Verfahrensinformation

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelt erst- und letztinstanzlich über die Einwände eines Oberstleutnants gegen seine dienstliche Beurteilung. Er erhielt zum September 2019 von einem neuen Vorgesetzten eine dienstliche Beurteilung, die im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung um 0,6 Punkte schlechter war als seine Beurteilung zum September 2017. Dagegen beschwerte er sich unter anderem mit der Begründung, dass sein früherer Vorgesetzter ihm in einem Beurteilungsbeitrag für die Zeit bis Mai 2018 eine gleichbleibende Leistung bescheinigt habe und dass dieser Beurteilungsbeitrag vom neuen Vorgesetzten nicht berücksichtigt worden sei. Diese Beschwerde blieb erfolglos.


Im gerichtlichen Verfahren wies der 1. Wehrdienstsenat darauf hin, dass nach der neueren beamtenrechtlichen Rechtsprechung die Regelungen für das Beurteilungswesen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürften (BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 - NVwZ-RR 2021, 122 und Beschluss vom 21. Dezember 2020 - 2 B 63.20 - Rn. 22 f.). Im Hinblick darauf könnten auch Bedenken bestehen, ob für das Beurteilungssystem der Soldatinnen und Soldaten eine ausreichende gesetzliche Grundlage vorhanden sei.


Das Bundesministerium der Verteidigung hat daraufhin die Beurteilung des Oberstleutnants und den Beschwerdebescheid aufgehoben. Es sei rechtswidrig gewesen, den Beurteilungsbeitrag nicht als Teil der Beurteilungsgrundlagen anzugeben. § 27 SG stelle nach der bisherigen wehrdienstgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59) eine ausreichende Grundlage für den Erlass der Beurteilungsvorschriften dar. Von dieser Grundlage habe die Bundesregierung mit § 2 SLV in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht. Diese Regelung werde zudem wegen der bevorstehenden Einführung eines neuen Beurteilungssystems zum September 2021 nochmals präzisiert und novelliert. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Rechtsstreit für erledigt und sich zur Übernahme der Kosten bereit erklärt.


Demgegenüber vertritt der Oberstleutnant die Ansicht, dass sich sein Begehren nur teilweise erledigt habe. Das Verfahren müsse im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungklage fortgeführt werden. Er habe ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Frage, ob die Beurteilungsrichtlinien auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhten. Denn es bestehe die Gefahr, dass die neue Beurteilung wiederum auf einer unzureichenden Rechtsgrundlage ergehe. Außerdem sei zu besorgen, dass seine übrigen Einwände gegen die Beurteilung erneut nicht berücksichtigt würden.


Beschluss vom 11.03.2021 -
BVerwG 1 WB 27.20ECLI:DE:BVerwG:2021:110321B1WB27.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.03.2021 - 1 WB 27.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:110321B1WB27.20.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 27.20

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 11. März 2021 beschlossen:

Die Selbstanzeige des ehrenamtlichen Richters Oberst i.G. ... ist nicht begründet.

Gründe

I

1 Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Februar 2021 wurde Oberst i.G. ... als ehrenamtlicher Richter für die Entscheidung in dem Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers wegen dessen planmäßiger Beurteilung vom 4. Juni 2019 herangezogen. Oberst i.G. ... hat am 2. März 2021 mitgeteilt, Heeresuniformträger befänden sich in seiner Personalführungsverantwortung als Unterabteilungsleiter ... Darüber hinaus sei ihm der Offizier im Verfahren 1 WB 27.20 aus Vorverwendungen (wenn auch nur oberflächlich) persönlich bekannt und er duze sich mit ihm. Inhaltlich sei er bisher mit dem Vorgang nicht befasst. Er bitte, von der Heranziehung abzusehen.

2 Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das ... hat bestätigt, dass weder Oberst i.G. ... noch das ihm unterstellte ... bei der Erstellung oder Prüfung der streitgegenständlichen Beurteilung beteiligt gewesen sind.

II

3 Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden.

4 Oberst i.G. ... ist weder kraft Gesetzes von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen noch hat er mit seinem Schreiben vom 2. März 2021 von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Einer Befreiung aus sonstigen Gründen steht der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), der auch für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter gilt, entgegen.

5 Nach dem im Schreiben vom 2. März 2021 mitgeteilten Sachverhalt sind in der Person von Oberst i.G. ... keine gesetzlichen Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 ZPO, nach § 54 Abs. 2 VwGO oder nach der ebenfalls zu berücksichtigenden Vorschrift des § 77 WDO (i.V.m. § 80 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 WDO) gegeben. Er hat insbesondere nicht an dem dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt.

6 Er hat auch keine Konstellation angezeigt, die seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 und § 48 ZPO rechtfertigt. Hiernach findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines (ehrenamtlichen) Richters zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis haben kann, der Richter werde in seiner Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt; insoweit genügt schon der "böse Schein" (BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 1 WB 13.17 - juris Rn. 10 m.w.N.). Für sich allein nicht ausreichend ist, dass der (ehrenamtliche) Richter den Verfahrensbeteiligten kennt oder dass zwischen dem (ehrenamtlichen) Richter und dem Verfahrensbeteiligten dienstliche Beziehungen oder Kontakte bestanden oder bestehen; insoweit enthalten § 54 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und 3 WDO abschließende Ausschließungsregelungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2010 - 1 WB 28.09 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 73 Rn. 10 und vom 23. April 2015 - 1 WB 35.14 - Rn. 7). Dienstliche Beziehungen zu einem Verfahrensbeteiligten können allenfalls dann eine Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie besonders eng sind oder sich zu einem engen persönlichen Verhältnis entwickelt haben (BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2014 - 2 WD 14.13 - Rn. 4 m.w.N.). Nach den Angaben von Oberst i.G. ... besteht zwischen ihm und dem Antragsteller kein enges persönliches Verhältnis. Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit von Oberst i.G. ... sind von den Beteiligten auch nach Kenntnis der Selbstanzeige nicht geltend gemacht worden.