Verfahrensinformation

Die erstinstanzlichen Klageverfahren beim Bundesverwaltungsgericht betreffen das Recht der Anlegung von Schienenwegen, konkret den Neubau der Schnellbahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe im Planfeststellungsabschnitt 1 von Hasselbrook bis Luetkensallee.


Die Kläger sind Eigentümer von im Planfeststellungsabschnitt 1 liegenden Grundstücken, die teilweise für die Durchführung der festgestellten Planung vorübergehend und auch dauerhaft in Anspruch genommen werden sollen (Enteignung) oder aber im Nahbereich des Planfeststellungsabschnittes liegen. Die Kläger wenden sich unter Berufung auf ihre Eigentumsbetroffenheiten und ihre Betroffenheiten durch Immissionen (Lärm, Erschütterungen usw.) aber auch mit Blick auf die zu errichtenden Lärmschutzwände und mit dem Vorhaben einhergehende Straßenverkehrsprobleme gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1.


Pressemitteilung Nr. 63/2021 vom 05.10.2021

Klagen gegen den Neubau der S-Bahnlinie S4 (Ost) in Hamburg erfolglos

Der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 zum Neubau der Eisenbahnstrecke 1249 Hamburg-Hasselbrook - Ahrensburg-Gartenholz, Bau-km 100,000 bis 103,114 (Planfeststellungsabschnitt 1), ist rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der S-Bahnlinie 4 in Hamburg, Planungsabschnitt 1. Die Deutsche Bahn plant den Bau der S-Bahnlinie 4 von Hamburg Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitten geplant, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.


Auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses sollen Grundstücke von Klägern dauerhaft oder bauzeitlich in Anspruch genommen werden. Die übrigen Kläger wenden sich gegen befürchtete Immissionen durch Lärm, Luftschadstoffe und Erschütterungen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Es hat erst- und letztinstanzlich über den streitigen Teil der S-Bahnlinie S4 entschieden. Der Neubau der Eisenbahnstrecke ist vom Begriff des Gr0ßknotens Hamburg im Bundesbedarfsplan gedeckt.


Der Planfeststellungsbeschluss weist keine Verfahrensfehler auf. Insbesondere waren alle notwendigen Unterlagen im Planfeststellungsverfahren bekannt gemacht worden. Die (gesetzliche) Planrechtfertigung für das Vorhaben liegt vor. Sie ist auf Entmischung des Nahverkehrs von anderen Eisenbahnverkehren und auf die baulichen Voraussetzungen für den angestrebten Fahrplantakt ausgerichtet. Die Auffassung der Kläger, der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verknüpfe Teile mehrerer Vorhaben (Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke, Erweiterung der Horner Verbindungskurve sowie die Verlängerung von Gleisen im Güterbahnhof Wandsbek) unzulässig zu einem Gesamtvorhaben, blieb ohne Erfolg. Die Verwirklichung der Teilziele ist erforderlich, um das Vorhaben als Teil des Großknotens Hamburg umsetzen zu können.


Da keine FFH-Gebiete im streitigen Planfeststellungsabschnitt oder dessen Einwirkungsbereich liegen, war nur ein vorläufiges positives Gesamturteil erforderlich, dass in den Folgeabschnitten, in denen sich FFH-Gebiete befinden, insoweit keine unüberwindbaren naturschutzrechtlichen Hindernisse bestehen. Eine plausible Einschätzung hierzu liegt vor. Der Schutz von Fledermäusen und anderen Tieren ist im Planfeststellungsverfahren ebenfalls hinreichend beachtet worden.


Die Abwägung mit planerischen Varianten zum Ausbau der Neubaustrecke ist rechtsfehlerfrei. Soweit eine Null-Variante geltend gemacht wurde, haben die Kläger nicht aufgezeigt, dass durch die Nutzung etwa schon bestehender Strecken und den Einbau von weiteren Weichen die planerischen Ziele hätten erreicht werden können. Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde gegen einen von den Klägern für eindeutig vorzugswürdig gehaltenen Neubau einer zweigleisigen Güterverkehrstrecke zwischen Hamburg und Lübeck entlang der Bundesautobahn 1 ("Variante A1") ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Diese Variante würde ein anderes Vorhaben (Aliud) betreffen, so dass von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden kann.


Soweit eine fehlerhafte Planung der Horner Verbindungskurve beanstandet wurde, hat die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss die Erforderlichkeit des zweigleisigen Ausbaus der Kurve für das Vorhaben und seine Eignung, die entstehenden Verkehre zu bewältigen, plausibel dargelegt. Zudem haben die Kläger die der Planung zugrundeliegenden Verkehrsprognosen nicht erschüttert; dies gilt auch für die Prognosen hinsichtlich des Fahrgastaufkommens an den neu geplanten Haltepunkten. Schließlich war der geplante Bau von Wendehämmern an einer von dem Vorhaben berührten Straße rechtlich nicht zu beanstanden.


BVerwG 7 A 13.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021

BVerwG 7 A 14.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021

BVerwG 7 A 16.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021

BVerwG 7 A 17.20 - Urteil vom 05. Oktober 2021


Beschluss vom 28.10.2020 -
BVerwG 7 VR 2.20ECLI:DE:BVerwG:2020:281020B7VR2.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.10.2020 - 7 VR 2.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:281020B7VR2.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 VR 2.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Oktober 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 im Hinblick auf die zugelassene Fällung der vom planfestgestellten Vorhaben beanspruchten Bäume wird abgelehnt.
  2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragstellerinnen zu 1 und 2 jeweils die Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben zum "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe, Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek", soweit die Fällung der vom planfestgestellten Vorhaben beanspruchten Bäume zugelassen worden ist. Sie beantragen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage, hilfsweise, der Beigeladenen im Wege einer Zwischenentscheidung das Fällen der Bäume zu untersagen, bis der Senat über den Aussetzungsantrag entschieden hat.

2 Die Antragstellerin zu 1 ist Eigentümerin eines Grundstücks, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wandsbeker Gehölz liegt. Im Wandsbeker Gehölz will die Beigeladene ca. 120 Bäume fällen. Das Grundstück der Antragstellerin zu 1 soll in einem Umfang von 13 m² für den Bau einer Haltestelle und zusätzlich während der Bauzeit in einem Umfang von 69 m² für die Anlage einer Baustraße in Anspruch genommen werden. Das Grundstück der Antragstellerin zu 2 soll (u.a.) im Umfang von 333 m² während der Bauzeit für die Anlegung einer Baustraße und im Umfang von 251 m² dauerhaft durch eine dingliche Sicherung für das Setzen und Verbleiben von Erdankern in Anspruch genommen werden.

II

3 1. Der Antrag ist zulässig.

4 1.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der Neubau der S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe ist im Bundesverkehrswegeplan als Teilmaßnahme des Knotens Hamburg aufgeführt und näher beschrieben. Der Knoten Hamburg ist seinerseits in der Anlage zu § 1 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221) - Bedarfsplan für die Bundesschienenwege - unter Nr. 39 als "Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den VB aufsteigen können" ausgewiesen. Durch die am 5. November 2018 bekanntgegebene Entscheidung des Bundesverkehrsministers über die Bewertung der Schienenausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs ist er in den vordringlichen Bedarf aufgestiegen und Teil des in der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG unter Nr. 41 und gleichzeitig im Bedarfsplan für Bundesschienenwege in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf Großknoten Hamburg ausgewiesen geworden. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist daher nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft gesetzlicher Anordnung sofort vollziehbar.

5 1.2. Die Antragstellerinnen sind als Eigentumsbetroffene antragsbefugt. Teile von deren Grundstücken sollen für das planfestgestellte Vorhaben dauerhaft bzw. zumindest vorübergehend in Anspruch genommen werden. Als Grundstückseigentümer können sie geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6).

6 2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

7 2.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

8 In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N. sowie vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9).

9 Bei der Gewichtung der einander gegenüberstehenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber ausweislich des § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG dem Vollzugsinteresse - und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen - erhebliches Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

10 Vorliegend sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. Zum einen verträgt die Entscheidung über den Antrag keinen Aufschub. Zum anderen werden von den Antragstellerinnen Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

11 Die Entscheidung über den Antrag ist dringlich. Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot, das sich aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit - und damit zugunsten der unverzüglichen Umsetzung - von Planfeststellungsbeschlüssen für den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, für die - wie hier - nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ein vordringlicher Bedarf festgestellt ist, ergibt. Zudem ergibt sich eine besondere Eilbedürftigkeit daraus, dass zur Baufeldfreimachung die Beigeladene Rodungsarbeiten durchführen muss, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen. Falls die vorgesehenen Rodungsarbeiten nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind, hätte dies eine deutliche Verzögerung der Umsetzung des Vorhabens von einem Jahr zur Folge.

12 Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses stellen sich zudem Sach- und Rechtsfragen, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden können. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die von den Antragstellerinnen gerügte fehlende Planrechtfertigung und die geltend gemachten Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften und gegen das Abwägungsgebot, weil das Vorhaben ohne Prüfung sich aufdrängender Alternativen planfestgestellt worden sei. Die Antragstellerinnen haben hierbei als unmittelbar Eigentumsbetroffene grundsätzlich einen Anspruch auf vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses.

13 2.2. Das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen überwiegen das Suspensivinteresse der Antragstellerinnen. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit ist hierfür maßgeblich, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener eintreten. Vollendete Tatsachen werden nicht geschaffen. Sollten sich die bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache durchgeführten bauvorbereitenden Maßnahmen bzw. Baumaßnahmen als rechtswidrig erweisen, ließen sich die eingetretenen Folgen im Wege des Rückbaues und der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen.

14 Dem steht nicht entgegen, dass nach einer Wiederbepflanzung gerodeter Flächen vor dem Erreichen des ursprünglichen Zustands Neuanpflanzungen zunächst noch eine Anwachsphase durchlaufen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 15). Der Gesetzgeber setzt Ausgleich und Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG) nicht mit einer Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinne gleich. Vielmehr nimmt er im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustands hin, weil es auf der Hand liegt, dass etwa ein ausgewachsener Baum erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - juris Rn. 149 m.w.N. [insoweit in BVerwGE 145, 40 nicht abgedruckt]). Für eine Rückgängigmachung von Eingriffen in Natur und Landschaft kann nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch für die Rückgängigmachung von etwaigen Eingriffen in Hausgärten. Soweit die Antragstellerinnen geltend machen, bei einigen der zu fällenden Bäume handele es sich um naturschutzfachlich wertvolle große Stieleichen, die sich unter heutigen klimatischen Bedingungen nicht mehr zu gleicher Größe entwickeln würden, haben die Antragstellerinnen keine Unumkehrbarkeit von Beeinträchtigungen substantiiert dargelegt. Zwar hat die Behörde für Umwelt und Energie in ihrer Stellungnahme im Erörterungstermin vom 13. Juni 2018 geäußert, alte Bäume könnten heute nicht mehr in Hamburg entstehen, weil es sich um Relikte handele. Allerdings ist die gleiche Behörde in ihren Stellungnahmen vom 25. August 2017 und vom 13. Dezember 2019 ohne Weiteres von einer Kompensationsmöglichkeit ausgegangen. So verhält es sich auch mit den Einzelbaumbewertungen des planfestgestellten landschaftspflegerischen Begleitplans. Die Vorhabenträgerin hat darüber hinaus bei einem öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen zwei Gutachten zur Inanspruchnahme des wertvollen Bewuchses im Wandsbeker Gehölz in Auftrag gegeben, die insbesondere zum Zustand und zur Erhaltungsmöglichkeit der von der Baustraßenerstellung betroffenen Bäume Stellung nehmen. Im Ergebnis der Begutachtung wird die Vorhabenträgerin bestimmte Schutzmaßnahmen treffen und bei ihrer Ausführungsplanung prüfen, inwieweit durch eine Anpassung der Baustraßen eine weitere Verminderung der Inanspruchnahmen möglich ist (PFB, S. 343).

15 Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Senats in der Hauptsache voraussichtlich im Jahr 2021 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen soll, ist vor der Entscheidung über die erhobene Klage auch mit keinen dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Antragstellerinnen zu rechnen.

16 Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung.

17 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 28.10.2020 -
BVerwG 7 VR 3.20ECLI:DE:BVerwG:2020:281020B7VR3.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.10.2020 - 7 VR 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:281020B7VR3.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 VR 3.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Oktober 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 wird abgelehnt.
  2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller zu 13 und zu 23 bis 27 - diese als Gesamtschuldner - jeweils 4/26, der Antragsteller zu 28 2/26 und die Antragsteller zu 1, zu 2 bis 5 - diese als Gesamtschuldner -, zu 6 bis 12, zu 14 und 15, zu 16 und 17 - diese als Gesamtschuldner -, zu 18 bis 20 sowie die Antragsteller zu 21 und 22 - diese als Gesamtschuldner - jeweils 1/26.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 195 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe, Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek". Sie beantragen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage, hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Klage bis zur Entscheidung des Senats über den Aussetzungsantrag vorläufig anzuordnen.

2 Der Antragsteller zu 1 ist Eigentümer des ehemaligen Bahnhofs X. Die vorhandene Verkehrsstation X. soll im Zuge des Neubauvorhabens wegfallen und die Bahnsteige sollen aufgenommen werden. Die Hausgrundstücke der Antragsteller zu 2 bis 6 liegen ebenfalls im Planungsabschnitt 1; sie machen ihre Lärmbetroffenheit geltend. Die Grundstücke der weiteren Antragsteller liegen im Bereich des Planungsabschnitts 2. Der Antragsteller zu 28 ist eine vom Land Schleswig-Holstein anerkannte Naturschutzvereinigung.

3 Mit ihrer Klage (BVerwG 7 A 13.20 ) begehren die Antragsteller die Aufhebung, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

II

4 1. Der Antrag hat keinen Erfolg.

5 1.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Für das Vorhaben ist nach § 1 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221), in Verbindung mit Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 25 der Anlage zu § 1 BSWAG der vordringliche Bedarf festgestellt.

6 1.2. Der Antragsteller zu 1 ist als Eigentumsbetroffener antragsbefugt. Teile seines Grundstücks sollen für das planfestgestellte Vorhaben dauerhaft bzw. zumindest vorübergehend in Anspruch genommen werden. Als Grundstückseigentümer kann er geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in seinen Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6). Die Antragsteller zu 2 bis 6 sind als Lärmbetroffene gleichfalls antragsbefugt. Sie können die Verletzung gerade sie schützender Normen des materiellen und des Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer geschützten Privatbelange rügen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 92).

7 Ob hingegen die Antragsteller zu 7 bis 27, die von der Umsetzung des verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses zum Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee nicht betroffen sind, ebenfalls antragsbefugt sind, ist zweifelhaft. Sie berufen sich auf eine Vorfestlegung hinsichtlich der nachfolgenden Planfeststellungsabschnitte 2 und machen geltend, es werde ein Zwangspunkt geschaffen, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen müsse, dass sie in ihren Rechten betroffen würden. Deshalb könnten sie entsprechenden effektiven Rechtsschutz vor der Schaffung vollendeter Tatsachen beanspruchen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 21). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Senat allerdings nicht entscheiden, weil die Aussetzungsanträge jedenfalls nicht begründet sind.

8 Aus diesem Grund kann der Senat auch die Frage offenlassen, ob der Antragsteller zu 28 als anerkannte Naturschutzvereinigung unabhängig von der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten antragsbefugt ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Zwar ist der satzungsgemäße Aufgabenbereich geographisch nicht beschränkt. Der Antragsteller zu 28 ist aber als Naturschutzvereinigung vom Land Schleswig-Holstein anerkannt worden. Nach § 3 Abs. 3 UmwRG richtet sich die Zuständigkeit für die Anerkennung der Vereinigungen nach deren geographischem Tätigkeitsbereich. Ob eine Vereinigung, die von einer Landesbehörde anerkannt wurde, eine erneute Anerkennung benötigt, wenn sie ihren Tätigkeitsbereich über die Landesgrenzen hinaus ausweitet (vgl. Bunge, UmwRG, 2. Aufl. 2019, § 3 Rn. 82), also hier hinsichtlich eines Tätigkeitsbereichs im Hamburger Stadtgebiet, ist höchstgerichtlich noch nicht geklärt. Eine Antragsbefugnis aus § 64 Abs. 1 BNatSchG für eine naturschutzrechtliche Vereinigungsklage scheidet aus, weil im Anwendungsbereich von Zulassungsentscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 UmwRG ausschließlich das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anzuwenden ist, nicht aber § 64 BNatSchG; § 64 Abs. 1 BNatSchG stellt dies ebenfalls klar (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand Februar 2020, § 1 Rn. 157 UmwRG).

9 2. Der Antrag ist hinsichtlich aller Antragsteller nicht begründet.

10 2.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

11 In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N. sowie vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9).

12 Bei der Gewichtung der einander gegenüberstehenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber ausweislich des § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG dem Vollzugsinteresse - und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen - erhebliches Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

13 Vorliegend sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. Zum einen verträgt die Entscheidung über den Antrag keinen Aufschub. Zum anderen werden von den Antragstellern Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

14 Die Entscheidung über den Antrag ist dringlich. Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot, das sich aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit - und damit zugunsten der unverzüglichen Umsetzung - von Planfeststellungsbeschlüssen für den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, für die - wie hier - nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ein vordringlicher Bedarf festgestellt ist, ergibt. Zudem ergibt sich eine besondere Eilbedürftigkeit daraus, dass zur Baufeldfreimachung die Beigeladene Rodungsarbeiten durchführen muss, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen. Falls die vorgesehenen Rodungsarbeiten nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind, hätte dies eine deutliche Verzögerung der Umsetzung des Vorhabens von einem Jahr zur Folge.

15 Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses stellen sich zudem Sach- und Rechtsfragen, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden können. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die von den Antragstellern geltend gemachten Verfahrensfehler, die gerügte fehlende Planrechtfertigung und die geltend gemachten Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften und gegen das Abwägungsgebot, insbesondere die Alternativenprüfung.

16 2.2. Das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen überwiegen das Suspensivinteresse der Antragsteller. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit ist hierfür maßgeblich, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener eintreten. Vollendete Tatsachen werden nicht geschaffen. Sollten sich die bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache durchgeführten bauvorbereitenden Maßnahmen bzw. Baumaßnahmen als rechtswidrig erweisen, ließen sich die eingetretenen Folgen im Wege des Rückbaues und der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen.

17 Dem steht nicht entgegen, dass nach einer Wiederbepflanzung gerodeter Flächen vor dem Erreichen des ursprünglichen Zustands Neuanpflanzungen zunächst noch eine Anwachsphase durchlaufen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 15). Der Gesetzgeber setzt Ausgleich und Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG) nicht mit einer Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinne gleich. Vielmehr nimmt er im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustands hin, weil es auf der Hand liegt, dass etwa ein ausgewachsener Baum erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - juris Rn. 149 m.w.N. [insoweit in BVerwGE 145, 40 nicht abgedruckt]). Für eine Rückgängigmachung von Eingriffen in Natur und Landschaft kann nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch für die Rückgängigmachung von etwaigen Eingriffen in Hausgärten.

