir­kun­gen oder Impf­kom­pli­ka­tio­nen ein­tre­ten. Zwar han­delt es sich bei den ge­mel­de­ten schwer­wie­gen­den Ne­ben­wir­kun­gen zu­nächst nur um Ver­dachts­fäl­le, die nur zu ei­nem Teil auch nach­weis­lich zwin­gend kau­sal auf die Imp­fung zu­rück­zu­füh­ren sind. Auch wa­ren die ge­mel­de­ten schwer­wie­gen­den Ne­ben­wir­kun­gen sehr sel­ten und in der Re­gel nicht von Dau­er. Gleich­wohl muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass ei­ne Imp­fung im ganz ex­tre­men Aus­nah­me­fall auch töd­lich sein kann (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 207 f.).

121 Al­ler­dings ist das Ri­si­ko ei­nes schwe­ren oder töd­li­chen Ver­laufs sta­tis­tisch be­trach­tet nicht hoch. Nach dem Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts vom 4. Mai 2022 gab es bei den bis März 2022 durch­ge­führ­ten ca. 172,1 Mil­lio­nen Imp­fun­gen 296 233 Mel­dun­gen über mög­li­che Impf­kom­pli­ka­tio­nen (Ver­dachts­fäl­le). Da­von wa­ren 0,02 % Be­rich­te über schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen, de­ren Kau­sa­li­tät al­ler­dings nicht wei­ter er­forscht ist. Die schwer­wie­gends­ten Kom­pli­ka­tio­nen be­tra­fen all­er­gi­sche Schocks (ana­phy­lak­ti­sche Re­ak­tio­nen), Ent­zün­dun­gen des Herz­mus­kels und des Herz­beu­tels (Myo­kar­di­tis/Pe­ri­kar­di­tis) und le­bens­be­droh­li­che Blut­ge­rinn­sel­bil­dun­gen (Throm­bo­sen), ins­be­son­de­re Hirn­blut­ge­rinn­sel (Si­nus­venen­throm­bo­sen). Es gab 2 810 Ver­dachts­mel­dun­gen über töd­li­che Ver­läu­fe. Da­von hat das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut in 116 Fäl­len, in de­nen Pa­ti­en­ten in zeit­lich plau­si­blem Ab­stand zur je­wei­li­gen Imp­fung an be­kann­ten Impf­ri­si­ken ver­stor­ben sind, den Zu­sam­men­hang mit der Imp­fung als mög­lich oder wahr­schein­lich be­wer­tet (vgl. PEI, Si­cher­heits­be­richt vom 4. Mai 2022 - Ver­dachts­fäl­le von Ne­ben­wir­kun­gen und Impf­kom­pli­ka­tio­nen nach Imp­fung zum Schutz vor Co­vid-19, S. 8 f.).

122 So­weit der An­trag­stel­ler von ei­ner we­sent­lich hö­he­ren Zahl an Impf­ge­schä­dig­ten und Impf­t­o­ten aus­geht und die An­ga­ben des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts in Zwei­fel zieht, kann dem nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me, das un­ten nä­her dar­ge­stellt wird, nicht ge­folgt wer­den. Auch wenn schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen da­nach nur in zwei von 10 000 Fäl­len auf­tre­ten und die Ge­fahr ei­nes töd­li­chen Ver­laufs un­ter ei­nem Mil­li­ons­tel liegt, er­höht die­ser Um­stand die Ein­griffs­tie­fe er­heb­lich.

123 cc) In die Ab­wä­gung der An­ge­mes­sen­heit der Maß­nah­me ist aber auch der Nut­zen der Imp­fung ein­zu­be­zie­hen. Der Dienst­herr konn­te im No­vem­ber 2021 bei Be­wer­tung des mi­li­tä­ri­schen Nut­zens da­von aus­ge­hen, dass die Co­vid-19-Schutz­imp­fung für die Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr ge­wich­ti­ge Vor­tei­le mit sich brin­gen wür­de. Be­kannt­lich ab­sol­vier­te die Bun­des­wehr im Jahr 2021 ver­schie­de­ne In- und Aus­lands­ein­sät­ze. Sie war im Rah­men der Ka­ta­stro­phen­hil­fe im In­land ins­be­son­de­re bei der Be­sei­ti­gung der Über­schwem­mungs­schä­den im Ahr­tal in­vol­viert und er­brach­te im Rah­men der Amts­hil­fe zahl­rei­che Un­ter­stüt­zungs­ein­sät­ze in Ge­sund­heits­äm­tern, Impf­zen­tren und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Fer­ner führ­te sie Aus­lands­ein­sät­ze im Rah­men von NA­TO- und UNO-Mis­sio­nen et­wa in Ma­li durch oder leis­te­te in­ter­na­tio­na­le Hil­fe bei der Pan­de­mie­be­kämp­fung in Por­tu­gal. Vor dem Hin­ter­grund ei­ner dro­hen­den Ver­schär­fung der pan­de­mi­schen La­ge im Win­ter 2021/2022 konn­te die grö­ßt­mög­li­che Er­hal­tung der Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr als be­son­ders vor­dring­lich an­ge­se­hen wer­den, weil mit ei­ner Fort­füh­rung ei­ner er­heb­li­chen An­zahl von In­lands­ein­sät­zen und di­ver­ser Aus­lands­ein­sät­ze zu rech­nen war.

124 Der Nut­zen der Co­vid-19-Imp­fung für die all­ge­mei­ne Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr konn­te auch als hoch ein­ge­stuft wer­den. Zwar ver­sprach die Imp­fung - wie aus­ge­führt - un­ter der Do­mi­nanz der Del­ta­va­ri­an­te kei­nen voll­stän­di­gen Schutz, son­dern nur ei­nen 90%igen Schutz ge­gen schwe­re Ver­läu­fe und ei­nen 75%igen Schutz ge­gen sym­pto­ma­ti­sche Er­kran­kun­gen. Un­ter dem Ge­sichts­punkt der all­ge­mein-mi­li­tä­ri­schen Ein­satz­fä­hig­keit ist aber auch schon ei­ne ho­he Wahr­schein­lich­keit für die Ver­hin­de­rung ei­nes schwe­ren Ver­laufs ei­ner Co­vid-19-Er­kran­kung als be­deu­ten­der Vor­teil ein­zu­stu­fen. Ei­ne Re­du­zie­rung schwe­rer Ver­läu­fe be­wirkt nicht nur für die in­fi­zier­ten Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ei­nen ge­rin­ge­ren Lei­dens­druck und ei­ne kür­ze­re Lei­dens­zeit. Zu­gleich be­deu­tet dies für den Dienst­herrn kür­ze­re Aus­fall­zei­ten mit ins­ge­samt hö­he­rer Ein­satz­be­reit­schaft. Hin­zu kommt, dass ei­ne 75%ige Re­du­zie­rung sym­pto­ma­ti­scher Er­kran­kun­gen ein ge­wich­ti­ges We­ni­ger an Aus­fall­zei­ten durch Er­kran­kung und Qua­ran­tä­ne ver­spricht. Gleich­zei­tig wird mit der Re­du­zie­rung sym­pto­ma­ti­scher Er­kran­kun­gen auch ei­ne Ver­rin­ge­rung der Trans­mis­si­on des Vi­rus in­ner­halb der Trup­pe er­reicht, was die Ge­fahr ei­ner In­fek­ti­on an­de­rer Sol­da­ten min­dert, An­ge­hö­ri­ge vul­ne­ra­bler Grup­pen in­ner­halb der Streit­kräf­te schützt und der Ein­satz­be­reit­schaft der Ver­bän­de ins­ge­samt zu­gu­te­kommt.

125 Vor dem Hin­ter­grund be­stehen­der und fort­zu­füh­ren­der In­lands­ein­sät­ze im Be­reich der zi­vi­len Ge­sund­heits­äm­ter, Impf­zen­tren und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen konn­te auch die mit der Schutz­imp­fung der Sol­da­ten ver­bun­de­ne Ver­rin­ge­rung der Trans­mis­si­ons­ge­fahr als we­sent­li­cher Fak­tor zur Op­ti­mie­rung der In­lands­ein­sät­ze be­grif­fen wer­den. Denn bei die­sen Un­ter­stüt­zungs­ein­sät­zen im Ge­sund­heits­be­reich be­stand ei­ner­seits ein er­höh­tes Ri­si­ko des Zu­sam­men­tref­fens mit In­fi­zier­ten und an­de­rer­seits die Ge­fahr der Über­tra­gung des SARS-CoV-2-Vi­rus auf An­ge­hö­ri­ge vul­ne­ra­bler Grup­pen. Da­bei hat­te der best­mög­li­che Schutz vul­ne­ra­bler Per­so­nen be­son­de­re Prio­ri­tät. Dies hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht mit Recht her­vor­ge­ho­ben (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 228 ff.). Die­se Er­wä­gun­gen gel­ten im Üb­ri­gen auch für die Sa­ni­täts­ver­sor­gungs­zen­tren und Kran­ken­häu­ser der Bun­des­wehr, in de­nen der Schutz vul­ne­ra­bler Grup­pen eben­falls be­son­ders im Vor­der­grund steht.

126 Schlie­ß­lich konn­te der Dienst­herr auch da­von aus­ge­hen, dass die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Grup­pe der Ba­si­s­imp­fun­gen po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr im Aus­land ha­ben wür­de. Zum ei­nen sind zahl­rei­che Aus­lands­ein­sät­ze der Bun­des­wehr bei NA­TO- und UNO-Mis­sio­nen durch das äu­ßerst be­eng­te Zu­sam­men­le­ben von Sol­da­ten in be­son­ders ge­si­cher­ten Camps ge­prägt, in de­nen zwangs­läu­fig ei­ne er­höh­te In­fek­ti­ons­ge­fahr be­steht. Die Er­kran­kung ei­nes Sol­da­ten an Co­vid-19 er­for­dert häu­fig ei­ne ra­sche Rück­ho­lung des Be­trof­fe­nen zur me­di­zi­ni­schen Be­hand­lung und ei­ne Iso­la­ti­on von Kon­takt­per­so­nen. Dies schwächt die Ein­satz­kon­tin­gen­te er­heb­lich, so­dass ei­ner best­mög­li­chen Prä­ven­ti­on ei­ne be­son­ders ho­he Be­deu­tung zu­kommt. Zum an­de­ren war ein Aus­lands­ein­satz im Win­ter 2021/2022 schon aus recht­li­chen Grün­den in zahl­rei­chen aus­län­di­schen Staa­ten nur mit ei­ner Co­vid-19-Imp­fung mög­lich. Wie das Schwei­zer Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat, war der Nach­weis ei­ner voll­stän­di­gen Co­vid-19-Imp­fung in zahl­rei­chen aus­län­di­schen Staa­ten Ein- und Durch­rei­se­vor­aus­set­zung, so­dass Sol­da­ten oh­ne Impf­nach­weis vie­ler­orts nicht ein­rei­sen konn­ten und da­mit nicht aus­lands­ver­wen­dungs­fä­hig wa­ren (BV­Ger, Ur­teil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 15 ff.). Da­her war die Durch­füh­rung ei­ner Co­vid-19-Imp­fung schon vor de­ren Auf­nah­me in die Rei­he der Ba­si­s­imp­fun­gen auch in der Bun­des­wehr re­gel­mä­ßig Vor­aus­set­zung für die Teil­nah­me an ei­nem Aus­lands­ein­satz. Mit ih­rer Auf­nah­me in die Ba­si­s­imp­fun­gen ent­fiel aber die Not­wen­dig­keit, vor dem Ein­satz das Wirk­sam­wer­den der Imp­fung ab­zu­war­ten, und es er­wei­ter­te sich das für Aus­lands­ein­sät­ze schnell ver­füg­ba­re Per­so­nal.

127 Die­ses be­son­de­re mi­li­tä­ri­sche In­ter­es­se an der Co­vid-19-Imp­fung be­steht auch zum Zeit­punkt der Ge­richts­ent­schei­dung im We­sent­li­chen fort. Zwar hat das öf­fent­li­che In­ter­es­se da­durch an Ge­wicht ein­ge­bü­ßt, dass die vor­han­de­nen mRNA-Impf­stof­fe bei der Ver­hü­tung der Omi­kron-Va­ri­an­te des SARS-CoV-2-Vi­rus we­ni­ger ef­fek­tiv sind. Ins­be­son­de­re hat der zeit­li­che Schutz ge­gen die In­fek­ti­on und Trans­mis­si­on nach­ge­las­sen. Auch hat die Bun­des­wehr im März 2022 die Amts­hil­fe­ein­sät­ze im In­land im Be­reich des Ge­sund­heits­we­sens be­en­det. Je­doch hat sich die mi­li­tä­ri­sche Be­dro­hungs­la­ge seit dem Be­ginn des Ukrai­ne-Krie­ges ver­än­dert und ei­ne Ver­le­gung von Ver­bän­den der Bun­des­wehr zur Er­fül­lung ein­satz­glei­cher Ver­pflich­tun­gen im Be­reich der NA­TO wahr­schein­li­cher wer­den las­sen. Ein Weg­fall der Impf­nach­weis­pflicht für die Ein­rei­se in aus­län­di­sche Staa­ten ist bis da­to über­wie­gend nicht er­folgt. Auch ist ei­ne best­mög­li­che Prä­ven­ti­on bei ein­satz­glei­chen Ver­wen­dun­gen und Aus­lands­ein­sät­zen wei­ter­hin ge­bo­ten.

128 dd) Bei Ab­wä­gung der pri­va­ten In­ter­es­sen des An­trag­stel­lers, sich nicht dem Ne­ben­wir­kungs­ri­si­ko ei­ner Co­vid-19-Imp­fung aus­zu­set­zen und sei­ne per­sön­li­che Ab­wä­gungs­ent­schei­dung zwi­schen dem Impf- und dem Er­kran­kungs­ri­si­ko zu tref­fen, konn­te und kann der Dienst­herr von ei­nem Über­wie­gen des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses aus­ge­hen. Da­bei fällt es ins Ge­wicht, dass der An­trag­stel­ler den Be­ruf des Sol­da­ten frei­wil­lig er­grif­fen und dass schon zu Be­ginn sei­nes Be­rufs­le­bens die Ver­pflich­tung zur Ge­sund­erhal­tung und zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men be­stan­den hat. Die Durch­füh­rung von Schutz­imp­fun­gen ent­spricht der lang­jäh­rig ge­leb­ten Pra­xis der Bun­des­wehr, der sich der An­trag­stel­ler bis­lang nicht ver­schlos­sen hat. Die Co­ro­na-Pan­de­mie und die Ent­wick­lung ei­ner Co­vid-19-Imp­fung war für den An­trag­stel­ler zwar so we­nig vor­her­seh­bar wie für den Rest der Be­völ­ke­rung. Er konn­te aber wis­sen, dass das dienst­li­che Impf­kon­zept nicht starr ist, son­dern ge­än­der­ten Ge­ge­ben­hei­ten an­ge­passt wer­den kann. In­so­fern muss­te er da­mit rech­nen, bei Auf­tre­ten ei­ner neu­ar­ti­gen Er­kran­kung ei­ne wei­te­re Imp­fung dul­den zu müs­sen (vgl. BV­Ger, Ur­teil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 20).

129 Für die An­ge­mes­sen­heit der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die All­ge­mei­ne Re­ge­lung A1-840/8-4000 spricht fer­ner, dass den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nur ein Impf­ri­si­ko ab­ver­langt wird, das die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung frei­wil­lig zur Be­kämp­fung der Pan­de­mie ein­zu­ge­hen be­reit ist. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on als un­ab­hän­gi­ges Ex­per­ten­gre­mi­um hat die Co­vid-19-Imp­fung un­ter Ein­schluss der Auf­fri­schimp­fung be­reits im No­vem­ber 2021 für al­le Er­wach­se­nen emp­foh­len und hält dar­an wei­ter­hin fest. Die Durch­füh­rung der Imp­fung ent­spricht da­mit dem in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ganz all­ge­mein an­er­kann­ten me­di­zi­ni­schen Stan­dard (vgl. BGH, Ur­teil vom 15. Fe­bru­ar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136). Au­ßer­dem hat der Ge­setz­ge­ber mit § 20a IfSG auch an­de­ren Be­rufs­grup­pen - wenn auch aus an­de­ren Grün­den - ei­ne Pflicht zum Nach­weis ei­ner Imp­fung ge­gen Co­vid-19 auf­er­legt. Es kann al­so nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr oh­ne recht­fer­ti­gen­den Grund ein be­son­de­res Ri­si­ko auf­er­legt und ein un­zu­mut­ba­res Son­der­op­fer ab­ver­langt wer­den wür­de.

130 Hin­zu kommt, dass die Dul­dungs­pflicht in Be­zug auf die Co­vid-19-Schutz­imp­fung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG das Selbst­be­stim­mungs­recht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nicht völ­lig aus­schal­tet. Die Dul­dungs­pflicht ist - wie aus­ge­führt - kei­ne Zwangs­imp­fung und wird nicht mit kör­per­li­cher Ge­walt durch­ge­setzt, so­dass ein Kern­be­reich des Selbst­be­stim­mungs­rechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG er­hal­ten bleibt (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 221). Den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten wird auch kein be­stimm­ter Impf­stoff auf­ok­troy­iert. Zwar sieht die All­ge­mei­ne Re­ge­lung A1-840/8-4000 nicht vor, dass der ein­zel­ne Sol­dat bei der Durch­füh­rung der Imp­fung durch den Trup­pen­arzt ein Wahl­recht hin­sicht­lich des zur An­wen­dung kom­men­den Impf­stof­fes be­sitzt. Er hat je­doch nach der Er­lass­la­ge die Mög­lich­keit, sich selbst bei ei­nem nie­der­ge­las­se­nen Arzt oder in ei­nem Impf­zen­trum um die Durch­füh­rung der Imp­fung zu küm­mern und da­bei den Impf­stoff zu be­stim­men. Nur wenn er von die­ser Mög­lich­keit kei­nen Ge­brauch macht, muss er die Imp­fung mit dem vom Trup­pen­arzt aus den Bun­des­wehr­be­stän­den aus­ge­wähl­ten Impf­stoff, das hei­ßt nun­mehr re­gel­mä­ßig mit ei­nem mRNA-Impf­stoff, dul­den.

131 Die All­ge­mei­ne Re­ge­lung er­mög­licht es da­mit ins­be­son­de­re Geg­nern der von der Bun­des­wehr ver­wen­de­ten mRNA-Impf­stof­fe, sich mit ei­nem nicht ge­ne­tisch ope­rie­ren­den Impf­stoff (Nu­va­xo­vid) be­han­deln zu las­sen. Der Nach­weis ei­ner ent­spre­chen­den Imp­fung wird - wie das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung im Ver­fah­ren be­stä­tigt hat - grund­sätz­lich ak­zep­tiert. Da­mit wird die Ent­schei­dungs­au­to­no­mie der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten aus Art. 2 Abs. 2 GG bei der Wahl des Impf­stof­fes re­spek­tiert.

132 Zur Ver­hält­nis­mä­ßig­keit des Er­las­ses trägt auch bei, dass die Trup­pen­ärz­te ver­pflich­tet sind, bei der Ver­wen­dung der Impf­stof­fe die je­weils ak­tu­el­len Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on zu be­ach­ten (Nr. 1082 AR A1-840/8-4000). Durch die fort­lau­fen­de Be­ach­tung ak­tu­el­ler Impf­emp­feh­lun­gen und Impf­war­nun­gen er­folgt ei­ne wei­te­re Ri­si­ko­mi­ni­mie­rung. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat im Ver­fah­ren mit Schrift­satz vom 11. Mai 2022 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die­se Re­ge­lung auch in der Pra­xis ernst ge­nom­men wird. Im Hin­blick auf die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on kommt der­zeit bei den jün­ge­ren Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nur der Impf­stoff von BioNTech/Pfi­zer und bei den über 30-Jäh­ri­gen auch der Impf­stoff von Mo­der­na zur An­wen­dung. Zu­gleich trägt zur An­ge­mes­sen­heit der all­ge­mei­nen Auf­nah­me der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen bei, dass in je­dem Ein­zel­fall ei­ne Über­prü­fung von me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­tio­nen durch den Trup­pen­arzt er­folgt (Nr. 210 ZDv A-840/8) und da­mit ei­ne in­di­vi­du­el­le Un­zu­mut­bar­keit im Sin­ne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG ver­mie­den wird. Im Üb­ri­gen grei­fen auch bei der Co­vid-19-Imp­fung die üb­ri­gen bei der Prü­fung der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG er­wähn­ten Me­cha­nis­men (Rechts­schutz, Ent­schä­di­gung etc.) zur Ab­mil­de­rung des Ein­griffs ein.

133 6. Al­ler­dings ist das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung auch in Zu­kunft ver­pflich­tet, die Auf­recht­erhal­tung der Co­vid-19-Imp­fung zu eva­lu­ie­ren und zu über­wa­chen. Denn Dau­er­an­ord­nun­gen müs­sen - wie oben aus­ge­führt - stets dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob sie an­ge­sichts ver­än­der­ter Um­stän­de wei­ter­hin ver­hält­nis­mä­ßig und er­mes­sens­ge­recht sind. Die­se all­ge­mein be­stehen­de Über­wa­chungs­pflicht wird da­durch ver­stärkt, dass der Staat nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG auch zum Schutz der Ge­sund­heit und als Dienst­herr zur Für­sor­ge ge­gen­über sei­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ver­pflich­tet ist. Die­se Über­wa­chungs­pflicht hat bei der Co­vid-19-Imp­fung be­son­de­re Be­deu­tung, weil es sich um ei­ne ver­gleichs­wei­se neue Er­kran­kung han­delt, weil die vor­han­de­nen Impf­stof­fe auf ei­ner für die­sen Zweck noch nicht ge­nutz­ten Tech­no­lo­gie be­ru­hen, weil die welt­wei­te Er­for­schung der Er­kran­kung und des Er­re­gers in ver­gleichs­wei­se kur­zer Zeit neue wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se lie­fert und weil die in Wel­len ver­lau­fen­de pan­de­mi­sche Ver­brei­tung der Er­kran­kung durch ei­nen stän­di­gen Wan­del des Vi­rus ge­prägt ist. Es liegt al­so ei­ne sehr vo­la­ti­le La­ge vor, die im­mer wie­der zu ei­ner er­neu­ten Be­wer­tung, Über­prü­fung und An­pas­sung der im Zu­sam­men­hang mit der Co­vid-19-Imp­fun­gen ste­hen­den Ent­schei­dun­gen zwingt.

134 Da­bei zeich­net sich ak­tu­ell ei­ne Ent­wick­lung ab, die ver­schie­dent­lich als Über­gang ei­ner Pan­de­mie in ei­ne En­de­mie ge­deu­tet wird. Ei­ner­seits lässt die Ge­fähr­lich­keit des Co­ro­na­vi­rus durch sei­ne Mu­ta­tio­nen in ei­ner nicht ge­nau be­stimm­ba­ren Wei­se nach. An­de­rer­seits ver­brei­tet es sich häu­fi­ger und ent­wi­ckelt sich zu ei­ner in Eu­ro­pa dau­er­haft prä­sen­ten Ge­sund­heits­ge­fahr, die - wie die In­flu­en­za - sai­so­nal im Win­ter hö­her ist als im Som­mer. An­de­rer­seits ist ak­tu­ell ei­ne eben­falls nicht ex­akt be­stimm­ba­re Ver­rin­ge­rung der Ef­fek­ti­vi­tät der vor­han­de­nen Impf­stof­fe zu ver­zeich­nen, die sich in ei­nem im­mer schnel­ler nach­las­sen­den Schutz vor In­fek­ti­on und Trans­mis­si­on und ei­nem eher lang­sa­mer nach­las­sen­den Schutz vor schwe­ren Ver­läu­fen aus­drückt.

135 Das Nach­las­sen der Ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus und die Ver­rin­ge­rung der Ef­fek­ti­vi­tät der ak­tu­ell ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe sind Um­stän­de, die ei­ne er­neu­te Er­mes­sens­ent­schei­dung ins­be­son­de­re für die An­ord­nung wei­te­rer Auf­fri­schimp­fun­gen an­ge­zeigt er­schei­nen las­sen. Nach den der­zei­ti­gen Er­kennt­nis­sen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on schützt ei­ne In­fek­ti­on mit SARS-CoV-2 nicht nach­hal­tig vor dem Vi­rus, wäh­rend ein durch Imp­fun­gen ver­stärk­ter min­des­tens drei­fa­cher Kon­takt mit dem SARS-CoV-2-Vi­rus ei­nen re­la­tiv gu­ten Schutz vor schwe­ren Ver­läu­fen bie­tet (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 44 ff.). Vor die­sem Hin­ter­grund muss die pau­scha­le Ent­schei­dung in der Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 für al­le wei­te­ren Auf­fri­schimp­fun­gen ge­mäß den na­tio­na­len Emp­feh­lun­gen dar­auf­hin über­prüft wer­den, in­wie­weit wei­te­re Imp­fun­gen als zwin­gen­de Ba­si­s­imp­fun­gen für al­le Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei ei­ner Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung im Sin­ne des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG er­mes­sens­ge­recht sind. Da au­ßer­dem auch vom Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss ei­ne Eva­lu­ie­rung ge­for­dert und im Schlich­tungs­ver­fah­ren ei­ne prä­zi­se­re Ri­si­ko­ana­ly­se be­schlos­sen wor­den ist, wä­re ei­ne Be­tei­li­gung des Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­s­s­es bei der Er­mes­sens­ent­schei­dung über die­se Fra­ge ziel­füh­rend.

136 7. Die oben ge­schil­der­ten tat­säch­li­chen Ein­schät­zun­gen und Pro­gno­sen des Dienst­herrn sind nach dem Er­geb­nis der vom Ge­richt durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me durch die Ein­wen­dun­gen von Sei­ten des An­trag­stel­lers nicht er­schüt­tert wor­den.

137 a) Wie oben aus­ge­führt konn­te sich der Dienst­herr auf die fach­li­chen Ein­schät­zun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts bei der Ein­ord­nung der Ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus und der Si­cher­heit der Co­vid-19-Impf­stof­fe ver­las­sen. Denn beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut han­delt es sich um die Fach­be­hör­de zur Er­for­schung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten und beim Paul-Ehr­lich-In­sti­tut um die fe­der­füh­ren­de Bun­des­be­hör­de zur Über­wa­chung der Impf­stoff­si­cher­heit (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 223). Bei­de Fach­be­hör­den be­schäf­ti­gen ei­ne Viel­zahl hoch­spe­zia­li­sier­ter Ex­per­ten, die lau­fend die ein­schlä­gi­gen wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­er­geb­nis­se aus­wer­ten und sich auf eu­ro­päi­scher und in­ter­na­tio­na­ler Ebe­ne mit den Über­wa­chungs­be­hör­den an­de­rer Län­der und der Eu­ro­päi­schen Uni­on aus­tau­schen. Sie wer­ten in be­trächt­li­chem Um­fang nur ih­nen zur Ver­fü­gung ste­hen­de Ge­sund­heits­da­ten aus und ver­fü­gen da­durch über In­for­ma­ti­ons­quel­len, die an­de­ren For­schungs­stel­len nicht zu­gäng­lich sind. Die von ih­nen ver­öf­fent­lich­ten Fach­in­for­ma­tio­nen zur Ge­fähr­lich­keit des Co­ro­na­vi­rus, zur Ver­brei­tung von Co­vid-19, zu den zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fen und Me­di­ka­men­ten kön­nen da­her von den Dienst­stel­len der Bun­des­wehr als der All­ge­mein­heit zu­gäng­lich ge­mach­te amt­li­che Aus­künf­te und da­mit nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG als Be­weis­mit­tel ver­wer­tet wer­den.

138 aa) Im Pro­zess vor den Wehr­dienst­ge­rich­ten sind amt­li­che Aus­künf­te eben­falls als Be­weis­mit­tel zu­ge­las­sen. Dies folgt dar­aus, dass § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO für Fra­gen des Pro­zess­rechts er­gän­zend auf die Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung ver­weist und dass im Ver­wal­tungs­pro­zess die Ver­wen­dung amt­li­cher Aus­künf­te als ein selb­stän­di­ges Be­weis­mit­tel an­er­kannt ist, das in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 99 Abs. 1 Satz 1 so­wie § 173 Satz 1 Vw­GO i. V. m. § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO er­wähnt ist (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 8. De­zem­ber 1986 - 9 B 144.86 - Buch­holz 412.3 § 6 BVFG Nr. 48 S. 30 und vom 28. Ju­ni 2010 - 5 B 49.09 - Buch­holz 412.3 § 6 BVFG Nr. 116 Rn. 5). Amt­li­che Aus­künf­te kön­nen je nach ih­rem In­halt den Zeu­gen­be­weis oder - wie hier bei fach­wis­sen­schaft­li­chen In­for­ma­tio­nen - den Sach­ver­stän­di­gen­be­weis er­set­zen (vgl. Schübel-Pfis­ter, in: Eyer­mann, Vw­GO, 16. Aufl. 2022, § 98 Rn. 65). Tre­ten amt­li­che Aus­künf­te an die Stel­le von Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten, be­darf die durch sie ge­klär­te Fra­ge im All­ge­mei­nen kei­ner Klä­rung durch Ein­ho­lung ei­nes zu­sätz­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 10. Ju­ni 1999 - 9 B 81.99 - Buch­holz 310 § 86 Abs. 1 Vw­GO Nr. 302 S. 5).

139 Die Ein­ho­lung ei­nes wei­te­ren Gut­ach­tens kann in An­leh­nung an § 98 Vw­GO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO nur ge­bo­ten sein, wenn das Ge­richt die amt­li­che sach­ver­stän­di­ge Aus­kunft für un­ge­nü­gend hält (BVer­wG, Be­schluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buch­holz 310 § 98 Vw­GO Nr. 109 Rn. 4). Dies ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn das Be­weis­er­geb­nis durch sub­stan­ti­ier­ten Vor­trag ei­nes der Be­tei­lig­ten oder durch ei­ge­ne Über­le­gun­gen des Ge­richts ernst­haft er­schüt­tert wird. Die Ver­pflich­tung zur er­gän­zen­den Be­gut­ach­tung folgt nicht schon dar­aus, dass ein Be­tei­lig­ter die amt­li­che Aus­kunft als Er­kennt­nis­quel­le für un­zu­rei­chend hält (stRspr, vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 29. Fe­bru­ar 2012 - 7 C 8.11 - Buch­holz 419.01 § 26 GenTG Nr. 1 Rn. 37 und Be­schluss vom 28. Ju­li 2022 - 7 B 15.21 - ju­ris Rn. 26 m. w. N.).

140 Der er­ken­nen­de Se­nat hat nach ent­spre­chen­den Hin­wei­sen ver­schie­de­ne amt­li­che Fach­in­for­ma­tio­nen, ins­be­son­de­re die wö­chent­li­chen La­ge­be­rich­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts, be­weis­recht­lich als sach­ver­stän­di­ge Aus­künf­te her­an­ge­zo­gen. Die wis­sen­schaft­li­che Über­zeu­gungs­kraft die­ser amt­li­chen Aus­künf­te konn­te - wie im Fol­gen­den nä­her aus­ge­führt wird - durch den An­trag­stel­ler und die in sei­nem Na­men auf­tre­ten­den Par­tei­sach­ver­stän­di­gen nicht er­schüt­tert wer­den. Der Se­nat hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung zur Er­läu­te­rung der amt­li­chen Fach­in­for­ma­tio­nen und zur Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Sach­vor­trag des An­trag­stel­lers meh­re­re Fach­leu­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts als Sach­ver­stän­di­ge an­ge­hört, die er­gän­zen­de Fra­gen be­ant­wor­ten und Un­klar­hei­ten aus­räu­men konn­ten.

141 bb) Aus den vom An­trag­stel­ler ge­for­der­ten und vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung mit Schrift­satz vom 11. Mai 2022 vor­ge­leg­ten ei­ge­nen Da­ten der Bun­des­wehr zu Impf­kom­pli­ka­tio­nen er­ge­ben sich kei­ne Be­fun­de, die die Aus­sa­ge­kraft und Ver­wert­bar­keit der Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts als sach­ver­stän­di­ge amt­li­che Aus­kunft in Fra­ge stel­len wür­den.

142 Die Ärz­te des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr sind in glei­cher Wei­se wie zi­vi­le Ärz­te ver­pflich­tet, den Ver­dacht ei­ner über das üb­li­che Aus­maß ei­ner Impf­re­ak­ti­on hin­aus­ge­hen­den ge­sund­heit­li­chen Schä­di­gung (Impf­kom­pli­ka­ti­on) an das Ge­sund­heits­amt zu mel­den (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG), das sei­ner­seits die Mel­dung in pseud­ony­mi­sier­ter Form über die zu­stän­di­ge Lan­des­be­hör­de an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut über­mit­telt (§ 11 Abs. 4 IfSG). Die auf die­sem Weg ge­mel­de­ten Fäl­le wer­den zu­gleich vom Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr er­fasst. Da­nach er­ga­ben sich seit Be­ginn der Imp­fun­gen bei der Bun­des­wehr (Ja­nu­ar 2021) bis zum 5. Mai 2022 (ca. 480 000 Imp­fun­gen) auf dem Mel­de­weg der Bun­des­wehr 54 Ver­dachts­fäl­le, die sich auf al­le ein­ge­setz­ten Impf­stof­fe (phar­ma­zeu­ti­sche Un­ter­neh­mer: As­tra­Ze­ne­ca/BioNTech/John­son & John­son/Mo­der­na) ver­tei­len. Als Impf­kom­pli­ka­tio­nen ge­nannt sind grip­pa­le Sym­pto­me/Kopf­schmerz/Lympha­de­no­pa­thie (18 Mel­dun­gen, 8/4/-/6), Haut­re­ak­tio­nen (10 Mel­dun­gen, -/2/-/8), ana­phy­lak­ti­sche Re­ak­tio­nen (4 Mel­dun­gen, -/1/1/2), Myo­kar­di­tis (5 Mel­dun­gen, 1/2/-/2), Myo­kar­di­tis mit Be­gleit­pe­ri­kar­di­tis (3 Mel­dun­gen, -/3/-/-), Throm­bo­sen (5 Mel­dun­gen, 3/-/-/2) so­wie 1 Mel­dung ei­nes To­des­falls mit un­be­kann­ter Kau­sa­li­tät (Mo­der­na); 8 wei­te­re Mel­dun­gen be­tref­fen ver­schie­de­ne ge­ring­fü­gi­ge­re Be­schwer­den. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat fer­ner aus­ge­führt, dass sämt­li­che Si­cher­heits­hin­wei­se des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts um­ge­setzt wür­den, wie zum Bei­spiel der Stopp des Ein­sat­zes von Vek­torimpf­stof­fen und des mRNA-Impf­stoffs Spik­e­vax bei jün­ge­ren Al­ters­grup­pen, nach­dem dort hö­he­re Kom­pli­ka­ti­ons­ra­ten be­kannt ge­wor­den sei­en.

143 Zu dem Ver­dachts­fall ei­nes To­des­falls hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­läu­tert, dass bei dem "deut­lich über 50-jäh­ri­gen" Sol­da­ten ei­ne Vor­er­kran­kung vor­ge­le­gen ha­be und im zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der Imp­fung ein Vor­hof­flim­mern ent­stan­den sei. So­weit der An­trag­stel­ler be­an­stan­det, dass ei­ne Ob­duk­ti­on nicht statt­ge­fun­den ha­be, konn­te nicht ge­klärt wer­den, ob ei­ne sol­che recht­lich wie tat­säch­lich über­haupt in Be­tracht kam. Un­ab­hän­gig da­von ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr in­so­weit über kei­ne an­de­ren oder wei­ter­ge­hen­den Ein­griffs­rech­te und Un­ter­su­chungs­mög­lich­kei­ten ver­fügt als sie im zi­vi­len Be­reich be­stehen.

144 Ins­ge­samt er­ge­ben sich aus den mit­ge­teil­ten Da­ten kei­ne nach Quan­ti­tät oder Qua­li­tät we­sent­li­chen Ab­wei­chun­gen von den all­ge­mei­nen Mel­de­ra­ten, wie sie in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zur Er­mitt­lung von Ri­si­ko­si­gna­len aus­ge­wer­tet wer­den (sie­he zu­letzt den 18. Si­cher­heits­be­richt vom 4. Mai 2022, S. 3 ff.). Auch der Ein­wand, Sol­da­ten wür­den Impf­kom­pli­ka­tio­nen häu­fig nicht oder nur zu­rück­hal­tend mel­den, ist nicht plau­si­bel. Die Mög­lich­keit, we­gen ei­ner Wehr­dienst­be­schä­di­gung An­sprü­che nach dem Sol­da­ten­ver­sor­gungs- und dem Bun­des­ver­sor­gungs­ge­setz gel­tend zu ma­chen, ist all­ge­mein, na­ment­lich im Zu­sam­men­hang mit den Aus­lands­ein­sät­zen der Bun­des­wehr, be­kannt. Impf­schä­den kön­nen nicht nur Ver­sor­gungs­an­sprü­che nach dem In­fek­ti­ons­schutz­recht (hier ins­be­son­de­re § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG), son­dern als Wehr­dienst­be­schä­di­gung im Sin­ne von § 81 Abs. 1 SVG auch - zum Teil wei­ter­ge­hen­de - dienst­recht­li­che Ver­sor­gungs­an­sprü­che aus­lö­sen (vgl. z. B. LSG Stutt­gart, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2021 - L 6 VS 2595/20 - ju­ris Rn. 50 m. w. N.). Es ist fern­lie­gend, an­zu­neh­men, dass Sol­da­ten auf sol­che An­sprü­che ver­zich­ten woll­ten und die an­spruchs­wah­ren­de Mel­dung von Impf­kom­pli­ka­tio­nen un­ter­lie­ßen.

145 b) Im Hin­blick auf die über­ein­stim­men­de Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts konn­te der Dienst­herr - wie aus­ge­führt - im No­vem­ber 2021 da­von aus­ge­hen, dass von dem SARS-CoV-2-Vi­rus ei­ne kon­kre­te Ge­fahr für die Ge­sund­heit der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten und da­mit für die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr aus­ging, weil in vie­len Fäl­len das mensch­li­che Im­mun­sys­tem al­lei­ne zur Ab­wehr nicht aus­reich­te (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 48/2021 vom 29. No­vem­ber 2021, S. 15 f.). Die­se un­ter der Do­mi­nanz der Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus ge­trof­fe­ne Ein­schät­zung wird von den bei­den Fach­be­hör­den - wie aus­ge­führt - auch im Zeit­punkt der Ge­richts­ent­schei­dung auf­recht­erhal­ten. Dass der­zeit die ganz über­wie­gen­de Mehr­zahl der In­fek­tio­nen ei­nen mil­den Ver­lauf nimmt, kann nicht - wie der An­trag­stel­ler ver­mu­tet - dar­auf zu­rück­ge­führt wer­den, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te des Co­ro­na­vi­rus an sich be­reits un­ge­fähr­lich sei. Denn mitt­ler­wei­le ist nach dem ak­tu­el­len Wo­chen­be­richt des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts et­wa drei Vier­tel der deut­schen Be­völ­ke­rung (76,2 %) zwei­fach und mehr als die Hälf­te (61,6 %) so­gar drei­fach ge­impft. In der für die Bun­des­wehr be­son­ders re­le­van­ten Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen sind et­wa vier Fünf­tel ge­impft und ca. 16 % un­ge­impft (RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt zu Co­vid-19 vom 30. Ju­ni 2022, S. 20). Hin­zu kommt, dass ei­ne zah­len­mä­ßig nicht klar er­fass­te Be­völ­ke­rungs­grup­pe ge­ne­sen ist. Das Vi­rus trifft al­so in vie­len Fäl­len auf Per­so­nen mit ei­ner un­ter­schied­lich ho­hen An­zahl von An­ti­kör­pern, die be­reits bei der In­fek­ti­on vor­han­den sind und die Im­mun­ab­wehr stär­ken. Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te des Vi­rus kei­ne schwe­ren Ver­läu­fe ver­ur­sacht, wenn sie auf Per­so­nen trifft, de­ren Im­mun­ab­wehr un­vor­be­rei­tet oder aus an­de­ren Grün­den ge­schwächt ist (vgl. RKI, Ri­si­ko­be­wer­tung zu Co­vid-19 vom 29. Ju­ni 2022).

146 aa) Die Rich­tig­keit die­ser Ge­fah­ren­pro­gno­se konn­te ins­be­son­de­re nicht durch den vom An­trag­stel­ler als Par­tei­sach­ver­stän­di­gen bei­ge­zo­ge­nen Prof. Dr. med. Sucha­rit Bhak­di er­schüt­tert wer­den. Die­ser bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung als In­sti­tuts­lei­ter an der Uni­ver­si­tät Mainz tä­ti­ge Mi­kro­bio­lo­ge und Me­di­zi­ner hat zwar in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­führt, dass das Vi­rus auf­grund sei­ner Ver­wandt­schaft zu all­täg­li­chen Co­ro­na­vi­ren vom Im­mun­sys­tem Un­ge­impf­ter pro­blem­los er­kannt wer­de. Ge­ra­de jun­ge Men­schen hät­ten ei­ne Hin­ter­grun­d­im­mu­ni­tät, die ei­ne ernst­li­che Er­kran­kung ver­hin­de­re, so­dass ei­ne Imp­fung nicht not­wen­dig sei.

147 Die­se The­se vom Aus­rei­chen der kör­per­ei­ge­nen Im­mun­ab­wehr ver­mag je­doch nicht zu über­zeu­gen. Sie gilt oh­ne­dies nur für jun­ge Men­schen und nicht für äl­te­re oder im­mun­ge­schwäch­te Per­so­nen. Wie be­reits aus­ge­führt fin­den sich in der Bun­des­wehr aber nicht nur jun­ge, son­dern auch äl­te­re Sol­da­ten. Ei­ni­ge ge­hö­ren auf­grund von Vor­er­kran­kun­gen oder an­de­ren Ri­si­ko­fak­to­ren zu den sog. vul­ne­r­a­blen Grup­pen. Zu­dem ist die The­se vom Aus­rei­chen der vor­han­de­nen Hin­ter­grun­d­im­mu­ni­tät auch für jun­ge Men­schen nicht be­wie­sen. Ober­st­arzt Prof. Dr. med. Ro­man Wöl­fel, Lei­ter des In­sti­tuts für Mi­kro­bio­lo­gie der Bun­des­wehr, hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 11. Mai 2022 über­zeu­gend dar­ge­legt, dass die von Prof. Dr. Bhak­di für sei­ne Be­haup­tung her­an­ge­zo­ge­ne Stu­die (Kil­lingley et al., Na­tu­re Me­di­ci­ne, 2021) sei­ne Ein­schät­zung nicht stützt. Denn in der Stu­die wer­den kei­ne Mess­wer­te zur vor­han­de­nen Hin­ter­grun­d­im­mu­ni­tät jun­ger Men­schen er­ho­ben oder aus­ge­wer­tet.

148 Eben­so we­nig konn­te Prof. Dr. Bhak­di sei­ne Ein­schät­zung be­le­gen, dass bei ei­ner Co­vid-19-Er­kran­kung schwe­re Krank­heits­fol­gen nur durch Be­hand­lungs­feh­ler, ins­be­son­de­re ei­ne zu frü­he oder un­nö­ti­ge künst­li­che Be­at­mung, ver­ur­sacht wer­den. Es ist we­der dar­ge­legt noch er­sicht­lich, dass der nicht selbst ku­ra­tiv tä­ti­ge Prof. Dr. Bhak­di die­se Ein­schät­zung auf ei­ne wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards ge­nü­gen­de Da­ten­er­he­bung stüt­zen kann.

149 bb) Auch die vom An­trag­stel­ler bei­ge­zo­ge­ne Par­tei­sach­ver­stän­di­ge Dr. med. vet. Su­san­ne Wag­ner konn­te die The­se von der re­la­ti­ven Un­ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus nicht über­zeu­gend be­le­gen. Sie hat selbst ein­ge­räumt we­der über ei­ne hu­man­me­di­zi­ni­sche Aus­bil­dung noch über ei­ne spe­zi­el­le vi­ro­lo­gi­sche Ex­per­ti­se zu ver­fü­gen. Sie wer­te al­ler­dings die Wo­chen­be­rich­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts aus. Ih­re An­nah­me, dass im All­ge­mei­nen nur Men­schen mit Über­ge­wicht oder Angst an Co­vid-19 er­krank­ten, ent­spricht je­doch we­der der Be­schrei­bung vul­ne­ra­bler Grup­pen durch das Ro­bert-Koch-In­sti­tut noch dem brei­ten fach­wis­sen­schaft­li­chen Kon­sens.

150 cc) Schlie­ß­lich konn­te der An­trag­stel­ler den Se­nat auch nicht von sei­ner The­se über­zeu­gen, die Ge­fähr­lich­keit und Ver­brei­tung des SARS-CoV-2-Vi­rus wer­de auf­grund der An­wen­dung nicht aus­sa­ge­fä­hi­ger An­ti­gen- und PCR-Tests völ­lig über­schätzt, so­dass in Wahr­heit kei­ne Co­ro­na-Pan­de­mie, son­dern ei­ne Test­pan­de­mie vor­lä­ge. Die hier­zu vor­ge­leg­ten Gut­ach­ten von Frau Prof. Dr. rer. hum. bi­ol. Ul­ri­ke Käm­me­rer so­wie ih­re Aus­füh­run­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 zei­gen zwar ei­ni­ge Schwä­chen der An­ti­gen- und PCR-Testung auf. Ins­be­son­de­re wei­sen An­ti­gen- und PCR-Tests un­ter­schied­lich ho­he Mess­un­ge­nau­ig­kei­ten auf. Fer­ner be­le­gen PCR-Tests un­mit­tel­bar nur das Vor­han­den­sein des ab­ge­tö­te­ten Vi­rus in den ent­nom­me­nen Pro­ben, nicht die In­fek­tio­si­tät des Pro­ban­den. Hier­zu hat Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung aber zu­tref­fend er­wi­dert, dass in den PCR-Tests zwar rich­ti­ger­wei­se nur für SARS-CoV-2 ty­pi­sche Nu­kleo­tid­se­quen­zen nach­ge­wie­sen wer­den. Je­doch sei bei ei­ner be­stimm­ten Hö­he der nach­ge­wie­se­nen Vi­rus­last ei­ne Aus­sa­ge über ei­ne In­fek­tio­si­tät der Per­son mög­lich.

151 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat zu­dem im Schrift­satz vom 20. Mai 2022 auf­ge­zeigt, dass das von Dr. Vic­tor Cor­man und Prof. Dr. Chris­ti­an Dros­ten ent­wi­ckel­te PCR-Nach­weis­ver­fah­ren seit sei­ner Ent­wick­lung, wie im wis­sen­schaft­li­chen Pro­zess üb­lich, auf sei­ne Eig­nung als Dia­gnos­tik­ver­fah­ren mehr­fach un­ab­hän­gig durch em­pi­ri­sche Stu­di­en über­prüft wor­den ist. Da­bei sind die me­tho­di­schen Be­schrän­kun­gen und die grund­sätz­li­che Ro­bust­heit die­ses PCR-Tests für den Nach­weis von SARS-CoV-2 nach­ge­wie­sen wor­den. So­weit Frau Prof. Dr. Käm­me­rer, die selbst nicht auf dem Ge­biet der Vi­ro­lo­gie forscht, dies in Fra­ge stellt, be­ru­hen ih­re Ein­wän­de nicht auf ei­ge­nen em­pi­ri­schen Stu­di­en, son­dern auf ei­ner se­lek­ti­ven Aus­wer­tung der ein­schlä­gi­gen me­di­zi­ni­schen Li­te­ra­tur.

152 Aus die­sen Grün­den folgt der Se­nat der Ein­schät­zung von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel, dass Frau Prof. Dr. Käm­me­rer aus ih­ren rich­ti­gen Grund­an­nah­men un­zu­tref­fen­de Schlüs­se zieht. Es leuch­tet ein, dass der Nach­weis ei­ner er­heb­li­chen Kon­zen­tra­ti­on an für SARS-CoV-2 ty­pi­schen Nu­kleo­tid­se­quen­zen ein In­di­ka­tor für die Wirk­sam­keit des Vi­rus in ei­nem Or­ga­nis­mus ist. Zur kor­rek­ten Quan­ti­fi­zie­rung der in Re­de ste­hen­den Kon­zen­tra­ti­on sind für die Test­la­bo­re ein­heit­li­che Stan­dards ent­wi­ckelt wor­den, bei de­nen der so­ge­nann­te Ct-Wert ei­ne er­heb­li­che Rol­le spielt. Wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­läu­tert hat, ar­bei­ten ak­kre­di­tier­te La­bo­re nach ein­heit­li­chen Qua­li­täts­stan­dards, de­ren Ein­hal­tung über­wacht wird. Dass es in Ein­zel­fäl­len zu An­wen­dungs­feh­lern kom­men mag, dis­kre­di­tiert nicht das dia­gnos­ti­sche Sys­tem als sol­ches. Auch Frau Prof. Dr. Käm­me­rer konn­te kei­ne plau­si­blen An­halts­punk­te da­für auf­zei­gen, dass in ei­ner er­heb­li­chen Zahl von Fäl­len PCR-Tests feh­ler­haft durch­ge­führt wer­den, so­dass die aus ih­nen er­mit­tel­ten In­fi­zier­ten­zah­len er­geb­nis­re­le­vant deut­lich über­höht wä­ren.

153 Dass die durch PCR-Tests er­mit­tel­ten Gen­se­quen­zen für SARS-CoV-2 nicht hin­rei­chend spe­zi­fisch wä­ren, wird durch Frau Prof. Dr. Käm­me­rer eben­falls nicht wis­sen­schaft­lich fun­diert auf­ge­zeigt. Aus die­sem Grund ist ih­re Fol­ge­rung, in die Zahl der SARS-CoV-2-In­fi­zier­ten wür­de ein­flie­ßen, was vor dem Auf­tre­ten von SARS-CoV-2 als Er­käl­tung oder In­flu­en­za er­fasst wor­den wä­re, nicht plau­si­bel. Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Se­nat kei­ne Zwei­fel, dass die in Deutsch­land durch­ge­führ­ten PCR-Tests, de­ren Er­geb­nis­se in die Ein­schät­zun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts zur Ge­fah­ren­la­ge und zur Wirk­sam­keit der Impf­stof­fe ein­flie­ßen, ge­eig­net sind, ver­läss­li­che In­di­ka­to­ren für In­fek­tio­nen mit SARS-CoV-2 zu lie­fern. Sie bil­den - wie vom Ro­bert-Koch-In­sti­tut an­ge­nom­men - den "Gold­stan­dard für den Nach­weis von SARS-CoV-2". Dass han­dels­üb­li­che An­ti­gen-Schnell­tests we­ni­ger ver­läss­li­che Er­geb­nis­se lie­fern, ist un­strit­tig, aber auch un­er­heb­lich, weil die Ein­schät­zun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts ma­ß­geb­lich auf den durch PCR-Tests er­mit­tel­ten Wer­ten be­ru­hen.

154 c) Fer­ner konn­ten die Ein­wen­dun­gen des An­trag­stel­lers und der von ihm bei­ge­zo­ge­nen Par­tei­sach­ver­stän­di­gen zur Un­wirk­sam­keit und Ge­fähr­lich­keit der mRNA-Impf­stof­fe nicht über­zeu­gen.

155 aa) Ins­be­son­de­re konn­te Prof. Dr. Bhak­di in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Mai 2022 sei­ne The­se, die mRNA-Impf­stof­fe hät­ten nie zum Schutz ge­gen ei­ne In­fek­ti­on bei­ge­tra­gen, nicht wis­sen­schaft­lich fun­diert be­le­gen. Er hat nie selbst ir­gend­wel­che Stu­di­en über das SARS-CoV-2-Vi­rus oder die Wirk­sam­keit von Co­vid-19-Impf­stof­fen durch­ge­führt und auch in sei­ner mehr als ein Jahr­zehnt zu­rück­lie­gen­den ak­ti­ven Dienst­zeit nicht über Co­ro­na­vi­ren ge­forscht. Zum Nach­weis sei­ner The­se hat er dem Se­nat zwar ein Bün­del von rund ei­nem Dut­zend Text­aus­zü­gen und Ab­dru­cken aus fach­wis­sen­schaft­li­chen Auf­sät­zen über­ge­ben, in de­nen er meist ein­zel­ne Sät­ze oder Ab­schnit­te mar­kiert hat. Al­ler­dings ver­tritt kei­ne die­ser Pu­bli­ka­tio­nen Prof. Dr. Bhak­dis The­se von der voll­stän­di­gen Un­wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe. Sei­ne sehr se­lek­ti­ve Textex­ege­se die­ser Pu­bli­ka­tio­nen kann je­doch ei­nen em­pi­ri­schen Nach­weis für die be­haup­te­te Un­wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe nicht er­set­zen.

156 Das Vor­brin­gen von Prof. Dr. Bhak­di ist schon aus die­sem Grund nicht ge­eig­net, die sach­ver­stän­di­ge Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und der herr­schen­den fach­wis­sen­schaft­li­chen Mei­nung zur Wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe zu er­schüt­tern. So­weit Prof. Dr. Bhak­di auf me­tho­di­sche Feh­ler ei­ner an ei­ner Zu­las­sungs­stu­die be­tei­lig­ten For­schungs­ein­rich­tung (Ven­ta­via Re­se­arch Group) ver­weist, ist durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung mit Schrift­satz vom 11. Mai 2022 nach­voll­zieh­bar er­läu­tert wor­den, dass die durch In­ves­ti­ga­ti­vjour­na­lis­ten er­ho­be­nen Ein­wän­de nur ei­nen klei­ne­ren Teil der Pro­ban­den be­tref­fen und da­her kei­nen Ein­fluss auf die Er­geb­nis­se der Ge­samt­stu­di­en ha­ben. Prof. Dr. Bhak­di konn­te den Se­nat auch nicht da­von über­zeu­gen, dass die ver­wen­de­ten Impf­stof­fe kei­ne Ver­bes­se­rung der Im­mun­ant­wort auf das SARS-CoV-2-Vi­rus be­wir­ken. Dies ist we­der durch sei­ne Be­haup­tung, die Schutz­imp­fun­gen wür­den nicht zur Bil­dung von Schleim­haut-An­ti­kör­pern füh­ren, dar­ge­tan, noch ist nach­ge­wie­sen, dass die Über­tra­gung von SARS-CoV-2 un­ter Ge­impf­ten nicht er­heb­lich ge­rin­ger oder so­gar hö­her ist als un­ter Un­ge­impf­ten. Prof. Dr. Bhak­di be­zieht sich zum Be­leg sei­ner Ein­schät­zung auf Ver­öf­fent­li­chun­gen, die nach den nach­voll­zieh­ba­ren und schlüs­si­gen Er­läu­te­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz vom 11. Mai 2022 die Be­haup­tun­gen stüt­zen­de Da­ten gar nicht ent­hal­ten bzw. Prof. Dr. Bhak­dis Schluss­fol­ge­run­gen nicht tra­gen.

157 bb) So­weit der An­trag­stel­ler be­fürch­tet, die mRNA-Impf­stof­fe führ­ten zu ei­ner Ver­än­de­rung der mensch­li­chen Ge­no­me, hat sich da­für in der münd­li­chen Ver­hand­lung eben­falls kein wis­sen­schaft­lich trag­fä­hi­ger An­halts­punkt er­ge­ben. Die Wir­kungs­wei­se von mRNA-Impf­stof­fen be­steht dar­in, dass die im Impf­stoff ent­hal­te­ne Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re (mes­sen­ger Ri­bo­nu­cleic Acid = mRNA) ei­ne ge­ne­ti­sche In­for­ma­ti­on ent­hält. Da­mit be­wegt sie die mensch­li­che Ge­we­be­zel­le, in die sie nach der Imp­fung ein­dringt, da­zu, ein be­stimm­tes Pro­te­in her­zu­stel­len, das äu­ßer­lich mit sei­ner spit­zen Form der Ei­wei­ßhül­le des SARS-CoV-2-Vi­rus ent­spricht. Die­ses so­ge­nann­te Spike­pro­te­in wird vom mensch­li­chen Im­mun­sys­tem als Fremd­ei­weiß er­kannt; in der Fol­ge bil­det das Im­mun­sys­tem An­ti­kör­per und Ab­wehr­zel­len ge­gen das Spike­pro­te­in. Ge­langt spä­ter im Rah­men ei­ner In­fek­ti­on das SARS-CoV-2-Vi­rus in ei­nem ähn­li­chen Spike­pro­te­in-Man­tel in den mensch­li­chen Kör­per, weh­ren die vor­han­de­nen An­ti­kör­per und Ab­wehr­zel­len das Vi­rus mit dem Spike­pro­te­in-Man­tel ab.

158 Nach der viel­fach be­schrie­be­nen Wir­kungs­wei­se der mRNA-Tech­no­lo­gie ge­langt die Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re nicht in den Zell­kern der Ge­we­be­zel­le und ver­än­dert das dar­in ent­hal­te­ne Erb­gut nicht. Viel­mehr wen­det sich die künst­li­che mRNA eben­so wie die kör­per­ei­ge­ne mRNA an die für die Ei­wei­ß­pro­duk­ti­on zu­stän­di­gen Tei­le der Zel­le, die Ri­bo­so­men. Dort wird die Bot­schaft der künst­li­chen mRNA ab­ge­le­sen und das Spike­pro­te­in pro­du­ziert (vgl. RKI, Home­page, FAQ, Was wis­sen wir über mRNA-Impf­stof­fe?). Im Ein­klang mit die­sen amt­li­chen Fach­in­for­ma­tio­nen führ­te der Sach­ver­stän­di­ge Dr. med. Dirk Ment­zer, Lei­ter des Re­fe­rats Phar­ma­ko­vi­gi­lanz im Paul-Ehr­lich-In­sti­tut, in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 aus, dass die in der Impf­do­sis ent­hal­te­ne mRNA nur kurz­zei­tig in der mensch­li­chen Zel­le ver­wei­le und nach kur­zer Zeit nicht mehr nach­weis­bar sei. Ein Ein­bau in das mensch­li­che Ge­nom fin­de nicht statt.

159 Das Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers, es han­de­le sich bei der Imp­fung mit ei­nem mRNA-Impf­stoff um ei­ne Gen­the­ra­pie, die das mensch­li­che Ge­nom ver­än­de­re, ist auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Aus­füh­run­gen des Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di nicht be­acht­lich wahr­schein­lich. So­weit sich Prof. Dr. Bhak­di auf ei­ne Stu­die zur Ein­brin­gung von mRNA-Impf­stof­fen in Le­ber­krebs­zel­len be­zieht (Al­den et al., Curr. Is­su­es Mol. Bi­ol., 2022), ist durch Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel im Schrift­satz vom 11. Mai 2022 über­zeu­gend ent­geg­net wor­den, dass die me­tho­di­schen Feh­ler der frag­li­chen Stu­die be­reits im fach­wis­sen­schaft­li­chen Schrift­tum auf­ge­zeigt wur­den und dass ih­re Er­geb­nis­se von an­de­ren For­schern bis­lang nicht re­pro­du­ziert wer­den konn­ten. Un­ab­hän­gig da­von be­steht ihr in wei­te­ren Stu­di­en nicht va­li­dier­tes Er­geb­nis dar­in, dass nach dem Ein­brin­gen ei­nes mRNA-Impf­stoffs in ei­ner Kul­tur von Le­ber­krebs­zel­len DNA-Frag­men­te fest­ge­stellt wur­den. Die­ses Stu­di­en­ergeb­nis trägt die Schluss­fol­ge­run­gen von Prof. Dr. Bhak­di nicht. Denn die Ar­beit lie­fert kei­nen Nach­weis da­für, dass die be­ob­ach­te­ten DNA-Frag­men­te in den Zell­kern wan­dern und in die DNA-Se­quenz in­te­griert wer­den.

160 cc) Für die wie­der­holt vor­ge­tra­ge­ne The­se des An­trag­stel­lers, die mRNA-Imp­fung be­wir­ke im mensch­li­chen Kör­per die Pro­duk­ti­on to­xi­scher Spike­pro­te­ine, feh­len eben­falls aus­rei­chen­de wis­sen­schaft­li­che Be­le­ge. Auch in die­sem Kon­text konn­ten die Fach­leu­te des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr nach­wei­sen, dass die dies­be­züg­li­chen The­sen von Prof. Dr. Bhak­di durch Da­ten der von ihm an­ge­führ­ten Stu­di­en nicht un­ter­mau­ert wer­den. So­weit Prof. Dr. Bhak­di auf Throm­bo­sen, Lun­gen­em­bo­li­en, Le­ber­ent­zün­dun­gen, Myo- oder Pe­ri­kar­di­tis als Fol­ge der in Re­de ste­hen­den Imp­fung ver­weist, zeigt er zwar zu­tref­fend mög­li­che Ri­si­ken ei­ner Imp­fung auf. Die­se sind aber - wie die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und die Er­läu­te­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Ment­zer so­wie die münd­li­chen und schrift­li­chen Er­läu­te­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel er­ga­ben - in der fach­wis­sen­schaft­li­chen Be­wer­tung der Impf­ri­si­ken als sol­che be­kannt. Dass die­se Impf­kom­pli­ka­tio­nen kau­sal auf ei­ner be­son­de­ren To­xi­zi­tät der vom Kör­per pro­du­zier­ten Spike­pro­te­ine be­ru­hen, ist da­mit nicht be­legt.

161 dd) Schlie­ß­lich hat sich im Rah­men der Be­weis­auf­nah­me auch der vom An­trag­stel­ler mehr­fach vor­ge­tra­ge­ne Ver­dacht nicht er­här­tet, die in den mRNA-Impf­stof­fen ver­wen­de­ten Na­no­li­pi­de sei­en hoch ent­zün­dungs­er­re­gend und be­son­ders ge­sund­heits­schäd­lich. Es trifft zwar zu, dass in den Impf­stof­fen "Co­mirna­ty" und "Spik­e­vax" je­weils un­ter­schied­li­che Na­no­li­pi­de als äu­ße­re Hül­le der mRNA ver­wen­det wer­den. Denn oh­ne die­se Ver­pa­ckung wür­de die sehr emp­find­li­che Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re Trans­port­schä­den er­lei­den und ih­ren in­tra­zel­lu­lä­ren Wir­kort nicht un­ver­sehrt er­rei­chen. Bei die­sen Na­no­li­pi­den han­delt es sich um Sub­stan­zen im Grö­ßen­be­reich von Mil­li­ons­tel-Mil­li­me­tern (Na­no), die aus be­stimm­ten Fet­ten (Li­pos) be­stehen. Die Na­no­li­pi­de sind kör­per­ei­ge­nen Li­pi­den sehr ähn­lich und wer­den in dem kör­per­ei­ge­nen Fett­stoff­wech­sel ab­ge­baut. Die Trans­fer­tech­no­lo­gie mit Na­no­li­pi­den fin­det schon seit über 20 Jah­ren in an­de­ren phar­ma­zeu­ti­schen Be­rei­chen An­wen­dung, oh­ne dass de­ren ge­sund­heit­li­che Ver­träg­lich­keit in Fra­ge ge­stellt wor­den wä­re (PEI, Was wis­sen wir über die Si­cher­heit der Li­pidna­no­par­ti­kel in mRNA-Impf­stof­fen? Home­page-Bei­trag vom 8. Ja­nu­ar 2021).

162 Ei­ne be­son­de­re Schäd­lich­keit der in den mRNA-Impf­stof­fen ent­hal­te­nen Na­no­li­pi­de ist bis­lang eben­falls nicht wis­sen­schaft­lich be­legt. Die von Prof. Dr. Bhak­di zum Nach­weis in die­sem Kon­text an­ge­führ­te Stu­die (Ndeu­pen et al., iSci­ence, 2021) be­legt kei­ne Fehl­ein­schät­zun­gen in der Ri­si­ko­be­wer­tung. Die Stu­die be­schäf­tigt sich mit Tier­ex­pe­ri­men­ten an Mäu­sen, de­nen mRNA-Impf­stof­fe in ho­her Kon­zen­tra­ti­on un­ter die Haut, in die Mus­keln so­wie in die Na­se und Atem­we­ge ge­spritzt wor­den sind. Die ent­zünd­li­chen Re­ak­tio­nen in der Haut und im Mus­kel­ge­we­be be­wer­te­ten die Au­to­ren als Aus­druck ei­ner be­ab­sich­tig­ten Ak­ti­vie­rung des Im­mun­sys­tems. Die In­jek­ti­on des Impf­stof­fes in die Na­sen der Tie­re er­folg­te, weil auch die Mög­lich­keit ei­ner in­tra­na­sa­len Impf­stoff­an­wen­dung un­ter­sucht wer­den soll­te. Al­ler­dings star­ben 80 % der Ver­suchs­tie­re dar­an, dass zu gro­ße Men­gen des Impf­stoffs in ih­re Lun­gen ge­rie­ten. Die Au­to­ren der Stu­die schlie­ßen dar­aus, dass bei ei­ner na­sa­len An­wen­dung des Impf­stof­fes die Op­ti­mie­rung des ver­ab­reich­ten Vo­lu­mens von we­sent­li­cher Be­deu­tung sei. Ei­ne auf ein Vier­tel ver­rin­ger­te Do­sis über­leb­ten al­le Ver­suchs­tie­re.

163 Wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel zu­tref­fend aus­ge­führt hat, be­legt die­se Stu­die ne­ben be­kann­ten Ne­ben­wir­kun­gen der mRNA-Impf­stof­fe al­len­falls die Gren­zen der Aus­sa­ge­kraft von Tier­ver­su­chen. Ei­nen Be­leg für "hoch­gif­ti­ge Ei­gen­schaf­ten der Impf­stoff-Ver­pa­ckung" lie­fert sie nicht. Das­sel­be gilt für die von den Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers wie­der­holt her­an­ge­zo­ge­ne Zu­las­sungs­stu­die an Rat­ten. Auch de­ren Haut­aus­schlä­ge und Ent­zün­dun­gen sind nach ei­ner über­do­sier­ten Ga­be des Ge­samt­impf­stoffs ent­stan­den und be­le­gen im Tier­ver­such Ne­ben­wir­kun­gen des Impf­stoffs, oh­ne dass ei­ne spe­zi­fi­sche Ur­säch­lich­keit der Na­no­li­pi­de un­ter­sucht oder be­wie­sen wor­den wä­re.

164 ee) Für die vom An­trag­stel­ler mehr­fach be­haup­te­te Ge­fahr, dass bei der Co­vid-19-Imp­fung ver­un­rei­nig­te mRNA-Impf­stoff­char­gen zum Ein­satz kä­men, ha­ben sich im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren eben­falls kei­ne An­halts­punk­te er­ge­ben. Der Se­nat ist die­ser Fra­ge un­ab­hän­gig da­von nach­ge­gan­gen, dass die Un­be­denk­lich­keit ein­zel­ner Impf­stoff­char­gen nicht Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ist. Im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren geht es nicht um die Um­set­zung der in­di­vi­du­el­len Imp­fung, son­dern die An­ord­nung der all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht für die Co­vid-19-Imp­fung. Al­ler­dings ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung des Dienst­herrn auch da­bei an­ders aus­fal­len könn­te, wenn nach der Or­ga­ni­sa­ti­on der Char­gen­prü­fung sys­tem­be­dingt und grund­sätz­lich die Ge­fahr von Ver­un­rei­ni­gun­gen und nicht zu­ge­las­se­nen Ver­än­de­run­gen be­stün­de.

165 Zu­nächst ist al­ler­dings fest­zu­stel­len, dass der An­trag­stel­ler selbst die an­ge­nom­me­ne Ge­fahr le­dig­lich mit va­gen Be­fürch­tun­gen von Ver­un­rei­ni­gun­gen, Bei­mi­schun­gen oder an­de­ren Zu­sam­men­set­zungs­ver­än­de­run­gen be­grün­det hat. Sei­ne Be­voll­mäch­tig­ten ha­ben zwar dar­auf ver­wie­sen, dass es in den USA ei­ne von Impf­skep­ti­kern be­trie­be­ne In­ter­net-Da­ten­bank mit dem Ti­tel "How bad is my batch" ge­be, in der Be­trof­fe­ne ih­re Impf­schä­den und ih­re Impf­char­ge ein­ge­tra­gen hät­ten. Dar­aus las­se sich ab­le­sen, dass we­ni­ge Char­gen der Impf­stof­fe ei­nen Gro­ß­teil der schwer­wie­gen­den Impf­ne­ben­wir­kun­gen ver­ur­sacht hät­ten. Dass die­se In­ter­net­be­rich­te sich im Rah­men ei­ner un­ab­hän­gi­gen wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­su­chung als rich­tig er­wie­sen hät­ten, ist al­ler­dings we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich. Hin­zu kommt, dass et­wai­ge Män­gel der Char­gen­prü­fung in den USA nichts über die Qua­li­tät der Char­gen­prü­fung in Eu­ro­pa und spe­zi­ell in Deutsch­land aus­sa­gen wür­den. Der An­trag­stel­ler hat auch nicht plau­si­bel ge­macht, dass es im eu­ro­päi­schen Raum be­reits zu Ver­un­rei­ni­gun­gen bei ein­zel­nen Impf­stoff­char­gen ge­kom­men wä­re; fer­ner hat er nicht nä­her kon­kre­ti­siert, nach wel­chen, nicht zu­ge­las­se­nen Bei­mi­schun­gen das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut als die für die Char­gen­kon­trol­le nach § 32 Abs. 1 i. V. m. § 77 Abs. 2 AMG zu­stän­di­ge Bun­des­be­hör­de zu­sätz­lich su­chen soll­te und wel­che po­ten­ti­el­len, nicht bloß theo­re­tisch mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken da­mit mi­ni­miert wer­den könn­ten.

166 Der Se­nat hat sich des­sen un­ge­ach­tet durch den für die Char­gen­frei­ga­be zu­stän­di­gen Fach­ge­biets­lei­ter des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts, den Sach­ver­stän­di­gen Dr. med. Ralf Wag­ner, das Sys­tem der Char­gen­prü­fung in sei­ner prak­ti­schen Um­set­zung er­läu­tern las­sen. Da­nach führt das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut die Kon­trol­len in en­ger Ab­stim­mung mit den für die Char­gen­qua­li­tät der Her­stel­ler ver­ant­wort­li­chen sach­kun­di­gen Per­so­nen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1, §§ 15, 19 AMG) durch. Es prüft nicht nur die von den sach­kun­di­gen Per­so­nen durch­ge­führ­ten Qua­li­täts­un­ter­su­chun­gen und vor­ge­leg­ten Gut­ach­ten, son­dern führt selbst bei je­der Char­ge die Ana­ly­se ei­ner Impf­stoff­pro­be durch. Da­zu ge­hört die ein­lei­ten­de Sicht­kon­trol­le auf Ver­fär­bun­gen. Wich­ti­ger sind al­ler­dings die nach ei­nem stan­dar­di­sier­ten Ab­lauf­plan durch­ge­führ­ten La­bor­kon­trol­len. Es wird ins­be­son­de­re un­ter­sucht, ob in der Pro­be ei­ne den Zu­las­sungs­un­ter­la­gen ent­spre­chen­de Men­ge an Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­ren vor­han­den ist und ob sie die vor­ge­se­he­ne Kon­sis­tenz und Län­ge ha­ben. Der Sach­ver­stän­di­ge hat er­läu­tert, dass dies für die Wir­kungs­wei­se der Imp­fung be­son­ders be­deut­sam ist. Bei den mRNA-Impf­stof­fen hand­le es sich im Hin­blick auf Ver­un­rei­ni­gun­gen um ver­gleichs­wei­se un­kri­ti­sche Prä­pa­ra­te, weil au­ßer der mRNA und der sie um­ge­ben­den Na­no­li­pi­de nur kla­re Flüs­sig­keit ent­hal­ten sei.

167 Auch die Be­fra­gung des zu­stän­di­gen Fach­ge­biets­lei­ters Dr. Wag­ner durch die vom An­trag­stel­ler hin­zu­ge­zo­ge­nen Par­tei­sach­ver­stän­di­gen hat nicht zu ei­ner Sub­stan­ti­ie­rung und Kon­kre­ti­sie­rung der va­gen Be­fürch­tun­gen des An­trag­stel­lers oder zum Nach­weis ei­ner Kon­troll­lü­cke ge­führt. Un­er­heb­lich ist, dass nach de­ren Ein­schät­zung ein an­de­rer Ab­lauf der Prü­fung ef­fek­ti­ver oder zu­sätz­li­che Tests mög­lich wä­ren. Denn es geht im vor­lie­gen­den Fall nicht um die Fra­ge, wel­che Maß­nah­men zur Op­ti­mie­rung der Char­gen­kon­trol­len mög­lich sind, son­dern ob das be­stehen­de Kon­troll­ni­veau aus­reicht, um mit ho­her Wahr­schein­lich­keit die Ge­fahr ei­ner Ge­sund­heits­schä­di­gung durch ver­un­rei­nig­te oder sonst man­gel­haft pro­du­zier­te Impf­stof­fe zu ver­hin­dern. Der Se­nat ist auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­den­ken des An­trag­stel­lers da­von über­zeugt, dass die Char­gen­prü­fung, so wie sie nach Ma­ß­ga­be gel­ten­den Rechts von den zu­stän­di­gen Prüf­ein­rich­tun­gen re­gel­mä­ßig ge­hand­habt wird, ge­eig­net ist, ei­ne kon­stant glei­che, ver­un­rei­ni­gungs­freie Zu­sam­men­set­zung der Impf­stof­fe mit sehr ho­her Wahr­schein­lich­keit zu ge­währ­leis­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund ist nicht zu be­an­stan­den, dass der Dienst­herr die Ver­wen­dung von Impf­stof­fen vor­sieht, die die­se Kon­troll­me­cha­nis­men be­an­stan­dungs­frei pas­siert ha­ben.

168 d) Schlie­ß­lich ist es dem An­trag­stel­ler auch nicht ge­lun­gen, die Aus­sa­ge­kraft des Si­cher­heits­be­richts des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts als sach­ver­stän­di­ge amt­li­che Aus­kunft über un­er­wünsch­te Impf­ne­ben­wir­kun­gen durch den Ver­weis auf an­de­re Er­kennt­nis­quel­len oder die an­der­wei­ti­ge Ein­schät­zung von Ex­per­ten zu er­schüt­tern.

169 aa) In dem zur ge­mein­sa­men Ver­hand­lung ver­bun­de­nen Ver­fah­ren sind dem Ge­richt zahl­rei­che Ein­zel­be­rich­te von Impf­ne­ben­wir­kun­gen, Re­por­ta­gen, Pres­se­be­rich­te, Stel­lung­nah­men impf­kri­ti­scher Ärz­te und An­wäl­te, deutsch- und fremd­spra­chi­ge In­ter­net-Links so­wie das Sach­buch ei­ner An­wäl­tin zum Nach­weis ei­ner we­sent­lich hö­he­ren Quo­te an Impf­kom­pli­ka­tio­nen und impf­be­ding­ten To­des­fäl­len vor­ge­legt wor­den. Es wur­de fer­ner an­ge­regt, ein­zel­ne impf­ge­schä­dig­te Sol­da­ten an­zu­hö­ren, und be­an­tragt, ei­ne ame­ri­ka­ni­sche Ärz­tin und ei­nen ame­ri­ka­ni­schen Rechts­an­walt zu Impf­schä­den in den Streit­kräf­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten als Zeu­gen zu ver­neh­men. Die­ses Vor­brin­gen war je­doch nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Auf­ga­be die­ses Ge­richts­ver­fah­rens ist es nicht, Ein­zel­fäl­len oder Mei­nun­gen von Blog­gern, Jour­na­lis­ten und Sach­buch­au­to­ren nach­zu­ge­hen oder be­haup­te­te Impf­ne­ben­wir­kun­gen im Aus­land zu er­for­schen. Der Se­nat hat dies in ver­schie­de­nen recht­li­chen Hin­wei­sen wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung und in den Be­weis­be­schlüs­sen vom 1., 8., 16. und 28. Ju­ni 2022 deut­lich ge­macht, so­dass hier­auf noch ein­mal ver­wie­sen wer­den kann.

170 Un­ter­su­chungs­ge­gen­stand die­ses Ver­fah­rens ist viel­mehr die Fra­ge, in wel­chem sta­tis­ti­schen Um­fang der Dienst­herr bei Ein­füh­rung und Bei­be­hal­tung der Dul­dungs­pflicht für Co­vid-19-Imp­fun­gen mit un­er­wünsch­ten Ne­ben­wir­kun­gen der zu­ge­las­se­nen und ins­be­son­de­re der von ihm ver­wen­de­ten Impf­stof­fe rech­nen muss­te. Ma­ß­geb­lich sind da­bei die bei der Ent­schei­dung des Dienst­herrn vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se. Die in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ver­öf­fent­lich­ten Zah­len sind nach wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den er­mit­telt wor­den und konn­ten als amt­li­che Aus­kunft über die­se Fra­ge vom Dienst­herrn ver­wer­tet und in das ge­richt­li­che Ver­fah­ren ein­ge­führt wer­den. De­ren sta­tis­ti­sche Rich­tig­keit wird durch Ein­zel­fall­be­rich­te und nicht-wis­sen­schaft­li­che Mei­nungs­äu­ße­run­gen nicht er­schüt­tert. Auch so­weit der An­trag­stel­ler wie­der­holt aus ei­nem Schrei­ben der Fa. BioNTech zi­tiert hat, in dem das Un­ter­neh­men aus An­lass sei­nes Bör­sen­gangs die Ka­pi­tal­an­le­ger auf di­ver­se denk­ba­re Ri­si­ken im Be­reich der Impf­stoff­her­stel­lung hin­ge­wie­sen hat, folgt dar­aus nichts für die tat­säch­li­chen Ri­si­ken der da­nach mit Hil­fe der Ka­pi­tal­er­hö­hung kon­kret pro­du­zier­ten mRNA-Impf­stof­fe. Es sind auch kei­ne nach­voll­zieh­ba­ren An­halts­punk­te da­für vor­ge­tra­gen wor­den, dass Wirk­stoff­be­stand­tei­le des Impf­stoffs von Ge­impf­ten an Un­ge­impf­te über­tra­gen wer­den kön­nen.

171 bb) Kei­nen Er­kennt­nis­ge­winn ver­mit­teln auch die Hin­wei­se des An­trag­stel­lers auf noch lau­fen­de wis­sen­schaft­li­che For­schun­gen von Prof. Dr. Schirma­cher (Hei­del­berg) und Prof. Dr. Mat­thes (Ber­lin). In ver­schie­de­nen Me­di­en ist zwar dar­über spe­ku­liert wor­den, dass die­se Stu­di­en Nach­wei­se für ei­ne hö­he­re Dun­kel­zif­fer an Impf­t­o­ten oder für ein we­sent­lich hö­he­res Ni­veau an un­er­wünsch­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen er­ge­ben könn­ten. Dem kann im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren je­doch nicht nach­ge­gan­gen wer­den, weil nicht ab­ge­schlos­se­ne wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en - wie der Se­nat im Be­weis­be­schluss vom 8. Ju­ni 2022 deut­lich ge­macht hat - nicht zum ak­tu­el­len Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se ge­hö­ren. Es bleibt ab­zu­war­ten, wel­che Er­geb­nis­se die­se wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en im Ein­zel­nen er­brin­gen und ob sie ei­ner kri­ti­schen Über­prü­fung in der Fach­wis­sen­schaft stand­hal­ten. Der Dienst­herr ist zwar bei der dau­er­haf­ten An­ord­nung ei­ner Impf­dul­dungs­pflicht ge­hal­ten, de­ren Ver­hält­nis- und Recht­mä­ßig­keit stän­dig zu über­wa­chen. Dies be­deu­tet auch, dass er sich mit dem neu­es­ten Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se über die­se Imp­fung be­fas­sen muss. Er muss und kann bei sei­ner Ent­schei­dung für die Bei­be­hal­tung ei­ner Imp­fung aber nur ver­öf­fent­lich­te und va­li­dier­te Stu­di­en zu­grun­de le­gen.

172 cc) Auch die Aus­füh­run­gen der Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di und Prof. Dr. Käm­me­rer ha­ben nicht wis­sen­schaft­lich be­le­gen kön­nen, dass die Co­vid-19-Impf­stof­fe an­de­re oder grö­ße­re Ri­si­ken mit sich brin­gen als in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und den Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on be­reits be­rück­sich­tigt. Ins­be­son­de­re hat Prof. Dr. Bhak­di - wie oben aus­ge­führt - nicht plau­si­bel dar­ge­tan, dass die in den mRNA-Impf­stof­fen als Trä­ger­sub­stan­zen ver­wen­de­ten Na­no­li­pid­par­ti­kel ge­sund­heits­schä­di­gend wä­ren, dass die im Impf­stoff ent­hal­te­ne Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re das mensch­li­che Erb­gut ver­än­dern könn­te oder dass die vom Kör­per pro­du­zier­ten Spike­pro­te­ine to­xisch wä­ren. Das­sel­be gilt für die ent­spre­chen­den Aus­füh­run­gen von Frau Prof. Dr. Käm­me­rer in der münd­li­chen Ver­hand­lung am 7. Ju­ni 2022, die eben­falls nicht auf ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren Aus­wer­tung des For­schungs­stan­des be­ru­hen.

173 Auch im Üb­ri­gen ist der Se­nat auf der Grund­la­ge der fun­dier­ten münd­li­chen und schrift­li­chen Er­läu­te­run­gen der Ober­st­ärz­te Prof. Dr. Wöl­fel und Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel über­zeugt, dass die von Prof. Dr. Bhak­di ge­äu­ßer­ten Be­fürch­tun­gen durch Da­ten der von ihm an­ge­führ­ten Stu­di­en nicht un­ter­mau­ert wer­den. So­weit Prof. Dr. Bhak­di zur Plau­si­bi­li­sie­rung sei­ner The­sen auf das Ri­si­ko impf­be­ding­ter Throm­bo­sen, Lun­gen­em­bo­li­en, Le­ber­ent­zün­dun­gen, Myo- oder Pe­ri­kar­di­tis ver­weist, han­delt es sich um be­reits be­kann­te mög­li­che Impf­kom­pli­ka­tio­nen, de­ren Auf­tre­ten und Häu­fig­keit in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts be­reits er­fasst sind. Prof. Dr. Bhak­di konn­te nicht be­le­gen, dass die Ri­si­ken der­ar­ti­ger Impf­ne­ben­wir­kun­gen si­gni­fi­kant hö­her sind als in der amt­li­chen Ri­si­ko­be­schrei­bung des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts an­ge­ge­ben. Ei­ne sta­tis­tisch hö­he­re Re­le­vanz ein­zel­ner Impf­kom­pli­ka­tio­nen er­gibt sich ins­be­son­de­re nicht aus dem Ver­weis auf me­di­zi­ni­sche Fall­be­rich­te über Ein­zel­schick­sa­le, die nicht ins Ver­hält­nis zur Zahl der Imp­fun­gen ge­setzt wer­den.

174 Die münd­lich wie schrift­lich vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik der Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers an den Ge­gen­ar­gu­men­ten des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr ver­an­lasst den Se­nat zu kei­ner an­de­ren Ein­schät­zung. Dar­in wer­den kei­ne grund­le­gend neu­en fach­li­chen Ar­gu­men­te vor­ge­tra­gen, son­dern nur die be­kann­ten Kern­the­sen von Prof. Dr. Bhak­di um­fang­reich wie­der­holt, oh­ne dass die Rich­tig­keit der vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut in sei­nem Si­cher­heits­be­richt zur Ver­fü­gung ge­stell­ten amt­li­chen Aus­kunft durch­grei­fend er­schüt­tert wä­re. Dies er­gibt sich ins­be­son­de­re auch nicht aus dem Ver­weis auf fach­wis­sen­schaft­li­che Ein­zel­stim­men und -stu­di­en, die sich - wie Prof. Dr. Bhak­di - mit ih­rer Kri­tik an der me­di­zi­ni­schen Mehr­heits­mei­nung in der wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on nicht durch­set­zen konn­ten.

175 dd) Auch bei Wür­di­gung des münd­li­chen und schrift­li­chen Vor­tra­ges des pen­sio­nier­ten Pa­tho­lo­gen Prof. Dr. med. Ar­ne Burk­hardt ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ri­si­ko­ein­schät­zung der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts auf ver­läss­li­cher Grund­la­ge be­ru­hen. Der Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ist ins­be­son­de­re nicht des­we­gen feh­ler­haft, weil er die von Prof. Dr. Burk­hardt be­haup­te­ten Ob­duk­ti­ons­nach­wei­se von 40 wei­te­ren Impf­t­o­ten höchst­wahr­schein­lich nicht be­rück­sich­tigt. Es ist nicht zu be­an­stan­den, wenn ei­ne Fach­be­hör­de bei der ihr ob­lie­gen­den Ri­si­ko­ein­schät­zung nur sol­che mut­ma­ß­li­chen Impf­scha­dens­fäl­le er­fasst, die ihr ord­nungs­ge­mäß ge­mel­det wer­den. Prof. Dr. Burk­hardt hat aber selbst nicht aus­ge­führt, dass er die von ihm un­ter­such­ten Impf­scha­dens­fäl­le un­ter Nen­nung von Na­men, Adres­se, To­des- und Impf­zeit­punkt, Impf­char­ge etc. an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ge­mel­det und die­ser Be­hör­de da­mit die Mög­lich­keit ei­ner Nach­prü­fung er­öff­net hat. Es ist da­mit völ­lig un­klar, ob es sich um in- oder aus­län­di­sche Fäl­le han­delt und ob die An­ge­hö­ri­gen die­se Fäl­le nicht teil­wei­se be­reits dem Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ge­mel­det ha­ben.

