Beschluss vom 04.03.2025 -
BVerwG 2 B 42.24ECLI:DE:BVerwG:2025:040325B2B42.24.0
Leitsatz:
Die Schuldfähigkeit des Beamten bei der Begehung eines Dienstvergehens schließt die Anerkennung des Milderungsgrundes der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" nicht aus. Bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Milderungsgrundes kann jedoch berücksichtigt werden, ob die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt war.
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Rechtsquellen
BeamtStG § 47 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW § 13 VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1 und § 108 Abs. 1 Satz 1 -
Instanzenzug
VG Düsseldorf - 19.04.2023 - AZ: 31 K 77/22
OVG Münster - 26.06.2024 - AZ: 31 A 1045/23.O
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 04.03.2025 - 2 B 42.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:040325B2B42.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 42.24
- VG Düsseldorf - 19.04.2023 - AZ: 31 K 77/22
- OVG Münster - 26.06.2024 - AZ: 31 A 1045/23.O
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dr. Hissnauer
beschlossen:
- Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Der Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches Disziplinarklageverfahren.
2 1. Der 19.. geborene Beklagte steht als Stadtoberinspektor (Besoldungsgruppe A 10 LBesO NRW) im Dienst der Klägerin. Das Amtsgericht Rheinberg verurteilte ihn nach Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit im Juli 2021 wegen Besitzes und Verbreitens kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.
3 In dem ursprünglich bereits im März 2020 eingeleiteten und zunächst wegen des Strafverfahrens vorübergehend ausgesetzten Disziplinarverfahrens hat die Klägerin im Januar 2022 Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten auf der Grundlage des strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dessen hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe vorsätzlich und schuldhaft die ihm auch außerhalb des Dienstes obliegende Pflicht, durch sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordere, erheblich verletzt und dadurch das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Es lägen keine Umstände vor, die Anlass böten, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Insbesondere habe der Beklagte das Dienstvergehen nicht im Zustand einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen; seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei trotz der im Tatzeitraum bestehenden schizoiden Persönlichkeitsstörung und pädophilen Neigung nicht erheblich beeinträchtigt gewesen. Ebenso wenig könne ihm der Milderungsgrund einer "Entgleisung während einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase" zugutegehalten werden. Die vom Beklagten geschilderte Ehe- und damit einhergehende Lebenskrise stelle keinen derart von der Normalität abweichenden Umstand dar, der die Pflichtverletzung in einem milderen Licht erscheinen lasse. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Steuerungsfähigkeit des Beklagten nicht eingeschränkt gewesen sei. Im Übrigen seien auch mit Blick auf den beruflichen Kontext die Voraussetzungen nicht gegeben. Abgesehen davon sei die Verfehlung des Beklagten derart schwerwiegend, dass selbst bei hypothetischer Annahme des Milderungsgrundes nicht von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könne.
4 2. Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) hat keinen Erfolg.
5 a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
6 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2024 - 2 B 21.24 - juris Rn. 10 m. w. N.).
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aa) Die der Beschwerde als klärungsbedürftig zu entnehmende Frage,
ob die Feststellung einer fehlenden (verminderten) Schuldunfähigkeit zur Folge hat, dass der Milderungsgrund "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" nicht anerkannt werden kann,
hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung, weil sie auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann.
8 Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen (s. a. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG). Erfolgt die Verletzung der Dienstpflicht im Zustand der Schuldunfähigkeit, liegt bereits kein Dienstvergehen vor und eine disziplinare Ahndung des Verhaltens scheidet aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 2 A 3.16 - juris Rn. 27); ein wirksam eingeleitetes Disziplinarverfahren ist einzustellen (vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 1 LDG NRW).