18 Soweit die Antragsteller geltend machen, im Bereich des "Wandsbeker Gehölz" solle eine große Fläche mit einem alten Baumbestand des früheren Wandsbeker Schlossparks, der artenschutzrechtlich von besonderer Bedeutung sei, für die Baustelleneinrichtung freigemacht werden, trifft dies zwar zu. Der Vorhabenträger hat aber die Bedeutung des Baumbestandes im Wandsbeker Gehölz für verschiedene Fledermausarten erkannt und ist insoweit von einem Teillebensraumverlust ausgegangen. Für die Verluste an Quartierstandorten werden Ersatzstandorte geschaffen. Zur Vermeidung von Tötungen bei der Baufeldfreimachung hat die Vorhabenträgerin eine Quartierkontrolle vor Baubeginn und eine Bauzeitenregelung als Vermeidungsmaßnahmen angeordnet (PFB, S. 171). Abgesehen davon könnten sich die Antragsteller schon deswegen nicht auf Defizite beim Artenschutzrecht berufen, weil auch die Ansprüche der von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses Betroffenen auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit des Plans Einschränkungen unterliegen. Eine Anfechtungsklage auch von Eigentumsbetroffenen kann keinen Erfolg haben, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Eigentumsbetroffenheit nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn behauptete naturschutzrechtliche Mängel des Beschlusses durch schlichte Planergänzung behoben werden können (BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24 und vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 383 Rn. 16).

19 Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Senats in der Hauptsache voraussichtlich im Jahr 2021 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen soll, ist vor der Entscheidung über die erhobene Klage auch mit keinen dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Antragsteller zu rechnen.

20 Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung.

21 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 29.10.2020 -
BVerwG 7 VR 6.20ECLI:DE:BVerwG:2020:291020B7VR6.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.10.2020 - 7 VR 6.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:291020B7VR6.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 VR 6.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Oktober 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 wird abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe, Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek". Sie begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

2 Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines parkähnlichen unter anderem mit wertvollen Rotbuchen bestandenen von ihr selbst zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks, das an die vorhandene Trasse angrenzt. Sie macht geltend, ihr Eigentum werde in unverhältnismäßigem Umfang bauzeitlich und dauerhaft in Anspruch genommen; unwiederbringlicher Bewuchs ginge verloren.

3 Mit ihrer Klage (BVerwG 7 A 16.20 ) begehrt die Antragstellerin die Aufhebung, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

II

4 1. Der Antrag ist zulässig.

5 1. 1. Die Antragstellerin ist als Eigentumsbetroffene antragsbefugt. Teile ihres Grundstücks sollen für das planfestgestellte Vorhaben dauerhaft bzw. zumindest vorübergehend in Anspruch genommen werden. Als Grundstückseigentümerin kann sie geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6).

6 1.2. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der Neubau der S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe ist im Bundesverkehrswegeplan als Teilmaßnahme des Knotens Hamburg aufgeführt und näher beschrieben. Der Knoten Hamburg ist seinerseits in der Anlage zu § 1 Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221) - Bedarfsplan für die Bundesschienenwege - unter Nr. 39 als "Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den VB aufsteigen können" ausgewiesen. Durch die am 5. November 2018 bekanntgegebene Entscheidung des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (Bundesverkehrsministeriums) über die Bewertung der Schienenausbauvorhaben des potenziellen Bedarfs ist er in den vordringlichen Bedarf aufgestiegen und Teil des in der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG unter Nr. 41 und gleichzeitig im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Großknotens Hamburg geworden.

7 1.3. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft gesetzlicher Anordnung sofort vollziehbar. Danach hat die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, für die nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz vordringlicher Bedarf festgestellt ist, keine aufschiebende Wirkung. Das Vorhaben ist - wie gezeigt - im Bundesbedarfsplan in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesen.

8 2. Der Antrag ist nicht begründet.

9 2.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

10 In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N. sowie vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9).

11 Bei der Gewichtung der einander gegenüberstehenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber ausweislich des § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG dem Vollzugsinteresse - und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen - erhebliches Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

12 Vorliegend sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. Zum einen verträgt die Entscheidung über den Antrag keinen Aufschub. Zum anderen werden in diesem Verfahren Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

13 Die Entscheidung über den Antrag ist dringlich. Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot, das sich aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit - und damit zugunsten der unverzüglichen Umsetzung - von Planfeststellungsbeschlüssen für Bauvorhaben des vordringlichen Bedarfs ergibt. Zudem folgt eine besondere Eilbedürftigkeit daraus, dass zur Baufeldfreimachung die Beigeladene Rodungsarbeiten durchführen muss, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen. Falls die vorgesehenen Rodungsarbeiten nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind, hätte dies eine deutliche Verzögerung der Umsetzung des Vorhabens von einem Jahr zur Folge. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses stellen sich zudem Sach- und Rechtsfragen, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden können.

14 2.2. Das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen überwiegen das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit ist hierfür maßgeblich, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener eintreten. Vollendete Tatsachen werden nicht geschaffen. Sollten sich die bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache durchgeführten bauvorbereitenden Maßnahmen bzw. Baumaßnahmen als rechtswidrig erweisen, ließen sich die eingetretenen Folgen im Wege des Rückbaues und der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen. Entsprechendes gilt für die bei der Antragstellerin vorgesehenen dauerhaften Inanspruchnahmen.

15 Dem steht nicht entgegen, dass nach einer Wiederbepflanzung gerodeter Flächen vor dem Erreichen des ursprünglichen Zustands Neuanpflanzungen zunächst noch eine Anwachsphase durchlaufen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 15). Der Gesetzgeber setzt Ausgleich und Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG) nicht mit einer Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinne gleich. Vielmehr nimmt er im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustands hin, weil es auf der Hand liegt, dass etwa ein ausgewachsener Baum erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - juris Rn. 149 m.w.N. [insoweit in BVerwGE 145, 40 nicht abgedruckt]). Für eine Rückgängigmachung von Eingriffen in Natur und Landschaft kann nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch für die Rückgängigmachung von etwaigen Eingriffen in Hausgärten.

16 Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf den wertvollen alten Baumbestand auf ihrem Grundstück die diesbezüglichen Anordnungen im Planfeststellungsbeschluss als unzureichend rügt, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie sie selbst ausführt, hat die Beigeladene eigens für die auf ihrem Grundstück stehenden Rotbuchen durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen ein Gutachten erstellen lassen, das die Erhaltungsmöglichkeit bei Erstellung einer Baustraße in deren Schutzbereich geprüft hat (PFB, S. 342). Die daraufhin in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommenen Auflagen A.4.26.3 PFB, S. 92) stellen in ausreichender Weise sicher, dass vor Beginn der Bauausführungen geprüft wird, ob im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin Anpassungen an der Lage oder dem Umfang der Baustraße vorzunehmen sind. In der Auflage kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Beigeladene vor dieser Prüfung keinerlei Maßnahmen, auch keine bauvorbereitenden Maßnahmen, ergreifen darf, die die Rotbuche Nr. 5 gefährden könnten. Entsprechendes gilt für die angeordneten Standortverbesserungsmaßnahmen. Die weitere Rüge, der Planfeststellungsbeschluss habe sich nicht zu Rotbuche Nr. 4 verhalten, greift ebenfalls nicht durch. Aus dem genannten Gutachten ergibt sich, dass dieser Baum nicht erhalten werden kann, da er auf der Trasse der vorgesehenen Baustraße steht. Dies erschließt sich auch aus der planfestgestellten Unterlage 10.5. des Baustelleneinrichtungs- und -erschließungsplans. Daraus wird deutlich, dass angesichts der örtlichen Verhältnisse eine den Erhalt dieses Baumes sichernde Anpassung der Baustraße ausgeschlossen ist. Das dürfte selbst bei einer deutlichen Reduktion der Breite der Baustraße der Fall sein, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Breite der Straße erheblich reduziert werden könnte. Sie ist ersichtlich so konzipiert, einen Begegnungsverkehr von Baufahrzeugen zu ermöglichen.

17 Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Senats in der Hauptsache voraussichtlich im Jahr 2021 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen soll, ist vor der Entscheidung über die erhobene Klage auch mit keinen dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Antragstellerin zu rechnen. Entsprechendes gilt für die vorgesehene dauerhafte Inanspruchnahme eines Teils ihres Grundstücks für die Anlage eines Wendehammers.

18 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 29.10.2020 -
BVerwG 7 VR 7.20ECLI:DE:BVerwG:2020:291020B7VR7.20.1

Vorhaben des potenziellen Bedarfs

Leitsatz:

Der Aufstieg eines Eisenbahnvorhabens des potenziellen Bedarfs in den vordringlichen Bedarf kann durch eine auf der Internetseite des Bundesverkehrsministeriums dokumentierte und abrufbare Bekanntmachung verlautbart werden (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2).

  • Rechtsquellen
    AEG § 18e
    VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 80 Abs. 5
    BSWAG Anlage zu § 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.10.2020 - 7 VR 7.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:291020B7VR7.20.1]

Beschluss

BVerwG 7 VR 7.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Oktober 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Feststellung, hilfsweise auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 wird abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Antragsteller zu 1 und die Antragsteller zu 2 und 3 - diese als Gesamtschuldner - je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe, Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek". Sie beantragen die Feststellung, dass ihre hiergegen erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat, hilfsweise begehren sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

2 Die Antragsteller sind Eigentümer von im Planungsabschnitt 1 liegenden selbstgenutzten Wohngrundstücken, die an die vorhandene Trasse angrenzen. Sie machen insbesondere gesundheitsbedingte Beeinträchtigungen durch Lärm während der Bauphase und den Verlust von wertvollem Baumbestand durch die Baustelleneinrichtung geltend.

3 Mit ihrer Klage (BVerwG 7 A 17.20 ) begehren die Antragsteller die Aufhebung, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

II

4 1. Der Antrag ist zulässig.

5 1. 1. Die Antragsteller zu 2 und 3 sind als Eigentumsbetroffene antragsbefugt. Teile ihres Grundstücks sollen für das planfestgestellte Vorhaben dauerhaft bzw. zumindest vorübergehend in Anspruch genommen werden. Als Grundstückseigentümer können sie geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6). Der Antragsteller zu 1 ist als Lärmbetroffener gleichfalls antragsbefugt. Er kann die Verletzung gerade ihn schützender Normen des materiellen und des Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung seiner geschützten Privatbelange rügen (etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 92).

6 1.2. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der Neubau der S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe ist im Bundesverkehrswegeplan als Teilmaßnahme des Knotens Hamburg aufgeführt und näher beschrieben. Der Knoten Hamburg ist seinerseits in der Anlage zu § 1 Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221) - Bedarfsplan für die Bundesschienenwege - unter Nr. 39 als "Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den VB aufsteigen können" ausgewiesen. Durch die am 5. November 2018 bekanntgegebene Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (Bundesverkehrsministeriums) über die Bewertung der Schienenausbauvorhaben des potenziellen Bedarfs ist er in den vordringlichen Bedarf aufgestiegen und Teil des in der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG unter Nr. 41 und gleichzeitig im Bedarfsplan für Bundesschienenwege in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Großknotens Hamburg geworden.

7 Entgegen der von den Antragstellern vorgebrachten Zweifel, stellt die Bekanntgabe der "Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs" vom 5. November 2018 durch das Bundesverkehrsministerium eine hinreichende Verlautbarung der Aufnahme in den vordringlichen Bedarf dar (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2). Eine Veröffentlichung in einem Amtsblatt oder auf ähnliche Weise ist auch im Hinblick auf die Bedeutung der Entscheidung für den gerichtlichen Rechtsschutz nicht erforderlich. Es genügt insoweit jede Form der Verlautbarung, die eine sichere Kenntniserlangung der Öffentlichkeit ermöglicht. Das ist hier der Fall. Die Entscheidung ist auf der Internetseite des Bundesverkehrsministeriums dokumentiert und im Volltext abrufbar.

8 1.3. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft gesetzlicher Anordnung sofort vollziehbar. Danach hat die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Bau oder die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, für die nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz vordringlicher Bedarf festgestellt ist, keine aufschiebende Wirkung. Das Vorhaben ist - wie gezeigt - im Bundesbedarfsplan in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesen.

9 2. Der Antrag ist nicht begründet.

10 2.1. Der auf die Feststellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Hauptantrag bleibt ohne Erfolg, da der Planfeststellungsbeschluss ein Vorhaben des vordringlichen Bedarfs betrifft und die Klage daher keine aufschiebende Wirkung hat.

11 2.2. Auch der Hilfsantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bleibt ohne Erfolg. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

12 In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N. sowie vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9).

13 Bei der Gewichtung der einander gegenüberstehenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber ausweislich des § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG dem Vollzugsinteresse - und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen - erhebliches Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

14 Auch der Umstand, dass es sich bei dem angegriffenen Abschnitt um den letzten und kürzesten Abschnitt des Gesamtvorhabens handelt, ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht geeignet, das gesetzlich angeordnete Vollzugsinteresse zu vermindern. Die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein planerisches Gesamtkonzept angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, häufig nur in Teilabschnitten verwirklicht werden kann. Die Planfeststellungsbehörde verfügt dabei über ein planerisches Ermessen, in das sie unter anderem Gesichtspunkte einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung einbeziehen kann (zuletzt BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 64 zur Abschnittsbildung im Straßenrecht). Dass sie die Grenzen dieses Ermessens überschritten hätte, ist nicht erkennbar. Dies folgt insbesondere nicht daraus, dass der Abschnitt 1 seine (volle) Verkehrsfunktion erst mit der Fertigstellung weiterer Abschnitte und Vorhaben erlangt. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt, dass eine Abschnittsbildung im Eisenbahnrecht - anders als im Recht des Baus von Fernstraßen - nicht voraussetzt, dass jedem Planfeststellungsabschnitt eine eigenständige Verkehrsfunktion zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1995 - 11 VR 6.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8 S. 26 und vom 9. September 2013 - 7 B 2.13 - juris Rn. 12).

15 Vorliegend sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. Zum einen verträgt die Entscheidung über den Antrag keinen Aufschub. Zum anderen werden von den Antragstellern Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

16 Die Entscheidung über den Antrag ist dringlich. Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot, das sich aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit - und damit zugunsten der unverzüglichen Umsetzung - von Planfeststellungsbeschlüssen für Bauvorhaben des vordringlichen Bedarfs ergibt. Zudem folgt eine besondere Eilbedürftigkeit daraus, dass zur Baufeldfreimachung die Beigeladene Rodungsarbeiten durchführen muss, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen. Falls die vorgesehenen Rodungsarbeiten nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind, hätte dies eine deutliche Verzögerung der Umsetzung des Vorhabens von einem Jahr zur Folge.

17 Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses stellen sich zudem Sach- und Rechtsfragen, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden können. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die von den Antragstellern geltend gemachten Verfahrensfehler, die gerügte fehlende Planrechtfertigung und die geltend gemachten Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften und gegen das Abwägungsgebot, insbesondere die Alternativenprüfung.

18 2.3. Das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen überwiegen das Suspensivinteresse der Antragsteller. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit ist hierfür maßgeblich, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener eintreten. Vollendete Tatsachen werden nicht geschaffen. Sollten sich die bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache durchgeführten bauvorbereitenden Maßnahmen bzw. Baumaßnahmen als rechtswidrig erweisen, ließen sich die eingetretenen Folgen im Wege des Rückbaues und der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen. Entsprechendes gilt für die bei den Antragstellern zu 2 und 3 vorgesehenen dauerhaften Inanspruchnahmen.

19 Dem steht nicht entgegen, dass nach einer Wiederbepflanzung gerodeter Flächen vor dem Erreichen des ursprünglichen Zustands Neuanpflanzungen zunächst noch eine Anwachsphase durchlaufen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 15). Der Gesetzgeber setzt Ausgleich und Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG) nicht mit einer Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinne gleich. Vielmehr nimmt er im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustands hin, weil es auf der Hand liegt, dass etwa ein ausgewachsener Baum erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - juris Rn. 149 m.w.N. [insoweit in BVerwGE 145, 40 nicht abgedruckt]). Für eine Rückgängigmachung von Eingriffen in Natur und Landschaft kann nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch für die Rückgängigmachung von etwaigen Eingriffen in Hausgärten.

20 Auch die Lärmbelästigungen während der Bauphase rechtfertigen nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Die Antragsgegnerin hat durch umfangreiche Auflagen sichergestellt, dass durch die baubedingten Lärmimmissionen unzumutbare Belastungen der Anwohner vermieden werden. Neben der Anordnung der Geltung der AVV Baulärm sind weitere vom Vorhabenträger zu treffende Schallschutzmaßnahmen, insbesondere bei der Einrichtung der Baustellen und der Durchführung der Bauarbeiten, in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen worden (PFB, A.4.10.1.2). Um sicherzustellen, dass die Auflagen eingehalten werden, hat die Vorhabenträgerin regelmäßige Baustellenkontrollen vorzunehmen und einen unabhängigen Sachverständigen als Baulärmverantwortlichen zu bestellen (PFB, A.4.10.1.4). Schließlich ist der Vorhabenträger verpflichtet, ein akustisches Baustellenmonitoring zur Ermittlung der in der Nachbarschaft zu erwartenden baubedingten Lärmimmissionen einzurichten und zu betreiben (PFB, A.4.10.1.6). Anwohner, bei denen das Baustellenmonitoring Beurteilungspegel tags von mehr als 70 dB(A) bezogen auf Wohnräume und nachts von mehr als 60 dB(A) auf Schlafräume ergibt, können die Bereitstellung von Ersatzwohnraum verlangen (PFB, A.4.10.1.7.). Unterhalb dieser Beurteilungspegel stehen den Anwohnern, gestaffelt nach Höhe, Zeitpunkt und Dauer der Überschreitung, Entschädigungsansprüche in Geld zu. Damit sind bei der hier allein möglichen überschlägigen Prüfung unzumutbare Lärmbelästigungen während der Bauphase nicht zu erwarten.

21 Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Senats in der Hauptsache voraussichtlich im Jahr 2021 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen soll, ist vor der Entscheidung über die erhobene Klage auch mit keinen dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Antragsteller zu rechnen.

22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 und 2 i.V.m. § 100 Abs. 1 und 4 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 11.11.2020 -
BVerwG 7 VR 5.20ECLI:DE:BVerwG:2020:111120B7VR5.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.11.2020 - 7 VR 5.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:111120B7VR5.20.0]

Beschluss

BVerwG 7 VR 5.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. November 2020
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, hilfsweise im Wege einer Zwischenverfügung auf Wiederherstellung, hilfsweise auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 wird abgelehnt.
  2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller zu 1, 2, 3 und 10 je 1/16, die Antragsteller zu 7 und 11 sowie 4 bis 6 - diese als Gesamtschuldner - je 2/16 und die Antragsteller zu 8 und 9 als Gesamtschuldner 6/16.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 120 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragsteller wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe, Planungsabschnitt 1 Hasselbrook - Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek". Sie beantragen in unterschiedlichem Umfang die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage, hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Klage im Wege einer Zwischenentscheidung vorläufig wieder herzustellen, bis der Senat über den Aussetzungsantrag entschieden hat, weiter hilfsweise festzustellen, dass die Klage hinsichtlich der im Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Teilmaßnahme "Ausbau der zweigleisigen Verbindungskurve Horn-Wandsbek" der Güterbahnstrecke 1242 aufschiebende Wirkung hat und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss im Übrigen anzuordnen.

