Beschluss vom 28.08.2024 -
BVerwG 2 AV 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:280824B2AV3.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.08.2024 - 2 AV 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:280824B2AV3.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 AV 3.24

  • VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: 5 K 59/24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. August 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

Die Gesuche der Klägerin, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht ... für befangen zu erklären, werden abgelehnt.

Gründe

1 Die Ablehnungsgesuche, über die gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO der Senat ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden hat, sind unbegründet.

2 Wegen Besorgnis der Befangenheit ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich. Die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein, d. h. den möglichen Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit und mangelnder Objektivität zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 2. Dezember 1992 - 2 BvF 2/90 u. a. - BVerfGE 88, 17 <22 f.> und vom 26. Februar 2014 - 1 BvR 471/10 u. a. - BVerfGE 135, 248 Rn. 24; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>; Beschlüsse vom 14. November 2012 - 2 KSt 1.11 - NVwZ 2013, 225 Rn. 4, vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 16, vom 30. September 2015 - 2 AV 2.15 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 79 Rn. 7 und vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 37). Solche auf objektiven Gründen basierenden Zweifel können sich aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits, aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder den Prozessbeteiligten oder aus nahen persönlichen Beziehungen zwischen an derselben Sache beteiligten Richtern ergeben.

3 Aus dem Vorbringen der Klägerin im Verfahren ergibt sich aus Sicht eines verständigen Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der von der Klägerin abgelehnten Richter zu zweifeln.

4 Insbesondere folgen solche Anhaltspunkte nicht aus dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht nur kurze Zeit nach dem Eingang des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin am 21. Mai 2024 in der Sache entschieden hat. Denn die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Verwaltungsgericht München nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist ein bloßes Zwischenverfahren, das möglichst rasch zu beenden ist. Zweck der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht ist es, im Interesse der Beteiligten und der Rechtssicherheit den Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.).

5 Die Bezeichnung der Klägerin als "ehemalige Richterin" im Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 entspricht der Rechtslage im Anschluss an das Urteil des Dienstgerichts des Bundes vom 4. Mai 2023 (- RiSt 1/21 -) ungeachtet der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobenen Verfassungsbeschwerde. Dementsprechend kann die Besorgnis der Befangenheit der von der Klägerin abgelehnten Richter aus Sicht eines verständigen Dritten nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht die Klägerin auf diese Weise bezeichnet hat.

6 Dass nicht sämtliche Details des Gegenstands der Dienstaufsichtsbeschwerde der Klägerin, deren Nichtbescheidung Gegenstand der vierten Untätigkeitsklage der Klägerin ist - hier das Ausbleiben von dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen durch das Bundesministerium der Justiz gegenüber Bediensteten des Bundesfinanzhofs in Bezug auf deren Verhalten gegenüber der Klägerin - in den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 aufgeführt sind, begründet aus Sicht eines verständigen Beteiligten ebenfalls nicht die Besorgnis, die abgelehnten Richter seien gegenüber der Klägerin voreingenommen. Denn die Details der dem Verfahren zugrunde liegenden (Untätigkeits-)Klage sind für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO nicht von Bedeutung.

7 Das Entsprechende gilt für die Überlegungen der Klägerin zum zeitlichen Verhältnis der bereits beim Verwaltungsgericht München anhängigen drei Untätigkeitsklagen und den beim Richterdienstgericht des Bundes ursprünglich anhängigen Verfahren RiZ 2/16 und RiSt 1/21. Auch dieses Vorbringen der Klägerin ist für die dem Bundesverwaltungsgericht obliegende Entscheidung nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO nicht von Bedeutung, sodass das Fehlen eines entsprechenden Hinweises im Beschluss vom 11. Juni 2024 nicht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter begründet.

8 Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte für Gespräche zwischen den von der Klägerin abgelehnten Richtern des Bundesverwaltungsgerichts und Richtern anderer Gerichte über die von der Klägerin anhängig gemachten Verfahren.

Beschluss vom 25.11.2024 -
BVerwG 2 AV 4.24ECLI:DE:BVerwG:2024:251124B2AV4.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.11.2024 - 2 AV 4.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:251124B2AV4.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 AV 4.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den ... und den ... wird verworfen.
  2. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 28. August 2024 - 2 AV 3.24 - wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 1. Der Senat entscheidet in der Besetzung, die sich aus der für das Geschäftsjahr 2024 geltenden Geschäftsverteilung ergibt. Die Klägerin hat im Verfahren der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 28. August 2024 Ablehnungsgesuche gegen die an der Entscheidung mitwirkenden Richter, den ... und den ..., angebracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob den generellen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Richterablehnung im Rahmen einer Anhörungsrüge zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 -‌ juris Rn. 3 ff. m. w. N. und vom 4. Juli 2023 ‌- 2 B 12.23 - juris Rn. 1). Jedenfalls ist das Ablehnungsgesuch aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig.