176 Auch der Dienst­herr war nicht ver­pflich­tet, auf­grund der von Prof. Dr. Burk­hardt in Zei­tun­gen und im In­ter­net ver­brei­te­ten Er­geb­nis­se von zwei so­ge­nann­ten "Pa­tho­lo­gie-Kon­fe­ren­zen" oder auf­grund sei­ner Aus­füh­run­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung am 2. Mai 2022 von ei­ner er­heb­li­chen Dun­kel­zif­fer an Impf­t­o­ten aus­zu­ge­hen, die bei der Ri­si­ko­ein­schät­zung der ge­nann­ten In­sti­tu­tio­nen nicht be­rück­sich­tigt wä­re. Denn bei der Ri­si­ko­ein­schät­zung von Impf­stof­fen kön­nen nur Pu­bli­ka­tio­nen zu pa­tho­lo­gi­schen Be­fun­den be­rück­sich­tigt wer­den, die an­er­kann­ten fach­wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­täts­stan­dards ge­nü­gen.

177 Die The­sen und Be­fun­de von Prof. Dr. Burk­hardt sind nie ei­nem "peer-re­view" durch un­ab­hän­gi­ge Wis­sen­schaft­ler un­ter­zo­gen und auch nicht in ei­ner Form ver­öf­fent­licht wor­den, die ei­ne sol­che Kon­trol­le er­laubt. Wie er in der münd­li­chen Ver­hand­lung ein­ge­räumt hat, be­ru­hen sei­ne Er­geb­nis­se auf von ihm und ei­nem Kol­le­gen durch­ge­führ­ten Nach­un­ter­su­chun­gen von Pro­ben, die aus nicht von ih­nen selbst durch­ge­führ­ten Ob­duk­tio­nen stam­men. Da­mit sind sie - wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 11. Mai 2022 nach­voll­zieh­bar er­läu­tert hat - man­gels ei­nes Nach­wei­ses der Ein­hal­tung von Qua­li­täts­richt­li­ni­en von nur ein­ge­schränk­ter Aus­sa­ge­kraft. Hin­zu kommt, dass nach der plau­si­blen Ein­schät­zung von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel für ei­ne Be­wer­tung der dar­ge­stell­ten Be­fun­de wei­te­re In­for­ma­tio­nen - ins­be­son­de­re ei­ne er­gän­zen­de Ana­mne­se der un­ter­such­ten To­des­fäl­le und ei­ne voll­stän­di­ge Dar­stel­lung der Me­tho­dik der durch­ge­führ­ten Un­ter­su­chun­gen - er­for­der­lich wä­ren.

178 Vor die­sem Hin­ter­grund sind al­ters­ty­pi­sche Vor­er­kran­kun­gen als al­ter­na­ti­ve To­des­ur­sa­chen für die von Prof. Dr. Burk­hardt nach­un­ter­such­ten To­des­fäl­le nicht mit ei­nem hin­rei­chen­den Grad an Wahr­schein­lich­keit aus­zu­schlie­ßen. Die be­haup­te­te Kau­sa­li­tät von Imp­fung und To­des­fall ist da­mit schon für die von Prof. Dr. Burk­hardt un­ter­such­ten 40 Fäl­le nicht hin­rei­chend be­legt. Da­mit fehlt es sei­ner Be­haup­tung ei­ner ho­hen Dun­kel­zif­fer an Impf­t­o­ten an ei­ner hin­rei­chen­den Tat­sa­chen­grund­la­ge. Die me­tho­di­schen Män­gel der Be­f­und­dar­stel­lung von Prof. Dr. Burk­hardt sind auch nicht durch sei­ne nach­ge­reich­te schrift­li­che Stel­lung­nah­me und die Kri­tik des An­trag­stel­lers an den Ein­wän­den von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel aus­ge­räumt.

179 ee) Fer­ner er­bringt auch die Pres­se­ver­öf­fent­li­chung der Be­triebs­kran­ken­kas­se (BKK) Pro­Vi­ta vom 24. Fe­bru­ar 2022 kei­nen Nach­weis für we­sent­lich hö­he­re Ne­ben­wir­kun­gen. Dar­in hat­te der frü­he­re Vor­stand der BKK Pro­Vi­ta, An­dre­as Schöf­beck, er­klärt, ei­ne Ana­ly­se der ärzt­li­chen Ab­rech­nungs­da­ten durch sein Haus ha­be er­ge­ben, dass bei al­len Deut­schen Be­triebs­kran­ken­kas­sen in den ers­ten zwei­ein­halb Quar­ta­len des Jah­res 2021 in 216 695 Fäl­le Ne­ben­wir­kun­gen ei­ner Co­ro­na-Imp­fung ge­mel­det wor­den sei­en. Ei­ne Hoch­rech­nung auf das Ge­samt­jahr und auf die Be­völ­ke­rung in Deutsch­land er­ge­be, dass sich ver­mut­lich 2,5 bis 3 Mil­lio­nen Men­schen in Deutsch­land we­gen Impf­ne­ben­wir­kun­gen in ärzt­li­che Be­hand­lung be­ge­ben hät­ten, was et­wa 5 % der Ge­impf­ten ent­spre­che. Die­se Ana­ly­se ist un­ter Mit­wir­kung des in der münd­li­chen Ver­hand­lung als Par­tei­gut­ach­ter des An­trag­stel­lers er­schie­ne­nen Da­ten­ana­lys­ten Tom Lau­sen er­stellt wor­den. In ei­nem gleich­zei­tig ver­öf­fent­lich­ten of­fe­nen Brief for­der­te An­dre­as Schöf­beck das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut auf, sei­ne An­ga­ben im Si­cher­heits­be­richt für die Co­vid-19-Imp­fung von 0,3 % ge­mel­de­ter Fäl­le zu kor­ri­gie­ren.

180 Die in die­sen Pres­se­ver­öf­fent­li­chun­gen ge­mach­ten An­ga­ben sind nicht be­legt wor­den. Ins­be­son­de­re ist die Quel­le der Da­ten, die Grund­la­ge der Ana­ly­se ge­we­sen sein soll, nicht nach­voll­zieh­bar. Der BKK Dach­ver­band stell­te in ei­ner Mit­tei­lung vom 24. Fe­bru­ar 2022 klar, dass die ver­wen­de­ten Da­ten nicht von ihm stamm­ten (vgl. www.​aer​zteb​latt.​de/​nac​hric​hten/​132101). Nach Be­kannt­wer­den der Schrei­ben di­stan­zier­te sich die BKK Pro­Vi­ta von An­dre­as Schöf­beck und des­sen Ana­ly­se. In meh­re­ren Pres­se­mit­tei­lun­gen wies sie dar­auf hin, dass die Ver­öf­fent­li­chun­gen un­ab­ge­stimmt, un­ter ge­ziel­ter Um­ge­hung von Kon­troll­gre­mi­en und Fach­ab­tei­lun­gen der BKK Pro­Vi­ta er­folgt sei und nicht den ak­tu­el­len Wis­sens­stand und die Hal­tung der Kas­se wi­der­spieg­le, son­dern von der per­sön­li­chen Hal­tung des Vor­stands ge­gen die Co­ro­na-Imp­fung ge­prägt sei. Der Ver­wal­tungs­rat der BKK Pro­Vi­ta be­schloss als Kon­se­quenz am 1. März 2022 des­sen Ent­las­sung (vgl. BKK Pro­Vi­ta, Pres­se­mit­tei­lun­gen vom 1. März, 3. März und 11. April 2022).

181 Auch im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren konn­te nur fest­ge­stellt wer­den, dass die vom An­trag­stel­ler zi­tier­te Pres­se­mel­dung der BKK Pro­Vi­ta vom 24. Fe­bru­ar 2022 über we­sent­lich hö­he­re Impf­ne­ben­wir­kun­gen kei­ne ver­wert­ba­ren Er­kennt­nis­se er­bringt und dass auch die zu­grun­de­lie­gen­de Ana­ly­se man­gels trans­pa­ren­ter Da­ten­grund­la­ge und nach­voll­zieh­ba­rer Aus­wer­tung un­ge­eig­net ist, Aus­sa­gen über mel­de­pflich­ti­ge Ne­ben­wir­kun­gen der Co­vid-19-Imp­fung zu tref­fen. So­weit der An­trag­stel­ler in der münd­li­chen Ver­hand­lung den Da­ten­ana­lys­ten Tom Lau­sen als Par­tei­sach­ver­stän­di­gen bei­ge­zo­gen und die­ser un­ter Be­zug­nah­me auf die ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Da­ten auch vor Ge­richt ei­ne we­sent­lich hö­he­re Quo­te an Impf­ne­ben­wir­kun­gen be­haup­tet hat, ist auch die­se Ana­ly­se letzt­lich nur ei­ne wis­sen­schaft­lich nicht be­leg­te Ein­schät­zung auf un­kla­rer und in­trans­pa­ren­ter Er­kennt­nis­grund­la­ge. Der­ar­ti­ge Da­ten­ana­ly­sen ver­mö­gen den Be­weis­wert der amt­li­chen Aus­künf­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts in sei­nen Si­cher­heits­be­rich­ten über die Zahl der ge­mel­de­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen nicht zu er­schüt­tern.

182 e) Schlie­ß­lich ver­mag auch die um­fang­rei­che Kri­tik des An­trag­stel­lers und sei­ner Par­tei­sach­ver­stän­di­gen an den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts de­ren Be­weis­wert als amt­li­che Aus­künf­te über die in Deutsch­land be­ob­ach­te­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen bei der Co­vid-19-Imp­fung nicht zu er­schüt­tern.

183 aa) So­weit der An­trag­stel­ler die Rich­tig­keit der vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut vor­ge­leg­ten Zah­len da­mit be­strit­ten hat, dass des­sen Re­prä­sen­tan­ten zu sehr mit der Phar­ma­in­dus­trie zu­sam­men­ar­bei­te­ten und dass de­ren wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen ge­gen ei­ne neu­tra­le Amts­aus­übung sprä­chen, sind die­se Be­haup­tun­gen un­sub­stan­ti­iert ge­blie­ben und nicht ge­eig­net, die Neu­tra­li­tät der In­sti­tu­ti­on in Fra­ge zu stel­len. Auch so­weit im­mer wie­der ein er­heb­li­ches "Un­der­re­por­ting" von Ne­ben­wir­kun­gen be­klagt wor­den ist, ist zu­nächst fest­zu­hal­ten, dass es kei­ne greif­ba­ren An­halts­punk­te da­für gibt, dass die beim Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ein­ge­gan­ge­nen Mel­dun­gen nicht ord­nungs­ge­mäß er­fasst und nicht im Si­cher­heits­be­richt auf­ge­lis­tet wor­den wä­ren. Der The­se, dass die Be­trof­fe­nen und die be­han­deln­den Ärz­te zu we­nig Impf­re­ak­tio­nen und Impf­kom­pli­ka­tio­nen mel­den, hat der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer zu­ge­stimmt. Al­ler­dings gibt es für den Um­fang die­ses "Un­der­re­por­ting" der­zeit kei­ne be­last­ba­ren Zah­len. Der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­führt, nach sei­ner Ein­schät­zung ge­be es zwar ein so­ge­nann­tes "Un­der­re­por­ting" im Be­reich der we­ni­ger schwe­ren Ne­ben­wir­kun­gen der Imp­fung, nicht aber im Be­reich der schwe­ren Impf­schä­den. Die­se Ein­schät­zung ist auch über­zeu­gend. Pa­ti­en­ten und Ärz­te wer­den im Be­reich we­ni­ger schwer­wie­gen­der Impf­ne­ben­wir­kun­gen von Mel­dun­gen an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut eher ab­se­hen, wenn die Be­trof­fe­nen nach kur­zer Be­hand­lungs­dau­er wie­der ge­ne­sen sind. Hin­ge­gen be­steht bei schwe­ren und schwers­ten Impf­kom­pli­ka­tio­nen ein er­heb­li­ches In­ter­es­se an der Mel­dung. In die­sen Fäl­len sind ei­ner­seits die Ärz­te zur Mel­dung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG ver­pflich­tet und an­de­rer­seits die Be­trof­fe­nen an ei­ner Er­fas­sung als Impf­ge­schä­dig­te in­ter­es­siert. Es be­steht da­her ei­ne er­heb­li­che Wahr­schein­lich­keit, dass auch die Be­trof­fe­nen von der je­der­mann er­öff­ne­ten Mel­de­mög­lich­keit Ge­brauch ma­chen. Va­li­de Da­ten, die ein an­de­res Mel­de­ver­hal­ten der Be­tei­lig­ten be­le­gen kön­nen, hat auch der Par­tei­sach­ver­stän­di­ge Lau­sen nicht vor­ge­legt.

184 bb) Die Va­li­di­tät und Aus­sa­ge­kraft der Be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts wird nicht da­durch in­fra­ge ge­stellt, dass die Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen ih­rer Pflicht, ge­mäß § 13 Abs. 5 IfSG be­stimm­te pseud­ony­mi­sier­te Pa­ti­en­ten- und Ver­sor­gungs­da­ten an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut zu über­mit­teln, bis­her nicht nach­ge­kom­men sind.

185 Die Be­stim­mung des § 13 Abs. 5 IfSG sah ur­sprüng­lich nur ei­ne Da­ten­über­mitt­lung an das Ro­bert-Koch-In­sti­tut für Zwe­cke der Fest­stel­lung der In­an­spruch­nah­me von Schutz­imp­fun­gen und von Impf­ef­fek­ten (Impfsur­veil­lan­ce) vor (vgl. BT-Drs. 19/13452 S. 24 f.). Die­se Re­ge­lung wur­de durch das Drit­te Ge­setz zum Schutz der Be­völ­ke­rung bei ei­ner epi­de­mi­schen La­ge von na­tio­na­ler Trag­wei­te vom 18. No­vem­ber 2020 (BGBl. I S. 2397) um ei­ne ent­spre­chen­de Über­mitt­lungs­pflicht an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut für Zwe­cke der Über­wa­chung der Si­cher­heit von Impf­stof­fen (Phar­ma­ko­vi­gi­lanz) er­gänzt (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28). Aus den vom An­trag­stel­ler vor­ge­leg­ten Schrift­li­chen Fra­gen des Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Zieg­ler (Ar­beits­num­mern 3/362 und 4/212) und den Ant­wor­ten des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ge­sund­heit vom 5. April 2022 und 2. Mai 2022 hier­auf er­gibt sich, dass das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut bis da­hin kei­ne an­ony­mi­sier­ten Dia­gno­se­da­ten (ICD-Codes) ge­mäß § 13 Abs. 5 IfSG von den Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen er­hal­ten hat. Die­sen Be­fund hat auch der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer be­stä­tigt.

186 Un­ge­ach­tet die­ses De­fi­zits im Voll­zug von § 13 Abs. 5 IfSG war das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung je­doch be­rech­tigt, bei sei­ner Ein­schät­zung der Impf­ri­si­ken auf die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zu­rück­zu­grei­fen. Ab­ge­se­hen da­von, dass dem Paul-Ehr­lich-In­sti­tut kei­ne recht­li­chen Mit­tel zur Ver­fü­gung ste­hen, um die Über­mitt­lung durch die Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen zu er­zwin­gen, hat die Be­weis­auf­nah­me nicht er­ge­ben, dass die vor­han­de­ne Da­ten­grund­la­ge völ­lig un­zu­rei­chend wä­re und dass die zu­sätz­li­che Da­ten­grund­la­ge den Er­kennt­nis­stand aus­schlag­ge­bend ver­än­dert hät­te.

187 Zum ei­nen über­schnei­det und deckt sich die Da­ten­über­mitt­lung durch die Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen nach § 13 Abs. 5 IfSG in wei­tem Um­fang mit der da­ne­ben be­stehen­den Mel­de­pflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, wo­nach der Ver­dacht ei­ner über das üb­li­che Aus­maß ei­ner Impf­re­ak­ti­on hin­aus­ge­hen­den ge­sund­heit­li­chen Schä­di­gung dem Ge­sund­heits­amt zu mel­den ist, das sei­ner­seits die Mel­dun­gen in pseud­ony­mi­sier­ter Form an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut wei­ter­lei­tet (vgl. Sangs/Ei­ben­stein, In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz, 2022, § 6 Rn. 13 ff., § 13 Rn. 19). Zum an­de­ren stützt sich die Da­ten­ge­win­nung durch das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut nicht al­lei­ne auf die We­ge des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG und § 13 Abs. 5 IfSG. Wei­te­re Ge­sund­heits­da­ten er­wirbt das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut auf der Grund­la­ge von § 75 SGB X (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28).

188 Hin­zu kom­men, wie sich aus den Si­cher­heits­be­rich­ten er­gibt, Mel­dun­gen von Be­tei­lig­ten aus ver­schie­de­nen Ge­sund­heits­be­ru­fen und Fach­krei­sen so­wie vor al­lem die je­der­mann er­öff­ne­te Mög­lich­keit der di­rek­ten Mel­dung an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut, auch elek­tro­nisch über das dort er­öff­ne­te Mel­de­por­tal. Auf letz­te­rer Mög­lich­keit be­ruht, wie der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer aus­ge­führt hat, ins­be­son­de­re der Gro­ß­teil der Mel­dun­gen be­son­ders gra­vie­ren­der Ver­dachts­fäl­le. Das Un­ter­blei­ben von Mel­dun­gen dürf­te sich - wie oben aus­ge­führt - aber vor­nehm­lich im Be­reich ge­ring­fü­gi­ger Impf­ne­ben­wir­kun­gen und nicht im hier vor al­lem in­ter­es­sie­ren­den Be­reich gra­vie­ren­der Ne­ben­wir­kun­gen be­we­gen. Ins­ge­samt er­ge­ben sich da­mit aus dem - gleich­wohl auf Dau­er so nicht hin­nehm­ba­ren - Voll­zugs­de­fi­zit bei der An­wen­dung von § 13 Abs. 5 IfSG kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken ge­gen die aus ver­schie­de­nen Quel­len ge­speis­ten Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und de­ren Ver­wer­tung als sach­ver­stän­di­ge amt­li­che Aus­kunft.

189 cc) Kei­nen Er­folg ha­ben auch die me­tho­di­schen Ein­wän­de ge­gen die vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut durch­ge­führ­ten und in sei­nen Si­cher­heits­be­rich­ten dar­ge­stell­ten Aus­wer­tungs­ver­fah­ren zu den ihm ge­mel­de­ten Impf­scha­dens­fäl­len. Der An­trag­stel­ler kri­ti­siert, dass die Hand­ha­bung der Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se durch das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut zu ei­ner er­heb­li­chen Fehl­ein­schät­zung der Impf­stoff­si­cher­heit füh­re. Die­ses Ver­fah­ren sei kein taug­li­ches sta­tis­ti­sches In­stru­ment, um aus den Mel­de­da­ten An­halts­punk­te für auf­fäl­li­ge Häu­fun­gen von Ne­ben­wir­kun­gen her­aus­zu­fil­tern. Die­se Ein­schät­zung hat sich im Rah­men der Be­weis­auf­nah­me je­doch nicht be­stä­tigt.

190 Die Aus­wer­tung der von Me­di­zi­nern und me­di­zi­ni­schen Lai­en ge­mel­de­ten Ver­dachts­fäl­le für Impf­kom­pli­ka­tio­nen ist ei­ne kom­ple­xe Auf­ga­be. Wird wie im Jah­re 2021 et­wa drei Vier­tel der Be­völ­ke­rung Deutsch­lands ge­gen ei­ne Er­kran­kung ge­impft, tre­ten im zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der Imp­fung auch ei­ne ho­he Zahl an durch an­de­re Ur­sa­chen be­ding­ten Er­kran­kun­gen und To­des­fäl­len auf. Eben­so gibt es ei­ne gro­ße Zahl an Fäl­len, de­ren kau­sa­le Zu­ord­nung un­klar ist. Das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut hat nach der Mit­tei­lung des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Ment­zer, der dort als Lei­ter des Sach­ge­biets Phar­ma­ko­vi­gi­lanz tä­tig ist, nur die per­so­nel­le Ka­pa­zi­tät ge­habt, um die Ver­dachts­fäl­le für impf­be­ding­te To­des­fäl­le in je­dem Ein­zel­fall nach­zu­ver­fol­gen, das hei­ßt Kran­ken­ak­ten an­zu­for­dern und - falls vor­han­den - Ob­duk­ti­ons­be­rich­te aus­zu­wer­ten. Die Aus­wer­tung des üb­ri­gen Da­ten­ma­te­ri­als ist fast nur durch sta­tis­ti­sche Ver­fah­ren er­folgt. De­ren Aus­sa­ge­kraft ist zwangs­läu­fig da­durch li­mi­tiert, dass nur Ver­dachts­fäl­le vor­lie­gen und die me­di­zi­ni­sche Rich­tig­keit des ge­mel­de­ten Ver­dachts nicht be­legt ist.

191 Die vom An­trag­stel­ler vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik an der vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut durch­ge­führ­ten Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se zielt - wie die Be­grün­dung des dem Ge­richt über­ge­be­nen Fra­gen­ka­ta­logs (An­la­ge 1 zum Pro­to­koll vom 6. Ju­li 2022) er­ken­nen lässt - auf den Vor­wurf ab, die­ses Ver­fah­ren sei hin­sicht­lich der Auf­de­ckung von Ne­ben­wir­kun­gen äu­ßerst un­ge­nau und wür­de "selbst bei ex­trem töd­li­chen Impf­stof­fen kein Ri­si­ko­si­gnal er­ge­ben" (Fra­gen­ka­ta­log S. 2). Die­ser Vor­wurf ist schon des­we­gen we­nig evi­dent, weil es - wie der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer be­rich­tet hat - ge­ra­de mit­hil­fe der Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se ge­lun­gen ist, bei dem Impf­stoff Va­x­ze­vria von As­tra­Ze­ne­ca die Ne­ben­wir­kung des Throm­bo­se-mit-Throm­bo­zy­to­pe­nie-Syn­droms (TTS) zu ent­de­cken. Durch die Ent­de­ckung und an­schlie­ßen­de Er­for­schung die­ser schwe­ren Impf­kom­pli­ka­ti­on konn­te ein we­sent­li­cher Bei­trag zur Impf­stoff­si­cher­heit ge­leis­tet wer­den. Dar­über hin­aus ha­ben die Sach­ver­stän­di­gen Dr. Ment­zer und Dr. Dr. Ober­le dem Ge­richt be­stä­tigt, dass es sich um ein in­ter­na­tio­nal üb­li­ches sta­tis­ti­sches Aus­wer­tungs­ver­fah­ren han­delt, das wis­sen­schaft­lich an­er­kannt ist.

192 Die Vor­ge­hens­wei­se bei der Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se wird im Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts vom 4. Mai 2022 nä­her er­läu­tert. Da­nach wird die Häu­fig­keit der nach ei­ner Imp­fung ge­mel­de­ten un­er­wünsch­ten Er­eig­nis­se mit den sta­tis­tisch zu­fäl­li­gen und zu er­war­ten­den Häu­fig­kei­ten in ei­ner ver­gleich­ba­ren (nicht ge­impf­ten) Be­völ­ke­rung un­ter Be­rück­sich­ti­gung ver­schie­de­ner Zeit­fens­ter ver­gli­chen (a. a. O. S. 22). Es wird al­so die Zahl der oh­ne Imp­fung zu er­war­ten­den Er­kran­kungs­fäl­le, die in ge­wis­ser Hin­sicht er­war­tet wer­den ("ex­pec­ted"), mit der Zahl der be­ob­ach­te­ten Fäl­le ("ob­ser­ved") ver­gli­chen. Über­steigt die Zahl der ge­mel­de­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen die er­war­te­ten Er­kran­kungs­fäl­le, geht das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut von ei­nem Ri­si­ko­si­gnal aus. In die­sem Fal­le müs­sen die Grün­de ei­ner hö­he­ren Mel­de­ra­te durch zu­sätz­li­che Stu­di­en un­ter­sucht wer­den, um tat­säch­lich ei­ne Impf­ne­ben­wir­kung nach­wei­sen zu kön­nen. Denn es han­delt sich - wie aus­ge­führt - bei den Mel­dun­gen nur um me­di­zi­ni­sche Ver­dachts­fäl­le.

193 Der Se­nat hat sich die Ein­zel­hei­ten des Be­rech­nungs­ver­fah­rens durch die im Sach­ge­biet Phar­ma­ko­vi­gi­lanz des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts mit sta­tis­ti­schen Fra­gen be­fass­te Sach­ver­stän­di­ge Dr. Dr. Ober­le in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­läu­tern las­sen. Die Kri­tik des An­trag­stel­lers an die­sem Ver­fah­ren be­steht haupt­säch­lich dar­in, dass bei dem Zah­len­ver­gleich zwei un­ter­schied­lich gro­ße Grund­ge­samt­hei­ten ver­gli­chen wer­den: die sehr ho­he Zahl an re­gel­mä­ßig auf­tre­ten­den Er­kran­kun­gen oder To­des­fäl­len mit der er­war­tungs­ge­mäß klei­nen Zahl an Mel­dun­gen impf­be­ding­ter Er­kran­kun­gen und To­des­fäl­le. Spe­zi­ell bei den To­des­fäl­len wür­den un­ter der Ru­brik "ex­pec­ted" al­le un­ab­hän­gig von der To­des­ur­sa­che ein­ge­tre­te­nen Verster­bens­fäl­le der zwangs­läu­fig klei­ne­ren Men­ge an impf­be­ding­ten To­des­fäl­len ge­gen­über­ge­stellt. Ein Ri­si­ko­si­gnal kön­ne sich so­mit nie er­ge­ben.

194 Die­se Kri­tik ver­kennt, dass das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut nicht al­le in ei­nem Zeit­raum auf­ge­tre­te­nen Er­kran­kungs- oder To­des­fäl­le mit den im sel­ben Zeit­raum impf­be­ding­ten Er­kran­kungs- und To­des­fäl­len ver­gleicht. Dann könn­te sich schon rein ma­the­ma­tisch nie ein Wert von 1:1 = 1,0 er­ge­ben. Viel­mehr stellt es die in ver­gan­ge­nen Zeit­räu­men (oh­ne Co­vid-19-Imp­fun­gen) er­mit­tel­ten durch­schnitt­li­chen Er­kran­kungs- und To­des­fall­ra­ten pro 100 000 Ein­woh­ner dem im ak­tu­el­len Zeit­raum als Co­vid-19-Impf­scha­den ge­mel­de­ten Er­kran­kungs- und To­des­fäl­len pro 100 000 Ein­woh­ner ge­gen­über. Ver­gli­chen wer­den al­so Er­kran­kungs- und To­des­zah­len oh­ne Imp­fung mit als Impf­schä­den ge­mel­de­ten Krank­heits- und To­des­er­eig­nis­sen. Den be­haup­te­ten lo­gi­schen Feh­ler im Be­rech­nungs­ver­fah­ren gibt es dar­um nicht.

195 Al­ler­dings steht zu er­war­ten, dass bei ei­nem Ver­gleich über lan­ge Zeit­räu­me von häu­fig vor­kom­men­den Er­kran­kun­gen die re­gel­mä­ßig auf­tre­ten­den Er­kran­kungs- und To­des­fall­wer­te oh­ne Imp­fung hö­her sein wer­den als die ent­spre­chen­den Impf­scha­dens­mel­dun­gen. Die Sach­ver­stän­di­ge Dr. Dr. Ober­le hat aber über­zeu­gend dar­ge­legt, dass dies bei kur­zen Zeit­in­ter­val­len an­ders ist. Wer­den in kur­zer Zeit sehr vie­le Impf­stoff­do­sen ver­ab­reicht, wie dies im Früh­jahr 2021 der Fall ge­we­sen ist, dann kann es durch­aus vor­kom­men, dass die da­durch be­ding­ten Er­kran­kun­gen sta­tis­tisch in kur­zen Zeit­räu­men we­sent­lich hö­her sind als die durch an­de­re Ur­sa­chen be­ding­ten Er­kran­kun­gen. Die Sach­ver­stän­di­ge zeig­te sich über­zeugt, dass auch ein impf­be­dingt we­sent­lich er­höh­tes Ster­be­ri­si­ko bei ei­nem Ver­gleich der 7-Ta­ges-In­ter­val­le bei ei­ner schnel­len Ver­imp­fung von hun­dert­tau­send Do­sen in kur­zer Zeit ein Warn­si­gnal er­ge­ben hät­te. Dar­über hin­aus er­gibt sich bei bis­lang eher sel­te­nen Krank­heits­ver­läu­fen auch bei län­ge­ren Zeit­in­ter­val­len ein Warn­si­gnal, wenn es sich um ei­ne impf­be­ding­te Ne­ben­wir­kung han­delt und die Imp­fung - wie bei Co­vid-19 - mil­lio­nen­fach ver­ab­reicht wird. Da­her hat sich der Vor­wurf der Un­ge­eig­net­heit des Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se­ver­fah­rens zur De­tek­ti­on von Impf­ne­ben­wir­kun­gen nicht be­stä­tigt. Eben­so we­nig kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut die­ses Ver­fah­ren so an­wen­det, dass mög­lichst kei­ne Impf­ne­ben­wir­kun­gen auf­ge­deckt wer­den.

196 Es mag sein, dass die Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se bei der Iden­ti­fi­zie­rung von Ri­si­ko­si­gna­len für To­des­fäl­le in­fol­ge der Imp­fung an Gren­zen stö­ßt. Der­ar­ti­ge Gren­zen der Aus­sa­ge­kraft ei­ner an­er­kann­ten und grund­sätz­lich ge­eig­ne­ten sta­tis­ti­schen Me­tho­de ent­wer­ten al­ler­dings die Si­cher­heits­be­rich­te nicht. Denn ge­ra­de zur Ein­schät­zung der Ge­fahr des Verster­bens in­fol­ge ei­ner Imp­fung lie­gen dem Paul-Ehr­lich-In­sti­tut er­gän­zen­de In­for­ma­tio­nen vor, die es aus sei­ner Nach­ver­fol­gung der ge­mel­de­ten Ver­dachts­fäl­le ge­winnt. Da­mit wer­den die Er­geb­nis­se der sta­tis­ti­schen Me­tho­de er­gänzt und ab­ge­si­chert. Im Üb­ri­gen ist we­der dar­ge­tan noch er­sicht­lich, dass die Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se oh­ne den vom An­trag­stel­ler be­haup­te­ten me­tho­di­schen Feh­ler zu ei­nem Ri­si­ko­si­gnal für To­des­fäl­le in­fol­ge von Imp­fun­gen füh­ren wür­de.

197 dd) Auch der Ein­wand des An­trag­stel­lers, dass die Ne­ben­wir­kun­gen von Co­vid-19-Impf­stof­fen nicht nach der so­ge­nann­ten Dis­pro­por­tio­na­li­täts­ana­ly­se be­wer­tet wor­den sind, än­dert an der Rich­tig­keit und Ver­läss­lich­keit der An­ga­ben des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts im Si­cher­heits­be­richt nichts. Die Dis­pro­por­tio­na­li­täts­ana­ly­se be­steht nach dem Vor­trag des An­trag­stel­lers dar­in, dass für meh­re­re Impf­stof­fe je­weils das Ver­hält­nis der ge­mel­de­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen zu den ge­mel­de­ten Impf­to­des­fäl­len er­mit­telt wird. Tre­ten bei ei­nem Ver­gleich die­ser Durch­schnitts­zah­len er­heb­li­che Un­ter­schie­de auf, kön­nen die­se Dis­pro­por­tio­na­li­tä­ten ein In­diz für ei­ne Un­ter­er­fas­sung von To­des­fäl­len sein. Die Sach­ver­stän­di­ge Frau Dr. Dr. Ober­le vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­führt, dass die­se Ana­ly­se von den Ge­sund­heits­be­hör­den an­de­rer Na­tio­nen durch­ge­führt und ver­öf­fent­licht wer­de. Die kor­rek­te Be­rech­nung sei al­ler­dings sehr auf­wän­dig. Das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut be­trach­te sie im vor­lie­gen­den Fall nicht für sehr aus­sa­ge­kräf­tig, weil die Da­ten­grund­la­gen (Zahl der Imp­fun­gen und Ne­ben­wir­kungs­mel­dun­gen) für die­sen Ver­gleich zwi­schen den Impf­stof­fen zu un­ter­schied­lich sei­en. Aus die­sen Grün­den ha­be das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut von de­ren Er­mitt­lung ab­ge­se­hen. Der Se­nat hält die­se sach­ver­stän­di­ge Ein­schät­zung für ver­tret­bar. Un­ab­hän­gig da­von bie­tet der Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts auch oh­ne die­se Aus­wer­tung ei­nen gu­ten Über­blick über die ge­mel­de­ten Ne­ben­wir­kun­gen und de­ren sta­tis­ti­sche Re­le­vanz, so­dass er als fach­li­che Aus­kunft da­zu un­ein­ge­schränkt ver­wen­det wer­den kann.

198 Schlie­ß­lich ver­fängt auch der Ein­wand des An­trag­stel­lers nicht, dass man bei der Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit der Co­vid-19-Imp­fung de­ren Ne­ben­wir­kun­gen mit den Ne­ben­wir­kun­gen von In­flu­en­za-Impf­stof­fen ver­glei­chen müs­se und dass die Ne­ben­wir­kun­gen der Co­vid-19-Imp­fung um ein Viel­fa­ches hö­her sei­en. Denn bei der Be­wer­tung des Nut­zens und der Ri­si­ken von Co­vid-19-Impf­stof­fen muss das Ri­si­ko der Er­kran­kung und des da­durch be­ding­ten schwe­ren Ver­laufs mit dem Ef­fekt der Co­vid-19-Imp­fung und de­ren Impf­ri­si­ken ab­ge­wo­gen wer­den. Ein Quer­ver­gleich der Ne­ben­wir­kun­gen von Impf­stof­fen ge­gen un­ter­schied­li­che Krank­hei­ten mag zwar her­me­neu­ti­sche Be­deu­tung ha­ben, ver­mag aber kei­nen ent­schei­den­den Er­kennt­nis­ge­winn bei der Ab­wä­gung von Pro und Con­tra ei­ner Co­vid-19-Imp­fung zu ver­mit­teln.

199 Nach al­lem liegt ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen des An­trag­stel­lers kei­ne sys­te­ma­ti­sche Un­ter­schät­zung der Ne­ben­wir­kun­gen der Co­vid-19-Impf­stof­fe vor.

200 8. Schlie­ß­lich ist die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Imp­fun­gen auch nicht des­we­gen ei­ne rechts­wid­ri­ge und da­mit nach § 10 Abs. 4 SG un­zu­läs­si­ge Wei­sung, weil der Imp­fung zwin­gen­de arz­nei­mit­tel­recht­li­che Vor­schrif­ten ent­ge­gen­stün­den.

201 a) Ins­be­son­de­re kön­nen die vom An­trag­stel­ler er­ho­be­nen Ein­wen­dun­gen ge­gen die Recht­mä­ßig­keit der arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sung der mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na kei­nen Er­folg ha­ben.

202 aa) Denn die­se Fra­ge bil­det nicht den Streit­ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens. Der An­trag­stel­ler wen­det sich ge­gen die ihm mit der Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 im No­vem­ber 2021 auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, ei­ne Imp­fung ge­gen Co­vid-19 zu dul­den. In Nr. 2001 die­ser All­ge­mei­nen Re­ge­lung wird kein be­stimm­ter Impf­stoff zwin­gend vor­ge­schrie­ben. Wie aus­ge­führt greift die Dul­dungs­pflicht nur ein, wenn sich der An­trag­stel­ler nicht selbst mit ei­nem Impf­stoff sei­ner Wahl ge­gen Co­vid-19 imp­fen lässt. Dem­entspre­chend hat es der An­trag­stel­ler in der Hand, auf ei­nen an­de­ren Impf­stoff zu­rück­zu­grei­fen, der - wie et­wa Nu­va­xo­vid - oh­ne mRNA-Tech­no­lo­gie ar­bei­tet. Da im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren kein be­stimm­ter Impf­stoff fest­ge­legt wird und der An­trag­stel­ler auf an­de­re Impf­stof­fe aus­wei­chen kann, ist die Fra­ge der ord­nungs­ge­mä­ßen arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sung der mRNA-Impf­stof­fe durch die Eu­ro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur schon nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich.

203 bb) Dar­über hin­aus ge­hört die Über­prü­fung der Zu­las­sung ei­nes Impf­stof­fes nicht zu dem von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vor­ge­ge­be­nen Prüf­pro­gramm. Ord­net ein mi­li­tä­ri­scher Vor­ge­setz­ter die Durch­füh­rung ei­ner Imp­fung an, muss er - wie dar­ge­legt - im Rah­men der Er­mes­sens­ent­schei­dung das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Imp­fung mit den ent­ge­gen­ste­hen­den ge­sund­heit­li­chen und be­ruf­li­chen In­ter­es­sen des Sol­da­ten ab­wä­gen. Das Wei­sungs- und Be­fehls­recht des § 10 Abs. 4 SG und die Dul­dungs­pflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ent­hal­ten kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung des In­halts, dass bei der An­ord­nung ei­ner In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­me in Form ei­ner Schutz­imp­fung das Vor­lie­gen ei­ner recht­mä­ßi­gen Zu­las­sung des Impf­stof­fes ge­prüft wer­den muss. Al­ler­dings folgt aus dem Grund­satz der Recht­mä­ßig­keit von Wei­sun­gen und Be­feh­len, dass die An­ord­nung ei­ner arz­nei­mit­tel­recht­lich un­zu­läs­si­gen Imp­fung ge­gen § 10 Abs. 4 SG ver­sto­ßen wür­de. Dem­entspre­chend ist die An­ord­nung ei­nes Vor­ge­setz­ten, die Imp­fung mit ei­nem be­stimm­ten Impf­stoff zu dul­den, nur recht­mä­ßig, wenn die­ser Impf­stoff arz­nei­mit­tel­recht­lich zu­ge­las­sen ist (§ 21 Abs. 1 AMG). Wird die Dul­dung ei­ner Imp­fung - wie hier - in all­ge­mei­ner Form oh­ne Vor­ga­be des zu ver­wen­den­den Impf­stof­fes an­ge­wie­sen, ge­nügt es, wenn über­haupt ein Impf­stoff arz­nei­mit­tel­recht­lich zu­ge­las­sen ist oder ver­wen­det wer­den darf.

204 Hin­ge­gen ist die Über­prü­fung der arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Recht­mä­ßig­keit der Impf­stoff­zu­las­sung nicht Auf­ga­be des mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten oder des be­han­deln­den Trup­pen­arz­tes. Dies folgt nicht nur dar­aus, dass das Sol­da­ten­ge­setz ei­ne sol­che Nach­prü­fung nicht vor­sieht, son­dern auch aus dem Um­stand, dass die Kon­trol­le des In­ver­kehr­brin­gens von Impf­stof­fen und Arz­nei­mit­teln den nach dem Arz­nei­mit­tel­recht zu­stän­di­gen Fach­be­hör­den ob­liegt. Ei­ne zu­sätz­li­che arz­nei­mit­tel­recht­li­che Zu­las­sungs­kon­trol­le durch die Dienst­stel­len der Bun­des­wehr, die bei ih­rer ku­ra­ti­ven Be­hand­lung von Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten wie ein Ver­brau­cher zu­ge­las­se­ne Me­di­ka­men­te und Impf­stof­fe auf dem Arz­nei­mit­tel­markt er­wer­ben, ist we­der staats­or­ga­ni­sa­to­risch noch ge­setz­lich vor­ge­se­hen.

205 Die vom An­trag­stel­ler ge­for­der­te Über­prü­fung der Recht­mä­ßig­keit des von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur durch­ge­führ­ten Zu­las­sungs­ver­fah­rens für die mRNA-Impf­stof­fe ist auch nicht des­we­gen not­wen­dig, weil die den Her­stel­lern er­teil­ten be­ding­ten Zu­las­sun­gen für die Impf­stof­fe "Co­mirna­ty" und "Spik­e­vax" bei Nach­weis ei­nes Ver­fah­rens- oder Rechts­an­wen­dungs­feh­lers im Zu­las­sungs­ver­fah­ren au­to­ma­tisch un­wirk­sam wä­ren. Viel­mehr gilt im Uni­ons­recht der Grund­satz der Ver­mu­tung der Recht­mä­ßig­keit von Ge­mein­schafts­ak­ten. Die­ser Grund­satz be­sagt, dass die Rechts­ak­te ei­ner eu­ro­päi­schen Be­hör­de - hier der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on - Rechts­wir­kun­gen ent­fal­ten, so­lan­ge sie nicht zu­rück­ge­nom­men, im Rah­men ei­ner Nich­tig­keits­kla­ge für nich­tig er­klärt oder in­fol­ge ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens oder ei­ner Rechts­wid­rig­keits­ein­re­de für un­gül­tig er­klärt wor­den sind (Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. Ju­ni 1994 - C-137/92 P [ECLI:​EU:​C:​1994:​247] - Rn. 48, vom 8. Ju­li 1999 - C-245/92 P [ECLI:​EU:​C:​1999:​363] - Rn. 93 und vom 12. Fe­bru­ar 2008 - C-199/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​79] - Rn. 60).

206 Die­ser Grund­satz be­trifft die Rechts­be­stän­dig­keit von Ge­mein­schafts­ak­ten und ent­hält - ähn­lich wie die § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1 VwVfG im na­tio­na­len Recht - das Prin­zip der Rechts­wirk­sam­keit auch feh­ler­haf­ter Ge­mein­schafts­ak­te (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ok­to­ber 2016 - 10 C 3.15 - BVer­w­GE 156, 199 Rn. 29). Er ge­stat­tet es ins­be­son­de­re an­de­ren eu­ro­päi­schen und na­tio­na­len Be­hör­den so­wie Ge­rich­ten in nach­fol­gen­den Ver­fah­ren von der Tat­be­stands­wir­kung die­ses eu­ro­päi­schen Rechts­akts aus­zu­ge­hen, das hei­ßt in nach­fol­gen­den Ver­fah­ren bei der Rechts­prü­fung das tat­be­stand­li­che Vor­lie­gen ei­ner rechts­wirk­sa­men Zu­las­sung fest­zu­stel­len (vgl. da­zu BVerfG, Be­schlüs­se vom 8. Ju­li 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerf­GE 61, 82 <111> und vom 15. Ok­to­ber 2009 - 1 BvR 3522/08 -ju­ris Rn. 50). Dem­entspre­chend sind die Dienst­stel­len der Bun­des­wehr nach der Zu­las­sung ei­nes Impf­stof­fes durch die Eu­ro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur auf­grund des Grund­sat­zes der Ver­mu­tung der Recht­mä­ßig­keit von Ge­mein­schafts­ak­ten be­rech­tigt, die­sen Impf­stoff zu er­wer­ben und im Rah­men ih­rer ku­ra­ti­ven Tä­tig­keit ein­zu­set­zen.

207 cc) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus der vom An­trag­stel­ler zi­tier­ten Ent­schei­dung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts ers­ter In­stanz vom 9. No­vem­ber 2021. Dar­in ist ei­ne Kla­ge meh­re­rer ita­lie­ni­scher Pri­vat­per­so­nen auf Fest­stel­lung der Nich­tig­keit der Zu­las­sung des Impf­stof­fes Co­mirna­ty von BioNTech/Pfi­zer zu­rück­ge­wie­sen wor­den, weil die Klä­ger nicht durch die Zu­las­sung des Impf­stof­fes be­schwert sei­en. Sie wür­den durch die Zu­las­sung des Impf­stof­fes nicht zu des­sen Be­nut­zung ver­pflich­tet. Dar­an än­de­re sich auch nichts, wenn ein na­tio­na­les Ge­setz die Ver­pflich­tung zur Be­nut­zung die­ses Impf­stof­fes ent­hal­te. Auch in die­sem Fal­le ver­lan­ge der Grund­satz ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes nicht, die un­mit­tel­ba­re An­ru­fung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts zu­zu­las­sen, weil die na­tio­na­len Ge­rich­te bei der Kon­trol­le der Impf­pflicht ef­fek­ti­ven Rechts­schutz ge­währ­leis­ten und ge­ge­be­nen­falls ei­ne mit­tel­ba­re Kon­trol­le des eu­ro­päi­schen Zu­las­sungs­akts über das Vor­la­ge­ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV her­bei­füh­ren könn­ten (EUG, Be­schluss vom 9. No­vem­ber 2021 - T-96/21 - Rn. 67).

208 Al­ler­dings be­sagt die­ser ab­schlie­ßen­de Hin­weis des Eu­ro­päi­schen Ge­richts bei der Zu­rück­wei­sung der Nich­tig­keits­kla­ge ge­gen die Zu­las­sung des mRNA-Impf­stoffs von BioNTech/Pfi­zer nur, dass die na­tio­na­len Ge­rich­te bei ei­ner in ih­rem Lan­de be­schlos­se­nen Impf­pflicht den Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on we­gen ei­ner eu­ro­pa­recht­li­chen Fra­ge im Zu­sam­men­hang mit der eu­ro­päi­schen Impf­stoff­zu­las­sung an­ru­fen kön­nen, wenn dies zur Ge­währ­leis­tung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes not­wen­dig sein soll­te. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­tei­le vom 6. Ok­to­ber 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, S. 3415 Rn. 21 und vom 6. Ok­to­ber 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - NJW 2021, 3303 Rn. 33) kann und muss ein mit­glied­staat­li­ches letzt­in­stanz­li­ches Ge­richt sei­ner Vor­la­ge­pflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nach­kom­men, wenn sich in ei­nem bei ihm schwe­ben­den Ver­fah­ren ei­ne Fra­ge des Uni­ons­rechts stellt, es sei denn, das Ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die­se Fra­ge nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich ist, dass die be­tref­fen­de uni­ons­recht­li­che Be­stim­mung be­reits Ge­gen­stand ei­ner Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof war oder dass die rich­ti­ge An­wen­dung des Uni­ons­rechts der­art of­fen­kun­dig ist, dass für ei­nen ver­nünf­ti­gen Zwei­fel kei­ner­lei Raum bleibt (vgl. auch BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. De­zem­ber 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerf­GE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - NStZ-RR 2022, 222 Rn. 37).

209 Im vor­lie­gen­den Fall fehlt es aber - wie aus­ge­führt - an der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der vom An­trag­stel­ler auf­ge­wor­fe­nen eu­ro­pa­recht­li­chen Fra­ge der Recht­mä­ßig­keit der Zu­las­sung der mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na. Zum ei­nen schreibt die hier im Streit ste­hen­de Re­ge­lung Nr. 2001 (AR) A1-840/8-4000 kei­ne Ver­wen­dung be­stimm­ter Impf­stof­fe vor. Zum an­de­ren ver­langt das Prüf­pro­gramm des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vom mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten bei der An­ord­nung ei­ner Imp­fung nur ei­ne um­fas­sen­de Be­rück­sich­ti­gung der da­von zu er­war­ten­den ge­sund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen auf den Sol­da­ten und de­ren Ab­wä­gung mit dem zu er­war­ten­den Nut­zen der Imp­fung für die mi­li­tä­ri­sche Ein­satz­fä­hig­keit. Für die­se auf die zu­künf­ti­gen Aus­wir­kun­gen der Imp­fung ge­rich­te­te Er­mes­sens­ent­schei­dung ist aber ei­ne rück­bli­cken­de Über­prü­fung der Recht­mä­ßig­keit des von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur durch­ge­führ­ten Impf­stoff­zu­las­sungs­ver­fah­rens nicht von­nö­ten.

210 Aus die­sen Grün­den hat der Se­nat auch im Be­weis­be­schluss vom 1. Ju­ni 2022 die vom An­trag­stel­ler be­an­trag­te Bei­zie­hung von Un­ter­la­gen zu di­ver­sen Impf­stoff­zu­las­sungs­ver­fah­ren ab­ge­lehnt und aus­ge­führt, für die Recht­mä­ßig­keit der Er­mes­sens­ent­schei­dung über die Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen Co­vid-19 in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen für Sol­da­ten ge­nü­ge das Vor­lie­gen ei­ner be­ding­ten oder un­be­ding­ten Zu­las­sung der für den Ein­satz vor­ge­se­he­nen Impf­stof­fe. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung sei nicht zu ei­ner um­fang­rei­chen Feh­ler­su­che im vor­ge­la­ger­ten arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sungs­ver­fah­ren ver­pflich­tet. Um­ge­kehrt dür­fe es bei sei­ner Ab­wä­gung im Zu­las­sungs­ver­fah­ren nicht er­kann­te, aber spä­ter wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­se­ne Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen zu­ge­las­se­ner Impf­stof­fe nicht au­ßer Acht las­sen.

211 An die­ser Rechts­auf­fas­sung hält der Se­nat fest. Ins­be­son­de­re ist es auch für den ef­fek­ti­ven Schutz der Grund­rech­te des An­trag­stel­lers aus Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 GG nicht ver­an­lasst, das zeit­lich an­dert­halb Jah­re zu­rück­lie­gen­de Zu­las­sungs­ver­fah­ren zu un­ter­su­chen. Viel­mehr ist es un­ter dem As­pekt des ef­fi­zi­en­ten Grund­rechts­schut­zes aus­rei­chend und ge­bo­ten, auf der Grund­la­ge der je­weils ak­tu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se die künf­tig von ei­ner Imp­fung aus­ge­hen­den ge­sund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen in den Blick zu neh­men. Auch das Ge­bot des ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes des Art. 19 Abs. 4 GG er­for­dert es nicht, in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ge­gen die An­ord­nung der Impf­pflicht die im vor­an­ge­gan­ge­nen be­hörd­li­chen Ver­fah­ren er­teil­ten rechts­wirk­sa­men arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sun­gen von Impf­stof­fen in­zi­dent zu über­prü­fen. Viel­mehr stellt es grund­sätz­lich kei­ne Ver­let­zung des Grund­rechts auf ef­fek­ti­ven Rechts­schutz dar, wenn die Ge­rich­te in nach­fol­gen­den Ver­wal­tungs- und Ge­richts­ver­fah­ren den Tat­be­stand ei­ner vor­han­de­nen Zu­las­sung oh­ne wei­te­re Über­prü­fung ih­ren Ent­schei­dun­gen zu­grun­de le­gen (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. De­zem­ber 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerf­GE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - ju­ris Rn. 37).

212 Der Rechts­streit war folg­lich auch nicht - wie vom An­trag­stel­ler schrift­sätz­lich an­ge­regt - zur Klä­rung der Recht­mä­ßig­keit der von der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on er­teil­ten be­ding­ten Zu­las­sun­gen für die mRNA-Impf­stof­fe Co­mirna­ty und Spik­e­vax nach Art. 267 AEUV aus­zu­set­zen.

213 b) Schlie­ß­lich über­zeugt auch die An­nah­me des An­trag­stel­lers nicht, dass die An­wen­dung der mRNA-Impf­stof­fe durch die Trup­pen­ärz­te der Bun­des­wehr ge­gen arz­nei­mit­tel­recht­li­che Straf­vor­schrif­ten ver­sto­ßen wür­de.

214 aa) Ei­ne An­wen­dung der Straf­vor­schrift we­gen ver­bo­te­ner An­wen­dung nicht zu­ge­las­se­ner Arz­nei­mit­tel (§ 96 Nr. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG) kommt schon des­we­gen nicht in Be­tracht, weil die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on auf Emp­feh­lung der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur für die bei­den Impf­stof­fe Co­mirna­ty und Spik­e­vax mit Be­schlüs­sen vom 21. De­zem­ber 2020 (vgl. da­zu EuG, Be­schluss vom 9. No­vem­ber 2021 - T-96/21 - Rn. 2) und vom 6. Ja­nu­ar 2021 (vgl. da­zu EuG, Be­schluss vom 1. März 2022 - T-632/21 - Rn. 3) be­ding­te Zu­las­sun­gen er­teilt hat, die spä­ter ver­län­gert wor­den sind. Die­se Ge­neh­mi­gun­gen er­folg­ten je­weils auf der Grund­la­ge von Art. 3 Abs. 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 726/2004 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 31. März 2004 zur Fest­le­gung von Ge­mein­schafts­ver­fah­ren für die Ge­neh­mi­gung und Über­wa­chung von Hu­man- und Tier­arz­nei­mit­teln und zur Er­rich­tung ei­ner Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel-Agen­tur (ABl. 2004, L 136, Sei­te 1). Da­mit liegt ei­ne eu­ro­pa­recht­li­che Zu­las­sung im Sin­ne von § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG vor.

215 Für den Aus­schluss der Straf­bar­keit nach § 96 Nr. 5 AMG kommt es nur auf die Rechts­wirk­sam­keit die­ser Zu­las­sung an (vgl. Raum, in: Kü­gel/Mül­ler/Hof­mann, Arz­nei­mit­tel­ge­setz, 3. Aufl. 2022, § 96 Rn. 13). So­weit die Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers um­fang­rei­che Aus­füh­run­gen zu der Fra­ge ge­macht ha­ben, dass die be­ding­te Zu­las­sung nicht er­teilt wer­den durf­te oder zu wi­der­ru­fen wä­re, ist dies un­er­heb­lich. Denn die Zu­las­sung hat je­den­falls - wie oben aus­ge­führt - nach dem Grund­satz der Ver­mu­tung der Recht­mä­ßig­keit von Uni­ons­ak­ten recht­li­chen Be­stand, bis sie auf­ge­ho­ben wird oder aus­läuft (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ok­to­ber 2016 - 10 C 3.15 - BVer­w­GE 156, 199 Rn. 29).

216 bb) Auch für die An­nah­me ei­ner Straf­bar­keit we­gen In­ver­kehr­brin­gens be­denk­li­cher Arz­nei­mit­tel nach § 95 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 AMG ist kein Raum. Als be­denk­lich sind nach § 5 Abs. 2 AMG nur Me­di­ka­men­te an­zu­se­hen, bei de­nen nach dem je­wei­li­gen Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis der be­grün­de­te Ver­dacht be­steht, dass sie bei be­stim­mungs­ge­mä­ßem Ge­brauch schäd­li­che Wir­kun­gen ha­ben, die über ein nach den Er­kennt­nis­sen der me­di­zi­ni­schen Wis­sen­schaft ver­tret­ba­res Maß hin­aus­ge­hen.

217 Ent­ge­gen der An­sicht des An­trag­stel­lers sind die mRNA-Impf­stof­fe nicht schon des­we­gen be­denk­lich, weil es sich nach sei­ner sub­jek­ti­ven Ein­schät­zung nicht um her­kömm­li­che Impf­stof­fe, son­dern um gen­ba­sier­te ex­pe­ri­men­tel­le Sub­stan­zen han­delt. Viel­mehr kommt es dem ob­jek­ti­ven Zweck des Ge­set­zes ent­spre­chend dar­auf an, ob bei Be­rück­sich­ti­gung der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se den Ri­si­ken der Arz­nei­mit­tel ein über­wie­gen­der me­di­zi­ni­scher Nut­zen ge­gen­über­steht (vgl. BGH, Be­schluss vom 11. Au­gust 1999 - 2 StR 44/99 - NStZ 1999, 625 Rn. 2).

218 Ob­jek­tiv be­trach­tet er­fül­len die Prä­pa­ra­te Co­mirna­ty und Spik­e­vax ein­deu­tig den arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Impf­stoff­be­griff. Nach § 4 Abs. 4 AMG sind Impf­stof­fe Arz­nei­mit­tel, die An­ti­ge­ne oder re­kom­bi­nan­te Nu­kle­in­säu­ren ent­hal­ten und die da­zu be­stimmt sind, beim Men­schen zur Er­zeu­gung von spe­zi­fi­schen Ab­wehr- und Schutz­stof­fen an­ge­wen­det zu wer­den, und, so­weit sie re­kom­bi­nan­te Nu­kle­in­säu­ren ent­hal­ten, aus­schlie­ß­lich zur Vor­beu­gung oder Be­hand­lung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten be­stimmt sind. Die mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na ent­hal­ten an­ders als her­kömm­li­che Impf­stof­fe kei­ne An­ti­ge­ne. Sie ar­bei­ten aber - wie aus­ge­führt - mit Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­ren, die mit gen­tech­ni­schen Me­tho­den neu zu­sam­men­ge­stellt (re­kom­bi­niert) wer­den. Zu­dem sind die Prä­pa­ra­te da­zu be­stimmt, beim Men­schen (mit­tel­bar) die Er­zeu­gung be­stimm­ter Ab­wehr­stof­fe (An­ti­kör­per) aus­zu­lö­sen und die­nen aus­schlie­ß­lich zur Vor­beu­gung der In­fek­ti­ons­krank­heit Co­vid-19.

219 Dass die­se neu­ar­ti­gen Impf­stof­fe den arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Impf­stoff­be­griff er­fül­len, kann auch nicht mit eu­ro­pa­recht­li­chen Ar­gu­men­ten be­strit­ten wer­den. So­weit der An­trag­stel­ler wie­der­holt be­haup­tet hat, die Prä­pa­ra­te hät­ten von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur als Gen­the­ra­peu­ti­ka be­ur­teilt und ge­prüft wer­den müs­sen, steht dem ei­ne kla­re und ein­deu­ti­ge Re­ge­lung in der Richt­li­nie 2009/120/EG der Kom­mis­si­on vom 14. Sep­tem­ber 2009 zur Än­de­rung der Richt­li­nie 2001/83/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes zur Schaf­fung ei­nes Ge­mein­schafts­ko­de­xes für Hu­man­arz­nei­mit­tel im Hin­blick auf Arz­nei­mit­tel für neu­ar­ti­ge The­ra­pi­en (ABl. L 242 vom 15. Sep­tem­ber 2009, S. 4) ent­ge­gen. In die­ser Richt­li­nie wird zu­nächst der Be­griff des Gen­the­ra­peu­ti­kums nä­her de­fi­niert und dann in ei­nem Nach­satz aus­ge­führt: "Impf­stof­fe ge­gen In­fek­ti­ons­krank­hei­ten sind kei­ne Gen­the­ra­peu­ti­ka". Da­mit hat der Norm­ge­ber klar zum Aus­druck ge­bracht, dass Impf­stof­fe un­ab­hän­gig von ih­rer Zu­sam­men­set­zung und Wir­kungs­wei­se nicht dem Zu­las­sungs­ver­fah­ren für Gen­the­ra­peu­ti­ka un­ter­lie­gen.

220 Eben­so ha­ben die mRNA-Impf­stof­fe ob­jek­tiv be­trach­tet nach den vor­han­de­nen Er­kennt­nis­sen der me­di­zi­ni­schen Wis­sen­schaft ein ver­tret­ba­res Maß an Ne­ben­wir­kun­gen. Dies folgt schon dar­aus, dass die Stän­di­ge Kom­mis­si­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut für na­he­zu al­le Al­ters­grup­pen die Imp­fung ge­gen Co­vid-19 mit den der­zeit zu­ge­las­se­nen mRNA-Impf­stof­fen emp­fiehlt. Denn die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on bil­den den me­di­zi­ni­schen Stan­dard ab und be­rech­ti­gen zu der An­nah­me, dass der Nut­zen der je­weils emp­foh­le­nen Imp­fung das Impf­ri­si­ko über­wiegt (vgl. BGH, Ur­teil vom 15. Fe­bru­ar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136).

221 cc) Schlie­ß­lich über­zeugt auch die An­nah­me des An­trag­stel­lers nicht, dass die An­wen­dung des mRNA-Impf­stof­fes von BioNTech/Pfi­zer ge­gen das straf­recht­li­che Ver­bot des § 95 Nr. 3a i. V. m. § 8 Abs. 1 AMG ver­stö­ßt. Nach die­sen Vor­schrif­ten ist es zum Schutz der Ver­brau­cher vor Täu­schung un­ter­sagt, Arz­nei­mit­tel in Ver­kehr zu brin­gen, die durch Ab­wei­chung von den an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln in ih­rer Qua­li­tät nicht un­er­heb­lich ge­min­dert sind. So­weit der An­trag­stel­ler an­nimmt, zwei als Trä­ger­sub­stan­zen ein­ge­setz­te Na­no­li­pi­de sei­en als Hilfs­stof­fe nicht im Arz­nei­buch ent­hal­ten und dar­in lie­ge ei­ne Ab­wei­chung von den all­ge­mein an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln, kann dies of­fen­blei­ben.

222 Das straf­recht­li­che Ver­bot greift erst ein, wenn ein Arz­nei­mit­tel da­durch in sei­ner Qua­li­tät er­heb­lich ge­min­dert ist. Ei­ne der­ar­ti­ge Fest­stel­lung kann nicht ge­trof­fen wer­den. Für die An­nah­me des An­trag­stel­lers, dass et­li­che schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen der mRNA- bzw. DNA-Impf­stof­fe auf die­se Trä­ger­sub­stan­zen zu­rück­zu­füh­ren sind, feh­len - wie aus­ge­führt - jeg­li­che wis­sen­schaft­li­chen Be­le­ge. Viel­mehr han­delt es sich bei den Na­no­par­ti­keln le­dig­lich um Fett­par­ti­kel, die kör­per­ei­ge­nen Fett­par­ti­keln sehr ähn­lich sind (PEI, Was wis­sen wir über die Si­cher­heit der Li­pidna­no­par­ti­kel in mRNA-Impf­stof­fen? Home­page-Bei­trag vom 8. Ja­nu­ar 2021). Im Üb­ri­gen spricht auch der Um­stand, dass die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on den Ein­satz die­ser Me­di­ka­men­te von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na emp­fiehlt, ge­gen die An­nah­me, dass ein Arz­nei­mit­tel min­de­rer Qua­li­tät vor­liegt. Denn die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on ist ein Ex­per­ten­gre­mi­um, des­sen Emp­feh­lun­gen den me­di­zi­ni­schen Stan­dard im Be­reich der Impf­stof­fe be­stim­men.

223 9. Die An­ord­nung der Dul­dung ei­ner Co­vid-19-Schutz­imp­fung ver­stö­ßt auch an­sons­ten nicht ge­gen hö­her­ran­gi­ges Recht. Zwar dür­fen Dienst­vor­schrif­ten des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung wie Be­feh­le nach § 10 Abs. 4 SG nur zu dienst­li­chen Zwe­cken er­ge­hen und nur un­ter Be­ach­tung der Re­geln des Völ­ker­rechts und der Ge­set­ze er­teilt wer­den. Im vor­lie­gen­den Fall liegt der vom An­trag­stel­ler be­haup­te­te Wi­der­spruch der Dienst­vor­schrift zu hö­her­ran­gi­gem Recht je­doch nicht vor.

224 a) Was die Ver­let­zung der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on vom 12. De­zem­ber 2007 (GRCh) an­be­trifft, ist be­reits der An­wen­dungs­be­reich die­ses Grund­rechts­ka­ta­logs nicht er­öff­net. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh gilt die Char­ta für die Or­ga­ne, Ein­rich­tun­gen und sons­ti­gen Stel­len der Uni­on un­ter Wah­rung des Sub­si­dia­ri­täts­prin­zips. Für die Mit­glied­staa­ten fin­det sie aus­schlie­ß­lich bei der Durch­füh­rung des Rechts der Uni­on An­wen­dung. In den of­fi­zi­el­len Er­läu­te­run­gen des Kon­vents­vor­stan­des zu Art. 51 GRCh wird auf Art. 6 Abs. 2 EUV ver­wie­sen. Da­nach wer­den durch die Be­stim­mun­gen der Char­ta die in den Ver­trä­gen fest­ge­leg­ten Zu­stän­dig­kei­ten der Uni­on in kei­ner Wei­se er­wei­tert. Es blei­be bei der Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs, dass die Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung der im Rah­men der Uni­on de­fi­nier­ten Grund­rech­te für die Mit­glied­staa­ten nur dann gel­te, wenn sie im An­wen­dungs­be­reich des Uni­ons­rechts han­del­ten (Eu­GH, Ur­teil vom 13. April 2000 - C-292/97 [ECLI:​EU:​C:​2000:​202] - Slg. 2000 I-2737 Rn. 37). So­weit die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land für ih­re Sol­da­ten ei­ne be­son­de­re Dul­dungs­pflicht ge­gen­über Imp­fun­gen in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­an­kert hat, stellt die Kon­kre­ti­sie­rung die­ser mi­li­tä­ri­schen Dul­dungs­pflicht im Hin­blick auf die Co­vid-19-Imp­fung ei­ne rein na­tio­nal-recht­li­che Maß­nah­me dar, die in kei­ner­lei Be­zug zum An­wen­dungs­be­reich des Eu­ro­pa­rechts steht.

225 Im Üb­ri­gen ver­mit­teln die­se eu­ro­päi­schen Grund­rech­te, ins­be­son­de­re die in Art. 1 GRCh ge­schütz­te Men­schen­wür­de und das in Art. 3 Abs. 1 GRCh ge­währ­leis­te­te Recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit, kei­ne über Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG hin­aus­ge­hen­den Rech­te. So­weit in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b und c GRCh spe­zi­el­le Ver­bo­te zu eu­ge­ni­schen Prak­ti­ken und zur Ge­winn­erzie­lung mit mensch­li­chen Kör­per­tei­len ent­hal­ten sind, sind sie of­fen­kun­dig nicht ein­schlä­gig. Der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a GRCh für me­di­zi­ni­sche Be­hand­lun­gen auf­ge­stell­te Grund­satz der frei­en Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen geht über das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ver­an­ker­te kör­per­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht nicht hin­aus. Die­ser Grund­satz un­ter­liegt ei­nem Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ver­gleich­ba­ren Ge­set­zes­vor­be­halt nach Art. 52 Abs. 1 GRCh.

226 b) Auch der Eu­ro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on lässt sich kein ge­ne­rel­les Ver­bot von Impf­pflich­ten ent­neh­men. Das von dem An­trag­stel­ler zi­tier­te Recht auf Le­ben nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EM­RK ist nicht ein­schlä­gig, weil - wie oben aus­ge­führt - kein fi­na­ler Ein­griff in die­ses Rechts­gut vor­liegt. Es wird nur in das Selbst­be­stim­mungs­recht des Ein­zel­nen zwi­schen dem Krank­heits- und dem Impf­ri­si­ko und da­mit zwi­schen zwei Ge­sund­heits- und Le­bens­ri­si­ken ein­ge­grif­fen. Da­her ver­wen­det der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof bei Heil­ein­grif­fen des Staa­tes re­gel­mä­ßig Art. 8 EM­RK als Prü­fungs­maß­stab. Die An­ord­nung ei­ner Impf­pflicht ist da­nach ein Ein­griff in die Ach­tung des Pri­vat­le­bens ge­mäß Art. 8 EM­RK, das die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit des Ein­zel­nen mit­um­fasst (EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 172 - 186, 261 - 263).

227 Ein sol­cher Ein­griff kann al­ler­dings im Sin­ne des Art. 8 Abs. 2 EM­RK ge­setz­lich vor­ge­se­hen sein, wenn sich dies aus ei­nem Zu­sam­men­wir­ken von Par­la­ments­ge­set­zen (hier: § 17a SG) und mi­nis­te­ri­el­len Ver­ord­nun­gen (hier: Nr. 2001 AR A1-840/8-4000) er­gibt. Es ge­nügt, wenn die Rechts­grund­la­gen in an­ge­mes­se­nen Um­fang zu­gäng­lich und hin­rei­chend be­stimmt for­mu­liert sind (vgl. EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 265 f.).

228 Der Ein­griff muss schlie­ß­lich nach Art. 8 Abs. 2 EM­RK ein be­rech­tig­tes Ziel ver­fol­gen und in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft et­wa zum Schutz der na­tio­na­len Si­cher­heit oder zum Schutz der Rech­te an­de­rer not­wen­dig sein. Da­bei räumt der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te den Mit­glied­staa­ten ei­nen be­son­de­ren Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ("mar­gin of ap­pre­cia­ti­on") ein. Wenn es in­ner­halb der Mit­glied­staa­ten Re­ge­lungs­mo­del­le mit und oh­ne Impf­pflich­ten gibt, sind die je­wei­li­gen Re­gie­run­gen der Mit­glied­staa­ten am bes­ten in der La­ge, die na­tio­na­len Prio­ri­tä­ten und Be­dürf­nis­se zu be­ur­tei­len und sich für das ei­ne oder an­de­re Mo­dell zu ent­schei­den (vgl. EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 277 - 280). In die­sem Sin­ne gibt es auch bei der Impf­pflicht der Sol­da­ten in­ner­halb der eu­ro­päi­schen Staa­ten un­ter­schied­li­che Mo­del­le. Ins­be­son­de­re Frank­reich, Ita­li­en, Grie­chen­land und Lett­land ha­ben wie die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka für ihr Mi­li­tär bzw. für al­le Staats­die­ner ei­ne Co­vid-19-Imp­fung ver­pflich­tend vor­ge­schrie­ben, wäh­rend dies in an­de­ren Staa­ten nicht der Fall ist. Die da­für spre­chen­den, mi­li­tär­fach­li­chen Ar­gu­men­te - je­der­zei­ti­ge mi­li­tä­ri­sche Ein­setz­bar­keit, be­son­de­re Ge­fähr­dungs­la­ge der Sol­da­ten durch räum­lich be­eng­te Zu­sam­men­ar­beit - sind je­den­falls ge­wich­ti­ge Grün­de, die ei­ne Op­ti­on für das Impf­pflicht­mo­dell zu­las­sen.

229 Dem­nach ist die Ein­füh­rung ei­ner Co­vid-19-Impf­pflicht für Sol­da­ten zu­läs­sig, wenn sie sich im Rah­men der vom Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof an­ge­stell­ten Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­er­wä­gun­gen be­wegt. Für die Fra­ge, ob die Impf­pflicht in ei­nem an­ge­mes­se­nen Ver­hält­nis zu den ver­folg­ten Zie­len steht, kommt es un­ter an­de­rem auf die Aus­nah­men bei me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­tio­nen, das Feh­len phy­si­schen Zwangs, die An­ge­mes­sen­heit der Sank­tio­nen bei Miss­ach­tung der Impf­pflicht, den ver­fah­rens­recht­li­chen Schutz durch Be­hör­den und Ge­rich­te so­wie die Vor­beu­gung ge­gen Impf­schä­den und die staat­li­che Haf­tung bei Impf­schä­den an (vgl. EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 290 ff.). In die­ser Hin­sicht wahrt die ge­setz­li­che Impf­pflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG - wie be­reits aus­ge­führt - die an­ge­spro­che­nen Stan­dards des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­ho­fes für Men­schen­rech­te.

230 c) Auch das vom Eu­ro­pa­rat in­iti­ier­te "Über­ein­kom­men zum Schutz der Men­schen­rech­te und der Men­schen­wür­de im Hin­blick auf die An­wen­dung von Bio­lo­gie und Me­di­zin" (Über­ein­kom­men über Men­schen­wür­de und Bio­me­di­zin) vom 4. April 1997 ver­mit­telt kei­ne wei­ter­ge­hen­den Rech­te. Zum ei­nen ist es bis­lang nur von we­ni­gen Mit­glied­staa­ten und ins­be­son­de­re nicht von der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land un­ter­zeich­net wor­den (vgl. Lin­de­mann, in: Hil­gen­dorf/Kud­lich/Va­le­ri­us, Hand­buch des Straf­rechts, Band 6, 1. Aufl. 2022, Me­di­zi­ni­sche For­schung, I Rn. 7). Zum an­de­ren schreibt Art. 5 Abs. 1 die­ser Bio­me­di­zin-Kon­ven­ti­on zwar für je­de In­ter­ven­ti­on im Ge­sund­heits­be­reich ei­ne aus­rei­chen­de Auf­klä­rung und die freie Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen vor. Art. 26 Abs. 1 der Bio­me­di­zin-Kon­ven­ti­on lässt je­doch ei­ne Ein­schrän­kung die­ses Rechts durch Maß­nah­men zu, die in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft für die öf­fent­li­che Si­cher­heit, die öf­fent­li­che Ge­sund­heit oder zum Schutz der Rech­te und Frei­hei­ten an­de­rer not­wen­dig sind. Da­mit ver­mit­telt sie bei der ge­setz­li­chen An­ord­nung von Impf­pflich­ten kei­ne über Art. 8 Abs. 2 EM­RK hin­aus­ge­hen­den Rech­te.

231 d) Die Dul­dungs­pflicht für Co­vid-19-Schutz­imp­fun­gen ver­letzt auch nicht des­we­gen all­ge­mei­ne Re­geln des Völ­ker­rechts im Sin­ne des Art. 25 GG, weil sie der Re­so­lu­ti­on 2361 der Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­ra­tes vom 27. Ja­nu­ar 2021 wi­der­spricht. Der An­trag­stel­ler weist zwar zu Recht dar­auf hin, dass die Par­la­men­ta­ri­sche Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­rats über die Co­vid-19-Imp­fung be­ra­ten und den Mit­glied­staa­ten un­ter Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 die­ser Re­so­lu­ti­on na­he­ge­legt hat, al­le Bür­ger dar­über zu in­for­mie­ren, dass die Imp­fung kei­ne Pflicht ist. Nie­mand sol­le durch po­li­ti­schen, so­zia­len oder sons­ti­gen Druck zu ei­ner Imp­fung ge­nö­tigt wer­den. Hier­bei han­delt es sich je­doch - wie be­reits die Über­schrift der Re­so­lu­ti­on "Co­vid-19-Imp­fun­gen: ethi­sche, ge­setz­ge­be­ri­sche und prak­ti­sche Über­le­gun­gen" – um ei­ne rein po­li­ti­sche Hand­lungs­emp­feh­lung. Es liegt al­so kein Recht­set­zungs­akt der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­rats vor und da­mit auch kei­ne ver­bind­li­che Re­gel des Völ­ker­rechts.

232 e) Schlie­ß­lich ver­fängt auch der Hin­weis des An­trag­stel­lers auf die "All­ge­mei­ne Er­klä­rung über Bio­ethik und Men­schen­rech­te", die am 19. Ok­to­ber 2005 von der UNESCO-Ge­ne­ral­kon­fe­renz ver­ab­schie­det wor­den ist, nicht. Hier­bei han­delt es sich schon vom Wort­laut her um ei­ne rein ap­pel­la­ti­ve Er­klä­rung, die den Mit­glied­staa­ten der Ver­ein­ten Na­tio­nen die Schaf­fung be­stimm­ter ge­setz­li­cher Re­ge­lun­gen na­he­legt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Buchst. a der Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on). Ei­ne völ­ker­recht­li­che Ver­bind­lich­keit hat die­se De­kla­ra­ti­on schon des­we­gen nicht, weil ge­mäß Art. 25 VN-Char­ta nur Be­schlüs­se des UN-Si­cher­heits­rats bin­den­de Wir­kung ha­ben (vgl. Ruf­fert/Wal­ter, In­sti­tu­tio­na­li­sier­tes Völ­ker­recht, 2. Aufl. 2015, Rn. 90). Im Üb­ri­gen for­dert Art. 6 der Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on die Mit­glied­staa­ten der Ver­ein­ten Na­tio­nen zwar auf, das Prin­zip der in­for­mier­ten Ein­wil­li­gung zur Grund­la­ge je­der prä­ven­ti­ven me­di­zi­ni­schen In­ter­ven­ti­on zu ma­chen. Die­ses Prin­zip soll je­doch nicht aus­nahms­los gel­ten. Viel­mehr wer­den Aus­nah­me­re­ge­lun­gen im In­ter­es­se der öf­fent­li­chen Si­cher­heit und öf­fent­li­chen Ge­sund­heit so­wie der Rech­te an­de­rer in Art. 27 der Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on ex­pli­zit für zu­läs­sig ge­hal­ten. Da­mit ver­folgt die Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on der UNESCO kei­ne Re­ge­lungs­vi­si­on, die über Art. 8 Abs. 2 EM­RK und die Bio­ethik-Kon­ven­ti­on des Eu­ro­pa­ra­tes hin­aus­geht. Im In­ter­es­se der öf­fent­li­chen Si­cher­heit an­ge­ord­ne­te ge­setz­li­che Impf­pflich­ten für Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten sind da­durch nicht aus­ge­schlos­sen.

233 f) Auch das Fol­ter­ver­bot des Art. 7 Satz 2 des In­ter­na­tio­na­len Pak­tes über bür­ger­li­che und po­li­ti­sche Rech­te (IP­bür­gR) vom 19. De­zem­ber 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) ist nicht be­rührt. Nach die­ser Vor­schrift darf nie­mand der Fol­ter oder grau­sa­mer, un­mensch­li­cher oder er­nied­ri­gen­der Be­hand­lung oder Stra­fe un­ter­wor­fen wer­den. Ins­be­son­de­re darf nie­mand oh­ne sei­ne frei­wil­li­ge Zu­stim­mung me­di­zi­ni­schen oder wis­sen­schaft­li­chen Ver­su­chen un­ter­wor­fen wer­den. Die­ses von dem An­trag­stel­ler zi­tier­te Ver­bot der zwangs­wei­sen Durch­füh­rung me­di­zi­ni­scher Ex­pe­ri­men­te hat sei­nen his­to­ri­schen Hin­ter­grund in den grau­sa­men Me­di­zin­ex­pe­ri­men­ten deut­scher KZ-Ärz­te (Dr. Men­ge­le u. a.) vor und wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs. Es be­trifft - wie das Wort "ins­be­son­de­re" am An­fang des zwei­ten Sat­zes der Vor­schrift zeigt - die Miss­hand­lung von Ge­fan­ge­nen und de­ren er­nied­ri­gen­de Be­hand­lung durch me­di­zi­ni­sche Ex­pe­ri­men­te. Die­ser Fall liegt schon des­we­gen nicht vor, weil es bei der Impf­pflicht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nicht um die Miss­hand­lung Ge­fan­ge­ner, son­dern um die An­wen­dung ei­nes zu­ge­las­se­nen Me­di­ka­ments zum Zwe­cke der Vor­beu­gung ge­gen die Co­vid-19-Er­kran­kung geht.

234 g) Nichts an­de­res gilt für den von dem An­trag­stel­ler mehr­fach zi­tier­ten "Nürn­ber­ger Ko­dex". Er ist in der Ur­teils­be­grün­dung des Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zes­ses am 20. Au­gust 1947 auf­ge­stellt wor­den und ent­hält zehn welt­weit an­er­kann­te Grund­sät­ze für die Durch­füh­rung me­di­zi­ni­scher Ver­su­che (Text in Mit­scher­lich/Miel­ke, Me­di­zin oh­ne Mensch­lich­keit. Do­ku­men­te des Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zes­ses, 1960, S. 272 f.). Es ist un­strei­tig, dass das Ur­teil im Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zess und die dar­in als "Nürn­ber­ger Ko­dex" be­kannt ge­wor­de­nen Grund­sät­ze recht­li­che Re­le­vanz im Rah­men des gel­ten­den Völ­ker­straf­rechts ha­ben, so­weit es um die Fra­ge geht, wann die Durch­füh­rung von me­di­zi­ni­schen Ex­pe­ri­men­ten an Ge­fan­ge­nen oder aus ras­sis­ti­schen, eth­ni­schen oder re­li­giö­sen Grün­den Ver­folg­ten ein Ver­bre­chen ge­gen die Mensch­lich­keit dar­stellt (nä­her Ki­ri­a­ka­ki, ZStW 2006, S. 229 ff.). Die­se in Art. 8 IGH-Sta­tut an­ge­spro­che­nen und völ­ker­ge­wohn­heits­recht­lich an­er­kann­ten Fäl­le der men­schen­rechts­wid­ri­gen Miss­hand­lung von Ge­fan­ge­nen und Ver­folg­ten lie­gen of­fen­sicht­lich nicht vor.

235 So­weit es au­ßer­halb die­ses völ­ker­straf­recht­li­chen An­wen­dungs­be­reichs um me­di­zi­ni­sche Ver­su­che an frei­en Bür­gern bei der phar­ma­ko­lo­gi­schen Me­di­ka­men­te­ner­pro­bung geht, wird der Nürn­ber­ger Ko­dex zwar eben­falls als ethi­sche Leit­li­nie an­ge­se­hen und durch an­de­re ethi­sche Leit­li­ni­en, ins­be­son­de­re die 1964 erst­mals vom Welt­ärz­te­bund ver­ab­schie­de­te De­kla­ra­ti­on von Hel­sin­ki über ethi­sche Grund­sät­ze für die For­schung am Men­schen er­gänzt. Me­di­zi­nethi­sche Pos­tu­la­te sind aber nicht gel­ten­des Recht oder völ­ker­recht­li­ches Ge­wohn­heits­recht. Viel­mehr ha­ben die ein­zel­nen Staa­ten und Staa­ten­ver­bün­de in die­sem Be­reich ih­re ei­ge­nen, teil­wei­se von den ge­nann­ten me­di­zi­nethi­schen For­de­run­gen in­spi­rier­te, teil­wei­se da­von ab­wei­chen­de ge­setz­li­che Re­geln ge­schaf­fen. Die­se in­ner­staat­li­chen Ge­set­ze ent­hal­ten die da­für ma­ß­geb­li­chen rechts­ver­bind­li­chen Vor­ga­ben. In die­sem Be­reich der zi­vi­len phar­ma­ko­lo­gi­schen For­schung fehlt es zwar nicht un­be­dingt an über­ein­stim­men­den Rechts­grund­sät­zen, aber an der für Völ­ker­ge­wohn­heits­recht oder Rechts­grund­sät­ze des Völ­ker­rechts not­wen­di­gen Über­zeu­gung ei­ner völ­ker­recht­li­chen Ver­pflich­tung (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 3. Ju­li 2019 - 2 BvR 824/15 u. a. - NJW 2019, 2761 Rn. 32 f. m. w. N.). Denn die in­ner­halb der ein­zel­nen Staa­ten durch­ge­führ­ten For­schungs­vor­ha­ben ha­ben kei­ne be­son­de­re zwi­schen­staat­li­che Re­le­vanz, so­dass für den Be­reich der zi­vi­len phar­ma­ko­lo­gi­schen For­schung ei­ne Über­zeu­gung von der völ­ker­recht­li­chen Ver­pflich­tung durch den "Nürn­ber­ger Ko­dex" nicht ent­stan­den und nicht an­er­kannt ist (vgl. Stel­lung­nah­me der Bun­des­re­gie­rung in BT-Drs. 18/10443 S. 44 oh­ne Be­grün­dung).

236 Im Üb­ri­gen wä­ren die Grund­sät­ze des "Nürn­ber­ger Ko­dex" auch nicht ver­letzt. Denn das Ge­bot, dass ein me­di­zi­ni­scher Ver­such der frei­en Zu­stim­mung des Be­trof­fe­nen be­darf, ist nicht be­rührt. Die Durch­füh­rung von Imp­fun­gen mit arz­nei­mit­tel­recht­lich zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fen ist an­ders, als der An­trag­stel­ler meint, ge­ra­de kein me­di­zi­ni­sches Ex­pe­ri­ment. Die von der Bun­des­wehr zum Ein­satz vor­ge­se­he­nen mRNA-Impf­stof­fe sind von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur (EMA) nach ein­ge­hen­der Prü­fung zu­ge­las­sen wor­den und vor ih­rer Zu­las­sung an tau­sen­den frei­wil­li­gen Ver­suchs­per­so­nen ge­tes­tet und auf mög­li­che Ne­ben­wir­kun­gen un­ter­sucht wor­den. Der Ein­satz die­ser Impf­stof­fe in der Bun­des­wehr dient nicht der ex­pe­ri­men­tel­len Er­for­schung der Impf­stof­fe, son­dern al­lein dem In­fek­ti­ons­schutz der Be­trof­fe­nen und ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­de. Den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr wird ge­ra­de nicht oh­ne de­ren Zu­stim­mung das be­son­ders ho­he Ri­si­ko der erst­ma­li­gen An­wen­dung ei­nes neu­en Me­di­ka­ments am Men­schen auf­er­legt. Viel­mehr wer­den sie mit be­reits ent­spre­chend eva­lu­ier­ten Impf­stof­fen be­han­delt. Von ei­nem Me­di­zin­ver­such kann da­her nicht ge­spro­chen wer­den. So­weit die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on den Her­stel­lern der mRNA-Impf­stof­fe im Rah­men ih­rer be­ding­ten Zu­las­sun­gen wei­te­re Kon­troll­un­ter­su­chun­gen auf­er­legt hat, dient dies der fort­lau­fen­den Über­wa­chung und Ver­bes­se­rung der Impf­stoff­si­cher­heit.

237 h) Of­fen­sicht­lich nicht ein­schlä­gig ist das Über­ein­kom­men über das Ver­bot der Ent­wick­lung, Her­stel­lung und La­ge­rung bak­te­rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Waf­fen und von To­xin­waf­fen so­wie über die Ver­nich­tung sol­cher Waf­fen (BWÜ) vom 10. April 1972. Zwar ist auch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die­ser am 26. März 1975 in Kraft ge­tre­te­nen UN-Kon­ven­ti­on bei­ge­tre­ten. Nach Art. 1 Nr. 1 BWÜ be­zieht sich das Ent­wick­lungs- und Her­stel­lungs­ver­bot von mi­kro­bio­lo­gi­schen oder an­de­ren bio­lo­gi­schen Agen­zi­en aber nicht auf Ar­ten und Men­gen, die durch Vor­beu­gungs-, Schutz- oder sons­ti­ge fried­li­che Zwe­cke ge­recht­fer­tigt sind. Die Her­stel­lung von Impf­stof­fen ge­gen Co­vid-19 dient je­doch dem fried­li­chen Zweck der Ver­hü­tung ei­ner in der Zi­vil­be­völ­ke­rung ver­brei­te­ten Er­kran­kung, wes­we­gen die­se Impf­stof­fe auch nicht als Bio­waf­fen be­zeich­net wer­den kön­nen.