2 Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken, die unter anderem nördlich oder südlich der bestehenden Fernbahnstrecke Lübeck-Hamburg (1120) liegen. Sie machen im Hinblick auf die von der Beigeladenen geplante S-Bahn-Strecke und die Teilmaßnahme "Ausbau der zweigleisigen Verbindungskurve Horn-Wandsbek" insbesondere eine Belastung durch Baulärm und Betriebslärm, eine Beeinträchtigung ihrer Grundstücke durch die Verschattungswirkung von Lärmschutzwänden, durch den Bau von Baustraßen und die Errichtung von S-Bahn-Gleisen geltend. Des Weiteren rügen die Antragstellerinnen zu 1 und 2 sowie die Antragsteller zu 4 bis 9 und zu 11 das geplante Fällen von Bäumen. Die Antragstellerinnen zu 3 und 10 haben insoweit bereits das Verfahren BVerwG 7 VR 2.20 durchgeführt.

II

3 1. Der Antrag ist zulässig.

4 1.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der Neubau der S-Bahnlinie S 4 (Ost) Hamburg - Bad Oldesloe ist im Bundesverkehrswegeplan als Teilmaßnahme des Knotens Hamburg aufgeführt und näher beschrieben. Der Knoten Hamburg ist seinerseits in der Anlage zu § 1 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221) - Bedarfsplan für die Bundesschienenwege - unter Nr. 39 als "Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den VB aufsteigen können" ausgewiesen. Durch die am 5. November 2018 bekanntgegebene Entscheidung des Bundesverkehrsministers über die Bewertung der Schienenausbauvorhaben des potenziellen Bedarfs ist er in den vordringlichen Bedarf aufgestiegen und Teil des in der Anlage 1 zu § 18e AEG unter Nr. 41 und gleichzeitig im Bedarfsplan für Bundesschienenwege in Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 unter Nr. 25 als vordringlicher Bedarf ausgewiesenen Großknotens Hamburg geworden. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist daher nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft gesetzlicher Anordnung sofort vollziehbar.

5 1.2. Die Antragsteller zu 1 und 3 bis 11, sind als Eigentumsbetroffene antragsbefugt. Teile ihrer Grundstücke sollen für das planfestgestellte Vorhaben dauerhaft bzw. zumindest vorübergehend in Anspruch genommen werden. Als Grundstückseigentümer können sie geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6). Die Antragstellerin zu 2 ist als Lärmbetroffene gleichfalls antragsbefugt. Sie kann die Verletzung gerade sie schützender Normen des materiellen und des Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer geschützten Privatbelange rügen (etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 92).

6 2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

7 2.1. Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Hauptantrag bleibt ohne Erfolg. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

8 In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N. sowie vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 9).

9 Bei der Gewichtung der einander gegenüberstehenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber ausweislich des § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG dem Vollzugsinteresse - und damit der beschleunigten Umsetzung eisenbahnrechtlicher Planungsentscheidungen - erhebliches Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

10 2.1.1. Vorliegend sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. Zum einen verträgt die Entscheidung über den Antrag keinen Aufschub. Zum anderen werden von den Antragstellern Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

11 Die Entscheidung über den Antrag ist dringlich. Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot, das sich aus der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit - und damit zugunsten der unverzüglichen Umsetzung - von Planfeststellungsbeschlüssen für Bauvorhaben des vordringlichen Bedarfs ergibt. Zudem ergibt sich eine besondere Eilbedürftigkeit daraus, dass zur Baufeldfreimachung die Beigeladene Rodungsarbeiten durchführen muss, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nur bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen. Falls die vorgesehenen Rodungsarbeiten nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind, hätte dies eine deutliche Verzögerung der Umsetzung des Vorhabens von einem Jahr zur Folge.

12 Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses stellen sich zudem Sach- und Rechtsfragen, die erst im Zuge der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden können. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die von den Antragstellern gerügte fehlende Planrechtfertigung und der in diesem Zusammenhang geltend gemachten Unzulässigkeit der enteignungsrechtlichen Vorwirkung sowie die geltend gemachten Defizite der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung sowie des unzumutbaren Betriebslärms und Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften sowie gegen das Abwägungsgebot, weil das Vorhaben ohne Prüfung sich aufdrängender Alternativen planfestgestellt worden sei. Die Antragsteller haben hierbei als unmittelbar Eigentumsbetroffene grundsätzlich einen Anspruch auf vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses.

13 2.1.2. Das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen überwiegen das Suspensivinteresse der Antragsteller. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit ist hierfür maßgeblich, dass mit einer Fortsetzung der von der Beigeladenen begonnenen Arbeiten keine irreparablen bzw. nicht rückgängig zu machenden Folgen zulasten Drittbetroffener eintreten. Vollendete Tatsachen werden nicht geschaffen. Sollten sich die bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache durchgeführten bauvorbereitenden Maßnahmen bzw. Baumaßnahmen als rechtswidrig erweisen, ließen sich die eingetretenen Folgen im Wege des Rückbaues und der Wiederbepflanzung gerodeter Flächen beseitigen bzw. rückgängig machen.

14 Dem steht nicht entgegen, dass nach einer Wiederbepflanzung gerodeter Flächen vor dem Erreichen des ursprünglichen Zustands Neuanpflanzungen zunächst noch eine Anwachsphase durchlaufen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 15). Der Gesetzgeber setzt Ausgleich und Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG) nicht mit einer Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinne gleich. Vielmehr nimmt er im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen Zustands hin, weil es auf der Hand liegt, dass etwa ein ausgewachsener Baum erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - juris Rn. 149 m.w.N. [insoweit in BVerwGE 145, 40 nicht abgedruckt]). Für eine Rückgängigmachung von Eingriffen in Natur und Landschaft kann nichts anderes gelten. Entsprechendes gilt auch für die Rückgängigmachung von etwaigen Eingriffen in Hausgärten und die befürchtete Zerschneidung des Landschaftsraumes. Soweit die Antragsteller geltend machen, bei einigen der zu fällenden Bäume handele es sich um Naturschutz fachlich wertvolle große Stieleichen, die sich unter heutigen klimatischen Bedingungen nicht mehr zu gleicher Größe entwickeln würden, haben die Antragsteller keine Unumkehrbarkeit von Beeinträchtigungen substantiiert dargelegt. Zwar hat die Behörde für Umwelt und Energie in ihrer Stellungnahme im Erörterungstermin vom 13. Juni 2018 geäußert, alte Bäume könnten heute nicht mehr in Hamburg entstehen, weil es sich um Relikte handele. Allerdings ist die gleiche Behörde in ihren Stellungnahmen vom 25. August 2017 und vom 13. Dezember 2019 ohne Weiteres von einer Kompensationsmöglichkeit ausgegangen. So verhält es sich auch mit den Einzelbaumbewertungen des planfestgestellten landschaftspflegerischen Begleitplans. Die Vorhabenträgerin hat darüber hinaus bei einem öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachverständigen zwei Gutachten zur Inanspruchnahme des wertvollen Bewuchses im Wandsbeker Gehölz in Auftrag gegeben, die insbesondere zum Zustand und zur Erhaltungsmöglichkeit der von der Baustraßenerstellung betroffenen Bäume Stellung nehmen. Im Ergebnis der Begutachtung wird die Vorhabenträgerin bestimmte Schutzmaßnahmen treffen und bei ihrer Ausführungsplanung prüfen, inwieweit durch eine Anpassung der Baustraßen eine weitere Verminderung der Inanspruchnahmen möglich ist (PFB S. 343 und Nebenbestimmung A 4.26.3, S. 92).

15 Der Umstand, dass es sich bei dem angegriffenen Abschnitt um den letzten und kürzesten Abschnitt des Gesamtvorhabens handelt, ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht geeignet, das gesetzlich angeordnete Vollzugsinteresse zu vermindern. Die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung ist in der Rechtsprechung geklärt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein planerisches Gesamtkonzept angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, häufig nur in Teilabschnitten verwirklicht werden kann. Die Planfeststellungsbehörde verfügt dabei über ein planerisches Ermessen, in das sie unter anderem Gesichtspunkte einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung einbeziehen kann (zuletzt BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 64 zur Abschnittsbildung im Straßenrecht). Dass sie die Grenzen dieses Ermessens überschritten hätte, ist nicht erkennbar. Dies folgt insbesondere nicht daraus, dass der Abschnitt 1 seine (volle) Verkehrsfunktion erst mit der Fertigstellung weiterer Abschnitte und Vorhaben erlangt. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch geklärt, dass eine Abschnittsbildung im Eisenbahnrecht - anders als im Recht des Baus von Fernstraßen - nicht voraussetzt, dass jedem Planfeststellungsabschnitt eine eigenständige Verkehrsfunktion zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1995 - 11 VR 6.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8 S. 26 und vom 9. September 2013 - 7 B 2.13 - juris Rn. 12). Die von der Antragsbegründung geltend gemachte fehlende eigenständige Verkehrsbedeutung des Planfeststellungsabschnitts 1 für den Fall, dass die Planfeststellungsabschnitte 2 und 3 mit habitatschutz- und artenschutzrechtlichen Anforderungen unvereinbar wären, kann daher eine unzutreffende Abschnittsbildung nicht begründen.

16 Auch die Lärmbelästigungen während der Bauphase rechtfertigen nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Die Antragsgegnerin hat durch umfangreiche Auflagen sichergestellt, dass durch die baubedingten Lärmimmissionen unzumutbare Belastungen der Anwohner vermieden werden. Neben der Anordnung der Geltung der AVV Baulärm sind weitere vom Vorhabenträger zu treffende Schallschutzmaßnahmen, insbesondere bei der Einrichtung der Baustellen und der Durchführung der Bauarbeiten, in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen worden (PFB, A.4.10.1.2). Um sicherzustellen, dass die Auflagen eingehalten werden, hat die Vorhabenträgerin regelmäßige Baustellenkontrollen vorzunehmen und einen unabhängigen Sachverständigen als Baulärmverantwortlichen zu bestellen (PFB, A.4.10.1.4). Schließlich ist der Vorhabenträger verpflichtet, ein akustisches Baustellenmonitoring zur Ermittlung der in der Nachbarschaft zu erwartenden baubedingten Lärmimmissionen einzurichten und zu betreiben (PFB, A.4.10.1.6). Anwohner, bei denen das Baustellenmonitoring Beurteilungspegel tags von mehr als 70 dB(A) bezogen auf Wohnräume und nachts von mehr als 60 dB(A) auf Schlafräume ergibt, können die Bereitstellung von Ersatzwohnraum verlangen (PFB, A.4.10.1.7.). Unterhalb dieser Beurteilungspegel stehen den Anwohnern, gestaffelt nach Höhe, Zeitpunkt und Dauer der Überschreitung, Entschädigungsansprüche in Geld zu. Damit sind bei der hier allein möglichen überschlägigen Prüfung unzumutbare Lärmbelästigungen während der Bauphase nicht zu erwarten. Durch die Auflage A.4.10.1.5 (PFB S. 69), wonach die Durchführung besonders lärm- und erschütterungsempfindlicher Bauarbeiten "jeweils unverzüglich nach Kenntnis den Anliegern in geeigneter Weise mitzuteilen (ist)", wird auch sichergestellt, dass die Antragsteller Ansprüche auf Ersatzwohnraum rechtzeitig geltend machen können.

17 Vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des Senats in der Hauptsache voraussichtlich im Jahr 2021 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen soll, ist vor der Entscheidung über die erhobene Klage auch mit keinen dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Antragsteller zu rechnen.

18 2.2. Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag der Antragsteller auf Erlass einer Zwischenverfügung.

19 2.3. Der hilfsweise auf die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Teilmaßnahme "Ausbau der zweigleisigen Verbindungskurve Horn-Wandsbek" der Güterbahnstrecke 1242 gerichtete Antrag bleibt ohne Erfolg.

20 Die Verbindungskurve Horn-Wandsbek ist Bestandteil des Vorhabens S4 (Ost). Sie ermöglicht den Bau der S-Bahngleise und ist damit als Teil des Projekts "Knoten Hamburg" vom gesetzlichen Sofortvollzug erfasst. Der zweigleisige Ausbau der Horner Verbindungskurve, der im Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich als zum Vorhaben gehörend genannt wird ("Daraus resultiert die Notwendigkeit des zweigleisigen Ausbaus der VBK ...", PFB, S. 201 sowie etwa S. 227, 256 und 277) gleicht den Entfall der Güterverkehrsinfrastruktur aus, die für die Errichtung der zwei neuen S-Bahngleise zurückgebaut werden muss (PFB, S. 201 sowie Erläuterungsbericht, Planunterlage 1, S. 15 f.).

21 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 i.V.m. § 100 Abs. 1 und 4 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hat dabei für das Mehrfamilienhaus der Antragsteller zu 8 und 9 nach 34.2 .1.2. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 60 000 € angesetzt.

Urteil vom 05.10.2021 -
BVerwG 7 A 13.20ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A13.20.0

Klagen gegen Planfeststellungsbeschluss Neubau S-Bahnlinie S4 in Hamburg (PFA 1)

Leitsätze:

1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist in Streitigkeiten über Planfeststellungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO) an die Aufnahme des Vorhabens in die Anlage zum Allgemeinen Eisenbahngesetz geknüpft, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte.

2. Der Katalog der Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG knüpft an den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes an.

3. Für den Aufstieg eines Vorhabens vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf reicht eine hinreichend verlautbarte Verwaltungsentscheidung aus.

4. Die Planrechtfertigung kann sich aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ergeben.

5. Nur solche Außenbereichsflächen werden vom Schutzzweck der Verkehrslärmverordnung erfasst, auf denen sich die Anwohner nicht nur vorübergehend aufhalten.

6. Vermögensinteressen schützt das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6
    AEG § 4 Abs. 1 und 3, § 18 Abs. 1 und 3, §§ 18, 18a, 18e Abs. 1 Nr. 5, § 38 Abs. 8
    BSWAG § 1
    BImSchG § 41
    VwVfG § 73 Abs. 2, § 74 Abs. 1
    UVPG § 74 Abs. 2
    Verkehrslärmschutzverordnung § 2 Abs. 1
    BNatschG § 15 Abs. 1, § 34 Abs. 3, § 44 Abs. 1 und 5
    EBO § 2 Abs. 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.10.2021 - 7 A 13.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A13.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 13.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
am 5. Oktober 2021 für Recht erkannt:

  1. Die Klagen werden abgewiesen.
  2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 1 4/6, die Kläger zu 2 bis 5 als Gesamtschuldner 1/6 und der Kläger zu 6 1/6.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek".

2 Die beigeladene DB Netz AG plant den Bau der S-Bahnlinie S4 von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Hamburg-Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.

3 Von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg soll die Strecke zweigleisig und von Ahrensburg bis Ahrensburg-Gartenholz eingleisig gebaut werden; im Übrigen soll die S-Bahn die bestehenden Gleise nutzen. Daneben sollen zugunsten des Güterverkehrs Anpassungen einschließlich teilweiser Neuerrichtungen der bestehenden Gleisführungen erfolgen.

4 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der 1. Planfeststellungsabschnitt, dessen Feststellung die Beigeladene im August 2016 beantragte. Am 24. August 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 4. Planänderung erlassen und im Amtlichen Anzeiger der Stadt Hamburg am 15. September 2020 öffentlich bekannt gemacht.

5 Der Kläger zu 1 ist Eigentümer des ehemaligen Bahnhofsgebäudes Wandsbek, dessen Haltepunkt entfallen soll; der Bahnsteig wird zurückgebaut. Das Bahnhofsgebäude ist zu Wohn- und Gewerbezwecken vermietet. Unter anderem befindet sich dort eine Gaststätte mit einem direkt an den Schienen gelegenen Biergarten. Im Bereich des Bahnhofsgebäudes ist eine 88 m breite Lücke in der Lärmschutzwand vorgesehen, um eine Sichtbeziehung zum denkmalgeschützten ehemaligen Bahnhofsgebäude zu ermöglichen. Das Grundstück des Klägers zu 1 soll zur Errichtung einer Rampe im Umfang von 101 m² dauerhaft in Anspruch genommen werden. Die Hausgrundstücke der Kläger zu 2 bis 6 liegen im Bereich des Planfeststellungsabschnitts 1 und befinden sich ungefähr 30 m vom Gleiskörper entfernt. Es ist nicht geplant, das Eigentum dieser Kläger direkt in Anspruch zu nehmen.

6 Die Kläger haben gegen den Planfeststellungsbeschluss am 26. September 2020 gemeinsam mit weiteren Klägern Klage erhoben. Die ebenfalls beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat der Senat mit Beschluss vom 28. Oktober 2020 (BVerwG 7 VR 3.20 ) abgelehnt. Erste Bauarbeiten finden statt. Mit Beschluss vom 17. Juni 2021 hat der Senat das Verfahren der Kläger, deren Grundstücke entlang des 2. Planfeststellungsabschnitts liegen, und einer klagenden Naturschutzvereinigung von dem Verfahren BVerwG 7 A 13.20 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 A 5.21 fortgeführt.

7 Die Kläger machen geltend: Sie seien von dem Planfeststellungsbeschluss unmittelbar betroffen. Die Bezeichnung des Vorhabens in der Auslegungsbekanntmachung verfehle die Anstoßfunktion, weil der Umfang des Vorhabens verschwiegen werde. Die ausgelegten Unterlagen seien unvollständig gewesen. Eine gesetzliche Bedarfsfeststellung fehle. Die für die Bedarfsplanung herangezogene Verkehrsprognose greife zu kurz. Die Untersuchungen und Ausführungen im Erläuterungsbericht zur baulichen und verkehrlichen Eignung der geplanten Maßnahmen seien unzureichend. Die Planrechtfertigung und sämtliche Untersuchungen der Auswirkungen seien auch hinsichtlich des Kapazitätszuwachses für den Personenfern- und Güterverkehr durchzuführen. Die Rechtfertigung der vorgesehenen Änderungen der Haltepunkte sei wegen falsch prognostizierter Fahrgastzahlen nicht gegeben. Statt der Errichtung von S-Bahn-Gleisen böte sich der Ausbau der bestehenden Regionalverkehrslinie RB81 mit einem durchgehenden "15 min Takt" an. Es seien Fledermauskorridore, Amphibienvorkommen und Vogelarten zu berücksichtigen.

8 Die konkrete Abwägung mit anderen Varianten für den Eisenbahnverkehr fehle. Eine bessere Variante sei die Streckenalternative für den Fern- und Güterverkehr entlang der Bundesautobahn 1 ("A1-Variante") zugunsten eines S-Bahn-Verkehrs auf den bestehenden Gleisen. Die Lärmprognose sei nicht auf der Grundlage aktueller Maßstäbe erstellt worden. Die 6 m hohen Lärmschutzwände führten zu einer erheblichen optischen und sozialen Trennung der Stadt und ihrer Bewohner. Das Brandschutz- und Sicherheitskonzept sei unzureichend. Ein Abwägungsfehler liege im Hinblick auf den denkmalgeschützten Bahnhof Wandsbek vor, weil die Beigeladene dort keine Lärmschutzwand errichten wolle.

