Beschluss vom 08.01.2025 -
BVerwG 2 B 32.24ECLI:DE:BVerwG:2025:080125B2B32.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.01.2025 - 2 B 32.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:080125B2B32.24.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 32.24

  • VG Dresden - 29.10.2019 - AZ: 10 K 1847/16.D
  • OVG Bautzen - 22.03.2024 - AZ: 12 A 328/20.D

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. März 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Kläger erstrebt ein Disziplinarurteil, mit dem der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt wird.

2 1. Die ... geborene Beklagte wurde 1989 in den Dienst der Deutschen Volkspolizei eingestellt und später im sächsischen Landesdienst bis zur Polizeiobermeisterin (Besoldungsgruppe A 8) befördert. Seit Juni 2012 leistete sie krankheitsbedingt keinen Dienst mehr und wurde im Jahr 2015 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3 Durch Urteil eines Amtsgerichts vom August 2012 wurde die Beklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Das gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Urteil enthält folgende tatsächliche Feststellungen: "Am 31.08.2011 entwendete sie in dem Frisörgeschäft der Zeugin 70,- € aus der Handtasche der Zeugin, verließ das Frisörgeschäft, um das Geld für sich zu verwenden. Am 24.09.2011 entwendete die Angeklagte aus der Handtasche der Zeugin 60,- €. Sie verließ mit dem Geld das Frisörgeschäft und verwandte das Geld für sich." Im September 2012 leitete der Leiter der Polizeidirektion ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ein und dehnte es noch im selben Jahr mehrfach aus. Im April 2013 enthob er die Beklagte vorläufig des Dienstes und im September 2016 hat er Disziplinarklage erhoben.

4 Im Jahr 2018 hat die Disziplinarkammer Beweis erhoben zu der Frage, ob bei der Beklagten bei Begehung der ihr vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen die tatsächlichen Voraussetzungen der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB vorlagen, durch Einholung eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Forschungsbereichs Forensische Psychiatrie der Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie eines Universitätsklinikums. Das von dem Sachverständigen erstattete Gutachten vom April 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte an einer Persönlichkeitsakzentuierung leide, die seit dem Jugendalter in verschiedenen Lebensbereichen, insbesondere wohl bei Partnerschaften und am Arbeitsplatz, zu Beeinträchtigungen geführt habe. Ihre Beziehungsgestaltung und Konfliktbewältigung schienen durch Schuldattributierung, Unreife, Passivität, Dependenz, fehlende Verantwortungsübernahme, Neigung zu Depressivität und Somatisierung geprägt. Dies stelle den biografischen Hintergrund dar, vor dem womöglich einige Handlungen in ihrer Motivation verstehbar würden. Dies sei jedoch ohne Entsprechung eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB und konsekutiv ohne positiven Hinweis auf eine Fähigkeitsbeeinträchtigung entsprechend §§ 20, 21 StGB. Sachverständig würden die tatsächlichen Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB nicht berührt gesehen.

5 Das Verwaltungsgericht hat ein Dienstvergehen der Beklagten wegen der beiden strafgerichtlich sanktionierten Diebstahlshandlungen, der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung ihrer Dienstwaffe im März 2012 und der Nichtanzeige ihrer Nebentätigkeit als Beraterin für eine Firma angenommen und der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe oder Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) lägen nicht vor. Die Beklagte sei auch nicht in ihrer tatbezogenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen. Wie der Gutachter in seinem Gutachten vom 20. April 2018, der ergänzenden Äußerung vom 21. September 2018 sowie in seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt habe, liege bei der Beklagten zwar eine krankhafte Persönlichkeitsakzentuierung vor, die aber die Eingangsmerkmale der tatsächlichen Voraussetzungen des § 20 StGB nicht erreiche.