238 i) Er­kenn­bar oh­ne recht­li­che Re­le­vanz für den vor­lie­gen­den Fall sind schlie­ß­lich die vom An­trag­stel­ler vor­ge­tra­ge­nen Flug­si­cher­heits­ar­gu­men­te. So­weit er mit dem zum Schutz vor An­grif­fen auf die zi­vi­le Luft­fahrt er­las­se­nen Luft­si­cher­heits­ge­setz ar­gu­men­tiert, die Zu­ver­läs­sig­keits­prü­fung für al­le im zi­vi­len Luft­ver­kehr be­schäf­tig­ten Per­so­nen an­spricht und auf die Ab­erken­nung der Zu­ver­läs­sig­keit bei Me­di­ka­men­ten­ab­hän­gig­keit und -miss­brauch nach § 7 Abs. 1a Satz 3, 4 Nr. 4 Luft­SiG hin­weist, ist die­se Re­ge­lung of­fen­sicht­lich für ihn nicht ein­schlä­gig. Der An­trag­stel­ler ist we­der in der zi­vi­len Luft­fahrt be­schäf­tigt noch wird er durch die Ver­pflich­tung zur Dul­dung ei­ner Co­vid-19-Schutz­imp­fung zu Me­di­ka­men­ten­miss­brauch an­ge­hal­ten.

239 Oh­ne Ein­fluss auf die Rechts­stel­lung des An­trag­stel­lers ist auch das völ­ker­recht­lich ver­bind­li­che Ab­kom­men über die zi­vi­le Luft­fahrt (Chi­ca­go­er Ab­kom­men) vom 7. De­zem­ber 1944 (BGBl. 1956 II S. 411) in sei­ner ak­tu­ell gel­ten­den Fas­sung. Dass im An­nex I die­ses Ab­kom­mens an Pi­lo­ten bei der Aus­übung ih­rer Flug­li­zenz be­son­de­re me­di­zi­ni­sche An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den, be­trifft den An­trag­stel­ler nicht, weil er we­der in der zi­vi­len Luft­fahrt tä­tig noch als Pi­lot in der Bun­des­wehr ein­ge­setzt ist. Aus den glei­chen Grün­den be­tref­fen ihn die Be­stim­mun­gen der "Ver­ord­nung (EU) Nr. 1178/2011 der Kom­mis­si­on vom 3. No­vem­ber 2011 zur Fest­le­gung tech­ni­scher Vor­schrif­ten und von Ver­wal­tungs­ver­fah­ren in Be­zug auf das flie­gen­de Per­so­nal in der Zi­vil­luft­fahrt ge­mäß der Ver­ord­nung (EG) Nr. 216/2008 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes" (ABl. L 311 vom 25. No­vem­ber 2011, S. 1) nicht.

240 Im Üb­ri­gen folgt auch aus An­nex I Ka­pi­tel 6.2.2.d) des Chi­ca­go­er Ab­kom­mens und den na­he­zu wort­glei­chen Be­stim­mun­gen der zi­tier­ten EU-Ver­ord­nung nur, dass Pi­lo­ten frei sein müs­sen von je­der Wir­kung oder Ne­ben­wir­kung ei­nes ver­schrie­be­nen oder nicht ver­schrie­be­nen, the­ra­peu­ti­schen, dia­gnos­ti­schen oder prä­ven­ti­ven Me­di­ka­ments; ma­ß­geb­lich ist ein Grad an Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung, der vor­aus­sicht­lich die si­che­re Steue­rung ei­nes Flug­zeugs oder die si­che­re Pflicht­er­fül­lung ein­schrän­ken wür­de. Die­se Re­ge­lung schlie­ßt ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung er­kenn­bar nicht aus, weil da­mit in al­ler Re­gel kei­ne dau­er­haf­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen ver­bun­den sind. Dem­entspre­chend emp­fiehlt auch die Eu­ro­päi­sche Flug­si­cher­heits­be­hör­de (Eu­rope­an Uni­on Avia­ti­on Safe­ty Agen­cy - EA­SA) ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung von Pi­lo­ten und for­dert le­dig­lich, dass nach je­der Imp­fung ei­ne Über­wa­chungs­zeit von 48 Stun­den bis zum nächs­ten Flug ein­ge­hal­ten wird (EA­SA, Safe­ty In­for­ma­ti­on Bul­le­tin vom 25. März 2021, Nr. 2021-06 S. 2). So­weit in der Wis­sen­schaft un­ter Ver­weis auf nicht kon­kre­ti­sier­te flug­me­di­zi­ni­sche For­schungs­de­fi­zi­te ver­ein­zelt Ge­gen­tei­li­ges ver­tre­ten wird (vgl. Gi­e­mul­la, ZLW 2022, S. 175 <193>), ver­mag dies die Über­zeu­gungs­kraft der amt­li­chen Ein­schät­zung der in­so­weit sach­ver­stän­di­gen Flug­si­cher­heits­be­hör­de nicht zu schwä­chen.

241 10. Ei­ne Be­las­tung des An­trag­stel­lers mit den vor dem Se­nat ent­stan­de­nen Kos­ten kommt nicht in Be­tracht, da die Vor­aus­set­zun­gen des § 20 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vor­lie­gen.

Be­schluss vom 07.07.2022 -
BVer­wG 1 WB 5.22ECLI:DE:BVer­wG:2022:070722B1W­B5.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 5.22

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung am 2. Mai, 7. Ju­ni, 8. Ju­ni und 6. Ju­li 2022 durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ep­pelt,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Oberst i.G. Miel­ke und
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Oberst­leut­nant i.G. Su­chordt
am 7. Ju­li 2022 be­schlos­sen:

Der An­trag wird zu­rück­ge­wie­sen.

Grün­de

I

1 Das Ver­fah­ren be­trifft die Ver­pflich­tung zur Dul­dung ei­ner Co­vid-19-Imp­fung.

2 Der ... ge­bo­re­ne An­trag­stel­ler ist Be­rufs­sol­dat im Dienst­grad ei­nes Oberst­leut­nants. Er wird der­zeit als ... beim ... der Bun­des­wehr ver­wen­det.

3 Mit Wir­kung vom 24. No­vem­ber 2021 trat im Ge­schäfts­be­reich des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung nach Be­tei­li­gung des Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­s­s­es, des Haupt­per­so­nal­ra­tes und der Haupt­schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung ei­ne Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men — Fach­li­cher Teil" in Kraft. Da­durch wur­de die Imp­fung ge­gen den Co­vid-19-Er­re­ger in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 auf­ge­nom­men. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 er­for­dern die Co­vid-19-Impf­stof­fe ei­ne oder zwei Tei­limp­fun­gen so­wie Auf­fri­schimp­fun­gen ge­mäß den ak­tu­el­len na­tio­na­len Emp­feh­lun­gen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für al­le Kräf­te (Ein­hei­ten und Ein­zel­per­so­nen), die für Hilfs- und Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen im In­land ein­ge­setzt wer­den — die so­ge­nann­ten "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­kräf­te In­land" — die Ba­sis­im­mu­ni­sie­rung er­for­der­lich. Nr. 210 der Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und wei­te­re aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" sieht vor, dass al­le Sol­da­ten die an­ge­wie­se­nen Impf- und Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men und Imp­fun­gen der "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­kräf­te In­land" zu dul­den ha­ben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind da­mit al­le ak­ti­ven Sol­da­ten dul­dungs­pflich­tig zu imp­fen, so­fern in der Per­son des Sol­da­ten kei­ne in­di­vi­du­el­le me­di­zi­ni­sche Kon­tra­in­di­ka­ti­on vor­liegt.

4 Mit Schrift­satz vom 12. De­zem­ber 2021 er­hob der An­trag­stel­ler Be­schwer­de ge­gen die Än­de­run­gen der AR A1-840/8-4000 so­wie die da­mit in Zu­sam­men­hang ste­hen­de Be­fehls­ge­bung im ... der Bun­des­wehr. Die Co­vid-19-Imp­fung er­fül­le nicht die Vor­aus­set­zun­gen nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG. Sie ver­hin­de­re ei­ne In­fek­ti­on oder Er­kran­kung nicht und be­kämp­fe die­se auch nicht. Dass die Imp­fung die Ge­fahr der An­ste­ckung an­de­rer Per­so­nen aus­schlie­ße oder ver­rin­ge­re bzw. die Ge­fahr ei­nes schwe­ren Krank­heits­ver­lau­fes ver­min­de­re, sei nicht be­legt. Ihn be­un­ru­hig­ten In­for­ma­tio­nen über Ne­ben- und Lang­zeit­wir­kun­gen, nicht durch­ge­führ­te Stu­di­en zu Kon­tra­in­di­ka­tio­nen, das voll­stän­di­ge Feh­len von Lang­zeit­stu­di­en und die man­geln­de Er­fah­rung mit den neu­ar­ti­gen mRNA-Impf­stof­fen. Die Imp­fung be­ein­träch­ti­ge Leib und Le­ben un­zu­mut­bar und stel­le ei­nen un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Ein­griff in sei­ne Grund­rech­te dar. Es han­de­le sich nicht um ei­ne Imp­fung im her­kömm­li­chen Sin­ne, son­dern um die ex­pe­ri­men­tel­le Ver­ab­rei­chung ei­ner gen­ba­sier­ten Sub­stanz, die nur be­dingt zu­ge­las­sen wor­den sei. Die kon­se­quen­te Testung vor Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen und die Ein­hal­tung der Ab­stands­re­geln ge­be ei­ne aus­rei­chen­de Si­cher­heit.

5 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat die Be­schwer­de als An­trag auf ge­richt­li­che Ent­schei­dung ge­wer­tet und mit Stel­lung­nah­me vom 14. Ja­nu­ar 2022 dem Se­nat vor­ge­legt. So­weit sich die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers ge­gen den Amts­be­fehl 20/2021 rich­te­te, hat der Ge­ne­ral­in­spek­teur der Bun­des­wehr sie mit - hier nicht streit­ge­gen­ständ­li­chem - Be­scheid vom 14. Fe­bru­ar 2022 zu­rück­ge­wie­sen.

6 Im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren hat der An­trag­stel­ler im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht, er wür­de durch die Auf­er­le­gung ei­ner als Dul­dungs­pflicht be­zeich­ne­ten Impf­pflicht un­mit­tel­bar in sei­nen Rech­ten be­ein­träch­tigt. Das Ba­si­s­impf­sche­ma sei als All­ge­mein­ver­fü­gung zu qua­li­fi­zie­ren. Die Pflicht, die Co­vid-19-Imp­fung zu dul­den, sei nicht durch die Ge­sund­erhal­tungs­pflicht des § 17a SG ge­recht­fer­tigt. Die Dul­dungs­pflicht ver­let­ze sei­ne Men­schen­wür­de so­wie sei­ne Grund­rech­te auf Le­ben und kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit, auf Glau­bens­frei­heit und Be­rufs­frei­heit. Sie ver­sto­ße wei­ter ge­gen Art. 1 und 3 Abs. 2 Buchst. a bis c und Art. 9 der Eu­ro­päi­schen Grund­rechts­char­ta. Durch die­se Grund­rechts­ga­ran­ti­en wür­den im Rah­men der Me­di­zin ei­ne freie Ein­wil­li­gung vor­ge­schrie­ben, eu­ge­ni­sche Prak­ti­ken un­ter­sagt und die Nut­zung des mensch­li­chen Kör­pers zur Ge­winn­erzie­lung ver­bo­ten. Die Imp­fung grei­fe auch in das von Art. 2 EM­RK ge­währ­leis­te­te Recht auf Le­ben ein. Ver­sto­ßen wer­de auch ge­gen Art. 7 des In­ter­na­tio­na­len Pakts über bür­ger­li­che und po­li­ti­sche Rech­te, der me­di­zi­ni­sche Ver­su­che oh­ne Zu­stim­mung der Be­trof­fe­nen ver­bie­te. Ver­sto­ßen wer­de des Wei­te­ren ge­gen die Re­so­lu­ti­on 2361 (2021) der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­ra­tes vom 27. Ja­nu­ar 2021, die in Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 die Frei­wil­lig­keit von Co­vid-19-Imp­fun­gen und ein Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung von Impf­geg­nern ge­for­dert ha­be. Die Dul­dungs­pflicht ver­let­ze fer­ner die all­ge­mein an­er­kann­ten Re­geln des Völ­ker­rechts. Ins­be­son­de­re sei ein Ver­stoß ge­gen Art. 5 des eu­ro­päi­schen Über­ein­kom­mens über Men­schen­rech­te und Bio­me­di­zin und ge­gen Art. 6 Abs. 1 der All­ge­mei­nen Er­klä­rung über Bio­ethik und Men­schen­rech­te der Ver­ein­ten Na­tio­nen fest­zu­stel­len.

7 Bei den mRNA-Impf­stof­fen han­de­le es sich nicht um her­kömm­li­che Impf­stof­fe, son­dern um gen­ba­sier­te ex­pe­ri­men­tel­le Sub­stan­zen. Die In­jek­ti­on die­ser Stof­fe stel­le ei­ne Gen­the­ra­pie dar, die zu Un­recht als Impf­stoff de­kla­riert wor­den sei. Da­durch sei es mög­lich ge­wor­den, die Sub­stan­zen oh­ne mehr­jäh­ri­ge Er­pro­bung zu­zu­las­sen. Es sei aber nur ei­ne be­ding­te Zu­las­sung er­folgt mit der Kon­se­quenz, dass die Er­for­schung der Impf­ne­ben­wir­kun­gen und -kom­pli­ka­tio­nen in ei­nem gro­ßen Feld­ver­such bei der An­wen­dung in der Ge­samt­be­völ­ke­rung nach­ge­holt wer­de. Die Impf­kam­pa­gne stel­le vor die­sem Hin­ter­grund ein me­di­zi­ni­sches Ex­pe­ri­ment dar, oh­ne dass Impf­wil­li­ge dar­über auf­ge­klärt wür­den, dass sie an ei­ner noch lau­fen­den Stu­die teil­neh­men wür­den. Ih­re Ein­wil­li­gung kön­ne da­her nicht frei­wil­lig sein. Zur Teil­nah­me an ei­nem wis­sen­schaft­li­chen Ex­pe­ri­ment dür­fe nie­mand ge­nö­tigt wer­den. Im Wi­der­spruch da­zu wür­den die Sol­da­ten un­ter Ver­stoß ge­gen § 17a Abs. 5 SG i. V. m. § 630c Abs. 2 BGB un­zu­rei­chend über die Impf­ri­si­ken auf­ge­klärt, weil das Auf­klä­rungs­blatt des Sa­ni­täts­diens­tes un­voll­stän­dig sei. Fer­ner wür­den sie rechts­wid­rig durch die An­dro­hung er­heb­li­cher be­ruf­li­cher Nach­tei­le und straf- und dis­zi­pli­nar­recht­li­cher Fol­gen zu ei­ner Imp­fung ge­zwun­gen.

8 In der Durch­füh­rung der Impf­kam­pa­gne lä­gen Ver­stö­ße ge­gen den Nürn­ber­ger Ko­dex so­wie wei­te­re durch den In­ter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof zu ver­fol­gen­de Straf­ta­ten. Der Impf­stoff Co­mirna­ty ent­hal­te für die Be­hand­lung von Men­schen nicht zu­ge­las­se­ne Na­no­li­pi­de als Trä­ger­sub­stan­zen. Die Ver­wen­dung die­ses Impf­stof­fes stel­le ei­ne Straf­tat nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 3a, Abs. 3 AMG dar, weil der Impf­stoff durch die Ab­wei­chung von den all­ge­mein an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln in sei­ner Qua­li­tät er­heb­lich ge­min­dert sei. Die als Trä­ger­sub­stan­zen ge­nutz­ten Na­no­li­pi­de sei­en als neu­ar­ti­ge Hilfs­stof­fe nicht im Arz­nei­buch ent­hal­ten und nicht aus­rei­chend un­ter­sucht. Sie wür­den Ent­zün­dun­gen aus­lö­sen und sei­en ver­mut­lich für schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen ver­ant­wort­lich. Die mRNA-Impf­stof­fe sei­en zu­dem als Bio­waf­fen an­zu­se­hen und nach Art. 1 der Bio­waf­fen­kon­ven­ti­on ver­bo­ten.

9 Durch die Ver­brei­tung von SARS-CoV-2 sei kei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Not­la­ge ent­stan­den, die die zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie be­schlos­se­nen Maß­nah­men ein­schlie­ß­lich der sol­da­ten­recht­li­chen Impf­dul­dungs­pflicht recht­fer­ti­gen könn­ten. Die meis­ten Men­schen sei­en ge­gen das Vi­rus durch ihr Im­mun­sys­tem be­reits aus­rei­chend ge­schützt. Im Üb­ri­gen ge­be es gu­te Be­hand­lungs- und kon­ven­tio­nel­le Prä­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Die Ein­satz­fä­hig­keit der Trup­pe sei nicht ge­fähr­det. Ent­spre­chen­de Ge­fähr­dun­gen wür­den auch nicht dro­hen. Ins­be­son­de­re sei­en das Ge­sund­heits­sys­tem und auch der Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr nicht an der Be­las­tungs­gren­ze.

10 Die Imp­fung be­grün­de da­ge­gen er­heb­li­che Ge­fah­ren für Leib und Le­ben Ge­impf­ter. Eu­ro­pa­weit sei es — Stand 17. Ju­li 2021 — zu 18 928 To­des­fäl­len und 1 823 219 Ver­let­zun­gen im Zu­sam­men­hang mit den Imp­fun­gen ge­kom­men. Zwi­schen der Über­sterb­lich­keit und der Impf­kam­pa­gne ge­be es ei­nen die Kau­sa­li­tät in­di­zie­ren­den zeit­li­chen Zu­sam­men­hang. Impf­kom­pli­ka­tio­nen und -ne­ben­wir­kun­gen wür­den von den Ge­sund­heits­be­hör­den nur un­zu­rei­chend er­fasst. Die tat­säch­li­che Ge­fähr­lich­keit der Impf­stof­fe und ih­re Ne­ben­wir­kun­gen wür­den der Öf­fent­lich­keit ge­gen­über ver­schlei­ert. Die Impf­kom­pli­ka­tio­nen wür­den in der deutsch­land­wei­ten Sta­tis­tik des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ver­harm­lost. Dies ha­be ei­ne von der BKK Pro­Vi­ta her­aus­ge­ge­be­ne Stu­die er­ge­ben.

11 Die in Re­de ste­hen­den Impf­stof­fe hät­ten auch nicht den be­haup­te­ten Nut­zen. Ein po­si­ti­ver Ef­fekt auf das In­fek­ti­ons­ge­sche­hen sei nicht be­legt. Vor ei­ner In­fek­ti­on oder Er­kran­kung wür­den die Stof­fe nicht schüt­zen. Sie wür­den auch kei­ne ste­ri­le Im­mu­ni­tät er­zeu­gen. Dass sie zu mil­de­ren Ver­läu­fen führ­ten, sei nicht nach­ge­wie­sen. Viel­mehr wer­de die Ein­satz­fä­hig­keit durch die Imp­fung ge­fähr­det. Es sei nicht aus­zu­schlie­ßen, dass erst durch die Imp­fung schwe­re Ver­läu­fe her­vor­ge­ru­fen wür­den. Falls das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um kei­ne Da­ten über Impf­schä­den er­ho­ben ha­ben soll­te, lie­ge hier­in ein Ver­stoß ge­gen die Für­sor­ge­pflicht. In die­sem Fall sei ei­ne Be­wer­tung des Nut­zens der Imp­fung für die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr gar nicht mög­lich. Die Ge­sund­heits- und Um­welt­ri­si­ken durch die Frei­set­zung ge­ne­tisch ver­än­der­ter Or­ga­nis­men sei noch un­be­kannt. Im Hin­blick dar­auf, dass die Impf­stof­fe der­zeit fast kei­nen Nut­zen bräch­ten, sei das Ge­sund­heits­ri­si­ko un­an­nehm­bar hoch. Die Teil­nah­me an der Imp­fung sei da­her un­zu­mut­bar im Sin­ne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG.

12 Der An­trag­stel­ler be­an­tragt,
die An­wei­sung der Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin vom 24.11.2021 zur Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in das Ba­si­s­impf­sche­ma der Bun­des­wehr "All­ge­mei­ne Re­ge­lung Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil - A 1-840/8-4000" auf­zu­he­ben.

13 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung be­an­tragt,
den An­trag zu­rück­zu­wei­sen.

14 Der An­trag sei be­reits un­zu­läs­sig. Es lie­ge kei­ne an­fecht­ba­re dienst­li­che Maß­nah­me vor, weil die Er­lass­re­ge­lung der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen nicht un­mit­tel­bar in die Rechts­sphä­re des Sol­da­ten hin­ein­wir­ke. Es be­stehe schon kraft Ge­set­zes ei­ne Dul­dungs­pflicht, die von der ZDv A-840/8 nur wie­der­holt wer­de. Die Dul­dungs­pflicht des ein­zel­nen Sol­da­ten hän­ge von wei­te­ren Um­set­zungs­ak­ten — dem Be­fehl ei­nes mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten und der Er­mes­sens­aus­übung ei­nes Impf­arz­tes nach Prü­fung ei­ner me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on — ab. Es feh­le je­den­falls noch die Prü­fung der me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on durch den Impf­arzt.

15 Je­den­falls sei der An­trag un­be­grün­det, weil die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der ge­ne­rell durch­zu­füh­ren­den Ba­si­s­imp­fun­gen recht­mä­ßig sei. Das Grund­recht des Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirk­sam ein­ge­schränkt wor­den. Die Vor­schrift er­lau­be die Durch­füh­rung ärzt­li­cher Maß­nah­men zur Ver­hü­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten. Die Schutz­imp­fung ge­gen das Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 wer­de im In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz als Ver­hü­tungs­maß­nah­me be­grif­fen und fal­le dar­um auch bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG un­ter die­sen Be­griff. Da­für sei es nicht er­for­der­lich, dass die Maß­nah­me ei­nen voll­stän­di­gen Schutz ge­gen ei­ne In­fek­ti­on bie­te. Dies sei auch bei an­de­ren Impf­stof­fen — et­wa ge­gen In­flu­en­za, Ty­phus und Cho­le­ra — nicht der Fall. Es ge­nü­ge, wenn die Imp­fung die Wahr­schein­lich­keit der An­ste­ckung oder die Wahr­schein­lich­keit schwe­rer Ver­läu­fe re­du­zie­re. Be­reits der in­di­vi­du­el­le Schutz vor schwe­ren Ver­läu­fen und die Ver­rin­ge­rung der Trans­mis­si­on des Er­re­gers tra­ge ma­ß­geb­lich zur Ver­hü­tung und Be­kämp­fung von über­trag­ba­ren Krank­hei­ten bei. Dem ste­he auch die vie­len Impf­stof­fen im­ma­nen­te Not­wen­dig­keit ei­ner Auf­fri­schung oder An­pas­sung an mu­tier­te Er­re­ger nicht ent­ge­gen.

16 Die Pflicht, die Imp­fung zu dul­den, die­ne der Si­cher­stel­lung der Auf­trags­er­fül­lung der Streit­kräf­te und sei Aus­druck der Für­sor­ge­pflicht des Dienst­herrn ge­gen­über den Sol­da­ten. SARS-CoV-2 be­grün­de erns­te Ge­sund­heits­ge­fah­ren auch für Sol­da­ten. Ei­ne In­fek­ti­on kön­ne zu schwe­ren Krank­heits­ver­läu­fen oder zum Tod füh­ren. Dies gel­te nicht nur für vul­ne­r­a­ble Grup­pen, son­dern auch für an­sons­ten ge­sun­de Per­so­nen zwi­schen 17 und 65 Jah­ren. Mi­li­tä­ri­sches Per­so­nal sei durch die Be­son­der­hei­ten des Dienst­be­triebs ei­nem ho­hen In­fek­ti­ons­ri­si­ko aus­ge­setzt.

17 Die Imp­fung die­ne in ers­ter Li­nie der Ver­hü­tung ei­ner Über­tra­gung des Vi­rus und in zwei­ter Li­nie der Ver­mei­dung schwe­rer Krank­heits­ver­läu­fe, ins­be­son­de­re der Hos­pi­ta­li­sie­rung und in­ten­siv­me­di­zi­ni­scher Be­hand­lung. Auch hin­sicht­lich der Omi­kron-Va­ri­an­te von SARS-CoV-2 sen­ke die Imp­fung — vor al­lem bei ak­tu­ell auf­ge­frisch­tem Impf­schutz — das Ri­si­ko ei­ner sym­pto­ma­ti­schen und vor al­lem ei­ner schwe­ren Er­kran­kung deut­lich. Op­ti­mal sei­en prä­ven­tiv­me­di­zi­ni­sche Zwe­cke durch ei­ne Imp­fung im Ver­bund mit an­de­ren Hy­gie­ne­maß­nah­men zu er­rei­chen. Die­se al­lein — ins­be­son­de­re Ho­me­of­fice und ho­he Test­fre­quen­zen — sei­en aber nicht aus­rei­chend.

18 So­weit der An­trag­stel­ler auf die all­ge­mei­nen Impf­ri­si­ken und -ne­ben­wir­kun­gen ab­stel­le, ha­be ei­ne grund­sätz­li­che Ri­si­ko­ab­wä­gung be­reits bei der Zu­las­sung der Impf­stof­fe statt­ge­fun­den. Die Impf­stoff­an­wen­dung wer­de zu­dem durch die zu­stän­di­gen eu­ro­päi­schen Stel­len und das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut lau­fend über­wacht. Nach des­sen Si­cher­heits­be­richt vom 30. No­vem­ber 2021 ha­be es bei ei­ner Ver­ab­rei­chung von mehr als 123 Mil­lio­nen Impf­stoff­do­sen in 0,16 % der Fäl­le Mel­dun­gen über Kom­pli­ka­tio­nen, in 0,02 % Mel­dun­gen über schwer­wie­gen­de Re­ak­tio­nen und 15 Mel­dun­gen zu To­des­fäl­len ge­ge­ben. In drei Fäl­len wer­de auch ein tat­säch­li­cher Zu­sam­men­hang zur Imp­fung an­ge­nom­men. Zu­sam­men­fas­send kom­me das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut zu der Auf­fas­sung, dass schwer­wie­gen­de Ne­ben­wir­kun­gen sehr sel­ten auf­tre­ten und das po­si­ti­ve Nut­zen-Ri­si­ko-Ver­hält­nis der Imp­fung nicht än­dern wür­den. Spä­te­re Si­cher­heits­be­rich­te er­gä­ben kein grund­le­gend an­de­res Bild. Die Stu­die der BKK Pro­Vi­ta be­ru­he nicht auf aus­sa­ge­fä­hi­gen Da­ten und er­lau­be da­her nicht den Schluss auf ei­ne hö­he­re als die vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut bei sei­ner Ri­si­ko­be­wer­tung be­rück­sich­tig­te Zahl von Impf­ne­ben­wir­kun­gen. Auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt sei in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht vom 27. April 2022 von der Fach­ex­per­ti­se des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und der Ver­läss­lich­keit der Ri­si­ko­ein­schät­zung aus­ge­gan­gen.

19 Das Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr über­wa­che fort­lau­fend Mel­dun­gen zu Impf­ne­ben­wir­kun­gen und ak­tua­li­sie­re nach Ma­ß­ga­be der fort­lau­fend ak­tua­li­sier­ten Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on re­gel­mä­ßig sei­ne fach­li­chen Hin­wei­se. Ne­ben die­ser grund­sätz­li­chen Ri­si­ko­ab­wä­gung er­fol­ge in je­dem Ein­zel­fall ei­ne in­di­vi­du­el­le Ri­si­ko­ab­wä­gung durch die Kon­tra­in­di­ka­ti­ons­prü­fung des zu­stän­di­gen Impf­arz­tes. Bei der Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung der Impf­stof­fe sei­en Impf­ne­ben­wir­kun­gen und -kom­pli­ka­tio­nen in Re­la­ti­on zur Men­ge der ver­ab­reich­ten Impf­do­sen zu be­ur­tei­len. Der zeit­li­che Zu­sam­men­hang von Ne­ben­wir­kun­gen mit der Imp­fung be­wei­se nicht stets den kau­sa­len Zu­sam­men­hang. In die Ri­si­ko­be­wer­tung müs­se auch das Ri­si­ko schwe­rer Fol­gen ei­ner Co­vid-19-Er­kran­kung ein­ge­stellt wer­den. Hier­nach sei die Dul­dungs­pflicht ver­hält­nis­mä­ßig und nach der Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung der fach­lich zu­stän­di­gen Stel­len zu­mut­bar. Auch die­se Ein­schät­zung ha­be das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht be­stä­tigt.

20 Im Früh­jahr 2022 ist der pro­te­in­ba­sier­te Impf­stoff Nu­va­xo­vid des Her­stel­lers No­va­vax auch in Deutsch­land auf den Arz­nei­mit­tel­markt ge­kom­men, der auf dem klas­si­schen Wirk­prin­zip der Tot­impf­stof­fe ba­siert. Der An­trag­stel­ler sieht auch die­sen Impf­stoff als un­zu­mut­bar an.

21 Der An­trag­stel­ler hat gleich­zei­tig mit dem An­trag auf ge­richt­li­che Ent­schei­dung vor­läu­fi­gen Rechts­schutz be­an­tragt (1 W-VR 3.22 ). Der Se­nat hat das Ver­fah­ren mit dem An­trag ei­nes an­de­ren Luft­waf­fen­of­fi­ziers (1 WB 2.22 ) durch Be­schluss vom 3. März 2022 zur ge­mein­sa­men Ver­hand­lung ver­bun­den und dar­über an vier Ver­hand­lungs­ta­gen ver­han­delt und Sach­ver­stän­di­gen­be­weis er­ho­ben. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf das Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung und den In­halt der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

II

22 Der An­trag hat kei­nen Er­folg.

23 1. Er ist zwar zu­läs­sig. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der grund­sätz­lich ver­pflich­ten­den Ba­si­s­imp­fun­gen stellt ei­ne un­mit­tel­bar gel­ten­de dienst­li­che Maß­nah­me dar (a), von der der Sol­dat be­trof­fen ist (b) und de­ren Auf­he­bung nach § 17 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 und 2 WBO beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt be­an­tragt wer­den kann (c).

24 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Sol­dat die Wehr­dienst­ge­rich­te an­ru­fen, wenn sein An­trag ei­ne Ver­let­zung sei­ner Rech­te oder ei­ne Ver­let­zung von Vor­ge­setz­ten­pflich­ten ihm ge­gen­über zum Ge­gen­stand hat, die im Zwei­ten Un­ter­ab­schnitt des Ers­ten Ab­schnitts des Sol­da­ten­ge­set­zes mit Aus­nah­me der §§ 24, 25, 30 und 31 ge­re­gelt sind. Dar­aus folgt, dass der Sol­dat nur sol­che dienst­li­chen Maß­nah­men und Un­ter­las­sun­gen (§ 17 Abs. 3 WBO) sei­ner mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten ei­ner ge­richt­li­chen Über­prü­fung un­ter­zie­hen kann, die un­mit­tel­bar ge­gen ihn ge­rich­tet sind oder die — ob­wohl an an­de­re Sol­da­ten ge­rich­tet — in Form ei­ner Rechts­ver­let­zung oder ei­nes Pflich­ten­ver­sto­ßes in sei­ne Rechts­sphä­re hin­ein­wir­ken (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 31. Ja­nu­ar 2019 - 1 WB 28.17 - BVer­w­GE 164, 304 Rn. 13).

25 Hier­nach ist der An­trag statt­haft, weil die in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 ent­hal­te­ne Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen un­mit­tel­bar die Pflicht zur Dul­dung be­grün­det. Zwar ist die Pflicht ei­nes Sol­da­ten, ärzt­li­che Maß­nah­men zur Ver­hü­tung und Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten ge­gen sei­nen Wil­len zu dul­den, be­reits ge­setz­lich in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­re­gelt. Das Ge­setz legt in­des­sen nicht fest, wel­che Imp­fun­gen im Ein­zel­nen durch­zu­füh­ren sind. Viel­mehr über­lässt es die­se Ent­schei­dung dem Dienst­herrn, der un­ter Be­rück­sich­ti­gung der an be­stimm­ten Or­ten bei be­stimm­ten Ein­sät­zen dro­hen­den Ge­sund­heits­ge­fah­ren über die not­wen­di­gen Imp­fun­gen für die Auf­recht­erhal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr ent­schei­det.

26 Mit der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen im No­vem­ber 2021 ist die Pflicht zur Dul­dung für die­se Imp­fung ak­ti­viert wor­den. Denn die Ba­si­s­imp­fun­gen sind nach der Re­ge­lungs­tech­nik des Er­las­ses für al­le mi­li­tä­ri­schen Kräf­te vor­ge­schrie­ben, die im In­land im Rah­men der Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­schutz­auf­ga­ben der Bun­des­wehr (Art. 35 GG) zum Ein­satz kom­men (Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000). Da­bei zäh­len al­le ak­ti­ven Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten zum "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­schutz In­land", so­dass sie für das da­für vor­ge­se­he­ne Impf­sche­ma dul­dungs­pflich­tig sind (Nr. 406 ZDv A-840/8).

27 Die Dul­dungs­pflicht gilt un­mit­tel­bar mit In­kraft­tre­ten des Er­las­ses. Denn das ärzt­li­che Impf­per­so­nal ist ab die­sem Zeit­punkt ver­pflich­tet, die vor­ge­schrie­be­nen Impf­maß­nah­men durch­zu­füh­ren (Nr. 208 ZDv A-840/8), und die Dis­zi­pli­nar­vor­ge­setz­ten sind für die Kon­trol­le des Fort­schritts der Imp­fun­gen und die zeit­ge­rech­te Vor­stel­lung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten zu die­sen Imp­fun­gen ver­ant­wort­lich (Nr. 801 ZDv A-840/8). Zwar kann die Dul­dungs­pflicht nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG in Son­der­fäl­len zeit­wei­se oder auf Dau­er ent­fal­len, wenn die ärzt­li­che Imp­fung aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den un­zu­mut­bar ist. Die­se Dis­pens­mög­lich­keit än­dert je­doch nichts an dem Grund­satz, dass mit der Auf­nah­me ei­ner Imp­fung in die Lis­te der vor­ge­schrie­be­nen Ba­si­s­imp­fun­gen ei­ne Dienst­pflicht zur Teil­nah­me an der ent­spre­chen­den Imp­fung aus­ge­löst wird und dass all­ge­mei­ne Ein­wen­dun­gen ge­gen die­se Imp­fung von dem zu­stän­di­gen Trup­pen­arzt nicht be­rück­sich­tigt wer­den.

28 b) Da un­mit­tel­bar gel­ten­de Er­las­se und Be­feh­le häu­fig Aus­nah­men oder Be­schrän­kun­gen des An­wen­dungs­be­reichs ent­hal­ten, muss der An­trag­stel­ler hin­rei­chend sub­stan­ti­iert dar­le­gen, dass und in­wie­fern er von der be­an­stan­de­ten Re­ge­lung un­mit­tel­bar be­trof­fen ist (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 27. Au­gust 2015 - 1 WB 25.15 - NZWehrr 2015, 255 f.). Die­ser Pflicht ist der An­trag­stel­ler nach­ge­kom­men, in­dem er auf sei­ne Zu­ge­hö­rig­keit zum impf­pflich­ti­gen Per­so­nen­kreis, auf die ihm für die Co­vid-19-Imp­fung ge­setz­te Nach­weis­frist und das Feh­len von be­kann­ten Kon­tra­in­di­ka­tio­nen hin­ge­wie­sen hat.

29 c) Ei­ne Frist für die Ein­le­gung des An­trags war nicht zu be­ach­ten, da es sich bei der Fest­le­gung des Ka­ta­logs der Ba­si­s­imp­fun­gen um ei­ne Dau­er­an­ord­nung han­delt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 31. Ja­nu­ar 2019 - 1 WB 28.17 - BVer­w­GE 164, 304 Rn. 15). Denn al­le be­trof­fe­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten müs­sen sich nicht nur ein­mal ge­gen Co­vid-19 imp­fen las­sen, son­dern je nach me­di­zi­ni­scher Er­for­der­lich­keit Auf­fri­schimp­fun­gen durch­füh­ren (vgl. Nr. 1080 AR A1-840/8-4000). Auch die in dem Er­lass ge­re­gel­ten Ver­pflich­tun­gen zur Fest­stel­lung des Impf­sta­tus, zur Über­wa­chung der Imp­fun­gen auf Kon­troll­blät­tern und zu de­ren Durch­füh­rung gel­ten auf un­be­stimm­te Zeit. Der An­trag auf Auf­he­bung die­ser dau­er­haf­ten Dul­dungs­pflicht ist form­ge­recht ein­ge­legt und dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, das da­für nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO erst- und letzt­in­stanz­lich zu­stän­dig ist, vor­ge­legt wor­den.

30 2. Der An­trag ist je­doch un­be­grün­det. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen ist recht­mä­ßig. Die dies­be­züg­li­che Er­mes­sens­ent­schei­dung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung be­ruht auf sach­ge­rech­ten Er­wä­gun­gen und ist wei­ter­hin ver­hält­nis­mä­ßig. Die ent­spre­chen­de Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 ist ins­be­son­de­re for­mell recht­mä­ßig.

31 a) Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ist nur der all­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­er­lass zur Auf­nah­me der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in die Lis­te der ver­pflich­ten­den Ba­si­s­imp­fun­gen. Dar­in sind noch nicht al­le für den ein­zel­nen Sol­da­ten ma­ß­geb­li­chen Fra­gen ge­re­gelt. Ins­be­son­de­re wird der zu ver­wen­den­de Impf­stoff nicht de­fi­ni­tiv fest­ge­legt. Dies ge­schieht erst, wenn der je­wei­li­ge Sol­dat kei­nen gül­ti­gen Impf­nach­weis vor­legt, wenn der Trup­pen­arzt des­sen me­di­zi­ni­sche Impf­taug­lich­keit fest­stellt und den in­fra­ge kom­men­den Impf­stoff be­stimmt. Dann be­fiehlt der Dis­zi­pli­nar­vor­ge­setz­te ein­zel­fall­be­zo­gen ge­gen­über dem be­trof­fe­nen Sol­da­ten die Dul­dung ei­ner be­stimm­ten Imp­fung mit ei­nem kon­kre­ten Impf­stoff. Da ein ent­spre­chen­der Be­fehl als Ein­zel­fall­an­ord­nung mit der Be­schwer­de und ei­nem An­trag auf Her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung an­ge­grif­fen wer­den kann, sind die Be­son­der­hei­ten ein­zel­ner Impf­stof­fe und ins­be­son­de­re die Fra­ge ei­ner in­di­vi­du­el­len me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on, die ei­ne per­sön­li­che Un­zu­mut­bar­keit nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG be­grün­den kann, nicht Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens.

32 Die Recht­mä­ßig­keit der all­ge­mei­nen An­ord­nung ei­ner Schutz­imp­fung ist al­ler­dings kei­ne völ­lig abs­trak­te Fra­ge, son­dern je­weils auf ei­ne kon­kre­te über­trag­ba­re Krank­heit und auf die da­für vor­han­de­nen kon­kre­ten Impf­stof­fe be­zo­gen. Da­her müs­sen die zu er­war­ten­den Ne­ben­wir­kun­gen, die bei den zur Ver­fü­gung ste­hen­den und nach Mit­tei­lung des Dienst­herrn ein­ge­setz­ten Impf­stof­fen auf­tre­ten, schon bei Er­lass der all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift in die Recht­mä­ßig­keits­prü­fung ein­be­zo­gen wer­den. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat da­zu aus­ge­führt, dass die Bun­des­wehr vor­wie­gend die mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na ver­wen­det und bei der Aus­wahl der Impf­stof­fe im Ein­zel­fall die me­di­zi­nisch-fach­li­chen Vor­ga­ben, ins­be­son­de­re die Al­ters­emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut, be­ach­tet. Dies folgt auch aus Nr. 1080 bis 1084 AR A1-840/8-4000.

33 b) Die Rechts­grund­la­ge für den Ver­wal­tungs­er­lass be­steht ei­ner­seits in der all­ge­mei­nen Be­fehls- und Wei­sungs­be­fug­nis des Vor­ge­setz­ten für dienst­li­che Fra­gen nach § 10 Abs. 4 SG und an­de­rer­seits in der spe­zi­el­len Re­ge­lung des § 17a SG, der dem ein­zel­nen Sol­da­ten die Dienst­pflicht auf­er­legt, sich ge­sund zu er­hal­ten und ärzt­li­che Maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten zu dul­den. Durch das Zu­sam­men­spiel die­ser Vor­schrif­ten hat der Ge­setz­ge­ber fest­ge­legt, dass die Dul­dung von ärzt­li­chen Maß­nah­men ge­gen über­trag­ba­re Krank­hei­ten ei­ne per­sön­li­che Dienst­pflicht je­des ein­zel­nen Sol­da­ten ist und dass die Vor­ge­setz­ten die Durch­füh­rung sol­cher In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im Rah­men ih­rer dienst­li­chen Auf­ga­ben an­ord­nen, or­ga­ni­sie­ren und re­geln.

34 c) Für den Er­lass ist das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung als höchs­te vor­ge­setz­te Stel­le, die der nach Art. 65a GG mit Be­fehls- und Kom­man­do­ge­walt aus­ge­stat­te­ten Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin un­ter­steht, letzt­ver­ant­wort­lich. Es hat ge­mein­sam mit dem Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst die all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen (AR) A1-840/8-4000 zur Zen­tra­len Dienst­vor­schrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und wei­te­re aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" nach ei­nem ord­nungs­ge­mä­ßen Ver­fah­ren am 23. No­vem­ber 2021 ge­än­dert. Da­bei wur­den — wie vor­ge­schrie­ben — die Haupt­schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung, der Haupt­per­so­nal­rat und der Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SBG be­tei­ligt. Wäh­rend die Haupt­schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung und der Haupt­per­so­nal­rat oh­ne Vor­be­hal­te zu­ge­stimmt ha­ben, hat der Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss Ein­wän­de er­ho­ben und das Schlich­tungs­ver­fah­ren nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SBG ein­ge­lei­tet. Schlie­ß­lich hat der Schlich­tungs­aus­schuss am 22. No­vem­ber 2021 der Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus ein­schlie­ß­lich der Boos­terimp­fun­gen in das Impf­sche­ma zu­ge­stimmt und die künf­ti­ge Auf­nah­me ei­ner Ri­si­ko­ana­ly­se ge­for­dert. Auf der Grund­la­ge die­ser Emp­feh­lung hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung nach § 38 Abs. 4 Satz 4 SBG die Ver­wal­tungs­vor­schrift am fol­gen­den Tag er­las­sen. Ei­ner noch­ma­li­gen Be­fas­sung des Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­s­s­es be­durf­te es nicht.

35 3. Die An­ord­nung der Co­vid-19-Schutz­imp­fung be­ruht auf ei­ner ver­fas­sungs­mä­ßi­gen ge­setz­li­chen Grund­la­ge. Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG muss ein Sol­dat ärzt­li­che Maß­nah­men ge­gen sei­nen Wil­len dul­den, wenn sie der Ver­hü­tung oder Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten die­nen. Die­se Rechts­norm ge­nügt dem rechts­staat­li­chen Be­stimmt­heits­ge­bot (a) und der auch im De­mo­kra­tie­prin­zip wur­zeln­den We­sent­lich­keits­theo­rie (b). Sie stellt ei­ne zu­läs­si­ge Be­schrän­kung der Grund­rech­te auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit (c) und Be­rufs­frei­heit (d) dar.

36 a) Nach dem all­ge­mei­nen, im Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GG) grün­den­den Ge­bot hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit der Ge­set­ze ist der Ge­setz­ge­ber ge­hal­ten, Vor­schrif­ten so be­stimmt zu fas­sen, wie dies nach der Ei­gen­art der zu ord­nen­den Le­bens­sach­ver­hal­te mit Rück­sicht auf den Norm­zweck mög­lich ist. Die Be­trof­fe­nen müs­sen die Rechts­la­ge er­ken­nen und ihr Ver­hal­ten da­nach aus­rich­ten kön­nen. Da­bei sind die An­for­de­run­gen an den Grad der Klar­heit und Be­stimmt­heit um­so stren­ger, je in­ten­si­ver der Grund­rechts­ein­griff ist, den ei­ne Norm recht­fer­ti­gen soll. Al­ler­dings fehlt es an der not­wen­di­gen Be­stimmt­heit nicht schon des­halb, weil ei­ne Norm aus­le­gungs­be­dürf­tig ist. Das Be­stimmt­heits­ge­bot schlie­ßt die Ver­wen­dung wert­aus­fül­lungs­be­dürf­ti­ger Be­grif­fe bis hin zu Ge­ne­ral­klau­seln nicht aus. Der Ge­setz­ge­ber muss in der La­ge blei­ben, der Viel­ge­stal­tig­keit des Le­bens Herr zu wer­den. Da­bei lässt sich der Grad der für ei­ne Norm je­weils er­for­der­li­chen Be­stimmt­heit nicht abs­trakt fest­le­gen, son­dern hängt von den Be­son­der­hei­ten des je­wei­li­gen Tat­be­stands ein­schlie­ß­lich der Um­stän­de ab, die zur ge­setz­li­chen Re­ge­lung ge­führt ha­ben. Ge­gen die Ver­wen­dung un­be­stimm­ter Rechts­be­grif­fe be­stehen kei­ne Be­den­ken, wenn sich mit­hil­fe der üb­li­chen Aus­le­gungs­me­tho­den, ins­be­son­de­re durch Her­an­zie­hung an­de­rer Vor­schrif­ten des­sel­ben Ge­set­zes, durch Be­rück­sich­ti­gung des Norm­zu­sam­men­hangs oder auf­grund ei­ner ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung ei­ne zu­ver­läs­si­ge Grund­la­ge für die Aus­le­gung und An­wen­dung der Norm ge­win­nen lässt (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Ju­li 2018 - 2 BvR 309/15, 502/16 - BVerf­GE 149, 293 Rn. 77 f. m. w. N.).

37 Nach die­sen Maß­stä­ben er­mög­licht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem ein­zel­nen Sol­da­ten zwar nicht, dem Ge­setz selbst ei­nen ab­schlie­ßen­den Ka­ta­log an dul­dungs­pflich­ti­gen ärzt­li­chen Ein­grif­fen zu ent­neh­men. Viel­mehr sind die ver­wen­de­ten Be­grif­fe "Maß­nah­men", "Ver­hü­tung oder Be­kämp­fung" und "über­trag­ba­re Krank­hei­ten" eher all­ge­mei­ne Um­schrei­bun­gen von ei­ner ge­wis­sen Spann­wei­te. Al­ler­dings gibt es für die Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers, die not­wen­di­gen ärzt­li­chen Maß­nah­men nicht kon­kret im Ein­zel­nen auf­zu­lis­ten, son­dern abs­trakt zu um­schrei­ben, gu­te Grün­de. Die Norm dient der Ab­wehr ei­ner Viel­zahl nicht ab­schlie­ßend vor­her­seh­ba­rer Ge­fah­ren, die mit der In­fek­ti­on von Sol­da­ten für sie selbst und für die Ein­satz­fä­hig­keit ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­de ver­bun­den sind. Die In­fek­ti­ons­ge­fah­ren sind je nach Ort und Zeit ei­nes mi­li­tä­ri­schen Ein­sat­zes un­ter­schied­lich. Bei ei­nem Aus­lands­ein­satz in Afri­ka kann bei­spiels­wei­se ei­ne Ma­la­ria­pro­phy­la­xe ge­bo­ten sein, die im mi­li­tä­ri­schen All­tag im In­land nicht ver­an­lasst ist. Auch die mög­li­chen Ge­fah­ren­ab­wehr­maß­nah­men sind ab­hän­gig von den in ei­nem Sze­na­rio tat­säch­lich zur Ver­fü­gung ste­hen­den me­di­zi­ni­schen Res­sour­cen und Hand­lungs­op­tio­nen. Dies legt es na­he, der Exe­ku­ti­ve — wie im ge­sam­ten Ge­fah­ren­ab­wehr­recht — ei­nen Er­mes­sens­spiel­raum bei der Fest­le­gung der im Ein­zel­nen not­wen­di­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ein­zu­räu­men und nur den Hand­lungs­rah­men ge­setz­lich ab­zu­ste­cken.

38 Die­ser Hand­lungs­rah­men ist bei § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG durch Aus­le­gung be­stimm­bar, weil die Schlüs­sel­be­grif­fe der Norm den Grund­be­grif­fen des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes ent­spre­chen und dort teil­wei­se ge­setz­lich de­fi­niert sind (vgl. § 2 IfSG). Dem­entspre­chend hat die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts be­reits in den 60er Jah­ren ent­schie­den, dass sich die Be­stim­mung des Sol­da­ten­ge­set­zes an der Be­griffs­bil­dung des Bun­des­seu­chen­ge­set­zes — dem Vor­läu­fer des heu­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes — ori­en­tiert (BVer­wG, Be­schluss vom 24. Sep­tem­ber 1969 - 1 WDB 11.68 - BVer­w­GE 33, 339). Da sich der Be­griff der über­trag­ba­ren Krank­hei­ten auch in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG fin­det, ist er zu­dem durch die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts kon­tu­riert (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 124 - 126). Aber auch der zu­nächst weit er­schei­nen­de Be­griff der ärzt­li­chen Maß­nah­men ist durch Aus­le­gung gut ein­grenz­bar. Da­mit soll­te nach dem his­to­ri­schen Wil­len des Ge­setz­ge­bers (BT-Drs. 2/2140 S. 8) in ers­ter Li­nie die Durch­füh­rung von Schutz­imp­fun­gen er­mög­licht wer­den (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 23. Ok­to­ber 1979 - 1 WB 149.78 - BVer­w­GE 63, 278 <284 f.>). Schwer­wie­gen­de­re Ein­grif­fe wer­den durch die Ver­wei­sung in § 17a Abs. 2 Satz 3 SG auf die in § 25 Abs. 3 Satz 3 IfSG vor­ge­se­he­nen recht­li­chen Gren­zen für ärzt­li­che Ein­grif­fe oh­ne Zu­stim­mung des Be­trof­fe­nen aus­ge­schlos­sen. Dem­nach sind er­heb­li­che in­va­si­ve Ein­grif­fe eben­so wie ei­ne Nar­ko­se er­for­dern­de Be­hand­lun­gen ge­gen den Wil­len des Sol­da­ten un­zu­läs­sig.

39 b) Die Re­ge­lung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ent­spricht auch dem im Rechts­staats- und De­mo­kra­tie­prin­zip ent­hal­te­nen Ge­bot an den Ge­setz­ge­ber, die we­sent­li­chen Fra­gen selbst zu re­geln und nicht dem Han­deln und der Ent­schei­dungs­macht der Exe­ku­ti­ve zu über­las­sen (sog. We­sent­lich­keits­theo­rie). Wann es auf­grund der We­sent­lich­keit ei­ner Fra­ge der Re­ge­lung des par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­bers be­darf, hängt vom je­wei­li­gen Sach­be­reich und der Ei­gen­art des Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des ab. Da­bei be­deu­tet "we­sent­lich" im grund­rechts­re­le­van­ten Be­reich in der Re­gel "we­sent­lich für die Ver­wirk­li­chung der Grund­rech­te". Als we­sent­lich sind al­so Re­ge­lun­gen zu ver­ste­hen, die für die Ver­wirk­li­chung von Grund­rech­ten er­heb­li­che Be­deu­tung ha­ben und sie be­son­ders in­ten­siv be­tref­fen. Die Tat­sa­che, dass ei­ne Fra­ge po­li­tisch um­strit­ten ist, führt da­ge­gen nicht da­zu, dass die­se als we­sent­lich ver­stan­den wer­den muss (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u. a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 52 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 125).

40 Nach die­sen Maß­stä­ben hat der Ge­setz­ge­ber mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die we­sent­li­che Grund­ent­schei­dung für die Impf­pflicht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten selbst ge­trof­fen. Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Aus­ge­stal­tung des Be­rufs­bil­des der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten die kör­per­li­che Ein­satz­fä­hig­keit als we­sent­li­ches Merk­mal an­ge­se­hen. Er hat die Pflicht zur Ge­sund­erhal­tung als all­ge­mei­nen Grund­satz des mi­li­tä­ri­schen Diens­tes und die Be­reit­schaft zur Dul­dung der für die Ge­sund­erhal­tung not­wen­di­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men als be­son­de­re Aus­prä­gung die­ses Prin­zips nor­miert. Da­bei ging es ihm ins­be­son­de­re um die Be­reit­schaft zur Durch­füh­rung der zur Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten er­for­der­li­chen Schutz­imp­fun­gen (BT-Drs. 2/2140 S. 8).

41 Ei­ne nä­he­re ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung der im Ein­zel­nen not­wen­di­gen Schutz­imp­fun­gen be­durf­te es an­ge­sichts der Ei­gen­art des Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des nicht. Zum ei­nen ging es schon bei Ein­füh­rung der Dul­dungs­pflicht für In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men (frü­her Seu­chen­be­kämp­fungs­maß­nah­men), die es seit Be­stehen der Bun­des­wehr gibt, von vorn­her­ein nicht nur um die Dul­dung ei­ner ein­zi­gen Imp­fung, son­dern an­ge­sichts der Be­dro­hung durch ver­schie­de­ne über­trag­ba­re Krank­hei­ten um die Hin­nah­me ei­ner Mehr­zahl denk­ba­rer In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men. Zum an­de­ren ori­en­tiert sich die Er­for­der­lich­keit von Schutz­imp­fun­gen und sons­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men — wie aus­ge­führt — am je­wei­li­gen mi­li­tä­ri­schen Ein­satz und an den sich än­dern­den Ge­sund­heits­ge­fähr­dun­gen. Ei­ne kon­kre­te Auf­lis­tung ein­zel­ner Impf­zwe­cke und Impf­stof­fe im Sol­da­ten­ge­setz stün­de stets in der Ge­fahr, dem ak­tu­el­len In­fek­ti­ons­ge­sche­hen und den kon­kre­ten Ein­satz­er­for­der­nis­sen nicht ge­recht zu wer­den.

42 Da­her konn­te es der Ge­setz­ge­ber bei der abs­trak­ten Um­schrei­bung der ge­setz­li­chen Dul­dungs­pflicht be­las­sen und muss­te selbst nur den be­son­ders grund­rechts­re­le­van­ten Rechts­rah­men (ärzt­li­che Über­wa­chung, ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Zu­mut­bar­keits­prü­fung, nicht-in­va­si­ve Maß­nah­men, In­fek­ti­ons­schutz­zweck) vor­ge­ben. Die Um­set­zung die­ser Vor­ga­ben in den sich wan­deln­den mi­li­tä­ri­schen Ein­satz­sze­na­ri­en und epi­de­mi­schen Be­dro­hungs­la­gen konn­te der Ge­setz­ge­ber an­ge­sichts der Be­son­der­hei­ten des mi­li­tä­ri­schen Re­ge­lungs­be­reichs der Exe­ku­ti­ve über­las­sen. Da­für sprach, dass Dienst­pflich­ten in der Bun­des­wehr all­ge­mein durch Dienst­an­wei­sun­gen und Be­feh­le kon­kre­ti­siert wer­den, auch so­weit es die Ge­sund­erhal­tung und den Dienst­sport be­trifft. Au­ßer­dem führt die Bun­des­wehr durch ei­ge­ne Ärz­te und Bun­des­wehr­kran­ken­häu­ser die me­di­zi­ni­sche Be­treu­ung durch und kann auf­grund der Ex­per­ti­se ei­ner ei­ge­nen Sa­ni­täts­aka­de­mie ei­ne fach­ge­rech­te Ab­stim­mung der mi­li­tä­ri­schen und me­di­zi­ni­schen Be­lan­ge ge­währ­leis­ten.

43 Be­steht so­mit nach der We­sent­lich­keits­theo­rie kei­ne Not­wen­dig­keit, die im mi­li­tä­ri­schen Be­reich er­for­der­li­chen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im Sol­da­ten­ge­setz ein­zeln ge­setz­lich zu be­stim­men, ist auch ei­ne aus­drück­li­che Er­wäh­nung der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nicht er­for­der­lich. Et­was an­de­res folgt nicht dar­aus, dass das SARS-CoV-2-Vi­rus ein neu­ar­ti­ger Er­re­ger ist, an den bei Er­lass der Vor­schrift nie­mand ge­dacht hat. Denn die in­halt­li­che Of­fen­heit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dient ge­ra­de da­zu, auf neue In­fek­ti­ons­ge­fah­ren fle­xi­bel re­agie­ren zu kön­nen. Des­we­gen macht auch der Um­stand, dass bei der Be­kämp­fung des Vi­rus ei­ne neue Impf­stoff­tech­no­lo­gie zur An­wen­dung ge­kom­men ist, ei­ne aus­drück­li­che ge­setz­li­che Re­ge­lung nicht er­for­der­lich. Die Be­wer­tung der Ef­fek­ti­vi­tät und Si­cher­heit der Impf­stof­fe ist eben­falls aus Grün­den der Fle­xi­bi­li­tät und Sach­nä­he der Exe­ku­ti­ve über­las­sen wor­den. Der po­li­ti­sche Streit um die Ein­füh­rung ei­ner all­ge­mei­nen Co­vid-19-Impf­pflicht ist schlie­ß­lich — wie aus­ge­führt — für sich ge­nom­men kein Um­stand, der für die ver­fas­sungs­recht­li­che Be­wer­tung der Not­wen­dig­keit ei­ner er­gän­zen­den ge­setz­li­chen Re­ge­lung aus­schlag­ge­bend sein kann.

44 c) Die Norm des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG be­geg­net auch kei­nen durch­grei­fen­den grund­recht­li­chen Be­den­ken. Sie greift al­ler­dings in die Grund­rech­te aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ein.

45 aa) Die Vor­schrift be­rührt das Grund­recht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit in zwei­er­lei Hin­sicht. Sie ge­stat­tet Ein­grif­fe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ge­schütz­te Frei­heit je­des Men­schen, au­to­nom über die bei ihm durch­zu­füh­ren­den me­di­zi­ni­schen Un­ter­su­chungs-, Vor­sor­ge- und Heil­maß­nah­men zu ent­schei­den (kör­per­li­ches Selbst­be­stim­mungs­recht, vgl. BVerfG, Be­schluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerf­GE 128, 282 <300>). Wäh­rend die Durch­füh­rung ei­ner Schutz­imp­fung an­sons­ten von der Ein­wil­li­gung des Ein­zel­nen, das hei­ßt sei­ner in­di­vi­du­el­len und sub­jek­ti­ven Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung ab­hängt, er­mög­licht es § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienst­herrn, dem Sol­da­ten "ge­gen sei­nen Wil­len" Schutz­imp­fun­gen und an­de­re In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im In­ter­es­se der Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr ver­pflich­tend auf der Grund­la­ge ei­ner das Ein­zel- wie das Ge­samt­in­ter­es­se be­rück­sich­ti­gen­den Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung auf­zu­er­le­gen.

46 Zum an­de­ren er­mög­licht das Ge­setz auch die mit Schutz­imp­fun­gen und an­de­ren ärzt­li­chen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ver­bun­de­nen Ein­grif­fe in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ge­schütz­te kör­per­li­che In­te­gri­tät (vgl. da­zu BVerfG, Be­schluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerf­GE 128, 282 <300>). Denn Impf­stof­fe füh­ren zu Ver­än­de­run­gen im Kör­per. Sie be­wir­ken die Bil­dung von An­ti­kör­pern ge­gen be­stimm­te Er­re­ger; schon die­se in­ten­dier­te kör­per­li­che Re­ak­ti­on ist häu­fig mit ei­ner vor­über­ge­hen­den Be­ein­träch­ti­gung des kör­per­li­chen Wohl­be­fin­dens ver­bun­den (sog. Impf­re­ak­tio­nen). Da­ne­ben kön­nen aber fast al­le zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe in Ein­zel­fäl­len gra­vie­ren­de un­er­wünsch­te Aus­wir­kun­gen (sog. Impf­kom­pli­ka­tio­nen) ver­ur­sa­chen.

47 Der Ein­griff in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit kann auch nicht mit dem Ar­gu­ment be­strit­ten wer­den, dass für den Fall der Impf­ver­wei­ge­rung kein un­mit­tel­ba­rer Zwang vor­ge­se­hen ist. Zwar ist we­der in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG noch an an­de­rer Stel­le des Sol­da­ten­ge­set­zes ei­ne Zwangs­imp­fung vor­ge­se­hen. Dar­um wird kör­per­li­cher Zwang in Nr. 209 ZDv A-840/8 aus­drück­lich un­ter­sagt. Ein Ein­griff in das Grund­recht aus Art. 2 Abs. 2 GG liegt je­doch nicht nur bei kör­per­li­chem, son­dern auch bei psy­chisch ver­mit­tel­tem Zwang vor, der ins­be­son­de­re durch die An­dro­hung von Stra­fen ver­mit­telt wird (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 244 ff. und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 113 f.). Dem steht die An­dro­hung von Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men gleich. Aus der Aus­ge­stal­tung der sol­da­ten­recht­li­chen Impf­pflicht als Dienst­pflicht folgt, dass ei­ne vor­sätz­li­che Ver­wei­ge­rung ei­nes ent­spre­chen­den Be­fehls als Dienst­ver­ge­hen ge­ahn­det wer­den kann (BVer­wG, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - Buch­holz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat für den Fall der Impf­ver­wei­ge­rung die dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ahn­dung auch an­ge­droht.

48 Dem Ein­griffs­cha­rak­ter ei­ner Impf­pflicht steht auch nicht ent­ge­gen, dass sie zum Zwe­cke der Ver­hin­de­rung ei­ner sym­pto­ma­ti­schen oder schwe­ren In­fek­ti­ons­er­kran­kung vor­ge­nom­men wird. Ei­ne schä­di­gen­de Ziel­rich­tung ist nicht Vor­aus­set­zung für das Vor­lie­gen ei­nes Ein­grif­fes in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit (BVerfG, Be­schluss vom 8. Ju­ni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 57). Die Frei­heits­rech­te schlie­ßen das Recht ein, von der Frei­heit ei­nen Ge­brauch zu ma­chen, der - je­den­falls in den Au­gen Drit­ter - den wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­sen des Grund­rechts­trä­gers zu­wi­der­läuft. Dies um­fasst das Recht, auf me­di­zi­ni­schen Schutz zie­len­de Ein­grif­fe ab­zu­leh­nen, selbst wenn dies nach dem Stand des me­di­zi­ni­schen Wis­sens drin­gend an­ge­zeigt ist (BVerfG, Be­schluss vom 26. Ju­li 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerf­GE 142, 313 Rn. 74).

49 bb) Der Ge­setz­ge­ber hat al­ler­dings nicht — wie der An­trag­stel­ler meint — in das Grund­recht auf Le­ben ein­ge­grif­fen. Da es um ei­ne vor­beu­gen­de me­di­zi­ni­sche Maß­nah­me geht, bil­det das Grund­recht der kör­per­li­chen Un­ver­sehrt­heit als spe­zi­el­les Grund­recht den Prü­fungs­maß­stab (vgl. Geb­hard, Impf­pflicht und Grund­ge­setz, 2022, S. 138 ff.). Dies hat sei­nen Grund dar­in, dass es bei Heil­ein­grif­fen und vor­beu­gen­den me­di­zi­ni­schen Maß­nah­men um ei­ne Ver­bes­se­rung des Ge­sund­heits­zu­stands oder um ei­ne Ver­rin­ge­rung des Ri­si­kos schwe­rer Er­kran­kun­gen geht. Ei­ne Er­hö­hung des Sterb­lich­keits­ri­si­kos wird we­der be­zweckt noch be­wirkt, so­dass kein fi­na­ler Ein­griff in das Grund­recht auf Le­ben vor­liegt. Der un­ver­meid­li­che Um­stand, dass es bei Imp­fun­gen in sel­te­nen Fäl­len zu töd­lich ver­lau­fen­den Kom­pli­ka­tio­nen kom­men kann, än­dert am Cha­rak­ter der Imp­fun­gen als me­di­zi­ni­sche Heil­ein­grif­fe und am grund­recht­li­chen Prü­fungs­maß­stab des Grund­rechts auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit nichts.

50 Die Vor­schrift des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift auch nicht in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht der be­trof­fe­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ein, weil die Impf­stof­fe nach die­ser Vor­schrift nicht un­ter phy­si­schem Zwang ver­ab­reicht wer­den und kei­ne per­sön­lich­keits­ver­än­dern­de Wir­kung ha­ben (an­ders bei Zwangs­be­hand­lung mit Psy­cho­phar­ma­ka vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 26. Ju­li 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerf­GE 142, 313 Rn. 74 und vom 8. Ju­ni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 58).

51 Ein Ein­griff in das Grund­recht auf Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit aus Art. 4 Abs. 1 GG ist gleich­falls nicht in­ten­diert und vor­lie­gend nicht plau­si­bel dar­ge­legt.

52 cc) Die Re­ge­lung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG greift al­ler­dings in das Grund­recht auf Be­rufs­frei­heit ein, in­dem sie den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten die Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men als Dienst­pflicht vor­schreibt.

53 Art. 12 Abs. 1 GG ge­währ­leis­tet die Frei­heit der be­ruf­li­chen Be­tä­ti­gung. Un­ter Be­ruf ist da­bei je­de auf Dau­er an­ge­leg­te Tä­tig­keit zur Schaf­fung und Er­hal­tung ei­ner Le­bens­grund­la­ge zu ver­ste­hen (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 12. Ja­nu­ar 2016 - 1 BvR 3102/13 - BVerf­GE 141, 121 Rn. 32 ff. und vom 30. Ju­ni 2020 - 1 BvR 1679/17, 2190/17 - BVerf­GE 155, 238 Rn. 92). Der Schutz die­ses Grund­rechts ist um­fas­send an­ge­legt, wie die aus­drück­li­che Er­wäh­nung von Be­rufs­wahl, Wahl von Aus­bil­dungs­stät­te und Ar­beits­platz und Be­rufs­aus­übung zeigt (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerf­GE 113, 29 <48>). Der Schutz­be­reich er­fasst auch Be­ru­fe im öf­fent­li­chen Dienst, wie das Wehr­dienst­ver­hält­nis der Sol­da­ten (BVerfG, Ur­teil vom 11. Ju­ni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerf­GE 7, 377 <397 f.>; Be­schluss vom 2. April 1963 - 2 BvL 22/60 - BVerf­GE 16, 6 <21>). Dem steht Art. 33 GG nicht ent­ge­gen, der für Be­ru­fe im öf­fent­li­chen Dienst le­dig­lich Son­der­re­ge­lun­gen er­mög­licht und die Be­rufs­frei­heit ent­spre­chend mo­di­fi­ziert (BVerfG, Ur­teil vom 11. Ju­ni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerf­GE 7, 377 <397 f.>).

54 Die Pflicht zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men, ins­be­son­de­re von Schutz­imp­fun­gen, hat ei­ne ob­jek­tiv be­rufs­re­geln­de Ten­denz (vgl. da­zu BVerfG, Be­schluss vom 13. Ju­li 2004 - 1 BvR 1298/94 u. a. - BVerf­GE 111, 191 <213>). Sie greift als fort­lau­fen­de Dienst­pflicht in ers­ter Li­nie in den Be­reich der be­ruf­li­chen Be­tä­ti­gung ein. Die Pflicht zur Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen ak­tua­li­siert sich im be­ruf­li­chen All­tag der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten meist im Rah­men all­ge­mei­ner me­di­zi­ni­scher Ge­sund­heits­un­ter­su­chun­gen oder im zeit­li­chen Vor­feld von be­stimm­ten Aus­lands­ein­sät­zen.

55 Die Frei­heit der Be­rufs­wahl wird durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwar nicht un­mit­tel­bar ein­ge­schränkt, weil die Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men nicht Vor­aus­set­zung für die Be­grün­dung des Wehr­dienst­ver­hält­nis­ses ist. Die Vor­schrift greift je­doch mit­tel­bar in die Frei­heit der Be­rufs­wahl ein. Denn die Ver­wei­ge­rung der Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men hat — wie aus­ge­führt — als Dienst­pflicht­ver­let­zung dis­zi­pli­nar­recht­li­che Fol­gen und kann je­den­falls im Ex­trem­fall der wie­der­hol­ten Be­fehls­ver­wei­ge­rung auch zur Be­en­di­gung des Wehr­dienst­ver­hält­nis­ses füh­ren. Dies be­trifft den von der Wahl­frei­heit um­fass­ten Schutz vor Auf­ga­be des frei ge­wähl­ten Be­rufs (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 6. Ju­ni 2018 - 1 BvL 7/14 u. a. - BVerf­GE 149, 126 Rn. 38). Zu­dem be­wirkt § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG mit­tel­bar, dass Per­so­nen, die be­stimm­te oder al­le Schutz­imp­fun­gen ab­leh­nen, der Zu­gang zum Sol­da­ten­be­ruf fak­tisch ver­wehrt ist.

56 d) Der mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­bun­de­ne Ein­griff in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit und auf Be­rufs­frei­heit ist ver­fas­sungs­recht­lich ge­recht­fer­tigt.

57 aa) Der Ge­setz­ge­ber ist grund­sätz­lich be­rech­tigt, ent­spre­chen­de frei­heits­be­schrän­ken­de Re­ge­lun­gen zu er­las­sen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Be­rufs­aus­übung "durch Ge­setz oder auf Grund ei­nes Ge­set­zes ge­re­gelt wer­den". Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ge­stat­tet es eben­falls, in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit "auf Grund ei­nes Ge­set­zes" ein­zu­grei­fen. Be­reits bei den Be­ra­tun­gen des Par­la­men­ta­ri­schen Ra­tes stand den Müt­tern und Vä­tern des Grund­ge­set­zes die Ein­füh­rung ei­ner ge­setz­li­chen Impf­pflicht als mög­li­cher An­wen­dungs­fall ei­ner grund­rechts­be­schrän­ken­den Maß­nah­me vor Au­gen (JÖR <N. F.> 1, S. 60). Des­we­gen ha­ben der Bun­des­ge­richts­hof und das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die in der Nach­kriegs­zeit fort­gel­ten­de all­ge­mei­ne Impf­pflicht ge­gen Po­cken, die noch auf dem Impf­ge­setz vom 8. April 1874 (RGBl. S. 31) be­ruh­te, als ver­fas­sungs­mä­ßig an­ge­se­hen (vgl. BGH, Gut­ach­ten vom 25. Ja­nu­ar 1952 - VRG 5/51 - BGHSt 4, 375 ff.; BVer­wG, Ur­teil vom 14. Ju­li 1959 - 1 C 170.56 - BVer­w­GE 9, 78 ff.).

58 Der Ge­set­zes­vor­be­halt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ist nicht als rei­ner Ver­wal­tungs­vor­be­halt zu ver­ste­hen. Der Ge­setz­ge­ber kann es zwar der Exe­ku­ti­ve ge­stat­ten, zum Schutz ge­wich­ti­ger Ge­mein­wohl­zie­le oder der Grund­rech­te an­de­rer in die Frei­heit der Per­son oder die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit ein­zu­grei­fen. Er kann den Ein­griff aber auch selbst ganz oder teil­wei­se durch das Ge­setz vor­neh­men (BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 269 - 272 zu sog. selbst­voll­zie­hen­den Ge­set­zen). Im vor­lie­gen­den Fall hat der Ge­setz­ge­ber mit der Be­grün­dung ei­ner dienst­recht­li­chen Dul­dungs­pflicht den Ein­griff in das kör­per­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht der Sol­da­ten zu ei­nem ge­wich­ti­gen Teil selbst vor­ge­nom­men. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG er­setzt die Ein­wil­li­gung der Sol­da­ten in ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men und ver­pflich­tet sie da­her, die mit dem ärzt­li­chen Ein­griff — hier der Schutz­imp­fung — ver­bun­de­nen Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen wie im Fal­le der Ein­wil­li­gung hin­zu­neh­men. Der An­teil der Exe­ku­ti­ve an dem Grund­rechts­ein­griff be­steht dar­in, die im Ein­zel­nen er­for­der­li­chen Maß­nah­men fest­zu­le­gen. Der Dienst­herr be­stimmt nach pflicht­ge­mä­ßem Er­mes­sen die nach Art, Zeit und Ort des Ein­sat­zes der Bun­des­wehr­ein­hei­ten zur Er­hal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft not­wen­di­gen und me­di­zi­nisch zu­mut­ba­ren Schutz­imp­fun­gen be­zie­hungs­wei­se an­der­wei­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men. Er ak­tua­li­siert da­bei die ge­setz­li­che Dul­dungs­pflicht.

59 bb) Die ge­setz­li­che Re­ge­lung ist auch for­mell ord­nungs­ge­mäß zu­stan­de ge­kom­men. Be­reits im Sol­da­ten­ge­setz von 1957 war in § 17 Abs. 4 Satz 3 SG a. F. ei­ne Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men vor­ge­se­hen. Mit dem Ge­setz zur nach­hal­ti­gen Stär­kung der per­so­nel­len Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr vom 4. Au­gust 2019 (BGBl. I S. 1147) wur­den zur Ver­bes­se­rung der rechts­sys­te­ma­ti­schen Klar­heit und der Rechts­an­wen­der­freund­lich­keit die ge­sund­heit­li­chen Rech­te und Pflich­ten der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten in ei­ne neue Vor­schrift über­führt, wo­bei hin­sicht­lich der Dul­dungs­pflicht nur re­dak­tio­nel­le und sprach­li­che An­pas­sun­gen vor­ge­nom­men wur­den (BT-Drs. 19/9491 S. 103, 104). Bei die­sem Ge­setz sind die für Bun­des­ge­set­ze gel­ten­den Zu­stän­dig­keits- und Ver­fah­rens­vor­schrif­ten be­ach­tet wor­den. Wie schon in der Vor­gän­ger­re­ge­lung hat der Bun­des­ge­setz­ge­ber sei­nen Wil­len, das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit ein­zu­schrän­ken mit § 17a Abs. 2 Satz 2 SG im Ge­setz selbst zum Aus­druck ge­bracht und da­mit das in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ent­hal­te­ne Zi­tier­ge­bot be­ach­tet. Ei­ner zu­sätz­li­chen Er­wäh­nung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG be­durf­te es nicht. Denn Be­rufs­re­ge­lun­gen im Sin­ne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sind nicht als Ein­schrän­kun­gen im Sin­ne von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu ver­ste­hen (BVerfG, Ur­teil vom 11. Ju­ni 1958 - 1 BvR 596/56 - BVerf­GE 7, 377 <403 f.>; Be­schluss vom 17. Ju­li 1961 - 1 BvL 44/55 - BVerf­GE 13, 97 <122>).

60 cc) Die sol­da­ten­recht­li­che Pflicht zur Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen ist auch ma­te­ri­ell-recht­lich ver­fas­sungs­ge­mäß. Sie ver­folgt ge­wich­ti­ge und le­gi­ti­me Ge­mein­wohl­zie­le. Da­zu zählt al­ler­dings nicht der Schutz der Volks­ge­sund­heit, weil ei­ne be­rufs­spe­zi­fi­sche Impf­pflicht vor­liegt.

61 (1) Dass die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr ei­ner weit­ge­hen­den Impf­pflicht un­ter­wor­fen wer­den, dient in ers­ter Li­nie der in Art. 87a Abs. 1 GG vor­aus­ge­setz­ten Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 24. Ju­ni 1986 - 1 WB 170.84 - BVer­w­GE 83, 191 <192> und vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 7). Die sol­da­ten­recht­li­che Impf­pflicht fu­ßt auf der Er­kennt­nis, dass die Schlag­kraft mi­li­tä­ri­scher Ver­bän­de ganz we­sent­lich von der Ge­sund­heit und kör­per­li­chen Ein­satz­fä­hig­keit je­des ein­zel­nen Sol­da­ten ab­hängt. Mi­li­tä­ri­sche Ein­hei­ten sind so zu­sam­men­ge­setzt, dass Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten mit un­ter­schied­li­chen Be­fä­hi­gun­gen ar­beits­tei­lig zu­sam­men­wir­ken. Bei­spiels­wei­se hängt die Ein­satz­be­reit­schaft ei­nes Pan­zers nicht nur da­von ab, dass der Pan­zer­fah­rer dienst­fä­hig ist. Sie ent­fällt auch dann, wenn der Pan­zer­schüt­ze, der Fun­ker oder der Kom­man­dant aus­fal­len. Üb­li­che krank­heits­be­ding­te Aus­fäl­le kön­nen durch Per­so­nal­re­ser­ven ab­ge­deckt wer­den. Die Ver­brei­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten in ei­ner mi­li­tä­ri­schen Ein­heit kann aber zum gleich­zei­ti­gen Aus­fall ei­ner gro­ßen Zahl von Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten füh­ren und die Ein­satz­be­reit­schaft der ge­sam­ten mi­li­tä­ri­schen Ein­heit in­fra­ge stel­len (vgl. Metz­ger, in: Ei­chen/Metz­ger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 17a Rn. 7).

62 (2) Die Pflicht zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men dient fer­ner dem Schutz der Grund­rech­te an­de­rer Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Ei­ne Viel­zahl von In­fek­ti­ons­er­re­gern ist un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar von Mensch zu Mensch über­trag­bar, so­dass die Durch­füh­rung ei­ner Schutz­imp­fung et­wa ge­gen In­flu­en­za auch das Er­kran­kungs­ri­si­ko an­de­rer Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten re­du­ziert. Da vie­le Sol­da­ten sich auf­grund ih­rer Ka­ser­nie­rung oft län­ge­re Zeit mit an­de­ren Ka­me­ra­den in den­sel­ben Räu­men auf­hal­ten und bei Übun­gen und Ein­sät­zen et­wa in Pan­zern, U-Boo­ten oder Hub­schrau­bern in un­mit­tel­ba­rer räum­li­cher Nä­he eng mit ih­ren Ka­me­ra­den zu­sam­men­ar­bei­ten, be­steht zwi­schen ih­nen ein über­durch­schnitt­lich ho­hes Über­tra­gungs­ri­si­ko. Schutz­imp­fun­gen kön­nen in die­sen Fäl­len ei­nen Bei­trag da­zu leis­ten, dass die Wei­ter­ga­be (Trans­mis­si­on) des Er­re­gers er­schwert oder ver­hin­dert wird; dies dient dem Schutz der kör­per­li­chen Un­ver­sehrt­heit an­de­rer Sol­da­ten, de­ren Impf­schutz et­wa durch man­geln­de Bil­dung von An­ti­kör­pern oder durch Zeit­ab­lauf un­zu­rei­chend ist oder zum Bei­spiel we­gen ei­ner me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­ti­on fehlt.

63 (3) Un­ab­hän­gig da­von muss die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nor­mier­te Pflicht im Kon­text der be­son­de­ren Stel­lung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten als Staats­die­ner ge­se­hen wer­den. Die­se Vor­schrift ge­stal­tet das Be­rufs­bild der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten aus. Sie ste­hen als Ho­heits­trä­ger ge­mäß Art. 33 Abs. 4 GG, § 1 Abs. 1 Satz 2 SG in ei­nem be­son­de­ren öf­fent­li­chen Dienst- und Treue­ver­hält­nis (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2014 - 2 C 1.13 - BVer­w­GE 149, 117 Rn. 61). Ge­ra­de weil mi­li­tä­ri­sche Ver­bän­de stets ein­satz­be­reit sein müs­sen, um für un­ter­schied­li­che, nicht vor­her­seh­ba­re Ein­sät­ze mi­li­tä­ri­scher oder zi­vi­ler Art (vgl. Art. 35 GG) schnell zur Ver­fü­gung zu ste­hen, ge­hört die Be­reit­schaft des ein­zel­nen Sol­da­ten, auf sei­ne kör­per­li­che Ein­satz­fä­hig­keit zu ach­ten und sie nach Mög­lich­keit zu ge­währ­leis­ten, zu sei­nen be­son­de­ren Dienst­pflich­ten; die­se für das mi­li­tä­ri­sche Dienst- und Treue­ver­hält­nis spe­zi­fi­sche Dienst­pflicht ist ein­fach-recht­lich in § 17a Abs. 1 SG als all­ge­mei­ne Ge­sund­erhal­tungs­pflicht nor­miert wor­den. Sie fin­det im Dienst­all­tag der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei­spiels­wei­se dar­in ih­ren Nie­der­schlag, dass sie im Dienst zur Er­hal­tung ih­rer Fit­ness und Ge­sund­heit Sport trei­ben und Sport­prü­fun­gen ab­le­gen müs­sen. Sie dür­fen we­der im Dienst noch au­ßer Dienst Dro­gen zu sich neh­men und müs­sen im Ein­satz ein Al­ko­hol­ver­bot be­ach­ten. Die von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­for­der­te Be­reit­schaft, sich der Ge­sund­erhal­tung die­nen­den Imp­fun­gen zu un­ter­wer­fen, ist ein Aus­fluss die­ser all­ge­mei­nen Ge­sund­erhal­tungs­pflicht.

64 dd) Die ge­setz­li­che Nor­mie­rung ei­ner all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG für ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ent­spricht auch dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit. Sie dient dem Schutz ver­fas­sungs­recht­lich ge­wich­ti­ger Gü­ter und ist zur Ver­fol­gung die­ser Zwe­cke im ver­fas­sungs­recht­li­chen Sin­ne ge­eig­net, er­for­der­lich so­wie an­ge­mes­sen.

65 (1) Das mit der Dul­dungs­pflicht ver­folg­te Ziel der Er­hal­tung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr ist ein über­ra­gend wich­ti­ger Ge­mein­wohl­be­lang. Ins­be­son­de­re in Art. 87a GG hat der Ver­fas­sungs­ge­ber ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­ent­schei­dung für ei­ne wirk­sa­me mi­li­tä­ri­sche Lan­des­ver­tei­di­gung ge­trof­fen. Ein­rich­tung und Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr ha­ben ver­fas­sungs­recht­li­chen Rang (BVerfG, Ur­teil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u. a. - BVerf­GE 69, 1 <21 f.>). Eben­so hat die Schutz­pflicht des Staa­tes aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Be­zug auf die Ge­sund­heit an­de­rer Per­so­nen, die ei­ner Ge­fähr­dung nicht aus­wei­chen kön­nen, ver­fas­sungs­recht­li­chen Rang (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 8. Ju­ni 2021 - 2 BvR 1866/17 u. a. - FamRZ 2021, 1564 Rn. 64). Dem Rechts­ge­dan­ken, dass die Ver­pflich­tung zum Er­halt der ei­ge­nen Ein­satz­be­reit­schaft dem spe­zi­fi­schen Dienst- und Treue­ver­hält­nis des Sol­da­ten nach Art. 33 Abs. 4 GG in­ne­wohnt, kommt bei der Fra­ge der Ein­schränk­bar­keit der Grund­rech­te aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 GG eben­falls ver­fas­sungs­recht­li­che Be­deu­tung zu.

66 (2) Der Ge­setz­ge­ber konn­te da­von aus­ge­hen, dass die Ein­füh­rung ei­ner be­rufs­spe­zi­fi­schen Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen ein ge­eig­ne­tes Mit­tel zur Si­che­rung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr und der Ge­sund­heit an­de­rer Sol­da­ten ist. Dem Ge­setz­ge­ber steht bei der Be­ur­tei­lung der Eig­nung, Er­for­der­lich­keit und An­ge­mes­sen­heit ei­ner Maß­nah­me ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 185, 204, 217). Sei­ne An­nah­me ist na­he­lie­gend, dass im be­ruf­li­chen All­tags­le­ben der Sol­da­ten in Ka­ser­nen und bei Übun­gen und Ein­sät­zen ein er­höh­tes In­fek­ti­ons­ri­si­ko be­steht und dass die Durch­füh­rung von ärzt­li­chen Schutz­imp­fun­gen und an­de­ren In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ei­nen ge­wich­ti­gen Bei­trag zur Re­du­zie­rung von Ge­sund­heits­ri­si­ken und zum Er­halt der Ein­satz­be­reit­schaft leis­tet.

67 (3) Der Ge­setz­ge­ber konn­te die Be­grün­dung ei­ner be­rufs­be­zo­ge­nen Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen als er­for­der­lich an­se­hen. Ein mil­de­res gleich wirk­sa­mes Mit­tel ist nicht er­sicht­lich. Die Ein­füh­rung ei­nes frei­wil­li­gen Impf­an­ge­bots wä­re nicht gleich ef­fek­tiv. Denn dies ge­währ­leis­tet ge­ra­de nicht, dass der grö­ßt­mög­li­che Schutz vor In­fek­ti­ons­ge­fah­ren be­steht.

68 (4) Schlie­ß­lich konn­te der Ge­setz­ge­ber die Ein­füh­rung ei­ner all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che Schutz­imp­fun­gen auch als an­ge­mes­se­ne Maß­nah­me be­wer­ten. Der Ge­setz­ge­ber hat dem Ge­sund­heits­schutz der Be­trof­fe­nen da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass die Imp­fung nur durch Ärz­te er­folgt, die vor dem me­di­zi­ni­schen Ein­griff die be­son­de­ren ge­sund­heit­li­chen Ri­si­ken des Ein­zel­nen prü­fen. Er hat die Dul­dungs­pflicht da­durch scho­nend aus­ge­stal­tet, dass sie nur Schutz­imp­fun­gen und we­nig be­las­ten­de ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men um­fasst (§ 17a Abs. 2 Satz 3 SG i. V. m. § 25 Abs. 3 IfSG). Zu­dem hat er die Dul­dungs­pflicht da­durch be­grenzt, dass die Sol­da­ten nach § 17a Abs. 4 Satz 2 SG kei­ne Maß­nah­men dul­den müs­sen, die ei­ne er­heb­li­che Ge­fahr für Le­ben und Ge­sund­heit be­grün­den. Dies ist ins­be­son­de­re der Fall, wenn beim Ein­zel­nen ei­ne me­di­zi­ni­sche Kon­tra­in­di­ka­ti­on vor­liegt (BVer­wG, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - Buch­holz 449 § 17a SG Nr. 1 Rn. 14). Da­mit geht die Impf­pflicht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nicht über das Maß hin­aus, das an­de­ren Be­rufs­grup­pen bei ei­ner ver­pflich­ten­den Schutz­imp­fung ab­ver­langt wird (vgl. § 20 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 Satz 4 IfSG).