2 Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter; diese sind zudem von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Februar 1960 - 2 BvR 36/60 - BVerfGE 11, 1 <3> und vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239 <252 f.>). Das Ablehnungsgesuch gegen die hier abgelehnten Richter ist offensichtlich unzulässig, weil es in der Sache ausschließlich auf die Mitwirkung an der benannten Entscheidung und deren Inhalt gestützt ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - NVwZ-RR 2008, 289 Rn. 21). Das Vorbringen der Klägerin zu den behaupteten Rechtsverletzungen, insbesondere den behaupteten Gehörsverletzungen, und dem darin angeblich zu sehenden parteiergreifenden Verhalten ist gänzlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit der hier abgelehnten Richter zu begründen.

3 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unbeachtet gelassen werden darf. Dies bedeutet indes nicht, dass sich die Gerichte in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten ausdrücklich auseinandersetzen müssten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u. a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Es ist daher nicht berechtigt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 -‌ BVerfGE 54, 43 <46>; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 -‌ Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N.). Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 ‌- 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797/98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3). Solche besonderen Anhaltspunkte fehlen insbesondere dann, wenn das in den schriftlichen Gründen mit Stillschweigen übergangene Parteivorbringen für die Entscheidung ersichtlich ohne Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 1995 - 2 BvR 37/95 - NJW 1995, 2912).

4 Der Senat hat bei seiner Entscheidung vom 28. August 2024 über das Befangenheitsgesuch der Klägerin im Verfahren der Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 11. Juni 2024 ihr gesamtes Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen (vgl. Rn. 3). Dabei hat er festgestellt, Anhaltspunkte für ein parteiergreifendes Verhalten der dort abgelehnten Richter folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht nur kurze Zeit nach dem Eingang des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin am 21. Mai 2024 über das Zwischenverfahren zur Bestimmung des Gerichtsstands entschieden hat (vgl. Rn. 4). Damit hat der Senat zugleich zu erkennen gegeben, dass er Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin über weitere anhängige Anträge und Rechtsbehelfe der Klägerin als nicht vorgreiflich für die Zwischenentscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt angesehen hat.

5 Soweit die Klägerin in der Begründung des Ablehnungsgesuchs (S. 38 f.) auf eine abgestimmte Verfahrensbehandlung zwischen den von ihr hier abgelehnten Richtern des Bundesverwaltungsgerichts und Richtern anderer Gerichte oder dritten Personen der Justizpolitik verweist, handelt es sich um Mutmaßungen ohne sachlichen Anhaltspunkt. Das darauf gerichtete Auskunftsverlangen stellt sich als eine Ausforschung nach möglichen Ablehnungsgründen dar, der sich Richter nicht stellen müssen; es ist Sache des Verfahrensbeteiligten, der ein Ablehnungsgesuch stellt, einen konkreten Ablehnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen, erst dann muss sich der abgelehnte Richter dazu dienstlich äußern (vgl. § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 44 Abs. 2 und 3 ZPO). Dies gilt auch, soweit die Klägerin in ihrem Auskunftsersuchen vom 13. September 2024 die Möglichkeit andeutet, dass der vom 29. Mai bis zum 14. Juni 2024 im Urlaub befindliche ... eine Anweisung zur Bearbeitung des Verfahrens 2 AV 2.24 während seiner Abwesenheit gegeben oder darüber ein sonstiges Einvernehmen im 2. Senat hergestellt haben könnte. Die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts durch das Bundesverwaltungsgericht war - wie ausgeführt - entsprechend dem Sinn und Zweck eines solchen Zwischenverfahrens möglichst rasch zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.).

6 Sonstige aus der Verfahrensbehandlung folgende Anhaltspunkte, die eine Besorgnis der Befangenheit der hier abgelehnten Richter begründen könnten, zeigt die Klägerin nicht auf. Der Klägerin ist im Juli 2024 Gelegenheit zur Akteneinsicht durch postlagernde Sendung eines elektronischen Ausdrucks der Gerichtsakte 2 AV 2.24 gegeben worden. Davon hat sie keinen Gebrauch gemacht.

