Beschluss vom 09.01.2024 -
BVerwG 2 B 34.23ECLI:DE:BVerwG:2024:090124B2B34.23.0
Leitsatz:
Die Frist zur vollständigen Abfassung eines am Ende des Sitzungstages verkündeten Urteils bestimmt sich auch im Disziplinarklageverfahren nach § 117 Abs. 4 VwGO. § 275 Abs. 1 StPO findet keine Anwendung.
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Rechtsquellen
BDO § 25 Satz 1 BDG § 3 LDO M-V § 27 Satz 1 LDG M-V § 3 StPO § 275 Abs. 1 VwGO § 117 Abs. 4, § 138 Nr. 6 -
Instanzenzug
VG Greifswald - 02.07.2021 - AZ: 11 A 948/20 HGW
OVG Greifswald - 22.03.2023 - AZ: 10 LB 567/21.OVG
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 09.01.2024 - 2 B 34.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:090124B2B34.23.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 34.23
- VG Greifswald - 02.07.2021 - AZ: 11 A 948/20 HGW
- OVG Greifswald - 22.03.2023 - AZ: 10 LB 567/21.OVG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dr. Hissnauer
beschlossen:
- Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. März 2023 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Der Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches Disziplinarklageverfahren.
2 1. Der 1987 geborene Beklagte steht als Polizeiobermeister im Dienst des Klägers. Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten im Januar 2019 wegen Computerbetrugs im besonders schweren Fall in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg.
3 Nach den strafgerichtlichen Feststellungen nahm der Beklagte im Januar 2018 im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes in der Wohnung eines Verstorbenen dessen EC-Karte und eine Visitenkarte an sich, auf der mehrere PIN-Nummern notiert waren. Aufgrund erheblicher finanzieller Probleme entschloss sich der Beklagte, die EC-Karte zur Abhebung von Bargeldbeträgen vom Konto des Verstorbenen zu nutzen. Seinem Tatplan entsprechend hob er an den nachfolgenden Tagen insgesamt 1 990 € ab, die er für sich behielt.
4 In dem im Juni 2018 eingeleiteten und wegen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens vorübergehend ausgesetzten Disziplinarverfahren hat der Kläger im Juli 2020 Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
5 Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz am 22. März 2023 hat der Vorsitzende die Entscheidung verkündet, dass "[d]ie Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 02. Juli 2021 [...] zurückgenommen" wird. In der am 22. März 2023 auf der Geschäftsstelle eingegangenen schriftlich niedergelegten Urteilsformel lautet der Tenor: "Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 02. Juli 2021 wird zurückgewiesen."
6 Nach Hinweis des Klägers und Anhörung der Beteiligten haben der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin am 17. Juli 2023 das Protokoll entsprechend der schriftlich niedergelegten Urteilsformel unter Hinweis auf ein Schreibversehen berichtigt.
7 Das Urteil vom 23. März 2023 ist der Geschäftsstelle spätestens am 21. Juli 2023 übergeben worden. Zur Begründung hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ausgeführt, der Beklagte habe ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Seine Entfernung aus dem Dienst stelle die angemessene Disziplinarmaßnahme dar. Bei deren Bemessung müsse eine Wertung aller im Einzelfall erkennbaren be- und entlastenden Umstände erfolgen. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne dabei aus einer (vermeintlichen) Verwaltungspraxis des Klägers nichts abgeleitet werden.
8 2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 69 LDG M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 69 LDG M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
9 a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 69 LDG M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
10 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 6 und vom 14. Februar 2023 - 2 B 3.22 - juris Rn. 7). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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Die von der Beschwerde bezeichneten Fragen,
"ob in der hier angegriffenen Entscheidung keine Verbindlichkeit trotz Vergleichbarkeit besteht, widrigenfalls es sich um Willkürlichkeit handelt,"
und
"welche typisierbaren Gründe prinzipiell zu einer Mindergewichtung strafrechtlicher und somit auch disziplinarrechtlicher Vorwürfe führen müssen",
entziehen sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Sie zielen in der Sache auf die inhaltliche Richtigkeit der Erwägungen des Berufungsgerichts im Rahmen seiner Bemessungsentscheidung (§ 15 LDG M-V). Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist jedoch stets eine Frage der Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls (stRspr, BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 39; Beschlüsse vom 26. Oktober 2021 - 2 B 12.21 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 88 Rn. 8, vom 30. März 2022 - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 9 und vom 23. Juni 2022 - 2 B 53.21 - juris Rn. 8) und originäre Aufgabe des Disziplinargerichts (§ 60 Abs. 3 LDG M-V). Auf eine etwaige "Verwaltungspraxis" des Klägers käme es mithin nicht an.