69 Schlie­ß­lich flie­ßt die be­son­de­re Ein­satz­ori­en­tie­rung des sol­da­ti­schen Dienst- und Treue­ver­hält­nis­ses (Art. 33 Abs. 4 GG) in die Ab­wä­gung mit ein. Sol­da­ten müs­sen von Be­rufs we­gen bei mi­li­tä­ri­schen Ein­sät­zen — ins­be­son­de­re bei Aus­lands­mis­sio­nen und im Fall der Lan­des­ver­tei­di­gung — er­heb­li­che Ge­sund­heits­ri­si­ken hin­neh­men (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2020 - 2 WNB 8.20 - DÖD 2021, 194 Rn. 6). Die­ser be­son­de­re Ein­satz­be­zug des Sol­da­ten­be­rufs recht­fer­tigt es, den Sol­da­ten im In­ter­es­se ih­rer Ein­satz­fä­hig­keit ei­ne Impf­pflicht auf­zu­er­le­gen, die an­de­ren Staats­bür­gern nicht ab­ver­langt wird.

70 Für die An­ge­mes­sen­heit der ge­setz­li­chen Re­ge­lung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG spricht schlie­ß­lich, dass der Ge­setz­ge­ber die Ein­zel­hei­ten der Impf­pflicht ins pflicht­ge­mä­ße Er­mes­sen des Dienst­herrn ge­stellt hat. Dies er­mög­licht dem Dienst­herrn fle­xi­ble und si­tua­ti­ons­ab­hän­gi­ge Ent­schei­dun­gen und er­öff­net Raum, Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls ge­recht zu wer­den. Zu­gleich fin­det auch Grund­rechts­schutz durch Ver­fah­ren statt. Denn die all­ge­mei­ne Ein­füh­rung neu­er Imp­fun­gen un­ter­liegt — wie un­ten nä­her aus­ge­führt wird — der Mit­be­stim­mung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Zu­gleich wird ei­ne ge­richt­li­che Kon­trol­le der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit be­stimm­ter In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men er­mög­licht. Der ein­zel­ne Sol­dat kann trotz Vor­lie­gens ei­ner be­rufs­be­zo­ge­nen Impf­pflicht im Rah­men der Wehr­be­schwer­de und des wehr­dienst­ge­richt­li­chen An­trags­ver­fah­rens Grund­rechts­schutz im Ein­zel­fall er­lan­gen. Die wehr­dienst­ge­richt­li­che Kon­trol­le hat sich in der Ver­gan­gen­heit be­währt und wich­ti­ge Klar­stel­lun­gen zur Ver­hält­nis­mä­ßig­keit von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men er­bracht (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 24. Sep­tem­ber 1969 - 1 WDB 11.68 - BVer­w­GE 33, 339 zur Te­ta­nus­imp­fung, vom 22. Ok­to­ber 1982 - 1 WB 142.82 - und vom 3. No­vem­ber 1983 - 1 WB 108.80 - zur Po­cken­schutz­imp­fung so­wie vom 24. Ju­ni 1986 - 1 WB 170.84 - BVer­w­GE 83, 191 zur TBC-Rei­hen­un­ter­su­chung).

71 Schlie­ß­lich hat der Dienst­herr dem Um­stand, dass die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten im Rah­men ih­res Dienst- und Treue­ver­hält­nis­ses Imp­fun­gen zu dul­den ha­ben, auch da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass er den Sol­da­ten im Fal­le ei­nes Impf­scha­dens ne­ben den je­der­mann zu­ste­hen­den in­fek­ti­ons­schutz­recht­li­chen Aus­gleichs­an­sprü­chen (vgl. Dut­ta, NJW 2022, 649) auch ei­nen sol­da­ten­ver­sor­gungs­recht­li­chen An­spruch ein­ge­räumt hat. Die Dul­dung ei­ner dienst­lich an­ge­ord­ne­ten Imp­fung ist als Wehr­dienst­ver­rich­tung im Sin­ne des § 81 Abs. 1 SVG an­er­kannt, so­dass im Fal­le ei­nes Impf­scha­dens nach § 85 SVG ein ver­sor­gungs­recht­li­cher Aus­gleich we­gen ei­ner Wehr­dienst­be­schä­di­gung ge­währt wird (vgl. LSG Bre­men, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2021 - L 10 VE 11/16 - ju­ris Rn. 28 ff.).

72 ee) Durch die Be­grün­dung ei­ner ge­setz­li­chen Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che Maß­nah­men ge­gen In­fek­ti­ons­krank­hei­ten wird auch nicht der nach Art. 19 Abs. 2 GG un­an­tast­ba­re We­sens­ge­halt der be­trof­fe­nen Grund­rech­te ver­letzt. Ein Ein­griff in den un­an­tast­ba­ren We­sens­ge­halt der kör­per­li­chen Un­ver­sehrt­heit liegt schon des­we­gen nicht vor, weil die dienst­recht­li­che Dul­dungs­pflicht nicht ge­gen den Wil­len des Sol­da­ten mit phy­si­schem Zwang durch­ge­setzt wird und auf die­se Wei­se das Selbst­be­stim­mungs­recht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht völ­lig aus­ge­schlos­sen wird (vgl. EGMR <GK>, Ur­teil vom 8. April 2021 - Nr. 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 LS 5).

73 Auch hin­sicht­lich der kör­per­li­chen In­te­gri­tät wird der We­sens­ge­halt des Grund­rechts nicht ver­letzt. Denn die mit ei­ner Imp­fung üb­li­cher­wei­se ver­bun­de­nen Ne­ben­wir­kun­gen füh­ren nur zu ge­rin­gen Be­ein­träch­ti­gun­gen des kör­per­li­chen Wohl­be­fin­dens. Auch wenn in ver­hält­nis­mä­ßig we­ni­gen Fäl­len Impf­kom­pli­ka­tio­nen mit schwe­ren Er­kran­kun­gen oder töd­li­chen Ver­läu­fen auf­tre­ten, be­wah­ren die­se Schutz­imp­fun­gen ty­pi­scher Wei­se in ei­ner weit grö­ße­ren Zahl von Fäl­len die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten da­vor, auf­grund ei­ner In­fek­ti­on schwer zu er­kran­ken oder zu ster­ben. Auf­grund des prä­ven­tiv-me­di­zi­ni­schen Cha­rak­ters der Maß­nah­me kann nicht von ei­nem Ein­griff in den We­sens­ge­halt des Grund­rechts ge­spro­chen wer­den (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 14. Ju­li 1959 - 1 C 170.56 - BVer­w­GE 9, 78 <79>).

74 Auch hin­sicht­lich der Be­rufs­frei­heit liegt kei­ne Ver­let­zung der We­sens­ge­halts­ga­ran­tie des Art. 19 Abs. 2 GG vor. Denn die mit § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­bun­de­nen Be­schrän­kun­gen be­ru­hen auf ver­nünf­ti­gen Ge­mein­wohl­grün­den und füh­ren nicht zu un­über­wind­ba­ren ob­jek­ti­ven Hin­der­nis­sen bei der Be­rufs­aus­übung oder Be­rufs­wahl.

75 4. Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen ist gleich­falls ei­ne ma­te­ri­ell-recht­mä­ßi­ge dienst­li­che Maß­nah­me.

76 a) Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat auf der Grund­la­ge des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG nach pflicht­ge­mä­ßem Er­mes­sen zu ent­schei­den, wel­che ärzt­li­chen Schutz­imp­fun­gen und In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men im Ein­zel­nen nach Art, Zeit und Ort des Ein­sat­zes der Bun­des­wehr­ein­hei­ten zur Er­hal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft not­wen­dig und me­di­zi­nisch zu­mut­bar sind. Die an­ge­foch­te­nen Dienst­vor­schrif­ten kön­nen ge­richt­lich nur dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob die ge­setz­li­chen Gren­zen des Er­mes­sens ver­kannt oder über­schrit­ten wor­den sind oder ob das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung von sei­nem Er­mes­sen in ei­ner dem Zweck der Er­mäch­ti­gung nicht ent­spre­chen­den Wei­se Ge­brauch ge­macht hat. Wie für je­des den Bür­ger be­las­ten­de ho­heit­li­che Tä­tig­wer­den gilt da­bei der ver­fas­sungs­kräf­ti­ge Grund­satz des Über­ma­ß­ver­bots, auf des­sen Be­ach­tung auch der Sol­dat, der die glei­chen staats­bür­ger­li­chen Rech­te wie je­der an­de­re Staats­bür­ger be­sitzt (§ 6 Satz 1 SG), ei­nen An­spruch hat (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 24. Ju­ni 1986 - 1 WB 170.84 - BVer­w­GE 83, 191 <193>).

77 Wird ei­ne Maß­nah­me — wie die Durch­füh­rung von Ba­si­s­imp­fun­gen — nicht ein­ma­lig, son­dern auf un­be­stimm­te Dau­er an­ge­ord­net, ist der Dienst­herr ver­pflich­tet, die Recht­mä­ßig­keit der Maß­nah­me fort­lau­fend zu über­wa­chen. Er muss ins­be­son­de­re über­prü­fen, ob ei­ne ein­mal fest­ge­leg­te Dul­dungs­pflicht für ei­ne Imp­fung wei­ter­hin ge­eig­net, er­for­der­lich und zu­mut­bar ist. Bei der ge­richt­li­chen Kon­trol­le von Dau­er­ver­wal­tungs­ak­ten kommt es dar­auf an, dass sie sich nicht nur zum Zeit­punkt des Er­las­ses, son­dern auch zum Zeit­punkt der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung als recht­mä­ßig er­wei­sen (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 29. Ok­to­ber 2014 - 9 B 32.14 - ju­ris Rn. 3 und vom 28. Ok­to­ber 2021 - 1 WRB 2.21 - BVer­w­GE 174, 94 Rn. 31). Weil die Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen auch in die Grund­rech­te der Sol­da­ten auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit und auf Be­rufs­frei­heit ein­greift, ist ei­ne fort­dau­ern­de Über­prü­fung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ei­ner ver­pflich­ten­den Impf­an­ord­nung und ei­ne stän­di­ge Über­wa­chung der Impf­si­cher­heit auch un­ter dem grund­recht­li­chen As­pekt der Schutz­pflicht des Staa­tes für die Ge­sund­heit des Ein­zel­nen so­wie un­ter dem Ge­sichts­punkt der Für­sor­ge­pflicht des Dienst­herrn recht­lich ge­bo­ten.

78 Da­bei kann die Fra­ge, wel­che Ge­fah­ren von ei­nem Krank­heits­er­re­ger aus­ge­hen und wel­che vor- und nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen von ei­ner Schutz­imp­fung zu er­war­ten sind, nur vor dem Hin­ter­grund des je­weils ak­tu­el­len Stands der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis und mit Blick auf die im je­wei­li­gen Zeit­punkt zur Ver­fü­gung ste­hen­den und zum Ein­satz be­stimm­ten Impf­stof­fe be­ur­teilt wer­den. Im Lau­fe der Zeit kann sich ei­ne an­fäng­lich po­si­ti­ve Nut­zen-Ri­si­ko-Be­wer­tung für ei­nen Impf­stoff än­dern, weil bis­her un­be­kann­te Ne­ben­wir­kun­gen auf­tre­ten oder die Wirk­sam­keit des Impf­stoffs auf­grund ei­ner Mu­ta­ti­on des Er­re­gers nach­lässt. Fer­ner kann die Ent­wick­lung ei­nes ef­fek­ti­ve­ren oder ne­ben­wir­kungs­är­me­ren Impf­stoffs An­lass zu ei­nem Wech­sel des Prä­pa­rats ge­ben. Das Sol­da­ten­ge­setz be­traut in § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG die mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten mit der An­ord­nung und Or­ga­ni­sa­ti­on der dul­dungs­pflich­ti­gen In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men, so­dass ih­nen hin­sicht­lich der Fra­ge, ob bei ei­nem be­stimm­ten Er­re­ger ei­ne Schutz­imp­fung ge­bo­ten ist, ein Ent­schlie­ßungs­er­mes­sen und bei der Aus­wahl der Impf­stof­fe ein Aus­wah­ler­mes­sen zu­kommt.

79 Fer­ner ob­liegt es der mi­li­tä­ri­schen Füh­rung, die von ei­nem Krank­heits­er­re­ger aus­ge­hen­den Ge­fah­ren für die Ge­sund­heit der Sol­da­ten, die vor­aus­sicht­li­che Wirk­sam­keit ei­nes Impf­stoffs und die Ge­fahr von Ne­ben­wir­kun­gen im Rah­men ei­ner Ge­samt­pro­gno­se ein­zu­schät­zen. Da die Bun­des­wehr über ei­ge­ne Bun­des­wehr­kran­ken­häu­ser, wis­sen­schaft­li­che In­sti­tu­te und ei­ne Sa­ni­täts­aka­de­mie ver­fügt, be­sitzt die mi­li­tä­ri­sche Füh­rung auch ei­ne aus­rei­chen­de fach­li­che Ex­per­ti­se bei der durch­aus kom­ple­xen me­di­zi­ni­schen Ein­schät­zung der von ein­zel­nen Krank­heits­er­re­gern aus­ge­hen­den Ge­fah­ren, der Ef­fek­ti­vi­tät von Impf­stof­fen und der Ri­si­ken von Impf­ne­ben­wir­kun­gen. Weil die­se Pro­gno­se­ent­schei­dun­gen nach § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG dem Dienst­herrn ob­lie­gen, steht ihm hin­sicht­lich der Ge­fah­ren­la­ge, der Ef­fek­ti­vi­tät der Impf­stof­fe und der von ih­nen aus­ge­hen­den Ri­si­ken ein Pro­gno­se­spiel­raum zu. Das Wehr­dienst­ge­richt kann bei der ge­richt­li­chen Kon­trol­le ei­ner Impf­an­ord­nung nicht sei­ne Ein­schät­zung von der Ge­fähr­lich­keit ei­nes Er­re­gers, von der Ef­fek­ti­vi­tät ei­nes Impf­stoffs oder von des­sen Ri­si­ken zu­grun­de le­gen. Viel­mehr ist die ge­richt­li­che Kon­trol­le dar­auf be­schränkt, die zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt ge­fass­ten oder bei­be­hal­te­nen Impf­an­wei­sun­gen des Dienst­herrn auf Pro­gno­se- und Er­mes­sens­feh­ler zu über­prü­fen.

80 b) Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat bei der Ein­füh­rung der Dul­dungs­pflicht für die Co­vid-19-Schutz­imp­fung die ge­setz­li­chen Gren­zen sei­nes von § 10 Abs. 4 SG er­öff­ne­ten Er­mes­sens nicht über­schrit­ten und ins­be­son­de­re den von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vor­ge­ge­be­nen Hand­lungs­rah­men be­ach­tet. Denn die An­ord­nung die­ser Imp­fung dient der Ver­hü­tung ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit.

81 aa) Von ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit ist — wie aus­ge­führt — im Sol­da­ten­recht in An­leh­nung an das In­fek­ti­ons­schutz­recht (§ 2 Nr. 3 IfSG) und das Ver­fas­sungs­recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) die Re­de, wenn ei­ne Er­kran­kung, das hei­ßt ein be­hand­lungs­be­dürf­ti­ger pa­tho­lo­gi­scher Zu­stand, von un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar auf den Men­schen über­trag­ba­ren Krank­heits­er­re­gern oder de­ren to­xi­schen Pro­duk­ten ver­ur­sacht wird (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 124). Das Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 ist ein Krank­heits­er­re­ger im Sin­ne des § 2 Nr. 1 IfSG, der vor­wie­gend über die Atem­luft (Ae­ro­so­le) von Mensch zu Mensch über­tra­gen wird und bei ei­nem er­heb­li­chen An­teil der Be­trof­fe­nen die Krank­heit Co­vid-19 (co­ro­na­vi­rus di­sea­se 2019) ver­ur­sacht. Die an ihr Er­krank­ten müs­sen in ei­ner nicht ge­rin­gen An­zahl von Fäl­len sta­tio­när und auch in­ten­siv­me­di­zi­nisch be­han­delt wer­den; die Krank­heit kann trotz Be­hand­lung zum To­de füh­ren. Ei­ne In­fek­ti­on kann zu­dem er­heb­li­che lang­fris­ti­ge Lei­den ("Long-Co­vid") nach sich zie­hen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 126). Nach Er­kennt­nis­sen des Bun­des­amts für Sta­tis­tik hat Co­vid-19 in den Jah­ren 2020 und 2021 zu ei­ner er­heb­li­chen Über­sterb­lich­keit, das hei­ßt zu ei­ner Zu­nah­me der Ster­be­ra­te um 3 % be­zie­hungs­wei­se 4 % über das de­mo­gra­fisch zu er­war­ten­de Maß, ge­führt (vgl. www.​des​tati​s.​de, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 014 vom 11. Ja­nu­ar 2022).

82 bb) Die Co­vid-19-Schutz­imp­fung stellt auch ei­ne Maß­nah­me zur Ver­hü­tung die­ser Krank­heit dar. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen Ver­hü­tungs- und Be­kämp­fungs­maß­nah­men in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ori­en­tiert sich an der Sys­te­ma­tik des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes, das in sei­nem vier­ten Ab­schnitt die Maß­nah­men der Ver­hü­tung (§§ 16 ff. IfSG) und im fünf­ten Ab­schnitt die Maß­nah­men der Be­kämp­fung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten (§§ 24 ff. IfSG) re­gelt. Eben­so wie im frü­he­ren Bun­des­seu­chen­ge­setz die­nen Ver­hü­tungs­maß­nah­men der Vor­beu­gung und der Ver­hin­de­rung des Auf­tre­tens ei­ner über­trag­ba­ren Krank­heit, wäh­rend Be­kämp­fungs­maß­nah­men die Ver­brei­tung ei­ner be­reits auf­ge­tre­te­nen In­fek­ti­ons­krank­heit ein­däm­men oder un­ter­bin­den sol­len (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 1971 - 1 C 60.67 - BVer­w­GE 39, 190 <192 f.>; LG Han­no­ver, Ur­teil vom 9. Ju­li 2020 - 8 O 2/20 - NJW-RR 2020, 1226 Rn. 28; Mers, in: Kie­ß­ling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 2). Schutz­imp­fun­gen sind in § 20 IfSG und da­mit im Ab­schnitt über die Ver­hü­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten un­ter­ge­bracht. Ih­re Ein­ord­nung als Ver­hü­tungs­maß­nah­me bleibt — wie § 20 Abs. 2a IfSG zeigt — auch dann be­stehen, wenn die mit ei­ner Schutz­imp­fung ver­bun­de­ne in­di­vi­du­el­le Pro­phy­la­xe ge­gen das Co­ro­na­vi­rus zu­gleich der Ein­däm­mung der Co­vid-19-Pan­de­mie dient.

83 So­weit die Impf­stof­fe ge­gen das Co­ro­na­vi­rus schon nach den Her­stel­ler­an­ga­ben kei­nen 100%igen Schutz vor In­fek­tio­nen ge­wäh­ren, än­dert dies am Cha­rak­ter der Schutz­imp­fung als Ver­hü­tungs­maß­nah­me nichts. Denn es ist we­der nach dem Wort­laut noch nach dem Zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zwin­gend, ei­ne Maß­nah­me nur dann als Ver­hü­tungs­maß­nah­me an­zu­se­hen, wenn sie ei­nen voll­stän­di­gen Schutz ge­währt. Viel­mehr fal­len dar­un­ter auch we­ni­ger ef­fek­ti­ve vor­beu­gen­de Maß­nah­men. Auch die von § 20 Abs. 2a IfSG für ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung vor­ge­ge­be­nen Impf­zie­le las­sen ei­ne Emp­feh­lung nicht nur bei voll­stän­di­ger Un­ter­bin­dung der Trans­mis­si­on, son­dern auch bei der Re­duk­ti­on schwe­rer oder töd­li­cher Krank­heits­ver­läu­fe zu.

84 cc) Die Co­vid-19-Schutz­imp­fung soll schlie­ß­lich nach der kla­ren Re­ge­lung in Nr. 208 ZDv A-840/8 durch den Arzt ver­ab­reicht wer­den. Dies ent­spricht § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, der nur ärzt­li­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men zu­lässt. Ent­schei­dend ist da­bei die vom me­di­zi­ni­schen Sach­ver­stand des Arz­tes ge­tra­ge­ne Kon­trol­le des Impf­vor­gangs, die den Sol­da­ten vor Feh­lern in der Impf­stoff­aus­wahl und -do­sie­rung be­wah­ren soll. Die­se Kon­trol­le kann auch ge­währ­leis­tet sein, wenn der Arzt die Impf­do­sis nicht selbst ver­ab­reicht, son­dern dies an­ord­net (vgl. BT-Drs. 19/9491 S. 104). So­weit der An­trag­stel­ler meint, auf­grund der von ihm an­ge­nom­me­nen Ge­fähr­lich­keit und Schäd­lich­keit der Impf­stof­fe kön­ne die Ver­ab­rei­chung der Co­vid-19-Imp­fung nie ei­ne ärzt­li­che Maß­nah­me sein, ver­kennt er den Re­ge­lungs­ge­halt der Vor­schrift, die nur die Durch­füh­rung der Maß­nah­me re­gelt und nicht de­ren Ge­gen­stand.

85 dd) Die Co­vid-19-Imp­fung "dient" schlie­ß­lich auch der Ver­hü­tung ei­ner Er­kran­kung. Dies folgt dar­aus, dass § 20 Abs. 2a IfSG die Imp­fung als mög­li­che Pro­phy­la­x­e­maß­nah­me nennt. Die auf Emp­feh­lung der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel-Agen­tur (Eu­rope­an Me­di­ci­nes Agen­cy - EMA) zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe sind auf ih­re Wirk­sam­keit ge­gen das Vi­rus SARS-CoV-2 be­reits bei der Zu­las­sung ge­prüft wor­den und sind da­her da­zu be­stimmt, ei­nen Bei­trag zur Vor­beu­gung ge­gen die Er­kran­kung an Co­vid-19 zu er­brin­gen. Dass die­se Schutz­imp­fung auch ob­jek­tiv be­trach­tet ei­nen Bei­trag zur Co­vid-19-Pro­phy­la­xe er­brin­gen kann, steht - wie un­ten nä­her aus­ge­führt wird - auch zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest.

86 c) Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in den Ka­ta­log der ver­pflich­tend durch­zu­füh­ren­den Ba­si­s­imp­fun­gen ist ei­ne Er­mes­sens­ent­schei­dung, die dem Zweck der Er­mäch­ti­gung ent­spricht (§ 40 VwVfG). Sie dient dem Norm­zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG, die ge­sund­heit­li­che Ein­satz­be­reit­schaft der Sol­da­ten zu er­hal­ten. Die Ba­si­s­imp­fun­gen sind nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 für al­le mi­li­tä­ri­schen Kräf­te vor­ge­schrie­ben, die im In­land im Rah­men der Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­schutz­auf­ga­ben der Bun­des­wehr (Art. 35 GG) zum Ein­satz kom­men. Durch die Ori­en­tie­rung an den "Hilfs- und Ka­ta­stro­phen­kräf­te(n) In­land" bringt die All­ge­mei­ne Re­ge­lung zum Aus­druck, dass der Dienst­herr die Ba­si­s­imp­fun­gen für al­le Sol­da­ten und Sol­da­tin­nen für er­for­der­lich hält, de­ren Ein­satz­ort das In­land ist und die ge­gen­wär­tig auch für Amts­hil­fe und Ka­ta­stro­phen­schutz­ein­sät­ze be­reit­ste­hen. Dass die Haupt­auf­ga­be der Streit­kräf­te ge­mäß Art. 87a Abs. 2 GG die Lan­des­ver­tei­di­gung ist und dass die Bun­des­wehr nach Art. 87a Abs. 4 i. V. m. Art. 91 Abs. 2 GG un­ter en­gen Vor­aus­set­zun­gen auch zur Ver­stär­kung der Po­li­zei­kräf­te ein­ge­setzt wer­den kann, bleibt da­bei nicht un­be­rück­sich­tigt. Viel­mehr wird le­dig­lich aus­ge­drückt, dass die Ba­si­s­imp­fun­gen dem Zweck die­nen, die Ein­satz­be­reit­schaft für al­le — auch zi­vi­le — Ver­wen­dun­gen der Bun­des­wehr im In­land si­cher­zu­stel­len.

87 d) Der Dienst­herr konn­te bei der Ein­fü­gung der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen im No­vem­ber 2021 auch da­von aus­ge­hen, dass sie dem Zweck der Ge­sund­erhal­tung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten und der Er­hal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft der In­lands­kräf­te die­nen wür­de. Für die An­nah­me ei­nes sol­chen Nut­zens ei­ner Imp­fung ist es nicht er­for­der­lich, dass auf­grund ei­nes über­trag­ba­ren Krank­heits­er­re­gers be­reits kon­kret ei­ne Epi­de­mie im Ein­satz­ge­biet der Streit­kräf­te droht oder dass die Ein­satz­be­reit­schaft be­stimm­ter Ver­bän­de der Bun­des­wehr akut ge­fähr­det ist. Viel­mehr ge­nügt ei­ne all­ge­mei­ne Ge­fah­ren­la­ge im Ein­satz­ge­biet, um vor dem Hin­ter­grund der Ge­sund­erhal­tungs­pflicht je­des ein­zel­nen Sol­da­ten ei­ne vor­beu­gen­de Schutz­imp­fung als an­ge­zeigt er­schei­nen zu las­sen. Fin­det et­wa ein Aus­lands­ein­satz in ei­nem afri­ka­ni­schen Land statt, in dem im­mer wie­der Ma­la­ria-Er­kran­kun­gen auf­tre­ten, dann ge­nügt die­ses all­ge­mei­ne Ge­fah­ren­wis­sen, um ei­ne Imp­fung als vor­beu­gen­de In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­me für er­for­der­lich zu hal­ten, oh­ne dass es auf den Nach­weis ei­nes ak­tu­el­len Ma­la­ria-Aus­bruchs am kon­kre­ten Ein­satz­ort an­kä­me.

88 aa) Im No­vem­ber 2021 lag nicht nur ei­ne sol­che all­ge­mei­ne, son­dern ei­ne kon­kre­te Ge­fahr im In­land vor. Sie hat­te be­reits über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum be­stan­den. Nach­dem das SARS-CoV-2-Vi­rus im Ja­nu­ar 2020 erst­mals in Deutsch­land nach­ge­wie­sen wur­de, ver­brei­te­te es sich rasch. Be­reits am 25. März 2020 stell­te der Deut­sche Bun­des­tag ei­ne epi­de­mi­sche La­ge von na­tio­na­ler Trag­wei­te fest (BT-Prot. 19/154 S. 19191). Par­al­lel zu die­ser mehr­fach ver­län­ger­ten Fest­stel­lung wur­den durch Bund und Län­der zahl­rei­che In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men er­las­sen, ins­be­son­de­re Ab­stands­ge­bo­te, Mas­ken­pflich­ten, Aus­gangs­be­schrän­kun­gen, Gas­tro­no­mie­schlie­ßun­gen, Be­her­ber­gungs­ver­bo­te, Schul­schlie­ßun­gen und Rei­se­ver­bo­te. Auch nach Zu­las­sung von meh­re­ren Impf­stof­fen ge­gen Co­vid-19 im Win­ter 2020/2021 führ­te die auf Frei­wil­lig­keit ba­sie­ren­de Durch­füh­rung von Schutz­imp­fun­gen zu kei­ner end­gül­ti­gen Ein­däm­mung der Pan­de­mie.

89 Viel­mehr kam es im Herbst 2021 zu ei­ner vier­ten In­fek­ti­ons­wel­le, in der die Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus vor­herrsch­te. Sie sorg­te für ei­nen er­neu­ten An­stieg der In­fek­ti­ons­zah­len. Im No­vem­ber/De­zem­ber 2021 war die La­ge nach Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts sehr be­sorg­nis­er­re­gend und ließ ei­ne wei­te­re Zu­nah­me schwe­rer Er­kran­kun­gen und To­des­fäl­le er­war­ten, was das In­sti­tut in sei­nen im In­ter­net ver­öf­fent­lich­ten Wö­chent­li­chen La­ge­be­rich­ten zur Co­ro­na­vi­rus-Krank­heit-2019 (Co­vid-19) vom 2., 9. und 16. De­zem­ber 2021 für die Ka­len­der­wo­chen 47 (22. bis 28. No­vem­ber), 48 (29. No­vem­ber bis 5. De­zem­ber) und 49 (6. bis 12. De­zem­ber) zu­sam­men­ge­fasst und sta­tis­tisch un­ter­legt hat. Da­nach wa­ren die In­fek­ti­ons­zah­len wie­der deut­lich an­ge­stie­gen und be­tru­gen in al­len drei Ka­len­der­wo­chen über 400 In­fek­tio­nen pro 100 000 Ein­woh­ner. Die­se sich ver­schär­fen­de La­ge mach­te sich auch bei der wach­sen­den An­zahl schwe­rer Er­kran­kungs- und To­des­fäl­le be­merk­bar (vgl. da­zu BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 158 m. w. N.). Vor die­sem Hin­ter­grund war auch die Ein­schät­zung des Dienst­herrn ge­recht­fer­tigt, dass die pan­de­mi­sche Be­dro­hung im No­vem­ber 2021 fort­be­stand und dass im Hin­blick auf die Ge­sund­erhal­tung der Sol­da­ten und die Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr Hand­lungs­be­darf be­stand. Ob ei­ne Über­las­tung des Ge­sund­heits­we­sens und der Kran­ken­häu­ser un­mit­tel­bar be­vor­stand, ist hier­für nicht ma­ß­geb­lich. Da­her kommt es auf die vom Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Tom Lau­sen hier­zu vor­ge­leg­ten Da­ten nicht an.

90 bb) Der Dienst­herr durf­te da­bei auf die Be­last­bar­keit des vom Ro­bert-Koch-In­sti­tut und der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on er­ho­be­nen und be­wer­te­ten Da­ten­ma­te­ri­als ver­trau­en. Bei­de ver­fü­gen hier­für über die not­wen­di­gen per­so­nel­len und sach­li­chen Res­sour­cen, sind in ih­ren Be­ur­tei­lun­gen un­ab­hän­gig und in­ter­na­tio­nal ver­netzt. Bei dem Ro­bert-Koch-In­sti­tut (RKI) han­delt es sich um das Bun­des­in­sti­tut für In­fek­ti­ons­krank­hei­ten und nicht über­trag­ba­re Krank­hei­ten. Zu sei­nen wich­tigs­ten Ar­beits­be­rei­chen ge­hö­ren die Be­kämp­fung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten und die Ana­ly­se lang­fris­ti­ger ge­sund­heit­li­cher Trends in der Be­völ­ke­rung. Die dort tä­ti­gen Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler er­for­schen die viel­schich­ti­gen Ein­flüs­se auf Ge­sund­heit und Krank­heit, er­ar­bei­ten und über­prü­fen evi­denz­ba­sier­te Emp­feh­lun­gen und ent­wi­ckeln neue Me­tho­den für den Ge­sund­heits­schutz (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138, 160).

91 Bei der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on (STI­KO) han­delt es sich um ein po­li­tisch und welt­an­schau­lich neu­tra­les, 1972 ge­grün­de­tes Ex­per­ten­gre­mi­um, das beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut im Fach­ge­biet Impf­prä­ven­ti­on an­ge­sie­delt ist und ei­nen op­ti­ma­len Ein­satz ver­füg­ba­ren Impf­stoffs ge­währ­leis­ten soll. Sei­ne Emp­feh­lun­gen gel­ten als me­di­zi­ni­scher Stan­dard (vgl. auch BGH, Be­schluss vom 3. Mai 2017 - XII ZB 157/16 - NJW 2017, 2826 Rn. 25). Die dort eh­ren­amt­lich Tä­ti­gen sind Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten aus un­ter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen der Wis­sen­schaft und For­schung, aus dem Be­reich des öf­fent­li­chen Ge­sund­heits­diens­tes und der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te­schaft. Bei ih­rer Tä­tig­keit sind sie nur ih­rem Ge­wis­sen ver­ant­wort­lich und zur un­par­tei­ischen Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben ver­pflich­tet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Ge­schäfts­ord­nung der STI­KO). Bei ih­rer Auf­ga­ben­er­fül­lung be­nutzt die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on Kri­te­ri­en der evi­denz­ba­sier­ten Me­di­zin, be­zieht ins­be­son­de­re die Be­wer­tun­gen des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zur Si­cher­heit von Impf­stof­fen mit ein und führt ei­ne un­ab­hän­gi­ge epi­de­mio­lo­gi­sche Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung durch. Da­bei hat die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on nicht nur den Nutz­wert ei­ner Imp­fung für die Ein­zel­nen, son­dern auch für die Ge­samt­be­völ­ke­rung im Blick (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 139).

92 Bei den Sit­zun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on nimmt zur Be­rück­sich­ti­gung des As­pekts der Impf­stoff­si­cher­heit stets ein Ver­tre­ter des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts be­ra­tend teil. Das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut (PEI) ist die in Deutsch­land fe­der­füh­rend zu­stän­di­ge Be­hör­de im Zu­sam­men­hang mit der Ent­wick­lung, Zu­las­sung, Be­wer­tung und Über­wa­chung der Qua­li­tät, Wirk­sam­keit und Si­cher­heit von Impf­stof­fen. Ihm ob­liegt ins­be­son­de­re die Er­fas­sung und Aus­wer­tung von imp­fin­du­zier­ten Ri­si­ken und die Ko­or­di­na­ti­on ge­ge­be­nen­falls zu er­grei­fen­der Maß­nah­men. Da­ne­ben ist das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ei­ne For­schungs­ein­rich­tung, um die Ex­per­ti­se zur Impf­stoff­be­ur­tei­lung ein­schlie­ß­lich der Be­ur­tei­lung von in­di­vi­du­ell auf­tre­ten­den un­er­wünsch­ten Impf­re­ak­tio­nen zu bün­deln. Ge­forscht wird un­ter an­de­rem auf den Ge­bie­ten der Im­mu­no­lo­gie, der Vi­ro­lo­gie und der Bak­te­rio­lo­gie. Auf­grund die­ser her­aus­ge­ho­be­nen Stel­lung ist das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut welt­weit ver­netzt und be­rät na­tio­na­le, eu­ro­päi­sche und in­ter­na­tio­na­le Gre­mi­en im Zu­sam­men­hang mit Impf­stof­fen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 138).

93 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung konn­te bei sei­ner Ein­schät­zung der Ge­fah­ren­la­ge auf die Ex­per­ti­se des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und bei der Be­ur­tei­lung des Nut­zens ei­ner Co­vid-19-Imp­fung auf die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on zu­rück­grei­fen. De­ren Ein­schät­zun­gen wur­den vom Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr, der über ei­ne ei­ge­ne fach­li­che Ex­per­ti­se ver­fügt, nach Ak­ten­la­ge auf­merk­sam ver­folgt und in­halt­lich ge­teilt. Da­nach be­stand im Herbst 2021 auch für die bei der Bun­des­wehr am stärks­ten ver­tre­te­ne Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-jäh­ri­gen Per­so­nen im "Ein­satz­ge­biet In­land" ei­ne er­heb­li­che Ge­fahr der In­fek­ti­on mit dem SARS-CoV-2-Vi­rus und das Ri­si­ko, in des­sen Fol­ge schwer zu er­kran­ken.

94 cc) Die Ge­fah­ren­la­ge durch das SARS-CoV-2-Vi­rus hat sich zwar ins­ge­samt in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten er­heb­lich ent­spannt. Die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on An­fang Ju­li 2022 ist da­durch ge­prägt, dass mit der Omi­kron-Va­ri­an­te des Co­ro­na­vi­rus ei­ne be­son­ders leicht über­trag­ba­re Vi­rus­va­ri­an­te vor­herrscht; weil die vor­han­de­nen Impf­stof­fe ei­ne In­fek­ti­on mit die­ser Va­ri­an­te nur ein­ge­schränkt hin­dern, gibt es ei­ner­seits mehr Neu­in­fek­tio­nen als frü­her. An­de­rer­seits wer­den ge­gen­wär­tig un­ter der Omi­kron-Va­ri­an­te sel­te­ner als frü­her schwe­re Ver­läu­fe fest­ge­stellt, wes­we­gen trotz der ge­stie­ge­nen Zahl der In­fek­tio­nen bis­lang kei­ne Über­las­tung der Kran­ken­häu­ser auf­ge­tre­ten ist. Dies hat sei­ne Ur­sa­che zum ei­nen dar­in, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te ei­nen im Durch­schnitt mil­de­ren Ver­lauf nimmt. Zum an­de­ren trifft sie auf ei­nen ho­hen Pro­zent­satz von Per­so­nen, die be­reits ge­impft sind oder auf­grund ei­ner vor­an­ge­gan­ge­nen In­fek­ti­on An­ti­kör­per ge­bil­det ha­ben. Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te für un­ge­impf­te Per­so­nen und vul­ne­r­a­ble Grup­pen völ­lig un­ge­fähr­lich ge­wor­den wä­re. Viel­mehr hat sich an der grund­sätz­li­chen Ge­fähr­lich­keit der Co­vid-19-Er­kran­kung nach ak­tu­el­lem Wis­sens­stand nichts ge­än­dert (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 164).

95 dd) So­weit der An­trag­stel­ler im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren aus­ge­führt hat, dass die Er­kran­kung an Co­vid-19 nicht ge­fähr­li­cher sei als ein Schnup­fen und dass ins­be­son­de­re für die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr auf­grund ih­res Al­ters und ih­rer Fit­ness kein nen­nens­wer­tes Ri­si­ko ei­ner schwe­ren Er­kran­kung be­stehe, trifft dies nicht zu. Zum ei­nen sind schwe­re Krank­heits­ver­läu­fe und To­des­fäl­le im ge­sam­ten Ver­lauf der Pan­de­mie auch bei jun­gen Er­wach­se­nen und be­rufs­tä­ti­gen Per­so­nen un­ter 60 Jah­ren auf­ge­tre­ten. Be­trof­fen wa­ren nicht nur äl­te­re Per­so­nen und Men­schen mit spe­zi­el­len Vor­er­kran­kun­gen. Die­se Ein­schät­zung wur­de in der Haupt­ver­hand­lung durch den Sach­ver­stän­di­gen Pri­vat­do­zent Dr. med. Ole Wich­mann, Lei­ter Fach­ge­biet Impf­prä­ven­ti­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut, be­stä­tigt. Un­ter der Omi­kron-Va­ri­an­te sei­en in der Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen zwar we­ni­ger schwe­re Ver­läu­fe als un­ter der Del­ta-Va­ri­an­te zu be­ob­ach­ten. Hos­pi­ta­li­sie­rung sei über­wie­gend in der Al­ters­grup­pe über 60 Jah­re zu be­ob­ach­ten. Das Ri­si­ko ei­nes schwe­ren oder ei­nes töd­li­chen Ver­laufs be­stehe je­doch in ge­rin­gem Ma­ße wei­ter­hin. In der 13. bis 16. Mel­de­wo­che 2022 sei­en bei­spiels­wei­se acht Per­so­nen in die­sem Al­ters­band im Zu­sam­men­hang mit Co­vid-19 ver­stor­ben.

96 Zum an­de­ren sind in der Bun­des­wehr auch äl­te­re Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten be­schäf­tigt so­wie Per­so­nen mit Vor­er­kran­kun­gen, bei de­nen ei­ne er­höh­te Ge­fahr ei­nes ge­fähr­li­chen Ver­laufs der Co­vid-19-Er­kran­kung be­steht. Dies hat sei­nen Grund dar­in, dass die Al­ters­gren­ze für die meis­ten Stabs­of­fi­zie­re über dem 60. Le­bens­jahr liegt und dass et­li­che Sol­da­ten im Lau­fe ih­res Be­rufs­le­bens trotz Dienst­sport und Ge­sund­erhal­tungs­be­mü­hun­gen er­kran­ken und da­nach ein ri­si­ko­er­hö­hen­des Grund­lei­den (z. B. Dia­be­tes, Er­kran­kun­gen des At­mungs­sys­tems, Herz­kreis­lauf­er­kran­kun­gen, chro­nisch-ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen, chro­ni­sche Le­ber- oder Nie­ren­er­kran­kun­gen) be­sit­zen. Fer­ner gibt es auch in der Bun­des­wehr Sol­da­ten mit er­höh­ten Ri­si­ken auf­grund Rau­chens oder Über­ge­wichts (Adi­po­si­tas).

97 Nicht zu­letzt be­steht für die Sol­da­ten al­ler Al­ters­grup­pen die Ge­fahr, nach ei­nem mil­den oder sym­ptom­lo­sen Ver­lauf ei­ner SARS-CoV-2-In­fek­ti­on an Long-Co­vid be­zie­hungs­wei­se Post-Co­vid zu er­kran­ken. Da­bei um­fasst die üb­li­che Klas­si­fi­ka­ti­on un­ter dem Be­griff Long-Co­vid al­le im An­schluss an ei­ne aku­te Co­vid-19-Er­kran­kung vier Wo­chen nach Sym­ptom­be­ginn noch be­stehen­den Sym­pto­me. Als Post-Co­vid-Syn­drom wer­den Be­schwer­den be­zeich­net, die noch mehr als zwölf Wo­chen nach Be­ginn der SARS-CoV-2-In­fek­ti­on vor­han­den sind und nicht an­der­wei­tig er­klärt wer­den kön­nen. Zu den Sym­pto­men des Post-Co­vid-Syn­droms ge­hö­ren un­ter an­de­rem Mü­dig­keit, Kurz­at­mig­keit, Mus­kel­schwä­che oder ei­ne Ein­schrän­kung der geis­ti­gen Leis­tungs­fä­hig­keit (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand: 26. No­vem­ber 2021). Bis­he­ri­ge Stu­di­en le­gen na­he, dass die Zahl der von ei­nem "Post-Co­vid-Syn­drom" be­trof­fe­nen Per­so­nen in der für den Sol­da­ten­be­ruf ty­pi­schen Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen ge­mes­sen an ih­rer Hos­pi­ta­li­sie­rungs­ra­te deut­lich er­höht ist und nicht nur Ri­si­ko­grup­pen be­trifft. Der Lei­ter der Long-Co­vid-Sta­ti­on des Bun­des­wehr­kran­ken­hau­ses Ulm Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung über Fäl­le be­trof­fe­ner Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten be­rich­tet und im Schrei­ben des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 22. Mai 2022 vor­ge­tra­gen, dass hier­von über­wie­gend un­ge­impf­te Pa­ti­en­ten be­trof­fen sei­en.

98 Ins­ge­samt konn­te und kann der Dienst­herr so­mit von ei­ner nicht nur abs­trak­ten, son­dern kon­kre­ten ge­sund­heit­li­chen Ge­fah­ren­la­ge durch das SARS-CoV-2-Vi­rus für die Sol­da­ten der Bun­des­wehr aus­ge­hen.

99 5. Der Dienst­herr konn­te und kann die Co­vid-19-Schutz­imp­fung auch als ver­hält­nis­mä­ßi­ge Maß­nah­me zur Auf­recht­erhal­tung der Ein­satz­be­reit­schaft der Streit­kräf­te und zum Schutz der Grund­rech­te an­de­rer an­se­hen.

100 a) Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen war und ist ge­eig­net, den Ge­set­zes­zweck des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu er­rei­chen. Die dies­be­züg­li­chen An­nah­men und Pro­gno­sen des Dienst­herrn be­ru­hen auf hin­rei­chend trag­fä­hi­gen Grund­la­gen.

101 aa) Der Dienst­herr konn­te im No­vem­ber 2021 zum Zeit­punkt der Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" da­von aus­ge­hen, dass ei­ne Imp­fung zum Schutz der Ge­sund­heit der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei­trägt und da­mit auch die Ein­satz­be­reit­schaft der Streit­kräf­te si­chert. Die da­mals zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe bo­ten nach Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts bei In­fek­tio­nen mit der Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus ei­ne sehr ho­he Wirk­sam­keit von et­wa 90 % ge­gen ei­ne schwe­re In­fek­ti­on (z. B. Be­hand­lung im Kran­ken­haus) und ei­ne gu­te Wirk­sam­keit von et­wa 75 % ge­gen ei­ne sym­pto­ma­ti­sche Co­vid-19-In­fek­ti­on (vgl. www.​rki.​de/​Sha​redD​ocs/​FAQ/​COVID/​Impfen/​gesamt.​html und RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt vom 27. Ja­nu­ar 2022, S. 28 f. mit Auf­schlüs­se­lung nach Al­ters­grup­pen). Im No­vem­ber 2021 ging ei­ne deut­li­che fach­wis­sen­schaft­li­che Mehr­heit da­von aus, dass sich ge­impf­te und ge­ne­se­ne Per­so­nen sel­te­ner mit dem Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 in­fi­zie­ren und auch das Vi­rus sel­te­ner über­tra­gen kön­nen als nicht ge­impf­te oder nicht ge­ne­se­ne Per­so­nen. An­ge­nom­men wur­de auch, dass dann, wenn sich Ge­impf­te in­fi­zie­ren, sie we­ni­ger und nur für ei­nen kür­ze­ren Zeit­raum als nicht Ge­impf­te in­fek­ti­ös sind und ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung zum Schutz an­de­rer bei­trägt (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 173 m. w. N.).

102 Im Rah­men der Eig­nungs­pro­gno­se muss­te der Dienst­herr auch nicht von der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in den Ka­ta­log der Ba­si­s­imp­fun­gen Ab­stand neh­men, weil die Wirk­sam­keit der Imp­fung ge­gen die im No­vem­ber 2021 noch neu­ar­ti­ge Omi­kron-Va­ri­an­te un­si­cher war. Er durf­te be­rück­sich­ti­gen, dass da­mals die Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus mehr als 99 % sämt­li­cher Neu­in­fek­tio­nen aus­mach­te und das wei­te­re In­fek­ti­ons­ge­sche­hen zu­min­dest noch für ei­nen ge­wis­sen Zeit­raum prä­gen wür­de. Au­ßer­dem konn­te er auf Grund­la­ge der da­mals ver­füg­ba­ren wis­sen­schaft­li­chen Da­ten von ei­ner je­den­falls nach ei­ner Auf­fri­schimp­fung gu­ten Wirk­sam­keit der ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe auch ge­gen die Omi­kron-Va­ri­an­te des Vi­rus aus­ge­hen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 174 m. w. N.).

103 bb) Der Dienst­herr kann auch da­von aus­ge­hen, dass die Eig­nung der mRNA-Impf­stof­fe über den Win­ter 2021/2022 hin­aus bis heu­te er­hal­ten ge­blie­ben ist. Das Ro­bert-Koch-In­sti­tut geht da­von aus, dass die ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe auch un­ter der Do­mi­nanz der Omi­kron-Va­ri­an­te für voll­stän­dig ge­impf­te Per­so­nen al­ler Al­ters­grup­pen - ins­be­son­de­re nach ei­ner Auf­fri­schimp­fung - wei­ter­hin ei­nen sehr gu­ten Schutz ge­gen­über ei­ner schwe­ren Co­vid-19-Er­kran­kung ver­mit­teln (RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt vom 30. Ju­ni 2022, S. 4). Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on emp­fiehlt eben­falls seit dem Herbst 2021 ei­ne Auf­fri­schimp­fung (Boos­ter-Imp­fung) mit ei­nem mRNA-Impf­stoff für al­le Er­wach­se­nen, wo­bei für un­ter 30-Jäh­ri­ge nur Co­mirna­ty und für ab 30-Jäh­ri­ge auch Spik­e­vax be­für­wor­tet wird (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 48/2021 vom 2. De­zem­ber 2021, S. 3 ff.).

104 Für die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Drei­fach-Imp­fung ge­gen­über der Omi­kron-Va­ri­an­te spricht die vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung zi­tier­te Stu­die aus Is­ra­el. Der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Wich­mann hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 be­stä­tigt, dass der Schutz vor schwe­ren In­fek­tio­nen nach ei­ner Boos­ter-Imp­fung sta­bil hoch bleibt. Ein sol­cher Schutz lie­ge bei zehn und mehr Wo­chen noch bei 88 %. In der Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen lie­ge der Schutz vor ei­ner Hos­pi­ta­li­sie­rung nach 100 Ta­gen bei 76 %. Ei­ne ge­naue­re Ab­schät­zung zu den Lang­zeit­wir­kun­gen der Imp­fung un­ter der Omi­kron-Va­ri­an­te sei der­zeit noch nicht mög­lich. Auch aus dem Co­vid-19-La­ge­be­richt des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts vom 28. April 2022 geht her­vor, dass die ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe wei­ter­hin ei­ne er­heb­li­che Wirk­sam­keit in Be­zug auf den Krank­heits­ver­lauf ha­ben. Da­nach lag die Impf­ef­fek­ti­vi­tät ge­gen­über ei­ner Hos­pi­ta­li­sie­rung bei 18- bis 59-Jäh­ri­gen nach län­ge­ren Zeit­in­ter­val­len im Fal­le der Boos­ter-Imp­fung bei 61 % (RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt vom 28. April 2022, S. 28 f.).

105 Der Sach­ver­stän­di­ge hat auch die Aus­füh­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel im Schrei­ben des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 22. Mai 2022 be­stä­tigt, dass die Co­vid-19-Imp­fung nach dem der­zei­ti­gen Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis auch ei­nen ge­wis­sen Schutz vor dem Post-Co­vid-Syn­drom bie­tet. Ers­te For­schungs­er­geb­nis­se der Long-Co­vid-Am­bu­lanz des Bun­des­wehr­kran­ken­hau­ses Ulm las­sen eben­so wie wis­sen­schaft­li­che Ar­bei­ten aus an­de­ren Län­dern den Schluss zu, dass die Co­vid-19-Schutz­imp­fung die Prä­va­lenz, Dau­er und Schwe­re von Long-Co­vid si­gni­fi­kant re­du­ziert. Da die all­ge­mei­ne Er­for­schung die­ser neu­ar­ti­gen Er­kran­kung aber noch nicht sehr weit fort­ge­schrit­ten ist, ist dies ei­ne ver­tret­ba­re, aber wis­sen­schaft­lich noch nicht voll­stän­dig ge­si­cher­te Pro­gno­se.

106 Auch die An­nah­me des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung, dass die Co­vid-19-Imp­fung ge­gen­über ei­ner In­fek­ti­on mit der Omi­kron-Va­ri­an­te noch ei­nen re­le­van­ten Schutz ver­mit­telt, ist epi­de­mio­lo­gisch gut ver­tret­bar. Das Ro­bert-Koch-In­sti­tut hat im Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­ge­führt, nach sei­nen Schät­zun­gen lie­ge der Schutz vor ei­ner Co­vid-19-In­fek­ti­on zehn Wo­chen nach der Boos­ter-Imp­fung noch bei 50 bis 60 %. Das Helm­holtz-Zen­trum für In­fek­ti­ons­for­schung ist von ei­nem Wert von 40 bis 70 % aus­ge­gan­gen (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 und ju­ris Rn. 51). Auch wenn der Schutz vor ei­ner In­fek­ti­on nach ei­ni­ger Zeit nach­lässt, kann und muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die durch das Impf­se­rum aus­ge­lös­te An­ti­kör­per-Bil­dung noch ei­nen re­le­van­ten Bei­trag zur In­fek­ti­ons­ver­hin­de­rung leis­tet (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 184 f.).

107 Dass da­mit auch ei­ne Re­duk­ti­on des Trans­mis­si­ons­ri­si­kos un­ter drei­fach-ge­impf­ten Per­so­nen ver­bun­den ist, ist gleich­falls — auch bei Be­rück­sich­ti­gung wis­sen­schaft­li­cher Be­wer­tungs­un­si­cher­hei­ten — ei­ne ver­tret­ba­re Pro­gno­se. Die hier­zu vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung vor­ge­leg­te Dar­stel­lung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Mai 2022 mit ei­ner be­haup­te­ten Re­duk­ti­on des Über­tra­gungs­ri­si­kos von 77 % im Ver­gleich zu Un­ge­impf­ten ist von dem Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann zwar in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 nicht be­stä­tigt wor­den. Er hat je­doch un­ter Ver­weis auf Haus­halts­stu­di­en aus Nor­we­gen und Dä­ne­mark aus­ge­führt, dass nach drei bis vier Mo­na­ten ein Trans­mis­si­ons­schutz be­stehe, der sich bei 20 bis 40 % be­we­ge. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on be­grün­det ih­re Impf­emp­feh­lung eben­falls mit der da­mit ver­bun­de­nen Re­du­zie­rung der Trans­mis­si­on (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 4 f.). Die­sem As­pekt hat auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht Be­deu­tung bei­ge­mes­sen (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 185).

108 b) Der Dienst­herr konn­te die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen auch als er­for­der­li­che Maß­nah­me an­se­hen. Ihm stan­den und ste­hen kei­ne gleich wirk­sa­men und we­ni­ger be­las­ten­den Mit­tel zur Ver­fü­gung.

109 aa) Ins­be­son­de­re sind rei­ne Ver­hal­tens­re­geln, wie et­wa das Ab­stand­hal­ten, das Tra­gen ei­ner (me­di­zi­ni­schen) Schutz­mas­ke, die Ein­hal­tung von Hy­gie­ne­re­geln, re­gel­mä­ßi­ges Lüf­ten oder das Ein­set­zen ei­nes Luft­fil­ters, nicht gleich wirk­sam (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 197). Die kon­se­quen­te Ein­hal­tung die­ser Re­geln ist zum ei­nen nur schwer zu ge­währ­leis­ten. Zum an­de­ren kann da­durch nur das In­fek­ti­ons- und Trans­mis­si­ons­ri­si­ko re­du­ziert wer­den. Im Fall ei­ner Er­kran­kung än­dern die­se Maß­nah­men aber an der Schwe­re des Ver­laufs nichts. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat da­her zu­tref­fend aus­ge­führt, dass es sich bei die­sen vor­beu­gen­den Maß­nah­men nur um kom­ple­men­tä­re, nicht aber um al­ter­na­ti­ve Schutz­maß­nah­men han­delt.

110 Auch die Ver­pflich­tung, sich vor Dienst­an­tritt zu tes­ten, stellt kein gleich ef­fek­ti­ves Mit­tel dar, um den Zweck von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG zu er­rei­chen. Für die Bun­des­wehr als Ar­beit­ge­ber ist zwar die aus­rei­chen­de Be­schaf­fung von An­ti­gen-Schnell­tests mög­lich und wirt­schaft­lich zu­mut­bar. Selbst durch­ge­führ­te An­ti­gen­tests ber­gen al­ler­dings das Ri­si­ko ei­ner be­wuss­ten oder un­be­wusst feh­ler­haf­ten An­wen­dung und sind ins­be­son­de­re bei ge­rin­ger Vi­rus­last im Früh­sta­di­um ei­ner In­fek­ti­on feh­ler­an­fäl­lig (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - BVerf­GE 159, 223 Rn. 210 und vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 193 m. w. N.). PCR-Tests bie­ten zwar ei­nen zu­ver­läs­si­ge­ren Nach­weis, ste­hen aber we­gen man­geln­der Test­ka­pa­zi­tä­ten nicht für das ge­sam­te Bun­des­wehr­per­so­nal täg­lich zur Ver­fü­gung. Im Üb­ri­gen stel­len sie an­ge­sichts des ho­hen zeit­li­chen, or­ga­ni­sa­to­ri­schen und kos­ten­mä­ßi­gen Auf­wands kei­ne rea­lis­ti­sche Al­ter­na­ti­ve dar (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 194 ff.). Je­den­falls kann auch die­se Form der Co­vid-19-Testung vor Dienst­an­tritt nur die Ver­brei­tung der In­fek­ti­on im Dienst ver­hin­dern; ei­ne Re­du­zie­rung des In­fek­ti­ons­ri­si­kos und ei­ne Vor­beu­gung ge­gen schwe­re Krank­heits­ver­läu­fe be­wir­ken die­se Tests nicht, so­dass auch sie nur als ein zu­sätz­li­ches In­stru­ment der In­fek­ti­ons­ver­hü­tung an­zu­se­hen sind.

111 bb) Als gleich­wer­ti­ge Al­ter­na­ti­ve zur Imp­fung kommt die me­di­ka­men­tö­se Co­vid-19-The­ra­pie nach dem der­zei­ti­gen Stand der For­schung eben­falls nicht in Be­tracht. Ent­spre­chen­de The­ra­pi­en ver­spre­chen nach wie vor we­der ei­ne si­che­re Hei­lung nach ei­ner Co­vid-19-In­fek­ti­on noch ei­ne mit der ge­bo­te­nen Ein­deu­tig­keit fest­zu­stel­len­de si­che­re Ver­mei­dung von schwe­ren bis hin zu töd­li­chen Krank­heits­ver­läu­fen. Gleich­zei­tig kön­nen die der­zei­ti­gen The­ra­pi­en nicht das Trans­mis­si­ons­ri­si­ko sen­ken (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021 Nr. 14; BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 198). Das gilt auch für das mitt­ler­wei­le zu­ge­las­se­ne Me­di­ka­ment Paxlo­vid und erst recht für nicht­zu­ge­las­se­ne Mit­tel wie zum Bei­spiel Chlor­di­oxid­lö­sung oder die an­de­ren vom An­trag­stel­ler vor­ge­schla­ge­nen al­ter­na­ti­ven The­ra­pie­an­sät­ze.

112 Das sei­tens des An­trag­stel­lers ins Spiel ge­brach­te Ein­neh­men von Vit­amin D ist kein gleich ge­eig­ne­tes Mit­tel. Zwar ist ei­ne aus­rei­chen­de Vit­amin-D-Ver­sor­gung wich­tig für ein gut funk­tio­nie­ren­des Im­mun­sys­tem (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021 Nr. 20). Der prä­ven­ti­ve Ef­fekt die­ses Haus­mit­tels ge­gen Co­vid-19 ist je­doch nicht nach­ge­wie­sen. Der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Wich­mann hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu aus­ge­führt, dass die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on al­ter­na­ti­ve Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men durch­aus prü­fe; Er­folg ver­spre­chen­de al­ter­na­tiv-me­di­zi­ni­sche Me­di­ka­men­te prä­ven­ti­ver Art lä­gen der­zeit al­ler­dings nicht vor.

113 cc) Schlie­ß­lich kann auch die Be­schrän­kung der Co­vid-19-Imp­fung auf be­stimm­te Grup­pen von Sol­da­ten oder auf be­stimm­te Sze­na­ri­en nicht als mil­de­res und gleich wirk­sa­mes Mit­tel an­ge­se­hen wer­den. Ei­ne Be­schrän­kung auf äl­te­re und vul­ne­r­a­ble Sol­da­ten wä­re nicht gleich ef­fek­tiv. Zum ei­nen ha­ben auch jün­ge­re und ge­sun­de Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten oh­ne Imp­fung ein hö­he­res Ri­si­ko ei­ner schwe­ren Er­kran­kung. Zum an­de­ren wür­de bei ei­ner Imp­fung nur we­ni­ger Sol­da­ten ei­ne er­höh­te In­fek­ti­ons- und Trans­mis­si­ons­ge­fahr be­stehen, die ei­ne Er­hö­hung der Aus­fall­zei­ten im Be­reich der ge­sam­ten Bun­des­wehr nach sich zie­hen wür­de. Mit ei­ner Be­schrän­kung der Imp­fung auf be­stimm­te Be­rei­che oder Ein­sät­ze - wie den Sa­ni­täts­dienst oder bei Aus­lands­ein­sät­zen - wä­re der­sel­be Nach­teil ver­bun­den.

114 Kei­ne gleich ef­fek­ti­ve Op­ti­on wä­re es auch, die Imp­fung von ei­ner vor­he­ri­gen Be­stim­mung der im Blut der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten vor­han­de­nen An­ti­kör­per ab­hän­gig zu ma­chen. Denn es gibt kei­ne wis­sen­schaft­lich klar de­fi­nier­te Men­ge an An­ti­kör­pern, ab der ein aus­rei­chen­der Schutz auch oh­ne Imp­fung vor­han­den ist (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021, Nr. 18). Au­ßer­dem wür­de ei­ne lau­fen­de Über­prü­fung der An­ti­kör­per-Ti­ter bei ca. 180 000 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ei­nen un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Auf­wand ver­ur­sa­chen.

115 c) Schlie­ß­lich konn­te und kann das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen auch als an­ge­mes­se­ne Maß­nah­me an­se­hen. Die An­ge­mes­sen­heit und da­mit die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit im en­ge­ren Sin­ne er­for­dern, dass der mit der Maß­nah­me ver­folg­te Zweck und die zu er­war­ten­de Zwecker­rei­chung nicht au­ßer Ver­hält­nis zu der Schwe­re des Ein­griffs ste­hen (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 u. a. - BVerf­GE 155, 119 <178>).

116 aa) Die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen ak­tua­li­siert und er­wei­tert die ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Ein­grif­fe in die Grund­rech­te der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Der da­mit ver­bun­de­ne zu­sätz­li­che Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit ist al­ler­dings durch die ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung der Ge­sund­erhal­tung als ei­ne das Be­rufs­bild der Sol­da­ten prä­gen­de Dienst­pflicht weit­ge­hend vor­ge­zeich­net. Die mit ei­ner wei­te­ren Imp­fung für die Aus­übung des Sol­da­ten­be­rufs ver­bun­de­ne Be­las­tung wiegt für sich ge­nom­men nicht be­son­ders schwer. Bei der Be­ur­tei­lung der Schwe­re des Ein­griffs ist al­ler­dings zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Ver­wei­ge­rung der Co­vid-19-Imp­fung schwer­wie­gen­de be­ruf­li­che Kon­se­quen­zen hat. Kommt es zu in­fek­ti­ons­be­ding­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen der Dienst- und Er­werbs­fä­hig­keit er­wach­sen nach § 17a Abs. 4 Satz 1 SG aus der feh­len­den Teil­nah­me an der Schutz­imp­fung er­heb­li­che ver­sor­gungs­recht­li­che Nach­tei­le. Die Ein­griffs­tie­fe er­höht sich wei­ter da­durch, dass ei­ne Ver­wei­ge­rung der Imp­fung ei­ne Dienst­pflicht­ver­let­zung dar­stellt, die - wie aus­ge­führt — dienst­recht­li­che Kon­se­quen­zen in Form ei­nes Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens nach sich zieht und im Ex­trem­fall auch zur Ent­fer­nung aus dem Dienst füh­ren kann.

117 bb) Der Ein­griff in das kör­per­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht führt da­zu, dass der ein­zel­ne Sol­dat die Frei­heit ver­liert, selbst ei­ne Ab­wä­gung zwi­schen den mit ei­ner Co­vid-19-In­fek­ti­on ver­bun­de­nen Ge­fah­ren ei­ner­seits und den Chan­cen und Ri­si­ken ei­ner Schutz­imp­fung an­de­rer­seits zu tref­fen. Die­ser Ein­griff in die Ent­schei­dungs­au­to­no­mie ist zwar eben­falls ge­setz­lich vor­ge­zeich­net, weil § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­ra­de ei­ne Ver­la­ge­rung der Ent­schei­dung über Nut­zen und Ri­si­ken von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men auf die mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten vor­nimmt, um durch ein ein­heit­li­ches Vor­ge­hen ei­ne in­fek­ti­ons­be­ding­te Schwä­chung der Ein­satz­fä­hig­keit der Sol­da­ten und ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­de zu ver­hin­dern.

118 Bei der Ge­wich­tung der Schwe­re des Ein­griffs ei­ner zu­sätz­li­chen Imp­fung ist al­ler­dings vor­ran­gig das von Art. 2 Abs. 2 GG ge­schütz­te kör­per­li­che In­te­gri­täts­in­ter­es­se in den Blick zu neh­men. Der Dienst­herr muss bei der Auf­nah­me ei­ner neu­en Imp­fung in die Lis­te der ver­pflich­ten­den Schutz­imp­fun­gen die dro­hen­den ge­sund­heit­li­chen Be­las­tun­gen über­prü­fen. Je hö­her die mit ei­ner Imp­fung ver­bun­de­nen Ge­sund­heits­ri­si­ken sind und je ge­rin­ger der Mehr­wert ei­ner Imp­fung für die mi­li­tä­ri­sche Ein­satz­be­reit­schaft ist, des­to eher ist ei­ne Schutz­imp­fung un­an­ge­mes­sen.

119 Im vor­lie­gen­den Fall konn­te der Dienst­herr da­von aus­ge­hen, dass die mit ei­ner mRNA-Imp­fung ver­bun­de­nen ty­pi­schen Impf­re­ak­tio­nen nicht schwer­wie­gend sind. Sie sind auf die Im­mun­ant­wort des Kör­pers auf die Ver­ab­rei­chung des Impf­stof­fes zu­rück­zu­füh­ren. Zwar klin­gen die­se nach re­la­tiv kur­zer Zeit voll­stän­dig ab. Dies lässt aber die mit der Im­mun­ant­wort nicht sel­ten ein­her­ge­hen­den Ne­ben­wir­kun­gen wie et­wa Kopf- und Glie­der­schmer­zen un­be­rührt, die die Be­trof­fe­nen auch über meh­re­re Ta­ge in ih­rem kör­per­li­chen Wohl­be­fin­den be­ein­träch­ti­gen kön­nen. Die­se auch bei an­de­ren Imp­fun­gen auf­tre­ten­den, eher harm­lo­sen Impf­re­ak­tio­nen er­hö­hen das Ge­wicht des Ein­griffs in die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit nicht ma­ß­geb­lich (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 143).

120 Da­ne­ben kön­nen im Ein­zel­fall aber auch schwer­wie­gen­de und/oder län­ger an­dau­ern­de Ne­ben­wir­kun­gen oder Impf­kom­pli­ka­tio­nen ein­tre­ten. Zwar han­delt es sich bei den ge­mel­de­ten schwer­wie­gen­den Ne­ben­wir­kun­gen zu­nächst nur um Ver­dachts­fäl­le, die nur zu ei­nem Teil auch nach­weis­lich zwin­gend kau­sal auf die Imp­fung zu­rück­zu­füh­ren sind. Auch wa­ren die ge­mel­de­ten schwer­wie­gen­den Ne­ben­wir­kun­gen sehr sel­ten und in der Re­gel nicht von Dau­er. Gleich­wohl muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass ei­ne Imp­fung im ganz ex­tre­men Aus­nah­me­fall auch töd­lich sein kann (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 207 f.).

121 Al­ler­dings ist das Ri­si­ko ei­nes schwe­ren oder töd­li­chen Ver­laufs sta­tis­tisch be­trach­tet nicht hoch. Nach dem Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts vom 4. Mai 2022 gab es bei den bis März 2022 durch­ge­führ­ten ca. 172,1 Mil­lio­nen Imp­fun­gen 296 233 Mel­dun­gen über mög­li­che Impf­kom­pli­ka­tio­nen (Ver­dachts­fäl­le). Da­von wa­ren 0,02 % Be­rich­te über schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen, de­ren Kau­sa­li­tät al­ler­dings nicht wei­ter er­forscht ist. Die schwer­wie­gends­ten Kom­pli­ka­tio­nen be­tra­fen all­er­gi­sche Schocks (ana­phy­lak­ti­sche Re­ak­tio­nen), Ent­zün­dun­gen des Herz­mus­kels und des Herz­beu­tels (Myo­kar­di­tis/Pe­ri­kar­di­tis) und le­bens­be­droh­li­che Blut­ge­rinn­sel­bil­dun­gen (Throm­bo­sen), ins­be­son­de­re Hirn­blut­ge­rinn­sel (Si­nus­venen­throm­bo­sen). Es gab 2 810 Ver­dachts­mel­dun­gen über töd­li­che Ver­läu­fe. Da­von hat das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut in 116 Fäl­len, in de­nen Pa­ti­en­ten in zeit­lich plau­si­blem Ab­stand zur je­wei­li­gen Imp­fung an be­kann­ten Impf­ri­si­ken ver­stor­ben sind, den Zu­sam­men­hang mit der Imp­fung als mög­lich oder wahr­schein­lich be­wer­tet (vgl. PEI, Si­cher­heits­be­richt vom 4. Mai 2022 - Ver­dachts­fäl­le von Ne­ben­wir­kun­gen und Impf­kom­pli­ka­tio­nen nach Imp­fung zum Schutz vor Co­vid-19, S. 8 f.).

122 So­weit der An­trag­stel­ler von ei­ner we­sent­lich hö­he­ren Zahl an Impf­ge­schä­dig­ten und Impf­t­o­ten aus­geht und die An­ga­ben des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts in Zwei­fel zieht, kann dem nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me, das un­ten nä­her dar­ge­stellt wird, nicht ge­folgt wer­den. Auch wenn schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen da­nach nur in zwei von 10 000 Fäl­len auf­tre­ten und die Ge­fahr ei­nes töd­li­chen Ver­laufs un­ter ei­nem Mil­li­ons­tel liegt, er­höht die­ser Um­stand die Ein­griffs­tie­fe er­heb­lich.

123 cc) In die Ab­wä­gung der An­ge­mes­sen­heit der Maß­nah­me ist aber auch der Nut­zen der Imp­fung ein­zu­be­zie­hen. Der Dienst­herr konn­te im No­vem­ber 2021 bei Be­wer­tung des mi­li­tä­ri­schen Nut­zens da­von aus­ge­hen, dass die Co­vid-19-Schutz­imp­fung für die Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr ge­wich­ti­ge Vor­tei­le mit sich brin­gen wür­de. Be­kannt­lich ab­sol­vier­te die Bun­des­wehr im Jahr 2021 ver­schie­de­ne In- und Aus­lands­ein­sät­ze. Sie war im Rah­men der Ka­ta­stro­phen­hil­fe im In­land ins­be­son­de­re bei der Be­sei­ti­gung der Über­schwem­mungs­schä­den im Ahr­tal in­vol­viert und er­brach­te im Rah­men der Amts­hil­fe zahl­rei­che Un­ter­stüt­zungs­ein­sät­ze in Ge­sund­heits­äm­tern, Impf­zen­tren und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Fer­ner führ­te sie Aus­lands­ein­sät­ze im Rah­men von NA­TO- und UNO-Mis­sio­nen et­wa in Ma­li durch oder leis­te­te in­ter­na­tio­na­le Hil­fe bei der Pan­de­mie­be­kämp­fung in Por­tu­gal. Vor dem Hin­ter­grund ei­ner dro­hen­den Ver­schär­fung der pan­de­mi­schen La­ge im Win­ter 2021/2022 konn­te die grö­ßt­mög­li­che Er­hal­tung der Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr als be­son­ders vor­dring­lich an­ge­se­hen wer­den, weil mit ei­ner Fort­füh­rung ei­ner er­heb­li­chen An­zahl von In­lands­ein­sät­zen und di­ver­ser Aus­lands­ein­sät­ze zu rech­nen war.

124 Der Nut­zen der Co­vid-19-Imp­fung für die all­ge­mei­ne Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr konn­te auch als hoch ein­ge­stuft wer­den. Zwar ver­sprach die Imp­fung - wie aus­ge­führt - un­ter der Do­mi­nanz der Del­ta­va­ri­an­te kei­nen voll­stän­di­gen Schutz, son­dern nur ei­nen 90%igen Schutz ge­gen schwe­re Ver­läu­fe und ei­nen 75%igen Schutz ge­gen sym­pto­ma­ti­sche Er­kran­kun­gen. Un­ter dem Ge­sichts­punkt der all­ge­mein-mi­li­tä­ri­schen Ein­satz­fä­hig­keit ist aber auch schon ei­ne ho­he Wahr­schein­lich­keit für die Ver­hin­de­rung ei­nes schwe­ren Ver­laufs ei­ner Co­vid-19-Er­kran­kung als be­deu­ten­der Vor­teil ein­zu­stu­fen. Ei­ne Re­du­zie­rung schwe­rer Ver­läu­fe be­wirkt nicht nur für die in­fi­zier­ten Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ei­nen ge­rin­ge­ren Lei­dens­druck und ei­ne kür­ze­re Lei­dens­zeit. Zu­gleich be­deu­tet dies für den Dienst­herrn kür­ze­re Aus­fall­zei­ten mit ins­ge­samt hö­he­rer Ein­satz­be­reit­schaft. Hin­zu kommt, dass ei­ne 75%ige Re­du­zie­rung sym­pto­ma­ti­scher Er­kran­kun­gen ein ge­wich­ti­ges We­ni­ger an Aus­fall­zei­ten durch Er­kran­kung und Qua­ran­tä­ne ver­spricht. Gleich­zei­tig wird mit der Re­du­zie­rung sym­pto­ma­ti­scher Er­kran­kun­gen auch ei­ne Ver­rin­ge­rung der Trans­mis­si­on des Vi­rus in­ner­halb der Trup­pe er­reicht, was die Ge­fahr ei­ner In­fek­ti­on an­de­rer Sol­da­ten min­dert, An­ge­hö­ri­ge vul­ne­ra­bler Grup­pen in­ner­halb der Streit­kräf­te schützt und der Ein­satz­be­reit­schaft der Ver­bän­de ins­ge­samt zu­gu­te­kommt.

125 Vor dem Hin­ter­grund be­stehen­der und fort­zu­füh­ren­der In­lands­ein­sät­ze im Be­reich der zi­vi­len Ge­sund­heits­äm­ter, Impf­zen­tren und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen konn­te auch die mit der Schutz­imp­fung der Sol­da­ten ver­bun­de­ne Ver­rin­ge­rung der Trans­mis­si­ons­ge­fahr als we­sent­li­cher Fak­tor zur Op­ti­mie­rung der In­lands­ein­sät­ze be­grif­fen wer­den. Denn bei die­sen Un­ter­stüt­zungs­ein­sät­zen im Ge­sund­heits­be­reich be­stand ei­ner­seits ein er­höh­tes Ri­si­ko des Zu­sam­men­tref­fens mit In­fi­zier­ten und an­de­rer­seits die Ge­fahr der Über­tra­gung des SARS-CoV-2-Vi­rus auf An­ge­hö­ri­ge vul­ne­ra­bler Grup­pen. Da­bei hat­te der best­mög­li­che Schutz vul­ne­ra­bler Per­so­nen be­son­de­re Prio­ri­tät. Dies hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht mit Recht her­vor­ge­ho­ben (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 228 ff.). Die­se Er­wä­gun­gen gel­ten im Üb­ri­gen auch für die Sa­ni­täts­ver­sor­gungs­zen­tren und Kran­ken­häu­ser der Bun­des­wehr, in de­nen der Schutz vul­ne­ra­bler Grup­pen eben­falls be­son­ders im Vor­der­grund steht.

126 Schlie­ß­lich konn­te der Dienst­herr auch da­von aus­ge­hen, dass die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Grup­pe der Ba­si­s­imp­fun­gen po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr im Aus­land ha­ben wür­de. Zum ei­nen sind zahl­rei­che Aus­lands­ein­sät­ze der Bun­des­wehr bei NA­TO- und UNO-Mis­sio­nen durch das äu­ßerst be­eng­te Zu­sam­men­le­ben von Sol­da­ten in be­son­ders ge­si­cher­ten Camps ge­prägt, in de­nen zwangs­läu­fig ei­ne er­höh­te In­fek­ti­ons­ge­fahr be­steht. Die Er­kran­kung ei­nes Sol­da­ten an Co­vid-19 er­for­dert häu­fig ei­ne ra­sche Rück­ho­lung des Be­trof­fe­nen zur me­di­zi­ni­schen Be­hand­lung und ei­ne Iso­la­ti­on von Kon­takt­per­so­nen. Dies schwächt die Ein­satz­kon­tin­gen­te er­heb­lich, so­dass ei­ner best­mög­li­chen Prä­ven­ti­on ei­ne be­son­ders ho­he Be­deu­tung zu­kommt. Zum an­de­ren war ein Aus­lands­ein­satz im Win­ter 2021/2022 schon aus recht­li­chen Grün­den in zahl­rei­chen aus­län­di­schen Staa­ten nur mit ei­ner Co­vid-19-Imp­fung mög­lich. Wie das Schwei­zer Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat, war der Nach­weis ei­ner voll­stän­di­gen Co­vid-19-Imp­fung in zahl­rei­chen aus­län­di­schen Staa­ten Ein- und Durch­rei­se­vor­aus­set­zung, so­dass Sol­da­ten oh­ne Impf­nach­weis vie­ler­orts nicht ein­rei­sen konn­ten und da­mit nicht aus­lands­ver­wen­dungs­fä­hig wa­ren (BV­Ger, Ur­teil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 15 ff.). Da­her war die Durch­füh­rung ei­ner Co­vid-19-Imp­fung schon vor de­ren Auf­nah­me in die Rei­he der Ba­si­s­imp­fun­gen auch in der Bun­des­wehr re­gel­mä­ßig Vor­aus­set­zung für die Teil­nah­me an ei­nem Aus­lands­ein­satz. Mit ih­rer Auf­nah­me in die Ba­si­s­imp­fun­gen ent­fiel aber die Not­wen­dig­keit, vor dem Ein­satz das Wirk­sam­wer­den der Imp­fung ab­zu­war­ten, und es er­wei­ter­te sich das für Aus­lands­ein­sät­ze schnell ver­füg­ba­re Per­so­nal.

127 Die­ses be­son­de­re mi­li­tä­ri­sche In­ter­es­se an der Co­vid-19-Imp­fung be­steht auch zum Zeit­punkt der Ge­richts­ent­schei­dung im We­sent­li­chen fort. Zwar hat das öf­fent­li­che In­ter­es­se da­durch an Ge­wicht ein­ge­bü­ßt, dass die vor­han­de­nen mRNA-Impf­stof­fe bei der Ver­hü­tung der Omi­kron-Va­ri­an­te des SARS-CoV-2-Vi­rus we­ni­ger ef­fek­tiv sind. Ins­be­son­de­re hat der zeit­li­che Schutz ge­gen die In­fek­ti­on und Trans­mis­si­on nach­ge­las­sen. Auch hat die Bun­des­wehr im März 2022 die Amts­hil­fe­ein­sät­ze im In­land im Be­reich des Ge­sund­heits­we­sens be­en­det. Je­doch hat sich die mi­li­tä­ri­sche Be­dro­hungs­la­ge seit dem Be­ginn des Ukrai­ne-Krie­ges ver­än­dert und ei­ne Ver­le­gung von Ver­bän­den der Bun­des­wehr zur Er­fül­lung ein­satz­glei­cher Ver­pflich­tun­gen im Be­reich der NA­TO wahr­schein­li­cher wer­den las­sen. Ein Weg­fall der Impf­nach­weis­pflicht für die Ein­rei­se in aus­län­di­sche Staa­ten ist bis da­to über­wie­gend nicht er­folgt. Auch ist ei­ne best­mög­li­che Prä­ven­ti­on bei ein­satz­glei­chen Ver­wen­dun­gen und Aus­lands­ein­sät­zen wei­ter­hin ge­bo­ten.

128 dd) Bei Ab­wä­gung der pri­va­ten In­ter­es­sen des An­trag­stel­lers, sich nicht dem Ne­ben­wir­kungs­ri­si­ko ei­ner Co­vid-19-Imp­fung aus­zu­set­zen und sei­ne per­sön­li­che Ab­wä­gungs­ent­schei­dung zwi­schen dem Impf- und dem Er­kran­kungs­ri­si­ko zu tref­fen, konn­te und kann der Dienst­herr von ei­nem Über­wie­gen des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses aus­ge­hen. Da­bei fällt es ins Ge­wicht, dass der An­trag­stel­ler den Be­ruf des Sol­da­ten frei­wil­lig er­grif­fen und dass schon zu Be­ginn sei­nes Be­rufs­le­bens die Ver­pflich­tung zur Ge­sund­erhal­tung und zur Dul­dung von In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­men be­stan­den hat. Die Durch­füh­rung von Schutz­imp­fun­gen ent­spricht der lang­jäh­rig ge­leb­ten Pra­xis der Bun­des­wehr, der sich der An­trag­stel­ler bis­lang nicht ver­schlos­sen hat. Die Co­ro­na-Pan­de­mie und die Ent­wick­lung ei­ner Co­vid-19-Imp­fung war für den An­trag­stel­ler zwar so we­nig vor­her­seh­bar wie für den Rest der Be­völ­ke­rung. Er konn­te aber wis­sen, dass das dienst­li­che Impf­kon­zept nicht starr ist, son­dern ge­än­der­ten Ge­ge­ben­hei­ten an­ge­passt wer­den kann. In­so­fern muss­te er da­mit rech­nen, bei Auf­tre­ten ei­ner neu­ar­ti­gen Er­kran­kung ei­ne wei­te­re Imp­fung dul­den zu müs­sen (vgl. BV­Ger, Ur­teil vom 26. April 2022 - A-4619/2021 - UA S. 20).

129 Für die An­ge­mes­sen­heit der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die All­ge­mei­ne Re­ge­lung A1-840/8-4000 spricht fer­ner, dass den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nur ein Impf­ri­si­ko ab­ver­langt wird, das die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung frei­wil­lig zur Be­kämp­fung der Pan­de­mie ein­zu­ge­hen be­reit ist. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on als un­ab­hän­gi­ges Ex­per­ten­gre­mi­um hat die Co­vid-19-Imp­fung un­ter Ein­schluss der Auf­fri­schimp­fung be­reits im No­vem­ber 2021 für al­le Er­wach­se­nen emp­foh­len und hält dar­an wei­ter­hin fest. Die Durch­füh­rung der Imp­fung ent­spricht da­mit dem in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ganz all­ge­mein an­er­kann­ten me­di­zi­ni­schen Stan­dard (vgl. BGH, Ur­teil vom 15. Fe­bru­ar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136). Au­ßer­dem hat der Ge­setz­ge­ber mit § 20a IfSG auch an­de­ren Be­rufs­grup­pen - wenn auch aus an­de­ren Grün­den - ei­ne Pflicht zum Nach­weis ei­ner Imp­fung ge­gen Co­vid-19 auf­er­legt. Es kann al­so nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr oh­ne recht­fer­ti­gen­den Grund ein be­son­de­res Ri­si­ko auf­er­legt und ein un­zu­mut­ba­res Son­der­op­fer ab­ver­langt wer­den wür­de.

130 Hin­zu kommt, dass die Dul­dungs­pflicht in Be­zug auf die Co­vid-19-Schutz­imp­fung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG das Selbst­be­stim­mungs­recht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nicht völ­lig aus­schal­tet. Die Dul­dungs­pflicht ist - wie aus­ge­führt - kei­ne Zwangs­imp­fung und wird nicht mit kör­per­li­cher Ge­walt durch­ge­setzt, so­dass ein Kern­be­reich des Selbst­be­stim­mungs­rechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG er­hal­ten bleibt (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 221). Den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten wird auch kein be­stimm­ter Impf­stoff auf­ok­troy­iert. Zwar sieht die All­ge­mei­ne Re­ge­lung A1-840/8-4000 nicht vor, dass der ein­zel­ne Sol­dat bei der Durch­füh­rung der Imp­fung durch den Trup­pen­arzt ein Wahl­recht hin­sicht­lich des zur An­wen­dung kom­men­den Impf­stof­fes be­sitzt. Er hat je­doch nach der Er­lass­la­ge die Mög­lich­keit, sich selbst bei ei­nem nie­der­ge­las­se­nen Arzt oder in ei­nem Impf­zen­trum um die Durch­füh­rung der Imp­fung zu küm­mern und da­bei den Impf­stoff zu be­stim­men. Nur wenn er von die­ser Mög­lich­keit kei­nen Ge­brauch macht, muss er die Imp­fung mit dem vom Trup­pen­arzt aus den Bun­des­wehr­be­stän­den aus­ge­wähl­ten Impf­stoff, das hei­ßt nun­mehr re­gel­mä­ßig mit ei­nem mRNA-Impf­stoff, dul­den.

131 Die All­ge­mei­ne Re­ge­lung er­mög­licht es da­mit ins­be­son­de­re Geg­nern der von der Bun­des­wehr ver­wen­de­ten mRNA-Impf­stof­fe, sich mit ei­nem nicht ge­ne­tisch ope­rie­ren­den Impf­stoff (Nu­va­xo­vid) be­han­deln zu las­sen. Der Nach­weis ei­ner ent­spre­chen­den Imp­fung wird - wie das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung im Ver­fah­ren be­stä­tigt hat - grund­sätz­lich ak­zep­tiert. Da­mit wird die Ent­schei­dungs­au­to­no­mie der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten aus Art. 2 Abs. 2 GG bei der Wahl des Impf­stof­fes re­spek­tiert.

132 Zur Ver­hält­nis­mä­ßig­keit des Er­las­ses trägt auch bei, dass die Trup­pen­ärz­te ver­pflich­tet sind, bei der Ver­wen­dung der Impf­stof­fe die je­weils ak­tu­el­len Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on zu be­ach­ten (Nr. 1082 AR A1-840/8-4000). Durch die fort­lau­fen­de Be­ach­tung ak­tu­el­ler Impf­emp­feh­lun­gen und Impf­war­nun­gen er­folgt ei­ne wei­te­re Ri­si­ko­mi­ni­mie­rung. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat im Ver­fah­ren mit Schrift­satz vom 11. Mai 2022 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die­se Re­ge­lung auch in der Pra­xis ernst ge­nom­men wird. Im Hin­blick auf die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on kommt der­zeit bei den jün­ge­ren Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nur der Impf­stoff von BioNTech/Pfi­zer und bei den über 30-Jäh­ri­gen auch der Impf­stoff von Mo­der­na zur An­wen­dung. Zu­gleich trägt zur An­ge­mes­sen­heit der all­ge­mei­nen Auf­nah­me der Co­vid-19-Schutz­imp­fung in die Lis­te der Ba­si­s­imp­fun­gen bei, dass in je­dem Ein­zel­fall ei­ne Über­prü­fung von me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­tio­nen durch den Trup­pen­arzt er­folgt (Nr. 210 ZDv A-840/8) und da­mit ei­ne in­di­vi­du­el­le Un­zu­mut­bar­keit im Sin­ne des § 17a Abs. 4 Satz 2 SG ver­mie­den wird. Im Üb­ri­gen grei­fen auch bei der Co­vid-19-Imp­fung die üb­ri­gen bei der Prü­fung der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG er­wähn­ten Me­cha­nis­men (Rechts­schutz, Ent­schä­di­gung etc.) zur Ab­mil­de­rung des Ein­griffs ein.

