Beschluss vom 11.06.2024 -
BVerwG 2 AV 2.24ECLI:DE:BVerwG:2024:110624B2AV2.24.0
Negativer Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten aus verschiedenen Bundesländern
Leitsatz:
Eine Klage eines Richters auf Bescheidung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde stellt eine Klage aus dem Richterverhältnis dar, für die der Gerichtsstand der besonderen Pflichtenverhältnisse gemäß § 52 Nr. 4 VwGO gilt.
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Rechtsquellen
GG Art. 17 VwGO § 52 Nr. 4 Satz 1, Nr. 5, § 53 Abs. 1 Nr. 5, § 83 GVG § 17a Abs. 2 Satz 3 BBG § 125 BBesG § 15 Abs. 1 Satz 1 DRiG § 46 -
Instanzenzug
VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: VG 5 K 59/24
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 11.06.2024 - 2 AV 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:110624B2AV2.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 AV 2.24
- VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: VG 5 K 59/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juni 2024
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Bayerische Verwaltungsgericht München bestimmt.
Gründe
I
1 Die in München wohnhafte Klägerin erhob im Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht München Klage auf Verpflichtung der Beklagten, über ihre im Oktober 2020 zum Bundesministerium der Justiz erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde zu entscheiden. Die Dienstaufsichtsbeschwerde richtet sich gegen verschiedene Maßnahmen mehrerer richterlicher Mitglieder und mehrerer Gremien des Bundesfinanzhofs, dem die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt als Richterin angehörte.
2 Das Verwaltungsgericht München hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Oktober 2023 abgewiesen. Nachdem die Klägerin die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt hatte, hat sich das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 29. Dezember 2023 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Dessen Zuständigkeit ergebe sich aus § 52 Nr. 5 VwGO. Es liege keine beamtenrechtliche oder dem Recht der Richter zuzuordnende Streitigkeit vor, die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts München der dafür zuständigen Kammer zuzuweisen sei. Weder das Beamtenrecht noch das Richterdienstgesetz treffe spezielle Regelungen zu von Richtern erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerden. Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde handele es sich um eine Petition nach der allgemeinen Regelung des Art. 17 GG. Solche Streitigkeiten unterfielen nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts München der für Sonstiges zuständigen Kammer. Folglich scheide eine örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München nach § 52 Nr. 4 VwGO aus.
3 Das Verwaltungsgericht Berlin hat sich mit Beschluss vom 8. Mai 2024 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Verwaltungsgericht München sei gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO das örtlich zuständige Verwaltungsgericht. Der Klagegegenstand betreffe das (frühere) Richterverhältnis der Klägerin. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München sei nicht mehr verständlich und entfalte deshalb keine Bindungswirkung.
II
4 1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Verwaltungsgericht München gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO zuständig. Nach dieser Vorschrift wird, wenn verschiedene Verwaltungsgerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, das zuständige Gericht von dem nächsthöheren Gericht bestimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2020 - 6 AV 3.20 - NVwZ-RR 2020, 854 Rn. 19). Das ist im vorliegenden Fall eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen zwei Verwaltungsgerichten aus verschiedenen Bundesländern das beiden beteiligten Gerichten übergeordnete Bundesverwaltungsgericht.
5 2. Über die auf Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerde gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht München zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht München war bei Klageerhebung nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich zuständig (a). Seine örtliche Zuständigkeit ist durch den gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 29. Dezember 2023 an das Verwaltungsgericht Berlin nicht entfallen. Der Verweisungsbeschluss erweist sich als offensichtlich unhaltbar, sodass die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung wegen des verfassungsrechtlich gewährleisteten gesetzlichen Richters entfällt. Das Verwaltungsgericht München ist zuständig geblieben (b).
6 a) Gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Der besondere Gerichtsstand gilt, wenn der Streitgegenstand der Klage Rechte und Pflichten aus den besonderen Statusverhältnissen betrifft (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. August 1968 - II C 67.65 - BVerwGE 30, 172 <174> und vom 7. Mai 1971 - VII C 51.70 - BVerwGE 38, 105 <106>). Eine Klage eines Richters auf Bescheidung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde stellt danach eine Klage aus dem Richterverhältnis dar. Die in § 125 Abs. 1 BBG i. V. m. § 46 DRiG vorgesehene Dienstaufsichtsbeschwerde bezieht sich gerade auf die Rechtsstellung als Richter und dessen dienstliche Tätigkeit. Der zur Entscheidung berufene Vorgesetzte hat darüber auch auf der Grundlage der für das Richterverhältnis bestehenden besonderen Vorschriften zu befinden.