9 Hat das Gericht im Einzelfall ein Dienstvergehen festgestellt (und mithin die Schuldfähigkeit des Beamten bejaht - vgl. zur diesbezüglichen Bindungswirkung strafgerichtlicher Urteile § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW; s. a. BVerwG, Urteil vom 20. April 2023 - 2 A 18.21 - NVwZ 2024, 165 Rn. 33 ff.), ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung zu bemessen. Die sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW ergebenden Bemessungskriterien müssen mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2023 - 2 A 18.21 - juris Rn. 26; Beschlüsse vom 14. Dezember 2021 - 2 B 43.21 - juris Rn. 11 und vom 19. Dezember 2023 - 2 B 43.22 - juris Rn. 27). Bestandteil der Maßnahmebemessung ist folglich auch die Prüfung, ob zugunsten des Beamten sog. anerkannte Milderungsgründe oder sonstige entlastende Umstände greifen. Demnach schließt die Schuldfähigkeit des Beamten die Anerkennung von Milderungsgründen nicht aus, sondern zieht deren Prüfung erst nach sich. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
10 Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der - in der gerichtlichen Praxis entwickelte - Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt "aus der Bahn geworfen" haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Der Beamte muss diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin "aus der Bahn" geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 40 f. und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 36; Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 32, vom 15. Juni 2016 - 2 B 49.15 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 10 und vom 28. Januar 2020 - 2 B 34.19 - juris Rn. 8). Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer persönlich besonders belastenden Situation, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Wenn aber das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen "zeitweilig aus der Bahn geworfen" (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 2016 - 2 B 49.15 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 11, vom 12. Juli 2018 - 2 B 1.18 - Buchholz 235.1 § 38 BDG Nr. 1 Rn. 15 und vom 28. Januar 2020 - 2 B 34.19 - juris Rn. 8).
11 Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht das Vorliegen des Milderungsgrundes "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" verneint, weil die vom Beklagten geltend gemachte Ehe- und damit einhergehende Lebenskrise nach der Geburt seines Sohnes im Oktober 2014 nicht derart außergewöhnlich sei, dass die Pflichtverletzung in einem milderen Licht erscheine. Seine Würdigung hat das Berufungsgericht auch darin bestätigt gesehen ("insbesondere"), dass nach dem Ergebnis des Gutachtens die Steuerungsfähigkeit des Beklagten nicht beeinträchtigt oder aufgehoben war. Die Steuerungsfähigkeit bzw. Schuldfähigkeit des Beklagten hat es damit gerade nicht zum Anlass genommen, das Vorliegen der Voraussetzungen des Milderungsgrundes als per se ausgeschlossen zu betrachten.
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bb) Auch die weiter aufgeworfenen Fragen,
ob ein Beamter, der an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer sozialen Phobie auf der Grundlage einer sexuellen Insuffizienz sowie den dazugehörigen Krankheitsbildern leidet, sich schon deshalb in einer negativen Lebensphase befindet, weil die Krankheitsbilder unerkannt geblieben und nicht behandelt worden sind,
und
ob die aufgrund der diagnostizierten Erkrankungen bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in Verbindung mit einer Ehekrise die Annahme des Vorliegens des Milderungsgrundes "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" rechtfertigen,
führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden könnten. Die Anforderungen an die "anerkannten" Milderungsgründe sind - soweit dies in verallgemeinerungsfähiger Form möglich ist - in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom 9. Januar 2024 - 2 B 34.23 - juris Rn. 12 und vom 7. August 2024 - 2 B 10.24 - juris Rn. 14). Einen darüber hinausgehenden allgemeinen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie wendet sich vielmehr gegen die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme durch das Gericht nach Maßgabe des § 13 LDG NRW. Diese Bemessung ist aber stets eine Frage der Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 2020 - 2 B 3.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 73 Rn. 20, vom 23. Januar 2024 - 2 B 25.23 - juris Rn. 14 und vom 7. August 2024 - 2 B 10.24 - juris Rn. 14). Eine genaue Bestimmung von Milderungsgründen, die im Rahmen der Bemessungsentscheidung nach Tatbestand und Rechtsfolge zu prüfen wären, lässt sich dem Landesdisziplinargesetz gerade nicht entnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2021 - 2 B 76.20 - Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 7 Rn. 21).
13 Ungeachtet dessen können nach der Rechtsprechung des Senats gesundheitliche Beeinträchtigung im Tatzeitraum als mildernder Umstand bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch dann einzustellen sein, wenn sie keinen Einfluss auf die Schuldfähigkeit des Beamten haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - Rn. 6, vom 29. März 2017 - 2 B 26.16 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 13 Rn. 13 und vom 8. Januar 2025 - 2 B 32.24 - juris Rn. 26). Ob eine Erkrankung jedoch von solchem Gewicht ist, dass sie als entlastender Umstand Berücksichtigung finden kann, betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall, die einer Grundsatzrüge nicht zugänglich ist. Im Übrigen geht der Einwand der Beschwerde fehl, "die gesundheitlichen Diagnosen [seien] überhaupt nicht in die Gesamtbetrachtung eingegangen". Das Berufungsgericht hat vielmehr maßgeblich darauf abgestellt, dass Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bei dem Beklagten hierdurch nicht beeinträchtigt waren (UA S. 20).