133 6. Al­ler­dings ist das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung auch in Zu­kunft ver­pflich­tet, die Auf­recht­erhal­tung der Co­vid-19-Imp­fung zu eva­lu­ie­ren und zu über­wa­chen. Denn Dau­er­an­ord­nun­gen müs­sen - wie oben aus­ge­führt - stets dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob sie an­ge­sichts ver­än­der­ter Um­stän­de wei­ter­hin ver­hält­nis­mä­ßig und er­mes­sens­ge­recht sind. Die­se all­ge­mein be­stehen­de Über­wa­chungs­pflicht wird da­durch ver­stärkt, dass der Staat nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG auch zum Schutz der Ge­sund­heit und als Dienst­herr zur Für­sor­ge ge­gen­über sei­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ver­pflich­tet ist. Die­se Über­wa­chungs­pflicht hat bei der Co­vid-19-Imp­fung be­son­de­re Be­deu­tung, weil es sich um ei­ne ver­gleichs­wei­se neue Er­kran­kung han­delt, weil die vor­han­de­nen Impf­stof­fe auf ei­ner für die­sen Zweck noch nicht ge­nutz­ten Tech­no­lo­gie be­ru­hen, weil die welt­wei­te Er­for­schung der Er­kran­kung und des Er­re­gers in ver­gleichs­wei­se kur­zer Zeit neue wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se lie­fert und weil die in Wel­len ver­lau­fen­de pan­de­mi­sche Ver­brei­tung der Er­kran­kung durch ei­nen stän­di­gen Wan­del des Vi­rus ge­prägt ist. Es liegt al­so ei­ne sehr vo­la­ti­le La­ge vor, die im­mer wie­der zu ei­ner er­neu­ten Be­wer­tung, Über­prü­fung und An­pas­sung der im Zu­sam­men­hang mit der Co­vid-19-Imp­fun­gen ste­hen­den Ent­schei­dun­gen zwingt.

134 Da­bei zeich­net sich ak­tu­ell ei­ne Ent­wick­lung ab, die ver­schie­dent­lich als Über­gang ei­ner Pan­de­mie in ei­ne En­de­mie ge­deu­tet wird. Ei­ner­seits lässt die Ge­fähr­lich­keit des Co­ro­na­vi­rus durch sei­ne Mu­ta­tio­nen in ei­ner nicht ge­nau be­stimm­ba­ren Wei­se nach. An­de­rer­seits ver­brei­tet es sich häu­fi­ger und ent­wi­ckelt sich zu ei­ner in Eu­ro­pa dau­er­haft prä­sen­ten Ge­sund­heits­ge­fahr, die - wie die In­flu­en­za - sai­so­nal im Win­ter hö­her ist als im Som­mer. An­de­rer­seits ist ak­tu­ell ei­ne eben­falls nicht ex­akt be­stimm­ba­re Ver­rin­ge­rung der Ef­fek­ti­vi­tät der vor­han­de­nen Impf­stof­fe zu ver­zeich­nen, die sich in ei­nem im­mer schnel­ler nach­las­sen­den Schutz vor In­fek­ti­on und Trans­mis­si­on und ei­nem eher lang­sa­mer nach­las­sen­den Schutz vor schwe­ren Ver­läu­fen aus­drückt.

135 Das Nach­las­sen der Ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus und die Ver­rin­ge­rung der Ef­fek­ti­vi­tät der ak­tu­ell ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe sind Um­stän­de, die ei­ne er­neu­te Er­mes­sens­ent­schei­dung ins­be­son­de­re für die An­ord­nung wei­te­rer Auf­fri­schimp­fun­gen an­ge­zeigt er­schei­nen las­sen. Nach den der­zei­ti­gen Er­kennt­nis­sen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on schützt ei­ne In­fek­ti­on mit SARS-CoV-2 nicht nach­hal­tig vor dem Vi­rus, wäh­rend ein durch Imp­fun­gen ver­stärk­ter min­des­tens drei­fa­cher Kon­takt mit dem SARS-CoV-2-Vi­rus ei­nen re­la­tiv gu­ten Schutz vor schwe­ren Ver­läu­fen bie­tet (vgl. RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 21/2022 vom 25. Mai 2022, S. 44 ff.). Vor die­sem Hin­ter­grund muss die pau­scha­le Ent­schei­dung in der Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 für al­le wei­te­ren Auf­fri­schimp­fun­gen ge­mäß den na­tio­na­len Emp­feh­lun­gen dar­auf­hin über­prüft wer­den, in­wie­weit wei­te­re Imp­fun­gen als zwin­gen­de Ba­si­s­imp­fun­gen für al­le Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei ei­ner Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung im Sin­ne des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG er­mes­sens­ge­recht sind. Da au­ßer­dem auch vom Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­ss ei­ne Eva­lu­ie­rung ge­for­dert und im Schlich­tungs­ver­fah­ren ei­ne prä­zi­se­re Ri­si­ko­ana­ly­se be­schlos­sen wor­den ist, wä­re ei­ne Be­tei­li­gung des Ge­samt­ver­trau­ens­per­so­nen­aus­schu­s­s­es bei der Er­mes­sens­ent­schei­dung über die­se Fra­ge ziel­füh­rend.

136 7. Die oben ge­schil­der­ten tat­säch­li­chen Ein­schät­zun­gen und Pro­gno­sen des Dienst­herrn sind nach dem Er­geb­nis der vom Ge­richt durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me durch die Ein­wen­dun­gen von Sei­ten des An­trag­stel­lers nicht er­schüt­tert wor­den.

137 a) Wie oben aus­ge­führt konn­te sich der Dienst­herr auf die fach­li­chen Ein­schät­zun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts bei der Ein­ord­nung der Ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus und der Si­cher­heit der Co­vid-19-Impf­stof­fe ver­las­sen. Denn beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut han­delt es sich um die Fach­be­hör­de zur Er­for­schung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten und beim Paul-Ehr­lich-In­sti­tut um die fe­der­füh­ren­de Bun­des­be­hör­de zur Über­wa­chung der Impf­stoff­si­cher­heit (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 223). Bei­de Fach­be­hör­den be­schäf­ti­gen ei­ne Viel­zahl hoch­spe­zia­li­sier­ter Ex­per­ten, die lau­fend die ein­schlä­gi­gen wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­er­geb­nis­se aus­wer­ten und sich auf eu­ro­päi­scher und in­ter­na­tio­na­ler Ebe­ne mit den Über­wa­chungs­be­hör­den an­de­rer Län­der und der Eu­ro­päi­schen Uni­on aus­tau­schen. Sie wer­ten in be­trächt­li­chem Um­fang nur ih­nen zur Ver­fü­gung ste­hen­de Ge­sund­heits­da­ten aus und ver­fü­gen da­durch über In­for­ma­ti­ons­quel­len, die an­de­ren For­schungs­stel­len nicht zu­gäng­lich sind. Die von ih­nen ver­öf­fent­lich­ten Fach­in­for­ma­tio­nen zur Ge­fähr­lich­keit des Co­ro­na­vi­rus, zur Ver­brei­tung von Co­vid-19, zu den zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fen und Me­di­ka­men­ten kön­nen da­her von den Dienst­stel­len der Bun­des­wehr als der All­ge­mein­heit zu­gäng­lich ge­mach­te amt­li­che Aus­künf­te und da­mit nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG als Be­weis­mit­tel ver­wer­tet wer­den.

138 aa) Im Pro­zess vor den Wehr­dienst­ge­rich­ten sind amt­li­che Aus­künf­te eben­falls als Be­weis­mit­tel zu­ge­las­sen. Dies folgt dar­aus, dass § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO für Fra­gen des Pro­zess­rechts er­gän­zend auf die Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung ver­weist und dass im Ver­wal­tungs­pro­zess die Ver­wen­dung amt­li­cher Aus­künf­te als ein selb­stän­di­ges Be­weis­mit­tel an­er­kannt ist, das in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 99 Abs. 1 Satz 1 so­wie § 173 Satz 1 Vw­GO i. V. m. § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO er­wähnt ist (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 8. De­zem­ber 1986 - 9 B 144.86 - Buch­holz 412.3 § 6 BVFG Nr. 48 S. 30 und vom 28. Ju­ni 2010 - 5 B 49.09 - Buch­holz 412.3 § 6 BVFG Nr. 116 Rn. 5). Amt­li­che Aus­künf­te kön­nen je nach ih­rem In­halt den Zeu­gen­be­weis oder - wie hier bei fach­wis­sen­schaft­li­chen In­for­ma­tio­nen - den Sach­ver­stän­di­gen­be­weis er­set­zen (vgl. Schübel-Pfis­ter, in: Eyer­mann, Vw­GO, 16. Aufl. 2022, § 98 Rn. 65). Tre­ten amt­li­che Aus­künf­te an die Stel­le von Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten, be­darf die durch sie ge­klär­te Fra­ge im All­ge­mei­nen kei­ner Klä­rung durch Ein­ho­lung ei­nes zu­sätz­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 10. Ju­ni 1999 - 9 B 81.99 - Buch­holz 310 § 86 Abs. 1 Vw­GO Nr. 302 S. 5).

139 Die Ein­ho­lung ei­nes wei­te­ren Gut­ach­tens kann in An­leh­nung an § 98 Vw­GO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO nur ge­bo­ten sein, wenn das Ge­richt die amt­li­che sach­ver­stän­di­ge Aus­kunft für un­ge­nü­gend hält (BVer­wG, Be­schluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buch­holz 310 § 98 Vw­GO Nr. 109 Rn. 4). Dies ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn das Be­weis­er­geb­nis durch sub­stan­ti­ier­ten Vor­trag ei­nes der Be­tei­lig­ten oder durch ei­ge­ne Über­le­gun­gen des Ge­richts ernst­haft er­schüt­tert wird. Die Ver­pflich­tung zur er­gän­zen­den Be­gut­ach­tung folgt nicht schon dar­aus, dass ein Be­tei­lig­ter die amt­li­che Aus­kunft als Er­kennt­nis­quel­le für un­zu­rei­chend hält (stRspr, vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 29. Fe­bru­ar 2012 - 7 C 8.11 - Buch­holz 419.01 § 26 GenTG Nr. 1 Rn. 37 und Be­schluss vom 28. Ju­li 2022 - 7 B 15.21 - ju­ris Rn. 26 m. w. N.).

140 Der er­ken­nen­de Se­nat hat nach ent­spre­chen­den Hin­wei­sen ver­schie­de­ne amt­li­che Fach­in­for­ma­tio­nen, ins­be­son­de­re die wö­chent­li­chen La­ge­be­rich­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts, be­weis­recht­lich als sach­ver­stän­di­ge Aus­künf­te her­an­ge­zo­gen. Die wis­sen­schaft­li­che Über­zeu­gungs­kraft die­ser amt­li­chen Aus­künf­te konn­te - wie im Fol­gen­den nä­her aus­ge­führt wird - durch den An­trag­stel­ler und die in sei­nem Na­men auf­tre­ten­den Par­tei­sach­ver­stän­di­gen nicht er­schüt­tert wer­den. Der Se­nat hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung zur Er­läu­te­rung der amt­li­chen Fach­in­for­ma­tio­nen und zur Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Sach­vor­trag des An­trag­stel­lers meh­re­re Fach­leu­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts als Sach­ver­stän­di­ge an­ge­hört, die er­gän­zen­de Fra­gen be­ant­wor­ten und Un­klar­hei­ten aus­räu­men konn­ten.

141 bb) Aus den vom An­trag­stel­ler ge­for­der­ten und vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung mit Schrift­satz vom 11. Mai 2022 vor­ge­leg­ten ei­ge­nen Da­ten der Bun­des­wehr zu Impf­kom­pli­ka­tio­nen er­ge­ben sich kei­ne Be­fun­de, die die Aus­sa­ge­kraft und Ver­wert­bar­keit der Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts als sach­ver­stän­di­ge amt­li­che Aus­kunft in Fra­ge stel­len wür­den.

142 Die Ärz­te des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr sind in glei­cher Wei­se wie zi­vi­le Ärz­te ver­pflich­tet, den Ver­dacht ei­ner über das üb­li­che Aus­maß ei­ner Impf­re­ak­ti­on hin­aus­ge­hen­den ge­sund­heit­li­chen Schä­di­gung (Impf­kom­pli­ka­ti­on) an das Ge­sund­heits­amt zu mel­den (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG), das sei­ner­seits die Mel­dung in pseud­ony­mi­sier­ter Form über die zu­stän­di­ge Lan­des­be­hör­de an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut über­mit­telt (§ 11 Abs. 4 IfSG). Die auf die­sem Weg ge­mel­de­ten Fäl­le wer­den zu­gleich vom Kom­man­do Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr er­fasst. Da­nach er­ga­ben sich seit Be­ginn der Imp­fun­gen bei der Bun­des­wehr (Ja­nu­ar 2021) bis zum 5. Mai 2022 (ca. 480 000 Imp­fun­gen) auf dem Mel­de­weg der Bun­des­wehr 54 Ver­dachts­fäl­le, die sich auf al­le ein­ge­setz­ten Impf­stof­fe (phar­ma­zeu­ti­sche Un­ter­neh­mer: As­tra­Ze­ne­ca/BioNTech/John­son & John­son/Mo­der­na) ver­tei­len. Als Impf­kom­pli­ka­tio­nen ge­nannt sind grip­pa­le Sym­pto­me/Kopf­schmerz/Lympha­de­no­pa­thie (18 Mel­dun­gen, 8/4/-/6), Haut­re­ak­tio­nen (10 Mel­dun­gen, -/2/-/8), ana­phy­lak­ti­sche Re­ak­tio­nen (4 Mel­dun­gen, -/1/1/2), Myo­kar­di­tis (5 Mel­dun­gen, 1/2/-/2), Myo­kar­di­tis mit Be­gleit­pe­ri­kar­di­tis (3 Mel­dun­gen, -/3/-/-), Throm­bo­sen (5 Mel­dun­gen, 3/-/-/2) so­wie 1 Mel­dung ei­nes To­des­falls mit un­be­kann­ter Kau­sa­li­tät (Mo­der­na); 8 wei­te­re Mel­dun­gen be­tref­fen ver­schie­de­ne ge­ring­fü­gi­ge­re Be­schwer­den. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat fer­ner aus­ge­führt, dass sämt­li­che Si­cher­heits­hin­wei­se des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts um­ge­setzt wür­den, wie zum Bei­spiel der Stopp des Ein­sat­zes von Vek­torimpf­stof­fen und des mRNA-Impf­stoffs Spik­e­vax bei jün­ge­ren Al­ters­grup­pen, nach­dem dort hö­he­re Kom­pli­ka­ti­ons­ra­ten be­kannt ge­wor­den sei­en.

143 Zu dem Ver­dachts­fall ei­nes To­des­falls hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­läu­tert, dass bei dem "deut­lich über 50-jäh­ri­gen" Sol­da­ten ei­ne Vor­er­kran­kung vor­ge­le­gen ha­be und im zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der Imp­fung ein Vor­hof­flim­mern ent­stan­den sei. So­weit der An­trag­stel­ler be­an­stan­det, dass ei­ne Ob­duk­ti­on nicht statt­ge­fun­den ha­be, konn­te nicht ge­klärt wer­den, ob ei­ne sol­che recht­lich wie tat­säch­lich über­haupt in Be­tracht kam. Un­ab­hän­gig da­von ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Sa­ni­täts­dienst der Bun­des­wehr in­so­weit über kei­ne an­de­ren oder wei­ter­ge­hen­den Ein­griffs­rech­te und Un­ter­su­chungs­mög­lich­kei­ten ver­fügt als sie im zi­vi­len Be­reich be­stehen.

144 Ins­ge­samt er­ge­ben sich aus den mit­ge­teil­ten Da­ten kei­ne nach Quan­ti­tät oder Qua­li­tät we­sent­li­chen Ab­wei­chun­gen von den all­ge­mei­nen Mel­de­ra­ten, wie sie in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zur Er­mitt­lung von Ri­si­ko­si­gna­len aus­ge­wer­tet wer­den (sie­he zu­letzt den 18. Si­cher­heits­be­richt vom 4. Mai 2022, S. 3 ff.). Auch der Ein­wand, Sol­da­ten wür­den Impf­kom­pli­ka­tio­nen häu­fig nicht oder nur zu­rück­hal­tend mel­den, ist nicht plau­si­bel. Die Mög­lich­keit, we­gen ei­ner Wehr­dienst­be­schä­di­gung An­sprü­che nach dem Sol­da­ten­ver­sor­gungs- und dem Bun­des­ver­sor­gungs­ge­setz gel­tend zu ma­chen, ist all­ge­mein, na­ment­lich im Zu­sam­men­hang mit den Aus­lands­ein­sät­zen der Bun­des­wehr, be­kannt. Impf­schä­den kön­nen nicht nur Ver­sor­gungs­an­sprü­che nach dem In­fek­ti­ons­schutz­recht (hier ins­be­son­de­re § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG), son­dern als Wehr­dienst­be­schä­di­gung im Sin­ne von § 81 Abs. 1 SVG auch - zum Teil wei­ter­ge­hen­de - dienst­recht­li­che Ver­sor­gungs­an­sprü­che aus­lö­sen (vgl. z. B. LSG Stutt­gart, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2021 - L 6 VS 2595/20 - ju­ris Rn. 50 m. w. N.). Es ist fern­lie­gend, an­zu­neh­men, dass Sol­da­ten auf sol­che An­sprü­che ver­zich­ten woll­ten und die an­spruchs­wah­ren­de Mel­dung von Impf­kom­pli­ka­tio­nen un­ter­lie­ßen.

145 b) Im Hin­blick auf die über­ein­stim­men­de Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts konn­te der Dienst­herr - wie aus­ge­führt - im No­vem­ber 2021 da­von aus­ge­hen, dass von dem SARS-CoV-2-Vi­rus ei­ne kon­kre­te Ge­fahr für die Ge­sund­heit der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten und da­mit für die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr aus­ging, weil in vie­len Fäl­len das mensch­li­che Im­mun­sys­tem al­lei­ne zur Ab­wehr nicht aus­reich­te (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­sches Bul­le­tin 48/2021 vom 29. No­vem­ber 2021, S. 15 f.). Die­se un­ter der Do­mi­nanz der Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus ge­trof­fe­ne Ein­schät­zung wird von den bei­den Fach­be­hör­den - wie aus­ge­führt - auch im Zeit­punkt der Ge­richts­ent­schei­dung auf­recht­erhal­ten. Dass der­zeit die ganz über­wie­gen­de Mehr­zahl der In­fek­tio­nen ei­nen mil­den Ver­lauf nimmt, kann nicht - wie der An­trag­stel­ler ver­mu­tet - dar­auf zu­rück­ge­führt wer­den, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te des Co­ro­na­vi­rus an sich be­reits un­ge­fähr­lich sei. Denn mitt­ler­wei­le ist nach dem ak­tu­el­len Wo­chen­be­richt des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts et­wa drei Vier­tel der deut­schen Be­völ­ke­rung (76,2 %) zwei­fach und mehr als die Hälf­te (61,6 %) so­gar drei­fach ge­impft. In der für die Bun­des­wehr be­son­ders re­le­van­ten Al­ters­grup­pe der 18- bis 59-Jäh­ri­gen sind et­wa vier Fünf­tel ge­impft und ca. 16 % un­ge­impft (RKI, Wö­chent­li­cher La­ge­be­richt zu Co­vid-19 vom 30. Ju­ni 2022, S. 20). Hin­zu kommt, dass ei­ne zah­len­mä­ßig nicht klar er­fass­te Be­völ­ke­rungs­grup­pe ge­ne­sen ist. Das Vi­rus trifft al­so in vie­len Fäl­len auf Per­so­nen mit ei­ner un­ter­schied­lich ho­hen An­zahl von An­ti­kör­pern, die be­reits bei der In­fek­ti­on vor­han­den sind und die Im­mun­ab­wehr stär­ken. Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass die Omi­kron-Va­ri­an­te des Vi­rus kei­ne schwe­ren Ver­läu­fe ver­ur­sacht, wenn sie auf Per­so­nen trifft, de­ren Im­mun­ab­wehr un­vor­be­rei­tet oder aus an­de­ren Grün­den ge­schwächt ist (vgl. RKI, Ri­si­ko­be­wer­tung zu Co­vid-19 vom 29. Ju­ni 2022).

146 aa) Die Rich­tig­keit die­ser Ge­fah­ren­pro­gno­se konn­te ins­be­son­de­re nicht durch den vom An­trag­stel­ler als Par­tei­sach­ver­stän­di­gen bei­ge­zo­ge­nen Prof. Dr. med. Sucha­rit Bhak­di er­schüt­tert wer­den. Die­ser bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung als In­sti­tuts­lei­ter an der Uni­ver­si­tät Mainz tä­ti­ge Mi­kro­bio­lo­ge und Me­di­zi­ner hat zwar in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­führt, dass das Vi­rus auf­grund sei­ner Ver­wandt­schaft zu all­täg­li­chen Co­ro­na­vi­ren vom Im­mun­sys­tem Un­ge­impf­ter pro­blem­los er­kannt wer­de. Ge­ra­de jun­ge Men­schen hät­ten ei­ne Hin­ter­grun­d­im­mu­ni­tät, die ei­ne ernst­li­che Er­kran­kung ver­hin­de­re, so­dass ei­ne Imp­fung nicht not­wen­dig sei.

147 Die­se The­se vom Aus­rei­chen der kör­per­ei­ge­nen Im­mun­ab­wehr ver­mag je­doch nicht zu über­zeu­gen. Sie gilt oh­ne­dies nur für jun­ge Men­schen und nicht für äl­te­re oder im­mun­ge­schwäch­te Per­so­nen. Wie be­reits aus­ge­führt fin­den sich in der Bun­des­wehr aber nicht nur jun­ge, son­dern auch äl­te­re Sol­da­ten. Ei­ni­ge ge­hö­ren auf­grund von Vor­er­kran­kun­gen oder an­de­ren Ri­si­ko­fak­to­ren zu den so­ge­nann­ten vul­ne­r­a­blen Grup­pen. Zu­dem ist die The­se vom Aus­rei­chen der vor­han­de­nen Hin­ter­grun­d­im­mu­ni­tät auch für jun­ge Men­schen nicht be­wie­sen. Ober­st­arzt Prof. Dr. med. Ro­man Wöl­fel, Lei­ter des In­sti­tuts für Mi­kro­bio­lo­gie der Bun­des­wehr, hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 11. Mai 2022 über­zeu­gend dar­ge­legt, dass die von Prof. Dr. Bhak­di für sei­ne Be­haup­tung her­an­ge­zo­ge­ne Stu­die (Kil­lingley et al., Na­tu­re Me­di­ci­ne, 2021) sei­ne Ein­schät­zung nicht stützt. Denn in der Stu­die wer­den kei­ne Mess­wer­te zur vor­han­de­nen Hin­ter­grun­d­im­mu­ni­tät jun­ger Men­schen er­ho­ben oder aus­ge­wer­tet.

148 Eben­so we­nig konn­te Prof. Dr. Bhak­di sei­ne Ein­schät­zung be­le­gen, dass bei ei­ner Co­vid-19-Er­kran­kung schwe­re Krank­heits­fol­gen nur durch Be­hand­lungs­feh­ler, ins­be­son­de­re ei­ne zu frü­he oder un­nö­ti­ge künst­li­che Be­at­mung, ver­ur­sacht wer­den. Es ist we­der dar­ge­legt noch er­sicht­lich, dass der nicht selbst ku­ra­tiv tä­ti­ge Prof. Dr. Bhak­di die­se Ein­schät­zung auf ei­ne wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards ge­nü­gen­de Da­ten­er­he­bung stüt­zen kann.

149 bb) Auch die vom An­trag­stel­ler bei­ge­zo­ge­ne Par­tei­sach­ver­stän­di­ge Dr. med. vet. Su­san­ne Wag­ner konn­te die The­se von der re­la­ti­ven Un­ge­fähr­lich­keit des SARS-CoV-2-Vi­rus nicht über­zeu­gend be­le­gen. Sie hat selbst ein­ge­räumt we­der über ei­ne hu­man­me­di­zi­ni­sche Aus­bil­dung noch über ei­ne spe­zi­el­le vi­ro­lo­gi­sche Ex­per­ti­se zu ver­fü­gen. Sie wer­te al­ler­dings die Wo­chen­be­rich­te des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts aus. Ih­re An­nah­me, dass im All­ge­mei­nen nur Men­schen mit Über­ge­wicht oder Angst an Co­vid-19 er­krank­ten, ent­spricht je­doch we­der der Be­schrei­bung vul­ne­ra­bler Grup­pen durch das Ro­bert-Koch-In­sti­tut noch dem brei­ten fach­wis­sen­schaft­li­chen Kon­sens.

150 cc) Schlie­ß­lich konn­te der An­trag­stel­ler den Se­nat auch nicht von sei­ner The­se über­zeu­gen, die Ge­fähr­lich­keit und Ver­brei­tung des SARS-CoV-2-Vi­rus wer­de auf­grund der An­wen­dung nicht aus­sa­ge­fä­hi­ger An­ti­gen- und PCR-Tests völ­lig über­schätzt, so­dass in Wahr­heit kei­ne Co­ro­na-Pan­de­mie, son­dern ei­ne Test­pan­de­mie vor­lä­ge. Die hier­zu vor­ge­leg­ten Gut­ach­ten von Frau Prof. Dr. rer. hum. bi­ol. Ul­ri­ke Käm­me­rer so­wie ih­re Aus­füh­run­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 zei­gen zwar ei­ni­ge Schwä­chen der An­ti­gen- und PCR-Testung auf. Ins­be­son­de­re wei­sen An­ti­gen- und PCR-Tests un­ter­schied­lich ho­he Mess­un­ge­nau­ig­kei­ten auf. Fer­ner be­le­gen PCR-Tests un­mit­tel­bar nur das Vor­han­den­sein des ab­ge­tö­te­ten Vi­rus in den ent­nom­me­nen Pro­ben, nicht die In­fek­tio­si­tät des Pro­ban­den. Hier­zu hat Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung aber zu­tref­fend er­wi­dert, dass in den PCR-Tests zwar rich­ti­ger­wei­se nur für SARS-CoV-2 ty­pi­sche Nu­kleo­tid­se­quen­zen nach­ge­wie­sen wer­den. Je­doch sei bei ei­ner be­stimm­ten Hö­he der nach­ge­wie­se­nen Vi­rus­last ei­ne Aus­sa­ge über ei­ne In­fek­tio­si­tät der Per­son mög­lich.

151 Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat zu­dem im Schrift­satz vom 20. Mai 2022 auf­ge­zeigt, dass das von Dr. Vic­tor Cor­man und Prof. Dr. Chris­ti­an Dros­ten ent­wi­ckel­te PCR-Nach­weis­ver­fah­ren seit sei­ner Ent­wick­lung, wie im wis­sen­schaft­li­chen Pro­zess üb­lich, auf sei­ne Eig­nung als Dia­gnos­tik­ver­fah­ren mehr­fach un­ab­hän­gig durch em­pi­ri­sche Stu­di­en über­prüft wor­den ist. Da­bei sind die me­tho­di­schen Be­schrän­kun­gen und die grund­sätz­li­che Ro­bust­heit die­ses PCR-Tests für den Nach­weis von SARS-CoV-2 nach­ge­wie­sen wor­den. So­weit Frau Prof. Dr. Käm­me­rer, die selbst nicht auf dem Ge­biet der Vi­ro­lo­gie forscht, dies in Fra­ge stellt, be­ru­hen ih­re Ein­wän­de nicht auf ei­ge­nen em­pi­ri­schen Stu­di­en, son­dern auf ei­ner se­lek­ti­ven Aus­wer­tung der ein­schlä­gi­gen me­di­zi­ni­schen Li­te­ra­tur.

152 Aus die­sen Grün­den folgt der Se­nat der Ein­schät­zung von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel, dass Frau Prof. Dr. Käm­me­rer aus ih­ren rich­ti­gen Grund­an­nah­men un­zu­tref­fen­de Schlüs­se zieht. Es leuch­tet ein, dass der Nach­weis ei­ner er­heb­li­chen Kon­zen­tra­ti­on an für SARS-CoV-2 ty­pi­schen Nu­kleo­tid­se­quen­zen ein In­di­ka­tor für die Wirk­sam­keit des Vi­rus in ei­nem Or­ga­nis­mus ist. Zur kor­rek­ten Quan­ti­fi­zie­rung der in Re­de ste­hen­den Kon­zen­tra­ti­on sind für die Test­la­bo­re ein­heit­li­che Stan­dards ent­wi­ckelt wor­den, bei de­nen der so­ge­nann­te Ct-Wert ei­ne er­heb­li­che Rol­le spielt. Wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­läu­tert hat, ar­bei­ten ak­kre­di­tier­te La­bo­re nach ein­heit­li­chen Qua­li­täts­stan­dards, de­ren Ein­hal­tung über­wacht wird. Dass es in Ein­zel­fäl­len zu An­wen­dungs­feh­lern kom­men mag, dis­kre­di­tiert nicht das dia­gnos­ti­sche Sys­tem als sol­ches. Auch Frau Prof. Dr. Käm­me­rer konn­te kei­ne plau­si­blen An­halts­punk­te da­für auf­zei­gen, dass in ei­ner er­heb­li­chen Zahl von Fäl­len PCR-Tests feh­ler­haft durch­ge­führt wer­den, so­dass die aus ih­nen er­mit­tel­ten In­fi­zier­ten­zah­len er­geb­nis­re­le­vant deut­lich über­höht wä­ren.

153 Dass die durch PCR-Tests er­mit­tel­ten Gen­se­quen­zen für SARS-CoV-2 nicht hin­rei­chend spe­zi­fisch wä­ren, wird durch Frau Prof. Dr. Käm­me­rer eben­falls nicht wis­sen­schaft­lich fun­diert auf­ge­zeigt. Aus die­sem Grund ist ih­re Fol­ge­rung, in die Zahl der SARS-CoV-2-In­fi­zier­ten wür­de ein­flie­ßen, was vor dem Auf­tre­ten von SARS-CoV-2 als Er­käl­tung oder In­flu­en­za er­fasst wor­den wä­re, nicht plau­si­bel. Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Se­nat kei­ne Zwei­fel, dass die in Deutsch­land durch­ge­führ­ten PCR-Tests, de­ren Er­geb­nis­se in die Ein­schät­zun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts zur Ge­fah­ren­la­ge und zur Wirk­sam­keit der Impf­stof­fe ein­flie­ßen, ge­eig­net sind, ver­läss­li­che In­di­ka­to­ren für In­fek­tio­nen mit SARS-CoV-2 zu lie­fern. Sie bil­den - wie vom Ro­bert-Koch-In­sti­tut an­ge­nom­men - den "Gold­stan­dard für den Nach­weis von SARS-CoV-2". Dass han­dels­üb­li­che An­ti­gen-Schnell­tests we­ni­ger ver­läss­li­che Er­geb­nis­se lie­fern, ist un­strit­tig, aber auch un­er­heb­lich, weil die Ein­schät­zun­gen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts ma­ß­geb­lich auf den durch PCR-Tests er­mit­tel­ten Wer­ten be­ru­hen.

154 c) Fer­ner konn­ten die Ein­wen­dun­gen des An­trag­stel­lers und der von ihm bei­ge­zo­ge­nen Par­tei­sach­ver­stän­di­gen zur Un­wirk­sam­keit und Ge­fähr­lich­keit der mRNA-Impf­stof­fe nicht über­zeu­gen.

155 aa) Ins­be­son­de­re konn­te Prof. Dr. Bhak­di in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Mai 2022 sei­ne The­se, die mRNA-Impf­stof­fe hät­ten nie zum Schutz ge­gen ei­ne In­fek­ti­on bei­ge­tra­gen, nicht wis­sen­schaft­lich fun­diert be­le­gen. Er hat nie selbst ir­gend­wel­che Stu­di­en über das SARS-CoV-2-Vi­rus oder die Wirk­sam­keit von Co­vid-19-Impf­stof­fen durch­ge­führt und auch in sei­ner mehr als ein Jahr­zehnt zu­rück­lie­gen­den ak­ti­ven Dienst­zeit nicht über Co­ro­na­vi­ren ge­forscht. Zum Nach­weis sei­ner The­se hat er dem Se­nat zwar ein Bün­del von rund ei­nem Dut­zend Text­aus­zü­gen und Ab­dru­cken aus fach­wis­sen­schaft­li­chen Auf­sät­zen über­ge­ben, in de­nen er meist ein­zel­ne Sät­ze oder Ab­schnit­te mar­kiert hat. Al­ler­dings ver­tritt kei­ne die­ser Pu­bli­ka­tio­nen Prof. Dr. Bhak­dis The­se von der voll­stän­di­gen Un­wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe. Sei­ne sehr se­lek­ti­ve Textex­ege­se die­ser Pu­bli­ka­tio­nen kann je­doch ei­nen em­pi­ri­schen Nach­weis für die be­haup­te­te Un­wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe nicht er­set­zen.

156 Das Vor­brin­gen von Prof. Dr. Bhak­di ist schon aus die­sem Grund nicht ge­eig­net, die sach­ver­stän­di­ge Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts und der herr­schen­den fach­wis­sen­schaft­li­chen Mei­nung zur Wirk­sam­keit der mRNA-Impf­stof­fe zu er­schüt­tern. So­weit Prof. Dr. Bhak­di auf me­tho­di­sche Feh­ler ei­ner an ei­ner Zu­las­sungs­stu­die be­tei­lig­ten For­schungs­ein­rich­tung (Ven­ta­via Re­se­arch Group) ver­weist, ist durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung mit Schrift­satz vom 11. Mai 2022 nach­voll­zieh­bar er­läu­tert wor­den, dass die durch In­ves­ti­ga­ti­vjour­na­lis­ten er­ho­be­nen Ein­wän­de nur ei­nen klei­ne­ren Teil der Pro­ban­den be­tref­fen und da­her kei­nen Ein­fluss auf die Er­geb­nis­se der Ge­samt­stu­di­en ha­ben. Prof. Dr. Bhak­di konn­te den Se­nat auch nicht da­von über­zeu­gen, dass die ver­wen­de­ten Impf­stof­fe kei­ne Ver­bes­se­rung der Im­mun­ant­wort auf das SARS-CoV-2-Vi­rus be­wir­ken. Dies ist we­der durch sei­ne Be­haup­tung, die Schutz­imp­fun­gen wür­den nicht zur Bil­dung von Schleim­haut-An­ti­kör­pern füh­ren, dar­ge­tan, noch ist nach­ge­wie­sen, dass die Über­tra­gung von SARS-CoV-2 un­ter Ge­impf­ten nicht er­heb­lich ge­rin­ger oder so­gar hö­her ist als un­ter Un­ge­impf­ten. Prof. Dr. Bhak­di be­zieht sich zum Be­leg sei­ner Ein­schät­zung auf Ver­öf­fent­li­chun­gen, die nach den nach­voll­zieh­ba­ren und schlüs­si­gen Er­läu­te­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz vom 11. Mai 2022 die Be­haup­tun­gen stüt­zen­de Da­ten gar nicht ent­hal­ten bzw. Prof. Dr. Bhak­dis Schluss­fol­ge­run­gen nicht tra­gen.

157 bb) So­weit der An­trag­stel­ler be­fürch­tet, die mRNA-Impf­stof­fe führ­ten zu ei­ner Ver­än­de­rung der mensch­li­chen Ge­no­me, hat sich da­für in der münd­li­chen Ver­hand­lung eben­falls kein wis­sen­schaft­lich trag­fä­hi­ger An­halts­punkt er­ge­ben. Die Wir­kungs­wei­se von mRNA-Impf­stof­fen be­steht dar­in, dass die im Impf­stoff ent­hal­te­ne Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re (mes­sen­ger Ri­bo­nu­cleic Acid = mRNA) ei­ne ge­ne­ti­sche In­for­ma­ti­on ent­hält. Da­mit be­wegt sie die mensch­li­che Ge­we­be­zel­le, in die sie nach der Imp­fung ein­dringt, da­zu, ein be­stimm­tes Pro­te­in her­zu­stel­len, das äu­ßer­lich mit sei­ner spit­zen Form der Ei­wei­ßhül­le des SARS-CoV-2-Vi­rus ent­spricht. Die­ses so­ge­nann­te Spike­pro­te­in wird vom mensch­li­chen Im­mun­sys­tem als Fremd­ei­weiß er­kannt; in der Fol­ge bil­det das Im­mun­sys­tem An­ti­kör­per und Ab­wehr­zel­len ge­gen das Spike­pro­te­in. Ge­langt spä­ter im Rah­men ei­ner In­fek­ti­on das SARS-CoV-2-Vi­rus in ei­nem ähn­li­chen Spike­pro­te­in-Man­tel in den mensch­li­chen Kör­per, weh­ren die vor­han­de­nen An­ti­kör­per und Ab­wehr­zel­len das Vi­rus mit dem Spike­pro­te­in-Man­tel ab.

158 Nach der viel­fach be­schrie­be­nen Wir­kungs­wei­se der mRNA-Tech­no­lo­gie ge­langt die Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re nicht in den Zell­kern der Ge­we­be­zel­le und ver­än­dert das dar­in ent­hal­te­ne Erb­gut nicht. Viel­mehr wen­det sich die künst­li­che mRNA eben­so wie die kör­per­ei­ge­ne mRNA an die für die Ei­wei­ß­pro­duk­ti­on zu­stän­di­gen Tei­le der Zel­le, die Ri­bo­so­men. Dort wird die Bot­schaft der künst­li­chen mRNA ab­ge­le­sen und das Spike­pro­te­in pro­du­ziert (vgl. RKI, Home­page, FAQ, Was wis­sen wir über mRNA-Impf­stof­fe?). Im Ein­klang mit die­sen amt­li­chen Fach­in­for­ma­tio­nen führ­te der Sach­ver­stän­di­ge Dr. med. Dirk Ment­zer, Lei­ter des Re­fe­rats Phar­ma­ko­vi­gi­lanz im Paul-Ehr­lich-In­sti­tut, in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 aus, dass die in der Impf­do­sis ent­hal­te­ne mRNA nur kurz­zei­tig in der mensch­li­chen Zel­le ver­wei­le und nach kur­zer Zeit nicht mehr nach­weis­bar sei. Ein Ein­bau in das mensch­li­che Ge­nom fin­de nicht statt.

159 Das Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers, es han­de­le sich bei der Imp­fung mit ei­nem mRNA-Impf­stoff um ei­ne Gen­the­ra­pie, die das mensch­li­che Ge­nom ver­än­de­re, ist auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Aus­füh­run­gen des Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di nicht be­acht­lich wahr­schein­lich. So­weit sich Prof. Dr. Bhak­di auf ei­ne Stu­die zur Ein­brin­gung von mRNA-Impf­stof­fen in Le­ber­krebs­zel­len be­zieht (Al­den et al., Curr. Is­su­es Mol. Bi­ol., 2022), ist durch Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel im Schrift­satz vom 11. Mai 2022 über­zeu­gend ent­geg­net wor­den, dass die me­tho­di­schen Feh­ler der frag­li­chen Stu­die be­reits im fach­wis­sen­schaft­li­chen Schrift­tum auf­ge­zeigt wur­den und dass ih­re Er­geb­nis­se von an­de­ren For­schern bis­lang nicht re­pro­du­ziert wer­den konn­ten. Un­ab­hän­gig da­von be­steht ihr in wei­te­ren Stu­di­en nicht va­li­dier­tes Er­geb­nis dar­in, dass nach dem Ein­brin­gen ei­nes mRNA-Impf­stoffs in ei­ner Kul­tur von Le­ber­krebs­zel­len DNA-Frag­men­te fest­ge­stellt wur­den. Die­ses Stu­di­en­ergeb­nis trägt die Schluss­fol­ge­run­gen von Prof. Dr. Bhak­di nicht. Denn die Ar­beit lie­fert kei­nen Nach­weis da­für, dass die be­ob­ach­te­ten DNA-Frag­men­te in den Zell­kern wan­dern und in die DNA-Se­quenz in­te­griert wer­den.

160 cc) Für die wie­der­holt vor­ge­tra­ge­ne The­se des An­trag­stel­lers, die mRNA-Imp­fung be­wir­ke im mensch­li­chen Kör­per die Pro­duk­ti­on to­xi­scher Spike­pro­te­ine, feh­len eben­falls aus­rei­chen­de wis­sen­schaft­li­che Be­le­ge. Auch in die­sem Kon­text konn­ten die Fach­leu­te des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr nach­wei­sen, dass die dies­be­züg­li­chen The­sen von Prof. Dr. Bhak­di durch Da­ten der von ihm an­ge­führ­ten Stu­di­en nicht un­ter­mau­ert wer­den. So­weit Prof. Dr. Bhak­di auf Throm­bo­sen, Lun­gen­em­bo­li­en, Le­ber­ent­zün­dun­gen, Myo- oder Pe­ri­kar­di­tis als Fol­ge der in Re­de ste­hen­den Imp­fung ver­weist, zeigt er zwar zu­tref­fend mög­li­che Ri­si­ken ei­ner Imp­fung auf. Die­se sind aber - wie die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und die Er­läu­te­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Ment­zer so­wie die münd­li­chen und schrift­li­chen Er­läu­te­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel er­ga­ben - in der fach­wis­sen­schaft­li­chen Be­wer­tung der Impf­ri­si­ken als sol­che be­kannt. Dass die­se Impf­kom­pli­ka­tio­nen kau­sal auf ei­ner be­son­de­ren To­xi­zi­tät der vom Kör­per pro­du­zier­ten Spike­pro­te­ine be­ru­hen, ist da­mit nicht be­legt.

161 dd) Schlie­ß­lich hat sich im Rah­men der Be­weis­auf­nah­me auch der vom An­trag­stel­ler mehr­fach vor­ge­tra­ge­ne Ver­dacht nicht er­här­tet, die in den mRNA-Impf­stof­fen ver­wen­de­ten Na­no­li­pi­de sei­en hoch ent­zün­dungs­er­re­gend und be­son­ders ge­sund­heits­schäd­lich. Es trifft zwar zu, dass in den Impf­stof­fen "Co­mirna­ty" und "Spik­e­vax" je­weils un­ter­schied­li­che Na­no­li­pi­de als äu­ße­re Hül­le der mRNA ver­wen­det wer­den. Denn oh­ne die­se Ver­pa­ckung wür­de die sehr emp­find­li­che Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re Trans­port­schä­den er­lei­den und ih­ren in­tra­zel­lu­lä­ren Wir­kort nicht un­ver­sehrt er­rei­chen. Bei die­sen Na­no­li­pi­den han­delt es sich um Sub­stan­zen im Grö­ßen­be­reich von Mil­li­ons­tel-Mil­li­me­tern (Na­no), die aus be­stimm­ten Fet­ten (Li­pos) be­stehen. Die Na­no­li­pi­de sind kör­per­ei­ge­nen Li­pi­den sehr ähn­lich und wer­den in dem kör­per­ei­ge­nen Fett­stoff­wech­sel ab­ge­baut. Die Trans­fer­tech­no­lo­gie mit Na­no­li­pi­den fin­det schon seit über 20 Jah­ren in an­de­ren phar­ma­zeu­ti­schen Be­rei­chen An­wen­dung, oh­ne dass de­ren ge­sund­heit­li­che Ver­träg­lich­keit in Fra­ge ge­stellt wor­den wä­re (PEI, Was wis­sen wir über die Si­cher­heit der Li­pidna­no­par­ti­kel in mRNA-Impf­stof­fen? Home­page-Bei­trag vom 8. Ja­nu­ar 2021).

162 Ei­ne be­son­de­re Schäd­lich­keit der in den mRNA-Impf­stof­fen ent­hal­te­nen Na­no­li­pi­de ist bis­lang eben­falls nicht wis­sen­schaft­lich be­legt. Die von Prof. Dr. Bhak­di zum Nach­weis in die­sem Kon­text an­ge­führ­te Stu­die (Ndeu­pen et al., iSci­ence, 2021) be­legt kei­ne Fehl­ein­schät­zun­gen in der Ri­si­ko­be­wer­tung. Die Stu­die be­schäf­tigt sich mit Tier­ex­pe­ri­men­ten an Mäu­sen, de­nen mRNA-Impf­stof­fe in ho­her Kon­zen­tra­ti­on un­ter die Haut, in die Mus­keln so­wie in die Na­se und Atem­we­ge ge­spritzt wor­den sind. Die ent­zünd­li­chen Re­ak­tio­nen in der Haut und im Mus­kel­ge­we­be be­wer­te­ten die Au­to­ren als Aus­druck ei­ner be­ab­sich­tig­ten Ak­ti­vie­rung des Im­mun­sys­tems. Die In­jek­ti­on des Impf­stof­fes in die Na­sen der Tie­re er­folg­te, weil auch die Mög­lich­keit ei­ner in­tra­na­sa­len Impf­stoff­an­wen­dung un­ter­sucht wer­den soll­te. Al­ler­dings star­ben 80 % der Ver­suchs­tie­re dar­an, dass zu gro­ße Men­gen des Impf­stoffs in ih­re Lun­gen ge­rie­ten. Die Au­to­ren der Stu­die schlie­ßen dar­aus, dass bei ei­ner na­sa­len An­wen­dung des Impf­stof­fes die Op­ti­mie­rung des ver­ab­reich­ten Vo­lu­mens von we­sent­li­cher Be­deu­tung sei. Ei­ne auf ein Vier­tel ver­rin­ger­te Do­sis über­leb­ten al­le Ver­suchs­tie­re.

163 Wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel zu­tref­fend aus­ge­führt hat, be­legt die­se Stu­die ne­ben be­kann­ten Ne­ben­wir­kun­gen der mRNA-Impf­stof­fe al­len­falls die Gren­zen der Aus­sa­ge­kraft von Tier­ver­su­chen. Ei­nen Be­leg für "hoch­gif­ti­ge Ei­gen­schaf­ten der Impf­stoff-Ver­pa­ckung" lie­fert sie nicht. Das­sel­be gilt für die von den Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers wie­der­holt her­an­ge­zo­ge­ne Zu­las­sungs­stu­die an Rat­ten. Auch de­ren Haut­aus­schlä­ge und Ent­zün­dun­gen sind nach ei­ner über­do­sier­ten Ga­be des Ge­samt­impf­stoffs ent­stan­den und be­le­gen im Tier­ver­such Ne­ben­wir­kun­gen des Impf­stoffs, oh­ne dass ei­ne spe­zi­fi­sche Ur­säch­lich­keit der Na­no­li­pi­de un­ter­sucht oder be­wie­sen wor­den wä­re.

164 ee) Für die vom An­trag­stel­ler mehr­fach be­haup­te­te Ge­fahr, dass bei der Co­vid-19-Imp­fung ver­un­rei­nig­te mRNA-Impf­stoff­char­gen zum Ein­satz kä­men, ha­ben sich im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren eben­falls kei­ne An­halts­punk­te er­ge­ben. Der Se­nat ist die­ser Fra­ge un­ab­hän­gig da­von nach­ge­gan­gen, dass die Un­be­denk­lich­keit ein­zel­ner Impf­stoff­char­gen nicht Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ist. Im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren geht es nicht um die Um­set­zung der in­di­vi­du­el­len Imp­fung, son­dern die An­ord­nung der all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht für die Co­vid-19-Imp­fung. Al­ler­dings ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung des Dienst­herrn auch da­bei an­ders aus­fal­len könn­te, wenn nach der Or­ga­ni­sa­ti­on der Char­gen­prü­fung sys­tem­be­dingt und grund­sätz­lich die Ge­fahr von Ver­un­rei­ni­gun­gen und nicht zu­ge­las­se­nen Ver­än­de­run­gen be­stün­de.

165 Zu­nächst ist al­ler­dings fest­zu­stel­len, dass der An­trag­stel­ler selbst die an­ge­nom­me­ne Ge­fahr le­dig­lich mit va­gen Be­fürch­tun­gen von Ver­un­rei­ni­gun­gen, Bei­mi­schun­gen oder an­de­ren Zu­sam­men­set­zungs­ver­än­de­run­gen be­grün­det hat. Sei­ne Be­voll­mäch­tig­ten ha­ben zwar dar­auf ver­wie­sen, dass es in den USA ei­ne von Impf­skep­ti­kern be­trie­be­ne In­ter­net-Da­ten­bank mit dem Ti­tel "How bad is my batch" ge­be, in der Be­trof­fe­ne ih­re Impf­schä­den und ih­re Impf­char­ge ein­ge­tra­gen hät­ten. Dar­aus las­se sich ab­le­sen, dass we­ni­ge Char­gen der Impf­stof­fe ei­nen Gro­ß­teil der schwer­wie­gen­den Impf­ne­ben­wir­kun­gen ver­ur­sacht hät­ten. Dass die­se In­ter­net­be­rich­te sich im Rah­men ei­ner un­ab­hän­gi­gen wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­su­chung als rich­tig er­wie­sen hät­ten, ist al­ler­dings we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich. Hin­zu kommt, dass et­wai­ge Män­gel der Char­gen­prü­fung in den USA nichts über die Qua­li­tät der Char­gen­prü­fung in Eu­ro­pa und spe­zi­ell in Deutsch­land aus­sa­gen wür­den. Der An­trag­stel­ler hat auch nicht plau­si­bel ge­macht, dass es im eu­ro­päi­schen Raum be­reits zu Ver­un­rei­ni­gun­gen bei ein­zel­nen Impf­stoff­char­gen ge­kom­men wä­re; fer­ner hat er nicht nä­her kon­kre­ti­siert, nach wel­chen, nicht zu­ge­las­se­nen Bei­mi­schun­gen das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut als die für die Char­gen­kon­trol­le nach § 32 Abs. 1 i. V. m. § 77 Abs. 2 AMG zu­stän­di­ge Bun­des­be­hör­de zu­sätz­lich su­chen soll­te und wel­che po­ten­ti­el­len, nicht bloß theo­re­tisch mög­li­chen Ge­sund­heits­ri­si­ken da­mit mi­ni­miert wer­den könn­ten.

166 Der Se­nat hat sich des­sen un­ge­ach­tet durch den für die Char­gen­frei­ga­be zu­stän­di­gen Fach­ge­biets­lei­ter des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts, den Sach­ver­stän­di­gen Dr. med. Ralf Wag­ner, das Sys­tem der Char­gen­prü­fung in sei­ner prak­ti­schen Um­set­zung er­läu­tern las­sen. Da­nach führt das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut die Kon­trol­len in en­ger Ab­stim­mung mit den für die Char­gen­qua­li­tät der Her­stel­ler ver­ant­wort­li­chen sach­kun­di­gen Per­so­nen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1, §§ 15, 19 AMG) durch. Es prüft nicht nur die von den sach­kun­di­gen Per­so­nen durch­ge­führ­ten Qua­li­täts­un­ter­su­chun­gen und vor­ge­leg­ten Gut­ach­ten, son­dern führt selbst bei je­der Char­ge die Ana­ly­se ei­ner Impf­stoff­pro­be durch. Da­zu ge­hört die ein­lei­ten­de Sicht­kon­trol­le auf Ver­fär­bun­gen. Wich­ti­ger sind al­ler­dings die nach ei­nem stan­dar­di­sier­ten Ab­lauf­plan durch­ge­führ­ten La­bor­kon­trol­len. Es wird ins­be­son­de­re un­ter­sucht, ob in der Pro­be ei­ne den Zu­las­sungs­un­ter­la­gen ent­spre­chen­de Men­ge an Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­ren vor­han­den ist und ob sie die vor­ge­se­he­ne Kon­sis­tenz und Län­ge ha­ben. Der Sach­ver­stän­di­ge hat er­läu­tert, dass dies für die Wir­kungs­wei­se der Imp­fung be­son­ders be­deut­sam ist. Bei den mRNA-Impf­stof­fen hand­le es sich im Hin­blick auf Ver­un­rei­ni­gun­gen um ver­gleichs­wei­se un­kri­ti­sche Prä­pa­ra­te, weil au­ßer der mRNA und der sie um­ge­ben­den Na­no­li­pi­de nur kla­re Flüs­sig­keit ent­hal­ten sei.

167 Auch die Be­fra­gung des zu­stän­di­gen Fach­ge­biets­lei­ters Dr. Wag­ner durch die vom An­trag­stel­ler hin­zu­ge­zo­ge­nen Par­tei­sach­ver­stän­di­gen hat nicht zu ei­ner Sub­stan­ti­ie­rung und Kon­kre­ti­sie­rung der va­gen Be­fürch­tun­gen des An­trag­stel­lers oder zum Nach­weis ei­ner Kon­troll­lü­cke ge­führt. Un­er­heb­lich ist, dass nach de­ren Ein­schät­zung ein an­de­rer Ab­lauf der Prü­fung ef­fek­ti­ver oder zu­sätz­li­che Tests mög­lich wä­ren. Denn es geht im vor­lie­gen­den Fall nicht um die Fra­ge, wel­che Maß­nah­men zur Op­ti­mie­rung der Char­gen­kon­trol­len mög­lich sind, son­dern ob das be­stehen­de Kon­troll­ni­veau aus­reicht, um mit ho­her Wahr­schein­lich­keit die Ge­fahr ei­ner Ge­sund­heits­schä­di­gung durch ver­un­rei­nig­te oder sonst man­gel­haft pro­du­zier­te Impf­stof­fe zu ver­hin­dern. Der Se­nat ist auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­den­ken des An­trag­stel­lers da­von über­zeugt, dass die Char­gen­prü­fung, so wie sie nach Ma­ß­ga­be gel­ten­den Rechts von den zu­stän­di­gen Prüf­ein­rich­tun­gen re­gel­mä­ßig ge­hand­habt wird, ge­eig­net ist, ei­ne kon­stant glei­che, ver­un­rei­ni­gungs­freie Zu­sam­men­set­zung der Impf­stof­fe mit sehr ho­her Wahr­schein­lich­keit zu ge­währ­leis­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund ist nicht zu be­an­stan­den, dass der Dienst­herr die Ver­wen­dung von Impf­stof­fen vor­sieht, die die­se Kon­troll­me­cha­nis­men be­an­stan­dungs­frei pas­siert ha­ben.

168 d) Schlie­ß­lich ist es dem An­trag­stel­ler auch nicht ge­lun­gen, die Aus­sa­ge­kraft des Si­cher­heits­be­richts des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts als sach­ver­stän­di­ge amt­li­che Aus­kunft über un­er­wünsch­te Impf­ne­ben­wir­kun­gen durch den Ver­weis auf an­de­re Er­kennt­nis­quel­len oder die an­der­wei­ti­ge Ein­schät­zung von Ex­per­ten zu er­schüt­tern.

169 aa) In dem zur ge­mein­sa­men Ver­hand­lung ver­bun­de­nen Ver­fah­ren sind dem Ge­richt zahl­rei­che Ein­zel­be­rich­te von Impf­ne­ben­wir­kun­gen, Re­por­ta­gen, Pres­se­be­rich­te, Stel­lung­nah­men impf­kri­ti­scher Ärz­te und An­wäl­te, deutsch- und fremd­spra­chi­ge In­ter­net-Links so­wie das Sach­buch ei­ner An­wäl­tin zum Nach­weis ei­ner we­sent­lich hö­he­ren Quo­te an Impf­kom­pli­ka­tio­nen und impf­be­ding­ten To­des­fäl­len vor­ge­legt wor­den. Es wur­de fer­ner an­ge­regt, ein­zel­ne impf­ge­schä­dig­te Sol­da­ten an­zu­hö­ren, und be­an­tragt, ei­ne ame­ri­ka­ni­sche Ärz­tin und ei­nen ame­ri­ka­ni­schen Rechts­an­walt zu Impf­schä­den in den Streit­kräf­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten als Zeu­gen zu ver­neh­men. Die­ses Vor­brin­gen war je­doch nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Auf­ga­be die­ses Ge­richts­ver­fah­rens ist es nicht, Ein­zel­fäl­len oder Mei­nun­gen von Blog­gern, Jour­na­lis­ten und Sach­buch­au­to­ren nach­zu­ge­hen oder be­haup­te­te Impf­ne­ben­wir­kun­gen im Aus­land zu er­for­schen. Der Se­nat hat dies in ver­schie­de­nen recht­li­chen Hin­wei­sen wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung und in den Be­weis­be­schlüs­sen vom 1., 8., 16. und 28. Ju­ni 2022 deut­lich ge­macht, so­dass hier­auf noch ein­mal ver­wie­sen wer­den kann.

170 Un­ter­su­chungs­ge­gen­stand die­ses Ver­fah­rens ist viel­mehr die Fra­ge, in wel­chem sta­tis­ti­schen Um­fang der Dienst­herr bei Ein­füh­rung und Bei­be­hal­tung der Dul­dungs­pflicht für Co­vid-19-Imp­fun­gen mit un­er­wünsch­ten Ne­ben­wir­kun­gen der zu­ge­las­se­nen und ins­be­son­de­re der von ihm ver­wen­de­ten Impf­stof­fe rech­nen muss­te. Ma­ß­geb­lich sind da­bei die bei der Ent­schei­dung des Dienst­herrn vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se. Die in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ver­öf­fent­lich­ten Zah­len sind nach wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den er­mit­telt wor­den und konn­ten als amt­li­che Aus­kunft über die­se Fra­ge vom Dienst­herrn ver­wer­tet und in das ge­richt­li­che Ver­fah­ren ein­ge­führt wer­den. De­ren sta­tis­ti­sche Rich­tig­keit wird durch Ein­zel­fall­be­rich­te und nicht-wis­sen­schaft­li­che Mei­nungs­äu­ße­run­gen nicht er­schüt­tert. Auch so­weit der An­trag­stel­ler wie­der­holt aus ei­nem Schrei­ben der Fa. BioNTech zi­tiert hat, in dem das Un­ter­neh­men aus An­lass sei­nes Bör­sen­gangs die Ka­pi­tal­an­le­ger auf di­ver­se denk­ba­re Ri­si­ken im Be­reich der Impf­stoff­her­stel­lung hin­ge­wie­sen hat, folgt dar­aus nichts für die tat­säch­li­chen Ri­si­ken der da­nach mit Hil­fe der Ka­pi­tal­er­hö­hung kon­kret pro­du­zier­ten mRNA-Impf­stof­fe. Es sind auch kei­ne nach­voll­zieh­ba­ren An­halts­punk­te da­für vor­ge­tra­gen wor­den, dass Wirk­stoff­be­stand­tei­le des Impf­stoffs von Ge­impf­ten an Un­ge­impf­te über­tra­gen wer­den kön­nen.

171 bb) Kei­nen Er­kennt­nis­ge­winn ver­mit­teln auch die Hin­wei­se des An­trag­stel­lers auf noch lau­fen­de wis­sen­schaft­li­che For­schun­gen von Prof. Dr. Schirma­cher (Hei­del­berg) und Prof. Dr. Mat­thes (Ber­lin). In ver­schie­de­nen Me­di­en ist zwar dar­über spe­ku­liert wor­den, dass die­se Stu­di­en Nach­wei­se für ei­ne hö­he­re Dun­kel­zif­fer an Impf­t­o­ten oder für ein we­sent­lich hö­he­res Ni­veau an un­er­wünsch­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen er­ge­ben könn­ten. Dem kann im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren je­doch nicht nach­ge­gan­gen wer­den, weil nicht ab­ge­schlos­se­ne wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en - wie der Se­nat im Be­weis­be­schluss vom 8. Ju­ni 2022 deut­lich ge­macht hat - nicht zum ak­tu­el­len Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se ge­hö­ren. Es bleibt ab­zu­war­ten, wel­che Er­geb­nis­se die­se wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en im Ein­zel­nen er­brin­gen und ob sie ei­ner kri­ti­schen Über­prü­fung in der Fach­wis­sen­schaft stand­hal­ten. Der Dienst­herr ist zwar bei der dau­er­haf­ten An­ord­nung ei­ner Impf­dul­dungs­pflicht ge­hal­ten, de­ren Ver­hält­nis- und Recht­mä­ßig­keit stän­dig zu über­wa­chen. Dies be­deu­tet auch, dass er sich mit dem neu­es­ten Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se über die­se Imp­fung be­fas­sen muss. Er muss und kann bei sei­ner Ent­schei­dung für die Bei­be­hal­tung ei­ner Imp­fung aber nur ver­öf­fent­lich­te und va­li­dier­te Stu­di­en zu­grun­de le­gen.

172 cc) Auch die Aus­füh­run­gen der Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di und Prof. Dr. Käm­me­rer ha­ben nicht wis­sen­schaft­lich be­le­gen kön­nen, dass die Co­vid-19-Impf­stof­fe an­de­re oder grö­ße­re Ri­si­ken mit sich brin­gen als in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und den Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on be­reits be­rück­sich­tigt. Ins­be­son­de­re hat Prof. Dr. Bhak­di - wie oben aus­ge­führt - nicht plau­si­bel dar­ge­tan, dass die in den mRNA-Impf­stof­fen als Trä­ger­sub­stan­zen ver­wen­de­ten Na­no­li­pid­par­ti­kel ge­sund­heits­schä­di­gend wä­ren, dass die im Impf­stoff ent­hal­te­ne Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­re das mensch­li­che Erb­gut ver­än­dern könn­te oder dass die vom Kör­per pro­du­zier­ten Spike­pro­te­ine to­xisch wä­ren. Das­sel­be gilt für die ent­spre­chen­den Aus­füh­run­gen von Frau Prof. Dr. Käm­me­rer in der münd­li­chen Ver­hand­lung am 7. Ju­ni 2022, die eben­falls nicht auf ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren Aus­wer­tung des For­schungs­stan­des be­ru­hen.

173 Auch im Üb­ri­gen ist der Se­nat auf der Grund­la­ge der fun­dier­ten münd­li­chen und schrift­li­chen Er­läu­te­run­gen der Ober­st­ärz­te Prof. Dr. Wöl­fel und Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel über­zeugt, dass die von Prof. Dr. Bhak­di ge­äu­ßer­ten Be­fürch­tun­gen durch Da­ten der von ihm an­ge­führ­ten Stu­di­en nicht un­ter­mau­ert wer­den. So­weit Prof. Dr. Bhak­di zur Plau­si­bi­li­sie­rung sei­ner The­sen auf das Ri­si­ko impf­be­ding­ter Throm­bo­sen, Lun­gen­em­bo­li­en, Le­ber­ent­zün­dun­gen, Myo- oder Pe­ri­kar­di­tis ver­weist, han­delt es sich um be­reits be­kann­te mög­li­che Impf­kom­pli­ka­tio­nen, de­ren Auf­tre­ten und Häu­fig­keit in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts be­reits er­fasst sind. Prof. Dr. Bhak­di konn­te nicht be­le­gen, dass die Ri­si­ken der­ar­ti­ger Impf­ne­ben­wir­kun­gen si­gni­fi­kant hö­her sind als in der amt­li­chen Ri­si­ko­be­schrei­bung des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts an­ge­ge­ben. Ei­ne sta­tis­tisch hö­he­re Re­le­vanz ein­zel­ner Impf­kom­pli­ka­tio­nen er­gibt sich ins­be­son­de­re nicht aus dem Ver­weis auf me­di­zi­ni­sche Fall­be­rich­te über Ein­zel­schick­sa­le, die nicht ins Ver­hält­nis zur Zahl der Imp­fun­gen ge­setzt wer­den.

174 Die münd­lich wie schrift­lich vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik der Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers an den Ge­gen­ar­gu­men­ten des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr ver­an­lasst den Se­nat zu kei­ner an­de­ren Ein­schät­zung. Dar­in wer­den kei­ne grund­le­gend neu­en fach­li­chen Ar­gu­men­te vor­ge­tra­gen, son­dern nur die be­kann­ten Kern­the­sen von Prof. Dr. Bhak­di um­fang­reich wie­der­holt, oh­ne dass die Rich­tig­keit der vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut in sei­nem Si­cher­heits­be­richt zur Ver­fü­gung ge­stell­ten amt­li­chen Aus­kunft durch­grei­fend er­schüt­tert wä­re. Dies er­gibt sich ins­be­son­de­re auch nicht aus dem Ver­weis auf fach­wis­sen­schaft­li­che Ein­zel­stim­men und -stu­di­en, die sich - wie Prof. Dr. Bhak­di - mit ih­rer Kri­tik an der me­di­zi­ni­schen Mehr­heits­mei­nung in der wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on nicht durch­set­zen konn­ten.

175 dd) Auch bei Wür­di­gung des münd­li­chen und schrift­li­chen Vor­tra­ges des pen­sio­nier­ten Pa­tho­lo­gen Prof. Dr. med. Ar­ne Burk­hardt ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ri­si­ko­ein­schät­zung der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts auf ver­läss­li­cher Grund­la­ge be­ru­hen. Der Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ist ins­be­son­de­re nicht des­we­gen feh­ler­haft, weil er die von Prof. Dr. Burk­hardt be­haup­te­ten Ob­duk­ti­ons­nach­wei­se von 40 wei­te­ren Impf­t­o­ten höchst­wahr­schein­lich nicht be­rück­sich­tigt. Es ist nicht zu be­an­stan­den, wenn ei­ne Fach­be­hör­de bei der ihr ob­lie­gen­den Ri­si­ko­ein­schät­zung nur sol­che mut­ma­ß­li­chen Impf­scha­dens­fäl­le er­fasst, die ihr ord­nungs­ge­mäß ge­mel­det wer­den. Prof. Dr. Burk­hardt hat aber selbst nicht aus­ge­führt, dass er die von ihm un­ter­such­ten Impf­scha­dens­fäl­le un­ter Nen­nung von Na­men, Adres­se, To­des- und Impf­zeit­punkt, Impf­char­ge etc. an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ge­mel­det und die­ser Be­hör­de da­mit die Mög­lich­keit ei­ner Nach­prü­fung er­öff­net hat. Es ist da­mit völ­lig un­klar, ob es sich um in- oder aus­län­di­sche Fäl­le han­delt und ob die An­ge­hö­ri­gen die­se Fäl­le nicht teil­wei­se be­reits dem Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ge­mel­det ha­ben.

176 Auch der Dienst­herr war nicht ver­pflich­tet, auf­grund der von Prof. Dr. Burk­hardt in Zei­tun­gen und im In­ter­net ver­brei­te­ten Er­geb­nis­se von zwei so­ge­nann­ten "Pa­tho­lo­gie-Kon­fe­ren­zen" oder auf­grund sei­ner Aus­füh­run­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung am 2. Mai 2022 von ei­ner er­heb­li­chen Dun­kel­zif­fer an Impf­t­o­ten aus­zu­ge­hen, die bei der Ri­si­ko­ein­schät­zung der ge­nann­ten In­sti­tu­tio­nen nicht be­rück­sich­tigt wä­re. Denn bei der Ri­si­ko­ein­schät­zung von Impf­stof­fen kön­nen nur Pu­bli­ka­tio­nen zu pa­tho­lo­gi­schen Be­fun­den be­rück­sich­tigt wer­den, die an­er­kann­ten fach­wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­täts­stan­dards ge­nü­gen.

177 Die The­sen und Be­fun­de von Prof. Dr. Burk­hardt sind nie ei­nem "peer-re­view" durch un­ab­hän­gi­ge Wis­sen­schaft­ler un­ter­zo­gen und auch nicht in ei­ner Form ver­öf­fent­licht wor­den, die ei­ne sol­che Kon­trol­le er­laubt. Wie er in der münd­li­chen Ver­hand­lung ein­ge­räumt hat, be­ru­hen sei­ne Er­geb­nis­se auf von ihm und ei­nem Kol­le­gen durch­ge­führ­ten Nach­un­ter­su­chun­gen von Pro­ben, die aus nicht von ih­nen selbst durch­ge­führ­ten Ob­duk­tio­nen stam­men. Da­mit sind sie - wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 11. Mai 2022 nach­voll­zieh­bar er­läu­tert hat - man­gels ei­nes Nach­wei­ses der Ein­hal­tung von Qua­li­täts­richt­li­ni­en von nur ein­ge­schränk­ter Aus­sa­ge­kraft. Hin­zu kommt, dass nach der plau­si­blen Ein­schät­zung von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel für ei­ne Be­wer­tung der dar­ge­stell­ten Be­fun­de wei­te­re In­for­ma­tio­nen - ins­be­son­de­re ei­ne er­gän­zen­de Ana­mne­se der un­ter­such­ten To­des­fäl­le und ei­ne voll­stän­di­ge Dar­stel­lung der Me­tho­dik der durch­ge­führ­ten Un­ter­su­chun­gen - er­for­der­lich wä­ren.

178 Vor die­sem Hin­ter­grund sind al­ters­ty­pi­sche Vor­er­kran­kun­gen als al­ter­na­ti­ve To­des­ur­sa­chen für die von Prof. Dr. Burk­hardt nach­un­ter­such­ten To­des­fäl­le nicht mit ei­nem hin­rei­chen­den Grad an Wahr­schein­lich­keit aus­zu­schlie­ßen. Die be­haup­te­te Kau­sa­li­tät von Imp­fung und To­des­fall ist da­mit schon für die von Prof. Dr. Burk­hardt un­ter­such­ten 40 Fäl­le nicht hin­rei­chend be­legt. Da­mit fehlt es sei­ner Be­haup­tung ei­ner ho­hen Dun­kel­zif­fer an Impf­t­o­ten an ei­ner hin­rei­chen­den Tat­sa­chen­grund­la­ge. Die me­tho­di­schen Män­gel der Be­f­und­dar­stel­lung von Prof. Dr. Burk­hardt sind auch nicht durch sei­ne nach­ge­reich­te schrift­li­che Stel­lung­nah­me und die Kri­tik des An­trag­stel­lers an den Ein­wän­den von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel aus­ge­räumt.

179 ee) Fer­ner er­bringt auch die Pres­se­ver­öf­fent­li­chung der Be­triebs­kran­ken­kas­se (BKK) Pro­Vi­ta vom 24. Fe­bru­ar 2022 kei­nen Nach­weis für we­sent­lich hö­he­re Ne­ben­wir­kun­gen. Dar­in hat­te der frü­he­re Vor­stand der BKK Pro­Vi­ta, An­dre­as Schöf­beck, er­klärt, ei­ne Ana­ly­se der ärzt­li­chen Ab­rech­nungs­da­ten durch sein Haus ha­be er­ge­ben, dass bei al­len Deut­schen Be­triebs­kran­ken­kas­sen in den ers­ten zwei­ein­halb Quar­ta­len des Jah­res 2021 in 216 695 Fäl­le Ne­ben­wir­kun­gen ei­ner Co­ro­na-Imp­fung ge­mel­det wor­den sei­en. Ei­ne Hoch­rech­nung auf das Ge­samt­jahr und auf die Be­völ­ke­rung in Deutsch­land er­ge­be, dass sich ver­mut­lich 2,5 bis 3 Mil­lio­nen Men­schen in Deutsch­land we­gen Impf­ne­ben­wir­kun­gen in ärzt­li­che Be­hand­lung be­ge­ben hät­ten, was et­wa 5 % der Ge­impf­ten ent­spre­che. Die­se Ana­ly­se ist un­ter Mit­wir­kung des in der münd­li­chen Ver­hand­lung als Par­tei­gut­ach­ter des An­trag­stel­lers er­schie­ne­nen Da­ten­ana­lys­ten Tom Lau­sen er­stellt wor­den. In ei­nem gleich­zei­tig ver­öf­fent­lich­ten of­fe­nen Brief for­der­te An­dre­as Schöf­beck das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut auf, sei­ne An­ga­ben im Si­cher­heits­be­richt für die Co­vid-19-Imp­fung von 0,3 % ge­mel­de­ter Fäl­le zu kor­ri­gie­ren.

180 Die in die­sen Pres­se­ver­öf­fent­li­chun­gen ge­mach­ten An­ga­ben sind nicht be­legt wor­den. Ins­be­son­de­re ist die Quel­le der Da­ten, die Grund­la­ge der Ana­ly­se ge­we­sen sein soll, nicht nach­voll­zieh­bar. Der BKK Dach­ver­band stell­te in ei­ner Mit­tei­lung vom 24. Fe­bru­ar 2022 klar, dass die ver­wen­de­ten Da­ten nicht von ihm stamm­ten (vgl. www.​aer​zteb​latt.​de/​nac​hric​hten/​132101). Nach Be­kannt­wer­den der Schrei­ben di­stan­zier­te sich die BKK Pro­Vi­ta von An­dre­as Schöf­beck und des­sen Ana­ly­se. In meh­re­ren Pres­se­mit­tei­lun­gen wies sie dar­auf hin, dass die Ver­öf­fent­li­chun­gen un­ab­ge­stimmt, un­ter ge­ziel­ter Um­ge­hung von Kon­troll­gre­mi­en und Fach­ab­tei­lun­gen der BKK Pro­Vi­ta er­folgt sei und nicht den ak­tu­el­len Wis­sens­stand und die Hal­tung der Kas­se wi­der­spieg­le, son­dern von der per­sön­li­chen Hal­tung des Vor­stands ge­gen die Co­ro­na-Imp­fung ge­prägt sei. Der Ver­wal­tungs­rat der BKK Pro­Vi­ta be­schloss als Kon­se­quenz am 1. März 2022 des­sen Ent­las­sung (vgl. BKK Pro­Vi­ta, Pres­se­mit­tei­lun­gen vom 1. März, 3. März und 11. April 2022).

181 Auch im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren konn­te nur fest­ge­stellt wer­den, dass die vom An­trag­stel­ler zi­tier­te Pres­se­mel­dung der BKK Pro­Vi­ta vom 24. Fe­bru­ar 2022 über we­sent­lich hö­he­re Impf­ne­ben­wir­kun­gen kei­ne ver­wert­ba­ren Er­kennt­nis­se er­bringt und dass auch die zu­grun­de­lie­gen­de Ana­ly­se man­gels trans­pa­ren­ter Da­ten­grund­la­ge und nach­voll­zieh­ba­rer Aus­wer­tung un­ge­eig­net ist, Aus­sa­gen über mel­de­pflich­ti­ge Ne­ben­wir­kun­gen der Co­vid-19-Imp­fung zu tref­fen. So­weit der An­trag­stel­ler in der münd­li­chen Ver­hand­lung den Da­ten­ana­lys­ten Tom Lau­sen als Par­tei­sach­ver­stän­di­gen bei­ge­zo­gen und die­ser un­ter Be­zug­nah­me auf die ihm zur Ver­fü­gung ste­hen­den Da­ten auch vor Ge­richt ei­ne we­sent­lich hö­he­re Quo­te an Impf­ne­ben­wir­kun­gen be­haup­tet hat, ist auch die­se Ana­ly­se letzt­lich nur ei­ne wis­sen­schaft­lich nicht be­leg­te Ein­schät­zung auf un­kla­rer und in­trans­pa­ren­ter Er­kennt­nis­grund­la­ge. Der­ar­ti­ge Da­ten­ana­ly­sen ver­mö­gen den Be­weis­wert der amt­li­chen Aus­künf­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts in sei­nen Si­cher­heits­be­rich­ten über die Zahl der ge­mel­de­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen nicht zu er­schüt­tern.

182 e) Schlie­ß­lich ver­mag auch die um­fang­rei­che Kri­tik des An­trag­stel­lers und sei­ner Par­tei­sach­ver­stän­di­gen an den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts de­ren Be­weis­wert als amt­li­che Aus­künf­te über die in Deutsch­land be­ob­ach­te­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen bei der Co­vid-19-Imp­fung nicht zu er­schüt­tern.

183 aa) So­weit der An­trag­stel­ler die Rich­tig­keit der vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut vor­ge­leg­ten Zah­len da­mit be­strit­ten hat, dass des­sen Re­prä­sen­tan­ten zu sehr mit der Phar­ma­in­dus­trie zu­sam­men­ar­bei­te­ten und dass de­ren wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen ge­gen ei­ne neu­tra­le Amts­aus­übung sprä­chen, sind die­se Be­haup­tun­gen un­sub­stan­ti­iert ge­blie­ben und nicht ge­eig­net, die Neu­tra­li­tät der In­sti­tu­ti­on in Fra­ge zu stel­len. Auch so­weit im­mer wie­der ein er­heb­li­ches "Un­der­re­por­ting" von Ne­ben­wir­kun­gen be­klagt wor­den ist, ist zu­nächst fest­zu­hal­ten, dass es kei­ne greif­ba­ren An­halts­punk­te da­für gibt, dass die beim Paul-Ehr­lich-In­sti­tut ein­ge­gan­ge­nen Mel­dun­gen nicht ord­nungs­ge­mäß er­fasst und nicht im Si­cher­heits­be­richt auf­ge­lis­tet wor­den wä­ren. Der The­se, dass die Be­trof­fe­nen und die be­han­deln­den Ärz­te zu we­nig Impf­re­ak­tio­nen und Impf­kom­pli­ka­tio­nen mel­den, hat der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer zu­ge­stimmt. Al­ler­dings gibt es für den Um­fang die­ses "Un­der­re­por­ting" der­zeit kei­ne be­last­ba­ren Zah­len. Der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­führt, nach sei­ner Ein­schät­zung ge­be es zwar ein so­ge­nann­tes "Un­der­re­por­ting" im Be­reich der we­ni­ger schwe­ren Ne­ben­wir­kun­gen der Imp­fung, nicht aber im Be­reich der schwe­ren Impf­schä­den. Die­se Ein­schät­zung ist auch über­zeu­gend. Pa­ti­en­ten und Ärz­te wer­den im Be­reich we­ni­ger schwer­wie­gen­der Impf­ne­ben­wir­kun­gen von Mel­dun­gen an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut eher ab­se­hen, wenn die Be­trof­fe­nen nach kur­zer Be­hand­lungs­dau­er wie­der ge­ne­sen sind. Hin­ge­gen be­steht bei schwe­ren und schwers­ten Impf­kom­pli­ka­tio­nen ein er­heb­li­ches In­ter­es­se an der Mel­dung. In die­sen Fäl­len sind ei­ner­seits die Ärz­te zur Mel­dung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG ver­pflich­tet und an­de­rer­seits die Be­trof­fe­nen an ei­ner Er­fas­sung als Impf­ge­schä­dig­te in­ter­es­siert. Es be­steht da­her ei­ne er­heb­li­che Wahr­schein­lich­keit, dass auch die Be­trof­fe­nen von der je­der­mann er­öff­ne­ten Mel­de­mög­lich­keit Ge­brauch ma­chen. Va­li­de Da­ten, die ein an­de­res Mel­de­ver­hal­ten der Be­tei­lig­ten be­le­gen kön­nen, hat auch der Par­tei­sach­ver­stän­di­ge Lau­sen nicht vor­ge­legt.

184 bb) Die Va­li­di­tät und Aus­sa­ge­kraft der Be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts wird nicht da­durch in­fra­ge ge­stellt, dass die Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen ih­rer Pflicht, ge­mäß § 13 Abs. 5 IfSG be­stimm­te pseud­ony­mi­sier­te Pa­ti­en­ten- und Ver­sor­gungs­da­ten an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut zu über­mit­teln, bis­her nicht nach­ge­kom­men sind.

185 Die Be­stim­mung des § 13 Abs. 5 IfSG sah ur­sprüng­lich nur ei­ne Da­ten­über­mitt­lung an das Ro­bert-Koch-In­sti­tut für Zwe­cke der Fest­stel­lung der In­an­spruch­nah­me von Schutz­imp­fun­gen und von Impf­ef­fek­ten (Impfsur­veil­lan­ce) vor (vgl. BT-Drs. 19/13452 S. 24 f.). Die­se Re­ge­lung wur­de durch das Drit­te Ge­setz zum Schutz der Be­völ­ke­rung bei ei­ner epi­de­mi­schen La­ge von na­tio­na­ler Trag­wei­te vom 18. No­vem­ber 2020 (BGBl. I S. 2397) um ei­ne ent­spre­chen­de Über­mitt­lungs­pflicht an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut für Zwe­cke der Über­wa­chung der Si­cher­heit von Impf­stof­fen (Phar­ma­ko­vi­gi­lanz) er­gänzt (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28). Aus den vom An­trag­stel­ler vor­ge­leg­ten Schrift­li­chen Fra­gen des Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Zieg­ler (Ar­beits­num­mern 3/362 und 4/212) und den Ant­wor­ten des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ge­sund­heit vom 5. April 2022 und 2. Mai 2022 hier­auf er­gibt sich, dass das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut bis da­hin kei­ne an­ony­mi­sier­ten Dia­gno­se­da­ten (ICD-Codes) ge­mäß § 13 Abs. 5 IfSG von den Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen er­hal­ten hat. Die­sen Be­fund hat auch der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer be­stä­tigt.

186 Un­ge­ach­tet die­ses De­fi­zits im Voll­zug von § 13 Abs. 5 IfSG war das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung je­doch be­rech­tigt, bei sei­ner Ein­schät­zung der Impf­ri­si­ken auf die Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zu­rück­zu­grei­fen. Ab­ge­se­hen da­von, dass dem Paul-Ehr­lich-In­sti­tut kei­ne recht­li­chen Mit­tel zur Ver­fü­gung ste­hen, um die Über­mitt­lung durch die Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen zu er­zwin­gen, hat die Be­weis­auf­nah­me nicht er­ge­ben, dass die vor­han­de­ne Da­ten­grund­la­ge völ­lig un­zu­rei­chend wä­re und dass die zu­sätz­li­che Da­ten­grund­la­ge den Er­kennt­nis­stand aus­schlag­ge­bend ver­än­dert hät­te.

187 Zum ei­nen über­schnei­det und deckt sich die Da­ten­über­mitt­lung durch die Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen nach § 13 Abs. 5 IfSG in wei­tem Um­fang mit der da­ne­ben be­stehen­den Mel­de­pflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, wo­nach der Ver­dacht ei­ner über das üb­li­che Aus­maß ei­ner Impf­re­ak­ti­on hin­aus­ge­hen­den ge­sund­heit­li­chen Schä­di­gung dem Ge­sund­heits­amt zu mel­den ist, das sei­ner­seits die Mel­dun­gen in pseud­ony­mi­sier­ter Form an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut wei­ter­lei­tet (vgl. Sangs/Ei­ben­stein, In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz, 2022, § 6 Rn. 13 ff., § 13 Rn. 19). Zum an­de­ren stützt sich die Da­ten­ge­win­nung durch das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut nicht al­lei­ne auf die We­ge des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG und § 13 Abs. 5 IfSG. Wei­te­re Ge­sund­heits­da­ten er­wirbt das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut auf der Grund­la­ge von § 75 SGB X (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 28).

188 Hin­zu kom­men, wie sich aus den Si­cher­heits­be­rich­ten er­gibt, Mel­dun­gen von Be­tei­lig­ten aus ver­schie­de­nen Ge­sund­heits­be­ru­fen und Fach­krei­sen so­wie vor al­lem die je­der­mann er­öff­ne­te Mög­lich­keit der di­rek­ten Mel­dung an das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut, auch elek­tro­nisch über das dort er­öff­ne­te Mel­de­por­tal. Auf letz­te­rer Mög­lich­keit be­ruht, wie der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer aus­ge­führt hat, ins­be­son­de­re der Gro­ß­teil der Mel­dun­gen be­son­ders gra­vie­ren­der Ver­dachts­fäl­le. Das Un­ter­blei­ben von Mel­dun­gen dürf­te sich - wie oben aus­ge­führt - aber vor­nehm­lich im Be­reich ge­ring­fü­gi­ger Impf­ne­ben­wir­kun­gen und nicht im hier vor al­lem in­ter­es­sie­ren­den Be­reich gra­vie­ren­der Ne­ben­wir­kun­gen be­we­gen. Ins­ge­samt er­ge­ben sich da­mit aus dem - gleich­wohl auf Dau­er so nicht hin­nehm­ba­ren - Voll­zugs­de­fi­zit bei der An­wen­dung von § 13 Abs. 5 IfSG kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken ge­gen die aus ver­schie­de­nen Quel­len ge­speis­ten Si­cher­heits­be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und de­ren Ver­wer­tung als sach­ver­stän­di­ge amt­li­che Aus­kunft.

189 cc) Kei­nen Er­folg ha­ben auch die me­tho­di­schen Ein­wän­de ge­gen die vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut durch­ge­führ­ten und in sei­nen Si­cher­heits­be­rich­ten dar­ge­stell­ten Aus­wer­tungs­ver­fah­ren zu den ihm ge­mel­de­ten Impf­scha­dens­fäl­len. Der An­trag­stel­ler kri­ti­siert, dass die Hand­ha­bung der Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se durch das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut zu ei­ner er­heb­li­chen Fehl­ein­schät­zung der Impf­stoff­si­cher­heit füh­re. Die­ses Ver­fah­ren sei kein taug­li­ches sta­tis­ti­sches In­stru­ment, um aus den Mel­de­da­ten An­halts­punk­te für auf­fäl­li­ge Häu­fun­gen von Ne­ben­wir­kun­gen her­aus­zu­fil­tern. Die­se Ein­schät­zung hat sich im Rah­men der Be­weis­auf­nah­me je­doch nicht be­stä­tigt.

190 Die Aus­wer­tung der von Me­di­zi­nern und me­di­zi­ni­schen Lai­en ge­mel­de­ten Ver­dachts­fäl­le für Impf­kom­pli­ka­tio­nen ist ei­ne kom­ple­xe Auf­ga­be. Wird wie im Jah­re 2021 et­wa drei Vier­tel der Be­völ­ke­rung Deutsch­lands ge­gen ei­ne Er­kran­kung ge­impft, tre­ten im zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der Imp­fung auch ei­ne ho­he Zahl an durch an­de­re Ur­sa­chen be­ding­ten Er­kran­kun­gen und To­des­fäl­len auf. Eben­so gibt es ei­ne gro­ße Zahl an Fäl­len, de­ren kau­sa­le Zu­ord­nung un­klar ist. Das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut hat nach der Mit­tei­lung des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Ment­zer, der dort als Lei­ter des Sach­ge­biets Phar­ma­ko­vi­gi­lanz tä­tig ist, nur die per­so­nel­le Ka­pa­zi­tät ge­habt, um die Ver­dachts­fäl­le für impf­be­ding­te To­des­fäl­le in je­dem Ein­zel­fall nach­zu­ver­fol­gen, das hei­ßt Kran­ken­ak­ten an­zu­for­dern und - falls vor­han­den - Ob­duk­ti­ons­be­rich­te aus­zu­wer­ten. Die Aus­wer­tung des üb­ri­gen Da­ten­ma­te­ri­als ist fast nur durch sta­tis­ti­sche Ver­fah­ren er­folgt. De­ren Aus­sa­ge­kraft ist zwangs­läu­fig da­durch li­mi­tiert, dass nur Ver­dachts­fäl­le vor­lie­gen und die me­di­zi­ni­sche Rich­tig­keit des ge­mel­de­ten Ver­dachts nicht be­legt ist.