9 Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek" aufzuheben,
hilfsweise,
ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

10 Der Kläger zu 1 beantragt des Weiteren hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, eine transparente Lärmschutzwand im Bereich des Bahnhofs Wandsbek zu errichten.

11 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klagen abzuweisen.

12 Sie treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

II

13 Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Er leidet nicht an Fehlern, die zu seiner Aufhebung, zur Feststellung seiner Rechtswidrig- und Nichtvollziehbarkeit oder - im Sinne des Hilfsantrags des Klägers zu 1 - zu der Verpflichtung der Errichtung einer transparenten Lärmschutzwand führen könnten.

14 A. Das Bundesverwaltungsgericht ist als erstinstanzliches Gericht zuständig.

15 Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG in der vor dem 13. März 2020 geltenden Fassung (vgl. § 38 Abs. 8 AEG). Gemäß § 18e Abs. 1 Nr. 5 AEG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, soweit die Vorhaben Schienenwege betreffen, die wegen der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage 1 aufgeführt sind. Diese Anlage weist die dort genannten Schienenwege ausdrücklich der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu. Die Zuweisung richtet sich nach der Vorhabenbezeichnung in der Anlage. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist an die Aufnahme des Vorhabens in die Anlage zum Allgemeinen Eisenbahngesetz geknüpft, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte (vgl. Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2012, § 18e Rn. 2). Die Vorhabenbezeichnungen entstammen dem Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (vgl. Schütz, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 18e AEG Rn. 17). In Nr. 41 der Anlage 1 ist der Großknoten Hamburg aufgeführt.

16 Die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an das Bundesverwaltungsgericht als erst- und letztinstanzliches Gericht bedarf der hinreichenden Begründung. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes von denen der Länder berührt den föderalen Aufbau des Gerichtswesens und damit die Aufgabenverteilung im Bundesstaat (Art. 92 Halbs. 2, Art. 20 Abs. 1 GG). Bei der Beurteilung, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Gesetzgeber, weil damit oft (verkehrs-, wirtschafts- und rechts-)politische Wertungen verbunden sind, ein weiter Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Ein hinreichender Grund für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben. Die hier in Rede stehende Neuregelung betrifft Verkehrsprojekte, deren Fertigstellung der Gesetzgeber wegen eines gesamtstaatlichen Interesses, das über eine bloß regionale Bedeutung der Projekte hinausgeht und die Bundesebene berührt, für besonders eilbedürftig hält (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 31 ff.; Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 50 Rn. 17).

17 Der Katalog der Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG knüpft begrifflich wie inhaltlich an den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) an (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 43). Dort werden "Großknoten" einschließlich des Großknotens Hamburg in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 als (neue) Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs - Engpassbeseitigung (VB-E) eingestuft. Eine nähere Bestimmung der einem Großknoten zuzuordnenden Teile des Schienenwegenetzes der Eisenbahnen des Bundes (vgl. § 1 Abs. 1 BSWAG) findet sich an dieser Stelle nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, den Begriff des Großknotens näher zu bestimmen. Er hat diesen lediglich aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übernommen, der dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege zugrunde liegt (vgl. BT-Drs. 18/9524 S. 12, 22 f.). Der Bundesverkehrswegeplan stellt zu den Großknoten-Projekten fest, diese könnten voraussichtlich einen wichtigen Beitrag zur Engpassauflösung im Schienennetz leisten, und sieht hierfür ein besonderes Budget vor, behält jedoch aufgrund der verkehrlichen Komplexität die Identifizierung der notwendigen konkreten Maßnahmen in den Knoten sowie den Nachweis ihrer Wirtschaftlichkeit einer nachfolgenden Untersuchung vor (vgl. BVWP S. 39). Dementsprechend listet der Bedarfsplan die Knoten Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Mannheim und München in Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 lfd. Nr. 38 bis 43 als Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen können und nach Satz 2 der Vorbemerkungen in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen werden, sobald sie die Kriterien dafür nachweislich erfüllen. Die Listung der Großknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim und München als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 des Bedarfsplans erfüllt insoweit - ebenso wie lfd. Nr. 24 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <Streckenmaßnahmen>"), Nr. 26 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <weitere Knoten, mikroskopische Maßnahmen>") und Nr. 27 ("Kombinierter Verkehr/Rangierbahnhöfe") im Hinblick auf die entsprechenden Vorhaben des Potenziellen Bedarfs nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 - die Funktion einer Öffnungsklausel bzw. eines "Platzhalters" (vgl. auch BVWP S. 39: "Im Vordringlichen Bedarf ist ein Budget als Platzhalter für die Projekte des Potenziellen Bedarfs vorgesehen"). Auf diese Weise werden die Vorhaben unter dem Vorbehalt weiterer Prüfung dem Vordringlichen Bedarf bereits gesetzlich zugeordnet (vgl. auch schon BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2 Rn. 4).

18 Es bedarf deshalb für den Aufstieg eines Vorhabens vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf nicht erst noch einer Anpassung des Bedarfsplans, für die § 4 Abs. 1 Satz 2 BSWAG ein Gesetz voraussetzt. Ausreichend ist vielmehr eine hinreichend verlautbarte Verwaltungsentscheidung, wie sie hier für den Knoten Hamburg mit der im November 2018 bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zum Aufstieg in den Vordringlichen Bedarf erfolgt ist (vgl. BMVI, Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs, 5. November 2018, S. 30; Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030, 6. November 2018, S. 1 f.; vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 7.20 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 4 Rn. 6). Dabei führt die Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs zum Knoten Hamburg (lfd. Nr. 39) aus (Bewertung S. 30), dass der Planfall u.a. auch die S4 Ost umfasst (unter 3: Ausbau S4 Hasselbrook-Ahrensburg). Des Weiteren wird zum Potenziellen Bedarf der Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg (lfd. Nr. 25) dargelegt, dass das Projekt S4 Ost als Teil des Knotens Hamburg effektiver die Verkehrsbedürfnisse als ein dreigleisiger Ausbau erfüllt (Bewertung S. 31). Zudem verweist der Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan im Zusammenhang mit dem Knoten Hamburg auch auf die mitumfasste S4 Ost (S. 2). Diese Zuordnung von Ausbau- und Neubauvorhaben zum Großknoten Hamburg ist nicht zu beanstanden.

19 Die Zuordnung hat vom Begriff des "Großknotens" her zu erfolgen, dessen Gehalt anhand objektiver Kriterien durch Auslegung zu bestimmen ist. Dabei kommt auch dem Beschleunigungszweck, der gleichermaßen § 18e Abs. 1 AEG wie dem Bundesschienenwegeausbaugesetz zugrunde liegt, Bedeutung zu. Neben einem räumlichen Zusammenhang mit einer der genannten Knoten-Standorte kommt es danach wesentlich auf die Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion an, wie sie für Schienenverkehrsknoten, an denen zahlreiche Verkehrsströme mit unterschiedlichen Schienenverkehrsarten (Fern- und Nahverkehr, Personen- und Güterverkehr) zusammenfließen, charakteristisch ist. Das jeweilige Vorhaben muss einen funktionalen Beitrag zu dieser Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion des betreffenden Knotens leisten. Es muss eine knotentypische Verknüpfungsfunktion gegeben sein, was bei hinreichender räumlicher Nähe und Einbindung in das am jeweiligen Knoten bereits existierende Schienenwegenetz regelmäßig der Fall sein wird. So liegt es auch hier.

20 Der Neubau der im Hamburger Stadtgebiet beginnenden S-Bahnstrecke zielt neben einer verbesserten Anbindung des Hamburger Ostens und des südöstlichen Teils Schleswig-Holsteins im Schienenpersonennahverkehr auf eine zumindest teilweise Entflechtung der knotentypisch gewachsenen Parallelnutzung der Bestandsanlagen durch Nah- und Fernverkehr sowie Personen- und Güterverkehr und, in der Folge, auf eine Taktverdichtung im S-Bahnverkehr. Zugleich sollen im Hauptbahnhof Hamburg die Fernbahnsteige entlastet und insoweit freie Kapazitäten geschaffen werden. Auch wird aufgrund vereinfachter Umstiege zu anderen S-Bahnen und der Möglichkeit einer direkten Weiterfahrt zu Zielen in der Hamburger Innenstadt eine Entlastung von Bahnsteigen, Treppenanlagen und anderen Wegen im Hauptbahnhof bezweckt. Die neuen Haltepunkte Claudiusstraße und Bovestraße zielen darauf, einen größeren Personenkreis als bislang zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu veranlassen.

21 Auch der Ausbau der Horner Kurve ist dem Großknoten Hamburg zuzurechnen. Der Umstand, dass sie im BVWP 2030 (S. 168) als Bestandteil des unter Nr. 25 aufgeführten Vorhabens Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg des Potenziellen Bedarfs erwähnt wird, ändert hieran nichts. Es handelt sich hierbei, wie sich aus der als Anlage 2 dem BVWP 2030 beigefügten Projektliste ergibt, lediglich um eine vorläufige Beschreibung der Maßnahme, die keine konstitutive Bedeutung hat. Sie steht daher einer Realisierung der Maßnahme im Rahmen eines anderen Vorhabens - hier des Vordringlichen Bedarfs - nicht entgegen, sofern eine räumlich-funktionale Einbindung in das andere Vorhaben gegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um eine Teilmaßnahme handelt, die weder die Identität des neuen Gesamtvorhabens betrifft noch dessen Wirtschaftlichkeitsbeurteilung erheblich verändert. Angesichts der hiernach bestehenden räumlich-funktionalen Einbindung des streitigen Vorhabens in das Hamburger Schienenwegenetz spricht auch der vom Gesetzgeber mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte Beschleunigungszweck für seine - einheitliche - Zuordnung zum "Großknoten Hamburg" im Sinne der lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG.

22 B. Die Anfechtungsklagen sowie die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage des Klägers zu 1 sind zulässig.

23 Der Kläger zu 1 kann als enteignungsbetroffener Grundstückseigentümer geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in seinen Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 sowie Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6). Ihm steht ein "Vollüberprüfungsanspruch" zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff. sowie Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 11 f. m.w.N.).

24 Die Kläger zu 2 bis 6 sind Streckenanlieger. Aufgrund der Lage ihrer Grundstücke besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch Immissionen aus dem Bau und Betrieb mindestens im Hinblick auf § 41 Abs. 1 BImSchG. Wegen Einschränkungen des Anliegergebrauchs kommen Verletzungen des § 17 des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) durch die Baustraßen und etwaige übermäßige Nutzungen durch Dritte von Anliegerstraßen in Betracht (hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 VR 7.99 - Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11 S. 1 f.). Die Kläger zu 2 bis 6 können die Verletzung gerade sie schützender Normen des materiellen und des Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer geschützten Privatbelange rügen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 92 sowie Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 7 VR 3. 20 - juris Rn. 6).

25 Soweit der Kläger zu 1 mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Errichtung einer transparenten Lärmschutzwand im Bereich Bahnhof Wandsbek begehrt, ist auch dieser Antrag, obgleich er ausdrücklich erstmals mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 gestellt worden ist, zulässig. Das Begehren zielt auf eine Planergänzung durch Schallschutzauflagen ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 - 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <84 f.>), weil der für das planfestgestellte Vorhaben vorgesehene Lärmschutz im Hinblick auf den Bahnhof Wandsbek Mängel aufweise. Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Einhaltung der Klagebegründungsfrist des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG. Neuer Sachvortrag liegt nicht vor. Vielmehr wurde bereits mit der Klageschrift auf die Situation des ehemaligen Bahnhofs Wandsbek hingewiesen. Da Lärmschutzwände aufgrund des Denkmalschutzes verboten seien, werde aufgrund der geplanten zunehmenden Zahl an Güterzügen der Biergarten eines Pächters des Klägers zu 1 zu einem unattraktiven Standort. Bereits die Klageschrift hatte daher fehlenden Lärmschutz beanstandet und dem Grunde nach entsprechende Abhilfe begehrt. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Hilfsantrag als Konkretisierung des klägerischen Begehrens in der Klagebegründung dar.

26 C. Die Klagen sind mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen unbegründet.

27 I. Der auf § 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützte Planfeststellungsbeschluss ist frei von Verfahrensmängeln.

28 1. Die Anstoßfunktion des Bekanntmachungstitels ist gewahrt.

29 Die Frage, ob die Bekanntmachung eine hinreichende Anstoßfunktion wahrt, kann nicht nur mit Blick auf die Hauptüberschrift beantwortet werden, es ist auch der Bekanntmachungstext in den Blick zu nehmen. Er soll die Betroffenheit hinreichend deutlich erkennen lassen, so dass die Betroffenen ermuntert werden, sich für die Planung zu interessieren und die Planunterlagen einzusehen (BVerwG, Urteil vom 16. August 1995 - 11 A 2.95 - Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1 S. 5 f.; Beschluss vom 1. April 2005 - 9 VR 5.05 - juris Rn. 4). Aus der Bekanntmachung muss sich insbesondere der Standort, die Trasse und die Art des Vorhabens ergeben (vgl. Weiß, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2021, § 73 VwVfG Rn. 171). Diesen Voraussetzungen entspricht die Bekanntmachung der Planunterlagen.

30 Die Bekanntmachung im Amtlichen Anzeiger Nr. 42 vom 30. Mai 2017 bezieht sich auf den ersten Planfeststellungsabschnitt "Hamburg-Hasselbrook-Luetkensallee" und beschreibt das Vorhaben als "zusätzliche Errichtung zweier S-Bahngleise beziehungsweise eines S-Bahngleises zwischen Hamburg-Hasselbrook und Ahrensburg-Gartenholz parallel zu der bestehenden Fernbahnstrecke 1120", die "abschnittsweise die Verschwenkung und Anpassung dieser Bestandsstrecke" erfordert, weshalb das Vorhaben "sowohl nordwestlich als auch südöstlich der Bestandstrasse mit Auswirkungen verbunden ist". Danach ist dem Bekanntmachungstext mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass Anwohner nordwestlich und südöstlich der Bestandsstrecke möglicherweise von Auswirkungen des Eisenbahnvorhabens betroffen sind. Aus der Überschrift folgt zudem, dass das Vorhaben den Neubau einer S-Bahnstrecke unter Änderung bestehender Bahnstrecken (Fernbahnstrecke 1120, Güterzugstrecke 1242, "S-Bahnstrecke" 1249, Güterzugstrecke 1241) umfasst, so dass Bezüge des Vorhabens zum Schienengüterverkehr erkennbar waren. Dass nicht nur eine S-Bahn-bezogene Planung in Rede gestanden hat, ergibt sich auch aus der erneuten Bekanntmachung vom 13. Juni 2017 im Amtlichen Anzeiger Nr. 46. Die dortige Überschrift wies ebenfalls ausdrücklich auf die Änderung der Fernbahnstrecke 1120 und der Güterzugstrecken 1241 und 1242 hin.

31 2. Auslegungsfehler aufgrund unzureichend ausgelegter Unterlagen liegen nicht vor.

32 Die erforderliche Auslegung von Planunterlagen nach § 18a AEG a.F. i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG umfasst nicht alle Unterlagen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abzuschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst zu machen. Welche Unterlagen hierzu gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Unterlagen sind grundsätzlich dann auszulegen, wenn sich erst aus ihnen abwägungserhebliche Auswirkungen auf die Belange potenziell Betroffener oder anerkannter Vereinigungen ergeben; ergänzt eine Unterlage dagegen nur ausgelegte Planungsunterlagen, muss sie nicht mit ausgelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 16 m.w.N.).

33 Handelt es sich - wie hier - um ein Vorhaben, für das die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, ergeben sich weitere Anforderungen in Bezug auf die Auslegung von Unterlagen aus § 9 Abs. 1b Satz 1 UVPG in der hier noch nach der Übergangsvorschrift des § 74 Abs. 2 UVPG anzuwendenden Fassung vom 24. Februar 2010 - UVPG 2010 - (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG n.F.). Es sind die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 6 UVPG 2010 und diejenigen "entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen (...), die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben", zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen. Danach müssen die neben den Unterlagen der UVP-Prüfung "wichtigsten Berichte und Empfehlungen" zugänglich gemacht werden. Vor diesem Hintergrund kann es an der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 fehlen, wenn bestimmte Unterlagen lediglich Detailfragen betreffen oder auf sie in anderen - ihrerseits ausgelegten - Unterlagen Bezug genommen wird. Solche Unterlagen gehören nicht zu den wichtigsten Berichten und Empfehlungen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92/EU vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-RL (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 17 m.w.N.). Dass die Potenzialanalyse (a), die Standardisierte Bewertung (b), sämtliche Unterlagen über alternative Streckenführungen (c) sowie der wasserrechtliche Fachbeitrag (d) nicht ausgelegt wurden, begründet danach keinen Auslegungsfehler.

34 a) Eine Analyse der potenziellen Fahrgastzahlen musste von der Beklagten bei der Beigeladenen zur Vervollständigung der Planunterlagen nicht abgefordert werden. Diese Unterlagen sind planerische Vorüberlegungen des Vorhabenträgers und damit nicht planfeststellungsrelevant. Den Grad seiner Beeinträchtigung kann der potenziell Betroffene aufgrund der angestrebten Nutzung der Trasse durch Züge abschätzen, aber nicht anhand potenzieller Fahrgastzahlen. Es ist nicht erforderlich, alle Unterlagen auszulegen, die zur umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind (BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.>).

35 b) Dies gilt auch für die Standardisierte Bewertung bzw. Nutzen-Kosten-Analyse/Wirtschaftlichkeitsberechnung. Ob dem Plan ein die Kosten übersteigender Nutzen prognostiziert wird, lässt die Frage der Betroffenheit des Einzelnen nicht in einem anderen Licht erscheinen. Zudem hat die Beigeladene unwidersprochen geltend gemacht, dass eine Standardisierte Bewertung für das streitgegenständliche Vorhaben weder zum Zeitpunkt der Auslegung noch bei Beschlussfassung existierte.

36 c) Das Vorstehende gilt auch für die Auslegung von Unterlagen zur Güterverkehrs-Alternativtrasse. Diese Unterlagen lassen die Frage der Betroffenheit des Einzelnen von dem beantragten Plan nicht in einem anderen Licht erscheinen. Zudem waren die im Erläuterungsbericht (Planunterlage 1 S. 23 ff.) enthaltenen Darlegungen und zeichnerischen Darstellungen für Zwecke der mit der öffentlichen Auslegung des Plans zu erzielenden Anstoßwirkung genügend. Insbesondere die "Variante A1" als mögliche alternative Güterverkehrsneubaustrecke wird dort berücksichtigt (vgl. zum Maßstab BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 29). Das Fazit im Erläuterungsbericht (Planunterlage 1 S. 3o f.) scheidet diese Streckenführung mit Blick auf die Störungen der Lebensräume von Menschen und Tieren sowie die Belange der Umwelt sowie mit Blick auf die Zielsetzung eines schnellen Nahverkehrs aus, so dass auch die von den Klägern gewünschten Erörterungen zu einer zweigleisigen Güterverkehrsalternativstrecke entlang der Bundesautobahn A1 im Rahmen der Auslegung nicht gesondert aufscheinen mussten.