12 Der Verweis auf die "typisierbaren Gründe" für eine "Mindergewichtung" rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Die Anforderungen an die "anerkannten" Milderungsgründe sind - soweit dies in verallgemeinerungsfähiger Form möglich ist - in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Soweit bei der Maßnahmebemessung darüber hinaus auch alle sonstigen be- und entlastenden Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen sind, bedarf es einer einzelfallbezogenen Würdigung, die eine rechtsgrundsätzliche Klärung nicht zulässt.
13 Abgesehen davon stellt die Beschwerde eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Straf- und dem Disziplinarrecht her ("Mindergewichtung strafrechtlicher und somit auch disziplinarrechtlicher Vorwürfe"), die wegen der unterschiedlichen Zwecke der beiden Rechtsmaterien nicht besteht. Denn während das Strafrecht vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt ist, ist Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 65; Beschlüsse vom 20. Dezember 2018 - 2 B 33.18 - juris Rn. 6 und vom 26. April 2023 - 2 B 41.22 - juris Rn. 15). Demnach trifft das Disziplinargericht, wie bereits ausgeführt, eine an den Umständen des Einzelfalls und von der strafgerichtlichen Strafzumessung unabhängige Bemessungsentscheidung.
14 b) Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen (§ 69 LDG M-V i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
15 aa) Der geltend gemachte Verstoß gegen § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO wegen verspäteter Absetzung des Urteils liegt nicht vor.
16 Nach § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln (§ 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwGO). Diesen Anforderungen hat das Berufungsgericht durch die noch am Tag der Verkündung erfolgte Übermittlung der schriftlich niedergelegten Urteilsformel an die Geschäftsstelle entsprochen. Dabei kommt dem Umstand, dass die im Protokoll zunächst festgehaltene von der verkündeten Urteilsformel abgewichen ist, keine rechtliche Bedeutung zu. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Verkündung wegen Verstoßes gegen wesentliche Formerfordernisse sind nicht ersichtlich und werden auch von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Die Unrichtigkeit des Protokolls war daher - wie geschehen - nach § 105 VwGO i. V. m. § 164 ZPO zu berichtigen.
17 Das Berufungsgericht hat das vollständig abgefasste Urteil auch alsbald i. S. d. § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nachträglich niedergelegt und an die Geschäftsstelle übermittelt.
18 Nach ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil (erst) als nicht mit Gründen versehen gilt, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Diese Fünf-Monats-Frist stellt zur Vermeidung von Fehlerinnerungen und zur Sicherung der Beurkundungsfunktion des Urteils die äußerste zeitliche Grenze für die Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle dar. Bei ihrer Überschreitung greift die Kausalitätsvermutung des § 138 Nr. 6 VwGO ein (vgl. GmS-OGB, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367; BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <47>; Beschlüsse vom 3. Mai 2004 - 7 B 60.04 - juris Rn. 4 und vom 29. September 2015 - 7 B 22.15 - juris Rn. 4).
19 Das vollständig abgefasste Urteil ist der Geschäftsstelle nach Aktenlage spätestens am 21. Juli 2023 und damit deutlich vor Ablauf der Fünf-Monats-Frist übermittelt worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerde gelten in Anlehnung an § 275 Abs. 1 StPO auch in Disziplinarklageverfahren keine kürzeren Fristen.
20 Nach § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Urteil unverzüglich zu den Akten zu bringen, wenn es mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden ist. Dies muss nach § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 StPO spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen. Aufgrund des in § 25 Satz 1 BDO enthaltenen allgemeinen Verweises auf die Strafprozessordnung galt § 275 StPO für Form und Frist der Urteilsabfassung in Verfahren nach der Bundesdisziplinarordnung entsprechend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1996 - 1 D 59.95 - Buchholz 235 § 78 BDO Nr. 1 S. 2; zur Fortgeltung in Verfahren nach der Wehrdisziplinarordnung vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO sowie BVerwG, Beschluss vom 28. August 2015 - 2 WD 10.15 - Buchholz 450.2 § 91 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 6).
21 Mit dem Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes hat der Gesetzgeber jedoch einen Paradigmenwechsel vollzogen, denn er hat das Disziplinarrecht verfahrensrechtlich von der Bindung an das Strafprozessrecht gelöst und stattdessen eng an das Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht angelehnt (BT-Drs. 14/4659 S. 33). Sinnfällig wird dies durch die Streichung des § 25 BDO und die zeitgleiche Einfügung der Verweisung in § 3 BDG auf die ergänzend anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf Regelungen der Strafprozessordnung wird nur noch punktuell in den Fällen verwiesen, in denen auf sie nicht verzichtet werden kann (BT-Drs. 14/4659 S. 34 f.; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 24. September 2009 - 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 Rn. 15 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 34). Diese Änderung hat auch der Landesgesetzgeber nachvollzogen (vgl. § 27 Satz 1 LDO M-V und § 3 LDG M-V). Für eine (analoge) Anwendbarkeit des § 275 StPO ist folglich kein Raum.