7 Vorliegend betrifft die Dienstaufsichtsbeschwerde, deren Verbescheidung die Klägerin begehrt, Vorgänge aus ihrem früheren Richterverhältnis. Sie hat die Dienstaufsichtsbeschwerde in ihrer Eigenschaft als Richterin am Bundesfinanzhof zur obersten Dienstbehörde erhoben. Sie hat sich damit gegen ihre richterliche Tätigkeit betreffende Maßnahmen von richterlichen Mitgliedern des Bundesfinanzhofs (u. a. Präsident, Vizepräsident, Präsidialrichter und Senatsvorsitzende) sowie von mehreren Gremien des Gerichts (Präsidium, Richterrat und Gleichstellungsbeauftragte) gewandt.
8 Dies führt dazu, dass bei Klageerhebung das Verwaltungsgericht München gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich zuständig war. Der dienstliche Wohnsitz eines Richters beurteilt sich unter Heranziehung der in § 15 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthaltenen Legaldefinition nach dem Sitz der Behörde oder nach dem Sitz der ständigen Dienststelle (BVerwG, Beschluss vom 18. April 2019 - 2 AV 1.19 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 42 Rn. 8). Sitz des Bundesfinanzhofs, an dem die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung als Richterin tätig war, ist gemäß § 2 Halbs. 2 FGO München.
9 b) Die bei Klageerhebung bestehende örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München ist nicht durch dessen Verweisungsbeschluss vom 29. Dezember 2023 an das Verwaltungsgericht Berlin übergegangen.
10 Ein Beschluss, durch den sich ein Verwaltungsgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das nach seiner Auffassung zuständige Gericht verweist, hat für das Gericht, an das verwiesen worden ist, zwar grundsätzlich bindende Wirkung (§ 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Die gesetzliche Bindungswirkung eines gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses kann aber ausnahmsweise bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden, etwa wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juni 1970 - 2 BvR 48/70 - BVerfGE 29, 45 <48 f.>, vom 23. Juni 1981 - 2 BvR 1107, 1124/77 und 195/79 - BVerfGE 58, 1 <45> und vom 26. August 1991 - 2 BvR 121/90 - NJW 1992, 359 <361>). Hiervon ist auszugehen, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 1994 - 9 AV 1.94 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 13 S. 6, vom 1. Juli 2004 - 7 VR 1.04 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 23 S. 11 und vom 10. April 2019 - 6 AV 11.19 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 41 Rn. 10).
11 Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München ist grob fehlerhaft. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass Dienstaufsichtsbeschwerden zu den Petitionen i. S. d. Art. 17 GG gehören, trifft zwar zu (BVerwG, Beschluss vom 1. September 1976 - VII B 101.75 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 67). Der daraus gezogene entscheidungstragende Schluss, deshalb richte sich bei einer darauf bezogenen Klage die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 52 Nr. 5 VwGO, ist aber schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht München hat außer Acht gelassen, dass es sich um eine sog. Dienstpetition nach § 125 Abs. 1 BBG i. V. m. § 46 DRiG handelt, die ungeachtet ihrer restriktiven einfachgesetzlichen Ausgestaltung einen Vorgang im Richterverhältnis betrifft und damit - für die Begründung des besonderen Gerichtsstands i. S. d. § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO maßgebend - ihren Grund in einem besonderen Statusverhältnis hat. Unerheblich ist, welche Regelungen der Geschäftsverteilungsplan des Präsidiums über die gerichtsinterne Zuteilung der im Geschäftsjahr anfallenden Dienstgeschäfte an die jeweiligen Spruchkörper des Verwaltungsgerichts vorsieht. Der Geschäftsverteilungsplan des Präsidiums ist ein Organisationsakt der gerichtlichen Selbstverwaltung (BVerwG, Urteil vom 28. November 1975 - VII C 47.73 - BVerwGE 50, 11 <16>), der für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 52 VwGO ohne Relevanz ist.
12 Angesichts dessen kommt dem unanfechtbaren Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München keine Bindungswirkung zu.
Beschluss vom 26.11.2024 -
BVerwG 2 AV 2.24ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV2.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.11.2024 - 2 AV 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV2.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 AV 2.24
- VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: 5 K 59/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2024
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
Dr. Hartung und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Tatbestandsberichtigung des Beschlusses des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - wird abgelehnt.
Gründe
1 Der Senat entscheidet über den Antrag der Klägerin, die Tatsachenfeststellungen in dem Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 zu berichtigen und zu ergänzen, gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 119 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGO unter Mitwirkung derjenigen Richterinnen und Richter, die an dem angegriffenen Beschluss mitgewirkt haben.
2 Der Antrag auf Tatbestandsberichtigung und -ergänzung nach § 119 Abs. 1 und § 122 Abs. 1 VwGO ist jedenfalls unbegründet.
3 Der Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 enthält weder Unrichtigkeiten noch Unklarheiten im Sinne von § 119 Abs. 1 VwGO. Die Bezeichnung der Klägerin als "ehemalige Richterin" entspricht der Rechtslage im Anschluss an das Urteil des Dienstgerichts des Bundes vom 4. Mai 2023 - RiSt 1/21 - ungeachtet der dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerde.