37 d) Es fehlte auch nicht ein wasserrechtlicher Fachbeitrag. Der Europäische Gerichtshof hat zwar mit Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391] - (Rn. 90) Art. 6 UVP-RL dahin ausgelegt, dass die Informationen, die der Öffentlichkeit im Laufe des Projektgenehmigungsverfahrens zugänglich zu machen sind, die Angaben umfassen müssen, die erforderlich sind, um die wasserbezogenen Auswirkungen des Projekts anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - WRRL - (ABl. L 327 S. 1) vorgesehenen Kriterien und Pflichten zu beurteilen. Allerdings müssen die Angaben, anhand deren die Auswirkungen eines Projekts auf die Gewässer beurteilt werden können, nicht in einem einzigen Dokument wie einem technischen Bericht oder einer technischen Studie enthalten sein (EuGH, a.a.O., Rn. 85). Daher sind die Umweltverträglichkeitsuntersuchung (Umweltverträglichkeitsstudie, Erläuterungsbericht S. 57 zu 2.5 ), der Landschaftspflegerische Begleitplan (Erläuterungsbericht S. 38 ff. und 65 ff. sowie 84) und die begleitenden Fachunterlagen zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung, die sämtlich ausgelegt wurden, geeignetes Unterlagenmaterial.

38 3. Eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) folgt nicht daraus, dass das Projekt "S4 Ost" aus dem ursprünglich Potenziellen Bedarf im "Knoten Hamburg" zum Projekt "Großknoten Hamburg" in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen ist. Eine SUP-Pflicht nach §§ 14a ff. UVPG 2010 bestand nach § 14b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 3 Nr. 1.1 UVPG 2010 für "Verkehrswegeplanungen auf Bundesebene einschließlich Bedarfspläne nach einem Verkehrswegeausbaugesetz des Bundes". Gegenstand dieser Klage ist aber nicht die Bedarfsplanung des Bundes, sondern der Planfeststellungsbeschluss für den konkreten Plan. Hierfür ist eine SUP-Pflicht nicht vorgesehen.

39 II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen materiellen Fehlern.

40 1. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt.

41 Die Planrechtfertigung als ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 m.w.N. und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 33), liegt für das planfestgestellte Vorhaben vor. Die Planrechtfertigung kann sich aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ergeben, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist und grundsätzlich die Nachprüfung ausschließt, ob für das geplante Vorhaben ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (§ 1 Abs. 2 BSWAG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - a.a.O.). Insoweit geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 180 ff.) zutreffend davon aus, dass das Vorhaben gemessen an den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene zu gewährleisten, und der gesetzlichen Bedarfsfeststellung vernünftigerweise geboten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 58 und Beschluss vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 7 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, es also für das Vorhaben offensichtlich keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1995 - 2 BvR 2397/94 - NVwZ 1996, 261), liegen nicht vor. Die von den Klägern erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Kläger meinen zu Unrecht, es bedürfe für die mitgeplanten Änderungen an den für den Fern- und Güterverkehr bestimmten Gleisen eine eigene Planrechtfertigung im engeren Sinne. Als Teile eines einheitlichen Vorhabens nehmen sie an dessen planerischer Rechtfertigung teil.

42 Grundsätzlich bestimmt der Träger eines Vorhabens dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen aufgrund des materiellen Planungsrechts unterworfen, die sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot ergeben. Die Aussagekraft der Abwägung darf insbesondere nicht durch Zusammenfassung mehrerer Planungen beeinträchtigt werden. Grenzen des Bestimmungsrechts des Vorhabenträgers bestehen deshalb, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen von ihm als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich um mehrere Vorhaben. Der Vorhabenträger darf dann nicht mehrere Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulässigkeit jedes der Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird. Die mit der Behandlung als ein Vorhaben einhergehende Abwägung der kumulierten Vorteile gegen die kumulierten Nachteile könnte nämlich dazu führen, dass ein Vorhaben ein anderes "mitzieht", obwohl dessen Verkehrsbedeutung bei isolierter Betrachtung die Umweltauswirkungen der allein durch es verursachten Baumaßnahme nicht rechtfertigen würde. Die Rechtmäßigkeit einer Planung kann aber nicht davon abhängen, ob der Vorhabenträger seine Planungsziele mit getrennten Planfeststellungsanträgen verfolgt oder die Ziele und Maßnahmen in einem Antrag bündelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 35).

43 Hieran gemessen stellen die drei Maßnahmen "Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke", "Erweiterung der Horner Verbindungskurve um ein zweites Gleis" und "Verlängerung der Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek" ein einziges Vorhaben im fachplanungsrechtlichen Sinne dar.

44 Die mit der geplanten S-Bahn-Neubaustrecke verfolgten Ziele wären ohne den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Gleisverlängerungen im Güterbahnhof Wandsbek nicht in vollem Umfang erreichbar. Der Neubau der S-Bahnstrecke zielt wesentlich auf eine Entflechtung des Personennahverkehrs vom Fern- und Güterverkehr ab (PFB S. 181, 330; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14). Die Erweiterung der Verbindungskurve um ein zweites Gleis gleicht den Entfall der bislang vorhandenen Güterverkehrsinfrastruktur aus, die für die Errichtung der zwei neuen S-Bahngleise zurückgebaut werden muss (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 20). Die durch den S-Bahn-Neubau zwischen den neuen S-Bahnstationen Claudiusstraße und Bovestraße notwendig werdende Verlegung der Gleise der Bestandsstrecke 1120 nach Süden zieht ihrerseits einen Teilrückbau und damit eine Verkürzung der südlich der Strecke 1120 parallel dazu verlaufenden Güterzugstrecke 1242 nach sich (PFB S. 96 f., 201; Lagepläne, Planunterlagen 3.5 und 3.6 ). Im Güterbahnhof Wandsbek werden durch den Neubau der S-Bahngleise Überholungsgleise "verdrängt" (PFB S. 201). Die hieraus folgenden Kapazitätsverluste auf der vorhandenen Strecke sollen durch den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Verlängerung der als Güterzugüberholungsgleise dienenden Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek abgewendet werden (PFB S. 97, 201). Soweit mit den Maßnahmen in ihrer Gesamtheit auch das Ziel verfolgt wird, infolge der Verlagerung des Personennahverkehrs auf separate S-Bahngleise freiwerdende Kapazitäten auf der Bestandsstrecke 1120 für zusätzliche Fern- und insbesondere Güterverkehre zur Verfügung zu stellen (PFB S. 181, 201, 203; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14, 23), entspricht dies dem Sinn und Zweck einer Entflechtung unterschiedlicher Verkehre. Damit trägt die Planung dem vom Gesetzgeber für den Großknoten Hamburg grundsätzlich festgestellten Bedarf an einer Engpassbeseitigung (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 25 der Anlage 1 zu § 1 BSWAG) Rechnung. Dies geschieht gerade in der Kombination der einzelnen Maßnahmen, die jeweils für sich genommen allenfalls einen geringeren Beitrag zur Verkehrsentflechtung und Engpassbeseitigung zu leisten in der Lage wären.

45 2. Der Planfeststellungsbeschluss steht mit dem Naturschutzrecht und dem Wasserrecht in Einklang.

46 a) Das Vorhaben begegnet keinen habitatrechtlichen Bedenken.

47 Im ersten Planfeststellungsabschnitt liegen keine FFH-Gebiete. Eine Betroffenheit des im Planfeststellungsabschnitt 2 gelegenen FFH-Gebiets "Stellmoorer Tunneltal/Höltigbaum DE 2327-302" und des im Planfeststellungsabschnitt 3 liegenden FFH-Gebiets "Kammmolchgebiet Höltigbaum/Stellmoor DE 2327-301" ist aufgrund der Entfernung vom Planfeststellungsabschnitt 1 ausgeschlossen. Zu Recht geht der Planfeststellungsbeschluss daher davon aus, dass in dem ersten Planungsabschnitt lediglich eine summarische Prüfung erforderlich ist, ob im weiteren Verlauf eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebiete bestehen könnte und ob gegebenenfalls für die Planfeststellungsabschnitte 2 und 3 die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG bestehen (PFB S. 218). Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist eine summarische Prüfung erforderlich, aber auch ausreichend, ob der Verwirklichung des Gesamtvorhabens keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 115 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 68 Rn. 32).

48 Auf der Basis der vorliegenden Umweltverträglichkeitsuntersuchung und der im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits vorliegenden FFH-Verträglichkeitsprüfung und FFH-Ausnahmeprüfung für das FFH-Gebiet im Planfeststellungsabschnitt 2 war für den Streckenverlauf die Prognose zulässig, dass Gebietsschutzrecht dem Vorhaben nicht entgegensteht. Die Ausführungen der Kläger bleiben unsubstantiiert. Soweit sie unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 3 BNatSchG darauf hinweisen, dass großräumige Güterumfahrungsvarianten nicht im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung geprüft worden seien und daher eine schonendere alternative Streckenführung mit gleicher verkehrlicher Eignung nicht ausgeschlossen worden sei, verfängt dies nicht. Ein in den Folgeabschnitten bestehendes unüberwindbares Hindernis ist damit nicht dargetan. Hieran fehlt es schon deswegen, weil die Planung nach dem Planfeststellungsabschnitt 1 nicht zwingend fortgesetzt werden müsste, da die neue Strecke 1249 auch im Bereich der Grenze des ersten Planfeststellungsabschnitts an den zweiten Abschnitt in die Bestandsstrecke 1120 einfädeln könnte.

49 b) Der Planfeststellungsbeschluss steht auch in Einklang mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten.

50 aa) Es ist nicht erkennbar, dass es bei der Ermittlung von Eingriffen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BNatSchG zu Defiziten gekommen ist. Die pauschale Aussage der Kläger, Privatgrundstücke seien nicht kartiert worden, ist vor dem Hintergrund, dass die Kartierungen nach dem Umweltleitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes und unter Beachtung der im Scoping-Termin erfolgten fachlichen Festlegungen stattgefunden hatten (PFB S. 134 f. - B.3.2.1 und Planunterlage 13.1 S. 30 ff.), nicht hinreichend substantiiert. Nach der Kartieranleitung für Hamburg findet eine flächendeckende Kartierung aller naturnahen und halbnatürlichen Biotope statt. Alle Biotope unterhalb einer bestimmten Mindestbewertung müssen allerdings nicht gesondert aufgenommen, sondern können dabei einem Hauptbiotop zugeordnet werden. Aus der Nichterwähnung der Hausgärten lässt sich daher nicht darauf schließen, dass sie bei der flächendeckenden Kartierung unberücksichtigt geblieben sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - NVwZ 2021, 1145 Rn. 37 insoweit in Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 nicht abgedruckt).

51 Die vorgesehenen Kompensationen sind nicht unzureichend. Dies gilt auch für das Vorbringen der Kläger, dass Geldleistungen in erheblicher Höhe vorgesehen seien. Ein Rechtsverstoß gegen § 15 Abs. 5 und 6 BNatSchG ist damit nicht dargetan. Dass konkrete Eingriffe vermeidbar waren, tragen die Kläger nicht vor.

52 bb) In artenschutzrechtlicher Hinsicht sind für den vorliegenden Abschnitt lediglich die Ausführungen der Kläger zu den Fledermäusen von Relevanz. Die Ausführungen zu weiteren geschützten Arten (Kammmolch, Schlammpeitzger, Fischotter, Moorfrosch) beziehen sich ausschließlich auf die folgenden Planungsabschnitte und sind dort zu prüfen.

53 Der Planfeststellungsbeschluss trägt den Zugriffsverboten des § 44 BNatSchG in Bezug auf Fledermäuse Rechnung. Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist bei in Anhang IV Buchst. a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten im Rahmen von planfestgestellten Vorhaben dann erfüllt, wenn das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko signifikant erhöht und dies bei Anwendung der gebotenen fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann (§ 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Eine solche signifikante Erhöhung des Risikos kollisionsbedingter Verluste kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Fledermäusen dann in Betracht, wenn durch das Vorhaben Hauptflugrouten oder bevorzugte Jagdgebiete betroffen sind (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 141).

54 Danach liegt hier kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko vor. Nach der mit Hilfe von Detektoren, Sichtbeobachtungen und Horchboxen durchgeführten Bestandserfassung kommen in der Umgebung der Trasse insgesamt 7 Fledermausarten vor. Die Trasse quert im Planfeststellungsabschnitt 1 außerdem zwei Flugrouten, die östlich des Hammer Steindamms und innerhalb des Wandsbeker Gehölzes nachgewiesen wurden. Als Schutz vor Kollisionen dienen die in diesen Bereichen vorgesehenen 6 m hohen Lärmschutzwände, die niedrigfliegende und -jagende Fledermäuse an einem Queren der Trasse wirksam hindern. Für höherfliegende Fledermäuse ist die Kollisionsgefahr ohnehin gering. Zudem wird nach den überzeugenden und unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Sachbeistands der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung durch die Fahrleitungen und die Mittellärmschutzwand eine weitere Ablenkung geschaffen, die ein Absinken der Flughöhe im Bereich der Trasse wirkungsvoll verhindert.

55 c) In wasserrechtlicher Hinsicht wird geltend gemacht, dass das hydrologische Gutachten den Anforderungen zur Ermittlung und Bewertung des Ist-Zustandes der Oberflächengewässer sowie Grundwasserkörper und der vorhabenbedingten Auswirkungen nach der Oberflächengewässerverordnung nicht gerecht würde. Insoweit fordern die Kläger die Erstellung eines wasserrechtlichen Fachbeitrags. Die Klage legt allerdings nicht dar, dass das Vorhaben dem Verschlechterungsverbot im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 oder § 47 Abs. 1 WHG entgegenstünde. Der Planfeststellungsbeschluss ist insoweit nicht zu beanstanden (PFB S. 238 f.). Neben dem hydrogeologischen Gutachten (Planunterlage 19.1) setzt sich der Erläuterungsbericht (Planunterlage 1 etwa S. 68 f., 112 f., 117 f., 128) hinreichend mit wasserrechtsspezifischen Fragen auseinander. Ebenfalls enthält die Umweltverträglichkeitsstudie (Planunterlage 13 etwa S. 38 ff. und 57 ff.) und der Landschaftspflegerische Begleitplan (Planunterlage 14) Ausführungen zur Bestandserfassung. Hiergegen erheben die Kläger keine Einwendungen.

56 3. Der Planfeststellungsbeschluss steht mit den gesetzlichen Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz in Einklang.

57 Die Rüge, das Flucht- und Rettungswegekonzept sehe für ein Stadtgebiet zu große Abstände (1 000 m) zwischen den Toren in den Lärmschutzwänden vor, bleibt ohne Erfolg. Nach § 4 Abs. 1 AEG müssen Eisenbahninfrastrukturen und Fahrzeuge den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit an den Bau und an den Betrieb genügen. Die Eisenbahnen und Halter von Eisenbahnfahrzeugen sind verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung mitzuwirken (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AEG). Eisenbahnen sind zudem verpflichtet, die Eisenbahninfrastruktur sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten (§ 4 Abs. 3 Satz 2 AEG). Nach § 2 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967 (BGBl. II S. 1563), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 5. April 2019 (BGBl. I S. 479), müssen Bahnanlagen und Fahrzeuge so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung und, soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften enthält, anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

58 Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung enthält keine ausdrücklichen Vorschriften zu den Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes. Die diesbezüglichen technischen Sicherheitsanforderungen werden aber durch die als Verwaltungsvorschrift eingeführte Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes "Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung, Bau und Betrieb von Schienenwegen nach AEG" (EBA-Richtlinie) vom 7. Dezember 2012 konkretisiert. Die EBA-Richtlinie enthält ausweislich ihres Vorworts eine Zusammenstellung zum Teil bereits anerkannter Regeln der Technik und gibt den Fachbehörden und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen einen einheitlichen Maßstab für die Erfüllung der Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an die Hand. Die Richtlinie, die nach den Angaben der Beigeladenen unter Beteiligung auch des Ausschusses für Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung des Arbeitskreises V der Innenministerkonferenz - und damit unter Einbeziehung auch feuerwehrtechnischen Sachverstandes - erarbeitet worden ist, konkretisiert die sich aus § 4 Abs. 3 AEG ergebenden Verpflichtungen. Die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben sind Verfahren nach § 18 AEG zugrunde zu legen (Ziffer 1.1 EBA-Richtlinie) (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 48 ff.). Die Anwendbarkeit und fachliche Richtigkeit der Richtlinie ziehen die Kläger nicht substantiiert in Zweifel.

59 Gefahrguttransporte und potenzielle Atommülltransporte auf der Strecke betreffen nicht einen der Planung selbst innewohnenden Aspekt. Bei der Durchführung der Gefahrguttransporte sind die dafür vorgesehenen Vorsorgemaßnahmen - etwa zur Verpackung der Güter sowie zur Ausrüstung der Tanks und Transportfahrzeuge - einzuhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2018 - 3 A 10.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 83 Rn. 73 f.). Einer speziellen Risikoanalyse in Bezug auf gefährliche Gütertransporte bedarf es im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung in der Regel auch dann nicht, wenn die Eisenbahnstrecke durch innerstädtisches Gebiet verläuft (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2021 - 7 A 9.20 - UPR 2021, 487 Rn. 16).

60 Der "Risikofaktor Blindgänger" ist im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt worden (PFB S. 315). Danach sind die alliierten Luftbilder aus dem 2. Weltkrieg ausgewertet worden. Die Flächen im Umkreis der Baumaßnahme mit und ohne Kampfmittelverdacht wurden ausgewiesen und eingestuft. Eine Liste der privaten Kampfmittelräumfirmen liegt dem Vorhabenträger vor. Die Kläger haben dem nichts entgegengesetzt.

61 4. Der rechtlich gebotene Lärmschutz ist sowohl für die Bauzeit als auch für die vom Betrieb des Schienenverkehrswegs ausgehenden Geräusche gewahrt.

62 Ohne Erfolg bleibt die Rüge, es würden die Grenzwerte der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (Geräuschimmissionen - AVV Baulärm) bei den Bauarbeiten überschritten. Die Beklagte verweist hierzu mit Recht darauf, dass die gemäß § 66 Abs. 2 BImSchG fortgeltende AVV Baulärm keine Grenzwerte, sondern Richtwerte benennt. Dass der Planfeststellungsbeschluss umfangreiche Vorsorge- und Überwachungsmaßnahmen enthält und bei Überschreitung dieser Werte Maßnahmen bis hin zu Entschädigungsleistungen bestimmt (vgl. PFB S. 66 ff. und S. 246 ff.), steht nicht in Frage.