6 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Disziplinarklage abgewiesen. Weil das Dienstvergehen der Beklagten unter Berücksichtigung sämtlicher für die Bemessung relevanter Umstände des Falls mit der Kürzung des Ruhegehalts zu ahnden gewesen wäre und für diese Disziplinarmaßnahme ein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs vorliege, dürfe diese Maßnahme nicht ausgesprochen werden und sei die Klage abzuweisen. Bei der strafgerichtlichen Verurteilung der Beklagten wegen der beiden Diebstähle sei mit den entwendeten Beträgen von 70 € und 60 €, insgesamt 130 €, zwar kein geringwertiger Schaden entstanden; die Schwelle hierfür liege bei 50 €. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass dieser Schaden eher im unteren Bereich liege. Vor allem entlasteten die Beklagte ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die bei Begehung der hier in Rede stehenden Vorwürfe akut gewesen seien. Diese erfüllten zwar nicht die Anforderungen der Eingangsmerkmale i. S. v. §§ 20, 21 StGB, seien aber in unmittelbarer Nähe zum Dienstvergehen so ausgeprägt gewesen, dass sie eine stationäre Behandlung der Beklagten erforderlich gemacht hätten. Nach dem Gutachten vom 20. April 2018 leide die Beklagte an einer Persönlichkeitsakzentuierung, die zu Beeinträchtigungen führe. Ihre Beziehungsgestaltung und Konfliktbewältigung schienen durch Schuldattributierung, Unreife, Passivität, Dependenz, fehlende Verantwortungsübernahme, Neigung zu Depressivität und Somatisierung geprägt zu sein. Vom 6. September 2011 bis zum 18. Oktober 2011 habe sich die Beklagte in stationärer Behandlung befunden und sei dort unter anderem wegen einer Persönlichkeitsstörung und einer mittelgradig depressiven Episode behandelt worden. Ihre Einlassung zur Rechtfertigung ihrer Diebstähle, die bestohlene Person habe ihr Geld für Kerzen geschuldet, dürfte damit im Zusammenhang stehen und zum Zeitpunkt der Begehung der Diebstähle besonders ausgeprägt gewesen sein, denn der erste Diebstahl sei kurz vor Antritt und der zweite Diebstahl während der medizinischen Behandlung im Rahmen eines Besuchs bei der damals mit ihr befreundeten Person begangen worden. Dies zugrunde gelegt und in Anbetracht der beiden weiteren Pflichtverletzungen - dem sorgfaltswidrigen Umgang mit der Dienstwaffe und der fehlenden Anzeige der Tätigkeit als Beraterin für ein Unternehmen, die von der Beklagten eher als Hobby betrachtet worden sei –, die nicht erheblich erschwerend wirkten, erscheine die Kürzung des Ruhegehalts vorliegend als tat- und schuldangemessen.

7 2. Die auf die Zulassungsgründe des Verfahrensfehlers (§ 70 SächsDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 70 SächsDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

8 a) Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 70 SächsDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

9 aa) Die Beschwerde rügt als objektiv willkürliche Beweiswürdigung und als Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze, dass das Berufungsgericht trotz der gutachterlich festgestellten uneingeschränkten Schuldfähigkeit bloße Persönlichkeitsakzentuierungen deutlich unterhalb der Schwelle der Eingangsmerkmale der tatsächlichen Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB als Milderungsgrund angesehen habe, der ein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertige. Damit ist ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz aber nicht dargetan.

10 Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich nicht auf die Auslegung des anzuwendenden Rechts, sondern auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Daraus erwächst die Verpflichtung des Tatrichters, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Tatsachengericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist. Dagegen ist die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom 2. Mai 2024 - 2 B 24.23 - NVwZ 2024, 1938 Rn. 12 und vom 10. Dezember 2024 - 2 B 19.24 - juris Rn. 13, jeweils m. w. N.).

11 Welches rechtliche Gewicht das Disziplinargericht einem von ihm als entlastend angesehenen Umstand bei der Bemessungsentscheidung beimisst, ist eine Frage des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts. Der Kläger beanstandet mit seiner Rüge nicht die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, sondern dessen rechtliche Schlussfolgerung aus dem - zwischen den Beteiligten insoweit nicht umstrittenen - Beweisergebnis.

12 bb) Die Beschwerde rügt außerdem als aktenwidrige Feststellung des Berufungsgerichts, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten in unmittelbarer (zeitlicher) Nähe zum Dienstvergehen so ausgeprägt gewesen seien, dass sie eine stationäre Behandlung erfordert hätten.

13 Die Verfahrensrüge der aktenwidrigen Feststellung des Sachverhalts setzt die schlüssig vorgetragene Behauptung voraus, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, sodass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss also "zweifelsfrei" sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338; Beschlüsse vom 19. November 1997 - 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1, vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226 f. und vom 14. Dezember 2023 - 2 B 18.23 - juris Rn. 8). Liegt hiernach eine aktenwidrige Feststellung vor, verletzt dies den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs nach § 86 Abs. 1 und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23. November 2016 - 4 C 2.16 - BVerwGE 156, 336 Rn. 23; Beschlüsse vom 19. November 1997 - 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 S. 1 m. w. N., vom 12. Dezember 2019 - 2 B 3.19 - juris Rn. 12, vom 4. Januar 2023 ‌- 2 B 22.22 - juris Rn. 28 ff. und vom 13. Juli 2023 - 2 C 3.22 - juris Rn. 18).