7 Soweit sich die Klägerin im Übrigen der Sache nach allein gegen die von den abgelehnten Richtern in dem angegriffenen Beschluss vom 28. August 2024 vertretene Rechtsauffassung (Rn. 5 bis 7) wendet, vermag dies die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Das Verfahren der Richterablehnung dient nicht der Fehlerkontrolle vorangegangener Entscheidungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 3. Juni 2019 - 2 BvR 910/19 - juris Rn. 15 und vom 17. August 2021 - 2 BvR 28/21 - juris Rn. 7).

8 2. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 28. August 2024 ist zulässig, aber unbegründet.

9 Gemäß § 152a Abs. 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

10 Zwar findet gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anderes gilt jedoch ausnahmsweise in einem Zwischenverfahren - wie hier der Richterablehnung –, in dem abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über das Ablehnungsgesuch befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 <299>).

11 Wie sich aus obigen Ausführungen unter 1. ergibt, verletzt der Beschluss des Senats vom 28. August 2024 die Klägerin aber nicht in ihrem Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 dieses Gesetzes eine Festgebühr erhoben wird.

Beschluss vom 26.11.2024 -
BVerwG 2 AV 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV3.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.11.2024 - 2 AV 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV3.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 AV 3.24

  • VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: 5 K 59/24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Klägerin wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - im Verfahren zur Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO.

2 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

3 Zwar findet gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anderes gilt jedoch ausnahmsweise in Zwischenverfahren - wie hier zur Bestimmung des Gerichtsstandes –, in denen abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren eine Entscheidung getroffen wird, die später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 <299>).

4 Gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine solche gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

5 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unbeachtet gelassen werden darf. Dies bedeutet indes nicht, dass sich die Gerichte in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten ausdrücklich auseinandersetzen müssten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u. a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Es ist daher nicht berechtigt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 -‌ BVerfGE 54, 43 <46>; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 -‌ Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N.). Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3). Solche besonderen Anhaltspunkte fehlen insbesondere dann, wenn das in den schriftlichen Gründen mit Stillschweigen übergangene Parteivorbringen für die Entscheidung ersichtlich ohne Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 1995 - 2 BvR 37/95 - NJW 1995, 2912).

6 Nach diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise. Der Senat hat das Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen und sich damit im gebotenen Maße hinreichend auseinandergesetzt.

7 Zweck der Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen Verwaltungsgerichten nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist es, im Interesse der Beteiligten und der Rechtssicherheit den Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.). Das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung dient als Zwischenverfahren allein dazu, die Zuständigkeit eines Gerichts zu begründen, das dann seinerseits alle prozessualen und materiellen Voraussetzungen des Rechtsstreits in der Hauptsache zu prüfen hat. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht nur zu prüfen, ob seine Zuständigkeit und die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1987 - I ARZ 650/86 - NJW-RR 1987, 757; Schoch/Schneider/Bier/Schenk, VwGO, Stand Januar 2024, § 53 Rn. 13; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 37 Rn. 5). Es bestand kein Anlass für diese Entscheidung, den Ausgang vermeintlich vorgreiflicher Verfahren beim Verwaltungsgericht Berlin oder die Bescheidung dort gestellter Anträge abzuwarten.

8 Eine ausdrückliche Befassung mit dem Vorbringen der Klägerin zur sog. institutionellen Voreingenommenheit des Verwaltungsgerichts München war nicht veranlasst. Für einen solchen - im Hinblick auf die Größe dieses Verwaltungsgerichts kaum denkbaren - Fall haben sich aus dem pauschalen Befangenheitsvorwurf der Klägerin keine sachlichen Anhaltspunkte ergeben.

9 Die Klägerin hat von der im Juli 2024 gegebenen Gelegenheit zur Akteneinsicht durch postlagernde Sendung eines elektronischen Ausdrucks der Gerichtsakte 2 AV 2.24 keinen Gebrauch gemacht. Der Vorwurf, ihr sei weiteres entscheidungsrelevantes Vorbringen mangels Kenntnis der Akten nicht möglich gewesen, entbehrt damit der Grundlage.

10 Soweit sich die Klägerin im Übrigen gegen die im Beschluss vom 11. Juni 2024 dargelegte Rechtsauffassung wendet, vermag dies eine Gehörsverletzung nicht zu begründen. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 20 m. w. N.).

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 dieses Gesetzes eine Festgebühr erhoben wird.