63 Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung der Verkehrsgeräusche sind §§ 41 ff. BImSchG und die 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV -, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 57). Durch das Vorhaben wird ein Schienenweg durch ein oder mehrere Gleise baulich erweitert (PFB S. 255 f.). Die prognostizierte Verkehrsentwicklung (Prognose 2025) orientiert sich nach § 18g AEG - abweichend von den üblichen Grundsätzen - am Zeitpunkt der Antragstellung (PFB S. 257). Soweit die Kläger die Gleichverteilung der Güterzüge tags und nachts angreifen, wurde das Vorbringen im Planfeststellungsbeschluss (S. 257) zurückgewiesen. Dies begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte und die Beigeladene verweisen wegen der annähernden Gleichverteilung auf das der Prognose 2025 zugrunde liegende Betriebsprogramm, welches auf der Strecke auch abgewickelt werden könne. Abgesehen davon hat die von der Beigeladenen vorgelegte fachgutachterliche Stellungnahme der T. GmbH vom 15. September 2021 die in etwa gleichmäßige Tag-/Nachtverteilung der Güterzüge erneut bestätigt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung durch die Sachbeistände der Beklagten und der Beigeladenen darüber hinaus näher erläutert worden.

64 Auch der klägerische Vortrag, das Anfahren und Abbremsen der Züge an den Haltepunkten sowie das Piepen der S-Bahn bei Abfahrt sei nicht in die Lärmbewertung eingestellt worden, bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte weist auf Nr. 4.3 der Anlage 2 zu § 4 der 16. BImSchV (Schall 03) hin. Durch das dort vorgesehene Ansetzen einer Mindestgeschwindigkeit von 70 km/h im Bereich von Haltepunkten werden die in Bahnhöfen und an Haltepunkten bzw. in Haltestellenbereichen anfallenden Geräusche berücksichtigt. Dass die Schallprognose das nicht beachtet hätte, zeigen die Kläger nicht auf.

65 Soweit die Kläger rügen, das Abbremsen in der Horner Verbindungskurve werde in der Schallprognose nicht berücksichtigt, ist das Vorbringen ebenfalls unsubstantiiert. Dies gilt auch für die Ausführungen der Kläger zu Schienenstegdämpfern; sie widersprechen den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 266 f.). Danach ist der Einsatz geprüft worden, allerdings wegen der vergleichsweise minimalen Wirkungen und unter Beachtung der verhältnismäßig hohen Kosten verworfen worden.

66 Auch die Rüge, passiver Lärmschutz könne die Lärmbelastung nie auch nur annähernd ausgleichen, da Garten- und Terrassenbereiche nicht mehr störungsfrei zur Erholung genutzt werden könnten, zeigt einen Abwägungsfehler nicht auf. Für durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes nicht vermeidbare Beeinträchtigungen der Außenwohnbereiche stehen den Klägern Entschädigungsansprüche zu. Diese sind das gesetzlich anerkannte Mittel zur Kompensation verbleibender Beeinträchtigungen (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 und 2 BImSchG, § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG; bzgl. Außenwohnbereich, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 - 7 A 24.12 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 63 Rn. 21 m.w.N.). Die pauschale Kritik am System des passiven Schallschutzes als "Notlärmschutz" führt im Übrigen nicht weiter. Soweit die Kläger meinen, wegen der von ihnen als "Mischprojekt" identifizierten Maßnahme müssten die Untersuchungen zum Lärm auch die Kapazitätszuwächse des Güterverkehrs beachten, entspricht der Planfeststellungsbeschluss dem bereits (vgl. PFB S. 204 f.).

67 5. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln der Abwägung.

68 a) Die Alternativenprüfung ist nicht zu beanstanden.

69 Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F.) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen (BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 16). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117).

70 aa) Die Nullvariante hat die Beklagte zu Recht ausgeschieden.

71 Das folgt allerdings nicht bereits daraus, dass das Vorhaben in dem gesetzlichen Bedarfsplan als Projekt des Vordringlichen Bedarfs aufgenommen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist trotz der verbindlichen Feststellung des Verkehrsbedarfs durch § 1 Abs. 2 BSWAG verpflichtet zu prüfen, ob dem Vorhaben womöglich wegen der erst auf späteren Planungsstufen gewonnenen Erkenntnisse unüberwindliche Belange entgegenstehen, die dazu nötigen, letztlich doch von der Planung Abstand zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <249 f.> und vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 84). Dieser Pflicht ist die Beklagte nachgekommen (vgl. PFB S. 202 ff.).

72 Die Planfeststellungsbehörde hat die mit der Verwirklichung des Vorhabens verbundenen Vorteile für die Verkehrsverhältnisse in der Metropolregion Hamburg für bedeutend genug erachtet, um die Nachteile bei Verwirklichung des Vorhabens aufzuwiegen. Hierbei hat sie die vorherrschenden Beeinträchtigungen durch Immissionen und Grundstücksinanspruchnahmen sowie die Beeinträchtigung des Naturhaushalts ihrem Ausmaß nach erkannt und gewichtet, ihnen aber kein solches Gewicht beigemessen, dass sie einen Entfall des Vorhabens erzwingen. Dies ist von ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit gedeckt. Die Kläger übersehen, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung auch bei der Prüfung, ob zwingende Gründe den Verzicht auf die Planung erzwingen, zu beachten ist. Die durch die Aufnahme in den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege ("Knoten Hamburg") getroffene Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung verbindlich und so auch als Belang in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <43>).

73 Eine Optimierung der RB81-Linie als Nullvariante ist entgegen der Auffassung der Kläger bei der mit dem S-Bahnausbau angestrebten Steigerung der Fahrgastzahlen bis 2030 nicht geeignet, den Personennahverkehr zwischen Bad Oldesloe und Hamburg Hauptbahnhof zu verbessern. Während im Prognosenullfall (Bezugsfall; RE8, RE80 und RB81) werktags mit 40 300 Ein- und Aussteigern zu rechnen ist, erhöht sich deren Anzahl bei Umsetzung des Planvorhabens (Planfall; RE8, RE80 und S4) auf 64 000. Eine entsprechende Erhöhung der Zugzahlen bzw. Zuglängen ist auf der bestehenden und bereits jetzt stark ausgelasteten Strecke nicht möglich (vgl. PFB S. 203). Eine Erhöhung der Zugzahlen des Schienenpersonennahverkehrs auf der Bestandsstrecke würde weder die angestrebte Zurverfügungstellung von mehr Trassen für den schnellen Nahverkehr sowie den Fern- und Güterverkehr bewirken noch zu einer Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs führen (vgl. PFB S. 203).

74 Vor diesem Hintergrund gehen die Überlegungen der Kläger zu alternativen Konzepten der RB81 oder der U-Bahn ins Leere. Wenn die Kläger behaupten, das Land Schleswig-Holstein würde die S4 gar nicht vergeben, wird dies durch das von ihnen selbst vorgelegte Schreiben des Wirtschaftsministeriums Schleswig-Holstein vom 17. November 2017 mit dem Anhang "SPNV-Vergabeverfahren Elektronetz Ost - Aktualisierte Eckpunkte" (Anlage K21, GA 933) widerlegt. Danach soll die Verkehrsleistung der RB81 Bad Oldesloe-Hamburg separat vergeben werden, um der geplanten Einführung der S4 Rechnung zu tragen.

75 Auch die Behauptung der Kläger, die verfolgte Entlastungswirkung für den Hauptbahnhof Hamburg könne mit der neuen Streckenführung nicht erreicht werden, weil nur eine Umverteilung der Belastungen innerhalb des Bahnhofs erfolge, greift nicht durch. Es bleibt unberücksichtigt, dass eine Bewältigung des Schienenverkehrs mit dem angestrebten Nahverkehrskonzept nicht mit den aktuell genutzten Bahnsteigen des Hauptbahnhofs möglich wäre. Selbst die klägerseits gewünschte Ausweitung des RB81-Angebots würde die bestehende Bahnsteignutzung im Hauptbahnhof zwingend ausweiten, was an dieser Stelle zu einer Belastungserhöhung führte. Im Übrigen ist der Hauptbahnhof in der Lage, das S-Bahn-Betriebsprogramm abzuwickeln (vgl. PFB S. 228). Hierauf gehen die Kläger nicht substantiiert ein.

76 bb) Die Planfeststellungsbehörde hat auch die von den Klägern vorgeschlagene Umfahrungsvariante zu Recht nicht weiterverfolgt.

77 Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Alternative ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde in Folge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist dabei nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen. Die ausweislich der Festsetzungen im Bedarfsplan erkennbare Bedarfsstruktur ist bei der Trassenwahl als gesetzgeberische Wertung in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (hierzu BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 124 f. m.w.N.).

78 Läuft eine Variante auf ein anderes Projekt hinaus, kann von einer Alternative aber nicht mehr gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <13 f.>, vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <259 ff.>, vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 85 und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 138); solche Varianten brauchen nicht näher geprüft zu werden.

79 Ob eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft, ist anhand der mit dem Vorhaben zulässigerweise verfolgten Planungsziele zu beurteilen. Durch die Zieldefinition kann der Vorhabenträger die in Betracht kommenden Alternativen eingrenzen. Dabei entfalten gesetzliche Bedarfsfeststellungen anders als nur politisch vorgegebene Ziele ein höheres Gewicht, das sich auf der Zulassungsebene "alternativenbegrenzend" auswirken kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 16 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 411; vgl. Hösch, UPR 2014, 401 <402>). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Aufstieg des Knotens Hamburg in den Vordringlichen Bedarf, in der der Ausbau der S4 Ost zwischen Hasselbrook und Ahrensburg als Planziel (Planfall) festgestellt wird. Die darin zum Ausdruck kommende Konkretisierung der Planungsziele beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung in Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 der Anlage zu § 1 BSWAG.

80 Gemessen an diesen Maßstäben scheidet die von den Klägern unter Berufung auf die Ausarbeitungen der V. GmbH Innovative Verkehrsberatung favorisierte Güterumfahrungsvariante entlang der Bundesautobahn A1 von vornherein aus. Zwar könnte das Planungsziel einer Entflechtung der Verkehre auch auf diese Weise erreicht werden. Es würde sich aber gleichwohl um ein anderes Projekt handeln, das die Gesamtkonzeption des Vorhabens "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe" und die vielfältigen damit verbundenen Ziele nicht in einem Vorhaben verwirklicht, sondern in zwei Vorhaben aufspaltet. Diese "Konzeptalternative" setzt die in der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums und der ihr zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung festgelegten Planungsziele nicht durch den dort vorgesehenen Neubau der S4 um, sondern versucht sie auf eine grundsätzlich andere Weise zu erreichen. Sie wahrt nicht die Identität des Vorhabens und stellt damit keine Alternative im fachplanungsrechtlichen Sinne, sondern ein Aliud gegenüber der vorgegebenen Planung dar (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 139 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 412). Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung auch von derjenigen, die der Entscheidung des Senats vom 15. Oktober 2020 zur Ausbaustrecke Oldenburg-Wilhelmshaven (BVerwG 7 A 9.19 ) zugrunde lag. Die dort getroffene Aussage, dass das fachplanerische Abwägungsgebot bei der Planfeststellung eines im Bedarfsplan als Ausbauvorhaben ausgewiesenen Schienenwegevorhabens verlangt, auch solche planerischen Alternativen in die Alternativenprüfung einzubeziehen, die als Streckenneubau zu qualifizieren wären, ändert nichts daran, dass nur solche Neubauvorhaben zu prüfen sind, die sich nicht als planerisches Aliud erweisen.

81 b) Den eingleisigen Bau einer separaten S-Bahn-Strecke musste die Beklagte nicht als Alternative in die Betrachtung einbeziehen.

82 Bei der im Laufe des Anhörungsverfahrens vorgeschlagenen Beschränkung des Neubaus auf ein S-Bahngleis handelt es sich um keine sich ernsthaft anbietende Alternative; die Beklagte musste sie daher nicht in das Verfahren einbeziehen und untersuchen (vgl. zum Maßstab BVerwG, Beschluss vom 24. April 2009 - 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986). Schon die Grundannahme, aus der prognostizierten Auslastung der zweigleisigen Strecke von 29 % folge eine Auslastung von 58 % bei einer eingleisigen Strecke, ist nicht plausibel. Diese einfache Addition übersieht, dass bei einer Zugfolge Richtung - Gegenrichtung ein wesentlich höherer Kapazitätsverbrauch die Folge ist und eine eingleisige Strecke in Bezug auf die erforderliche Betriebsqualität bei Verspätungen (Verspätungsübertragungen, Fahrplanstabilität) und die Sicherheit des Verkehrs entscheidende Nachteile aufweist. Zudem wird der Hamburger S-Bahn-Verkehr grundsätzlich zweigleisig geführt, so dass sich eine zweigleisige Neubaustrecke in das Betriebsprogramm des Verkehrsverbundes einfügt (PFB S. 204).

83 Auch der Bau eines dritten Fernbahngleises bei gleichzeitigem Verzicht auf den Neubau der S-Bahngleise ist zu Recht bereits bei einer Grobbetrachtung ausgeschieden worden. Der Planfeststellungsbeschluss weist insoweit darauf hin, dass der Ausbau eines dritten Gleises als Teilmaßnahme des Projekts "ABS Hamburg-Ahrensburg" nicht in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen sei, während die Eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung (EBWU) die gewählte Lösung eines zweigleisigen Neubaus der S-Bahngleise als robust und nachhaltig bewertet habe. Dass der Ausbau nur eines weiteren Fernbahngleises nicht in der Lage ist, die verschiedenen Verkehre zu entflechten und den Hamburger Hauptbahnhof zu entlasten, wird im Planfeststellungsbeschluss ebenfalls überzeugend dargelegt (PFB S. 204 f.). Ergänzend haben die Sachbeistände der Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass ohne eine separate Trasse für den Personennahverkehr der über mindestens 7 Stunden angestrebte 10-Minuten-Takt der S-Bahn aufgrund der Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den verschiedenen Personenverkehren einerseits und zwischen Güterverkehr und Personenverkehr andererseits, nicht realisierbar sei. Bei einer gemeinsamen Trassennutzung durch den Personennah- und -fernverkehr sowie den Güterverkehr seien Zugkreuzungen und Überholungen mit den dadurch verursachten Nachteilen wie Verspätungsübertragungen unvermeidlich.

84 Auch die Kritik an der Leistungsfähigkeit der zweigleisigen Horner Kurve greift nicht durch. Abgesehen davon, dass es auch insoweit an einer Auseinandersetzung mit der EBWU fehlt, weist die Beigeladene überzeugend darauf hin, dass die aufgrund der notwendig werdenden Zugkreuzungen unterstellte Reduktion der Leistungsfähigkeit der Strecke 1120 von 12 auf 6 Güterzüge pro Stunde zu keiner Gefährdung des geplanten Betriebsprogramms führte. Dies gelte sowohl bei Zugrundelegung der Prognosen 2025 und 2030 als auch des Deutschlandtaktes. Die Kläger räumen im Übrigen selbst ein, dass der planfestgestellte Bau einer separaten S-Bahn-Trasse zu einem gewissen Ausgleich für die vorhabenbedingte Einschränkung der Strecke 1120 führe. Soweit sie dabei kritisieren, die entlastende Wirkung sei auf den Abschnitt beschränkt, in dem separate S-Bahngleise vorgesehen sind, setzen sie sich erneut nicht mit der EBWU auseinander, die das gesamte Vorhaben bis Bad Oldesloe betrachtet.

85 c) Der Planfeststellungsbeschluss weist auch im Übrigen keine Abwägungsfehler auf.

86 Der Abwägung liegt ein hinreichender Prognosezeitraum zugrunde. Entgegen der Auffassung der Kläger, bei Infrastrukturprojekten sei ein Prognosehorizont von 15 Jahren anzulegen, ist ein Zeitraum von 10 Jahren ab Planfeststellung (hier in 2020) in der Regel hinreichend; auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme ist dabei nicht abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 87). Grundsätzlich ist die zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende aktuelle Prognose zu verwenden. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist neben den Prognosezugzahlen des Bundes für den Fern- und Güterverkehr (2030) das Betriebsprogramm für den Schienenpersonennahverkehr des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) und der S-Bahn Hamburg GmbH (vgl. PFB S. 204).

87 Dass der Planfeststellungsbeschluss eine im Klageverfahren geltend gemachte Unvereinbarkeit des S4-Vorhabens mit dem "Deutschlandtakt" nicht berücksichtigt hat, begründet ebenfalls keinen Abwägungsfehler. Der angestrebte "Deutschlandtakt" setzt auf den Infrastrukturmaßnahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 auf, stellt jedoch keine Prognose, sondern lediglich eine "konkrete Angebotsvision", eine verkehrspolitische Zielsetzung dar, deren Umsetzung von zahlreichen Faktoren abhängt. Der "Deutschlandtakt" bildet ein Grundgerüst für den wirtschaftlichen Ausbau sowie eine optimale Nutzung der Schieneninfrastruktur; der Zielfahrplan beinhaltet hierbei nur Mustertrassen (vgl. BT-Drs. 19/11254 S. 3). Auch trifft der "Deutschlandtakt" keine Festlegungen zur Finanzierung der zu seiner Umsetzung erforderlichen Infrastruktur und legt kein rechtlich verbindliches Bedienangebot fest (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Zielfahrplan Deutschlandtakt - Informationen zum dritten Gutachterentwurf, 30. Juni 2020, S. 4 f.; zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 121).

88 Deshalb stehen auch die von den Klägern befürchteten Engpässe im Bereich der Gleiskreuzungen, der Horner Verbindungskurve, beim Einfädeln auf die Fernbahngleise sowie beim Wenden in Ahrensburg und andernorts unter Hinweis auf den "Deutschlandtakt" der Planung nicht entgegen. Es ist nicht plausibel, dass ein dreimaliges Einfädeln in der Stunde bzw. ein bis zu dreimaliges Wenden an den Zielhaltestellen zu Engpässen führen kann oder gar muss. Auch die Bezugnahme auf die protokollierten Ausführungen von Prof. H. im Erörterungstermin (Anlage K16, S. 26 f.) zeigen Planungsfehler nicht auf, sondern beziehen sich auf Engpässe, die auf anderen Teilen der Strecke gegebenenfalls entstehen werden, wenn alle Planabschnitte realisiert werden und die Trasse auch durch die S4 tatsächlich genutzt wird. Die Ausführungen kommen dabei schließlich zu dem Ergebnis, dass die Planung noch ausgeweitet werden müsse und bis Bad Oldesloe eigene Gleise für den S-Bahn-Verkehr vorzusehen seien (a.a.O. S. 27).

89 Entgegen der Auffassung der Kläger steht auch das Trennungsgebot des § 50 BImSchG der Planung nicht entgegen. Bereits sein Wortlaut ("so weit wie möglich") lässt sich nur als Abwägungsdirektive auffassen, die durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden kann (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 151). Mit Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass ein Nahverkehrsprojekt zwingend in der Nähe der Nutzer - also auch und gerade in Wohngebieten - verwirklicht werden muss.

90 Die verkehrliche Eignung der neuen Haltestellen Claudiusstraße und Bovestraße stellen die Kläger in Frage; das höhere Fahrgastaufkommen rechtfertige die neuen Stationen nicht. Dieser Einwand ändert nichts an der auch von den Klägern geteilten Erkenntnis, dass die Aufhebung der Station Wandsbek baulich zwingend erforderlich ist. Schließlich weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Kritik, die neuen Stationen lägen nur ca. 800 m auseinander, vor dem Hintergrund der Beschleunigungsmöglichkeiten der S-Bahnen und des Planungsziels, den Nahverkehr attraktiver zu gestalten, gerade nicht durchgreift.

