Beschluss vom 25.11.2024 -
BVerwG 2 AV 4.24ECLI:DE:BVerwG:2024:251124B2AV4.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 25.11.2024 - 2 AV 4.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:251124B2AV4.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 AV 4.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
- Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den ... und den ... wird verworfen.
- Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 28. August 2024 - 2 AV 3.24 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.
Gründe
1 1. Der Senat entscheidet in der Besetzung, die sich aus der für das Geschäftsjahr 2024 geltenden Geschäftsverteilung ergibt. Die Klägerin hat im Verfahren der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 28. August 2024 Ablehnungsgesuche gegen die an der Entscheidung mitwirkenden Richter, den ... und den ..., angebracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob den generellen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Richterablehnung im Rahmen einer Anhörungsrüge zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 3 ff. m. w. N. und vom 4. Juli 2023 - 2 B 12.23 - juris Rn. 1). Jedenfalls ist das Ablehnungsgesuch aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig.
2 Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter; diese sind zudem von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Februar 1960 - 2 BvR 36/60 - BVerfGE 11, 1 <3> und vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239 <252 f.>). Das Ablehnungsgesuch gegen die hier abgelehnten Richter ist offensichtlich unzulässig, weil es in der Sache ausschließlich auf die Mitwirkung an der benannten Entscheidung und deren Inhalt gestützt ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - NVwZ-RR 2008, 289 Rn. 21). Das Vorbringen der Klägerin zu den behaupteten Rechtsverletzungen, insbesondere den behaupteten Gehörsverletzungen, und dem darin angeblich zu sehenden parteiergreifenden Verhalten ist gänzlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit der hier abgelehnten Richter zu begründen.
3 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unbeachtet gelassen werden darf. Dies bedeutet indes nicht, dass sich die Gerichte in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten ausdrücklich auseinandersetzen müssten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u. a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Es ist daher nicht berechtigt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungselemente des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46>; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N.). Damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1999 - 9 B 797/98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3). Solche besonderen Anhaltspunkte fehlen insbesondere dann, wenn das in den schriftlichen Gründen mit Stillschweigen übergangene Parteivorbringen für die Entscheidung ersichtlich ohne Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Februar 1995 - 2 BvR 37/95 - NJW 1995, 2912).
4 Der Senat hat bei seiner Entscheidung vom 28. August 2024 über das Befangenheitsgesuch der Klägerin im Verfahren der Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 11. Juni 2024 ihr gesamtes Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen (vgl. Rn. 3). Dabei hat er festgestellt, Anhaltspunkte für ein parteiergreifendes Verhalten der dort abgelehnten Richter folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht nur kurze Zeit nach dem Eingang des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin am 21. Mai 2024 über das Zwischenverfahren zur Bestimmung des Gerichtsstands entschieden hat (vgl. Rn. 4). Damit hat der Senat zugleich zu erkennen gegeben, dass er Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin über weitere anhängige Anträge und Rechtsbehelfe der Klägerin als nicht vorgreiflich für die Zwischenentscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt angesehen hat.
5 Soweit die Klägerin in der Begründung des Ablehnungsgesuchs (S. 38 f.) auf eine abgestimmte Verfahrensbehandlung zwischen den von ihr hier abgelehnten Richtern des Bundesverwaltungsgerichts und Richtern anderer Gerichte oder dritten Personen der Justizpolitik verweist, handelt es sich um Mutmaßungen ohne sachlichen Anhaltspunkt. Das darauf gerichtete Auskunftsverlangen stellt sich als eine Ausforschung nach möglichen Ablehnungsgründen dar, der sich Richter nicht stellen müssen; es ist Sache des Verfahrensbeteiligten, der ein Ablehnungsgesuch stellt, einen konkreten Ablehnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen, erst dann muss sich der abgelehnte Richter dazu dienstlich äußern (vgl. § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 44 Abs. 2 und 3 ZPO). Dies gilt auch, soweit die Klägerin in ihrem Auskunftsersuchen vom 13. September 2024 die Möglichkeit andeutet, dass der vom 29. Mai bis zum 14. Juni 2024 im Urlaub befindliche ... eine Anweisung zur Bearbeitung des Verfahrens 2 AV 2.24 während seiner Abwesenheit gegeben oder darüber ein sonstiges Einvernehmen im 2. Senat hergestellt haben könnte. Die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts durch das Bundesverwaltungsgericht war - wie ausgeführt - entsprechend dem Sinn und Zweck eines solchen Zwischenverfahrens möglichst rasch zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 1964 - Ib ARZ 44/64 - NJW 1964, 1416 f.).
6 Sonstige aus der Verfahrensbehandlung folgende Anhaltspunkte, die eine Besorgnis der Befangenheit der hier abgelehnten Richter begründen könnten, zeigt die Klägerin nicht auf. Der Klägerin ist im Juli 2024 Gelegenheit zur Akteneinsicht durch postlagernde Sendung eines elektronischen Ausdrucks der Gerichtsakte 2 AV 2.24 gegeben worden. Davon hat sie keinen Gebrauch gemacht.
7 Soweit sich die Klägerin im Übrigen der Sache nach allein gegen die von den abgelehnten Richtern in dem angegriffenen Beschluss vom 28. August 2024 vertretene Rechtsauffassung (Rn. 5 bis 7) wendet, vermag dies die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Das Verfahren der Richterablehnung dient nicht der Fehlerkontrolle vorangegangener Entscheidungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 3. Juni 2019 - 2 BvR 910/19 - juris Rn. 15 und vom 17. August 2021 - 2 BvR 28/21 - juris Rn. 7).
8 2. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 28. August 2024 ist zulässig, aber unbegründet.
9 Gemäß § 152a Abs. 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
10 Zwar findet gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht statt (§ 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anderes gilt jedoch ausnahmsweise in einem Zwischenverfahren - wie hier der Richterablehnung –, in dem abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über das Ablehnungsgesuch befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292 <299>).
11 Wie sich aus obigen Ausführungen unter 1. ergibt, verletzt der Beschluss des Senats vom 28. August 2024 die Klägerin aber nicht in ihrem Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise.
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 dieses Gesetzes eine Festgebühr erhoben wird.