14 § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist verletzt bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung, etwa bei denkfehlerhaften, aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglichen oder sonst willkürlichen Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <273 f.>; Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 u. a. - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 22. Mai 2008‌ - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 22). Ein Denkfehler in diesem Sinne liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die tatrichterliche Würdigung auch anders hätte ausfallen können. Denkgesetze werden durch Schlussfolgerungen nur dann verletzt, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt nur eine einzige Folgerung gezogen werden kann, jede andere Folgerung aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglich ist und das Gericht die allein mögliche Folgerung nicht gezogen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - 8 B 3.72 u. a. - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 28, vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 111 Rn. 24). Überprüft werden kann auch, ob das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt hat, etwa ob es gegen das Verbot selektiver Verwertung des Prozessstoffs (BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 - 9 C 91.89 - BVerwGE 85, 92 <95> und Beschluss vom 20. August 2003 - 1 B 463.02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 275 S. 100), ob es gegen das Gebot rationaler, um Objektivität bemühter Beurteilung verstoßen (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20) oder ob es den ihm gezogenen Beurteilungsrahmen überschritten hat, sei es dadurch, dass es von einem zweifelsfrei unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere ob es in das Verfahren eingeführte Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>), sei es, dass es gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze missachtet hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20 und vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 111 Rn. 25; vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2023 - 2 B 43.22 - juris Rn. 24 ff.).

15 Die Beschwerde führt insoweit an, dass die Beklagte bei ihrer psychiatrischen Begutachtung selbst ausgeführt habe, sie sei an den beiden Tagen des Diebstahls sicher nicht alkoholisiert oder sonst wie beeinträchtigt gewesen, beim zweiten Diebstahl sei sie fahrtauglich gewesen und es sei ihr auch nicht sehr schlecht gegangen. Sie verweist außerdem darauf, dass der Gutachter insbesondere ausgeführt habe, dass eine abgeurteilte Handlung zeitlich in eine Reha-Maßnahme falle, wo bei Aufnahme und im Verlauf bis zur folgenden Strafanzeige keine klinisch signifikanten Symptome einer psychischen Störung notiert seien, nicht einmal eine Depression oder schädlicher Alkoholgebrauch bei Aufnahme. Vor diesem Hintergrund erscheine die eigene Würdigung des Gerichts losgelöst von der Aktenlage bzw. den eindeutig formulierten gutachterlichen Feststellungen. Den insoweit bereits konstruiert wirkenden mildernden Umständen werde damit ein unzutreffendes Gewicht verliehen, das in der Entscheidung willkürlich zur Berücksichtigung von tatsächlich nicht gegebenen Entlastungsgründen führe.

16 Damit ist eine aktenwidrige Feststellung nicht dargetan. Dass die Beklagte bei den beiden Diebstahlshandlungen sich selbst nicht in besonderer Weise belastet gefühlt hat und auch beim Klinikaufenthalt keine klinisch signifikanten Symptome einer psychischen Störung festgestellt worden sind, steht nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu der Feststellung des Berufungsgerichts, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Dienstvergehen so ausgeprägt waren, dass sie eine stationäre Behandlung erforderlich gemacht haben. Das Berufungsgericht stellt darauf ab, dass die - langjährigen - psychischen Beeinträchtigungen der Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt einen stationären Klinikaufenthalt erfordert hätten; die Beschwerde nimmt in den Blick, dass diese Beeinträchtigungen von der Beklagten subjektiv als nicht besonders schwerwiegend und vom medizinischen Sachverständigen als nicht klinisch signifikant eingeordnet wurden. Dies betrifft verschiedene Aspekte der psychischen Beeinträchtigungen der Beklagten, ist aber nicht widersprüchlich.

17 Letztlich zielt auch diese Verfahrensrüge auf die materielle Richtigkeit der Bemessungsentscheidung, indem sie geltend macht, die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten sich nicht in der Weise maßnahmemildernd auswirken dürfen, wie es das Berufungsgericht für angemessen gehalten habe. Welches rechtliche Gewicht das Disziplinargericht einem von ihm als entlastend angesehenen Umstand bei der Bemessungsentscheidung beimisst, ist aber - wie bereits ausgeführt - eine Frage des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts.

18 b) Die von der Beschwerde außerdem geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 70 SächsDG i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben.

19 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - juris Rn. 4, vom 22. Mai 2013 - 1 B 25.12 -‌ Buchholz 402.242 § 7 AufenthG Nr. 7 Rn. 3, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 -‌ Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 24. April 2017 - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3 und vom 20. Dezember 2023 - 2 B 19.23 - juris Rn. 16).

20 Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Aus der Beschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die Berufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des Berufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Januar 2012 - 2 B 113.11 - juris Rn. 6, vom 6. Oktober 2016 - 2 B 80.15 - juris Rn. 6 und vom 10. Januar 2024 - 2 B 16.23 - juris Rn. 8).