91 Soweit die Kläger die Planung unter Hinweis auf Finanzierungsdefizite angreifen, spielt das für die rechtliche Bewertung des Planfeststellungsbeschlusses keine Rolle. Ob die Finanzierung abschließend und rechtskonform gesichert ist, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung, sondern ihrer Umsetzung. Dass die Umsetzung der Planung gar nicht finanzierbar wäre, tragen die Kläger schon nicht vor.

92 Auch die optischen und sozialen Trennwirkungen der hohen Lärmschutzwände führen nicht auf einen Abwägungsfehler. Die Beklagte hat die Belange der Kläger zutreffend ermittelt und gewichtet. Die Lärmschutzwände mit einer Höhe von 6 m werden im Planfeststellungsbeschluss behandelt. Insbesondere die optische Trennwirkung, Verschattung und optische Beengung wurden bereits im Rahmen der Umweltauswirkungen auf die Landschaft im Sinne von § 11 UVPG 2010 dargestellt und im Sinne von § 12 UVPG 2010 bewertet (vgl. PFB S. 157 f. und S. 176 f.). Die sozialen Folgen der Lärmschutzwände sind gleichfalls dargestellt und bewertet worden (vgl. PFB S. 138 f. und S. 164 f.). Ins Einzelne gehende Erwägungen fanden statt (PFB S. 262 ff.). Hierauf aufbauend hat die Beklagte - auch unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die bereits seit langem vorhandene Trasse - den öffentlichen Belangen an der Verwirklichung des Vorhabens den Vorrang eingeräumt. Dies ist von ihrem Planungsermessen gedeckt. Auswirkungen auf ein historisches Ensemble in der Oldenfelder Straße in Alt-Rahlstedt sind nicht zu prüfen gewesen. Die Örtlichkeit liegt im dritten Planfeststellungsabschnitt. Dies gilt auch, soweit archäologische Fundgebiete in anderen Planfeststellungsabschnitten angesprochen werden.

93 Ist der Planfeststellungsbeschluss somit rechtmäßig, bleibt für die Hilfsanträge der Kläger, ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, kein Raum.

94 III. Der auf die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine weitere Maßnahme des passiven Lärmschutzes gerichtete Hilfsantrag des Klägers zu 1 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

95 Der Verpflichtungsantrag ist nicht begründet. Der Kläger zu 1 hat keinen Anspruch auf die begehrte Errichtung einer transparenten Lärmschutzwand zur Schließung der aus denkmalschutzrechtlichen Gründen offengelassenen Lücke in der Lärmschutzwand im Bereich des Bahnhofs Wandsbek.

96 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nicht jeder Grundstücksteil im Rahmen der Verkehrslärmschutzverordnung schützenswert ist, sondern nur Außenwohnbereichsflächen wie Balkone, Loggien und Terrassen und sonstige zum Wohnen im Freien geeignete und bestimmte Flächen des Grundstücks wie Gartenlauben und Grillplätze hierzu zählen. Vor- oder Nutzgärten stellen - von Ausnahmekonstellationen abgesehen - keine Fortsetzung des Wohnens im Freien dar (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. September 1993 - 4 C 9.91 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 94 S. 109 f. und vom 30. Mai 2012 - 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 54).

97 Hinter dieser Differenzierung steht der Gedanke, dass nur solche Außenbereichsflächen vom Schutzzweck der Verkehrslärmschutzverordnung erfasst werden, auf denen sich die Anwohner nicht nur vorübergehend aufhalten. Dies entspricht dem Schutzzweck der Verkehrslärmschutzverordnung, der sich auf die Nachbarschaft (§ 2 Abs. 1) und damit einen Personenkreis, der einen besonderen Bezug zum Einwirkungsbereich der emittierenden Quelle aufweist, beschränkt. Hierzu zählen die im Biergarten anwesenden Gäste nicht. Ihnen fehlt es an einer näheren Beziehung zu dem Grundstück als Einwirkungsort von Immissionen, weil sie sich nur gelegentlich sowie zeitlich begrenzt dort aufhalten und sie sich dem Lärm entziehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 33 zur AVV Baulärm; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 3 Rn. 43; Schulte/Michalk, in: Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, BeckOK, Stand Oktober 2021, § 3 BImSchG Rn. 63, 68). Das gilt auch für das Gaststättenpersonal, das sich nicht hinreichend dauerhaft gerade nur in dem Biergarten, sondern regelmäßig auch innerhalb des Gebäudes aufhält und dort nicht wohnt.

98 Soweit der Kläger zu 1 der Sache nach rügt, seine Vermögensinteressen seien in diesem Zusammenhang unberücksichtigt geblieben, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Diesen Umstand schützt das Bundesimmissionsschutzgesetz nicht, dessen Zweck es ist, u.a. Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen (§ 1 Abs. 1 BImSchG).

99 Der Kostentenor war wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 118 Abs. 1 VwGO dahingehend zu berichtigen, dass es statt "Kläger zu 2 bis 6 als Gesamtschuldner" "Kläger zu 2 bis 5 als Gesamtschuldner" heißt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gesamtschuldnerische Haftung der Kläger zu 2 bis 5 folgt aus § 159 Satz 2 VwGO.

Urteil vom 05.10.2021 -
BVerwG 7 A 14.20ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A14.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.10.2021 - 7 A 14.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A14.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 14.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
am 5. Oktober 2021 für Recht erkannt:

  1. Die Klagen werden abgewiesen.
  2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 1, 2 und 3 je 1/17, die Kläger zu 7, 10 und 11 je 2/17, die Kläger zu 4 bis 6 als Gesamtschuldner 2/17 und die Kläger zu 8 und 9 als Gesamtschuldner 6/17.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek".

2 Die beigeladene DB Netz AG plant den Bau der S-Bahnlinie S4 von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Hamburg-Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.

3 Von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg soll die Strecke zweigleisig und von Ahrensburg bis Ahrensburg-Gartenholz eingleisig gebaut werden; im Übrigen soll die S-Bahn die bestehenden Gleise nutzen. Daneben sollen zugunsten des Güterverkehrs Anpassungen einschließlich teilweiser Neuerrichtungen der bestehenden Gleisführungen erfolgen.

4 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der 1. Planfeststellungsabschnitt, dessen Feststellung die Beigeladene im August 2016 beantragte. Am 24. August 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 4. Planänderung erlassen und im Amtlichen Anzeiger der Stadt Hamburg am 15. September 2020 öffentlich bekannt gemacht.

5 Sämtliche Kläger dieses Verfahrens sind Eigentümer von Grundstücken, die im Bereich des Planfeststellungsabschnitts 1 liegen. Die Grundstücke mit Ausnahme des Grundstücks der Klägerin zu 2 sollen teilweise dauerhaft und bauzeitlich in Anspruch genommen werden.

6 Die Kläger haben gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Die ebenfalls beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat der Senat mit Beschlüssen vom 28. Oktober 2020 (BVerwG 7 VR 2.20 ) und vom 11. November 2020 (BVerwG 7 VR 5.20 ) abgelehnt. Erste Bauarbeiten finden statt.

7 Mit Ausnahme der Klägerin zu 2 wenden sich die Kläger gegen die Inanspruchnahmen ihrer Grundstücke durch die geplanten Maßnahmen. Sie beanstanden Fehler im Beteiligungsverfahren, der Umweltverträglichkeitsprüfung, eine mangelnde Planrechtfertigung, betriebsbedingte und baubedingte Immissionen durch Lärm, Erschütterungen, elektromagnetische Felder und (baubedingten) Staub, mit den Lärmschutzwänden einhergehende Verschattungen und das vorhabenbedingte Fällen von Bäumen. Die eigentumsbetroffenen Kläger könnten sich auf einen Verstoß gegen das naturschutzrechtliche Vermeidungsgebot und die Unterlassungspflicht nach dem Bundesnaturschutzgesetz berufen. Aufgrund des hohen ökologischen Wertes alter Bäume sei ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Planung nicht erkennbar. Die artenschutzrechtliche Prüfung sei in Bezug auf Amphibien und wirbellose Tiere unzureichend. Die Quartierkartierung für Fledermäuse sei methodisch fehlerhaft. Der Plan leide an Abwägungsfehlern. Die Abschnittsbildung sei fehlerhaft. Dem Planfeststellungsabschnitt 1 komme keine eigene Verkehrsbedeutung zu. Alternativen seien unberücksichtigt geblieben. Die erhoffte Steigerung der Passagierzahlen sei zweifelhaft. Die Lärmschutzwände seien nicht erforderlich.

8 Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek" aufzuheben,
hilfsweise,
ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um weitere Schutzauflagen zu ergänzen.

9 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klagen abzuweisen.

10 Sie treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

II

11 Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Er leidet nicht an Fehlern, die zu seiner Aufhebung, zur Feststellung seiner Rechtswidrig- und Nichtvollziehbarkeit oder - im Sinne des Hilfsantrags - zu der Verpflichtung der Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um weitere Schutzauflagen führen.

12 A. Das Bundesverwaltungsgericht ist als erstinstanzliches Gericht zuständig.

13 Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG in der vor dem 13. März 2020 geltenden Fassung (vgl. § 38 Abs. 8 AEG). Gemäß § 18e Abs. 1 Nr. 5 AEG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, soweit die Vorhaben Schienenwege betreffen, die wegen der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage 1 aufgeführt sind. Diese Anlage weist die dort genannten Schienenwege ausdrücklich der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu. Die Zuweisung richtet sich nach der Vorhabenbezeichnung in der Anlage. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist an die Aufnahme des Vorhabens in die Anlage zum Allgemeinen Eisenbahngesetz geknüpft, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte (vgl. Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2012, § 18e Rn. 2). Die Vorhabenbezeichnungen entstammen dem Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (vgl. Schütz, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 18e AEG Rn. 17). In Nr. 41 der Anlage 1 ist der Großknoten Hamburg aufgeführt.

14 Die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an das Bundesverwaltungsgericht als erst- und letztinstanzliches Gericht bedarf der hinreichenden Begründung. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes von denen der Länder berührt den föderalen Aufbau des Gerichtswesens und damit die Aufgabenverteilung im Bundesstaat (Art. 92 Halbs. 2, Art. 20 Abs. 1 GG). Bei der Beurteilung, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Gesetzgeber, weil damit oft (verkehrs-, wirtschafts- und rechts-)politische Wertungen verbunden sind, ein weiter Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Ein hinreichender Grund für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben. Die hier in Rede stehende Regelung betrifft Verkehrsprojekte, deren Fertigstellung der Gesetzgeber wegen eines gesamtstaatlichen Interesses, das über eine bloß regionale Bedeutung der Projekte hinausgeht und die Bundesebene berührt, für besonders eilbedürftig hält (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 31 ff.; Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 50 Rn. 17).

15 Der Katalog der Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG knüpft begrifflich wie inhaltlich an den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) an (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 43). Dort werden "Großknoten" einschließlich des Großknotens Hamburg in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 als (neue) Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs - Engpassbeseitigung (VB-E) eingestuft. Eine nähere Bestimmung der einem Großknoten zuzuordnenden Teile des Schienenwegenetzes der Eisenbahnen des Bundes (vgl. § 1 Abs. 1 BSWAG) findet sich an dieser Stelle nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, den Begriff des Großknotens näher zu bestimmen. Er hat diesen lediglich aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übernommen, der dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege zugrunde liegt (vgl. BT-Drs. 18/9524 S. 12, 22 f.). Der Bundesverkehrswegeplan stellt zu den Großknoten-Projekten fest, diese könnten voraussichtlich einen wichtigen Beitrag zur Engpassauflösung im Schienennetz leisten, und sieht hierfür ein besonderes Budget vor, behält jedoch aufgrund der verkehrlichen Komplexität die Identifizierung der notwendigen konkreten Maßnahmen in den Knoten sowie den Nachweis ihrer Wirtschaftlichkeit einer nachfolgenden Untersuchung vor (vgl. BVWP S. 39). Dementsprechend listet der Bedarfsplan die Knoten Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Mannheim und München in Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 lfd. Nr. 38 bis 43 als Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen können und nach Satz 2 der Vorbemerkungen in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen werden, sobald sie die Kriterien dafür nachweislich erfüllen. Die Listung der Großknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim und München als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 des Bedarfsplans erfüllt insoweit - ebenso wie lfd. Nr. 24 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <Streckenmaßnahmen>"), Nr. 26 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <weitere Knoten, mikroskopische Maßnahmen>") und Nr. 27 ("Kombinierter Verkehr/Rangierbahnhöfe") im Hinblick auf die entsprechenden Vorhaben des Potenziellen Bedarfs nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 - die Funktion einer Öffnungsklausel bzw. eines "Platzhalters" (vgl. auch BVWP S. 39: "Im Vordringlichen Bedarf ist ein Budget als Platzhalter für die Projekte des Potenziellen Bedarfs vorgesehen."). Auf diese Weise werden die Vorhaben unter dem Vorbehalt weiterer Prüfung dem Vordringlichen Bedarf bereits gesetzlich zugeordnet (vgl. auch schon BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2 Rn. 4).

16 Es bedarf deshalb für den Aufstieg eines Vorhabens vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf nicht erst noch einer Anpassung des Bedarfsplans, für die § 4 Abs. 1 Satz 2 BSWAG ein Gesetz voraussetzt. Ausreichend ist vielmehr eine hinreichend verlautbarte Verwaltungsentscheidung, wie sie hier für den Knoten Hamburg mit der im November 2018 bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zum Aufstieg in den Vordringlichen Bedarf erfolgt ist (vgl. BMVI, Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs, 5. November 2018, S. 30; Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030, 6. November 2018, S. 1 f.; vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 7.20 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 4 Rn. 6). Dabei führt die Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs zum Knoten Hamburg (lfd. Nr. 39) aus (Bewertung S. 30), dass der Planfall u.a. auch die S4 Ost umfasst (unter 3: Ausbau S4 Hasselbrook-Ahrensburg). Des Weiteren wird zum Potenziellen Bedarf der Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg (lfd. Nr. 25) dargelegt, dass das Projekt S4 Ost als Teil des Knotens Hamburg effektiver die Verkehrsbedürfnisse als ein dreigleisiger Ausbau erfüllt (Bewertung S. 31). Zudem verweist der Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan im Zusammenhang mit dem Knoten Hamburg auch auf die mitumfasste S4 Ost (S. 2). Diese Zuordnung von Ausbau- und Neubauvorhaben zum Großknoten Hamburg ist nicht zu beanstanden.

17 Die Zuordnung hat vom Begriff des "Großknotens" her zu erfolgen, dessen Gehalt anhand objektiver Kriterien durch Auslegung zu bestimmen ist. Dabei kommt auch dem Beschleunigungszweck, der gleichermaßen § 18e Abs. 1 AEG wie dem Bundesschienenwegeausbaugesetz zugrunde liegt, Bedeutung zu. Neben einem räumlichen Zusammenhang mit einer der genannten Knoten-Standorte kommt es danach wesentlich auf die Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion an, wie sie für Verkehrsknoten, an denen zahlreiche Verkehrsströme mit unterschiedlichen Schienenverkehrsarten (Fern- und Nahverkehr, Personen- und Güterverkehr) zusammenfließen, charakteristisch ist. Das jeweilige Vorhaben muss einen funktionalen Beitrag zu dieser Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion des betreffenden Knotens leisten. Es muss eine knotentypische Verknüpfungsfunktion gegeben sein, was bei hinreichender räumlicher Nähe und Einbindung in das am jeweiligen Knoten bereits existierende Schienenwegenetz regelmäßig der Fall sein wird. So liegt es auch hier.

18 Der Neubau der im Hamburger Stadtgebiet beginnenden S-Bahnstrecke zielt neben einer verbesserten Anbindung des Hamburger Ostens und des südöstlichen Teils Schleswig-Holsteins im Schienenpersonennahverkehr auf eine zumindest teilweise Entflechtung der knotentypisch gewachsenen Parallelnutzung der Bestandsanlagen durch Nah- und Fernverkehr sowie Personen- und Güterverkehr und, in der Folge, auf eine Taktverdichtung im S-Bahnverkehr. Zugleich sollen im Hauptbahnhof Hamburg die Fernbahnsteige entlastet und insoweit freie Kapazitäten geschaffen werden. Auch wird aufgrund vereinfachter Umstiege zu anderen S-Bahnen und der Möglichkeit einer direkten Weiterfahrt zu Zielen in der Hamburger Innenstadt eine Entlastung von Bahnsteigen, Treppenanlagen und anderen Wegen im Hauptbahnhof bezweckt. Die neuen Haltepunkte Claudiusstraße und Bovestraße zielen darauf, einen größeren Personenkreis als bislang zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu veranlassen.

19 Auch der Ausbau der Horner Kurve ist dem Großknoten Hamburg zuzurechnen. Der Umstand, dass die Horner Kurve im BVWP 2030 (S. 168) als Bestandteil des unter Nr. 25 aufgeführten Vorhabens Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg des Potenziellen Bedarfs erwähnt wird, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich hierbei, wie sich aus der als Anlage 2 dem BVWP 2030 beigefügten Projektliste ergibt, lediglich um eine vorläufige Beschreibung der Maßnahme, die keine konstitutive Bedeutung hat. Sie steht daher einer Realisierung im Rahmen eines anderen Vorhabens - hier des Vordringlichen Bedarfs - nicht entgegen, sofern eine räumlich-funktionale Einbindung in das andere Vorhaben gegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um eine Teilmaßnahme handelt, die weder die Identität des neuen Gesamtvorhabens betrifft noch dessen Wirtschaftlichkeitsbeurteilung erheblich verändert. Angesichts der hiernach bestehenden räumlich-funktionalen Einbindung des streitigen Vorhabens in das Hamburger Schienenwegenetz spricht auch der vom Gesetzgeber mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte Beschleunigungszweck für seine - einheitliche - Zuordnung zum "Großknoten Hamburg" im Sinne der lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG.

20 B. Die Anfechtungsklagen sowie die hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen sind zulässig.

21 Die Kläger zu 1 und 3 bis 11 sind als Eigentümer von Grundstücken, die im Bereich des 1. Planfeststellungsabschnitts liegen, klagebefugt. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht mindestens im Hinblick auf dauerhafte oder vorübergehende Grundstücksinanspruchnahmen ihres Eigentums, so dass sie einen "Vollüberprüfungsanspruch" geltend machen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff., Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 11 f. m.w.N.). Das gilt auch für die Klägerin zu 11, die nach dem Vortrag der Beigeladenen Miteigentümerin des Grundstücks und Gebäudes ist. Ihr Miteigentum ist als Ganzes betroffen. Auch die Klägerin zu 2 ist klagebefugt. Zwar wird ihr Grundstück durch das Vorhaben nicht in Anspruch genommen. Allerdings rügt sie, dass aufgrund der Lage des Grundstücks die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch Immissionen bestehe, und sie zieht die Unrichtigkeit der Prognosen in Zweifel. Das genügt, um die Möglichkeit einer Rechtsverletzung zu bejahen.