191 Die vom An­trag­stel­ler vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik an der vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut durch­ge­führ­ten Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se zielt - wie die Be­grün­dung des dem Ge­richt über­ge­be­nen Fra­gen­ka­ta­logs (An­la­ge 1 zum Pro­to­koll vom 6. Ju­li 2022) er­ken­nen lässt - auf den Vor­wurf ab, die­ses Ver­fah­ren sei hin­sicht­lich der Auf­de­ckung von Ne­ben­wir­kun­gen äu­ßerst un­ge­nau und wür­de "selbst bei ex­trem töd­li­chen Impf­stof­fen kein Ri­si­ko­si­gnal er­ge­ben" (Fra­gen­ka­ta­log S. 2). Die­ser Vor­wurf ist schon des­we­gen we­nig evi­dent, weil es - wie der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Ment­zer be­rich­tet hat - ge­ra­de mit­hil­fe der Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se ge­lun­gen ist, bei dem Impf­stoff Va­x­ze­vria von As­tra­Ze­ne­ca die Ne­ben­wir­kung des Throm­bo­se-mit-Throm­bo­zy­to­pe­nie-Syn­droms (TTS) zu ent­de­cken. Durch die Ent­de­ckung und an­schlie­ßen­de Er­for­schung die­ser schwe­ren Impf­kom­pli­ka­ti­on konn­te ein we­sent­li­cher Bei­trag zur Impf­stoff­si­cher­heit ge­leis­tet wer­den. Dar­über hin­aus ha­ben die Sach­ver­stän­di­gen Dr. Ment­zer und Dr. Dr. Ober­le dem Ge­richt be­stä­tigt, dass es sich um ein in­ter­na­tio­nal üb­li­ches sta­tis­ti­sches Aus­wer­tungs­ver­fah­ren han­delt, das wis­sen­schaft­lich an­er­kannt ist.

192 Die Vor­ge­hens­wei­se bei der Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se wird im Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts vom 4. Mai 2022 nä­her er­läu­tert. Da­nach wird die Häu­fig­keit der nach ei­ner Imp­fung ge­mel­de­ten un­er­wünsch­ten Er­eig­nis­se mit den sta­tis­tisch zu­fäl­li­gen und zu er­war­ten­den Häu­fig­kei­ten in ei­ner ver­gleich­ba­ren (nicht ge­impf­ten) Be­völ­ke­rung un­ter Be­rück­sich­ti­gung ver­schie­de­ner Zeit­fens­ter ver­gli­chen (a. a. O. S. 22). Es wird al­so die Zahl der oh­ne Imp­fung zu er­war­ten­den Er­kran­kungs­fäl­le, die in ge­wis­ser Hin­sicht er­war­tet wer­den ("ex­pec­ted"), mit der Zahl der be­ob­ach­te­ten Fäl­le ("ob­ser­ved") ver­gli­chen. Über­steigt die Zahl der ge­mel­de­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen die er­war­te­ten Er­kran­kungs­fäl­le, geht das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut von ei­nem Ri­si­ko­si­gnal aus. In die­sem Fal­le müs­sen die Grün­de ei­ner hö­he­ren Mel­de­ra­te durch zu­sätz­li­che Stu­di­en un­ter­sucht wer­den, um tat­säch­lich ei­ne Impf­ne­ben­wir­kung nach­wei­sen zu kön­nen. Denn es han­delt sich - wie aus­ge­führt - bei den Mel­dun­gen nur um me­di­zi­ni­sche Ver­dachts­fäl­le.

193 Der Se­nat hat sich die Ein­zel­hei­ten des Be­rech­nungs­ver­fah­rens durch die im Sach­ge­biet Phar­ma­ko­vi­gi­lanz des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts mit sta­tis­ti­schen Fra­gen be­fass­te Sach­ver­stän­di­ge Dr. Dr. Ober­le in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­läu­tern las­sen. Die Kri­tik des An­trag­stel­lers an die­sem Ver­fah­ren be­steht haupt­säch­lich dar­in, dass bei dem Zah­len­ver­gleich zwei un­ter­schied­lich gro­ße Grund­ge­samt­hei­ten ver­gli­chen wer­den: die sehr ho­he Zahl an re­gel­mä­ßig auf­tre­ten­den Er­kran­kun­gen oder To­des­fäl­len mit der er­war­tungs­ge­mäß klei­nen Zahl an Mel­dun­gen impf­be­ding­ter Er­kran­kun­gen und To­des­fäl­le. Spe­zi­ell bei den To­des­fäl­len wür­den un­ter der Ru­brik "ex­pec­ted" al­le un­ab­hän­gig von der To­des­ur­sa­che ein­ge­tre­te­nen Verster­bens­fäl­le der zwangs­läu­fig klei­ne­ren Men­ge an impf­be­ding­ten To­des­fäl­len ge­gen­über­ge­stellt. Ein Ri­si­ko­si­gnal kön­ne sich so­mit nie er­ge­ben.

194 Die­se Kri­tik ver­kennt, dass das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut nicht al­le in ei­nem Zeit­raum auf­ge­tre­te­nen Er­kran­kungs- oder To­des­fäl­le mit den im sel­ben Zeit­raum impf­be­ding­ten Er­kran­kungs- und To­des­fäl­len ver­gleicht. Dann könn­te sich schon rein ma­the­ma­tisch nie ein Wert von 1:1 = 1,0 er­ge­ben. Viel­mehr stellt es die in ver­gan­ge­nen Zeit­räu­men (oh­ne Co­vid-19-Imp­fun­gen) er­mit­tel­ten durch­schnitt­li­chen Er­kran­kungs- und To­des­fall­ra­ten pro 100 000 Ein­woh­ner dem im ak­tu­el­len Zeit­raum als Co­vid-19-Impf­scha­den ge­mel­de­ten Er­kran­kungs- und To­des­fäl­len pro 100 000 Ein­woh­ner ge­gen­über. Ver­gli­chen wer­den al­so Er­kran­kungs- und To­des­zah­len oh­ne Imp­fung mit als Impf­schä­den ge­mel­de­ten Krank­heits- und To­des­er­eig­nis­sen. Den be­haup­te­ten lo­gi­schen Feh­ler im Be­rech­nungs­ver­fah­ren gibt es dar­um nicht.

195 Al­ler­dings steht zu er­war­ten, dass bei ei­nem Ver­gleich über lan­ge Zeit­räu­me von häu­fig vor­kom­men­den Er­kran­kun­gen die re­gel­mä­ßig auf­tre­ten­den Er­kran­kungs- und To­des­fall­wer­te oh­ne Imp­fung hö­her sein wer­den als die ent­spre­chen­den Impf­scha­dens­mel­dun­gen. Die Sach­ver­stän­di­ge Dr. Dr. Ober­le hat aber über­zeu­gend dar­ge­legt, dass dies bei kur­zen Zeit­in­ter­val­len an­ders ist. Wer­den in kur­zer Zeit sehr vie­le Impf­stoff­do­sen ver­ab­reicht, wie dies im Früh­jahr 2021 der Fall ge­we­sen ist, dann kann es durch­aus vor­kom­men, dass die da­durch be­ding­ten Er­kran­kun­gen sta­tis­tisch in kur­zen Zeit­räu­men we­sent­lich hö­her sind als die durch an­de­re Ur­sa­chen be­ding­ten Er­kran­kun­gen. Die Sach­ver­stän­di­ge zeig­te sich über­zeugt, dass auch ein impf­be­dingt we­sent­lich er­höh­tes Ster­be­ri­si­ko bei ei­nem Ver­gleich der 7-Ta­ges-In­ter­val­le bei ei­ner schnel­len Ver­imp­fung von hun­dert­tau­send Do­sen in kur­zer Zeit ein Warn­si­gnal er­ge­ben hät­te. Dar­über hin­aus er­gibt sich bei bis­lang eher sel­te­nen Krank­heits­ver­läu­fen auch bei län­ge­ren Zeit­in­ter­val­len ein Warn­si­gnal, wenn es sich um ei­ne impf­be­ding­te Ne­ben­wir­kung han­delt und die Imp­fung - wie bei Co­vid-19 - mil­lio­nen­fach ver­ab­reicht wird. Da­her hat sich der Vor­wurf der Un­ge­eig­net­heit des Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se­ver­fah­rens zur De­tek­ti­on von Impf­ne­ben­wir­kun­gen nicht be­stä­tigt. Eben­so we­nig kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut die­ses Ver­fah­ren so an­wen­det, dass mög­lichst kei­ne Impf­ne­ben­wir­kun­gen auf­ge­deckt wer­den.

196 Es mag sein, dass die Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se bei der Iden­ti­fi­zie­rung von Ri­si­ko­si­gna­len für To­des­fäl­le in­fol­ge der Imp­fung an Gren­zen stö­ßt. Der­ar­ti­ge Gren­zen der Aus­sa­ge­kraft ei­ner an­er­kann­ten und grund­sätz­lich ge­eig­ne­ten sta­tis­ti­schen Me­tho­de ent­wer­ten al­ler­dings die Si­cher­heits­be­rich­te nicht. Denn ge­ra­de zur Ein­schät­zung der Ge­fahr des Verster­bens in­fol­ge ei­ner Imp­fung lie­gen dem Paul-Ehr­lich-In­sti­tut er­gän­zen­de In­for­ma­tio­nen vor, die es aus sei­ner Nach­ver­fol­gung der ge­mel­de­ten Ver­dachts­fäl­le ge­winnt. Da­mit wer­den die Er­geb­nis­se der sta­tis­ti­schen Me­tho­de er­gänzt und ab­ge­si­chert. Im Üb­ri­gen ist we­der dar­ge­tan noch er­sicht­lich, dass die Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se oh­ne den vom An­trag­stel­ler be­haup­te­ten me­tho­di­schen Feh­ler zu ei­nem Ri­si­ko­si­gnal für To­des­fäl­le in­fol­ge von Imp­fun­gen füh­ren wür­de.

197 dd) Auch der Ein­wand des An­trag­stel­lers, dass die Ne­ben­wir­kun­gen von Co­vid-19-Impf­stof­fen nicht nach der so­ge­nann­ten Dis­pro­por­tio­na­li­täts­ana­ly­se be­wer­tet wor­den sind, än­dert an der Rich­tig­keit und Ver­läss­lich­keit der An­ga­ben des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts im Si­cher­heits­be­richt nichts. Die Dis­pro­por­tio­na­li­täts­ana­ly­se be­steht nach dem Vor­trag des An­trag­stel­lers dar­in, dass für meh­re­re Impf­stof­fe je­weils das Ver­hält­nis der ge­mel­de­ten Impf­ne­ben­wir­kun­gen zu den ge­mel­de­ten Impf­to­des­fäl­len er­mit­telt wird. Tre­ten bei ei­nem Ver­gleich die­ser Durch­schnitts­zah­len er­heb­li­che Un­ter­schie­de auf, kön­nen die­se Dis­pro­por­tio­na­li­tä­ten ein In­diz für ei­ne Un­ter­er­fas­sung von To­des­fäl­len sein. Die Sach­ver­stän­di­ge Frau Dr. Dr. Ober­le vom Paul-Ehr­lich-In­sti­tut hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­ge­führt, dass die­se Ana­ly­se von den Ge­sund­heits­be­hör­den an­de­rer Na­tio­nen durch­ge­führt und ver­öf­fent­licht wer­de. Die kor­rek­te Be­rech­nung sei al­ler­dings sehr auf­wän­dig. Das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut be­trach­te sie im vor­lie­gen­den Fall nicht für sehr aus­sa­ge­kräf­tig, weil die Da­ten­grund­la­gen (Zahl der Imp­fun­gen und Ne­ben­wir­kungs­mel­dun­gen) für die­sen Ver­gleich zwi­schen den Impf­stof­fen zu un­ter­schied­lich sei­en. Aus die­sen Grün­den ha­be das Paul-Ehr­lich-In­sti­tut von de­ren Er­mitt­lung ab­ge­se­hen. Der Se­nat hält die­se sach­ver­stän­di­ge Ein­schät­zung für ver­tret­bar. Un­ab­hän­gig da­von bie­tet der Si­cher­heits­be­richt des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts auch oh­ne die­se Aus­wer­tung ei­nen gu­ten Über­blick über die ge­mel­de­ten Ne­ben­wir­kun­gen und de­ren sta­tis­ti­sche Re­le­vanz, so­dass er als fach­li­che Aus­kunft da­zu un­ein­ge­schränkt ver­wen­det wer­den kann.

198 Schlie­ß­lich ver­fängt auch der Ein­wand des An­trag­stel­lers nicht, dass man bei der Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit der Co­vid-19-Imp­fung de­ren Ne­ben­wir­kun­gen mit den Ne­ben­wir­kun­gen von In­flu­en­za-Impf­stof­fen ver­glei­chen müs­se und dass die Ne­ben­wir­kun­gen der Co­vid-19-Imp­fung um ein Viel­fa­ches hö­her sei­en. Denn bei der Be­wer­tung des Nut­zens und der Ri­si­ken von Co­vid-19-Impf­stof­fen muss das Ri­si­ko der Er­kran­kung und des da­durch be­ding­ten schwe­ren Ver­laufs mit dem Ef­fekt der Co­vid-19-Imp­fung und de­ren Impf­ri­si­ken ab­ge­wo­gen wer­den. Ein Quer­ver­gleich der Ne­ben­wir­kun­gen von Impf­stof­fen ge­gen un­ter­schied­li­che Krank­hei­ten mag zwar her­me­neu­ti­sche Be­deu­tung ha­ben, ver­mag aber kei­nen ent­schei­den­den Er­kennt­nis­ge­winn bei der Ab­wä­gung von Pro und Con­tra ei­ner Co­vid-19-Imp­fung zu ver­mit­teln.

199 Nach al­lem liegt ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen des An­trag­stel­lers kei­ne sys­te­ma­ti­sche Un­ter­schät­zung der Ne­ben­wir­kun­gen der Co­vid-19-Impf­stof­fe vor.

200 8. Schlie­ß­lich ist die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Imp­fun­gen auch nicht des­we­gen ei­ne rechts­wid­ri­ge und da­mit nach § 10 Abs. 4 SG un­zu­läs­si­ge Wei­sung, weil der Imp­fung zwin­gen­de arz­nei­mit­tel­recht­li­che Vor­schrif­ten ent­ge­gen­stün­den.

201 a) Ins­be­son­de­re kön­nen die vom An­trag­stel­ler er­ho­be­nen Ein­wen­dun­gen ge­gen die Recht­mä­ßig­keit der arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sung der mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na kei­nen Er­folg ha­ben.

202 aa) Denn die­se Fra­ge bil­det nicht den Streit­ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens. Der An­trag­stel­ler wen­det sich ge­gen die ihm mit der Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 im No­vem­ber 2021 auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, ei­ne Imp­fung ge­gen Co­vid-19 zu dul­den. In Nr. 2001 die­ser All­ge­mei­nen Re­ge­lung wird kein be­stimm­ter Impf­stoff zwin­gend vor­ge­schrie­ben. Wie aus­ge­führt greift die Dul­dungs­pflicht nur ein, wenn sich der An­trag­stel­ler nicht selbst mit ei­nem Impf­stoff sei­ner Wahl ge­gen Co­vid-19 imp­fen lässt. Dem­entspre­chend hat es der An­trag­stel­ler in der Hand, auf ei­nen an­de­ren Impf­stoff zu­rück­zu­grei­fen, der - wie et­wa Nu­va­xo­vid - oh­ne mRNA-Tech­no­lo­gie ar­bei­tet. Da im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren kein be­stimm­ter Impf­stoff fest­ge­legt wird und der An­trag­stel­ler auf an­de­re Impf­stof­fe aus­wei­chen kann, ist die Fra­ge der ord­nungs­ge­mä­ßen arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sung der mRNA-Impf­stof­fe durch die Eu­ro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur schon nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich.

203 bb) Dar­über hin­aus ge­hört die Über­prü­fung der Zu­las­sung ei­nes Impf­stof­fes nicht zu dem von § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vor­ge­ge­be­nen Prüf­pro­gramm. Ord­net ein mi­li­tä­ri­scher Vor­ge­setz­ter die Durch­füh­rung ei­ner Imp­fung an, muss er - wie dar­ge­legt - im Rah­men der Er­mes­sens­ent­schei­dung das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Imp­fung mit den ent­ge­gen­ste­hen­den ge­sund­heit­li­chen und be­ruf­li­chen In­ter­es­sen des Sol­da­ten ab­wä­gen. Das Wei­sungs- und Be­fehls­recht des § 10 Abs. 4 SG und die Dul­dungs­pflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ent­hal­ten kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung des In­halts, dass bei der An­ord­nung ei­ner In­fek­ti­ons­schutz­maß­nah­me in Form ei­ner Schutz­imp­fung das Vor­lie­gen ei­ner recht­mä­ßi­gen Zu­las­sung des Impf­stof­fes ge­prüft wer­den muss. Al­ler­dings folgt aus dem Grund­satz der Recht­mä­ßig­keit von Wei­sun­gen und Be­feh­len, dass die An­ord­nung ei­ner arz­nei­mit­tel­recht­lich un­zu­läs­si­gen Imp­fung ge­gen § 10 Abs. 4 SG ver­sto­ßen wür­de. Dem­entspre­chend ist die An­ord­nung ei­nes Vor­ge­setz­ten, die Imp­fung mit ei­nem be­stimm­ten Impf­stoff zu dul­den, nur recht­mä­ßig, wenn die­ser Impf­stoff arz­nei­mit­tel­recht­lich zu­ge­las­sen ist (§ 21 Abs. 1 AMG). Wird die Dul­dung ei­ner Imp­fung - wie hier - in all­ge­mei­ner Form oh­ne Vor­ga­be des zu ver­wen­den­den Impf­stof­fes an­ge­wie­sen, ge­nügt es, wenn über­haupt ein Impf­stoff arz­nei­mit­tel­recht­lich zu­ge­las­sen ist oder ver­wen­det wer­den darf.

204 Hin­ge­gen ist die Über­prü­fung der arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Recht­mä­ßig­keit der Impf­stoff­zu­las­sung nicht Auf­ga­be des mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten oder des be­han­deln­den Trup­pen­arz­tes. Dies folgt nicht nur dar­aus, dass das Sol­da­ten­ge­setz ei­ne sol­che Nach­prü­fung nicht vor­sieht, son­dern auch aus dem Um­stand, dass die Kon­trol­le des In­ver­kehr­brin­gens von Impf­stof­fen und Arz­nei­mit­teln den nach dem Arz­nei­mit­tel­recht zu­stän­di­gen Fach­be­hör­den ob­liegt. Ei­ne zu­sätz­li­che arz­nei­mit­tel­recht­li­che Zu­las­sungs­kon­trol­le durch die Dienst­stel­len der Bun­des­wehr, die bei ih­rer ku­ra­ti­ven Be­hand­lung von Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten wie ein Ver­brau­cher zu­ge­las­se­ne Me­di­ka­men­te und Impf­stof­fe auf dem Arz­nei­mit­tel­markt er­wer­ben, ist we­der staats­or­ga­ni­sa­to­risch noch ge­setz­lich vor­ge­se­hen.

205 Die vom An­trag­stel­ler ge­for­der­te Über­prü­fung der Recht­mä­ßig­keit des von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur durch­ge­führ­ten Zu­las­sungs­ver­fah­rens für die mRNA-Impf­stof­fe ist auch nicht des­we­gen not­wen­dig, weil die den Her­stel­lern er­teil­ten be­ding­ten Zu­las­sun­gen für die Impf­stof­fe "Co­mirna­ty" und "Spik­e­vax" bei Nach­weis ei­nes Ver­fah­rens- oder Rechts­an­wen­dungs­feh­lers im Zu­las­sungs­ver­fah­ren au­to­ma­tisch un­wirk­sam wä­ren. Viel­mehr gilt im Uni­ons­recht der Grund­satz der Ver­mu­tung der Recht­mä­ßig­keit von Ge­mein­schafts­ak­ten. Die­ser Grund­satz be­sagt, dass die Rechts­ak­te ei­ner eu­ro­päi­schen Be­hör­de - hier der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on - Rechts­wir­kun­gen ent­fal­ten, so­lan­ge sie nicht zu­rück­ge­nom­men, im Rah­men ei­ner Nich­tig­keits­kla­ge für nich­tig er­klärt oder in­fol­ge ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens oder ei­ner Rechts­wid­rig­keits­ein­re­de für un­gül­tig er­klärt wor­den sind (Eu­GH, Ur­tei­le vom 15. Ju­ni 1994 - C-137/92 P [ECLI:​EU:​C:​1994:​247] Rn. 48, vom 8. Ju­li 1999 - C-245/92 P [ECLI:​EU:​C:​1999:​363] Rn. 93 und vom 12. Fe­bru­ar 2008 - C-199/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​79] Rn. 60).

206 Die­ser Grund­satz be­trifft die Rechts­be­stän­dig­keit von Ge­mein­schafts­ak­ten und ent­hält - ähn­lich wie die § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1 VwVfG im na­tio­na­len Recht - das Prin­zip der Rechts­wirk­sam­keit auch feh­ler­haf­ter Ge­mein­schafts­ak­te (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ok­to­ber 2016 - 10 C 3.15 - BVer­w­GE 156, 199 Rn. 29). Er ge­stat­tet es ins­be­son­de­re an­de­ren eu­ro­päi­schen und na­tio­na­len Be­hör­den so­wie Ge­rich­ten in nach­fol­gen­den Ver­fah­ren von der Tat­be­stands­wir­kung die­ses eu­ro­päi­schen Rechts­akts aus­zu­ge­hen, das hei­ßt in nach­fol­gen­den Ver­fah­ren bei der Rechts­prü­fung das tat­be­stand­li­che Vor­lie­gen ei­ner rechts­wirk­sa­men Zu­las­sung fest­zu­stel­len (vgl. da­zu BVerfG, Be­schlüs­se vom 8. Ju­li 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerf­GE 61, 82 <111> und vom 15. Ok­to­ber 2009 - 1 BvR 3522/08 - ju­ris Rn. 50). Dem­entspre­chend sind die Dienst­stel­len der Bun­des­wehr nach der Zu­las­sung ei­nes Impf­stof­fes durch die Eu­ro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur auf­grund des Grund­sat­zes der Ver­mu­tung der Recht­mä­ßig­keit von Ge­mein­schafts­ak­ten be­rech­tigt, die­sen Impf­stoff zu er­wer­ben und im Rah­men ih­rer ku­ra­ti­ven Tä­tig­keit ein­zu­set­zen.

207 cc) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus der vom An­trag­stel­ler zi­tier­ten Ent­schei­dung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts ers­ter In­stanz vom 9. No­vem­ber 2021. Dar­in ist ei­ne Kla­ge meh­re­rer ita­lie­ni­scher Pri­vat­per­so­nen auf Fest­stel­lung der Nich­tig­keit der Zu­las­sung des Impf­stof­fes Co­mirna­ty von BioNTech/Pfi­zer zu­rück­ge­wie­sen wor­den, weil die Klä­ger nicht durch die Zu­las­sung des Impf­stof­fes be­schwert sei­en. Sie wür­den durch die Zu­las­sung des Impf­stof­fes nicht zu des­sen Be­nut­zung ver­pflich­tet. Dar­an än­de­re sich auch nichts, wenn ein na­tio­na­les Ge­setz die Ver­pflich­tung zur Be­nut­zung die­ses Impf­stof­fes ent­hal­te. Auch in die­sem Fal­le ver­lan­ge der Grund­satz ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes nicht, die un­mit­tel­ba­re An­ru­fung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts zu­zu­las­sen, weil die na­tio­na­len Ge­rich­te bei der Kon­trol­le der Impf­pflicht ef­fek­ti­ven Rechts­schutz ge­währ­leis­ten und ge­ge­be­nen­falls ei­ne mit­tel­ba­re Kon­trol­le des eu­ro­päi­schen Zu­las­sungs­akts über das Vor­la­ge­ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV her­bei­füh­ren könn­ten (EUG, Be­schluss vom 9. No­vem­ber 2021 - T-96/21 - Rn. 67).

208 Al­ler­dings be­sagt die­ser ab­schlie­ßen­de Hin­weis des Eu­ro­päi­schen Ge­richts bei der Zu­rück­wei­sung der Nich­tig­keits­kla­ge ge­gen die Zu­las­sung des mRNA-Impf­stoffs von BioNTech/Pfi­zer nur, dass die na­tio­na­len Ge­rich­te bei ei­ner in ih­rem Lan­de be­schlos­se­nen Impf­pflicht den Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on we­gen ei­ner eu­ro­pa­recht­li­chen Fra­ge im Zu­sam­men­hang mit der eu­ro­päi­schen Impf­stoff­zu­las­sung an­ru­fen kön­nen, wenn dies zur Ge­währ­leis­tung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes not­wen­dig sein soll­te. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­tei­le vom 6. Ok­to­ber 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, S. 3415 Rn. 21 und vom 6. Ok­to­ber 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799] - NJW 2021, 3303 Rn. 33) kann und muss ein mit­glied­staat­li­ches letzt­in­stanz­li­ches Ge­richt sei­ner Vor­la­ge­pflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nach­kom­men, wenn sich in ei­nem bei ihm schwe­ben­den Ver­fah­ren ei­ne Fra­ge des Uni­ons­rechts stellt, es sei denn, das Ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die­se Fra­ge nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich ist, dass die be­tref­fen­de uni­ons­recht­li­che Be­stim­mung be­reits Ge­gen­stand ei­ner Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof war oder dass die rich­ti­ge An­wen­dung des Uni­ons­rechts der­art of­fen­kun­dig ist, dass für ei­nen ver­nünf­ti­gen Zwei­fel kei­ner­lei Raum bleibt (vgl. auch BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. De­zem­ber 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerf­GE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - NStZ-RR 2022, 222 Rn. 37).

209 Im vor­lie­gen­den Fall fehlt es aber - wie aus­ge­führt - an der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der vom An­trag­stel­ler auf­ge­wor­fe­nen eu­ro­pa­recht­li­chen Fra­ge der Recht­mä­ßig­keit der Zu­las­sung der mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na. Zum ei­nen schreibt die hier im Streit ste­hen­de Re­ge­lung Nr. 2001 (AR) A1-840/8-4000 kei­ne Ver­wen­dung be­stimm­ter Impf­stof­fe vor. Zum an­de­ren ver­langt das Prüf­pro­gramm des § 10 Abs. 4 i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG vom mi­li­tä­ri­schen Vor­ge­setz­ten bei der An­ord­nung ei­ner Imp­fung nur ei­ne um­fas­sen­de Be­rück­sich­ti­gung der da­von zu er­war­ten­den ge­sund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen auf den Sol­da­ten und de­ren Ab­wä­gung mit dem zu er­war­ten­den Nut­zen der Imp­fung für die mi­li­tä­ri­sche Ein­satz­fä­hig­keit. Für die­se auf die zu­künf­ti­gen Aus­wir­kun­gen der Imp­fung ge­rich­te­te Er­mes­sens­ent­schei­dung ist aber ei­ne rück­bli­cken­de Über­prü­fung der Recht­mä­ßig­keit des von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur durch­ge­führ­ten Impf­stoff­zu­las­sungs­ver­fah­rens nicht von­nö­ten.

210 Aus die­sen Grün­den hat der Se­nat auch im Be­weis­be­schluss vom 1. Ju­ni 2022 die vom An­trag­stel­ler be­an­trag­te Bei­zie­hung von Un­ter­la­gen zu di­ver­sen Impf­stoff­zu­las­sungs­ver­fah­ren ab­ge­lehnt und aus­ge­führt, für die Recht­mä­ßig­keit der Er­mes­sens­ent­schei­dung über die Auf­nah­me der Imp­fung ge­gen Co­vid-19 in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen für Sol­da­ten ge­nü­ge das Vor­lie­gen ei­ner be­ding­ten oder un­be­ding­ten Zu­las­sung der für den Ein­satz vor­ge­se­he­nen Impf­stof­fe. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung sei nicht zu ei­ner um­fang­rei­chen Feh­ler­su­che im vor­ge­la­ger­ten arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sungs­ver­fah­ren ver­pflich­tet. Um­ge­kehrt dür­fe es bei sei­ner Ab­wä­gung im Zu­las­sungs­ver­fah­ren nicht er­kann­te, aber spä­ter wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­se­ne Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen zu­ge­las­se­ner Impf­stof­fe nicht au­ßer Acht las­sen.

211 An die­ser Rechts­auf­fas­sung hält der Se­nat fest. Ins­be­son­de­re ist es auch für den ef­fek­ti­ven Schutz der Grund­rech­te des An­trag­stel­lers aus Art. 2 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 GG nicht ver­an­lasst, das zeit­lich an­dert­halb Jah­re zu­rück­lie­gen­de Zu­las­sungs­ver­fah­ren zu un­ter­su­chen. Viel­mehr ist es un­ter dem As­pekt des ef­fi­zi­en­ten Grund­rechts­schut­zes aus­rei­chend und ge­bo­ten, auf der Grund­la­ge der je­weils ak­tu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se die künf­tig von ei­ner Imp­fung aus­ge­hen­den ge­sund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen in den Blick zu neh­men. Auch das Ge­bot des ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes des Art. 19 Abs. 4 GG er­for­dert es nicht, in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ge­gen die An­ord­nung der Impf­pflicht die im vor­an­ge­gan­ge­nen be­hörd­li­chen Ver­fah­ren er­teil­ten rechts­wirk­sa­men arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zu­las­sun­gen von Impf­stof­fen in­zi­dent zu über­prü­fen. Viel­mehr stellt es grund­sätz­lich kei­ne Ver­let­zung des Grund­rechts auf ef­fek­ti­ven Rechts­schutz dar, wenn die Ge­rich­te in nach­fol­gen­den Ver­wal­tungs- und Ge­richts­ver­fah­ren den Tat­be­stand ei­ner vor­han­de­nen Zu­las­sung oh­ne wei­te­re Über­prü­fung ih­ren Ent­schei­dun­gen zu­grun­de le­gen (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. De­zem­ber 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerf­GE 147, 364 Rn. 38 und vom 30. März 2022 - 2 BvR 2069/21 - ju­ris Rn. 37).

212 Der Rechts­streit war folg­lich auch nicht - wie vom An­trag­stel­ler schrift­sätz­lich an­ge­regt - zur Klä­rung der Recht­mä­ßig­keit der von der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on er­teil­ten be­ding­ten Zu­las­sun­gen für die mRNA-Impf­stof­fe Co­mirna­ty und Spik­e­vax nach Art. 267 AEUV aus­zu­set­zen.

213 b) Schlie­ß­lich über­zeugt auch die An­nah­me des An­trag­stel­lers nicht, dass die An­wen­dung der mRNA-Impf­stof­fe durch die Trup­pen­ärz­te der Bun­des­wehr ge­gen arz­nei­mit­tel­recht­li­che Straf­vor­schrif­ten ver­sto­ßen wür­de.

214 aa) Ei­ne An­wen­dung der Straf­vor­schrift we­gen ver­bo­te­ner An­wen­dung nicht zu­ge­las­se­ner Arz­nei­mit­tel (§ 96 Nr. 5 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG) kommt schon des­we­gen nicht in Be­tracht, weil die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on auf Emp­feh­lung der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur für die bei­den Impf­stof­fe Co­mirna­ty und Spik­e­vax mit Be­schlüs­sen vom 21. De­zem­ber 2020 (vgl. da­zu EuG, Be­schluss vom 9. No­vem­ber 2021 - T-96/21 - Rn. 2) und vom 6. Ja­nu­ar 2021 (vgl. da­zu EuG, Be­schluss vom 1. März 2022 - T-632/21 - Rn. 3) be­ding­te Zu­las­sun­gen er­teilt hat, die spä­ter ver­län­gert wor­den sind. Die­se Ge­neh­mi­gun­gen er­folg­ten je­weils auf der Grund­la­ge von Art. 3 Abs. 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 726/2004 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 31. März 2004 zur Fest­le­gung von Ge­mein­schafts­ver­fah­ren für die Ge­neh­mi­gung und Über­wa­chung von Hu­man- und Tier­arz­nei­mit­teln und zur Er­rich­tung ei­ner Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel-Agen­tur (ABl. 2004, L 136, Sei­te 1). Da­mit liegt ei­ne eu­ro­pa­recht­li­che Zu­las­sung im Sin­ne von § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG vor.

215 Für den Aus­schluss der Straf­bar­keit nach § 96 Nr. 5 AMG kommt es nur auf die Rechts­wirk­sam­keit die­ser Zu­las­sung an (vgl. Raum, in: Kü­gel/Mül­ler/Hof­mann, Arz­nei­mit­tel­ge­setz, 3. Aufl. 2022, § 96 Rn. 13). So­weit die Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers um­fang­rei­che Aus­füh­run­gen zu der Fra­ge ge­macht ha­ben, dass die be­ding­te Zu­las­sung nicht er­teilt wer­den durf­te oder zu wi­der­ru­fen wä­re, ist dies un­er­heb­lich. Denn die Zu­las­sung hat je­den­falls — wie oben aus­ge­führt — nach dem Grund­satz der Ver­mu­tung der Recht­mä­ßig­keit von Uni­ons­ak­ten recht­li­chen Be­stand, bis sie auf­ge­ho­ben wird oder aus­läuft (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ok­to­ber 2016 - 10 C 3.15 - BVer­w­GE 156, 199 Rn. 29).

216 bb) Auch für die An­nah­me ei­ner Straf­bar­keit we­gen In­ver­kehr­brin­gens be­denk­li­cher Arz­nei­mit­tel nach § 95 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 AMG ist kein Raum. Als be­denk­lich sind nach § 5 Abs. 2 AMG nur Me­di­ka­men­te an­zu­se­hen, bei de­nen nach dem je­wei­li­gen Stand der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis der be­grün­de­te Ver­dacht be­steht, dass sie bei be­stim­mungs­ge­mä­ßem Ge­brauch schäd­li­che Wir­kun­gen ha­ben, die über ein nach den Er­kennt­nis­sen der me­di­zi­ni­schen Wis­sen­schaft ver­tret­ba­res Maß hin­aus­ge­hen.

217 Ent­ge­gen der An­sicht des An­trag­stel­lers sind die mRNA-Impf­stof­fe nicht schon des­we­gen be­denk­lich, weil es sich nach sei­ner sub­jek­ti­ven Ein­schät­zung nicht um her­kömm­li­che Impf­stof­fe, son­dern um gen­ba­sier­te ex­pe­ri­men­tel­le Sub­stan­zen han­delt. Viel­mehr kommt es dem ob­jek­ti­ven Zweck des Ge­set­zes ent­spre­chend dar­auf an, ob bei Be­rück­sich­ti­gung der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se den Ri­si­ken der Arz­nei­mit­tel ein über­wie­gen­der me­di­zi­ni­scher Nut­zen ge­gen­über­steht (vgl. BGH, Be­schluss vom 11. Au­gust 1999 - 2 StR 44/99 - NStZ 1999, 625 Rn. 2).

218 Ob­jek­tiv be­trach­tet er­fül­len die Prä­pa­ra­te Co­mirna­ty und Spik­e­vax ein­deu­tig den arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Impf­stoff­be­griff. Nach § 4 Abs. 4 AMG sind Impf­stof­fe Arz­nei­mit­tel, die An­ti­ge­ne oder re­kom­bi­nan­te Nu­kle­in­säu­ren ent­hal­ten und die da­zu be­stimmt sind, beim Men­schen zur Er­zeu­gung von spe­zi­fi­schen Ab­wehr- und Schutz­stof­fen an­ge­wen­det zu wer­den, und, so­weit sie re­kom­bi­nan­te Nu­kle­in­säu­ren ent­hal­ten, aus­schlie­ß­lich zur Vor­beu­gung oder Be­hand­lung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten be­stimmt sind. Die mRNA-Impf­stof­fe von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na ent­hal­ten an­ders als her­kömm­li­che Impf­stof­fe kei­ne An­ti­ge­ne. Sie ar­bei­ten aber — wie aus­ge­führt — mit Bo­ten-Ri­bo­nu­kle­in­säu­ren, die mit gen­tech­ni­schen Me­tho­den neu zu­sam­men­ge­stellt (re­kom­bi­niert) wer­den. Zu­dem sind die Prä­pa­ra­te da­zu be­stimmt, beim Men­schen (mit­tel­bar) die Er­zeu­gung be­stimm­ter Ab­wehr­stof­fe (An­ti­kör­per) aus­zu­lö­sen und die­nen aus­schlie­ß­lich zur Vor­beu­gung der In­fek­ti­ons­krank­heit Co­vid-19.

219 Dass die­se neu­ar­ti­gen Impf­stof­fe den arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Impf­stoff­be­griff er­fül­len, kann auch nicht mit eu­ro­pa­recht­li­chen Ar­gu­men­ten be­strit­ten wer­den. So­weit der An­trag­stel­ler wie­der­holt be­haup­tet hat, die Prä­pa­ra­te hät­ten von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur als Gen­the­ra­peu­ti­ka be­ur­teilt und ge­prüft wer­den müs­sen, steht dem ei­ne kla­re und ein­deu­ti­ge Re­ge­lung in der Richt­li­nie 2009/120/EG der Kom­mis­si­on vom 14. Sep­tem­ber 2009 zur Än­de­rung der Richt­li­nie 2001/83/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes zur Schaf­fung ei­nes Ge­mein­schafts­ko­de­xes für Hu­man­arz­nei­mit­tel im Hin­blick auf Arz­nei­mit­tel für neu­ar­ti­ge The­ra­pi­en (ABl. L 242 vom 15. Sep­tem­ber 2009, S. 4) ent­ge­gen. In die­ser Richt­li­nie wird zu­nächst der Be­griff des Gen­the­ra­peu­ti­kums nä­her de­fi­niert und dann in ei­nem Nach­satz aus­ge­führt: "Impf­stof­fe ge­gen In­fek­ti­ons­krank­hei­ten sind kei­ne Gen­the­ra­peu­ti­ka". Da­mit hat der Norm­ge­ber klar zum Aus­druck ge­bracht, dass Impf­stof­fe un­ab­hän­gig von ih­rer Zu­sam­men­set­zung und Wir­kungs­wei­se nicht dem Zu­las­sungs­ver­fah­ren für Gen­the­ra­peu­ti­ka un­ter­lie­gen.

220 Eben­so ha­ben die mRNA-Impf­stof­fe ob­jek­tiv be­trach­tet nach den vor­han­de­nen Er­kennt­nis­sen der me­di­zi­ni­schen Wis­sen­schaft ein ver­tret­ba­res Maß an Ne­ben­wir­kun­gen. Dies folgt schon dar­aus, dass die Stän­di­ge Kom­mis­si­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut für na­he­zu al­le Al­ters­grup­pen die Imp­fung ge­gen Co­vid-19 mit den der­zeit zu­ge­las­se­nen mRNA-Impf­stof­fen emp­fiehlt. Denn die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on bil­den den me­di­zi­ni­schen Stan­dard ab und be­rech­ti­gen zu der An­nah­me, dass der Nut­zen der je­weils emp­foh­le­nen Imp­fung das Impf­ri­si­ko über­wiegt (vgl. BGH, Ur­teil vom 15. Fe­bru­ar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136).

221 cc) Schlie­ß­lich über­zeugt auch die An­nah­me des An­trag­stel­lers nicht, dass die An­wen­dung des mRNA-Impf­stof­fes von BioNTech/Pfi­zer ge­gen das straf­recht­li­che Ver­bot des § 95 Nr. 3a i. V. m. § 8 Abs. 1 AMG ver­stö­ßt. Nach die­sen Vor­schrif­ten ist es zum Schutz der Ver­brau­cher vor Täu­schung un­ter­sagt, Arz­nei­mit­tel in Ver­kehr zu brin­gen, die durch Ab­wei­chung von den an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln in ih­rer Qua­li­tät nicht un­er­heb­lich ge­min­dert sind. So­weit der An­trag­stel­ler an­nimmt, zwei als Trä­ger­sub­stan­zen ein­ge­setz­te Na­no­li­pi­de sei­en als Hilfs­stof­fe nicht im Arz­nei­buch ent­hal­ten und dar­in lie­ge ei­ne Ab­wei­chung von den all­ge­mein an­er­kann­ten phar­ma­zeu­ti­schen Re­geln, kann dies of­fen­blei­ben.

222 Das straf­recht­li­che Ver­bot greift erst ein, wenn ein Arz­nei­mit­tel da­durch in sei­ner Qua­li­tät er­heb­lich ge­min­dert ist. Ei­ne der­ar­ti­ge Fest­stel­lung kann nicht ge­trof­fen wer­den. Für die An­nah­me des An­trag­stel­lers, dass et­li­che schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen der mRNA- bzw. DNA-Impf­stof­fe auf die­se Trä­ger­sub­stan­zen zu­rück­zu­füh­ren sind, feh­len - wie aus­ge­führt — jeg­li­che wis­sen­schaft­li­chen Be­le­ge. Viel­mehr han­delt es sich bei den Na­no­par­ti­keln le­dig­lich um Fett­par­ti­kel, die kör­per­ei­ge­nen Fett­par­ti­keln sehr ähn­lich sind (PEI, Was wis­sen wir über die Si­cher­heit der Li­pidna­no­par­ti­kel in mRNA-Impf­stof­fen? Home­page-Bei­trag vom 8. Ja­nu­ar 2021). Im Üb­ri­gen spricht auch der Um­stand, dass die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on den Ein­satz die­ser Me­di­ka­men­te von BioNTech/Pfi­zer und Mo­der­na emp­fiehlt, ge­gen die An­nah­me, dass ein Arz­nei­mit­tel min­de­rer Qua­li­tät vor­liegt. Denn die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on ist ein Ex­per­ten­gre­mi­um, des­sen Emp­feh­lun­gen den me­di­zi­ni­schen Stan­dard im Be­reich der Impf­stof­fe be­stim­men.

223 9. Die An­ord­nung der Dul­dung ei­ner Co­vid-19-Schutz­imp­fung ver­stö­ßt auch an­sons­ten nicht ge­gen hö­her­ran­gi­ges Recht. Zwar dür­fen Dienst­vor­schrif­ten des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung wie Be­feh­le nach § 10 Abs. 4 SG nur zu dienst­li­chen Zwe­cken er­ge­hen und nur un­ter Be­ach­tung der Re­geln des Völ­ker­rechts und der Ge­set­ze er­teilt wer­den. Im vor­lie­gen­den Fall liegt der vom An­trag­stel­ler be­haup­te­te Wi­der­spruch der Dienst­vor­schrift zu hö­her­ran­gi­gem Recht je­doch nicht vor.

224 a) Was die Ver­let­zung der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on vom 12. De­zem­ber 2007 (GRCh) an­be­trifft, ist be­reits der An­wen­dungs­be­reich die­ses Grund­rechts­ka­ta­logs nicht er­öff­net. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh gilt die Char­ta für die Or­ga­ne, Ein­rich­tun­gen und sons­ti­gen Stel­len der Uni­on un­ter Wah­rung des Sub­si­dia­ri­täts­prin­zips. Für die Mit­glied­staa­ten fin­det sie aus­schlie­ß­lich bei der Durch­füh­rung des Rechts der Uni­on An­wen­dung. In den of­fi­zi­el­len Er­läu­te­run­gen des Kon­vents­vor­stan­des zu Art. 51 GRCh wird auf Art. 6 Abs. 2 EUV ver­wie­sen. Da­nach wer­den durch die Be­stim­mun­gen der Char­ta die in den Ver­trä­gen fest­ge­leg­ten Zu­stän­dig­kei­ten der Uni­on in kei­ner Wei­se er­wei­tert. Es blei­be bei der Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs, dass die Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung der im Rah­men der Uni­on de­fi­nier­ten Grund­rech­te für die Mit­glied­staa­ten nur dann gel­te, wenn sie im An­wen­dungs­be­reich des Uni­ons­rechts han­del­ten (Eu­GH, Ur­teil vom 13. April 2000 - C-292/97 [ECLI:​EU:​C:​2000:​202] - Slg. 2000 I-2737 Rn. 37). So­weit die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land für ih­re Sol­da­ten ei­ne be­son­de­re Dul­dungs­pflicht ge­gen­über Imp­fun­gen in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­an­kert hat, stellt die Kon­kre­ti­sie­rung die­ser mi­li­tä­ri­schen Dul­dungs­pflicht im Hin­blick auf die Co­vid-19-Imp­fung ei­ne rein na­tio­nal-recht­li­che Maß­nah­me dar, die in kei­ner­lei Be­zug zum An­wen­dungs­be­reich des Eu­ro­pa­rechts steht.

225 Im Üb­ri­gen ver­mit­teln die­se eu­ro­päi­schen Grund­rech­te, ins­be­son­de­re die in Art. 1 GRCh ge­schütz­te Men­schen­wür­de und das in Art. 3 Abs. 1 GRCh ge­währ­leis­te­te Recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit, kei­ne über Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG hin­aus­ge­hen­den Rech­te. So­weit in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b und c GRCh spe­zi­el­le Ver­bo­te zu eu­ge­ni­schen Prak­ti­ken und zur Ge­winn­erzie­lung mit mensch­li­chen Kör­per­tei­len ent­hal­ten sind, sind sie of­fen­kun­dig nicht ein­schlä­gig. Der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a GRCh für me­di­zi­ni­sche Be­hand­lun­gen auf­ge­stell­te Grund­satz der frei­en Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen geht über das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ver­an­ker­te kör­per­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht nicht hin­aus. Die­ser Grund­satz un­ter­liegt ei­nem Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ver­gleich­ba­ren Ge­set­zes­vor­be­halt nach Art. 52 Abs. 1 GRCh.

226 b) Auch der Eu­ro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on lässt sich kein ge­ne­rel­les Ver­bot von Impf­pflich­ten ent­neh­men. Das von dem An­trag­stel­ler zi­tier­te Recht auf Le­ben nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EM­RK ist nicht ein­schlä­gig, weil — wie oben aus­ge­führt - kein fi­na­ler Ein­griff in die­ses Rechts­gut vor­liegt. Es wird nur in das Selbst­be­stim­mungs­recht des Ein­zel­nen zwi­schen dem Krank­heits- und dem Impf­ri­si­ko und da­mit zwi­schen zwei Ge­sund­heits- und Le­bens­ri­si­ken ein­ge­grif­fen. Da­her ver­wen­det der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof bei Heil­ein­grif­fen des Staa­tes re­gel­mä­ßig Art. 8 EM­RK als Prü­fungs­maß­stab. Die An­ord­nung ei­ner Impf­pflicht ist da­nach ein Ein­griff in die Ach­tung des Pri­vat­le­bens ge­mäß Art. 8 EM­RK, das die kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit des Ein­zel­nen mit­um­fasst (EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 172 - 186, 261 - 263).

227 Ein sol­cher Ein­griff kann al­ler­dings im Sin­ne des Art. 8 Abs. 2 EM­RK ge­setz­lich vor­ge­se­hen sein, wenn sich dies aus ei­nem Zu­sam­men­wir­ken von Par­la­ments­ge­set­zen (hier: § 17a SG) und mi­nis­te­ri­el­len Ver­ord­nun­gen (hier: Nr. 2001 AR A1-840/8-4000) er­gibt. Es ge­nügt, wenn die Rechts­grund­la­gen in an­ge­mes­se­nen Um­fang zu­gäng­lich und hin­rei­chend be­stimmt for­mu­liert sind (vgl. EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 265 f.).

228 Der Ein­griff muss schlie­ß­lich nach Art. 8 Abs. 2 EM­RK ein be­rech­tig­tes Ziel ver­fol­gen und in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft et­wa zum Schutz der na­tio­na­len Si­cher­heit oder zum Schutz der Rech­te an­de­rer not­wen­dig sein. Da­bei räumt der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te den Mit­glied­staa­ten ei­nen be­son­de­ren Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ("mar­gin of ap­pre­cia­ti­on") ein. Wenn es in­ner­halb der Mit­glied­staa­ten Re­ge­lungs­mo­del­le mit und oh­ne Impf­pflich­ten gibt, sind die je­wei­li­gen Re­gie­run­gen der Mit­glied­staa­ten am bes­ten in der La­ge, die na­tio­na­len Prio­ri­tä­ten und Be­dürf­nis­se zu be­ur­tei­len und sich für das ei­ne oder an­de­re Mo­dell zu ent­schei­den (vgl. EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 277 - 280). In die­sem Sin­ne gibt es auch bei der Impf­pflicht der Sol­da­ten in­ner­halb der eu­ro­päi­schen Staa­ten un­ter­schied­li­che Mo­del­le. Ins­be­son­de­re Frank­reich, Ita­li­en, Grie­chen­land und Lett­land ha­ben wie die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka für ihr Mi­li­tär bzw. für al­le Staats­die­ner ei­ne Co­vid-19-Imp­fung ver­pflich­tend vor­ge­schrie­ben, wäh­rend dies in an­de­ren Staa­ten nicht der Fall ist. Die da­für spre­chen­den, mi­li­tär­fach­li­chen Ar­gu­men­te - je­der­zei­ti­ge mi­li­tä­ri­sche Ein­setz­bar­keit, be­son­de­re Ge­fähr­dungs­la­ge der Sol­da­ten durch räum­lich be­eng­te Zu­sam­men­ar­beit - sind je­den­falls ge­wich­ti­ge Grün­de, die ei­ne Op­ti­on für das Impf­pflicht­mo­dell zu­las­sen.

229 Dem­nach ist die Ein­füh­rung ei­ner Co­vid-19-Impf­pflicht für Sol­da­ten zu­läs­sig, wenn sie sich im Rah­men der vom Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof an­ge­stell­ten Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­er­wä­gun­gen be­wegt. Für die Fra­ge, ob die Impf­pflicht in ei­nem an­ge­mes­se­nen Ver­hält­nis zu den ver­folg­ten Zie­len steht, kommt es un­ter an­de­rem auf die Aus­nah­men bei me­di­zi­ni­schen Kon­tra­in­di­ka­tio­nen, das Feh­len phy­si­schen Zwangs, die An­ge­mes­sen­heit der Sank­tio­nen bei Miss­ach­tung der Impf­pflicht, den ver­fah­rens­recht­li­chen Schutz durch Be­hör­den und Ge­rich­te so­wie die Vor­beu­gung ge­gen Impf­schä­den und die staat­li­che Haf­tung bei Impf­schä­den an (vgl. EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 290 ff.). In die­ser Hin­sicht wahrt die ge­setz­li­che Impf­pflicht des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG — wie be­reits aus­ge­führt — die an­ge­spro­che­nen Stan­dards des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­ho­fes für Men­schen­rech­te.

230 c) Auch das vom Eu­ro­pa­rat in­iti­ier­te "Über­ein­kom­men zum Schutz der Men­schen­rech­te und der Men­schen­wür­de im Hin­blick auf die An­wen­dung von Bio­lo­gie und Me­di­zin" (Über­ein­kom­men über Men­schen­wür­de und Bio­me­di­zin) vom 4. April 1997 ver­mit­telt kei­ne wei­ter­ge­hen­den Rech­te. Zum ei­nen ist es bis­lang nur von we­ni­gen Mit­glied­staa­ten und ins­be­son­de­re nicht von der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land un­ter­zeich­net wor­den (vgl. Lin­de­mann, in: Hil­gen­dorf/Kud­lich/Va­le­ri­us, Hand­buch des Straf­rechts, Band 6, 1. Aufl. 2022, Me­di­zi­ni­sche For­schung, I Rn. 7). Zum an­de­ren schreibt Art. 5 Abs. 1 die­ser Bio­me­di­zin-Kon­ven­ti­on zwar für je­de In­ter­ven­ti­on im Ge­sund­heits­be­reich ei­ne aus­rei­chen­de Auf­klä­rung und die freie Ein­wil­li­gung des Be­trof­fe­nen vor. Art. 26 Abs. 1 der Bio­me­di­zin-Kon­ven­ti­on lässt je­doch ei­ne Ein­schrän­kung die­ses Rechts durch Maß­nah­men zu, die in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft für die öf­fent­li­che Si­cher­heit, die öf­fent­li­che Ge­sund­heit oder zum Schutz der Rech­te und Frei­hei­ten an­de­rer not­wen­dig sind. Da­mit ver­mit­telt sie bei der ge­setz­li­chen An­ord­nung von Impf­pflich­ten kei­ne über Art. 8 Abs. 2 EM­RK hin­aus­ge­hen­den Rech­te.

231 d) Die Dul­dungs­pflicht für Co­vid-19-Schutz­imp­fun­gen ver­letzt auch nicht des­we­gen all­ge­mei­ne Re­geln des Völ­ker­rechts im Sin­ne des Art. 25 GG, weil sie der Re­so­lu­ti­on 2361 der Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­ra­tes vom 27. Ja­nu­ar 2021 wi­der­spricht. Der An­trag­stel­ler weist zwar zu Recht dar­auf hin, dass die Par­la­men­ta­ri­sche Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­rats über die Co­vid-19-Imp­fung be­ra­ten und den Mit­glied­staa­ten un­ter Nr. 7.3.1 und 7.3 .2 die­ser Re­so­lu­ti­on na­he­ge­legt hat, al­le Bür­ger dar­über zu in­for­mie­ren, dass die Imp­fung kei­ne Pflicht ist. Nie­mand sol­le durch po­li­ti­schen, so­zia­len oder sons­ti­gen Druck zu ei­ner Imp­fung ge­nö­tigt wer­den. Hier­bei han­delt es sich je­doch — wie be­reits die Über­schrift der Re­so­lu­ti­on "Co­vid-19-Imp­fun­gen: ethi­sche, ge­setz­ge­be­ri­sche und prak­ti­sche Über­le­gun­gen" — um ei­ne rein po­li­ti­sche Hand­lungs­emp­feh­lung. Es liegt al­so kein Recht­set­zungs­akt der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Eu­ro­pa­rats vor und da­mit auch kei­ne ver­bind­li­che Re­gel des Völ­ker­rechts.

232 e) Schlie­ß­lich ver­fängt auch der Hin­weis des An­trag­stel­lers auf die "All­ge­mei­ne Er­klä­rung über Bio­ethik und Men­schen­rech­te", die am 19. Ok­to­ber 2005 von der UNESCO-Ge­ne­ral­kon­fe­renz ver­ab­schie­det wor­den ist, nicht. Hier­bei han­delt es sich schon vom Wort­laut her um ei­ne rein ap­pel­la­ti­ve Er­klä­rung, die den Mit­glied­staa­ten der Ver­ein­ten Na­tio­nen die Schaf­fung be­stimm­ter ge­setz­li­cher Re­ge­lun­gen na­he­legt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Buchst. a der Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on). Ei­ne völ­ker­recht­li­che Ver­bind­lich­keit hat die­se De­kla­ra­ti­on schon des­we­gen nicht, weil ge­mäß Art. 25 VN-Char­ta nur Be­schlüs­se des UN-Si­cher­heits­rats bin­den­de Wir­kung ha­ben (vgl. Ruf­fert/Wal­ter, In­sti­tu­tio­na­li­sier­tes Völ­ker­recht, 2. Aufl. 2015, Rn. 90). Im Üb­ri­gen for­dert Art. 6 der Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on die Mit­glied­staa­ten der Ver­ein­ten Na­tio­nen zwar auf, das Prin­zip der in­for­mier­ten Ein­wil­li­gung zur Grund­la­ge je­der prä­ven­ti­ven me­di­zi­ni­schen In­ter­ven­ti­on zu ma­chen. Die­ses Prin­zip soll je­doch nicht aus­nahms­los gel­ten. Viel­mehr wer­den Aus­nah­me­re­ge­lun­gen im In­ter­es­se der öf­fent­li­chen Si­cher­heit und öf­fent­li­chen Ge­sund­heit so­wie der Rech­te an­de­rer in Art. 27 der Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on ex­pli­zit für zu­läs­sig ge­hal­ten. Da­mit ver­folgt die Bio­ethik-De­kla­ra­ti­on der UNESCO kei­ne Re­ge­lungs­vi­si­on, die über Art. 8 Abs. 2 EM­RK und die Bio­ethik-Kon­ven­ti­on des Eu­ro­pa­ra­tes hin­aus­geht. Im In­ter­es­se der öf­fent­li­chen Si­cher­heit an­ge­ord­ne­te ge­setz­li­che Impf­pflich­ten für Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten sind da­durch nicht aus­ge­schlos­sen.

233 f) Auch das Fol­ter­ver­bot des Art. 7 Satz 2 des In­ter­na­tio­na­len Pak­tes über bür­ger­li­che und po­li­ti­sche Rech­te (IP­bür­gR) vom 19. De­zem­ber 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) ist nicht be­rührt. Nach die­ser Vor­schrift darf nie­mand der Fol­ter oder grau­sa­mer, un­mensch­li­cher oder er­nied­ri­gen­der Be­hand­lung oder Stra­fe un­ter­wor­fen wer­den. Ins­be­son­de­re darf nie­mand oh­ne sei­ne frei­wil­li­ge Zu­stim­mung me­di­zi­ni­schen oder wis­sen­schaft­li­chen Ver­su­chen un­ter­wor­fen wer­den. Die­ses von dem An­trag­stel­ler zi­tier­te Ver­bot der zwangs­wei­sen Durch­füh­rung me­di­zi­ni­scher Ex­pe­ri­men­te hat sei­nen his­to­ri­schen Hin­ter­grund in den grau­sa­men Me­di­zin­ex­pe­ri­men­ten deut­scher KZ-Ärz­te (Dr. Men­ge­le u. a.) vor und wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs. Es be­trifft — wie das Wort "ins­be­son­de­re" am An­fang des zwei­ten Sat­zes der Vor­schrift zeigt — die Miss­hand­lung von Ge­fan­ge­nen und de­ren er­nied­ri­gen­de Be­hand­lung durch me­di­zi­ni­sche Ex­pe­ri­men­te. Die­ser Fall liegt schon des­we­gen nicht vor, weil es bei der Impf­pflicht der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nicht um die Miss­hand­lung Ge­fan­ge­ner, son­dern um die An­wen­dung ei­nes zu­ge­las­se­nen Me­di­ka­ments zum Zwe­cke der Vor­beu­gung ge­gen die Co­vid-19-Er­kran­kung geht.

234 g) Nichts an­de­res gilt für den von dem An­trag­stel­ler mehr­fach zi­tier­ten "Nürn­ber­ger Ko­dex". Er ist in der Ur­teils­be­grün­dung des Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zes­ses am 20. Au­gust 1947 auf­ge­stellt wor­den und ent­hält zehn welt­weit an­er­kann­te Grund­sät­ze für die Durch­füh­rung me­di­zi­ni­scher Ver­su­che (Text in Mit­scher­lich/Miel­ke, Me­di­zin oh­ne Mensch­lich­keit. Do­ku­men­te des Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zes­ses, 1960, S. 272 f.). Es ist un­strei­tig, dass das Ur­teil im Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zess und die dar­in als "Nürn­ber­ger Ko­dex" be­kannt ge­wor­de­nen Grund­sät­ze recht­li­che Re­le­vanz im Rah­men des gel­ten­den Völ­ker­straf­rechts ha­ben, so­weit es um die Fra­ge geht, wann die Durch­füh­rung von me­di­zi­ni­schen Ex­pe­ri­men­ten an Ge­fan­ge­nen oder aus ras­sis­ti­schen, eth­ni­schen oder re­li­giö­sen Grün­den Ver­folg­ten ein Ver­bre­chen ge­gen die Mensch­lich­keit dar­stellt (nä­her Ki­ri­a­ka­ki, ZStW 2006, S. 229 ff.). Die­se in Art. 8 IGH-Sta­tut an­ge­spro­che­nen und völ­ker­ge­wohn­heits­recht­lich an­er­kann­ten Fäl­le der men­schen­rechts­wid­ri­gen Miss­hand­lung von Ge­fan­ge­nen und Ver­folg­ten lie­gen of­fen­sicht­lich nicht vor.

235 So­weit es au­ßer­halb die­ses völ­ker­straf­recht­li­chen An­wen­dungs­be­reichs um me­di­zi­ni­sche Ver­su­che an frei­en Bür­gern bei der phar­ma­ko­lo­gi­schen Me­di­ka­men­te­ner­pro­bung geht, wird der Nürn­ber­ger Ko­dex zwar eben­falls als ethi­sche Leit­li­nie an­ge­se­hen und durch an­de­re ethi­sche Leit­li­ni­en, ins­be­son­de­re die 1964 erst­mals vom Welt­ärz­te­bund ver­ab­schie­de­te De­kla­ra­ti­on von Hel­sin­ki über ethi­sche Grund­sät­ze für die For­schung am Men­schen er­gänzt. Me­di­zi­nethi­sche Pos­tu­la­te sind aber nicht gel­ten­des Recht oder völ­ker­recht­li­ches Ge­wohn­heits­recht. Viel­mehr ha­ben die ein­zel­nen Staa­ten und Staa­ten­ver­bün­de in die­sem Be­reich ih­re ei­ge­nen, teil­wei­se von den ge­nann­ten me­di­zi­nethi­schen For­de­run­gen in­spi­rier­te, teil­wei­se da­von ab­wei­chen­de ge­setz­li­che Re­geln ge­schaf­fen. Die­se in­ner­staat­li­chen Ge­set­ze ent­hal­ten die da­für ma­ß­geb­li­chen rechts­ver­bind­li­chen Vor­ga­ben. In die­sem Be­reich der zi­vi­len phar­ma­ko­lo­gi­schen For­schung fehlt es zwar nicht un­be­dingt an über­ein­stim­men­den Rechts­grund­sät­zen, aber an der für Völ­ker­ge­wohn­heits­recht oder Rechts­grund­sät­ze des Völ­ker­rechts not­wen­di­gen Über­zeu­gung ei­ner völ­ker­recht­li­chen Ver­pflich­tung (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 3. Ju­li 2019 - 2 BvR 824/15 u. a. - NJW 2019, 2761 Rn. 32 f. m. w. N.). Denn die in­ner­halb der ein­zel­nen Staa­ten durch­ge­führ­ten For­schungs­vor­ha­ben ha­ben kei­ne be­son­de­re zwi­schen­staat­li­che Re­le­vanz, so­dass für den Be­reich der zi­vi­len phar­ma­ko­lo­gi­schen For­schung ei­ne Über­zeu­gung von der völ­ker­recht­li­chen Ver­pflich­tung durch den "Nürn­ber­ger Ko­dex" nicht ent­stan­den und nicht an­er­kannt ist (vgl. Stel­lung­nah­me der Bun­des­re­gie­rung in BT-Drs. 18/10443 S. 44 oh­ne Be­grün­dung).

236 Im Üb­ri­gen wä­ren die Grund­sät­ze des "Nürn­ber­ger Ko­dex" auch nicht ver­letzt. Denn das Ge­bot, dass ein me­di­zi­ni­scher Ver­such der frei­en Zu­stim­mung des Be­trof­fe­nen be­darf, ist nicht be­rührt. Die Durch­füh­rung von Imp­fun­gen mit arz­nei­mit­tel­recht­lich zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fen ist an­ders, als der An­trag­stel­ler meint, ge­ra­de kein me­di­zi­ni­sches Ex­pe­ri­ment. Die von der Bun­des­wehr zum Ein­satz vor­ge­se­he­nen mRNA-Impf­stof­fe sind von der Eu­ro­päi­schen Arz­nei­mit­tel-Agen­tur (EMA) nach ein­ge­hen­der Prü­fung zu­ge­las­sen wor­den und vor ih­rer Zu­las­sung an tau­sen­den frei­wil­li­gen Ver­suchs­per­so­nen ge­tes­tet und auf mög­li­che Ne­ben­wir­kun­gen un­ter­sucht wor­den. Der Ein­satz die­ser Impf­stof­fe in der Bun­des­wehr dient nicht der ex­pe­ri­men­tel­len Er­for­schung der Impf­stof­fe, son­dern al­lein dem In­fek­ti­ons­schutz der Be­trof­fe­nen und ih­rer mi­li­tä­ri­schen Ver­bän­de. Den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr wird ge­ra­de nicht oh­ne de­ren Zu­stim­mung das be­son­ders ho­he Ri­si­ko der erst­ma­li­gen An­wen­dung ei­nes neu­en Me­di­ka­ments am Men­schen auf­er­legt. Viel­mehr wer­den sie mit be­reits ent­spre­chend eva­lu­ier­ten Impf­stof­fen be­han­delt. Von ei­nem Me­di­zin­ver­such kann da­her nicht ge­spro­chen wer­den. So­weit die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on den Her­stel­lern der mRNA-Impf­stof­fe im Rah­men ih­rer be­ding­ten Zu­las­sun­gen wei­te­re Kon­troll­un­ter­su­chun­gen auf­er­legt hat, dient dies der fort­lau­fen­den Über­wa­chung und Ver­bes­se­rung der Impf­stoff­si­cher­heit.

237 h) Of­fen­sicht­lich nicht ein­schlä­gig ist das Über­ein­kom­men über das Ver­bot der Ent­wick­lung, Her­stel­lung und La­ge­rung bak­te­rio­lo­gi­scher (bio­lo­gi­scher) Waf­fen und von To­xin­waf­fen so­wie über die Ver­nich­tung sol­cher Waf­fen (BWÜ) vom 10. April 1972. Zwar ist auch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die­ser am 26. März 1975 in Kraft ge­tre­te­nen UN-Kon­ven­ti­on bei­ge­tre­ten. Nach Art. 1 Nr. 1 BWÜ be­zieht sich das Ent­wick­lungs- und Her­stel­lungs­ver­bot von mi­kro­bio­lo­gi­schen oder an­de­ren bio­lo­gi­schen Agen­zi­en aber nicht auf Ar­ten und Men­gen, die durch Vor­beu­gungs-, Schutz- oder sons­ti­ge fried­li­che Zwe­cke ge­recht­fer­tigt sind. Die Her­stel­lung von Impf­stof­fen ge­gen Co­vid-19 dient je­doch dem fried­li­chen Zweck der Ver­hü­tung ei­ner in der Zi­vil­be­völ­ke­rung ver­brei­te­ten Er­kran­kung, wes­we­gen die­se Impf­stof­fe auch nicht als Bio­waf­fen be­zeich­net wer­den kön­nen.

238 i) Er­kenn­bar oh­ne recht­li­che Re­le­vanz für den vor­lie­gen­den Fall sind schlie­ß­lich die vom An­trag­stel­ler vor­ge­tra­ge­nen Flug­si­cher­heits­ar­gu­men­te. So­weit er mit dem zum Schutz vor An­grif­fen auf die zi­vi­le Luft­fahrt er­las­se­nen Luft­si­cher­heits­ge­setz ar­gu­men­tiert, die Zu­ver­läs­sig­keits­prü­fung für al­le im zi­vi­len Luft­ver­kehr be­schäf­tig­ten Per­so­nen an­spricht und auf die Ab­erken­nung der Zu­ver­läs­sig­keit bei Me­di­ka­men­ten­ab­hän­gig­keit und -miss­brauch nach § 7 Abs. 1a Satz 3, 4 Nr. 4 Luft­SiG hin­weist, ist die­se Re­ge­lung of­fen­sicht­lich für ihn nicht ein­schlä­gig. Der An­trag­stel­ler ist we­der in der zi­vi­len Luft­fahrt be­schäf­tigt noch wird er durch die Ver­pflich­tung zur Dul­dung ei­ner Co­vid-19-Schutz­imp­fung zu Me­di­ka­men­ten­miss­brauch an­ge­hal­ten.

239 Oh­ne Ein­fluss auf die Rechts­stel­lung des An­trag­stel­lers ist auch das völ­ker­recht­lich ver­bind­li­che Ab­kom­men über die zi­vi­le Luft­fahrt (Chi­ca­go­er Ab­kom­men) vom 7. De­zem­ber 1944 (BGBl. 1956 II S. 411) in sei­ner ak­tu­ell gel­ten­den Fas­sung. Dass im An­nex I die­ses Ab­kom­mens an Pi­lo­ten bei der Aus­übung ih­rer Flug­li­zenz be­son­de­re me­di­zi­ni­sche An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den, be­trifft den An­trag­stel­ler nicht, weil er we­der in der zi­vi­len Luft­fahrt tä­tig noch als Pi­lot in der Bun­des­wehr ein­ge­setzt ist. Aus den glei­chen Grün­den be­tref­fen ihn die Be­stim­mun­gen der "Ver­ord­nung (EU) Nr. 1178/2011 der Kom­mis­si­on vom 3. No­vem­ber 2011 zur Fest­le­gung tech­ni­scher Vor­schrif­ten und von Ver­wal­tungs­ver­fah­ren in Be­zug auf das flie­gen­de Per­so­nal in der Zi­vil­luft­fahrt ge­mäß der Ver­ord­nung (EG) Nr. 216/2008 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes" (ABl. L 311 vom 25. No­vem­ber 2011, S. 1) nicht.

240 Im Üb­ri­gen folgt auch aus An­nex I Ka­pi­tel 6.2.2.d) des Chi­ca­go­er Ab­kom­mens und den na­he­zu wort­glei­chen Be­stim­mun­gen der zi­tier­ten EU-Ver­ord­nung nur, dass Pi­lo­ten frei sein müs­sen von je­der Wir­kung oder Ne­ben­wir­kung ei­nes ver­schrie­be­nen oder nicht ver­schrie­be­nen, the­ra­peu­ti­schen, dia­gnos­ti­schen oder prä­ven­ti­ven Me­di­ka­ments; ma­ß­geb­lich ist ein Grad an Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung, der vor­aus­sicht­lich die si­che­re Steue­rung ei­nes Flug­zeugs oder die si­che­re Pflicht­er­fül­lung ein­schrän­ken wür­de. Die­se Re­ge­lung schlie­ßt ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung er­kenn­bar nicht aus, weil da­mit in al­ler Re­gel kei­ne dau­er­haf­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen ver­bun­den sind. Dem­entspre­chend emp­fiehlt auch die Eu­ro­päi­sche Flug­si­cher­heits­be­hör­de (Eu­rope­an Uni­on Avia­ti­on Safe­ty Agen­cy - EA­SA) ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung von Pi­lo­ten und for­dert le­dig­lich, dass nach je­der Imp­fung ei­ne Über­wa­chungs­zeit von 48 Stun­den bis zum nächs­ten Flug ein­ge­hal­ten wird (EA­SA, Safe­ty In­for­ma­ti­on Bul­le­tin vom 25. März 2021, Nr. 2021-06 S. 2). So­weit in der Wis­sen­schaft un­ter Ver­weis auf nicht kon­kre­ti­sier­te flug­me­di­zi­ni­sche For­schungs­de­fi­zi­te ver­ein­zelt Ge­gen­tei­li­ges ver­tre­ten wird (vgl. Gi­e­mul­la, ZLW 2022, S. 175 <193>), ver­mag dies die Über­zeu­gungs­kraft der amt­li­chen Ein­schät­zung der in­so­weit sach­ver­stän­di­gen Flug­si­cher­heits­be­hör­de nicht zu schwä­chen.

241 10. Ei­ne Be­las­tung des An­trag­stel­lers mit den vor dem Se­nat ent­stan­de­nen Kos­ten kommt nicht in Be­tracht, da die Vor­aus­set­zun­gen des § 20 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vor­lie­gen.

Be­schluss vom 05.10.2022 -
BVer­wG 1 WB 48.22ECLI:DE:BVer­wG:2022:051022B1W­B48.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 48.22

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts durch
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Prof. Dr. Bur­meis­ter,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Hen­ke
am 5. Ok­to­ber 2022 be­schlos­sen:

  1. 1. Das ge­gen den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt A, die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt B und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt C ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such wird ver­wor­fen.
  2. 2. Das ge­gen die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter D und E ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such wird ver­wor­fen und das ge­gen die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt F, den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt G und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt H ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such zu­rück­ge­wie­sen.

Grün­de

I

1 1. Das ge­gen die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter D und E so­wie ge­gen die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt F, den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt G und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt H ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such des Sol­da­ten ist ge­stellt in dem seit dem 18. Ju­li 2022 an­hän­gi­gen An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­ren, das sich auf das vom 1. Wehr­dienst­se­nat am 7. Ju­li 2022 in die­ser Be­set­zung ent­schie­de­ne Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren - 1 WB 2.22 – (Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren) be­zieht.

2 2. In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren war der An­trag des Sol­da­ten, die Pflicht zur Dul­dung der CO­VID-19-Imp­fung zu stop­pen und ei­ne sach­ge­rech­te Ent­schei­dung zu tref­fen, die der Mensch­lich­keit ent­spre­che, zu­rück­ge­wie­sen wor­den. Die Ent­schei­dungs­grün­de lie­gen noch nicht schrift­lich vor. Die münd­li­che Ent­schei­dungs­be­grün­dung ist in ih­ren Grund­zü­gen der Pres­se­mit­tei­lung Nr. 44/2022 des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 7. Ju­li 2022 zu ent­neh­men.

3 3. Zur Be­grün­dung des Ab­leh­nungs­ge­suchs lässt der an­walt­lich ver­tre­te­ne Sol­dat im We­sent­li­chen vor­tra­gen:

4 a) Das Ab­leh­nungs­ge­such rich­te sich auch ge­gen die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter, selbst wenn sie im An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­ren nicht zu be­tei­li­gen sei­en. Denn sie sei­en bei ei­ner Fort­set­zung des Ver­fah­rens glei­cher­ma­ßen mit dem bö­sen Schein be­haf­tet, den Rechts­streit nicht mehr ob­jek­tiv zu ent­schei­den. Die An­hö­rungs­rü­ge blei­be als An­nex Teil der Haupt­sa­che und füh­re wie­der zu ihr zu­rück, wes­halb auch über die Be­fan­gen­heit der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter zu be­fin­den sei. Zu­dem sei das Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren noch nicht be­en­det, weil kei­ne schrift­li­chen Ent­schei­dungs­grün­de vor­lä­gen.

5 b) Die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit er­ge­be sich dar­aus, dass die ab­ge­lehn­ten Rich­ter sei­ne Wehr­be­schwer­de mit ei­ner Be­grün­dung ab­ge­wie­sen hät­ten, die ei­ne höchst will­kür­li­che Be­fas­sung mit sei­nem Vor­trag und den Er­geb­nis­sen der Be­weis­auf­nah­me zei­ge. Es sei - an­ge­sichts zahl­rei­cher, im In­ter­net ab­ruf­ba­rer Er­kennt­nis­se, auf die er­neut ver­wie­sen wer­de – "un­fass­bar", dass sich die ab­ge­lehn­ten Rich­ter über ein­deu­ti­ge Be­fun­de so­wie ge­setz­li­che Vor­ga­ben hin­weg­ge­setzt hät­ten. Kein Mensch kön­ne "noch ernst­haft de­men­tie­ren", dass CO­VID-19-In­jek­tio­nen mit er­heb­li­chen Ri­si­ken für Le­ben und Ge­sund­heit der Ge­impf­ten ver­bun­den sei­en, die sich schon hun­dert­tau­send­fach rea­li­siert hät­ten. Die Be­fra­gung der Ex­per­ten des Ro­bert Koch In­sti­tuts (RKI) und des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts (PEI) ha­be über­deut­lich be­stä­tigt, dass de­ren Ar­beits­wei­se ge­setz­li­che Pflich­ten ver­let­ze und teil­wei­se so man­gel­haft und stüm­per­haft or­ga­ni­siert sei, dass sie der Öf­fent­lich­keit kei­ne va­li­den Da­ten ge­lie­fert hät­ten, auf die man ei­ne Impf­pflicht stüt­zen kön­ne. Die­se "in­sti­tu­tio­na­li­sier­te Täu­schung" sei of­fen­sicht­lich; zu­dem lie­ge ei­ne neue Me­ta-Stu­die vor, die die weit­ge­hen­de Wir­kungs­lo­sig­keit von CO­VID-19-Imp­fun­gen auch ge­gen frü­he­re Va­ri­an­ten be­le­ge.

6 Den Se­nat ha­be dies nicht an­satz­wei­se in­ter­es­siert und er ha­be dem über 1 000 Sei­ten (nebst An­la­gen) um­fas­sen­den Vor­trag in Wahr­heit kein Ge­hör ge­schenkt, son­dern "bloß ein po­li­ti­sches Glau­bens- und Treue­be­kennt­nis" be­kannt ge­ge­ben. Die Se­nats­ent­schei­dung sei ein un­er­träg­li­cher rich­ter­li­cher Will­kür­akt, weil es kei­ne Pflicht zur Auf­op­fe­rung des ei­ge­nen Le­bens für an­de­re, kei­ne Pflicht, ge­sund­heit­li­che Schä­den hin­neh­men zu müs­sen, um an­de­re an­geb­lich zu schüt­zen, und kein Recht ei­nes Drit­ten ge­be, dar­über be­fin­den zu dür­fen. Er­läu­te­run­gen des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ters zur To­des­ge­fahr lie­ßen Ge­dan­ken zum Schieß­be­fehl in der DDR auf­kom­men. Al­lein aus po­li­ti­schen Grün­den sei­en von den Rich­tern sämt­li­che pro­zes­sua­le Rechts­grund­sät­ze zur Be­weis­wür­di­gung über Bord ge­wor­fen wor­den, um der Be­schwer­de­geg­ne­rin beim Voll­zug ih­res Gen­ex­pe­ri­ments an der ge­sam­ten Bun­des­wehr zu hel­fen. Die Igno­ranz des Se­nats sei der­art per­fi­de, dass sich der Sol­dat für die recht­spre­chen­de Ge­walt schä­me. Die Exe­ku­ti­ve ha­be au­gen­schein­lich ei­ne der­ar­ti­ge Do­mi­nanz, dass die Jus­tiz und mut­ma­ß­lich auch der Se­nat "an die Wand ge­drückt" wor­den sei­en. Seit der Wehr­be­schwer­de­ent­schei­dung wüss­ten al­le Sol­da­ten, dass nicht mehr das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung für Ge­sund­heits­schä­den und To­te bei der Bun­des­wehr ver­ant­wort­lich sei, son­dern der Se­nat. Seit­her sei auch nicht mehr an die sach­li­che Un­ab­hän­gig­keit der Rich­ter und ei­ne ef­fek­ti­ve Ge­wal­ten­tei­lung zu glau­ben.

7 Von vie­len Kri­ti­kern wer­de die "Impf"-Kam­pa­gne als gro­ßes me­di­zi­ni­sches Ver­bre­chen be­zeich­net. Es sei nur ei­ne Fra­ge der Zeit, bis sich Ex­per­ten wie ... vor ei­nem Straf­ge­richt ver­ant­wor­ten müss­ten. Die Ex­per­tin ... ha­be ihm schon am zwei­ten Ver­hand­lungs­tag "um die Oh­ren ge­hau­en", er hät­te früh­zei­tig er­ken­nen müs­sen, dass den Sol­da­ten mit den CO­VID-19-In­jek­tio­nen ei­ne "Bio­waf­fe" in die Blut­bah­nen ge­spritzt wer­de. Es sei auch längst of­fi­zi­ell, dass sich die Füh­rung der Bun­des­wehr ger­ne trans­hu­ma­nis­ti­schen Phan­ta­si­en, al­so der Ver­bin­dung von Mensch und Ma­schi­ne, hin­ge­be. Für ei­nen gläu­bi­gen Men­schen sei­en al­le ge­ne­ti­schen Ein­grif­fe in die Schöp­fung in­des sa­ta­ni­scher Na­tur. Die Ver­hand­lung im Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren müs­se auch des­halb fort­ge­setzt wer­den, da­mit die Be­schwer­de­geg­ne­rin sich da­zu er­klä­re, ob die Durch­set­zung der CO­VID-19-In­jek­tio­nen in Wahr­heit nicht bloß der Durch­set­zung ei­ner Ko­hor­ten­stu­die mit ei­ner Bio­waf­fe die­ne.

8 Der Se­nat ha­be in sei­ner münd­li­chen Ent­schei­dungs­be­grün­dung kein schlüs­si­ges Ge­gen­ar­gu­ment ge­lie­fert. Viel­mehr ha­be der Vor­sit­zen­de Rich­ter kom­plett los­ge­löst von dem ein­deu­ti­gen Wort­laut des § 17a Abs. 4 SG ir­gend­et­was über Fra­gen der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit "fa­bu­liert", wo­nach die­se In­jek­tio­nen im Hin­blick auf die da­mit ver­bun­de­ne Ziel­set­zung und un­ter Be­rück­sich­ti­gung der be­son­de­ren Um­stän­de bei der Bun­des­wehr ver­hält­nis­mä­ßig sei­en. Da­mit sei nicht nur ge­gen den Ge­set­zes­wort­laut, son­dern auch ge­gen das Zi­tier­ge­bot ver­sto­ßen wor­den, weil durch die Imp­fung in das Recht auf Le­ben ein­ge­grif­fen wer­de. Des Wei­te­ren sei­en un­ter Ver­stoß ge­gen den Grund­satz des ge­setz­li­chen Rich­ters be­stimm­te Fra­gen nicht dem Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt wor­den.

9 Hin­zu kom­me, dass der Vor­sit­zen­de Rich­ter - für je­den Pro­zess­be­ob­ach­ter er­kenn­bar - er­sicht­lich sehr be­müht ge­we­sen sei, die Be­fra­gung der Ver­tre­ter des RKI und PEI durch die Be­voll­mäch­tig­ten und de­ren Sach­ver­stän­di­gen zu be­hin­dern. Ein Pro­zess­be­ob­ach­ter wol­le so­gar be­ob­ach­tet ha­ben, dass der Vor­sit­zen­de wäh­rend der Be­fra­gung des Ver­tre­ters des RKI von die­sem mit Hand­zei­chen dar­um ge­be­ten wor­den sei, ein­zu­grei­fen, was auch ge­sche­hen sei. Der Vor­sit­zen­de ha­be das Wort er­grif­fen und er­klärt, dass die­se Fra­gen doch schon be­ant­wor­tet sei­en. Den Pro­zess­be­ob­ach­ter na­ment­lich zu be­nen­nen, ver­bie­te die Ge­fahr, dass die­ser da­durch Nach­tei­le zu be­fürch­ten ha­be.

10 Bei den der Pres­se­mit­tei­lung zu ent­neh­men­den Ent­schei­dungs­grün­den drän­ge sich der Ver­dacht der Rechts­beu­gung auf. Dies er­klä­re auch, wes­halb der Se­nat es nicht ver­mocht ha­be, die ge­setz­li­chen Tat­be­stands­merk­ma­le prä­zi­se in die Ent­schei­dungs­grün­de zu gie­ßen. Es mö­ge zwar sein, dass das ein oder an­de­re Se­nats­mit­glied sich ge­wei­gert ha­be, an dem Akt der Rechts­beu­gung teil­zu­neh­men; je­doch ha­be es si­cher "nicht an der Ver­ge­wal­ti­gung des Rechts in Form der Rechts­beu­gung mit­zu­wir­ken".

11 Dass im Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren kei­ne Ab­leh­nungs­ge­su­che ge­stellt wor­den sei­en, er­klä­re sich mit pro­zess­stra­te­gi­schen Er­wä­gun­gen, un­ter an­de­rem da­mit, dass das Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren von dem Se­nat in letz­ter In­stanz ent­schie­den wor­den und er zu ei­ner An­hö­rung von Sach­ver­stän­di­gen be­reit ge­we­sen sei. Dies än­de­re nichts dar­an, dass Ab­leh­nungs­ge­su­che nicht nur auf­grund der recht will­kür­li­chen Ab­leh­nung zahl­rei­cher Be­weis­an­trä­ge und Be­weis­an­re­gun­gen hät­ten ge­stellt wer­den kön­nen. So ha­be der Ver­tre­ter des Bun­des schon am ers­ten Ver­hand­lungs­tag er­klärt, mit dem Vor­sit­zen­den te­le­fo­niert zu ha­ben; dies ha­be die­ser frei­lich de­men­tiert.

12 Da die ab­ge­lehn­ten Rich­ter den ein­deu­ti­gen Er­geb­nis­sen der Be­weis­auf­nah­me und sei­nem um­fang­rei­chen Vor­trag kein Ge­hör ge­schenkt hät­ten, wür­den sie auch künf­tig fak­ten­re­sis­tent und hoch­be­fan­gen agie­ren. Ihr Ver­sa­gen sei "un­ver­zeih­lich" und dür­fe sich im An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­ren nicht wie­der­ho­len.

13 c) Ein sol­ches Ver­hal­ten ste­he auch we­gen der Um­stän­de der Ent­schei­dungs­ver­kün­dung zu be­fürch­ten; ins­be­son­de­re die Mit­tei­lung des Vor­sit­zen­den vom 3. Au­gust 2022 do­ku­men­tie­re Igno­ranz und Will­kür.

14 Nach­weis­lich sei am 7. Ju­li 2022 be­reits um 6:48 Uhr von FO­CUS-On­line die Wehr­be­schwer­de­ent­schei­dung on­line ein­ge­stellt wor­den, ob­wohl de­ren Ver­kün­dung erst um 11 Uhr er­folgt sei. Da­mit lie­ge na­he, dass Se­nats­mit­glie­der oder Drit­te In­for­ma­tio­nen zum Ver­fah­rens­aus­gang wei­ter­ge­ge­ben hät­ten, um je­der Dis­kus­si­on früh­zei­tig ein En­de zu be­rei­ten. Der po­li­ti­sche Druck sei au­gen­schein­lich zu groß ge­wor­den.

