Beschluss vom 26.11.2024 -
BVerwG 2 AV 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV3.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.11.2024 - 2 AV 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:261124B2AV3.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 AV 3.24
- VG Berlin - 08.05.2024 - AZ: 5 K 59/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
- Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.
Gründe
1 Die Klägerin wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 - 2 AV 2.24 - im Verfahren zur Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO.
2 Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
3 Zwar findet gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anderes gilt jedoch ausnahmsweise in Zwischenverfahren - wie hier zur Bestimmung des Gerichtsstandes –, in denen abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren eine Entscheidung getroffen wird, die später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 <299>).
4 Gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine solche gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
5 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unbeachtet gelassen werden darf. Dies bedeutet indes nicht, dass sich die Gerichte in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten ausdrücklich auseinandersetzen müssten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u. a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Es ist daher nicht berechtigt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46>; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N.). Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3). Solche besonderen Anhaltspunkte fehlen insbesondere dann, wenn das in den schriftlichen Gründen mit Stillschweigen übergangene Parteivorbringen für die Entscheidung ersichtlich ohne Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 1995 - 2 BvR 37/95 - NJW 1995, 2912).
6 Nach diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Senats vom 11. Juni 2024 die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise. Der Senat hat das Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen und sich damit im gebotenen Maße hinreichend auseinandergesetzt.
7 Zweck der Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen Verwaltungsgerichten nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist es, im Interesse der Beteiligten und der Rechtssicherheit den Streit darüber, welches Gericht für die Sachentscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.). Das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung dient als Zwischenverfahren allein dazu, die Zuständigkeit eines Gerichts zu begründen, das dann seinerseits alle prozessualen und materiellen Voraussetzungen des Rechtsstreits in der Hauptsache zu prüfen hat. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht nur zu prüfen, ob seine Zuständigkeit und die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 1987 - I ARZ 650/86 - NJW-RR 1987, 757; Schoch/Schneider/Bier/Schenk, VwGO, Stand Januar 2024, § 53 Rn. 13; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 37 Rn. 5). Es bestand kein Anlass für diese Entscheidung, den Ausgang vermeintlich vorgreiflicher Verfahren beim Verwaltungsgericht Berlin oder die Bescheidung dort gestellter Anträge abzuwarten.
8 Eine ausdrückliche Befassung mit dem Vorbringen der Klägerin zur sog. institutionellen Voreingenommenheit des Verwaltungsgerichts München war nicht veranlasst. Für einen solchen - im Hinblick auf die Größe dieses Verwaltungsgerichts kaum denkbaren - Fall haben sich aus dem pauschalen Befangenheitsvorwurf der Klägerin keine sachlichen Anhaltspunkte ergeben.
9 Die Klägerin hat von der im Juli 2024 gegebenen Gelegenheit zur Akteneinsicht durch postlagernde Sendung eines elektronischen Ausdrucks der Gerichtsakte 2 AV 2.24 keinen Gebrauch gemacht. Der Vorwurf, ihr sei weiteres entscheidungsrelevantes Vorbringen mangels Kenntnis der Akten nicht möglich gewesen, entbehrt damit der Grundlage.
10 Soweit sich die Klägerin im Übrigen gegen die im Beschluss vom 11. Juni 2024 dargelegte Rechtsauffassung wendet, vermag dies eine Gehörsverletzung nicht zu begründen. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 20 m. w. N.).
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 dieses Gesetzes eine Festgebühr erhoben wird.