14 Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit den hilfsweisen Erwägungen des Berufungsgerichts ("selbst bei Annahme des Vorliegens") zum Vorliegen des Milderungsgrundes der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" die Rechtsprechung des Senats aufgreift, wonach in Bezug auf vorgenannten Milderungsgrund die regelhafte Herabstufung der angemessenen Disziplinarmaßnahme nicht gilt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 2 B 49.15 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 13), lässt sich ihr eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht entnehmen.
15 b) Die Beschwerde legt auch keinen Verfahrensmangel dar, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
16 aa) Das Berufungsgericht hat durch die unterbliebene Anhörung des vom Amtsgericht herangezogenen Gutachters und die fehlende Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens nicht gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen.
17 Eine Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum einen die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aus der materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese bei Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Zum anderen muss dargelegt werden, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2017 - 2 B 26.16 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 13 Rn. 7 f., vom 10. Dezember 2020 - 2 B 6.20 - juris Rn. 7 f. und vom 14. Dezember 2023 - 2 B 18.23 - juris Rn. 16).
18 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
19 Der anwaltlich vertretene Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 26. Juni 2024 keinen auf Einvernahme des Gutachters Dr. K. oder auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag gestellt. Dem Berufungsgericht musste sich auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens auch nicht aufdrängen. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO in einem Revisionsverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts führten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Beklagten nicht zu einer Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Über die "Auswirkungen" der "schwerwiegenden gesundheitlichen Diagnosen" bestanden mithin keine Unklarheiten.
20 bb) Der Einwand der Beschwerde, das Berufungsgericht sei von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und habe hierdurch gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, geht ebenfalls fehl.
21 Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur der Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also beispielsweise entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Die Einhaltung der verfahrensmäßigen Verpflichtungen des Tatsachengerichts ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Beweiswürdigung eingegangen sind und ob diese Einzelumstände die Würdigung tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Februar 2017 - 2 B 2.16 - juris Rn. 15, vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - juris Rn. 17 und vom 23. Januar 2024 - 2 B 25.23 - juris Rn. 24). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschlüsse vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19, vom 28. März 2017 - 2 B 9.16 - juris Rn. 17, vom 30. August 2023 - 2 B 44.22 - juris Rn. 6 und vom 23. Januar 2024 - 2 B 25.23 - juris Rn. 24).
22 Danach hat die Beschwerde einen Verfahrensfehler auch insoweit nicht dargetan. Das Berufungsgericht hat sich nicht nur in Anbetracht fehlender substantiierter Einwendungen des Beklagten im Berufungsverfahren die Würdigung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht, wonach die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in erheblicher Weise eingeschränkt war (UA S. 20). Es hat sich auch unabhängig hiervon zu der Einschätzung des Gutachters Dr. K. verhalten (UA S. 23). Gegen diese im Ergebnis einer Beweiswürdigung getroffene Feststellung erhebt die Beschwerde keine Verfahrensrüge, sondern stellt ihr lediglich die Behauptung entgegen, es sei nicht "eruiert" worden, auf welcher Grundlage und in welchem geistigen Zustand der Beklagte die ihm zur Last gelegten Taten begangen habe.
23 cc) Fehl geht die Beschwerde darüber hinaus, soweit sie behauptete Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts betrifft. Da es nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf Fehler des berufungsgerichtlichen Verfahrens ankommt, sind Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens für die Zulassung der Revision gegen ein Berufungsurteil grundsätzlich nicht von Bedeutung. Verfahrensmängel des Verwaltungsgerichts können lediglich dann eine Revisionszulassung rechtfertigen, wenn sie sich in der Berufungsinstanz fortgesetzt oder wenn sie dort fortgewirkt haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. November 2023 - 6 B 10.23 - juris Rn. 18 und vom 2. Mai 2024 - 2 B 37.23 - NVwZ 2024, 1355 Rn. 12). Mit der Beschwerde werden jedoch bereits keine Verfahrensfehler des Berufungsgerichts dargetan.
24 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstands bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.