22 Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Entscheidung trotz Wahrung der Fünf-Monats-Frist gleichwohl als nicht mit Gründen versehen zu gelten hat (vgl. § 138 Nr. 6 VwGO), weil im vorliegenden Einzelfall besondere Umstände hinzukommen, die wegen des Zeitablaufs bereits bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Fällung des Urteils und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 Rn. 24; Beschlüsse vom 29. September 2015 - 7 B 22.15 - juris Rn. 5 und vom 14. August 2019 - 9 B 24.19 - juris Rn. 28).
23 Allein der Zeitablauf von fast vier Monaten zwischen mündlicher Verhandlung und Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle weckt hier keine Zweifel am Vorliegen des erforderlichen Zusammenhangs zwischen dem Ergehen des Urteils und der Wiedergabe des Beratungsergebnisses. Es ist offensichtlich, dass nach Hinweis der Klägerin im Mai 2023 auf die Unrichtigkeit des Protokolls erst dessen Berichtigung abgewartet werden sollte. Denn die Übergabe des Urteils an die Geschäftsstelle schloss sich der Berichtigung zeitlich unmittelbar an. Gegenteiliges zeigt auch die Beschwerde nicht auf. Sie leitet Zweifel lediglich daraus her, dass das Berufungsgericht bei der Bewertung des Vorliegens von Milderungsgründen nicht der Argumentation des Beklagten gefolgt ist und sich nicht mit jedem Aspekt seines Vortrags auseinandergesetzt hat.
24 bb) Sofern die Beschwerde der Sache nach (auch) eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Ein Gehörsverstoß liegt nicht vor.
25 Der Anspruch eines Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <367 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.> und Kammerbeschluss vom 28. August 2014 - 2 BvR 2639/09 - NVwZ 2015, 52 Rn. 47; BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2015 - 2 B 54.14 - juris Rn. 13). Dagegen vermitteln Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts auf Vorbringen eines Beteiligten nicht weiter eingeht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310>, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.> m. w. N.; BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2020 - 2 B 33.20 - Buchholz 303 § 404a ZPO Nr. 2 Rn. 5 m. w. N., vom 13. Januar 2021 - 2 B 21.20 - Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 11 Rn. 24 und vom 1. März 2023 - 2 B 33.22 - juris Rn. 9). Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gebietet dem Gericht zudem nicht, bei der Würdigung der Sach- und Rechtslage den Ansichten der Beteiligten zu folgen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. März 2010 - 2 B 12.10 - juris Rn. 2, vom 23. Februar 2017 - 2 B 10.16 - Buchholz 11 Art. 143b GG Nr. 14 Rn. 16 und vom 4. Juli 2022 - 2 B 5.22 - Buchholz 232.01 § 23 BeamtStG Nr. 4 Rn. 15). Bei alledem kommt es maßgeblich auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an; andernfalls kann die Entscheidung nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO "beruhen". An der Darlegung des Beruhens fehlt es, wenn die Beschwerde sich im Wesentlichen nicht mit dem Berufungsurteil auseinandersetzt, sondern an ihm vorbei argumentiert (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. März 2012 - 2 B 120.11 - juris Rn. 6, vom 14. Oktober 2015 - 2 B 62.14 - juris Rn. 5 und vom 6. Oktober 2016 - 2 B 80.15 - juris Rn. 12).
26 Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verletzt. Eine Auseinandersetzung mit dem Einwand des Beklagten, wonach seine Handlungen die Aufdeckung der Taten geradezu garantiert hätten, weil er die Bank jeweils mit offenem Gesicht in einer markanten Kleidung betreten habe, sodass das sofortige Wiedererkennen durch seine eigenen Kollegen absolut sicher gewesen sei, musste sich dem Berufungsgericht nicht aufdrängen. Es steht bereits im Widerspruch zu dessen tatsächlichen Feststellungen, wonach erst eine Anzeige der Tochter des Verstorbenen Ende März 2018 und die daraufhin veranlassten polizeilichen Ermittlungen zu einem Anfangsverdacht gegen den Beklagten führten. Von einer "Entdeckungsgarantie" und einem sofortigen Wiedererkennen durch Kollegen kann folglich keine Rede sein.
27 Ungeachtet dessen musste sich dem Berufungsgericht eine Befassung mit dem Einwand des Beklagten auch im Übrigen nicht aufdrängen. Selbst wenn man die Art und Weise der wiederholten Tatbegehung mit der Beschwerde als "außergewöhnlich" bezeichnen wollte, erschließt sich nicht, inwiefern hierin ein Umstand liegt, der zugunsten des Beklagten in die Bemessungsentscheidung einzustellen gewesen wäre. Zuletzt wird mit der Beschwerde auch ein "Beruhen" nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Vortrag "Das ist nicht Nichts!" reicht hierfür ebenso wenig aus wie die Auffassung, eine Berücksichtigung der hierin zum Ausdruck kommenden persönlichen Krisensituation hätte maßgeblichen Einfluss auf die Urteilsfindung gehabt.
28 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren nach § 77 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V Festgebühren erhoben werden.