15 Auf die Auf­for­de­rung, Stel­lung­nah­men der be­tei­lig­ten Rich­ter zur Fra­ge ein­zu­ho­len, ob und mit wel­chen Per­so­nen sie au­ßer­halb des Se­nats in der Zeit vom 6. Ju­li 2022 um 18 Uhr bis zur Ver­kün­dung der Ent­schei­dung am 7. Ju­li 2022 um 11 Uhr über das Ver­fah­ren ge­spro­chen hät­ten, ha­be der Vor­sit­zen­de un­zu­tref­fend mit­ge­teilt, der FO­CUS-On­line-Ar­ti­kel sei nicht be­reits um 6:48 Uhr ein­ge­stellt ge­we­sen, es han­de­le sich um ei­nen fal­schen Zeit­s­tem­pel. Dar­über hin­aus sei nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die In­for­ma­tio­nen auch aus Mi­nis­te­ri­en ge­kom­men sei­en, die nach ih­rer Ein­fluss­nah­me und der Be­stä­ti­gung, dass die Ent­schei­dung wie von ih­nen ge­wünscht er­ge­he, die Pres­se in­for­miert hät­ten. Dass es zu die­sen Fra­gen kei­ne rich­ter­li­chen Stel­lung­nah­men ge­ben sol­le, stei­ge­re die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit.

16 Es sei nicht nach­voll­zieh­bar, war­um sich der Se­nat nicht mit den ein­deu­ti­gen Fak­ten aus­ein­an­der­set­ze und dar­aus die not­wen­di­gen Schluss­fol­ge­run­gen zie­he. Da­nach müs­se min­des­tens ein Mit­glied des Se­nats schon am Abend des 6. Ju­li 2022 mit ei­ner au­ßen­ste­hen­den Per­son Kon­takt auf­ge­nom­men und mit ihr über den Aus­gang des Ver­fah­rens ge­spro­chen ha­ben. Da­bei sei ir­rele­vant, ob die In­itia­ti­ve zu die­sem Kon­takt von ei­nem Au­ßen­ste­hen­den oder Se­nats­mit­glie­dern aus­ge­gan­gen sei. Die Be­reit­schaft ei­nes Rich­ters, sich vor ei­ner ab­schlie­ßen­den Ab­stim­mung mit Au­ßen­ste­hen­den über ei­ne Rechts­sa­che bzw. den Be­ra­tungs­stand zu un­ter­hal­ten, be­le­ge des­sen Be­fan­gen­heit. Das Be­ra­tungs­ge­heim­nis sei kein Frei­brief für die Ver­let­zung von Dienst­pflich­ten und ver­bie­te kei­ne Auf­klä­rung. § 48 ZPO bil­de - ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung des Vor­sit­zen­den Rich­ters - ei­ne Grund­la­ge da­für, die Se­nats­mit­glie­der da­zu zu be­fra­gen, ob sie im frag­li­chen Zeit­raum mit Drit­ten ins­be­son­de­re über den Stand des Ab­stim­mungs­ver­hal­tens ge­spro­chen hät­ten und es Ein­fluss­nah­men ge­ge­ben ha­be. Da­bei wer­de nicht be­haup­tet, dass ein Se­nats­mit­glied nur mit ei­nem Ver­tre­ter von Fo­cus-On­line ge­spro­chen ha­ben kön­ne; denk­bar sei auch, dass es ei­nen Kon­takt et­wa zu Be­hör­den­ver­tre­tern ge­ge­ben ha­be.

17 Bei fünf Se­nats­mit­glie­dern hän­ge al­les vom Ab­stim­mungs­ver­hal­ten des fünf­ten Rich­ters ab, wenn zwei für und zwei ge­gen den Er­folg der Wehr­be­schwer­de hät­ten stim­men wol­len. Falls am 6. Ju­li 2022 um 18 Uhr noch ei­ne sol­che Kon­stel­la­ti­on be­stan­den ha­be, hät­te es aus­ge­reicht, die­sen fünf­ten Rich­ter nach 18 Uhr zu kon­tak­tie­ren und zu kor­rum­pie­ren, um sein Ab­stim­mungs­ver­hal­ten zum Nach­teil des Sol­da­ten zu ma­ni­pu­lie­ren. Das wür­de vor­aus­set­zen, dass der Stand der Be­ra­tun­gen nach dem 6. Ju­li 2022, 18 Uhr, von zu­min­dest ei­nem Rich­ter an Per­so­nen au­ßer­halb des Se­nats be­kannt ge­ge­ben wor­den sei. So­mit wä­ren zu­min­dest zwei Rich­ter "kom­pro­mit­tiert" wor­den, näm­lich der Rich­ter, der mit Drit­ten über den "un­wil­li­gen" Rich­ter ge­spro­chen ha­be, und der "un­wil­li­ge" Rich­ter, der des­halb von Drit­ten kon­tak­tiert und zur Ab­leh­nung der Be­schwer­den be­ein­flusst wor­den sei.

18 Wenn es be­reits am 6. Ju­li 2022 um 18 Uhr ei­ne Mehr­heit für die Ab­leh­nung der Be­schwer­de ge­ge­ben ha­be, wä­re die­se Ent­schei­dung si­cher­lich schon am sel­ben Tag ver­kün­det wor­den. Soll­te die Ent­schei­dung über den Aus­gang des Wehr­be­schwer­de­ver­fah­rens in Wahr­heit al­so - wor­auf der FO­CUS-On­line-Ar­ti­kel vom 7. Ju­li 2022, 6:48 Uhr zwin­gend schlie­ßen las­se - schon am Abend des 6. Ju­li 2022 ge­fal­len sein und nicht erst auf­grund wei­te­rer Be­ra­tun­gen am 7. Ju­li 2022, ha­be of­fen­sicht­lich zu­min­dest ein Rich­ter schon am Abend des 6. Ju­li 2022 (nach 18 Uhr) ge­wusst, wie die Ent­schei­dung am nächs­ten Ta­ge aus­se­hen wür­de, eben weil er ge­wusst ha­be, wie er dann ent­schei­den wür­de. Dies könn­te der fünf­te Rich­ter ge­we­sen sein, von des­sen Vo­tum der Aus­gang des Ver­fah­rens ab­hän­gig ge­we­sen sei. Mög­li­cher­wei­se sei­en in der Nacht des 6. Ju­li 2022 auch gleich zwei Rich­ter "ge­dreht" wor­den. Sol­che Sach­ver­hal­te könn­ten nur durch in­ter­ne Er­mitt­lun­gen auf­ge­klärt wer­den. Vor die­sem Hin­ter­grund er­klä­re sich auch, dass sich der Ver­tre­ter der An­trags­geg­ne­rin in sei­nem gleich­sam ent­spann­ten Plä­doy­er auf we­ni­ge Phra­sen be­schränkt und den Sach- und Streit­stand nicht mehr ge­wür­digt ha­be.

19 d) Die dienst­li­chen Äu­ße­run­gen der Be­rufs­rich­ter wirk­ten "nur wie Spott­ge­sang". Sie könn­ten un­mög­lich über al­le re­le­van­ten Fra­gen be­ra­ten ha­ben, da sie dann an­trags­ge­mäß hät­ten ent­schei­den müs­sen. Zu­dem kön­ne das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, auf das sich der Se­nat be­zie­he, seit dem Amts­an­tritt des ak­tu­el­len Prä­si­den­ten von kei­nem kri­ti­schen Ju­ris­ten mehr ernst­ge­nom­men wer­den, zu­mal die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Im­pf­licht nicht her­an­ge­zo­gen wer­den kön­ne. Dass die Rich­ter in ih­ren dienst­li­chen Äu­ße­run­gen auf die Be­grün­dun­gen zur An­hö­rungs­rü­ge nicht ein­ge­gan­gen sei­en, be­kräf­ti­ge die Be­sorg­nis ih­rer Be­fan­gen­heit. In Wahr­heit hät­ten sie nur "das po­li­ti­sche In­ter­es­se, das seit März 2020 of­fen­bar nur noch Aus­druck der In­ter­es­sen der Phar­ma­in­dus­trie und ih­re An­teils­eig­ner" sei, be­rück­sich­tigt.

20 4. Un­ter dem 12. Ju­li 2022 hat­te der Vor­sit­zen­de Rich­ter dem Sol­da­ten mit­ge­teilt, auf Rück­fra­ge der Pres­se­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ha­be die FO­CUS-Re­dak­ti­on er­klärt, dass sie den Ent­schei­dungs­te­nor nicht vor­ab ge­kannt ha­be. Es han­de­le sich um ei­nen Ti­cker, der fort­wäh­rend ak­tua­li­siert wer­de. Mög­li­cher­wei­se ha­be an der frag­li­chen Stel­le zu­vor die Vor­ab­mel­dung ("Heu­te soll das Ur­teil fal­len") ge­stan­den, die dann durch die Be­kannt­ga­be der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung er­setzt wor­den sei, oh­ne dass zu­gleich die Uhr­zeit ak­tua­li­siert wor­den sei.

21 Un­ter dem 3. Au­gust 2022 hat­te der Vor­sit­zen­de aus­ge­führt, er kön­ne nur ver­si­chern, dass auch ihm über ei­ne Vor­ab­be­kannt­ga­be der Be­schlüs­se an die Pres­se nichts be­kannt sei. So­weit zum Be­weis des Ge­gen­teils ei­ne Goog­le-Cache Aus­wer­tung ei­nes nicht nä­her ge­nann­ten Ex­per­ten vor­ge­legt wor­den sei, kön­ne und müs­se er nicht dar­über ent­schei­den, ob dem ein be­son­de­rer Be­weis­wert zu­kom­me. Denn ihm sei kei­ne pro­zess­recht­li­che Be­stim­mung be­kannt, die den Vor­sit­zen­den da­zu be­rech­ti­ge, ent­spre­chen­de Er­mitt­lun­gen vor­zu­neh­men. Da er nicht die Dienst­auf­sicht über die Mit­glie­der des Se­nats füh­re, kön­ne er auch nicht die Ab­ga­be dienst­li­cher Stel­lung­nah­men in Aus­sicht stel­len.

22 5. Zu dem Ab­leh­nungs­ge­such ha­ben sich die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt F, der Vor­sit­zen­de Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt G und der Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt H dienst­lich ge­äu­ßert und ih­re Be­fan­gen­heit ver­neint. Al­le ha­ben er­klärt, ins­be­son­de­re an ei­ner et­wai­gen Vorab­in­for­ma­ti­on an die Pres­se nicht be­tei­ligt ge­we­sen zu sein.

II

23 1. Das wei­te­re Ab­leh­nungs­ge­such des Sol­da­ten vom 25. Au­gust 2022 rich­tet sich ge­gen den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt A, die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt B und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt C, die nach Auf­fas­sung des Sol­da­ten über das un­ter I be­schrie­be­ne Ab­leh­nungs­ge­such zu be­fin­den ha­ben. Er lei­tet de­ren Be­fan­gen­heit aus der Be­grün­dung des von ih­nen ge­fass­ten Be­schlus­ses vom 18. Au­gust 2022 ab, mit dem in dem nicht vom Sol­da­ten be­trie­be­nen Ver­fah­ren 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 ein eben­falls ge­gen die haupt­be­ruf­li­chen re­gu­lä­ren Rich­ter des 1. Wehr­dienst­se­nats ge­rich­te­tes Ab­leh­nungs­ge­such zu­rück­ge­wie­sen wor­den war (Be­fan­gen­heits­be­schluss).

24 2. Der Be­fan­gen­heits­be­schluss ge­he voll­kom­men an der Sach-, Be­weis- und Rechts­la­ge vor­bei wie sie im Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren her­aus­ge­ar­bei­tet wor­den sei. Die Be­weis­la­ge in die­sem Ver­fah­ren sei ein­deu­tig ge­we­sen. Die recht­li­chen Er­wä­gun­gen sei­en zwin­gend und lie­ßen - an­ders als im Be­fan­gen­heits­be­schluss un­ter Rand­num­mer 21 an­ge­nom­men - kei­nen Raum für ei­ne von den Tat­be­stän­den des § 17a SG los­ge­lös­te Er­mes­sens- und Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung. Rich­ter, die die Ein­wen­dun­gen ge­gen ei­ne CO­VID-19-Impf­pflicht nicht an­satz­wei­se wi­der­le­gen könn­ten, of­fen­bar­ten im Rah­men ih­rer Ent­schei­dung über ei­nen Be­fan­gen­heits­an­trag Will­kür, wenn sie auf die recht­li­chen Ein­wen­dun­gen mit kei­nem Wort ein­gin­gen. Dies spre­che da­für, dass sie kei­ne Ge­gen­ar­gu­men­te hät­ten. Ei­ne der­art ein­deu­ti­ge und of­fen­sicht­li­che Will­kür sei der bes­te Be­leg für ei­ne per­sön­li­che Vor­ein­ge­nom­men­heit. Die über das Be­fan­gen­heits­ge­such ent­schei­den­den Rich­ter hät­ten in dem Be­fan­gen­heits­be­schluss fak­tisch ihr "to­ta­les Ein­ver­ständ­nis" mit der Wehr­be­schwer­de­ent­schei­dung er­klärt und sei­en von ei­ner Er­mes­sens­ent­schei­dung aus­ge­gan­gen, ob­wohl für die­se nach den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben kein Raum be­stehe.

III

25 1. Der Se­nat ent­schei­det über das un­ter I be­schrie­be­ne Ab­leh­nungs­ge­such oh­ne Mit­wir­kung der Rich­ter des 1. Wehr­dienst­se­nats (§ 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 54 Abs. 1 Vw­GO, § 45 Abs. 1 ZPO).

26 2. Da der 1. Wehr­dienst­se­nat da­durch in Gän­ze nicht mehr be­schluss­fä­hig ist, ha­ben über das Ab­leh­nungs­ge­such ge­mäß C. III. 1. Satz 2 des Ge­schäfts­ver­tei­lungs­pla­nes des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts für das Ge­schäfts­jahr 2022 (Ge­schäfts­ver­tei­lungs­plan) an­stel­le der Be­rufs­rich­ter des 1. Wehr­dienst­se­nats - F, G und H - die Be­rufs­rich­ter des 2. Wehr­dienst­se­nats - G, B so­wie A - zu be­fin­den, wo­bei G als Vor­sit­zen­der auch des 2. Wehr­dienst­se­nats we­gen des Ab­leh­nungs­ge­suchs zu I von der Mit­wir­kung er­neut aus­ge­schlos­sen ist. An sei­ne Stel­le tritt ge­mäß C. III. 4. des Ge­schäfts­ver­tei­lungs­plans Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt I, nach­dem Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt C be­reits an der Sa­che 1 WB 46.22 mit­ge­wirkt hat. Der Mit­wir­kung eh­ren­amt­li­cher Rich­ter be­darf es nicht, weil im Ab­leh­nungs­ver­fah­ren kei­ne ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dung zur Sa­che ge­trof­fen wird (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 26. April 2011 - 2 WDB 2.11 - Buch­holz 450.2 § 42 WDO 2002 Nr. 4 Rn. 5 und vom 17. Ja­nu­ar 2006 - 1 WB 3.05 - ju­ris Rn. 33).

27 3. Das wei­te­re Ab­leh­nungs­ge­such des Sol­da­ten ge­gen die Rich­ter, die über sein Ab­leh­nungs­ge­such ge­mäß I zu ent­schei­den ha­ben, ist of­fen­sicht­lich un­zu­läs­sig und zu ver­wer­fen. We­gen der of­fen­sicht­li­chen Un­zu­läs­sig­keit die­ses Ab­leh­nungs­ge­suchs kann die­se Ent­schei­dung ge­mein­sam mit der Ent­schei­dung über das Ab­leh­nungs­ge­such ge­mäß I er­ge­hen (BVerfG, Be­schluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - ju­ris Rn. 1).

28 a) So­weit es sich ge­gen den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt C rich­tet, ist es be­reits des­halb of­fen­sicht­lich un­zu­läs­sig, weil die­ser nach dem Ge­schäfts­ver­tei­lungs­plan an der Ent­schei­dung über das ge­gen die re­gu­lä­ren Rich­ter des 1. Wehr­dienst­se­nats ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such nicht mit zu be­fin­den hat (BVerfG, Be­schluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - ju­ris Rn. 2 und 4).

29 b) Auch das ge­gen die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt A und B ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such ist of­fen­sicht­lich un­zu­läs­sig. Bei ih­nen lie­gen nach dem ge­mäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO ent­spre­chend an­wend­ba­ren § 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. § 41 ZPO, § 54 Abs. 2 Vw­GO, § 77 WDO (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 11. März 2021 - 1 WB 27. 20 - ju­ris Rn. 5 und vom 30. Ja­nu­ar 2018 - 1 WB 12.17 - ju­ris Rn. 5) kei­ne ge­setz­li­chen Aus­schlie­ßungs­grün­de vor; eben­so fehlt es an Grün­den, die de­ren Ab­leh­nung we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit recht­fer­ti­gen. Dies ist der­art of­fen­sicht­lich, dass un­ter ih­rer Mit­wir­kung über das ge­gen sie ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such ent­schie­den wer­den kann und von ih­nen kei­ne dienst­li­chen Äu­ße­run­gen ein­ge­holt zu wer­den brau­chen (BVer­wG, Be­schluss vom 28. Fe­bru­ar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 - Rn. 13; BVerfG, Be­schluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - ju­ris Rn. 2).

30 aa) Ob das ge­gen sie ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such be­reits rechts­miss­bräuch­lich, ins­be­son­de­re auf Ver­fah­rens­ver­schlep­pung oder auf die Ver­fol­gung ver­fah­rens­frem­der Zwe­cke ge­rich­tet ist, kann da­hin­ge­stellt blei­ben; je­den­falls ist das Ab­leh­nungs­ge­such of­fen­sicht­lich un­zu­läs­sig, weil kei­ne ge­eig­ne­ten Be­fan­gen­heits­grün­de dar­ge­legt wer­den. Das über wei­te Stre­cken durch po­le­mi­sie­ren­de, all­ge­mein­po­li­ti­sche Er­wä­gun­gen ge­tra­ge­ne und in Über­le­gun­gen zu "sa­ta­ni­schem" Agie­ren und ahis­to­ri­schen Ver­glei­chen gip­feln­de Vor­brin­gen ist von vorn­her­ein, d. h. oh­ne Ein­ge­hen auf den Ge­gen­stand des Ver­fah­rens, er­sicht­lich un­ge­eig­net, bei ih­nen die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit zu recht­fer­ti­gen (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 28. Fe­bru­ar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 Rn. 8, vom 18. Au­gust 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - ju­ris Rn. 5 m. w. N. und vom 20. März 2017 - 2 WD 16.16 -; Thür­Verf­GH, Be­schluss vom 2. No­vem­ber 2016 - Verf­GH 8/14 - ju­ris Rn. 30; Zöl­ler, ZPO, Kom­men­tar, 34. Aufl. 2022, § 44 Rn. 17). Im Ein­zel­nen:

31 bb) Nach dem ge­mäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO ent­spre­chend an­wend­ba­ren § 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ab­leh­nung we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ei­nen Grund vor­aus, der ge­eig­net ist, Miss­trau­en ge­gen die Un­par­tei­lich­keit des Rich­ters zu recht­fer­ti­gen, nicht hin­ge­gen, dass die­ser tat­säch­lich be­fan­gen, vor­ein­ge­nom­men oder par­tei­isch ist. Es ge­nügt zwar, wenn vom Stand­punkt ei­nes Be­tei­lig­ten aus ge­se­hen hin­rei­chend ob­jek­ti­ve Grün­de vor­lie­gen, die bei ver­nünf­ti­ger Wür­di­gung al­ler Um­stän­de An­lass ge­ben, an der Un­par­tei­lich­keit ei­nes Rich­ters zu zwei­feln, mit­hin be­reits der "bö­se Schein" be­steht. Die aus­schlie­ß­lich sub­jek­ti­ve Be­sorg­nis, für die bei Wür­di­gung der Tat­sa­chen ver­nünf­ti­ger­wei­se kein Grund er­sicht­lich ist, reicht in­des nicht aus (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 18. Au­gust 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - Rn. 9 m. w. N.). Der Stand­punkt des­sen, der die Par­tei­lich­keit gel­tend macht, ist recht­lich wich­tig, aber nicht aus­schlag­ge­bend; ent­schei­dend ist viel­mehr, ob sei­ne Be­fürch­tung auch ob­jek­tiv be­rech­tigt ist (EGMR, Ur­teil vom 16. Fe­bru­ar 2021 - 1128/17 - NJW 2021, 2947 - Rn. 46).

32 cc) Ge­mäß § 23a Abs. 1 WBO i. V. m. 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. § 44 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO ist der Ab­leh­nungs­grund in­di­vi­du­ell be­zo­gen auf den oder die an der zu tref­fen­den Ent­schei­dung be­tei­lig­ten Rich­ter glaub­haft dar­zu­le­gen (BVer­wG, Be­schluss vom 28. Fe­bru­ar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 - Rn. 20). Glaub­haft zu ma­chen sind nach § 294 ZPO da­bei tat­säch­li­che An­ga­ben, aus de­nen sich mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ab­lei­tet (BGH, Be­schluss vom 21. De­zem­ber 2006 - IX ZB 60/06 <KG> - NJW-RR 2007, 776 <777>; Mün­che­ner Kom­men­tar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 44 Rn. 8 f.). Führt die Wür­di­gung der glaub­haft ge­mach­ten Tat­sa­chen da­zu, dass sich das über das Be­fan­gen­heits­ge­such ent­schei­den­de Ge­richt we­der zur Be­ja­hung noch zur Ver­nei­nung ei­ner über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit in der La­ge sieht (non li­quet), hat dies nicht die Glaub­haft­ma­chung der die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit be­grün­den­den Be­haup­tung zur Fol­ge. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Ge­richt den wi­der­strei­ten­den Mit­teln der Glaub­haft­ma­chung den glei­chen Be­weis­wert bei­misst (BGH, Be­schluss vom 21. Ok­to­ber 2010 - V ZB 210/09 - NJW-RR 2011, 136 - Rn. 10 f. m. w. N.). Die Un­par­tei­lich­keit ei­nes Rich­ters wird viel­mehr bis zum Be­weis sei­nes Ge­gen­teils ver­mu­tet (vgl. EGMR, Ur­teil vom 16. Fe­bru­ar 2021 - 1128/17 - NJW 2021, 2947 - Rn. 45).

33 dd) An­ders als vom Sol­da­ten an­ge­nom­men, dient das Ab­leh­nungs­ver­fah­ren nicht da­zu, rich­ter­li­che Ent­schei­dun­gen auf ih­re Rich­tig­keit zu über­prü­fen oder ei­nem Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten ei­ne Hand­ha­be zu ge­ben, ei­nen sei­nem An­lie­gen ge­wo­ge­nen Rich­ter aus­zu­wäh­len. Es soll Ver­fah­rens­be­tei­lig­te aus­schlie­ß­lich vor ei­ner per­sön­li­chen Vor­ein­ge­nom­men­heit des Rich­ters, nicht aber vor des­sen Rechts­an­wen­dung schüt­zen. Rich­ter­li­che Äu­ße­run­gen zu Ab­leh­nungs­ge­su­chen brau­chen sich des­halb auch nicht zu ver­meint­li­chen Ver­stö­ßen ge­gen ma­te­ri­el­les Recht bei der rich­ter­li­chen Ent­schei­dungs­fin­dung und ver­meint­li­ches Fehl­ver­hal­ten bei der Sach­ver­halts­be­ur­tei­lung zu ver­hal­ten. Dem ent­spricht des Wei­te­ren, dass grund­sätz­lich al­lein aus der rich­ter­li­chen Vor­be­fas­sung mit ei­ner auch im an­hän­gi­gen Ver­fah­ren ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge kei­ne Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ab­ge­lei­tet wer­den kann (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 18. Au­gust 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - ju­ris Rn. 10 m. w. N.). Dies gilt auch an­ge­sichts der Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs für Men­schen­rech­te (Ur­teil vom 16. Fe­bru­ar 2021 - 1128/17 - NJW 2021, 2947 Rn. 48; OLG Ol­den­burg, Be­schluss vom 10. Ju­ni 2022 - 1 Ws 203/22, 1 Ws 204/22 - NJW 2022, 2631 - Rn. 10), zu­mal die Rich­ter A und B an dem dem An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­ren vor­an­ge­gan­ge­nen Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren nicht be­tei­ligt wa­ren und der Sol­dat auch nicht Be­tei­lig­ter in den Ver­fah­ren 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 war, in de­nen sie über das dor­ti­ge Ab­leh­nungs­ge­such mit be­fun­den ha­ben.

34 ee) So­weit der Sol­dat ih­re Be­fan­gen­heit dar­aus ab­lei­tet, sie hät­ten in dem auch von ih­nen un­ter­zeich­ne­ten Be­fan­gen­heits­be­schluss den von den Rich­tern des 1. Wehr­dienst­se­nats in ih­rer Wehr­be­schwer­de­ent­schei­dung zu­grun­de ge­leg­ten recht­li­chen wie tat­säch­li­chen Be­mes­sungs­maß­stab nicht als will­kür­lich mo­niert und da­durch ih­rer­seits will­kür­lich be­fun­den, be­haup­tet der Sol­dat ei­nen Rechts­an­wen­dungs­feh­ler, der für sich ge­nom­men er­sicht­lich un­ge­eig­net ist, ei­nen Ab­leh­nungs­grund dar­zu­tun.

35 Sei­ne sich auf den Nach­weis ver­meint­li­cher Will­kür be­schrän­ken­de Be­grün­dung trägt schon for­mal nicht dem Um­stand Rech­nung, dass es da­zu der sach­li­chen Dar­le­gung ei­ner will­kür­li­chen Aus­le­gung des § 42 Abs. 2 ZPO im Be­fan­gen­heits­be­schluss be­durft hät­te; dies gilt um­so mehr, als das Ver­fah­ren über ein Ab­leh­nungs­ge­such kein Rechts­be­helfs­ver­fah­ren dar­stellt, mit dem die Rich­tig­keit der von den für be­fan­gen er­ach­te­ten Rich­ter ge­trof­fe­nen Ent­schei­dung un­ein­ge­schränkt über­prüft wird.

36 Die Ent­schei­dung selbst­stän­dig tra­gend tritt schlie­ß­lich hin­zu, dass ei­ne ge­richt­li­che Ent­schei­dung, die tra­gen­de Er­wä­gun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts auf­greift, recht­lich nicht - ins­be­son­de­re weil un­ter kei­nem denk­ba­ren As­pekt recht­lich ver­tret­bar (BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 29. Ju­li 2022 - 2 BvR 1154/21 - WM 2022, 1691 - ju­ris Rn. 26) – will­kür­lich sein kann. Die Auf­fas­sung des Be­voll­mäch­tig­ten des Sol­da­ten, impf­be­zo­ge­ne Ju­di­ka­te des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts wür­den seit dem Amts­an­tritt des dor­ti­gen Prä­si­den­ten von kei­nem kri­ti­schen Ju­ris­ten mehr ernst ge­nom­men, ent­behrt als rechts­po­li­ti­sche Ein­schät­zung jeg­li­chen ju­ris­ti­schen Ge­halts und be­darf da­her kei­ner wei­te­ren Er­ör­te­rung.

37 ff) Kon­kre­te Um­stän­de, die dar­auf hin­deu­ten, dass die Er­wä­gun­gen im Be­fan­gen­heits­be­schluss vom 18. Au­gust 2022 auf ei­ner per­sön­li­chen Vor­ein­ge­nom­men­heit der Rich­ter be­ru­hen könn­ten, sind nicht an­satz­wei­se vor­ge­tra­gen wor­den (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 18. Au­gust 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - Rn. 11 m. w. N.).

38 4. Das ge­gen die am Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren be­tei­lig­ten Rich­ter ge­rich­te­te Ab­leh­nungs­ge­such ist teil­wei­se un­zu­läs­sig und im Üb­ri­gen un­be­grün­det.

39 a) Ein an­hän­gi­ges ge­richt­li­ches Ver­fah­ren, in­ner­halb des­sen für ein Ab­leh­nungs­ge­such Raum ist, liegt in Ge­stalt des An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­rens nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Vw­GO vor. Denn das Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren ist be­reits ab­ge­schlos­sen. Zwar lie­gen in dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren noch kei­ne schrift­li­chen Ur­teils­grün­de vor; die­ser Um­stand än­dert je­doch nichts dar­an, dass be­reits mit der Ver­kün­dung der Ent­schei­dung ei­ne ge­mäß § 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 125 Abs. 2 WDO un­an­fecht­ba­re Ent­schei­dung exis­tiert.

40 b) Ob in­ner­halb ei­nes An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­rens ein Ab­leh­nungs­ver­fah­ren über­haupt statt­haft ist (be­ja­hend: BVer­wG, Be­schluss vom 14. April 2021 - 9 A 8.19 u. a. - ju­ris Rn. 5; VGH Kas­sel, Be­schluss vom 15. Ju­li 2021 - 3 B 370/21 - ju­ris Rn. 3 f.; ab­leh­nend: VGH Mann­heim, Be­schluss vom 8. Ju­ni 2016 - 1 S 783/16 - ju­ris Rn. 3 ff.; VGH Mün­chen, Be­schluss vom 7. No­vem­ber 2016 - 10 BV 16.962 - ju­ris Rn. 6 ff.; OVG Wei­mar, Be­schluss vom 2. Ju­ni 2017 - 3 SO 79/17 - ju­ris Rn. 1; OLG Frank­furt, Be­schluss vom 17. No­vem­ber 2020 - 20 WLw 3/20 - ju­ris Rn. 13 ff.; OVG Bre­men, Be­schluss vom 16. März 2021 - 1 B 117/21 - ju­ris Rn. 1; of­fen­ge­las­sen: BVer­wG, Be­schlüs­se vom 28. Mai 2009 - 5 PKH 6.09 - ju­ris Rn. 3 und vom 29. No­vem­ber 2018 - 9 B 26.18 - ju­ris Rn. 3 ff.; OVG Baut­zen, Be­schluss vom 29. No­vem­ber 2017 - 1 F 30/17 - ju­ris Rn. 3), kann da­hin­ge­stellt blei­ben, weil das ge­mäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO ent­spre­chend § 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. §§ 41 bis 49 ZPO zu wür­di­gen­de (BVer­wG, Be­schluss vom 11. März 2021 - 1 WB 27.20 -, ju­ris Rn. 3) Ab­leh­nungs­ge­such des Sol­da­ten je­den­falls kei­nen Er­folg hat.

41 c) Es ist of­fen­sicht­lich un­zu­läs­sig, so­weit es sich ge­gen die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter rich­tet, die an dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren mit­ge­wirkt ha­ben. Denn in dem An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­ren wir­ken sie nicht mit (BVer­wG, Be­schluss vom 22. April 2010 - 1 WB 4.10 - ju­ris Rn. 6 - Buch­holz 310 § 152a Vw­GO Nr. 12 und BVerfG, Be­schluss vom 11. März 2022 - 1 BvR 133/22 - ju­ris Rn. 2 und 4).

42 An­ders als vom Sol­da­ten an­ge­nom­men, folgt nichts an­de­res dar­aus, dass die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter - nur - im Fal­le ei­ner er­folg­rei­chen An­hö­rungs­rü­ge an der Sach­ent­schei­dung im Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren wie­der mit­zu­wir­ken hät­ten. Denn ob die An­hö­rungs­rü­ge Er­folg hat und das Ver­fah­ren ge­mäß § 152a Abs. 1 Satz 1 Vw­GO fort­zu­füh­ren ist, steht noch nicht fest. An­ge­sichts des­sen be­durf­te es - an­ders als vom Sol­da­ten in sei­nem Schrift­satz vom 8. Sep­tem­ber 2022 und 3. Ok­to­ber 2022 ge­for­dert - auch nicht der Ein­ho­lung dienst­li­cher Äu­ße­run­gen der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter.

43 d) Be­zo­gen auf die für be­fan­gen er­ach­te­ten haupt­be­ruf­li­chen Rich­ter ist - un­ge­ach­tet der Fra­ge, ob nicht be­reits nach § 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. § 43 ZPO ein Ver­lust des Ab­leh­nungs­rechts ein­ge­tre­ten ist - das Ab­leh­nungs­ge­such ins­ge­samt un­be­grün­det. Bei ih­nen lie­gen we­der ge­setz­li­che Aus­schlie­ßungs­grün­de nach § 54 Abs. 1 Vw­GO i. V. m. § 41 ZPO, § 54 Abs. 2 Vw­GO, § 77 WDO (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 30. Ja­nu­ar 2018 - 1 WB 12.17 - ju­ris Rn. 5 und vom 11. März 2021 - 1 WB 27. 20 - ju­ris Rn. 5) vor noch ist de­ren Ab­leh­nung we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ge­recht­fer­tigt. Ei­nen Aus­schluss aus sons­ti­gen Grün­den ver­bie­tet der Grund­satz des ge­setz­li­chen Rich­ters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; BVer­wG, Be­schluss vom 18. Au­gust 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - ju­ris Rn. 8).

44 aa) Nach den un­ter III 3 b) dar­ge­leg­ten Rechts­grund­sät­zen wä­re selbst ei­ne un­zu­tref­fen­de Be­weis­wür­di­gung oder Rechts­an­wen­dung durch die be­trof­fe­nen Rich­ter al­lein nicht ge­eig­net, den ob­jek­ti­ven An­schein ih­rer Be­fan­gen­heit zu be­grün­den.

45 Der Se­nat hält zu­dem auch in der vor­lie­gen­den Be­set­zung an der be­reits im Be­fan­gen­heits­be­schluss dar­ge­leg­ten Rechts­auf­fas­sung fest, der­zu­fol­ge sich die un­ter Mit­wir­kung der ab­ge­lehn­ten Rich­ter im Rah­men ei­ner nach den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben aus­drück­lich frei­en Be­weis­wür­di­gung (§ 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO, § 261 StPO) ge­trof­fe­ne Ent­schei­dung und die dar­in zum Aus­druck kom­men­de Rechts­auf­fas­sung nicht als recht­lich will­kür­lich er­weist. Dies be­le­gen so­wohl rechts­wis­sen­schaft­li­che Po­si­tio­nie­run­gen zur Ein­füh­rung ei­ner all­ge­mei­nen Impf­pflicht (vgl. Rich­ter, NVwZ 2022, 204 <204 ff.>; Ger­hardt, ARP 2021, 149) als auch ei­ner sek­to­ra­len Im­p­fob­lie­gen­heit. Na­ment­lich das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat an­er­kannt, dass sich der Staat trotz der Un­wäg­bar­kei­ten der wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­la­ge an ei­ner sach­ge­rech­ten und ver­tret­ba­ren Be­ur­tei­lung der ihm ver­füg­ba­ren In­for­ma­tio­nen und Er­kennt­nis­mög­lich­kei­ten ori­en­tie­ren und er Kon­flik­te zwi­schen hoch- und höchst­ran­gi­gen In­ter­es­sen auch bei un­ge­wis­ser La­ge ent­schei­den darf (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 152 und 187; vgl. auch BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 117 ff. so­wie EGMR, Ur­teil vom 8. April 2021 - 47621/13 u. a. - NJW 2021, 1657 Rn. 274 ff.).

46 bb) So­weit der Sol­dat die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit auch auf ei­nen Ver­stoß ge­gen den Grund­satz recht­li­chen Ge­hörs stützt, hat er sie be­reits des­halb nicht glaub­haft ge­macht, weil die schrift­li­chen Ent­schei­dungs­grün­de noch nicht vor­lie­gen, so­dass er al­lein aus dem Er­geb­nis des Wehr­be­schwer­de­ver­fah­rens mut­ma­ßt, die Rich­ter hät­ten sei­nen Vor­trag un­ter Ver­stoß ge­gen Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 20. Mai 2022 - 2 BvR 1982/20 - ju­ris Rn. 41) nicht ge­wür­digt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 18. Au­gust 2022 - 1 WB 46.22 , 1 W-VR 15.22 - ju­ris Rn. 15). Erst beim Vor­lie­gen der schrift­li­chen Ent­schei­dungs­grün­de lässt sich zu­dem vom Sol­da­ten glaub­haft dar­le­gen, ob ge­gen den Grund­satz des ge­setz­li­chen Rich­ters durch Nicht­vor­la­ge an den Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on will­kür­lich ver­sto­ßen wur­de. Da­bei ent­hält der bis­he­ri­ge Vor­trag nicht an­satz­wei­se ei­nen Vor­trag zu den dif­fe­ren­zier­ten Vor­la­ge­vor­aus­set­zun­gen (vgl. BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 24. Mai 2022 - 1 BvR 2342/17 - NJW 2022, 2828 - Rn. 13).

47 cc) Eben­so we­nig hat der Sol­dat nach Ma­ß­ga­be der un­ter III 3. b) cc) dar­ge­stell­ten An­for­de­run­gen kon­kre­te Um­stän­de sub­stan­ti­iert und glaub­haft dar­ge­legt, wel­che da­für strei­ten, dass die Rechts­auf­fas­sung der Rich­ter auf ei­ner per­sön­li­chen Vor­ein­ge­nom­men­heit ihm ge­gen­über be­ruht.

48 aaa) Be­zo­gen auf den Rich­ter G ist mit der Be­haup­tung, ins­be­son­de­re bei ihm sei all­ge­mein auf­ge­fal­len, dass er dar­um be­müht ge­we­sen sei, die Be­fra­gung der Ver­tre­ter des RKI und PEI zu be­hin­dern, un­ab­hän­gig von den Vor­ga­ben des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO schon dem Grun­de nach kein Be­fan­gen­heits­grund glaub­haft dar­ge­legt wor­den. Die Be­haup­tung ist abs­trakt und be­wegt sich auf der Be­wer­tungs­ebe­ne oh­ne kon­kre­te Tat­sa­chen zu be­schrei­ben, die die Ver­fah­rens­füh­rung als rechts­wid­rig aus­wei­sen könn­ten. Dass der Sol­dat aus pro­zess­tak­ti­schen Grün­den da­von ab­ge­se­hen ha­ben will, die Pro­zess­füh­rung des Vor­sit­zen­den zu be­an­stan­den (§ 104 Abs. 2 Satz 2 Vw­GO) oder ein Ab­leh­nungs­ge­such ge­gen ihn an­zu­brin­gen, ist zu­dem ein Mo­tiv, das nicht für die Be­fan­gen­heit ei­nes Rich­ters spricht, son­dern viel­mehr be­legt, dass beim Sol­da­ten die Er­war­tung ei­nes vor­teil­haf­ten Pro­zess­aus­gangs über­wog. Selbst­stän­dig tra­gend kommt hin­zu, dass auch die ge­setz­ge­be­ri­sche Wer­tung des § 44 Abs. 4 ZPO da­ge­gen strei­tet, pro­zess­tak­ti­schen Er­wä­gun­gen die­ser Art hier Raum zu ge­ben.

49 bbb) Der Vor­trag, ein Pro­zess­be­ob­ach­ter wol­le so­gar be­ob­ach­tet ha­ben, dass der Vor­sit­zen­de in der Ver­hand­lung wäh­rend der Be­fra­gung des Ver­tre­ters des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts von die­sem mit Hand­zei­chen dar­um ge­be­ten wor­den sei, ein­zu­grei­fen und ihm bei­zu­ste­hen, was auch ge­sche­hen sei, legt eben­so we­nig ei­nen Ab­leh­nungs­grund glaub­haft dar. Die Be­haup­tung be­zieht sich zum ei­nen auf die Wahr­neh­mung ei­ner an­de­ren, wei­ter­hin un­be­nann­ten Per­son; zum an­de­ren fin­den sich kei­ne Dar­le­gun­gen da­zu, war­um die In­ter­ven­ti­on des Vor­sit­zen­den und des­sen (an­geb­lich un­zu­tref­fen­de) Ein­schät­zung, die Fra­gen sei­en aus­rei­chend be­ant­wor­tet, nicht mehr von der Be­fug­nis des Vor­sit­zen­den zur Ver­hand­lungs­füh­rung er­fasst ge­we­sen sein soll­ten. Auch in­so­weit hat der Sol­dat kei­nen An­lass ge­se­hen, im Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren ein Ab­leh­nungs­ge­such an­zu­brin­gen.

50 ccc) Die Wei­ge­rung des Vor­sit­zen­den, dienst­li­che Stel­lung­nah­men von den sons­ti­gen Rich­tern zu ih­rem dienst­li­chen Ver­hal­ten für den Zeit­raum 6. Ju­li, ab 18 Uhr bis zum 7. Ju­li, 11 Uhr ein­zu­ho­len, be­grün­det eben­falls nicht den An­schein der Be­fan­gen­heit, zu­mal es sich um ein Ver­hal­ten han­del­te, das die­ser erst nach Er­lass der für will­kür­lich er­ach­te­ten Wehr­be­schwer­de­ent­schei­dung zeig­te. Zu­dem hat sich der Vor­sit­zen­de Rich­ter - wie auch die sons­ti­gen haupt­be­ruf­li­chen Se­nats­mit­glie­der des 1. Wehr­dienst­se­nats - in sei­ner dienst­li­chen Stel­lung­nah­me zu der vom Sol­da­ten ein­ge­for­der­ten Aus­kunft ge­äu­ßert. Dass sich die dienst­li­chen Äu­ße­run­gen ins­be­son­de­re nicht zur Be­rech­ti­gung der An­hö­rungs­rü­ge ver­hal­ten, spricht da­bei ge­ra­de nicht für die Be­fan­gen­heit der Rich­ter, son­dern für ih­re Un­vor­ein­ge­nom­men­heit, die sie mit ei­ner de­zi­dier­ten recht­li­chen Po­si­tio­nie­rung in Fra­ge ge­stellt hät­ten.

51 ddd) So­weit es die Um­stän­de im Zu­sam­men­hang mit der Ver­kün­dung der Wehr­be­schwer­de­ent­schei­dung be­trifft, legt der Vor­trag eben­falls nicht dar, dass mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit die Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit be­steht.

52 Zwar ist nicht zu ver­ken­nen, dass die FO­CUS-On­line-Mit­tei­lung zu Ir­ri­ta­tio­nen ge­führt hat, weil da­durch denk­mög­lich wur­de, dass sich ein Rich­ter des 1. Wehr­dienst­se­nats be­reits vor ei­ner ab­schlie­ßen­den Ab­stim­mung mit Au­ßen­ste­hen­den über den Fall und rich­ter­li­ches Ab­stim­mungs­ver­hal­ten un­ter­hal­ten und sich da­durch - oder ei­nen an­de­ren Rich­ter - da­mit Ein­fluss­nah­men aus­ge­setzt hat. Ob sich die­se Denk­mög­lich­keit be­reits nur im Denk­t­heo­re­ti­schen be­wegt, kann of­fen­blei­ben; je­den­falls ist sie an­ge­sichts der Dar­le­gun­gen des Sol­da­ten nach Ma­ß­ga­be der un­ter ge­mäß III 3. b) cc) dar­ge­stell­ten An­for­de­run­gen nicht glaub­haft ge­macht wor­den. Be­reits se­man­tisch ver­deut­licht sich der weit­ge­hend hy­po­the­ti­sche Ge­halt des Vor­trags ex­em­pla­risch an zahl­rei­chen "Falls-", "Wenn-" und "Mög­li­cher­wei­se"-For­mu­lie­run­gen (vgl. et­wa Sei­te 4 des Schrift­sat­zes vom 5. Au­gust 2022). Im Ein­zel­nen:

53 (1) Die der Pres­se­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ge­gen­über ge­tä­tig­te Aus­sa­ge von FO­CUS-On­line, es sei un­ter­las­sen wor­den, die Uhr­zeit bei der An­kün­di­gung der Ent­schei­dung der Uhr­zeit über die Ver­kün­dung der Ent­schei­dung an­zu­pas­sen, ist plau­si­bel. Selbst wenn es sich je­doch - wie vom Sol­da­ten an­ge­nom­men - um ei­ne "Schutz­be­haup­tung" der FO­CUS-On­line-Re­dak­ti­on han­del­te und ihr be­reits vor der of­fi­zi­el­len Ver­kün­dung In­for­ma­tio­nen über das Ent­schei­dungs­er­geb­nis zu­ge­tra­gen wor­den wä­ren, wür­de dies nicht zwin­gend be­deu­ten, dass sie von den für be­fan­gen er­ach­te­ten Rich­tern her­rühr­ten. Denn zum ei­nen ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass Ge­richtsex­ter­ne aus rein tak­ti­schen Grün­den oh­ne jeg­li­chen tat­säch­li­chen An­halt ei­ne sol­che In­for­ma­ti­on an die Pres­se lan­ciert ha­ben, um die Jus­tiz zu dis­kre­di­tie­ren; zum an­de­ren lie­ßen selbst In­for­ma­tio­nen aus der Ge­richts­sphä­re kei­nen Rück­schluss auf ei­ne Vor­ein­ge­nom­men­heit der Rich­ter zu, wenn die In­for­ma­tio­nen nicht un­mit­tel­bar ge­ra­de von den über die An­hö­rungs­rü­ge zu ent­schei­den­den Rich­tern oder auf de­ren Hin­weis durch an­de­re Ge­richts­an­ge­hö­ri­ge über­mit­telt wor­den wä­ren. Den dienst­li­chen Äu­ße­run­gen der haupt­amt­li­chen Rich­ter, an de­ren Glaub­haf­tig­keit zu zwei­feln kei­ne An­halts­punk­te be­stehen, ist je­doch ein­deu­tig zu ent­neh­men, dass durch sie kei­ne ent­spre­chen­den In­for­ma­tio­nen über­mit­telt wur­den.

54 (2) Die Er­wä­gun­gen des Pro­zess­ver­tre­ters des Sol­da­ten zum Stimm­ver­hal­ten der Rich­ter sind zu­dem kon­stru­iert, wenn er an­nimmt, "falls" am 6. Ju­li 2022 um 18 Uhr ei­ne Fall­kon­stel­la­ti­on be­stan­den hät­te, wo­nach zwei der Rich­ter für und zwei ge­gen den Er­folg der Wehr­be­schwer­de hät­ten stim­men wol­len, hät­te es aus­ge­reicht, zu­min­dest die­sen fünf­ten Rich­ter nach 18 Uhr zu kon­tak­tie­ren und zu kor­rum­pie­ren, um das Ab­stim­mungs­ver­hal­ten im Se­nat zum Nach­teil der Be­schwer­de­füh­rer ma­ni­pu­lie­ren zu kön­nen. Er fol­gert ei­ne sol­che Patt­si­tua­ti­on aus dem Um­stand, dass schon am 6. Ju­li 2022 ver­kün­det wor­den wä­re, wenn ei­ne Mehr­heit für die Ab­leh­nung sei­ner Be­schwer­de be­stan­den hät­te. Da­bei bringt er mit der re­la­ti­vie­ren­den For­mu­lie­rung "si­cher­lich" zu­tref­fend zum Aus­druck, dass die von ihm ge­zo­ge­ne Schluss­fol­ge­rung kei­nes­wegs "of­fen­sicht­lich" zwin­gend, son­dern auch mit an­de­ren Grün­den zu er­klä­ren ist. Mit der Be­haup­tung "mög­li­cher­wei­se" sei­en in der Nacht vom 6. Ju­li 2022 "ja auch gleich zwei Rich­ter 'ge­dreht' wor­den, da­mit die 'Impf-Kam­pa­gne' der Bun­des­re­gie­rung und der Bun­des­wehr kei­nen ir­repa­ra­blen Scha­den" er­lei­de, be­feu­ert er un­ter an­halts­lo­ser Kri­mi­na­li­sie­rung von Rich­tern (vgl. BVerfG, Kam­mer­be­schlüs­se vom 21. Fe­bru­ar 2017 - 2 BvR 240/17 - ju­ris Rn. 5 so­wie vom 7. Mai 2020 - 1 BvR 275/20 - ju­ris Rn. 8) zu­dem Ver­schwö­rungs­theo­ri­en (über kol­lu­si­ves Zu­sam­men­wir­ken von Ju­di­ka­ti­ve und Exe­ku­ti­ve), die we­gen ih­rer Rea­li­täts­fer­ne die Be­haup­tung ge­ra­de nicht glaub­haft wer­den las­sen.

55 5. Der Be­schluss ist un­an­fecht­bar.

Be­schluss vom 23.05.2023 -
BVer­wG 1 WB 48.22ECLI:DE:BVer­wG:2023:230523B1W­B48.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 48.22

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Koch
am 23. Mai 2023 be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­gen wer­den zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der An­trag­stel­ler trägt die Kos­ten des Rü­ge­ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Der An­trag­stel­ler wen­det sich mit sei­nen An­hö­rungs­rü­gen ge­gen den Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 2.22 -, mit dem der Se­nat sei­nen An­trag zu­rück­ge­wie­sen hat, die An­wei­sung der Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin vom 24. No­vem­ber 2021 zur Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in das Ba­si­s­impf­sche­ma der Bun­des­wehr "All­ge­mei­ne Re­ge­lung Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil - A 1-840/8-4000" auf­zu­he­ben. Er macht in ei­ner Viel­zahl von Punk­ten ei­ne Ver­let­zung sei­nes An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör gel­tend.

2 We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach­ver­halts wird auf den In­halt der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

II

3 Die An­hö­rungs­rü­gen, über die der Se­nat in der Be­set­zung mit drei Be­rufs­rich­tern oh­ne eh­ren­amt­li­che Rich­ter ent­schei­det (BVer­wG, Be­schluss vom 18. Mai 2022 - 1 WB 27.22 - NVwZ 2022, 1139 Rn. 4 m. w. N.), blei­ben er­folg­los.

4 1. Die An­hö­rungs­rü­ge des An­trag­stel­lers vom 18. Ju­li 2022 ge­gen den Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 ist un­zu­läs­sig, weil sie nicht in der ge­setz­li­chen Form er­ho­ben ist (§ 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Vw­GO).

5 Ei­ne An­hö­rungs­rü­ge ei­nes durch die Ent­schei­dung be­schwer­ten An­trag­stel­lers ist nur dann in der ge­setz­li­chen Form er­ho­ben, wenn der An­trag­stel­ler dar­legt, in­wie­fern das Ge­richt sei­nen An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt hat. Der An­trag­stel­ler kann dies nur dar­le­gen, wenn er die Grün­de der be­an­stan­de­ten Ent­schei­dung kennt. Ei­ner An­hö­rungs­rü­ge, die vor Be­kannt­ga­be der mit Grün­den ver­se­he­nen Ent­schei­dung er­ho­ben ist, fehlt zwangs­läu­fig der ord­nungs­ge­mä­ße Vor­trag ei­ner Ge­hörs­ver­let­zung und de­ren Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit (vgl. BGH, Be­schluss vom 15. Ju­li 2010 - I ZR 160/07 - ju­ris Rn. 2; zur ver­fas­sungs­recht­li­chen Un­be­denk­lich­keit die­ses Maß­sta­bes vgl. BVerfG, Be­schluss vom 22. Ju­ni 2011 - 1 BvR 2553/10 - NJW-RR 2011, 1608 Rn. 39).

6 Aus­ge­hend da­von er­weist sich die ers­te An­hö­rungs­rü­ge als un­zu­läs­sig. Der An­trag­stel­ler hat sie am 18. Ju­li 2022 er­ho­ben. Zu die­sem Zeit­punkt wa­ren ihm le­dig­lich der Te­nor des Be­schlus­ses vom 7. Ju­li 2022, die von dem Vor­sit­zen­den des Se­nats nach Ver­le­sen der Ur­teils­for­mel in An­we­sen­heit des An­trag­stel­lers und sei­nes Be­voll­mäch­tig­ten münd­lich mit­ge­teil­ten Grün­de so­wie die Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts Nr. 44/2022 vom 7. Ju­li 2022 be­kannt. Der in voll­stän­di­ger Form ab­ge­fass­te Be­schluss ist ihm erst am 3. De­zem­ber 2022 zu­ge­stellt wor­den. Da die Grün­de des Be­schlus­ses zum Zeit­punkt der An­hö­rungs­rü­ge für den An­trag­stel­ler noch un­be­kannt wa­ren, konn­te er in sei­ner An­hö­rungs­rü­ge auch nur Mut­ma­ßun­gen über ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ver­let­zung sei­nes recht­li­chen Ge­hörs an­stel­len. Das gilt auch mit Blick auf die münd­lich mit­ge­teil­ten Grün­de und die Pres­se­mit­tei­lung. Die­se Mit­tei­lun­gen ha­ben nur die Be­deu­tung ei­ner vor­läu­fi­gen In­for­ma­ti­on, de­nen sich nicht ver­bind­lich ent­neh­men lässt, wel­che Er­wä­gun­gen für den Be­schluss tat­säch­lich tra­gend sind. Al­lein die schrift­li­che Be­schluss­fas­sung ist ma­ß­ge­bend (vgl. BSG, Be­schluss vom 29. Ok­to­ber 2015 - B 12 KR 11/15 C - ju­ris Rn. 4 m. w. N.; s. auch BVer­wG, Be­schluss vom 24. März 2014 - 1 WRB 1.14 , 1 WRB 2.14 - Buch­holz 450.1 § 18 WBO Nr. 6 Rn. 14). Da­mit fehl­te es im Zeit­punkt der Er­he­bung der An­hö­rungs­rü­ge an ei­nem rü­ge­fä­hi­gen Ge­gen­stand so­wie an den nach § 23a Abs. 3 i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 Vw­GO er­for­der­li­chen Dar­le­gun­gen zum Vor­lie­gen ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör durch die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung.

7 2. Die wei­te­re An­hö­rungs­rü­ge des An­trag­stel­lers, die der Se­nat bei sach­ge­rech­ter und rechts­schutz­freund­li­cher Aus­le­gung sei­nes An­lie­gens in dem Schrei­ben sei­nes Be­voll­mäch­tig­ten vom 5. De­zem­ber 2022 er­blickt, ist zwar zu­läs­sig, aber nicht be­grün­det.

8 a) Dass der Se­nat den Be­schluss in voll­stän­di­ger Form ab­ge­fasst und zu­ge­stellt hat, oh­ne zu­vor über die ers­te An­hö­rungs­rü­ge des An­trag­stel­lers ent­schie­den zu ha­ben, ver­letzt das recht­li­che Ge­hör des An­trag­stel­lers schon des­halb nicht in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se, weil die­se An­hö­rungs­rü­ge als un­zu­läs­sig zu­rück­zu­wei­sen war (vgl. un­ter 1.).

9 b) Der An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO) ver­pflich­tet das zur Ent­schei­dung be­ru­fe­ne Ge­richt, die Aus­füh­run­gen der Pro­zess­be­tei­lig­ten zur Kennt­nis zu neh­men und in Er­wä­gung zu zie­hen (BVerfG, Kam­mer­be­schlüs­se vom 29. Ok­to­ber 2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497 Rn. 12 und vom 18. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 2441/10 - ju­ris Rn. 10, je­weils m. w. N.; BVer­wG, Be­schluss vom 28. März 2014 - 1 WB 10.14 <1 WB 1.13 > - ju­ris Rn. 11). Da­bei ist grund­sätz­lich da­von aus­zu­ge­hen, dass das Ge­richt die­ser Pflicht nach­ge­kom­men ist. Das Ge­richt ist ins­be­son­de­re nicht ge­hal­ten, sich in den Grün­den sei­ner Ent­schei­dung mit je­dem Vor­brin­gen zu be­fas­sen. Art. 103 Abs. 1 GG be­grün­det kei­nen Schutz ge­gen Ent­schei­dun­gen, die den Sach­vor­trag ei­nes Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten aus Grün­den des for­mel­len oder ma­te­ri­el­len Rechts teil­wei­se oder ganz un­be­rück­sich­tigt las­sen. Ei­ne Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör ist erst dann an­zu­neh­men, wenn im Ein­zel­fall be­son­de­re Um­stän­de er­ken­nen las­sen, dass das Ge­richt tat­säch­li­ches Vor­brin­gen ei­nes Be­tei­lig­ten ent­we­der über­haupt nicht zur Kennt­nis ge­nom­men oder bei der Ent­schei­dung nicht er­wo­gen hat. Be­son­de­re Um­stän­de in die­sem Sin­ne lie­gen et­wa dann vor, wenn das Ge­richt auf den we­sent­li­chen Kern des Tat­sa­chen­vor­trags ei­nes Be­tei­lig­ten zu ei­ner Fra­ge, die für das Ver­fah­ren von zen­tra­ler Be­deu­tung ist, nicht ein­geht, so­fern er nicht nach dem Rechts­stand­punkt des Ge­richts un­er­heb­lich ist.

10 Da­nach liegt ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör nicht vor.

11 aa) Die Aus­füh­run­gen des Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers in dem Schrei­ben vom 5. De­zem­ber 2022 ver­mö­gen ei­nen Ge­hörs­ver­stoß des Se­nats nicht auf­zu­zei­gen.

12 (1) Die Dar­le­gun­gen auf den Sei­ten 1 bis 3 des Schrei­bens be­schrän­ken sich im We­sent­li­chen auf ei­ne pau­scha­le Kri­tik der An­wen­dung des ma­te­ri­el­len Rechts durch den Se­nat in dem an­ge­grif­fe­nen Be­schluss. So­weit der An­trag­stel­ler rü­gen lässt, er und sei­ne Ex­per­ten sei­en vom Se­nat nicht ge­hört und die Er­geb­nis­se der Be­weis­auf­nah­me sei­en "ent­we­der igno­riert oder teil­wei­se so­gar ins Ge­gen­teil ver­kehrt" wor­den, kon­kre­ti­siert er die­se Ein­wän­de nicht nä­her.

13 (2) Mit sei­nem in Ab­schnitt I. des Schrei­bens vom 5. De­zem­ber 2022 auf den Sei­ten 4 bis 8 ent­hal­te­nen Vor­brin­gen zu den Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 49, 51 und 236 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses be­lässt es der An­trag­stel­ler da­bei, von sei­nem Be­voll­mäch­tig­ten als sol­che be­zeich­ne­te "be­son­de­re gro­be Rechts­an­wen­dungs­feh­ler" zu be­schrei­ben, oh­ne da­bei zu er­läu­tern, in­wie­fern sich mit die­sen an­geb­li­chen Män­geln in der recht­li­chen Ar­gu­men­ta­ti­on Ge­hörs­ver­stö­ße ver­bin­den.

14 (3) Die in Ab­schnitt II. des Schrei­bens vom 5. De­zem­ber 2022 auf den Sei­ten 9 bis 26 vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik an im Ein­zel­nen an­ge­spro­che­nen Er­wä­gun­gen des Se­nats ist eben­falls nicht ge­eig­net, der An­hö­rungs­rü­ge zum Er­folg zu ver­hel­fen.

15 (a) So­weit der An­trag­stel­ler mit Blick auf Rn. 10 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses dar­auf hin­wei­sen lässt, dass er sich zur Il­lus­tra­ti­on der von ihm an­ge­nom­me­nen Ver­harm­lo­sung von Impf­kom­pli­ka­tio­nen in der deutsch­land­wei­ten Sta­tis­tik des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts - an­ders als vom Se­nat dar­ge­stellt - nicht nur auf die von der BKK Pro­vi­ta her­aus­ge­ge­be­ne Stu­die be­zo­gen ha­be, und dar­an die Kri­tik knüpft, der Sach­ver­halt wer­de grob ver­zerrt, zeigt die­ser Vor­trag schon nicht kon­kret auf, wel­che wei­te­ren Be­le­ge von dem An­trag­stel­ler be­nannt wor­den sein sol­len und in­wie­fern ih­re feh­len­de Er­wäh­nung im Tat­be­stand zu ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­let­zung ge­führt hat.

16 (b) Der mit der An­hö­rungs­rü­ge zu Rn. 11 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses dar­ge­leg­te Ein­wand, der An­trag­stel­ler ha­be an­ders als vom Se­nat dar­ge­stellt nicht nur vor­ge­tra­gen, dass die "Co­vid-19-In­jek­tio­nen" "fast kei­nen" Nut­zen hät­ten, son­dern dass sie über­haupt kei­nen Nut­zen hät­ten, legt eben­falls kei­nen Ge­hörs­ver­stoß na­he. Denn im Haupt­sa­che­ver­fah­ren hat der Be­voll­mäch­tig­te des An­trag­stel­lers den ver­füg­ba­ren Impf­stof­fen zur Be­kämp­fung der In­fek­ti­ons­krank­heit SARS-CoV-2 der Sa­che nach in Über­ein­stim­mung mit der vom Se­nat ge­wähl­ten For­mu­lie­rung je­den­falls ei­nen "mi­ni­ma­len Nut­zen" zu­er­kannt (vgl. Schrei­ben vom 28. Ja­nu­ar 2022, S. 30, Abs. 6) und ein­ge­räumt, dass die­se Impf­stof­fe ge­eig­net sei­en, "al­len­falls ei­ni­ge Zeit vor schwe­ren Ver­läu­fen" zu schüt­zen (vgl. Schrei­ben vom 19. Mai 2022, S. 17). Ab­ge­se­hen da­von er­weist sich die vom An­trag­stel­ler be­haup­te­te Aus­las­sung des Se­nats auch schon des­halb als un­zu­tref­fend, weil der Se­nat schon am An­fang der Pas­sa­ge un­ter Rn. 11 das Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers wie folgt zu­sam­men­ge­fasst hat: "Die in Re­de ste­hen­den Impf­stof­fe hät­ten auch nicht den be­haup­te­ten Nut­zen. Ein po­si­ti­ver Ef­fekt auf das In­fek­ti­ons­ge­sche­hen sei nicht be­legt. Vor ei­ner In­fek­ti­on oder Er­kran­kung wür­den die Stof­fe nicht schüt­zen. Sie wür­den auch kei­ne ste­ri­le Im­mu­ni­tät er­zeu­gen. Dass sie zu mil­de­ren Ver­läu­fen führ­ten, sei nicht nach­ge­wie­sen."

17 (c) Zu den Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter Rn. 14 bis 19 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses, die das we­sent­li­che strei­ti­ge Vor­brin­gen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung wie­der­ge­ben, lässt der An­trag­stel­ler le­dig­lich vor­tra­gen, dass dort er­wähn­te Be­haup­tun­gen zur Ge­sund­heits­ge­fähr­dung für Sol­da­ten durch die In­fek­ti­ons­krank­heit SARS-CoV-2 (Rn. 16), zur Wir­kung der Impf­stof­fe (Rn. 17), zur Ri­si­ko­ab­wä­gung im Vor­feld der Zu­las­sung der Impf­stof­fe (Rn. 18), zu To­des­fäl­len und Ne­ben­wir­kun­gen in­fol­ge von Imp­fun­gen (Rn. 18) so­wie zur in­di­vi­du­el­len Ri­si­ko­ab­wä­gung im Rah­men der Kon­tra­in­di­ka­ti­ons­prü­fung des zu­stän­di­gen Impf­arz­tes (Rn. 19) schon vor dem 7. Ju­li 2022 wi­der­legt wor­den sei­en. Ein Ge­hörs­ver­stoß er­schlie­ßt sich dar­aus nicht.

18 (d) So­weit sich das An­hö­rungs­rü­ge­vor­brin­gen im Fol­gen­den mit den ent­schei­dungs­tra­gen­den Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 35, 43, 46, 49 bis 51, 59, 65, 68, 71, 73, 78 bis 82, 85, 87, 89, 93, 97, 101, 111, 112, 116, 119, 133, 135, 144, 150 bis 153, 156, 158, 162, 166, 171, 183, 188 ff. und Rn. 234 ff. be­fasst, wen­det sich der An­trag­stel­ler im Sti­le ei­ner Rechts­mit­tel­schrift durch­ge­hend ge­gen die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Se­nats und des­sen recht­li­che Wür­di­gung. Da­mit ist aber ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung nicht dar­ge­legt. Dass der Se­nat aus dem Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers nicht die von ihm für rich­tig ge­hal­te­nen recht­li­chen Schlüs­se ge­zo­gen hat, stellt kei­ne un­rich­ti­ge Er­fas­sung sei­nes Sach­vor­tra­ges dar.

19 Die in der Kri­tik des An­trag­stel­lers an den Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 50 und 81 dar­über hin­aus gel­tend ge­mach­ten Ver­let­zun­gen des Amts­er­mitt­lungs­grund­sat­zes (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 1 Vw­GO) müs­sen un­be­rück­sich­tigt blei­ben, weil die An­hö­rungs­rü­ge nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Vw­GO hier­auf nicht ge­stützt wer­den kann.

20 (e) Auch die ab­schlie­ßen­den Be­mer­kun­gen des An­trag­stel­lers auf den Sei­ten 26 bis 31 ver­mö­gen ei­nen Ge­hörs­ver­stoß nicht zu be­grün­den, weil sie sich eben­falls nur in ei­ner Kri­tik an der Wür­di­gung des Se­nats er­schöp­fen und sich dar­über hin­aus mit der Wie­der­ga­be von Aus­zü­gen ei­ner Straf­an­zei­ge der in der Schweiz an­säs­si­gen Kanz­lei ... vom 14. Ju­li 2022 auf Er­kennt­nis­se stüt­zen, die der Se­nat bei sei­ner Ent­schei­dung nicht be­rück­sich­ti­gen konn­te, weil sie erst nach der Ver­kün­dung sei­nes Be­schlus­ses ver­öf­fent­licht wor­den sind.

21 bb) Der nach Ab­lauf der Rü­ge­frist des § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 1 Vw­GO am 19. De­zem­ber 2022 und da­mit ver­spä­tet un­ter­brei­te­te Vor­trag in den Schrift­sät­zen des Be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers vom 3. Ja­nu­ar 2023, 5. Ja­nu­ar 2023, 10. Ja­nu­ar 2023, 20. Ja­nu­ar 2023, 30. Ja­nu­ar 2023, 1. März 2023, 13. März 2023, 17. März 2023, 18. April 2023, 22. April 2023 und vom 10. Mai 2023 ist, so­weit er sich nicht nur auf er­läu­tern­de, er­gän­zen­de oder ver­voll­stän­di­gen­de Be­mer­kun­gen be­schränkt, un­be­acht­lich (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 2. Sep­tem­ber 2019 - 8 B 19.19 - ju­ris Rn. 10; BGH, Be­schluss vom 15. Ju­li 2010 - I ZR 160/07 - ju­ris Rn. 16 f.; BFH, Be­schluss vom 5. Ok­to­ber 2010 - IX S 7/10 - ju­ris Rn. 6). Die be­acht­li­chen Be­mer­kun­gen recht­fer­ti­gen die An­nah­me ei­nes Ge­hörs­ver­sto­ßes nicht, weil sie sich wie­der­um al­lein ge­gen die Wür­di­gung des Se­nats rich­ten und zu­dem in wei­ten Tei­len auf Er­kennt­nis­sen grün­den, die nach Ver­kün­dung des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses ver­öf­fent­licht bzw. von dem An­trag­stel­ler vor­ge­tra­gen wor­den sind.

22 3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 Vw­GO.

23 4. Die­ser Be­schluss ist ge­mäß § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Satz 3 Vw­GO un­an­fecht­bar.

Be­schluss vom 23.05.2023 -
BVer­wG 1 WB 5.22ECLI:DE:BVer­wG:2023:230523B1W­B5.22.0

Er­folg­lo­ser An­trag auf Tat­be­stands­be­rich­ti­gung

Leit­satz:

Für ei­nen An­trag auf Be­rich­ti­gung des Tat­be­stands ei­nes nicht an­fecht­ba­ren Be­schlus­ses der Wehr­dienst­se­na­te fehlt re­gel­mä­ßig das Rechts­schutz­in­ter­es­se.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 5.22

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger und
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ep­pelt
am 23. Mai 2023 be­schlos­sen:

Der An­trag auf Be­rich­ti­gung des Tat­be­stands des Be­schlus­ses vom 7. Ju­li 2022 wird zu­rück­ge­wie­sen.

Grün­de

1 Der An­trag auf Tat­be­stands­be­rich­ti­gung, über den der Se­nat nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 119 Abs. 2 Satz 3, § 122 Abs. 1 Vw­GO durch die an der Ab­fas­sung des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses vom 7. Ju­li 2022 be­tei­lig­ten Rich­ter ent­schei­det (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­ni 1986 - 2 CB 5.85 - Buch­holz 310 § 119 Vw­GO Nr. 3), ist un­zu­läs­sig.

2 1. Der An­trag ist zwar grund­sätz­lich statt­haft und in­ner­halb der Frist des § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 119 Abs. 1 Vw­GO von zwei Wo­chen nach Zu­stel­lung des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses ein­ge­gan­gen. Nach der Be­grün­dung des An­tra­ges vom 12. De­zem­ber 2022 be­zieht sich der Be­rich­ti­gungs­an­trag nur auf den Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 im Haupt­sa­che­ver­fah­ren 1 WB 5.22 , trotz der zu­sätz­li­chen An­ga­be des ent­spre­chen­den Ak­ten­zei­chens aber nicht auf den Ein­stel­lungs­be­schluss im Eil­ver­fah­ren 1 W-VR 3.22 vom 12. Ju­li 2022.

3 2. Für ei­nen An­trag auf Be­rich­ti­gung des Tat­be­stan­des ei­nes nicht an­fecht­ba­ren Be­schlus­ses der Wehr­dienst­se­na­te fehlt hier je­doch das Rechts­schutz­in­ter­es­se, weil der Zweck ei­nes sol­chen An­tra­ges nicht er­reicht wer­den kann. So­weit der Se­nat in der Ver­gan­gen­heit der­ar­ti­ge An­trä­ge ge­gen sei­ne un­an­fecht­ba­ren Be­schlüs­se oh­ne Ein­schrän­kun­gen als zu­läs­sig be­han­delt hat (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 15. No­vem­ber 1972 - 1 WB 99.72 -, vom 12. Sep­tem­ber 1974 - 1 WB 47.73 , 1 WB 75.73 -, vom 24. März 1981 - 1 WB 161.77 , 1 WB 166.77 - und vom 12. Fe­bru­ar 1982 - 1 WB 118.81 -), hält er hier­an nicht fest.

4 Denn der Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs­an­trag ist vom Ge­setz­ge­ber mit Rück­sicht auf die ur­kund­li­che Be­weis­kraft, die dem Tat­be­stand nach § 173 Satz 1 Vw­GO i. V. m. § 314 ZPO zu­kommt, zu­ge­las­sen wor­den. Er soll ver­hin­dern, dass in­fol­ge die­ser Be­weis­kraft ein un­rich­tig be­ur­kun­de­ter Pro­zess­stoff Grund­la­ge für die Ent­schei­dung des Rechts­mit­tel­ge­richts wird. Des­halb un­ter­liegt der Tat­be­stand ei­nes nicht an­fecht­ba­ren Ur­teils grund­sätz­lich nicht der Tat­be­stands­be­rich­ti­gung ge­mäß § 119 Abs. 1 Vw­GO; an­de­res gilt nur, so­weit ein sol­ches Ur­teil ur­kund­li­che Be­weis­kraft ent­fal­tet, so et­wa bei der Wie­der­ga­be der An­trä­ge oder von Pro­zess­er­klä­run­gen (BVer­wG, Be­schluss vom 27. Ja­nu­ar 2022 - 9 A 10.20 - ju­ris Rn. 2). Ins­be­son­de­re be­darf es ei­nes Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs­an­tra­ges nicht zur Sub­stan­ti­ie­rung ei­ner Ge­hörs­ver­let­zung, die mit ei­ner An­hö­rungs­rü­ge oder ei­ner Ver­fas­sungs­be­schwer­de gel­tend ge­macht wer­den soll (BVer­wG, a. a. O., Rn. 3).

5 Hier rügt der An­trag­stel­ler ei­ne un­voll­stän­di­ge Do­ku­men­ta­ti­on sei­nes Vor­brin­gens in der Be­grün­dung des von ihm mit ei­ner An­hö­rungs­rü­ge an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses vom 7. Ju­li 2022. Er be­an­stan­det die un­ter­blie­be­ne Wie­der­ga­be von im Ein­zel­nen be­zeich­ne­ten Ele­men­ten sei­nes Vor­tra­ges. Ins­be­son­de­re ver­weist er auf sei­ne Vor­la­ge von Ab­rech­nungs­da­ten der Kas­sen­ärzt­li­chen Bun­des­ver­ei­ni­gung und der In­EK-Da­ten, auf ver­schie­de­ne von ihm vor­ge­leg­te bzw. in Be­zug ge­nom­me­ne Stu­di­en, ein­zel­ne Sät­ze sei­ner Aus­füh­run­gen zur Ver­let­zung sei­ner Grund­rech­te, sei­ne Ein­wen­dun­gen ge­gen ein­zel­ne Stu­di­en, sei­ne Zwei­fel an der Glaub­wür­dig­keit der Ver­tre­ter des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr, sein Vor­brin­gen zu den Ri­si­ken ei­nes Impf­stof­fes und sei­nen Vor­trag zum Feh­len ver­schie­de­ner Prü­fun­gen im Impf­stoff­zu­las­sungs­ver­fah­ren.

6 Da­mit trägt er nicht vor, dass An­trä­ge oder Pro­zess­er­klä­run­gen nicht in den Tat­be­stand auf­ge­nom­men wor­den sei­en, so dass hier kei­ner der oben an­ge­führ­ten Aus­nah­me­fäl­le vor­liegt. Viel­mehr wird al­lein die Aus­las­sung von dem An­trag­stel­ler selbst we­sent­lich er­schei­nen­den Tei­len sei­nes Sach- und Rechts­vor­tra­ges ge­rügt.

7 3. Die ge­gen die Tat­be­stands­an­ga­ben im Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 er­ho­be­nen Rü­gen wä­ren zu­dem un­be­grün­det. Denn der An­trag­stel­ler ver­kennt, dass nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 117 Abs. 3 Satz 1 Vw­GO der Sach- und Streit­stand nur sei­nem we­sent­li­chen In­halt nach ge­drängt dar­zu­stel­len ist. Der an­ge­grif­fe­ne Be­schluss fasst den sehr um­fang­rei­chen Vor­trag des An­trag­stel­lers zu­sam­men und re­fe­riert ihn in gro­ben Um­ris­sen, macht aber deut­lich, dass der An­trag­stel­ler die Ver­let­zung zahl­rei­cher Vor­schrif­ten des Eu­ro­pa- und Völ­ker­rechts, des deut­schen Ver­fas­sungs- und ein­fa­chen Ge­set­zes­rechts rügt und so­wohl das Vor­lie­gen der tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der Dul­dungs­pflicht als auch die pflicht­ge­mä­ße Aus­übung von Er­mes­sen an­greift. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird im an­ge­grif­fe­nen Be­schluss aus­drück­lich auf den In­halt der Ak­ten Be­zug ge­nom­men. Da­mit sind die von ihm zum Nach­weis sei­nes tat­säch­li­chen Vor­tra­ges vor­ge­leg­ten Stu­di­en und Aus­dru­cke von di­ver­sen In­ter­net­sei­ten eben­so er­fasst wie der de­tail­lier­te Gang sei­ner recht­li­chen Ar­gu­men­ta­ti­on. Es liegt kei­ne Aus­las­sung we­sent­li­cher Punk­te vor, so­weit die Wie­der­ga­be von Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des - wie hier - durch ei­ne Be­zug­nah­me nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 117 Abs. 3 Satz 2 Vw­GO er­setzt wird (vgl. OVG Müns­ter, Be­schluss vom 16. März 2015 - 16 A 1494/14 - ju­ris Rn. 2; OVG Baut­zen, Be­schluss vom 20. Ju­li 2015 - 1 A 238/13 - ju­ris Rn. 3).

Be­schluss vom 03.07.2023 -
BVer­wG 1 WB 49.22ECLI:DE:BVer­wG:2023:030723B1W­B49.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WB 49.22

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ep­pelt und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Koch
am 3. Ju­li 2023 be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­gen wer­den zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der An­trag­stel­ler trägt die Kos­ten des Rü­ge­ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Der An­trag­stel­ler wen­det sich mit sei­nen An­hö­rungs­rü­gen ge­gen den Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - BVer­wG 1 WB 5.22 -, mit dem der Se­nat sei­nen An­trag zu­rück­ge­wie­sen hat, die An­wei­sung der Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin vom 24. No­vem­ber 2021 zur Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in das Ba­si­s­impf­sche­ma der Bun­des­wehr "All­ge­mei­ne Re­ge­lung Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men - Fach­li­cher Teil - A 1-840/8-4000" auf­zu­he­ben. Er macht in ei­ner Viel­zahl von Punk­ten ei­ne Ver­let­zung sei­nes An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör gel­tend.

2 We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach­ver­halts wird auf den In­halt der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

II

3 Die An­hö­rungs­rü­gen, über die der Se­nat in der Be­set­zung mit drei Be­rufs­rich­tern oh­ne eh­ren­amt­li­che Rich­ter ent­schei­det (BVer­wG, Be­schluss vom 18. Mai 2022 - 1 WB 27.22 - NVwZ 2022, 1139 Rn. 4 m. w. N.), blei­ben er­folg­los.

4 1. Die für den An­trag­stel­ler von sei­nen Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. und 2. er­ho­be­nen An­hö­rungs­rü­gen vom 18. und 20. Ju­li 2022 ge­gen den Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 sind un­zu­läs­sig, weil sie nicht in der ge­setz­li­chen Form er­ho­ben sind (§ 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Vw­GO).

5 Ei­ne An­hö­rungs­rü­ge ei­nes durch die Ent­schei­dung be­schwer­ten An­trag­stel­lers ist nur dann in der ge­setz­li­chen Form er­ho­ben, wenn der An­trag­stel­ler dar­legt, in­wie­fern das Ge­richt sei­nen An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt hat. Der An­trag­stel­ler kann dies nur dar­le­gen, wenn er die Grün­de der be­an­stan­de­ten Ent­schei­dung kennt. Ei­ner An­hö­rungs­rü­ge, die vor Be­kannt­ga­be der mit Grün­den ver­se­he­nen Ent­schei­dung er­ho­ben ist, fehlt zwangs­läu­fig der ord­nungs­ge­mä­ße Vor­trag ei­ner Ge­hörs­ver­let­zung und de­ren Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit (vgl. BGH, Be­schluss vom 15. Ju­li 2010 - I ZR 160/07 - ju­ris Rn. 2; zur ver­fas­sungs­recht­li­chen Un­be­denk­lich­keit die­ses Maß­sta­bes vgl. BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 22. Ju­ni 2011 - 1 BvR 2553/10 - NJW-RR 2011, 1608 Rn. 39).

6 Aus­ge­hend da­von er­wei­sen sich die An­hö­rungs­rü­gen als un­zu­läs­sig. Der An­trag­stel­ler hat sie durch sei­ne Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. und 2. am 18. bzw. am 20. Ju­li 2022 er­he­ben las­sen. Zu die­sen Zeit­punk­ten wa­ren ihm und sei­nen Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. und 2. le­dig­lich der Te­nor des Be­schlus­ses vom 7. Ju­li 2022, die von dem Vor­sit­zen­den des Se­nats nach Ver­le­sen der Ur­teils­for­mel in An­we­sen­heit des An­trag­stel­lers und sei­ner Be­voll­mäch­tig­ten münd­lich mit­ge­teil­ten Grün­de so­wie die Pres­se­mit­tei­lung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts Nr. 44/2022 vom 7. Ju­li 2022 be­kannt. Der in voll­stän­di­ger Form ab­ge­fass­te Be­schluss ist sei­nem Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. erst am 1. De­zem­ber 2022 und sei­nem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. erst am 3. De­zem­ber 2022 zu­ge­stellt wor­den. Da die Grün­de des Be­schlus­ses zu den Zeit­punk­ten der je­wei­li­gen An­hö­rungs­rü­ge für den An­trag­stel­ler noch un­be­kannt wa­ren, konn­te er in sei­nen An­hö­rungs­rü­gen auch nur Mut­ma­ßun­gen über ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ver­let­zung sei­nes recht­li­chen Ge­hörs an­stel­len. Das gilt auch mit Blick auf die münd­lich mit­ge­teil­ten Grün­de und die Pres­se­mit­tei­lung. Die­se Mit­tei­lun­gen ha­ben nur die Be­deu­tung ei­ner vor­läu­fi­gen In­for­ma­ti­on, de­nen sich nicht ver­bind­lich ent­neh­men lässt, wel­che Er­wä­gun­gen für den Be­schluss tat­säch­lich tra­gend sind. Al­lein die schrift­li­che Be­schluss­fas­sung ist ma­ß­ge­bend (vgl. BSG, Be­schluss vom 29. Ok­to­ber 2015 - B 12 KR 11/15 C - ju­ris Rn. 4 m. w. N.; s. a. BVer­wG, Be­schluss vom 24. März 2014 - 1 WRB 1.14 , 1 WRB 2.14 - Buch­holz 450.1 § 18 WBO Nr. 6 Rn. 14). Da­mit fehl­te es im je­wei­li­gen Zeit­punkt der Er­he­bung der An­hö­rungs­rü­ge an ei­nem rü­ge­fä­hi­gen Ge­gen­stand so­wie an den nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 Vw­GO er­for­der­li­chen Dar­le­gun­gen zum Vor­lie­gen ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör durch die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung.

7 2. Die wei­te­ren An­hö­rungs­rü­gen des An­trag­stel­lers, die der Se­nat bei sach­ge­rech­ter und rechts­schutz­freund­li­cher Aus­le­gung sei­nes An­lie­gens in den Schrei­ben sei­nes Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. vom 5. De­zem­ber 2022, sei­nes Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 12. De­zem­ber 2022 und sei­nes frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten zu 3. vom 12. De­zem­ber 2022 er­blickt, sind zwar zu­läs­sig, aber nicht be­grün­det.

8 a) Dass der Se­nat den Be­schluss in voll­stän­di­ger Form ab­ge­fasst und zu­ge­stellt hat, oh­ne zu­vor über die von den Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. und 2. er­ho­be­nen ers­ten An­hö­rungs­rü­gen des An­trag­stel­lers ent­schie­den zu ha­ben, ver­letzt das recht­li­che Ge­hör des An­trag­stel­lers schon des­halb nicht in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se, weil die­se An­hö­rungs­rü­gen als un­zu­läs­sig zu­rück­zu­wei­sen wa­ren (vgl. un­ter 1.).

9 b) Der An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO) ver­pflich­tet das zur Ent­schei­dung be­ru­fe­ne Ge­richt, die Aus­füh­run­gen der Pro­zess­be­tei­lig­ten zur Kennt­nis zu neh­men und in Er­wä­gung zu zie­hen (BVerfG, Kam­mer­be­schlüs­se vom 29. Ok­to­ber 2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497 Rn. 12 und vom 18. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 2441/10 - ju­ris Rn. 10, je­weils m. w. N.; BVer­wG, Be­schluss vom 28. März 2014 - 1 WB 10.14 <1 WB 1.13 > - ju­ris Rn. 11). Da­bei ist grund­sätz­lich da­von aus­zu­ge­hen, dass das Ge­richt die­ser Pflicht nach­ge­kom­men ist. Das Ge­richt ist ins­be­son­de­re nicht ge­hal­ten, sich in den Grün­den sei­ner Ent­schei­dung mit je­dem Vor­brin­gen zu be­fas­sen. Art. 103 Abs. 1 GG be­grün­det kei­nen Schutz ge­gen Ent­schei­dun­gen, die den Sach­vor­trag ei­nes Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten aus Grün­den des for­mel­len oder ma­te­ri­el­len Rechts teil­wei­se oder ganz un­be­rück­sich­tigt las­sen. Ei­ne Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör ist erst dann an­zu­neh­men, wenn im Ein­zel­fall be­son­de­re Um­stän­de er­ken­nen las­sen, dass das Ge­richt tat­säch­li­ches Vor­brin­gen ei­nes Be­tei­lig­ten ent­we­der über­haupt nicht zur Kennt­nis ge­nom­men oder bei der Ent­schei­dung nicht er­wo­gen hat. Be­son­de­re Um­stän­de in die­sem Sin­ne lie­gen et­wa dann vor, wenn das Ge­richt auf den we­sent­li­chen Kern des Tat­sa­chen­vor­trags ei­nes Be­tei­lig­ten zu ei­ner Fra­ge, die für das Ver­fah­ren von zen­tra­ler Be­deu­tung ist, nicht ein­geht, so­fern er nicht nach dem Rechts­stand­punkt des Ge­richts un­er­heb­lich ist (BVer­wG, Be­schluss vom 18. Mai 2022 - 1 WB 27.22 - NVwZ 2022, 1139 Rn. 5).

10 Da­nach liegt ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör nicht vor.

11 aa) Die Aus­füh­run­gen des Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. in dem Schrei­ben vom 5. De­zem­ber 2022 ver­mö­gen ei­nen Ge­hörs­ver­stoß des Se­nats nicht auf­zu­zei­gen.

12 (1) Die Dar­le­gun­gen auf den Sei­ten 1 bis 3 des Schrei­bens be­schrän­ken sich im We­sent­li­chen auf ei­ne pau­scha­le Kri­tik der An­wen­dung des ma­te­ri­el­len Rechts durch den Se­nat in dem an­ge­grif­fe­nen Be­schluss. So­weit der An­trag­stel­ler rü­gen lässt, er und sei­ne Ex­per­ten sei­en vom Se­nat nicht ge­hört und die Er­geb­nis­se der Be­weis­auf­nah­me sei­en "ent­we­der igno­riert oder teil­wei­se so­gar ins Ge­gen­teil ver­kehrt" wor­den, kon­kre­ti­siert er die­se Ein­wän­de nicht nä­her.

13 (2) Mit sei­nem in Ab­schnitt I. des Schrei­bens vom 5. De­zem­ber 2022 auf den Sei­ten 4 bis 8 ent­hal­te­nen Vor­brin­gen zu den Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 49, 51 und 236 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses be­lässt es der An­trag­stel­ler da­bei, von sei­nem Be­voll­mäch­tig­ten als sol­che be­zeich­ne­te "be­son­de­re gro­be Rechts­an­wen­dungs­feh­ler" zu be­schrei­ben, oh­ne da­bei zu er­läu­tern, in­wie­fern sich mit die­sen an­geb­li­chen Män­geln in der recht­li­chen Ar­gu­men­ta­ti­on Ge­hörs­ver­stö­ße ver­bin­den.