4 Auch die Rüge der Klägerin, die Einzelheiten ihrer Dienstaufsichtsbeschwerde vom Dezember 2020 sowie ihre weiteren Anträge und Rechtsbehelfe gegenüber dem Verwaltungsgericht Berlin im Verfahren VG 5 K 59/24 oder im Zusammenhang damit seien in den Beschlussgründen nicht erwähnt worden, rechtfertigt keine Ergänzung der Beschlussgründe. Die beanstandeten Auslassungen des Sach- und Streitstands sind nicht entscheidungserheblich (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 2024 - 2 AV 3.24 - Rn. 4, 6 f. und vom 25. November 2024 - 2 AV 4.24 - Rn. 7). Ebenso wenig sind die Beschlussgründe um einen Hinweis auf die von der Klägerin beantragte Akteneinsicht zu ergänzen. Es bedarf keiner Ergänzung zur Substantiierung einer Gehörsverletzung, die in einem parallel erhobenen Anhörungsrügeverfahren gemäß § 152a VwGO geltend gemacht werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 9 A 10.20 - juris Rn. 3). Dies gilt ebenso, soweit die Klägerin die Nichterwähnung ihres Vorbringens zur sog. institutionellen Befangenheit des Verwaltungsgerichts München moniert.
5 Der Klägerin geht es in der Sache um die inhaltliche Korrektur einer von ihr für falsch gehaltenen Entscheidung, der das Verfahren der Tatbestandsberichtigung nach §§ 119 Abs. 1 und 122 Abs. 1 VwGO aber nicht dient (BVerwG, Beschluss vom 24. April 2018 - 2 C 36.16 -).
6 Das Tatbestandsberichtigungsverfahren ist in Ermangelung eines Gerichtskostentatbestandes gebührenfrei.
Beschluss vom 26.11.2024 -
BVerwG 2 AV 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV3.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.11.2024 - 2 AV 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV3.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 AV 3.24
- VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: 5 K 59/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
- Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.
Gründe
1 Die Klägerin wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - im Verfahren zur Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO.
2 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
3 Zwar findet gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anderes gilt jedoch ausnahmsweise in Zwischenverfahren - wie hier zur Bestimmung des Gerichtsstandes –, in denen abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren eine Entscheidung getroffen wird, die später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 <299>).
4 Gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine solche gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
5 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unbeachtet gelassen werden darf. Dies bedeutet indes nicht, dass sich die Gerichte in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten ausdrücklich auseinandersetzen müssten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u. a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Es ist daher nicht berechtigt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46>; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N.). Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3). Solche besonderen Anhaltspunkte fehlen insbesondere dann, wenn das in den schriftlichen Gründen mit Stillschweigen übergangene Parteivorbringen für die Entscheidung ersichtlich ohne Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 1995 - 2 BvR 37/95 - NJW 1995, 2912).
6 Nach diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise. Der Senat hat das Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen und sich damit im gebotenen Maße hinreichend auseinandergesetzt.
7 Zweck der Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen Verwaltungsgerichten nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist es, im Interesse der Beteiligten und der Rechtssicherheit den Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.). Das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung dient als Zwischenverfahren allein dazu, die Zuständigkeit eines Gerichts zu begründen, das dann seinerseits alle prozessualen und materiellen Voraussetzungen des Rechtsstreits in der Hauptsache zu prüfen hat. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht nur zu prüfen, ob seine Zuständigkeit und die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1987 - I ARZ 650/86 - NJW-RR 1987, 757; Schoch/Schneider/Bier/Schenk, VwGO, Stand Januar 2024, § 53 Rn. 13; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 37 Rn. 5). Es bestand kein Anlass für diese Entscheidung, den Ausgang vermeintlich vorgreiflicher Verfahren beim Verwaltungsgericht Berlin oder die Bescheidung dort gestellter Anträge abzuwarten.
8 Eine ausdrückliche Befassung mit dem Vorbringen der Klägerin zur sog. institutionellen Voreingenommenheit des Verwaltungsgerichts München war nicht veranlasst. Für einen solchen - im Hinblick auf die Größe dieses Verwaltungsgerichts kaum denkbaren - Fall haben sich aus dem pauschalen Befangenheitsvorwurf der Klägerin keine sachlichen Anhaltspunkte ergeben.
9 Die Klägerin hat von der im Juli 2024 gegebenen Gelegenheit zur Akteneinsicht durch postlagernde Sendung eines elektronischen Ausdrucks der Gerichtsakte 2 AV 2.24 keinen Gebrauch gemacht. Der Vorwurf, ihr sei weiteres entscheidungsrelevantes Vorbringen mangels Kenntnis der Akten nicht möglich gewesen, entbehrt damit der Grundlage.
10 Soweit sich die Klägerin im Übrigen gegen die im Beschluss vom 11. Juni 2024 dargelegte Rechtsauffassung wendet, vermag dies eine Gehörsverletzung nicht zu begründen. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 20 m. w. N.).
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 dieses Gesetzes eine Festgebühr erhoben wird.