21 aa) Die Frage,
"ob es rechtmäßig ist, dass das Gericht sich über die überzeugenden Feststellungen eines psychiatrischen Gutachtens hinwegsetzen und aus dem Gutachteninhalt willkürlich eigene Schlüsse konstruieren kann, welche sodann als Entlastungsgründe mit einem ihnen nicht zukommenden Gewicht in die Bemessung einer Disziplinarklage eingestellt werden",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde; wie sich aus den obigen Ausführungen zur Verfahrensrüge ergibt, hat sich das Berufungsgericht weder über Feststellungen eines psychiatrischen Gutachtens hinweggesetzt noch aus dem Gutachteninhalt willkürlich eigene Schlüsse konstruiert.

22 Auch wenn man der formulierten Frage im Wege rechtsschutzfreundlicher Auslegung die Frage entnähme, mit welchem Gewicht unterhalb der Schwelle der §§ 20, 21 StGB liegende Einschränkungen in eine disziplinare Bemessungsentscheidung einfließen können, rechtfertigte dies nicht die Zulassung der Revision. Die Grundsätze zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme durch die Disziplinargerichte auf der Grundlage von § 13 SächsDG (entspricht § 13 BDG a. F.) sind - soweit sie in verallgemeinerungsfähiger Form formuliert werden können - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2024 - 2 B 19.24 - juris Rn. 9).

23 Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Hat der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, so ist er auf die vom Dienstherrn erhobene Disziplinarklage hin vom Gericht aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SächsDG).

24 Die Schwere des Dienstvergehens ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Kriterium für die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt. Bei einem strafbaren Verhalten des Beamten dient als Orientierung für die Schwere des Dienstvergehens der zum Tatzeitpunkt geltende Strafrahmen. Mit der gesetzlichen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens eines Beamten verbindlich zum Ausdruck gebracht. Diese gesetzliche Wertung ist Maßstab für die Beurteilung, in welchem Maß der Beamte durch sein strafbares Verhalten eine disziplinarrechtlich bedeutsame Schädigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes herbeigeführt hat. Sieht das Strafgesetz für die innerdienstlich unter Ausnutzung der Dienststellung begangene Verfehlung als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. März 2022 - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 11 m. w. N.).

25 Mit der Festlegung des Orientierungsrahmens wird lediglich die Bandbreite der für das konkrete Dienstvergehen in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahme in einem ersten Schritt bestimmt. Die weiteren Schritte zur Festlegung der Disziplinarmaßnahme, ob der Orientierungsrahmen ausgeschöpft oder innerhalb dieses Rahmens Abstufungen anzunehmen sind, betreffen Fragen des konkreten Einzelfalls und der dem Disziplinargericht aufgegebenen Würdigung sämtlicher be- und entlastenden Umstände. Dabei sind insbesondere die dem Beamten zur Last fallenden Umstände, die den Unrechtsgehalt der konkret begangenen Straftat kennzeichnen (Umstände der Tatbegehung als objektive sowie subjektive Handlungsmerkmale, Form und Gewicht der Schuld und die Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten) zu berücksichtigen und zu würdigen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. März 2022 - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 12 m. w. N.).

26 Zu den bei der Bemessungsentscheidung zu berücksichtigenden be- und entlastenden Umständen zählen auch gesundheitliche Beeinträchtigungen des Beamten im Tatzeitraum, die zwar nicht die hohen Anforderungen eines Eingangsmerkmals i. S. v. § 20 StGB erfüllen, die aber dennoch für die Kriterien des § 13 BDG relevant sind. Die in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten und "anerkannten" Milderungsgründe sind nicht als abschließender Kanon der allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 -‌ BVerwGE 124, 252 <262>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 ff., vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 - BVerwGE 174, 219 Rn. 46 und vom 20. April 2023 - 2 A 18.21 - NVwZ 2024, 165 Rn. 46).

27 bb) Die Frage,
"ob bei der Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens im Falle außerdienstlicher vorsätzlicher Straftaten von Polizeivollzugsbeamten der Höhe des Gesamtschadens insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommt, als bei deutlicher Überschreitung der bisher anerkannten Geringwertigkeitsgrenze und erschwerender äußerer Umstände wie auch erheblicher krimineller Energie bei der Tatbegehung gleichwohl auch eine Schadenshöhe im vierstelligen Bereich als im eher unteren Bereich zu qualifizieren ist und einen Milderungsgrund dahingehend darstellt, als die grundsätzliche angezeigte Höchstmaßnahme nunmehr nicht mehr verwirkt ist",
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie betrifft eine nicht in verallgemeinerungsfähiger Form zu beantwortende Frage der konkreten disziplinaren Maßnahmebemessung. Die bei der Bemessungsentscheidung generell zu beachtenden Grundsätze sind - wie bereits ausgeführt - in der Senatsrechtsprechung geklärt.

28 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Abs. 4 SächsDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus dem Gebührenverzeichnis ergibt (§ 79 Abs. 1 SächsDG i. V. m. der Anlage zu § 79 SächsDG).