Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Polizeivollzugsbeamten
Gegenstand der bereits vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision ist die Frage, ob für Polizeivollzugsbeamte im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen ihrer dienstlichen Tätigkeit auch höhere Anforderungen an ihre gesundheitliche Eignung zu stellen sind.
Der 1997 geborene Kläger begann im Oktober 2017 als Beamter auf Widerruf seine Ausbildung bei der Hochschule der Polizei. Im Juli 2019 erlitt er einen Schlaganfall. Bei den anschließenden Untersuchungen wurden beim Kläger ein Hirnsubstanzdefekt sowie eine Faktor-V-Leiden-Mutation in heterozygotischer Form festgestellt. Nach der Einschätzung des polizeiärztlichen Dienstes erhöht eine solche Mutation das relative Thromboserisiko um das Fünf- bis Zehnfache. Der von der Polizei mit der Untersuchung beauftragte Neurologe konnte jedoch die Begutachtung des Klägers aufgrund eigener schwerer Erkrankung nicht mehr vollenden. Nach seiner Genesung bestand der Kläger alle Modulprüfungen seines Studiengangs; auch die geforderten Sportleistungen erbrachte er. Dementsprechend schloss der Kläger den Bachelor-Studiengang Polizeidienst erfolgreich ab. Die Polizei lehnte allerdings die Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe mit der Begründung ab, dass der Kläger im Sinne der "PDV 300 nicht mehr polizeidienstfähig" sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die behördlichen Bescheide aufgehoben und das Land verpflichtet, den Kläger unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Polizeivollzugsdienst einzustellen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Einstellung in den Polizeivollzugsdienst noch einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Land als Dienstherr die gesundheitliche Eignung eines Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst auch ohne das Vorliegen aktueller Symptome oder Einschränkungen verneine, wenn ein, bezogen auf die Normalbevölkerung, erheblich erhöhtes Risiko für künftige Einschränkungen der Polizeidienstfähigkeit festgestellt werden könne. Ein solches Risiko ergebe sich beim Kläger allerdings nicht aus dem bei ihm als Folge des Schlaganfalls vom Juli 2019 festgestellten kleinen Hirnsubstanzdefekt. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden müsse oder er infolge einer chronischen Erkrankung über Jahre hinweg eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde. Eine Polizeidienstuntauglichkeit sei allerdings dann anzunehmen, wenn bei einem Bewerber das deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt einer solchen Erkrankung bestehe, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen - z.B. Einsatz einer Schusswaffe oder das Führen eines Kraftfahrzeugs mit Sonderrechten - eine Gesundheitsgefahr für den Polizeivollzugsbeamten selbst oder für Dritte darstellen könne. Beim Kläger sei das Risiko, bei einer zu seiner Dienstlaufbahn gehörenden Einsatzsituation einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, gegenüber der Normalbevölkerung deutlich (Faktor 380) erhöht.