14 (3) Die in Ab­schnitt II. des Schrei­bens vom 5. De­zem­ber 2022 auf den Sei­ten 9 bis 26 vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik an im Ein­zel­nen an­ge­spro­che­nen Er­wä­gun­gen des Se­nats ist eben­falls nicht ge­eig­net, der An­hö­rungs­rü­ge zum Er­folg zu ver­hel­fen.

15 (a) So­weit der An­trag­stel­ler mit Blick auf Rn. 10 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses dar­auf hin­wei­sen lässt, dass er sich zur Il­lus­tra­ti­on der von ihm an­ge­nom­me­nen Ver­harm­lo­sung von Impf­kom­pli­ka­tio­nen in der deutsch­land­wei­ten Sta­tis­tik des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts - an­ders als vom Se­nat dar­ge­stellt - nicht nur auf die von der BKK Pro­vi­ta her­aus­ge­ge­be­ne Stu­die be­zo­gen ha­be, und dar­an die Kri­tik knüpft, der Sach­ver­halt wer­de grob ver­zerrt, zeigt die­ser Vor­trag schon nicht kon­kret auf, wel­che wei­te­ren Be­le­ge von dem An­trag­stel­ler be­nannt wor­den sein sol­len und in­wie­fern ih­re feh­len­de Er­wäh­nung im Tat­be­stand zu ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­let­zung ge­führt hat.

16 (b) Der mit der An­hö­rungs­rü­ge zu Rn. 11 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses dar­ge­leg­te Ein­wand, der An­trag­stel­ler ha­be an­ders als vom Se­nat dar­ge­stellt nicht nur vor­ge­tra­gen, dass die "Co­vid-19-In­jek­tio­nen" "fast kei­nen" Nut­zen hät­ten, son­dern dass sie über­haupt kei­nen Nut­zen hät­ten, legt eben­falls kei­nen Ge­hörs­ver­stoß na­he. Denn im Haupt­sa­che­ver­fah­ren hat der Be­voll­mäch­tig­te des An­trag­stel­lers den ver­füg­ba­ren Impf­stof­fen zur Be­kämp­fung der In­fek­ti­ons­krank­heit SARS-CoV-2 der Sa­che nach in Über­ein­stim­mung mit der vom Se­nat ge­wähl­ten For­mu­lie­rung je­den­falls ei­nen "mi­ni­ma­len Nut­zen" zu­er­kannt (vgl. Schrei­ben vom 23. Fe­bru­ar 2022, S. 48) und ein­ge­räumt, dass die­se Impf­stof­fe ge­eig­net sei­en, "al­len­falls ei­ni­ge Zeit vor schwe­ren Ver­läu­fen" zu schüt­zen (vgl. Schrei­ben vom 19. Mai 2022, S. 17). Ab­ge­se­hen da­von er­weist sich die vom An­trag­stel­ler be­haup­te­te Aus­las­sung des Se­nats auch schon des­halb als un­zu­tref­fend, weil der Se­nat schon am An­fang der Pas­sa­ge un­ter Rn. 11 das Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers wie folgt zu­sam­men­ge­fasst hat: "Die in Re­de ste­hen­den Impf­stof­fe hät­ten auch nicht den be­haup­te­ten Nut­zen. Ein po­si­ti­ver Ef­fekt auf das In­fek­ti­ons­ge­sche­hen sei nicht be­legt. Vor ei­ner In­fek­ti­on oder Er­kran­kung wür­den die Stof­fe nicht schüt­zen. Sie wür­den auch kei­ne ste­ri­le Im­mu­ni­tät er­zeu­gen. Dass sie zu mil­de­ren Ver­läu­fen führ­ten, sei nicht nach­ge­wie­sen."

17 (c) Zu den Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter Rn. 14 bis 19 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses, die das we­sent­li­che strei­ti­ge Vor­brin­gen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung wie­der­ge­ben, lässt der An­trag­stel­ler le­dig­lich vor­tra­gen, dass dort er­wähn­te Be­haup­tun­gen zur Ge­sund­heits­ge­fähr­dung für Sol­da­ten durch die In­fek­ti­ons­krank­heit SARS-CoV-2 (Rn. 16), zur Wir­kung der Impf­stof­fe (Rn. 17), zur Ri­si­ko­ab­wä­gung im Vor­feld der Zu­las­sung der Impf­stof­fe (Rn. 18), zu To­des­fäl­len und Ne­ben­wir­kun­gen in­fol­ge von Imp­fun­gen (Rn. 18) so­wie zur in­di­vi­du­el­len Ri­si­ko­ab­wä­gung im Rah­men der Kon­tra­in­di­ka­ti­ons­prü­fung des zu­stän­di­gen Impf­arz­tes (Rn. 19) schon vor dem 7. Ju­li 2022 wi­der­legt wor­den sei­en. Ein Ge­hörs­ver­stoß er­schlie­ßt sich dar­aus nicht.

18 (d) So­weit sich das An­hö­rungs­rü­ge­vor­brin­gen im Fol­gen­den mit den ent­schei­dungs­tra­gen­den Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 35, 43, 46, 49 bis 51, 59, 65, 68, 71, 73, 78 bis 82, 85, 87, 89, 93, 97, 101, 111, 112, 116, 119, 133, 135, 144, 150 bis 153, 156, 158, 162, 166, 171, 183, 188 ff. und Rn. 234 ff. be­fasst, wen­det sich der An­trag­stel­ler im Sti­le ei­ner Rechts­mit­tel­schrift durch­ge­hend ge­gen die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Se­nats und des­sen recht­li­che Wür­di­gung. Da­mit ist aber ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung nicht dar­ge­legt. Dass der Se­nat aus dem Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers nicht die von ihm für rich­tig ge­hal­te­nen recht­li­chen Schlüs­se ge­zo­gen hat, stellt kei­ne un­rich­ti­ge Er­fas­sung sei­nes Sach­vor­tra­ges dar.

19 Die in der Kri­tik des An­trag­stel­lers an den Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 50 und 81 dar­über hin­aus gel­tend ge­mach­ten Ver­let­zun­gen des Amts­er­mitt­lungs­grund­sat­zes (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 1 Vw­GO) müs­sen un­be­rück­sich­tigt blei­ben, weil die An­hö­rungs­rü­ge nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Vw­GO hier­auf nicht ge­stützt wer­den kann.

20 (e) Auch die ab­schlie­ßen­den Be­mer­kun­gen des An­trag­stel­lers auf den Sei­ten 26 bis 31 ver­mö­gen ei­nen Ge­hörs­ver­stoß nicht zu be­grün­den, weil sie sich eben­falls nur in ei­ner Kri­tik an der Wür­di­gung des Se­nats er­schöp­fen und sich dar­über hin­aus mit der Wie­der­ga­be von Aus­zü­gen ei­ner Straf­an­zei­ge der in der Schweiz an­säs­si­gen Kanz­lei ... vom 14. Ju­li 2022 auf Er­kennt­nis­se stüt­zen, die der Se­nat bei sei­ner Ent­schei­dung nicht be­rück­sich­ti­gen konn­te, weil sie erst nach der Ver­kün­dung sei­nes Be­schlus­ses ver­öf­fent­licht wor­den sind.

21 bb) Die Aus­füh­run­gen des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. in sei­nem Schrift­satz vom 12. De­zem­ber 2022 le­gen ei­nen Ge­hörs­ver­stoß zu Las­ten des An­trag­stel­lers eben­falls nicht dar.

22 (1) Mit sei­ner An­hö­rungs­rü­ge macht der An­trag­stel­ler gel­tend, die An­nah­me des Se­nats, den "CO­VID-In­jek­tio­nen" sei zu­min­dest bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad die Fä­hig­keit bei­zu­le­gen, die Über­tra­gung von SARS-CoV-2 zu ver­hin­dern (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 101 ff.), ste­he im Wi­der­spruch zum dra­ma­ti­schen An­stieg der Co­ro­na-Fall­zah­len bei der Bun­des­wehr, die das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung ha­be ein­räu­men müs­sen und die von der frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten B. in ih­rem Schrift­satz vom 3. Ju­ni 2022 im Ein­zel­nen ana­ly­siert wor­den sei­en; auf die­sen An­stieg ge­he der Se­nat mit kei­nem Wort ein. Die­ser Vor­trag führt auf kei­nen ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­stoß.

23 Der Se­nat hat in den vom Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. in Be­zug ge­nom­me­nen Pas­sa­gen des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses aus­ge­führt, der Dienst­herr ha­be im No­vem­ber 2021 zum Zeit­punkt der Än­de­rung der All­ge­mei­nen Re­ge­lung A1-840/8-4000 "Impf- und aus­ge­wähl­te Pro­phy­la­x­e­maß­nah­men" da­von aus­ge­hen kön­nen, dass ei­ne Imp­fung zum Schutz der Ge­sund­heit der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten bei­tra­ge und da­mit auch die Ein­satz­be­reit­schaft der Streit­kräf­te si­che­re. Die da­mals zu­ge­las­se­nen Impf­stof­fe hät­ten nach Ein­schät­zung des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts bei In­fek­tio­nen mit der Del­ta-Va­ri­an­te des Vi­rus ei­ne sehr ho­he Wirk­sam­keit von et­wa 90 % ge­gen ei­ne schwe­re In­fek­ti­on (z. B. Be­hand­lung im Kran­ken­haus) und ei­ne gu­te Wirk­sam­keit von et­wa 75 % ge­gen ei­ne sym­pto­ma­ti­sche Co­vid-19-In­fek­ti­on ge­bo­ten. Im No­vem­ber 2021 sei ei­ne deut­li­che fach­wis­sen­schaft­li­che Mehr­heit da­von aus­ge­gan­gen, dass sich ge­impf­te und ge­ne­se­ne Per­so­nen sel­te­ner mit dem Co­ro­na­vi­rus SARS-CoV-2 in­fi­zier­ten und auch das Vi­rus sel­te­ner über­tra­gen könn­ten als nicht ge­impf­te oder nicht ge­ne­se­ne Per­so­nen. Es sei auch an­ge­nom­men wor­den, dass dann, wenn sich Ge­impf­te in­fi­zier­ten, sie we­ni­ger und nur für ei­nen kür­ze­ren Zeit­raum als nicht Ge­impf­te in­fek­ti­ös sei­en und ei­ne Co­vid-19-Schutz­imp­fung zum Schutz an­de­rer bei­tra­ge (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 101). Ei­ne da­von ab­wei­chen­de Eig­nungs­pro­gno­se sei auch nicht mit dem Auf­tre­ten der im No­vem­ber 2021 noch neu­ar­ti­gen Omi­kron-Va­ri­an­te an­ge­zeigt ge­we­sen (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 102). Der Dienst­herr kön­ne auch da­von aus­ge­hen, dass die Eig­nung der mRNA-Impf­stof­fe über den Win­ter 2021/2022 hin­aus bis heu­te er­hal­ten ge­blie­ben sei. Das Ro­bert-Koch-In­sti­tut ge­he da­von aus, dass die ver­füg­ba­ren Impf­stof­fe auch un­ter der Do­mi­nanz der Omi­kron-Va­ri­an­te für voll­stän­dig ge­impf­te Per­so­nen al­ler Al­ters­grup­pen - ins­be­son­de­re nach ei­ner Auf­fri­schimp­fung - wei­ter­hin ei­nen sehr gu­ten Schutz ge­gen­über ei­ner schwe­ren Co­vid-19-Er­kran­kung ver­mit­tel­ten (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 103).

24 Die vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung mit Schrei­ben vom 22. Mai 2022 über­mit­tel­ten und von der frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten B. mit Schrei­ben vom 3. Ju­ni 2022 er­ör­ter­ten Zah­len über den An­stieg der In­zi­den­zen in der Bun­des­wehr für den Zeit­raum von No­vem­ber 2021 bis April 2022 sind nicht ge­eig­net, die Wür­di­gung der Ge­eig­net­heit der Schutz­imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus durch den Se­nat in­fra­ge zu stel­len. Wie be­reits das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung in dem er­wähn­ten Schrei­ben aus­ge­führt hat, kor­re­spon­die­ren die an­stei­gen­den In­zi­den­zen ab No­vem­ber 2021 mit der in die­sem Mo­nat ein­set­zen­den Wel­le im zi­vi­len Be­reich und bie­ten da­mit von vorn­her­ein kei­ne nach­voll­zieh­ba­re Grund­la­ge für die von der frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten B. da­mit ver­bun­de­nen Spe­ku­la­tio­nen über ei­ne an­geb­li­che Kau­sa­li­tät zwi­schen der Pflicht zur Dul­dung der Schutz­imp­fung und dem An­stieg der SARS-CoV-2-Fall­zah­len un­ter den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten. Ei­ner nä­he­ren Er­ör­te­rung die­ser er­kenn­bar oh­ne Sub­stanz an­ge­stell­ten Mut­ma­ßun­gen be­durf­te es des­halb nicht. Für die vom Se­nat her­vor­ge­ho­be­nen po­si­ti­ven Wir­kun­gen der Schutz­imp­fung, et­wa bei der Ver­hin­de­rung schwe­rer In­fek­tio­nen, las­sen sich oh­ne­hin kei­ne ab­wei­chen­den Schluss­fol­ge­run­gen ab­lei­ten.

25 (2) Ent­ge­gen der An­sicht des An­trag­stel­lers er­schlie­ßt sich ein Ge­hörs­ver­stoß auch nicht aus sei­nem Ein­wand, der Se­nat über­ge­he mit sei­ner auf ei­ne dä­ni­sche Haus­halts­stu­die und de­ren Her­an­zie­hung durch den Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann ge­stütz­ten Ein­schät­zung, die "CO­VID-In­jek­tio­nen" bö­ten ei­nen re­le­van­ten Über­tra­gungs­schutz (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 107), den Vor­trag zu den me­tho­di­schen Schwä­chen die­ser Stu­die auf Sei­te 19 des Schrei­bens sei­nes Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 1. Ju­li 2022.

26 Un­ter Rn. 107 der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung hat der Se­nat aus­ge­führt, dass mit der durch das Impf­se­rum aus­ge­lös­ten An­ti­kör­per-Bil­dung auch ei­ne Re­duk­ti­on des Trans­mis­si­ons­ri­si­kos un­ter drei­fach-ge­impf­ten Per­so­nen ver­bun­den sei, kön­ne gleich­falls - auch bei Be­rück­sich­ti­gung wis­sen­schaft­li­cher Be­wer­tungs­un­si­cher­hei­ten - als ei­ne ver­tret­ba­re Pro­gno­se er­ach­tet wer­den. Die hier­zu vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung vor­ge­leg­te Dar­stel­lung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Mai 2022 mit ei­ner be­haup­te­ten Re­duk­ti­on des Über­tra­gungs­ri­si­kos von 77 % im Ver­gleich zu Un­ge­impf­ten sei von dem Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann zwar in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 7. Ju­ni 2022 nicht be­stä­tigt wor­den. Er ha­be je­doch un­ter Ver­weis auf Haus­halts­stu­di­en aus Nor­we­gen und Dä­ne­mark aus­ge­führt, dass nach drei bis vier Mo­na­ten ein Trans­mis­si­ons­schutz be­stehe, der sich bei 20 bis 40 % be­we­ge. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on be­grün­de ih­re Impf­emp­feh­lung eben­falls mit der da­mit ver­bun­de­nen Re­du­zie­rung der Trans­mis­si­on. Die­sem As­pekt ha­be auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­nach­weis­pflicht Be­deu­tung bei­ge­mes­sen (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - NVwZ 2022, 950 Rn. 185).

27 Der Se­nat hat sich bei sei­ner Ein­schät­zung der Ver­tret­bar­keit der von dem Dienst­herrn an­ge­stell­ten Pro­gno­se hier­nach auf ei­ne Rei­he von Er­kennt­nis­sen ge­stützt, von de­nen der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. le­dig­lich die dä­ni­sche Haus­halts­stu­die be­han­delt und ih­re Eig­nung als Er­kennt­nis­quel­le für die Be­ur­tei­lung durch den Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann we­gen der auf Sei­te 19 sei­nes Schrei­bens vom 1. Ju­li 2022 be­schrie­be­nen Be­an­stan­dun­gen be­zwei­felt. Dort wer­den der Um­stand, dass es sich um kei­ne Stu­die, son­dern nur um ei­ne re­tro­spek­ti­ve Ana­ly­se po­si­ti­ver PCR- und An­ti­gen-Tests von Per­so­nen han­deln sol­le, die an­hand ih­rer per­sön­li­chen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer Haus­hal­ten zu­ge­ord­net wor­den sei­en und de­ren Impf- und Test­sta­tus sich aus der per­sön­li­chen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer er­ge­be, so­wie der von ihm als un­ge­eig­net be­trach­te­te Ana­ly­se­zeit­raum "von Weih­nach­ten bis über Neu­jahr" als me­tho­di­sche Schwä­chen be­nannt. Ei­nen Ge­hörs­ver­stoß legt die­se punk­tu­el­le, sich oh­ne­hin nur auf ei­nen Aus­schnitt der Wür­di­gung des Se­nats be­schrän­ken­de Kri­tik nicht plau­si­bel na­he. Sie ver­kennt, dass der Se­nat sei­ne Fest­stel­lung tra­gend auf die fach­li­che Ex­per­ti­se des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann stützt, der bei sei­ner Aus­wer­tung der Stu­di­en­la­ge da­mit auch be­fä­higt ist, den wis­sen­schaft­li­chen Wert ei­ner Stu­die un­ter Be­rück­sich­ti­gung fach­li­cher Kri­tik ein­zu­schät­zen und ih­ren Er­kennt­nis­wert für sei­ne fach­wis­sen­schaft­li­che Aus­kunft durch die Zu­sam­men­schau mit ei­ner Haus­halts­stu­die aus Nor­we­gen zu er­gän­zen.

28 Un­ge­ach­tet die­ser Über­le­gun­gen hät­te es dem An­trag­stel­ler und sei­nen Be­voll­mäch­tig­ten zur Ver­mei­dung ei­nes Ge­hörs­ver­sto­ßes ob­le­gen, den ver­meint­li­chen - sich aus Sicht des Se­nats frei­lich nicht auf­drän­gen­den - Un­stim­mig­kei­ten in der Ar­gu­men­ta­ti­on des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann nach­zu­ge­hen, et­wa durch die Stel­lung ent­spre­chen­der Be­weis­an­trä­ge in der münd­li­chen Ver­hand­lung.

29 (3) Glei­cher­ma­ßen er­folg­los bleibt der An­trag­stel­ler mit sei­nen Rü­gen ge­gen die Er­wä­gun­gen des Se­nats zu der Fra­ge, ob der Imp­fung zwin­gen­de arz­nei­mit­tel­recht­li­che Vor­schrif­ten ent­ge­gen­ste­hen (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 200 ff.).

30 (a) Der Vor­wurf des An­trag­stel­lers, der Se­nat ha­be die "arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Fra­gen" un­ter Miss­ach­tung der Ent­schei­dung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts ers­ter In­stanz (EuG, Be­schluss vom 9. No­vem­ber 2021 - T-96/21 - Rn. 67) und da­mit ge­hörs­ver­let­zend für un­er­heb­lich er­klärt, ist nicht be­rech­tigt.

31 Der Se­nat hat in sei­nem Be­schluss aus­führ­lich dar­ge­legt, aus wel­chen Grün­den er sich nicht ver­pflich­tet sieht, das Ver­fah­ren dem Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 208 ff.). Auf die­se Er­wä­gun­gen geht die An­hö­rungs­rü­ge nicht an­satz­wei­se ein und setzt sich auch nicht mit den vom Se­nat zu­grun­de ge­leg­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Vor­la­ge­pflicht ei­nes mit­glied­staat­li­chen letzt­in­stanz­li­chen Ge­richts aus­ein­an­der, so­dass sich ihr auch nicht ent­neh­men lässt, aus wel­chen Grün­den der vom Se­nat ver­tre­te­ne Aus­schluss der Vor­la­ge ei­nen ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­stoß be­grün­det. Der An­trag­stel­ler räumt viel­mehr aus­drück­lich ein, dass sich der Se­nat mit der von ihm in Be­zug ge­nom­me­nen Recht­spre­chung be­fasst hat, er wi­der­spricht le­dig­lich der recht­li­chen Wür­di­gung des Se­nats.

32 Der vom An­trag­stel­ler im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang ge­rüg­ten Ver­let­zung sei­nes Grund­rechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG muss der Se­nat nicht nach­ge­hen, da die­se Be­an­stan­dung - un­ab­hän­gig von der Gel­tend­ma­chung ei­ner Ge­hörs­ver­let­zung - kei­nen statt­haf­ten Ge­gen­stand ei­ner An­hö­rungs­rü­ge be­han­delt (vgl. BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 30. April 2008 - 2 BvR 482/07 - NJW 2008, 3275 Rn. 9). Un­ge­ach­tet des­sen ist die­ser Vor­wurf auch nicht be­grün­det, weil ein Ver­stoß ge­gen die Vor­la­ge­pflicht - wie zu­vor dar­ge­stellt - nicht an­zu­neh­men ist.

33 (b) So­weit sich der An­trag­stel­ler ge­gen die An­nah­me des Se­nats wen­det, dass die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on - als Grund­la­ge für die Be­ur­tei­lung des Ma­ßes der Ne­ben­wir­kun­gen von mRNA-Impf­stof­fen durch den Se­nat - den me­di­zi­ni­schen Stan­dard ab­bil­de­ten und zu der An­nah­me be­rech­tig­ten, dass der Nut­zen der je­weils emp­foh­le­nen Imp­fung das Impf­ri­si­ko über­wie­ge (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 220 i. V. m. 91), und mit Blick dar­auf ei­ne Ver­let­zung der Hin­weis­pflicht als ge­ge­ben er­ach­tet, wird da­mit eben­falls kein Ge­hörs­ver­stoß auf­ge­zeigt. Ei­ne Über­ra­schungs­ent­schei­dung liegt nicht vor.

34 Art. 103 Abs. 1 GG ver­langt grund­sätz­lich nicht, dass das Ge­richt vor sei­ner Ent­schei­dung auf sei­ne Rechts­auf­fas­sung hin­weist; dem Ge­richt ob­liegt in­so­weit auch kei­ne all­ge­mei­ne Fra­ge- und Auf­klä­rungs­pflicht. Des­halb ist das Ge­richt nicht ge­hal­ten, un­ter dem Blick­win­kel der Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs sei­ne die Ent­schei­dung tra­gen­de Rechts­auf­fas­sung schon vor der Be­schluss­be­ra­tung im Ein­zel­nen fest­zu­le­gen und den Be­tei­lig­ten zur Er­ör­te­rung be­kannt­zu­ge­ben. Ein recht­li­cher Hin­weis ist nur dann er­for­der­lich, wenn ein Be­tei­lig­ter bei An­wen­dung der von ihm zu ver­lan­gen­den Sorg­falt nicht zu er­ken­nen ver­mag, auf wel­chen Vor­trag es für die Ent­schei­dung an­kom­men kann. Das ist je­doch nicht der Fall, wenn ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Viel­falt ver­tret­ba­rer Rechts­auf­fas­sun­gen nach dem bis­he­ri­gen Ver­lauf des Ver­fah­rens da­mit rech­nen muss­te, dass ein recht­li­cher Ge­sichts­punkt für die Ent­schei­dung er­heb­lich sein könn­te (BVer­wG, Be­schluss vom 2. März 2021 - 1 WB 1.21 - ju­ris Rn. 12 m. w. N.).

35 Ge­mes­sen dar­an be­ruht die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung nicht auf ei­ner über­ra­schen­den Rechts­auf­fas­sung, mit der der An­trag­stel­ler nicht rech­nen und zu der er sich da­her auch nicht äu­ßern konn­te.

36 Der Se­nat nimmt un­ter Rn. 220 der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung an, dass die mRNA-Impf­stof­fe ob­jek­tiv be­trach­tet nach den vor­han­de­nen Er­kennt­nis­sen der me­di­zi­ni­schen Wis­sen­schaft ein ver­tret­ba­res Maß an Ne­ben­wir­kun­gen hät­ten. Dies hat er schon dar­aus ge­fol­gert, dass die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut für na­he­zu al­le Al­ters­grup­pen die Imp­fung ge­gen Co­vid-19 mit den der­zeit zu­ge­las­se­nen mRNA-Impf­stof­fen emp­feh­le. Denn die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on bil­de­ten den me­di­zi­ni­schen Stan­dard ab und be­rech­tig­ten zu der An­nah­me, dass der Nut­zen der je­weils emp­foh­le­nen Imp­fung das Impf­ri­si­ko über­wie­ge. Der Se­nat hat an an­de­rer Stel­le aus­ge­führt, dass der Dienst­herr auf die Be­last­bar­keit des von der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on er­ho­be­nen und be­wer­te­ten Da­ten­ma­te­ri­als ha­be ver­trau­en dür­fen. Das Ro­bert-Koch-In­sti­tut ver­fü­ge über die not­wen­di­gen per­so­nel­len und sach­li­chen Res­sour­cen; in sei­ner Be­ur­tei­lung sei es un­ab­hän­gig und in­ter­na­tio­nal ver­netzt (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 90). Bei der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on (STI­KO) han­de­le es sich um ein po­li­tisch und welt­an­schau­lich neu­tra­les, 1972 ge­grün­de­tes Ex­per­ten­gre­mi­um, das beim Ro­bert-Koch-In­sti­tut im Fach­ge­biet Impf­prä­ven­ti­on an­ge­sie­delt sei und ei­nen op­ti­ma­len Ein­satz ver­füg­ba­ren Impf­stoffs ge­währ­leis­ten sol­le. Sei­ne Emp­feh­lun­gen wür­den als me­di­zi­ni­scher Stan­dard gel­ten. Die dort eh­ren­amt­lich Tä­ti­gen sei­en Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten aus un­ter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen der Wis­sen­schaft und For­schung, aus dem Be­reich des öf­fent­li­chen Ge­sund­heits­diens­tes und der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te­schaft. Bei ih­rer Tä­tig­keit sei­en sie nur ih­rem Ge­wis­sen ver­ant­wort­lich und zur un­par­tei­ischen Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben ver­pflich­tet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Ge­schäfts­ord­nung der STI­KO). Bei ih­rer Auf­ga­ben­er­fül­lung be­nut­ze die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on Kri­te­ri­en der evi­denz­ba­sier­ten Me­di­zin, be­zie­he ins­be­son­de­re die Be­wer­tun­gen des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zur Si­cher­heit von Impf­stof­fen mit ein und füh­re ei­ne un­ab­hän­gi­ge epi­de­mio­lo­gi­sche Nut­zen-Ri­si­ko-Ab­wä­gung durch. Da­bei ha­be die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on nicht nur den Nutz­wert ei­ner Imp­fung für die Ein­zel­nen, son­dern auch für die Ge­samt­be­völ­ke­rung im Blick (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 91). Der Se­nat schlie­ßt sich hier­mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts an (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - BVerf­GE 161, 199 Rn. 139).

37 Mit die­ser Wür­di­gung konn­te ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Be­voll­mäch­tig­ter oh­ne Wei­te­res rech­nen. Der An­trag­stel­ler ist mit Hin­weis­ver­fü­gung des Vor­sit­zen­den vom 24. März 2022 an sei­ne bei­den da­ma­li­gen Be­voll­mäch­tig­ten aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den, dass Stel­lung­nah­men staat­li­cher Fach­be­hör­den aus dem Ge­sund­heits­be­reich das Ge­wicht amt­li­cher Aus­künf­te ha­ben dürf­ten. Die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang wa­ren Ge­gen­stand des Ver­fah­rens. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Ver­tei­di­gung hat zu­dem schrift­lich so­wie in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­klärt, dass die Bun­des­wehr den STI­KO-Emp­feh­lun­gen fol­ge. Auch die zu­vor er­wähn­te Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur ein­rich­tungs­be­zo­ge­nen Impf­pflicht war den Pro­zess­be­tei­lig­ten be­kannt. Ein­ge­denk die­ser Um­stän­de muss­te ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter auch die Mög­lich­keit ein­kal­ku­lie­ren, dass der Se­nat die Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on als hin­rei­chen­de Grund­la­ge für die Be­ur­tei­lung et­wa von Ne­ben­wir­kun­gen von mRNA-Impf­stof­fen er­ach­tet und dar­an ent­spre­chen­de Schluss­fol­ge­run­gen knüpft. Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. hät­te da­nach sei­nen Vor­trag nicht zu­letzt aus Grün­den der pro­zes­sua­len Vor­sicht dar­auf ein­rich­ten kön­nen. Ei­ne Ver­pflich­tung des Se­nats, sich schon vor der Be­schluss­be­ra­tung ver­bind­lich in der an­ge­spro­che­nen Fra­ge fest­zu­le­gen und hier­von die Pro­zess­be­tei­lig­ten zu un­ter­rich­ten, be­stand je­den­falls nicht.

38 (c) Die üb­ri­gen Rü­gen des An­trag­stel­lers ge­gen die Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter den Rn. 200 ff. des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses be­schrän­ken sich auf ei­ne Kri­tik im Sti­le ei­ner Rechts­mit­tel­schrift und be­dür­fen aus die­sem Grun­de kei­ner nä­he­ren Er­ör­te­rung.

39 (4) (a) Den Be­den­ken des An­trag­stel­lers ge­gen die vom Se­nat un­ter den Rn. 49, 61 ff. und 67 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses an­ge­stell­ten Er­wä­gun­gen fehlt es be­reits an der für die Dar­le­gung ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­let­zung nach § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 Vw­GO er­for­der­li­chen Schlüs­sig­keit. Sein Vor­brin­gen be­schränkt sich auf Dar­le­gun­gen zu an­geb­lich über­gan­ge­nem Vor­trag, der sich mit be­haup­te­ten Impf­kom­pli­ka­tio­nen, mit der Ein­satz­fä­hig­keit der Trup­pe und mit der Er­for­der­lich­keit ei­ner Schutz­imp­fung je­weils im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Schutz­imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus be­fasst. Ab­ge­se­hen da­von, dass sich auch die­ses Vor­brin­gen je­den­falls in wei­ten Tei­len auf ei­ne Kri­tik der recht­li­chen Wür­di­gung durch den Se­nat be­schränkt, ver­kennt der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. mit sei­nen dies­be­züg­li­chen Rü­gen, dass sich der Se­nat un­ter den be­sag­ten Rand­num­mern des Be­schlus­ses zur Fra­ge der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­re­gel­ten all­ge­mei­nen Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen jeg­li­cher Art äu­ßert und nicht zu der Fra­ge, ob die Pflicht zur Dul­dung von Imp­fun­gen ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus ei­ner ver­fas­sungs­recht­li­chen Über­prü­fung Stand zu hal­ten ver­mag. Aus dem An­hö­rungs­vor­brin­gen lässt sich je­den­falls nicht oh­ne Wei­te­res nach­voll­zieh­bar ent­neh­men, aus wel­chen Grün­den die vor­ge­tra­ge­nen Rü­gen die Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den nach Art. 103 Abs. 1 GG zu be­ach­ten­den Prä­mis­sen er­schüt­tern könn­ten. Da­mit er­schlie­ßt sich ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung, die ent­schei­dungs­er­heb­lich wä­re, nicht.

40 (b) Un­ab­hän­gig da­von er­wei­sen sich die vor­ge­tra­ge­nen Ein­wän­de auch nicht als stich­hal­tig.

41 (aa) So­weit sich der An­trag­stel­ler ge­gen die bei der Prü­fung der Fra­ge, ob die in § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ge­re­gel­te Ver­pflich­tung ei­nen Ein­griff in das Grund­recht auf Le­ben (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GG) dar­stellt, vom Se­nat an­ge­stell­te Er­wä­gung wen­det, ei­ne Er­hö­hung des Ster­be­ri­si­kos wer­de we­der be­zweckt noch be­wirkt, und dar­in ei­nen Ver­stoß ge­gen die ge­richt­li­che Hin­weis­pflicht er­blickt, führt dies nicht zum Er­folg.

42 Der An­trag­stel­ler ist, wie al­le an­de­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten, auch zu der Fra­ge ei­ner ent­spre­chen­den Grund­rechts­ver­let­zung - zu­letzt in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat am 2. Mai 2022 (vgl. Pro­to­koll, S. 4) – ge­hört wor­den. Ei­nen ge­wis­sen­haf­ten und kun­di­gen Pro­zess­be­tei­lig­ten konn­te es auch nicht über­ra­schen, dass der Se­nat - ori­en­tiert an der auch dem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. be­kann­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG, Be­schluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 - BVerf­GE 161, 199 Rn. 110 ff.) – ei­nen Ein­griff in das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit als für Heil­ein­grif­fe und vor­beu­gen­de me­di­zi­ni­sche Maß­nah­men spe­zi­el­les Grund­recht be­jaht. In der Kon­se­quenz des­sen konn­te ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Be­voll­mäch­tig­ter dann auch nicht von vorn­her­ein aus­schlie­ßen und muss­te sich dar­auf ein­stel­len, dass ein Ein­griff durch die in Re­de ste­hen­de vor­beu­gen­de me­di­zi­ni­sche Maß­nah­me ge­gen das Grund­recht auf Le­ben vom Se­nat ver­neint wird. Ein der­ar­ti­ger Ein­griff muss ob­jek­tiv zu­re­chen­bar be­wirkt sein (vgl. all­ge­mein Schul­ze-Fie­litz, in: Drei­er, Grund­ge­setz, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Rn. 44). Hier­für be­darf es frei­lich nach­voll­zieh­ba­rer An­halts­punk­te. In­so­weit er­scheint es auch vor dem Hin­ter­grund ge­ra­de des Vor­tra­ges des An­trag­stel­lers zu ei­ner ent­spre­chen­den Ziel­rich­tung der Schutz­imp­fung (vgl. et­wa Schrei­ben des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 14. April 2022, S. 7 f., und des Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. vom 19. Mai 2022, S. 11 ff.) nicht fern­lie­gend, sich mit der Fra­ge zu be­fas­sen, ob der Dienst­herr mit der hier in Re­de ste­hen­den Maß­nah­me ei­ne Er­hö­hung des Sterb­lich­keits­ri­si­kos der be­trof­fe­nen Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten be­zweckt oder be­wirkt hat. Bei Heil­ein­grif­fen und vor­beu­gen­den me­di­zi­ni­schen Maß­nah­men wie hier ist das oh­ne Wei­te­res zu ver­nei­nen. Der Se­nat muss­te die­se Ge­dan­ken­füh­rung nach al­le­dem nicht schon vor der Be­schluss­fas­sung ge­gen­über dem An­trag­stel­ler im Ein­zel­nen er­läu­tern.

43 So­weit der An­trag­stel­ler zu be­den­ken gibt, dass der Se­nat im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang Vor­trag über­gan­gen hät­te, führt dies nicht wei­ter. An­ders als mit der An­hö­rungs­rü­ge vor­ge­tra­gen, hat der Se­nat nicht aus­ge­schlos­sen, dass ein Sol­dat so­wohl in­fi­ziert als auch ge­impft sein und es da­durch zu ei­ner Ku­mu­la­ti­on von Ri­si­ken kom­men kön­ne. Der Se­nat hat le­dig­lich aus­ge­führt, der un­ver­meid­li­che Um­stand, dass es bei Imp­fun­gen in sel­te­nen Fäl­len zu töd­lich ver­lau­fen­den Kom­pli­ka­tio­nen kom­men kön­ne, än­de­re am Cha­rak­ter der Imp­fun­gen als me­di­zi­ni­sche Heil­ein­grif­fe und am grund­recht­li­chen Prü­fungs­maß­stab des Grund­rechts auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit nichts (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 49). Auf die Grün­de für mög­li­che Kom­pli­ka­tio­nen kam es hier­bei nicht an. Die Ar­gu­men­ta­ti­on des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. auf Sei­te 13 des Schrei­bens vom 3. Ju­ni 2022 zu der an­ge­spro­che­nen Ri­si­ko­ku­mu­la­ti­on be­durf­te da­her kei­ner ge­son­der­ten Er­ör­te­rung. Die hier an­ge­stell­ten Er­wä­gun­gen gel­ten glei­cher­ma­ßen für die Kri­tik des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. ge­gen die An­nah­me des Se­nats, durch die Be­grün­dung ei­ner ge­setz­li­chen Dul­dungs­pflicht für ärzt­li­che Maß­nah­men ge­gen In­fek­ti­ons­krank­hei­ten wer­de auch hin­sicht­lich der kör­per­li­chen In­te­gri­tät der We­sens­ge­halt des Grund­rechts nicht ver­letzt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 73 i. V. m. 72).

44 Die wei­te­ren Er­wä­gun­gen be­schrän­ken sich auf ei­ne in­halt­li­che Kri­tik ins­be­son­de­re an dem vom Se­nat her­an­ge­zo­ge­nen Maß­stab und müs­sen im hie­si­gen Ver­fah­ren un­er­ör­tert blei­ben.

45 (bb) Auf ei­nen Ge­hörs­ver­stoß wei­sen auch nicht die Be­den­ken des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. ge­gen die Aus­füh­run­gen des Se­nats zur ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ver­fas­sungs­ge­mä­ßheit der sol­da­ten­recht­li­chen Pflicht zur Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen (s. da­zu nä­her BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 61 ff.). Mit den Aus­füh­run­gen der frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten B. in dem Schrei­ben vom 3. Ju­ni 2022 zum An­stieg der CO­VID-19-Fall­zah­len und der Zu­nah­me von Per­so­nal­aus­fäl­len in der Bun­des­wehr seit No­vem­ber 2021 muss­te sich der Se­nat in die­sem Kon­text nicht nä­her aus­ein­an­der­set­zen, weil sie für die Fra­ge, ob § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG ver­fas­sungs­ge­mäß ist, oh­ne er­kenn­ba­ren Er­kennt­nis­wert sind. Ab­ge­se­hen da­von lässt sich aus den Zah­len auch nicht ab­le­sen, dass die Ein­satz­fä­hig­keit der Bun­des­wehr in nen­nens­wer­tem Um­fang be­ein­träch­tigt ge­we­sen ist. Sei­ne Be­haup­tung, die Schutz­imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus ha­be die Ein­satz­fä­hig­keit in dem zu­vor er­wähn­ten Zeit­raum akut ge­fähr­det und sich nicht po­si­tiv aus­ge­wirkt, be­durf­te hier­nach als halt­lo­se Be­haup­tung ins Blaue hin­ein we­der er­gän­zen­der Be­weis­er­he­bung, noch ei­ner aus­drück­li­chen Wi­der­le­gung in den Ent­schei­dungs­grün­den.

46 (cc) Ei­nen Ge­hörs­ver­stoß im Hin­blick auf die An­nah­me des Se­nats, der Ge­setz­ge­ber ha­be die Be­grün­dung ei­ner be­rufs­be­zo­ge­nen Dul­dungs­pflicht für Schutz­imp­fun­gen als er­for­der­lich an­se­hen kön­nen (da­zu s. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 67), sucht der Be­voll­mäch­tig­te ver­geb­lich aus der Be­grün­dung des Se­nats für die Fest­stel­lung ab­zu­lei­ten, es wä­re auch kei­ne gleich ef­fek­ti­ve Op­ti­on, die Imp­fung von ei­ner vor­he­ri­gen Be­stim­mung der im Blut der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten vor­han­de­nen An­ti­kör­per ab­hän­gig zu ma­chen.

47 Der Se­nat hat für sei­ne Wür­di­gung - in Re­ak­ti­on auf Vor­brin­gen des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. in des­sen Schrei­ben vom 14. April 2022 (S. 9 f.) – zwei Grün­de an­ge­ge­ben: Es ge­be kei­ne wis­sen­schaft­lich klar de­fi­nier­te Men­ge an An­ti­kör­pern, ab der ein aus­rei­chen­der Schutz auch oh­ne Imp­fung vor­han­den sei (RKI, Epi­de­mio­lo­gi­scher Steck­brief zu SARS-CoV-2 und Co­vid-19, Stand 26. No­vem­ber 2021, Nr. 18). Au­ßer­dem wür­de ei­ne lau­fen­de Über­prü­fung der An­ti­kör­per-Ti­ter bei ca. 180 000 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ei­nen un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Auf­wand ver­ur­sa­chen (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 114).

48 Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. be­män­gelt, bei­de Be­haup­tun­gen sei­en nie­mals Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­we­sen. Da­mit dringt er nicht durch. Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. konn­te da­mit rech­nen, dass sich der Se­nat auch mit sei­nem dies­be­züg­li­chen schrift­sätz­li­chen Vor­brin­gen aus­ein­an­der­set­zen wird. In der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat am 2. Mai 2022 be­stand Ge­le­gen­heit für die Be­voll­mäch­tig­ten, sich zu je­der Fra­ge der Recht­fer­ti­gung von Grund­rechts­ein­grif­fen zu äu­ßern. Ein Hin­weis des Se­nats vor der Be­schluss­be­ra­tung dar­auf, wie die­ses Vor­brin­gen zu wür­di­gen ist, war vor die­sem Hin­ter­grund nicht an­ge­zeigt.

49 Ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ge­hörs­ver­let­zung lässt sich dar­über hin­aus auch des­halb nicht fest­stel­len, weil sich dem Vor­brin­gen nicht kon­kret ent­neh­men lässt, was der An­trag­stel­ler im Ein­zel­nen vor­ge­tra­gen hät­te, wenn der ver­miss­te Hin­weis er­teilt wor­den wä­re. Die Schrei­ben des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 14. April 2022 (S. 10 ff.) und vom 3. Ju­ni 2022 (S. 13) ge­ben hier­über kei­nen hin­rei­chen­den Auf­schluss und ver­hal­ten sich - eben­so wie die An­hö­rungs­rü­ge - auch nicht zu den vom Se­nat her­an­ge­zo­ge­nen Er­kennt­nis­sen des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts.

50 (5) Die ge­gen die Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter Rn. 79 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses vor­ge­tra­ge­nen Rü­gen ver­fan­gen eben­falls nicht. Sie rich­ten sich in ers­ter Li­nie ge­gen den dort wie­der­ge­ge­be­nen Prü­fungs­maß­stab und er­schöp­fen sich in ei­ner blo­ßen Kri­tik an der recht­li­chen Wür­di­gung durch den Se­nat. So­weit der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. be­an­stan­det, dass es der Se­nat in­fol­ge der An­nah­me der Glaub­haf­tig­keit der An­ga­ben und me­di­zi­ni­schen Ein­schät­zun­gen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung in­ner- und au­ßer­halb des hie­si­gen Ver­fah­rens ver­säumt ha­be, sich "mit den hier vor­ge­tra­ge­nen In­di­zi­en" aus­ein­an­der­zu­set­zen, "die eben die­se Glaub­haf­tig­keit er­schüt­tern", fehlt es die­sem Vor­trag be­reits an der er­for­der­li­chen Sub­stanz; auf wel­che "vor­ge­tra­ge­nen In­di­zi­en" er im Ein­zel­nen Be­zug nimmt, er­läu­tert der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. nicht kon­kret. So­weit er sich va­ge auf sei­nen Schrift­satz vom 3. Ju­ni 2022 be­zieht, liegt es fern, aus der dort ge­äu­ßer­ten Kri­tik an ein­zel­nen Äu­ße­run­gen oder wis­sen­schaft­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen der Ober­st­ärz­te Prof. Dr. Kehe, Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel und Prof. Dr. Wöl­fel Schlüs­se auf ih­re Un­glaub­wür­dig­keit zu zie­hen. Der­ar­tig halt­lo­se An­grif­fe ge­gen die per­sön­li­che In­te­gri­tät und fach­li­che Ex­per­ti­se der Mit­ar­bei­ter des Sa­ni­täts­diens­tes der Bun­des­wehr be­dür­fen kei­ner aus­drück­li­chen Wi­der­le­gung in den Ent­schei­dungs­grün­den.

51 (6) (a) Die Ein­wän­de des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. ge­gen die Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter Rn. 89 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses be­las­sen es im We­sent­li­chen er­neut da­bei, die recht­li­che Wür­di­gung durch den Se­nat zu be­män­geln. Die in­so­weit vor­ge­tra­ge­ne Rü­ge ei­ner Ver­let­zung des Art. 19 Abs. 4 GG ist im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren oh­ne­hin oh­ne Be­lang, weil sie - wie be­reits aus­ge­führt - un­statt­haft ist.

52 (b) So­weit dem Se­nat über­haupt vor­ge­wor­fen wird, Vor­trag über­gan­gen zu ha­ben, trifft dies nicht zu.

53 So hat der Se­nat ent­ge­gen der An­sicht des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. die "schrift­li­che Aus­ar­bei­tung von Prof. Dr. Ul­ri­ke Käm­me­rer" – ge­meint sind de­ren Gut­ach­ten zum Be­leg der The­se, die Ge­fähr­lich­keit und Ver­brei­tung des SARS-CoV-2-Vi­rus wer­de auf­grund der An­wen­dung nicht aus­sa­ge­fä­hi­ger An­ti­gen- und PCR-Tests völ­lig über­schätzt, so­dass in Wahr­heit kei­ne Co­ro­na-Pan­de­mie, son­dern ei­ne Test­pan­de­mie vor­lä­ge - zur Kennt­nis ge­nom­men und auch ge­wür­digt, wie die - mit der An­hö­rungs­rü­ge aus­ge­blen­de­ten - Aus­füh­run­gen un­ter Rn. 150, 152 und 153 der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung be­le­gen.

54 Der wei­te­re un­ter Gel­tend­ma­chung ei­nes Ge­hörs­ver­sto­ßes er­teil­te Hin­weis des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2., die im Schrift­satz der frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten B. (mut­ma­ß­lich) vom 3. Ju­ni 2022 mit­ge­teil­ten Zah­len zum An­stieg der In­zi­den­zen in­ner­halb der Bun­des­wehr nach Ein­füh­rung der Pflicht zur Dul­dung von Schutz­imp­fun­gen ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus hät­ten in die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung ein­flie­ßen müs­sen, führt nicht wei­ter. Wie be­reits aus­ge­führt, ver­bin­det die frü­he­re Be­voll­mäch­tig­te B. mit dem Zah­len­werk Spe­ku­la­tio­nen über ei­ne an­geb­li­che Kau­sa­li­tät zwi­schen der Pflicht zur Dul­dung der Schutz­imp­fung und dem An­stieg der SARS-CoV-2-Fall­zah­len un­ter den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten, die fern­lie­gend sind und da­her kei­ner nä­he­ren Er­ör­te­rung im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang be­durf­ten.

55 (7) Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. er­blickt ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung durch den Se­nat dar­über hin­aus zu Un­recht in der Fest­stel­lung, von dem An­trag­stel­ler wer­de nur die Ein­ge­hung ei­nes Impf­ri­si­kos ver­langt, das ei­ne Mehr­heit frei­wil­lig ein­zu­ge­hen be­reit sei (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 129).

56 Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. be­grün­det dies wie folgt: Hät­te der Se­nat wäh­rend des Ver­fah­rens dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er die an­geb­li­che Frei­wil­lig­keit der Imp­fung in ei­ner Mehr­heit der Be­völ­ke­rung zum aus­schlag­ge­ben­den Kri­te­ri­um er­he­be, hät­te er für den An­trag­stel­ler zu der Fra­ge, wie "frei­wil­lig" die Imp­fung bei vie­len in der Be­völ­ke­rung ge­we­sen und wie "frei­wil­lig" die Men­schen die Impf­ri­si­ken ein­ge­gan­gen sei­en, viel aus­führ­li­cher vor­ge­tra­gen. Er hät­te in die­sem Fall ins Feld ge­führt, dass die Imp­fung von all je­nen nicht frei­wil­lig emp­fan­gen wor­den sei, die nach me­di­zin­recht­li­chen Maß­stä­ben nicht wirk­sam ein­ge­wil­ligt hät­ten. Das sei­en je­den­falls all je­ne, die - wie im Ge­sund­heits­we­sen - vor der Wahl "Sprit­ze oder raus aus dem Job" ge­stan­den hät­ten, fer­ner al­le, die oh­ne Imp­fung aus dem ge­sell­schaft­li­chen Le­ben kom­plett aus­ge­schlos­sen wor­den sei­en, schlie­ß­lich all je­ne, die nicht ord­nungs­ge­mäß auf­ge­klärt wor­den sei­en. Da wä­ren die Zu­stän­de in den Impf­zen­tren und die ir­re­füh­ren­den An­ga­ben im RKI-Auf­klä­rungs­bo­gen the­ma­ti­siert wor­den. Er hät­te au­ßer­dem die sys­te­ma­ti­sche Ver­harm­lo­sung der Impf­ri­si­ken in den Sys­tem­me­di­en vor­ge­tra­gen und zum Ge­gen­stand der Be­weis­auf­nah­me ge­macht. Ein Ge­hörs­ver­stoß er­schlie­ßt sich aus die­sem Vor­trag nicht.

57 Der Se­nat hat un­ter Rn. 129 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses aus­ge­führt, für die An­ge­mes­sen­heit der Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die All­ge­mei­ne Re­ge­lung A1-840/8-4000 spre­che fer­ner, dass den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten nur ein Impf­ri­si­ko ab­ver­langt wer­de, das die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung frei­wil­lig zur Be­kämp­fung der Pan­de­mie ein­zu­ge­hen be­reit sei. Die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on als un­ab­hän­gi­ges Ex­per­ten­gre­mi­um ha­be die Co­vid-19-Imp­fung un­ter Ein­schluss der Auf­fri­schimp­fung be­reits im No­vem­ber 2021 für al­le Er­wach­se­nen emp­foh­len und hal­te dar­an wei­ter­hin fest. Die Durch­füh­rung der Imp­fung ent­spre­che da­mit dem in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ganz all­ge­mein an­er­kann­ten me­di­zi­ni­schen Stan­dard (vgl. BGH, Ur­teil vom 15. Fe­bru­ar 2000 - VI ZR 48/99 - BGHZ 144, 1 <9>; BVerfG, Be­schluss vom 21. Ju­li 2022 - 1 BvR 469/20 u. a. - NJW 2022, 2904 Rn. 136). Au­ßer­dem ha­be der Ge­setz­ge­ber mit § 20a IfSG auch an­de­ren Be­rufs­grup­pen - wenn auch aus an­de­ren Grün­den - ei­ne Pflicht zum Nach­weis ei­ner Imp­fung ge­gen Co­vid-19 auf­er­legt. Es kön­ne al­so nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr oh­ne recht­fer­ti­gen­den Grund ein be­son­de­res Ri­si­ko auf­er­legt und ein un­zu­mut­ba­res Son­der­op­fer ab­ver­langt wer­den wür­de.

58 Ein Ge­hörs­ver­stoß liegt fern. Er lässt sich schon des­halb nicht fest­stel­len, weil der Be­voll­mäch­tig­te mit sei­ner For­mu­lie­rung, er hät­te "viel aus­führ­li­cher vor­ge­tra­gen", zu er­ken­nen gibt, dass die an­ge­spro­che­ne Pro­ble­ma­tik Ge­gen­stand des Ver­fah­rens ge­we­sen ist und er da­zu vor­tra­gen konn­te. Un­ge­ach­tet des­sen stellt die kri­ti­sier­te Er­wä­gung des Se­nats nur ei­nen Aus­schnitt aus der vom Se­nat an­ge­stell­ten Ab­wä­gung der pri­va­ten In­ter­es­sen des An­trag­stel­lers und dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se dar, wor­auf be­reits die Ver­wen­dung der For­mu­lie­rung "spricht fer­ner" weist; an­ders als die An­hö­rungs­rü­ge na­he­zu­le­gen sucht, war die Fest­stel­lung mit­hin nicht - wie der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. meint - von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung für den Se­nat, son­dern stand - un­selb­stän­dig ent­schei­dungs­tra­gend - ne­ben wei­te­ren Er­wä­gun­gen, die un­ter den Rn. 128 und 130 bis 132 der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung ent­hal­ten sind und mit de­nen sich der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. – mit Aus­nah­me der un­ter Rn. 131 ent­hal­te­nen Be­ur­tei­lung - nicht aus­ein­an­der­setzt. Fer­ner blen­det der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. aus, dass auch der Se­nat Dul­dungs­pflich­ten an­de­rer Be­rufs­grup­pen im vor­lie­gen­den Se­nat ge­se­hen und in sei­ne Be­trach­tung ein­be­zo­gen hat. Der An­trag­stel­ler ver­kennt schlie­ß­lich, dass der Se­nat nicht aus­schlag­ge­bend auf die Frei­wil­lig­keit in dem vom An­trag­stel­ler eng be­grenz­ten Sinn ab­stellt, son­dern auf die Tei­le der Be­völ­ke­rung, die sich oh­ne all­ge­mei­ne Impf­pflicht und da­mit in die­sem Sin­ne frei­wil­lig imp­fen lie­ßen.

59 (8) Oh­ne Er­folg wen­det sich der An­trag­stel­ler mit sei­ner An­hö­rungs­rü­ge ge­gen die Er­wä­gung des Se­nats, Er­folg ver­spre­chen­de al­ter­na­tiv-me­di­zi­ni­sche Me­di­ka­men­te prä­ven­ti­ver Art lä­gen der­zeit nicht vor (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 112). Mit sei­ner Kri­tik, der Se­nat ha­be sich nicht mit dem im Schrift­satz sei­nes Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 14. April 2022, S. 30, er­wähn­ten The­ra­pie­an­satz des süd­afri­ka­ni­schen Arz­tes Dr. ... in­halt­lich aus­ein­an­der­ge­setzt und da­mit das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, ge­langt der An­trag­stel­ler nicht zum Er­folg.

60 Der Se­nat hat die im Rah­men der Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung zu be­ant­wor­ten­de Fra­ge, ob der Dienst­herr die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Ba­si­s­imp­fun­gen auch als er­for­der­li­che Maß­nah­me an­se­hen konn­te, da­hin­ge­hend be­ant­wor­tet, dass dem Dienst­herrn kei­ne gleich wirk­sa­men und we­ni­ger be­las­ten­den Mit­tel zur Ver­fü­gung ge­stan­den hät­ten und stün­den (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 108). Die un­ter An­le­gung die­ses Maß­stabs ge­trof­fe­ne Ein­schät­zung des Se­nats, Er­folg ver­spre­chen­de al­ter­na­tiv-me­di­zi­ni­sche Me­di­ka­men­te prä­ven­ti­ver Art lä­gen der­zeit nicht vor, be­ruht auf der ent­spre­chen­den Be­kun­dung des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann, der ge­gen­über dem Se­nat in der münd­li­chen Ver­hand­lung be­stä­tigt hat, dass die Stän­di­ge Impf­kom­mis­si­on al­ter­na­ti­ve Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men durch­aus prü­fe (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 112).

61 Dass der Se­nat auf den The­ra­pie­an­satz Dr. ... in den Grün­den sei­ner Ent­schei­dung nicht aus­drück­lich ein­ge­gan­gen ist, er­weist sich als un­schäd­lich, weil sich be­reits aus dem Schrei­ben des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 14. April 2022 und der mit ihm vor­ge­leg­ten An­la­ge BF-MS 65 nicht plau­si­bel ab­lei­ten lässt, dass es sich bei der be­sag­ten The­ra­pie um ein gleich wirk­sa­mes und we­ni­ger be­las­ten­des Mit­tel im Ver­gleich zur Schutz­imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus han­delt. In dem Schrei­ben vom 14. April 2022 be­haup­tet der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. zwar, dass Dr. ... "mit dem aus An­la­ge BF-MS 65 er­sicht­li­chen Be­hand­lungs­pro­to­koll Tau­sen­de CO­VID-19-Pa­ti­en­ten er­folg­reich be­han­delt". Die An­la­ge selbst gibt dar­über in­des­sen kei­nen Auf­schluss, son­dern be­schränkt sich in ei­ner Be­schrei­bung der The­ra­pie, wo­bei in der Un­ter­la­ge zu­dem be­tont wird, dass die­ses Do­ku­ment nur zur In­for­ma­ti­on die­ne und kei­ne the­ra­peu­ti­sche An­wei­sung ent­hal­te. Es wird da­zu ge­ra­ten, bei ei­ner In­fek­ti­on mit dem Vi­rus "so­for­ti­ge me­di­zi­ni­sche Hil­fe" in An­spruch zu neh­men. Aus der Un­ter­la­ge er­schlie­ßt sich auch nicht, ob die The­ra­pie nur vor schwe­ren Ver­läu­fen oder auch ge­gen ei­ne In­fek­ti­on und ei­ne Über­tra­gung des Vi­rus schüt­zen soll. Vor die­sem Hin­ter­grund war der Se­nat nicht ver­pflich­tet, sich mit die­sem Vor­brin­gen aus­drück­lich zu be­fas­sen, das gar kei­ne sub­stan­ti­ier­te Aus­sa­ge zur Wirk­sam­keit des dar­ge­stell­ten The­ra­pie­an­sat­zes ent­hält und da­her auch nicht im An­satz den Schluss recht­fer­tigt, die­se The­ra­pie sei in ih­rer Wirk­sam­keit schul­me­di­zi­ni­schen The­ra­pi­en auch nur ver­gleich­bar. In­des­sen wä­re es Sa­che des An­trag­stel­lers ge­we­sen, auf ei­ne ent­spre­chen­de - sich hier aus Sicht des Se­nats nicht auf­drän­gen­de - Be­weis­auf­nah­me hin­zu­wir­ken, um sich das aus sei­nem Blick­win­kel er­for­der­li­che Ge­hör zu ver­schaf­fen.

62 (9) Der An­nah­me des Se­nats, das Ein­neh­men von Vit­amin D sei (im Ver­hält­nis zur Schutz­imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus) kein gleich ge­eig­ne­tes Mit­tel (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 112), be­geg­net der An­trag­stel­ler er­folg­los mit dem Ein­wand, da­mit über­ge­he der Se­nat die mit Schrift­satz des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 14. April 2022 vor­ge­leg­ten Me­ta­stu­di­en, die ein­deu­tig das Ge­gen­teil be­wie­sen.

63 Die­se Rü­ge er­läu­ternd führt der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. aus, wenn der Se­nat mei­ne, aus ei­ge­ner Kraft ent­schei­den zu kön­nen, dass der Sach­ver­stän­di­ge Dr. Wich­mann mit sei­ner ab­wei­chen­den An­sicht recht ha­be, müs­se er in den Ent­schei­dungs­grün­den dar­le­gen, wo­her er die er­for­der­li­che ei­ge­ne Sach­kun­de neh­me. Es wür­den hier je­ne Maß­stä­be gel­ten, die der Bun­des­ge­richts­hof für den Fall ei­nes Kon­flikts zwi­schen Pri­vat- und Ge­richts­gut­ach­ter auf­ge­stellt ha­be (BGH, Be­schluss vom 5. No­vem­ber 2019 - VIII ZR 344/18 - MDR 2020, 114 m. w. N.). Ei­ne der­ar­ti­ge Dar­le­gung ei­ge­nen Sach­ver­stands su­che man in den Grün­den der hier an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung in­des ver­ge­bens. Ein Ge­hörs­ver­stoß lässt sich aus die­sem Vor­brin­gen nicht fol­gern.

64 Der Se­nat hat sich bei sei­ner Be­ur­tei­lung nicht auf sei­nen ei­ge­nen Sach­ver­stand, son­dern auf die Ex­per­ti­se des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts so­wie des Sach­ver­stän­di­gen Dr. Wich­mann ge­stützt, der die­sem In­sti­tut an­ge­hört und dort als Lei­ter des Fach­ge­biets Impf­prä­ven­ti­on tä­tig ist; bei ihm konn­te da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass er über ei­nen hin­rei­chen­den Über­blick über al­le wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten an­der­wei­ti­gen Prä­ven­ti­ons- und The­ra­pie­mög­lich­kei­ten im Zu­sam­men­hang mit der Ver­hü­tung und Be­kämp­fung der SARS-CoV-2-In­fek­ti­on be­sitzt. Auf die­se fach­li­chen Ein­schät­zun­gen konn­te sich der Dienst­herr - wor­auf der Se­nat in der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung hin­ge­wie­sen hat - ver­las­sen (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 137). Der Se­nat konn­te die amt­li­chen Aus­künf­te als Be­weis­mit­tel ver­wer­ten; der Ein­ho­lung ei­nes wei­te­ren Gut­ach­tens be­durf­te es hier be­zo­gen auf die Fra­ge, ob das Ein­neh­men von Vit­amin D (im Ver­hält­nis zur Schutz­imp­fung ge­gen das SARS-CoV-2-Vi­rus) ein gleich ge­eig­ne­tes Mit­tel ist schon des­we­gen nicht, weil da­zu in der münd­li­chen Ver­hand­lung kein Be­weis­an­trag ge­stellt wor­den ist. Dies ist im Üb­ri­gen auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des hier zu wür­di­gen­den Vor­tra­ges nicht er­for­der­lich, weil die An­hö­rungs­rü­ge des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. kei­nen sub­stan­ti­ier­ten Vor­trag ent­hält, der das Be­weis­er­geb­nis zu er­schüt­tern ver­mag (zu die­sem Maß­stab s. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 139 m. w. N.). Der blo­ße Ver­weis im Schrei­ben vom 14. April 2022 auf Me­ta­stu­di­en, die an­geb­lich "ein­deu­tig" das Ge­gen­teil be­wei­sen sol­len, ge­nügt in­so­weit je­den­falls nicht. Vor die­sem Hin­ter­grund hilft auch der Ver­weis auf die zi­tier­te Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs nicht wei­ter. So wä­re es auch hier dem An­trag­stel­ler und sei­nen Be­voll­mäch­tig­ten zur Ver­mei­dung des nun­mehr ge­rüg­ten Ge­hörs­ver­sto­ßes zu­zu­mu­ten ge­we­sen, ei­nen ent­spre­chen­den Be­weis­an­trag zu stel­len, zu­mal sich dem Se­nat ei­ne Be­weis­er­he­bung an­ge­sichts der be­schrie­be­nen Be­weis­la­ge nicht auf­drän­gen muss­te.

65 (10) Kei­ne Ge­hörs­ver­let­zung of­fen­ba­ren auch die Ein­wän­de des An­trag­stel­lers ge­gen die An­nah­men des Se­nats un­ter Rn. 120 und 121 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses.

66 Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. be­an­stan­det, der Se­nat set­ze sich mit sei­ner An­nah­me, dass schwe­re Impf­kom­pli­ka­tio­nen ex­tre­me Aus­nah­me­fäl­le dar­stell­ten, über die 2,487 Mio. ICD-10-Co­die­run­gen hin­weg, die sich auf Impf­kom­pli­ka­tio­nen be­zö­gen und die al­lein für das Jahr 2021 von der Kas­sen­ärzt­li­chen Bun­des­ver­ei­ni­gung er­mit­telt wor­den sei­en; auf die­se An­ga­ben ha­be der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. so­wohl schrift­sätz­lich als auch in der Be­weis­auf­nah­me vom 6. Ju­li 2022 hin­ge­wie­sen. Zu­dem ver­weist der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. auf die von ihm im Ge­richts­ver­fah­ren vor­ge­leg­te An­la­ge BF-MS 66 mit ei­ner re­prä­sen­ta­ti­ven Aus­wahl aus über 1 250 Stu­di­en zu schwe­ren Impf­kom­pli­ka­tio­nen und dem da­mit ver­knüpf­ten Hin­weis auf die Brei­te des Ne­ben­wir­kungs­spek­trums. Dar­an knüpft er die Kri­tik, dass der Se­nat zur Stüt­ze sei­ner An­nah­me dem Vor­trag des An­trag­stel­lers hät­te nach­ge­hen müs­sen, um das wirk­li­che Aus­maß der Kom­pli­ka­tio­nen zu er­mit­teln. Auch die­ses Vor­brin­gen legt ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ge­hörs­ver­let­zung nicht dar.

67 Der Se­nat hat be­reits in der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ihm in dem Ver­fah­ren u. a. zahl­rei­che Ein­zel­be­rich­te von Impf­ne­ben­wir­kun­gen, vor­ge­legt wor­den sind. Die­ses Vor­brin­gen gab je­doch kei­nen An­lass zu ei­ner von den amt­li­chen Aus­künf­ten ab­wei­chen­den Ein­schät­zung des Ri­si­kos von Impf­ne­ben­wir­kun­gen. Auf­ga­be die­ses Ge­richts­ver­fah­rens ist es nicht, Ein­zel­fäl­len nach­zu­ge­hen oder be­haup­te­te Impf­ne­ben­wir­kun­gen im Aus­land zu er­for­schen. Un­ter­su­chungs­ge­gen­stand die­ses Ver­fah­rens ist viel­mehr die Fra­ge, in wel­chem sta­tis­ti­schen Um­fang der Dienst­herr bei Ein­füh­rung und Bei­be­hal­tung der Dul­dungs­pflicht für Co­vid-19-Imp­fun­gen mit un­er­wünsch­ten Ne­ben­wir­kun­gen der zu­ge­las­se­nen und ins­be­son­de­re der von ihm ver­wen­de­ten Impf­stof­fe rech­nen muss­te. Ma­ß­geb­lich sind da­bei die bei der Ent­schei­dung des Dienst­herrn vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se. Die in den Si­cher­heits­be­rich­ten des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts ver­öf­fent­lich­ten Zah­len sind nach wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den er­mit­telt wor­den und konn­ten als amt­li­che Aus­kunft über die­se Fra­ge vom Dienst­herrn ver­wer­tet und in das ge­richt­li­che Ver­fah­ren ein­ge­führt wer­den. De­ren sta­tis­ti­sche Rich­tig­keit wird durch Ein­zel­fall­be­rich­te und nicht-wis­sen­schaft­li­che Mei­nungs­äu­ße­run­gen nicht er­schüt­tert (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 169 f.). Auf die­se Er­wä­gun­gen, die auch für die Rü­ge des An­trag­stel­lers ge­gen die vom Se­nat auf­ge­zeig­te Mög­lich­keit ei­ner Imp­fung mit Nu­va­xo­vid (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 131) in den Blick zu neh­men ist, geht die An­hö­rungs­rü­ge nicht ein.

68 Die wei­te­ren Ein­wän­de ge­gen die Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter den Rn. 120 und 121 des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses be­dür­fen kei­ner nä­he­ren Er­ör­te­rung, da es sich in­so­weit um An­grif­fe ge­gen die Wür­di­gung des Se­nats oh­ne ei­nen er­kenn­ba­ren Be­zug zu ei­ner Ge­hörs­ver­let­zung han­delt. So­weit der An­trag­stel­ler auch in die­sem Kon­text auf Do­ku­men­te ver­weist, die erst nach der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung ent­stan­den bzw. vor­ge­legt wur­den, kann da­mit ei­ne Ge­hörs­rü­ge schon im An­satz nicht be­grün­det wer­den.

69 (11) Kei­nen Ge­hörs­ver­stoß ver­mag der An­trag­stel­ler mit Blick auf die Wür­di­gung der Ein­las­sun­gen des Sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di durch den Se­nat un­ter Rn. 156 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses auf­zu­zei­gen.

70 (a) Die un­ter Hin­weis auf den be­reits er­wähn­ten Be­schluss des Bun­des­ge­richts­hofs vom 5. No­vem­ber 2019 - VIII ZR 344/18 - (MDR 2020, 114) vor­ge­tra­ge­ne Kri­tik des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2., aus den Ent­schei­dungs­grün­den ge­he nicht her­vor, aus wel­chen Grün­den der Se­nat dem Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel und nicht dem Sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di fol­ge und wo­her er sei­ne Sach­kun­de neh­me, igno­riert die ein­ge­hen­de Be­fas­sung des Se­nats mit den The­sen von Prof. Dr. Bhak­di (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 155 f.).

71 Mit die­sen Er­wä­gun­gen setzt sich der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. nicht aus­ein­an­der und un­ter­lässt es da­mit, die Mög­lich­keit ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­let­zung - auch ge­mes­sen an den in dem zi­tier­ten Be­schluss des Bun­des­ge­richts­hofs auf­ge­stell­ten Maß­stä­ben - nach­voll­zieh­bar auf­zu­zei­gen.

72 (b) Eben­so we­nig auf ei­nen ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­stoß weist der von dem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. er­ho­be­ne Vor­wurf, der Se­nat ha­be sich nicht mit den in sei­nem Schrift­satz vom 3. Ju­ni 2022 ent­hal­te­nen Dar­le­gun­gen zu ei­nem nach­ge­wie­se­nen wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­ten des Ober­st­arz­tes Prof. Dr. Wöl­fel (s. dort S. 6 ff.) aus­ein­an­der­ge­setzt, mit de­nen des­sen Glaub­wür­dig­keit "nach­drück­lich er­schüt­tert" wor­den sei. Die­ser Aus­ein­an­der­set­zung be­durf­te es nicht.

73 Die Kri­tik des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. be­zieht sich auf die Er­wä­gung des Se­nats, nach der die Ver­öf­fent­li­chun­gen, auf die sich Prof. Dr. Bhak­di zum Be­leg sei­ner Ein­schät­zung be­zie­he, dass die ver­wen­de­ten Impf­stof­fe kei­ne Ver­bes­se­rung der Im­mun­ant­wort auf das SARS-CoV-2-Vi­rus ver­mit­tel­ten, nach den nach­voll­zieh­ba­ren und schlüs­si­gen Er­läu­te­run­gen von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz vom 11. Mai 2022 die Be­haup­tun­gen stüt­zen­de Da­ten gar nicht ent­hiel­ten bzw. Prof. Dr. Bhak­dis Schluss­fol­ge­run­gen nicht trü­gen.

74 Die Glaub­haf­tig­keit von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel sieht der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. aus­weis­lich sei­nes Schrei­bens vom 3. Ju­ni 2022 im We­sent­li­chen durch die in ei­nem durch den Ober­st­arzt als Mit­au­tor ver­fass­ten Ar­ti­kel der Fach­zeit­schrift New Eng­land Jour­nal of Me­di­ci­ne ent­hal­te­ne Be­zug­nah­me des Ober­st­arz­tes auf den Fall ei­ner an­geb­lich nicht, tat­säch­lich aber doch un­ter Sym­pto­men des SARS-CoV-2-Vi­rus lei­den­den chi­ne­si­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen als Be­leg für die Mög­lich­keit ei­ner An­ste­ckung auch durch sym­ptom­lo­se Per­so­nen so­wie durch den Um­stand er­schüt­tert, dass der Ober­st­arzt PCR-Tests als hin­rei­chen­de In­fek­ti­ons­nach­wei­se er­ach­tet.

75 Aus Sicht des Se­nats fehlt es be­reits an ei­ner hin­rei­chen­den Grund­la­ge für die von dem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. ver­tre­te­ne An­nah­me. Die auf­ge­wor­fe­nen Zwei­fel ver­mö­gen an den von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel ge­rüg­ten und mit der An­hö­rungs­rü­ge be­zeich­nen­der­wei­se auch nicht er­ör­ter­ten De­fi­zi­ten nichts zu än­dern; sie ent­spre­chen auch dem Bild, das der Se­nat im Üb­ri­gen von der Über­zeu­gungs­kraft des Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di ge­won­nen hat (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 146, 148, 159, 160, 162, 172 bis 174). Dar­über hin­aus kann je­den­falls der von dem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. be­nann­te Um­stand aus Sicht des Se­nats kein wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten be­grün­den und da­mit we­der die per­sön­li­che In­te­gri­tät noch die fach­li­che Ex­per­ti­se von Ober­st­arzt Prof. Dr. Wöl­fel in Zwei­fel zie­hen.

76 (12) Zu kei­nem Er­folg führt die An­hö­rungs­rü­ge des An­trag­stel­lers, so­weit sie sich ge­gen die Er­wä­gun­gen des Se­nats zum Feh­len aus­rei­chen­der wis­sen­schaft­li­cher Be­le­ge für die wie­der­holt vor­ge­tra­ge­ne The­se des An­trag­stel­lers wen­det, die mRNA-Imp­fung be­wir­ke im mensch­li­chen Kör­per die Pro­duk­ti­on to­xi­scher Spike­pro­te­ine (s. da­zu BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 160). Der An­trag­stel­ler kri­ti­siert da­bei die in dem an­ge­foch­te­nen Be­schluss feh­len­de Aus­ein­an­der­set­zung mit der Stu­die des Me­di­zi­ners ..., die der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. auf Sei­te 25 des Schrift­sat­zes vom 1. Ju­li 2022 zi­tiert ha­be. Auf ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung weist dies nicht. Auch hier ist - wie zu­vor in Ab­schnitt (10) – auf die Er­wä­gun­gen des Se­nats un­ter den Rn. 169 und 170 zu ver­wei­sen. Dass die von dem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. er­wähn­te Stu­die un­er­ör­tert ge­blie­ben ist, er­weist sich da­nach nicht als schäd­lich. Zu­dem ha­ben der An­trag­stel­ler und sei­ne Be­voll­mäch­tig­ten es un­ter­las­sen, zur Ver­mei­dung ei­nes Ge­hörs­ver­sto­ßes auf ei­ne ent­spre­chen­de Be­weis­er­he­bung durch Be­weis­an­trä­ge in der münd­li­chen Ver­hand­lung zu drin­gen.

77 (13) Die Kri­tik des An­trag­stel­lers an den Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter Rn. 163 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses zu den Gren­zen der Aus­sa­ge­kraft von Tier­ver­su­chen zu den Wir­kun­gen von Na­no­li­pi­den of­fen­bart kei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ge­hörs­ver­let­zung. So­weit der Be­voll­mäch­tig­te meint, der Se­nat hät­te in der Kon­se­quenz sei­ner Fest­stel­lung um­so nach­drück­li­cher dar­auf drin­gen müs­sen, dass kli­ni­sche Stu­di­en über die Wir­kung von Na­no­li­pi­den an Men­schen vor­ge­legt wer­den, und dies mit dem Hin­weis ver­bin­det, dass die frü­he­re Be­voll­mäch­tig­te R. "in den Schrift­sät­zen" dar­ge­legt ha­be, dass im Zu­las­sungs­ver­fah­ren jeg­li­che to­xi­ko­lo­gi­sche Prü­fung un­ter­blie­ben sei, legt er ei­nen ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ge­hörs­ver­stoß nicht dar. Es wird nicht kon­kret dar­ge­tan, wel­cher Vor­trag der frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten R. zur Ge­fahr von Na­no­li­pi­den über­gan­gen wor­den ist. Es ist we­der er­kenn­bar, wel­che Ge­fah­ren von Na­no­li­pi­den to­xi­ko­lo­gi­sche Prü­fun­gen im Zu­las­sungs­ver­fah­ren hät­ten ent­de­cken kön­nen, noch ist in der münd­li­chen Ver­hand­lung for­mell ord­nungs­ge­mäß ein auf die Ein­ho­lung ei­nes to­xi­ko­lo­gi­schen Gut­ach­tens ge­rich­te­ter Be­weis­an­trag ge­stellt wor­den.

78 (14) Auch die mit der An­hö­rungs­rü­ge vor­ge­tra­ge­ne Ar­gu­men­ta­ti­on des An­trag­stel­lers ge­gen die Aus­füh­run­gen des Se­nats un­ter Rn. 178 des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses ver­fängt nicht. Aus ihr er­gibt sich kein ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Ge­hörs­ver­stoß. Der An­trag­stel­ler be­an­stan­det, es feh­le jeg­li­che Dar­le­gung, war­um der er­ken­nen­de Se­nat die Ein­wän­de von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel durch den dies­sei­ti­gen Ge­gen­vor­trag nicht für aus­ge­räumt hal­te. Da­mit dringt der An­trag­stel­ler nicht durch.

79 Die Ein­wän­de des Ober­st­arz­tes Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel be­zie­hen sich auf die The­sen und Be­fun­de des Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Burk­hardt im Zu­sam­men­hang mit Ob­duk­ti­ons­nach­wei­sen zu an­geb­lich 40 wei­te­ren Impf­t­o­ten. Der Se­nat hat hier­zu aus­ge­führt, die­se Er­kennt­nis­se sei­en nie ei­nem "peer-re­view" durch un­ab­hän­gi­ge Wis­sen­schaft­ler un­ter­zo­gen und auch nicht in ei­ner Form ver­öf­fent­licht wor­den, die ei­ne sol­che Kon­trol­le er­lau­be. Wie er in der münd­li­chen Ver­hand­lung ein­ge­räumt ha­be, be­ruh­ten sei­ne Er­geb­nis­se auf von ihm und ei­nem Kol­le­gen durch­ge­führ­ten Nach­un­ter­su­chun­gen von Pro­ben, die aus nicht von ih­nen selbst durch­ge­führ­ten Ob­duk­tio­nen stamm­ten. Da­mit sei­en sie - wie Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel in der münd­li­chen Ver­hand­lung und im Schrift­satz des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Ver­tei­di­gung vom 11. Mai 2022 nach­voll­zieh­bar er­läu­tert ha­be - man­gels ei­nes Nach­wei­ses der Ein­hal­tung von Qua­li­täts­richt­li­ni­en von nur ein­ge­schränk­ter Aus­sa­ge­kraft. Hin­zu kom­me, dass nach der plau­si­blen Ein­schät­zung von Ober­st­arzt Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel für ei­ne Be­wer­tung der dar­ge­stell­ten Be­fun­de wei­te­re In­for­ma­tio­nen - ins­be­son­de­re ei­ne er­gän­zen­de Ana­mne­se der un­ter­such­ten To­des­fäl­le und ei­ne voll­stän­di­ge Dar­stel­lung der Me­tho­dik der durch­ge­führ­ten Un­ter­su­chun­gen - er­for­der­lich wä­ren (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 177).

80 Der Se­nat war schon des­halb nicht ge­hal­ten, sich in dem an­ge­grif­fe­nen Be­schluss mit der auf den Sei­ten 10 bis 24 des Schrei­bens des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 3. Ju­ni 2022 dar­ge­stell­ten Kri­tik aus­drück­lich aus­ein­an­der­zu­set­zen, weil sie - eben­so wie der In­halt des Schrei­bens des Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Burk­hardt vom 30. April 2022 - in kei­ner er­kenn­ba­ren Be­zie­hung zu den vom Se­nat un­ter Rn. 177 der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung ver­wer­te­ten Ein­wän­den des Ober­st­arz­tes Prof. Dr. Dr. Stei­nes­tel steht und da­mit auch kei­ne er­ör­te­rungs­fä­hi­gen Ge­gen­ar­gu­men­te ver­mit­telt.

81 (15) An­ders als der An­trag­stel­ler meint, wei­sen sei­ne Ein­wän­de ge­gen die Wür­di­gung des Se­nats un­ter den Rn. 233 und 236 der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung auf kei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ge­hörs­ver­let­zung. Der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. führt da­zu aus, ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Se­nats han­de­le es sich bei den in den EU zu­ge­las­se­nen "CO­VID-Impf­stof­fen" um ex­pe­ri­men­tel­le Sub­stan­zen. Das zei­ge sich nicht nur dar­an, dass et­li­che kli­ni­sche Prü­fun­gen im Zu­las­sungs­ver­fah­ren un­ter­blie­ben sei­en (To­xi­ko­lo­gie etc.), son­dern auch dar­an, dass nach wie vor kli­ni­sche Stu­di­en lie­fen, u. a. zur Do­sis­fin­dung. Dar­auf ha­be er auf Sei­te 6 sei­nes Schrift­sat­zes vom 14. April 2022 und auf Sei­te 10 sei­nes Schrift­sat­zes vom 3. Ju­ni 2022 hin­ge­wie­sen. Der Se­nat set­ze sich da­mit nicht aus­ein­an­der.

82 Ein Ge­hörs­ver­stoß legt die­ses Vor­brin­gen schon des­halb nicht na­he, weil - wie die von dem Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. in Be­zug ge­nom­me­nen wie auch die wei­te­ren, mit der An­hö­rungs­rü­ge nicht dis­ku­tier­ten Er­wä­gun­gen des Se­nats in die­sem Zu­sam­men­hang oh­ne Wei­te­res zei­gen - der in Be­zug ge­nom­me­ne schrift­sätz­li­che Vor­trag für die recht­li­che Wür­di­gung be­deu­tungs­los ist. Auch wenn die be­sag­ten kli­ni­schen Stu­di­en noch lau­fen soll­ten, än­dert dies nichts dar­an, dass die Auf­nah­me der Co­vid-19-Imp­fung in die Lis­te der dul­dungs­pflich­ti­gen Imp­fun­gen das Fol­ter­ver­bot des Art. 7 Abs. 2 des In­ter­na­tio­na­len Pak­tes über bür­ger­li­che und po­li­ti­sche Rech­te vom 19. De­zem­ber 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) nicht an­satz­wei­se zu be­rüh­ren ver­mag.

83 (16) So­weit sich der Be­voll­mäch­tig­te zu 2. ge­gen die Aus­füh­run­gen des Se­nats zum Mel­de­ver­hal­ten von Sol­da­ten im Fal­le von Impf­kom­pli­ka­tio­nen (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 144), zu Char­gen­prü­fun­gen und Ge­fahr von Ver­un­rei­ni­gun­gen der Impf­stof­fe (s. BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 164 ff.), zur Dis­kus­si­on über die Aus­füh­run­gen des Par­tei­sach­ver­stän­di­gen Prof. Dr. Bhak­di und die Aus­füh­run­gen des Se­nats zur Be­deu­tung wis­sen­schaft­li­cher Mehr­heits­mei­nun­gen (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 174), zur Wür­di­gung der The­sen und Be­fun­de des Pa­tho­lo­gen Prof. Dr. Burk­hardt (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 177), zur Er­fas­sung von Impf­kom­pli­ka­tio­nen (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 183, 190), zur Be­deu­tung der un­ter­blie­be­nen Da­ten­über­mitt­lung der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen für die Aus­sa­ge­kraft der Be­rich­te des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 184 ff.), und zur Ob­ser­ved-ver­sus-Ex­pec­ted-Ana­ly­se (BVer­wG, Be­schluss vom 7. Ju­li 2022 - 1 WB 5.22 - ju­ris Rn. 189 ff.) wen­det, rich­tet sich der je­wei­li­ge Vor­trag al­lein ge­gen die in­halt­li­che Wür­di­gung der an­ge­spro­che­nen Fra­gen durch den Se­nat, oh­ne in­so­weit kon­kre­te Ge­hörs­ver­stö­ße auf­zu­zei­gen.

84 cc) Das Schrei­ben des frü­he­ren Be­voll­mäch­tig­ten zu 3. vom 12. De­zem­ber 2022 be­schränkt sich auf ei­ne ma­te­ri­ell-recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit Tei­len des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses, oh­ne dass hier­bei auch nur an­satz­wei­se ent­schei­dungs­er­heb­li­che Ge­hörs­ver­let­zun­gen auf­ge­zeigt wer­den. Ei­ner nä­he­ren Er­ör­te­rung die­ser Aus­füh­run­gen be­darf es des­halb nicht.

85 dd) Der nach Ab­lauf der Rü­ge­frist des § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 1 Vw­GO (spä­tes­tens) am 19. De­zem­ber 2022 und da­mit ver­spä­tet un­ter­brei­te­te Vor­trag in den Schrift­sät­zen des Be­voll­mäch­tig­ten zu 1. vom 3. Ja­nu­ar 2023, 5. Ja­nu­ar 2023, 10. Ja­nu­ar 2023, 20. Ja­nu­ar 2023, 30. Ja­nu­ar 2023, 1. März 2023, 13. März 2023, 17. März 2023, 18. April 2023, 22. April 2023, 10. Mai 2023, 29. Mai 2023, 2. Ju­ni 2023, 5. Ju­ni 2023 und vom 9. Ju­ni 2023 ist, so­weit er sich nicht nur auf er­läu­tern­de, er­gän­zen­de oder ver­voll­stän­di­gen­de Be­mer­kun­gen be­schränkt, un­be­acht­lich (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 2. Sep­tem­ber 2019 - 8 B 19.19 - ju­ris Rn. 10; BFH, Be­schluss vom 5. Ok­to­ber 2010 - IX S 7/10 - ju­ris Rn. 6; BGH, Be­schluss vom 15. Ju­li 2010 - I ZR 160/07 - ju­ris Rn. 16 f.). Die üb­ri­gen Be­mer­kun­gen recht­fer­ti­gen die An­nah­me ei­nes Ge­hörs­ver­sto­ßes nicht, weil sie sich wie­der­um al­lein ge­gen die Wür­di­gung des Se­nats rich­ten und zu­dem in wei­ten Tei­len auf Er­kennt­nis­sen grün­den, die nach Ver­kün­dung des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses ver­öf­fent­licht bzw. von dem An­trag­stel­ler vor­ge­tra­gen wor­den sind. Die An­hö­rungs­rü­ge ist je­den­falls kein In­stru­ment, neu­en Vor­trag in das Ver­fah­ren ein­zu­brin­gen und die Nach­ho­lung ei­ner Be­weis­er­he­bung durch­zu­set­zen, die im vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­fah­ren nicht be­an­tragt und nach der Rechts­auf­fas­sung des Ge­richts auch nicht er­for­der­lich war, weil die zu er­mit­teln­den Tat­sa­chen nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich sind (s. BVer­wG, Be­schluss vom 2. März 2021 - 1 WB 1.21 - ju­ris Rn. 20).

86 ee) Auch ei­ner Wür­di­gung des Schrei­bens des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 1. Fe­bru­ar 2023 be­darf es nicht; dort wird aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der In­halt die­ses Schrift­sat­zes für die An­hö­rungs­rü­ge oh­ne Re­le­vanz sei (vgl. S. 12). Aus Sicht des Se­nats trifft die­ser Be­fund zu. Ent­spre­chen­des gilt für die Schrei­ben des Be­voll­mäch­tig­ten zu 2. vom 3. April 2023 und vom 2. Ju­ni 2023, die sich im We­sent­li­chen auf die Dar­le­gung neue­rer Er­kennt­nis­se be­schrän­ken, die dem Se­nat - so­weit er­sicht­lich - bei der Be­schluss­fas­sung nicht vor­ge­le­gen ha­ben oder be­kannt wa­ren.

87 3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 Vw­GO.

88 4. Die­ser Be­schluss ist ge­mäß § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Satz 3 Vw­GO un­an­fecht­bar.