22 C. Die Klagen sind mit den Haupt- und den Hilfsanträgen unbegründet.

23 I. Der auf § 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützte Planfeststellungsbeschluss ist frei von Verfahrensmängeln.

24 1. Soweit die Kläger meinen, die Bekanntmachung sei mit Blick auf die freiwillig mitgeteilten täglichen Öffnungszeiten des Bezirksamts Wandsbek fehlerhaft gewesen, was die vollständige Durchdringung der Unterlagen verhindert und sich auch auf das Ergebnis der Planfeststellung ausgewirkt habe, hat das Vorbringen keinen Erfolg. Weder die Bekanntmachung noch die Auslegung der Planunterlagen im Bezirksamt Wandsbek waren fehlerhaft.

25 Gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwVfG ist in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, "in welchem Zeitraum" der Plan zur Einsicht ausgelegt ist. Die Vorschrift regelt die Dauer der Auslegung, aber nicht, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten die Planunterlagen bei der auslegenden Behörde eingesehen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 1985 - 4 C 64.80 - Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 11 S. 2). Dass die angegebenen Öffnungszeiten im Grundsatz zutreffend, ferienbedingt aber verkürzt waren, hat die Kläger nicht unzumutbar an der Einsichtnahme gehindert (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 14). Gegenteiliges macht die Klage nicht schlüssig geltend. Es handelte sich lediglich um eine in den Sommerferien übliche stundenweise Reduzierung, so dass eine rechtserhebliche Einschränkung der Auslegung nicht vorliegt.

26 2. Ein Verfahrensfehler wegen ungleicher Behandlung des Klägers zu 7 liegt gleichfalls nicht vor. Eine Eingangsbestätigung, die der Kläger zu 7 fordert, verlangt § 73 VwVfG nicht. Eine Ungleichbehandlung ist auch nicht darin zu erkennen, dass dem Kläger zu 7 die Stellungnahmen zu seinen schriftlichen Einwendungen erst drei Tage vor dem Erörterungstermin übermittelt wurden. Eine Pflicht zur Übermittlung vor dem Erörterungstermin besteht nicht (vgl. § 73 VwVfG). Auch ist die Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses an den Bevollmächtigten des Klägers zu 7 nach § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG wirksam, ohne dass zwingend eine schriftliche Vollmacht vorgelegen haben müsste (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG). Schließlich hat sich die Beklagte mit den Einwendungen befasst (PFB S. 441 ff.).

27 3. Des Weiteren war die Umweltverträglichkeitsstudie nicht an die Ergebnisse des nachgereichten Verschattungsgutachtens anzupassen. Die Unterlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung sind erstmals bereits vor dem 16. Mai 2017 von der Beigeladenen vorgelegt worden, so dass die vor diesem Zeitpunkt geltende Fassung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes maßgeblich ist (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 UVPG n.F.). Die heute geltenden Bestimmungen über einen vom Vorhabenträger vorzulegenden "Bericht" im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 UVPG n.F. sind daher nicht anwendbar. Demnach war der Vorhabenträger nur gehalten, die "entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens" zu Beginn des Verfahrens, in dem die Umweltverträglichkeit geprüft wird, vorzulegen und eine allgemeinverständliche nichttechnische Zusammenfassung zu liefern (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 UVPG a.F.). Dagegen war die Beigeladene nicht verpflichtet, eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens vorzulegen (BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 24 a.E.; Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 9 B 27.05 - Buchholz 406.251 § 11 UVPG Nr. 4 Rn. 15). Es war ausreichend, dass die Beigeladene das Verschattungsgutachten als separates Gutachten vorlegte, dies dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt wurde und alle Unterlagen einer gemeinsamen Darstellung und Bewertung sowie Würdigung erst im Planfeststellungsbeschluss zugeführt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 27). Das ist geschehen (PFB S. 140 - Tabelle - und S. 164 f. sowie S. 296 ff.) und wurde durch die Festlegung von Entschädigungsregelungen berücksichtigt (PFB S. 82 f.).

28 II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen materiellen Fehlern.

29 1. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt.

30 Die Planrechtfertigung als ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 m.w.N. und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 33), liegt für das planfestgestellte Vorhaben vor. Die Planrechtfertigung kann sich aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ergeben, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist und grundsätzlich die Nachprüfung ausschließt, ob für das geplante Vorhaben ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (§ 1 Abs. 2 BSWAG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - a.a.O.). Insoweit geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 180 ff.) zutreffend davon aus, dass das Vorhaben gemessen an den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene zu gewährleisten, und der gesetzlichen Bedarfsfeststellung vernünftigerweise geboten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 58 und Beschluss vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 7 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, es also für das Vorhaben offensichtlich keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1995 - 2 BvR 2397/94 - NVwZ 1996, 261), liegen nicht vor. Die von den Klägern erhobenen Rügen greifen nicht durch.

31 Sie meinen zu Unrecht, es bedürfe für die mitgeplanten Änderungen an den für den Fern- und Güterverkehr bestimmten Gleisen einer eigenen Planrechtfertigung im engeren Sinne. Als Teile eines einheitlichen Vorhabens nehmen sie an dessen planerischer Rechtfertigung teil.

32 Grundsätzlich bestimmt der Träger eines Vorhabens dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen aufgrund des materiellen Planungsrechts unterworfen, die sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot ergeben. Die Aussagekraft der Abwägung darf insbesondere nicht durch Zusammenfassung mehrerer Planungen beeinträchtigt werden. Grenzen des Bestimmungsrechts des Vorhabenträgers bestehen deshalb, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen von ihm als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich um mehrere Vorhaben. Der Vorhabenträger darf dann nicht mehrere Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulässigkeit jedes der Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird. Die mit der Behandlung als ein Vorhaben einhergehende Abwägung der kumulierten Vorteile gegen die kumulierten Nachteile könnte nämlich dazu führen, dass ein Vorhaben ein anderes "mitzieht", obwohl dessen Verkehrsbedeutung bei isolierter Betrachtung die Umweltauswirkungen der allein durch es verursachten Baumaßnahme nicht rechtfertigen würde. Die Rechtmäßigkeit einer Planung kann aber nicht davon abhängen, ob der Vorhabenträger seine Planungsziele mit getrennten Planfeststellungsanträgen verfolgt oder die Ziele und Maßnahmen in einem Antrag bündelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 35).

33 Hieran gemessen stellen die drei Maßnahmen "Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke", "Erweiterung der Horner Verbindungskurve um ein zweites Gleis" und "Verlängerung der Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek" ein einziges Vorhaben im fachplanungsrechtlichen Sinne dar.

34 Die mit der geplanten S-Bahn-Neubaustrecke verfolgten Ziele wären ohne den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Gleisverlängerungen im Güterbahnhof Wandsbek nicht in vollem Umfang erreichbar. Der Neubau der S-Bahnstrecke zielt wesentlich auf eine Entflechtung des Personennahverkehrs vom Fern- und Güterverkehr ab (PFB S. 181, 330; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14). Die Erweiterung der Verbindungskurve um ein zweites Gleis gleicht den Entfall der bislang vorhandenen Güterverkehrsinfrastruktur aus, die für die Errichtung der zwei neuen S-Bahngleise zurückgebaut werden muss (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 20). Die durch den S-Bahn-Neubau zwischen den neuen S-Bahnstationen Claudiusstraße und Bovestraße notwendig werdende Verlegung der Gleise der Bestandsstrecke 1120 nach Süden zieht ihrerseits einen Teilrückbau und damit eine Verkürzung der südlich der Strecke 1120 parallel dazu verlaufenden Güterzugstrecke 1242 nach sich (PFB S. 96 f., 201; Lagepläne, Planunterlagen 3.5 und 3.6 ). Im Güterbahnhof Wandsbek werden durch den Neubau der S-Bahngleise Überholungsgleise "verdrängt" (PFB S. 201). Die hieraus folgenden Kapazitätsverluste auf der vorhandenen Strecke sollen durch den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Verlängerung der als Güterzugüberholungsgleise dienenden Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek abgewendet werden (PFB S. 97, 201). Soweit mit den Maßnahmen in ihrer Gesamtheit auch das Ziel verfolgt wird, infolge der Verlagerung des Personennahverkehrs auf separate S-Bahngleise freiwerdende Kapazitäten auf der Bestandsstrecke 1120 für zusätzliche Fern- und insbesondere Güterverkehre zur Verfügung zu stellen (PFB S. 181, 201, 203; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14, 23), entspricht dies dem Sinn und Zweck einer Entflechtung unterschiedlicher Verkehre. Damit trägt die Planung dem vom Gesetzgeber für den Großknoten Hamburg grundsätzlich festgestellten Bedarf an einer Engpassbeseitigung (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 25 der Anlage zu § 1 BSWAG) Rechnung. Dies geschieht gerade in der Kombination der einzelnen Maßnahmen, die jeweils für sich genommen allenfalls einen geringeren Beitrag zur Verkehrsentflechtung und Engpassbeseitigung zu leisten in der Lage wären.

35 2. Das Vorhaben begegnet keinen habitatrechtlichen Bedenken.

36 Im 1. Planfeststellungsabschnitt liegen keine FFH-Gebiete. Eine Betroffenheit des im Planfeststellungsabschnitt 2 gelegenen FFH-Gebiets "Stellmoorer Tunneltal/Höltigbaum DE 2327-302" und des im Planfeststellungsabschnitt 3 liegenden FFH-Gebiets "Kammmolchgebiet Höltigbaum/Stellmoor DE 2327-301" ist aufgrund der Entfernung vom Abschnittsende des Planfeststellungsabschnitts 1 ausgeschlossen. Zu Recht geht der Planfeststellungsbeschluss daher davon aus, dass in dem ersten Planungsabschnitt lediglich eine summarische Prüfung erforderlich ist, ob im weiteren Verlauf eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebiete bestehen könnte und ob gegebenenfalls für die Planfeststellungsabschnitte 2 und 3 die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG bestehen (PFB S. 218 ff.). Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist eine summarische Prüfung erforderlich, aber auch ausreichend, ob der Verwirklichung des Gesamtvorhabens keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 115 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 68 Rn. 32 <insoweit in BVerwGE 156, 215 nicht abgedruckt>).

37 Auf der Basis der vorliegenden Umweltverträglichkeitsuntersuchung und der im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits vorliegenden FFH-Verträglichkeitsprüfung und FFH-Ausnahmeprüfung für den Planfeststellungsabschnitt 2 war für den Streckenverlauf die Prognose zulässig, dass Gebietsschutzrecht dem Vorhaben nicht entgegensteht. Die Ausführungen der Kläger bleiben unsubstantiiert. Soweit sie unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 3 BNatSchG darauf hinweisen, dass großräumige Güterumfahrungsvarianten nicht im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung geprüft worden seien und daher eine schonendere alternative Streckenführung mit gleicher verkehrlicher Eignung nicht ausgeschlossen worden sei, ist damit ein in den Folgeabschnitten bestehendes unüberwindbares Hindernis nicht dargetan. Hieran fehlt es auch deswegen, weil die Planung nach dem Planfeststellungsabschnitt 1 nicht zwingend fortgesetzt werden müsste. Die neue Strecke 1249 könnte auch im Bereich der Grenze des 1. Planfeststellungsabschnitts an den zweiten Abschnitt in die Bestandsstrecke 1120 einfädeln.

38 Im Übrigen ist entgegen der Auffassung der Kläger die bestehende Bahntrasse als Vorbelastung des Landschaftsbildes zu berücksichtigen. Die Strecke ist eine Einheit und wird "ausgebaut". Die Beklagte vertritt mit Recht die Auffassung, dass auf diese Weise Neuzerschneidungen gerade vermieden werden können (PFB S. 176; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1996 - 11 VR 21.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 22 S. 82).

39 3. Der Planfeststellungsbeschluss hat die Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung des § 15 BNatSchG und der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Wandsbeker Geest zutreffend beurteilt.

40 Soweit die Kläger unter Berufung auf einen Landschaftspflegerischen Begleitplan für eine Planfeststellung aus 2012 geltend machen, die umfangreichen Baumfällungen und die Beseitigung sonstiger Gehölze auf privaten Grundstücken stellten einen erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft dar und seien vom hier erstellten Landschaftspflegerischen Begleitplan nur unzureichend erfasst und kartiert, führt dies nicht weiter. Die Kläger gestehen selbst zu, dass diese Erkenntnisse weder aktuell noch auf das Vorhaben "S4 Ost" übertragbar seien.

41 Für die Planungen sind nach den Ausführungen in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung die Kartieranleitungen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein herangezogen worden (vgl. Planunterlage 13.1 - Umweltverträglichkeitsstudie S. 30 ff.). Insbesondere nach der hier interessierenden Anleitung für Hamburg ist eine flächendeckende, aber selektive Kartierung vorgesehen, die es erlaubt, nicht kartierwürdige Lebensräume einem Hauptbiotop zuzuordnen (vgl. Kartieranleitung und Biotoptypenschlüssel Hamburg, 3. Aufl. 2019, S. 12). Der Landschaftspflegerische Begleitplan zeigt, dass markante Einzelbäume kartiert wurden (LPB S. 20 unter 6.1 .2).

42 Der Vortrag, die Kompensation für entfernte Bäume sei nicht ausreichend bemessen, weil ein Sachmodell für die Baumbewertungen herangezogen werden müsse, führt nicht weiter. Die Kläger verkennen, dass die Ersatzzahlung sich gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 BNatSchG nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten bemisst.

43 Die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Wandsbeker Geest (LSGVO WB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 2005 (HmbGVBl. 2005 S. 60), zuletzt geändert durch Art. 34 Nr. 24 der Verordnung vom 6. Oktober 2020 (HmbGVBl. S. 523, 529), und die Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. September 1948 (HmbBl. I 791-i), die entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch vorliegend anwendbar ist, stehen dem Vorhaben nicht entgegen. Der Planfeststellungsbeschluss befreit nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG von den zum Schutz von Bäumen und Gehölzen bestehenden Verboten der Verordnungen. Einer ausdrücklichen Entscheidung, die das Fällen von Bäumen und Gehölzen gestattet, bedurfte es insoweit nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 S. 207 f.). Es genügt, wenn sich die Befreiung aus dem Planfeststellungsbeschluss der Sache nach ergibt. Dies ist hier der Fall. Der Planfeststellungsbeschluss führt aus, dass die Rodung der 133 unter die Baumschutzverordnung fallenden Einzelbäume "im überwiegend öffentlichen Interesse" geschehe, weil anderenfalls das Gesamtvorhaben nicht oder nur unter unzumutbaren Beschränkungen verwirklicht werden könne, da trotz kleinräumiger Anpassungen zur Minimierung dieser Eingriffe ein zur Umsetzung der Maßnahme erforderlicher Flächenbedarf verbleibe (PFB S. 213 f.).

44 4. Der Planfeststellungsbeschluss steht in Einklang mit den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten. Artenschutzrechtliche Verstöße im Sinne von § 44 BNatSchG liegen nicht vor.

45 a) Der Amphibienschutz ist im Planfeststellungsbeschluss hinreichend berücksichtigt worden.

46 Erforderlich ist eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung (BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 37 f.). Ermittelt und untersucht werden müssen alle Umstände, die für eine sachgerechte (Planungs-)Entscheidung erforderlich sind. Dabei können auch Erkenntnislücken verbleiben. Es muss weder ein lückenloses Arteninventar erstellt noch eine allgemeine Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Maßgeblich sind die naturräumlichen Gegebenheiten des konkreten Falles. Je typischer die Gebietsstruktur, desto eher kann auch auf typisierende Merkmale und allgemeine Erfahrungen abgestellt werden. Es kann daher genügen, wenn für den Untersuchungsraum besonders bedeutsame Repräsentanten (Tier- und Pflanzengruppen) festgestellt werden und für die Bewertung der Auswirkungen mit Bioindikatoren gearbeitet wird. Bestehen dagegen Anhaltspunkte für das Vorhandensein besonders seltener Arten, ökologischer Strukturen oder Vorgänge, bedarf es weitergehender Ermittlungen. Sofern es für besonders schützenswerte oder hochwertige Arten oder Strukturen keine konkreten Anhaltspunkte gibt, muss nicht aktiv danach gesucht werden. Das Recht nötigt nicht zu einem Ermittlungsaufwand, der keine zusätzlichen Erkenntnisse verspricht (zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 162).

47 Die Vorabkartierung als Methode besitzt keinen Selbstzweck (vgl. Umweltleitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes - Teil III, S. 26). Entscheidend ist, ob die fachliche Einschätzung der Behörde, der Schutz der Amphibien sei durch die Planfeststellung hinreichend gesichert, richtig ist. Das ist hier der Fall. Für den Betrieb wurde die Vermeidungsmaßnahme V7 angeordnet, die die Herstellung von Kleintierdurchlässen vorsieht (Planunterlage 14.6 - Maßnahmenblätter, S. 32 des PDF-Dokuments). Zudem wurde für die Bauzeit die Vermeidungsmaßnahme V12 (Planunterlage 14.6 - Maßnahmenblätter, S. 38 des PDF-Dokuments) angeordnet. Danach ist das Baufeld mit einem dort näher beschriebenen Amphibienschutzzaun abzugrenzen und nach dessen Aufstellen und vor Einrichtung sind die Baufelder dreimal von einer fachkundigen Person abzusuchen und etwaige Exemplare sind an geeigneter Stelle auszusetzen. Auch im Nachgang während der Arbeiten ist das Baufeld regelmäßig zu kontrollieren. Dass danach noch eine Gefahr für etwaige Amphibienvorkommen nach dem Maßstab praktischer Vernunft verbleiben könnte, zeigen die Kläger nicht auf. Der angebotene Sachverständigenbeweis ist daher nicht zu erheben. Die Beweisbehauptung ist auf Geratewohl ins Blaue gestellt. Vorstehendes gilt auch, soweit die Kläger die Kartierung der Wirbellosen bemängeln, weil zwei kleinräumige Untersuchungen beschränkt auf eine Insektenordnung nicht ausreichten.

48 Ergänzend hat der für die Beigeladene tätige Planfeststellungsmanager R. in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine umweltfachliche Bauüberwachung stattfinden wird. Dies entspricht den Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses unter A.4.6 Nr. 14 (S. 59), wonach geeignete Maßnahmen umzusetzen sind, falls die umweltfachliche Bauüberwachung größere Vorkommen überwinternder Amphibien beobachten sollte.

49 b) Artenschutzrechtliche Verstöße im Hinblick auf Fledermäuse sind nicht gegeben.

50 Die Kläger befürchten, dass die Trasse als Jagdgebiet mit den zu errichtenden Lärmschutzwänden für die Fledermäuse zu einem erhöhten Kollisionsrisiko führen werde, weil die Tiere das warme Gleisbett zur Jagd aufsuchen würden. Auch würden die Lärmschutzwände die Flugrouten der Tiere irreversibel zerschneiden. Diese Befürchtungen sind unbegründet.

51 Der Planfeststellungsbeschluss trägt den Zugriffsverboten des § 44 BNatSchG in Bezug auf Fledermäuse Rechnung. Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist bei in Anhang IV Buchst. a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten im Rahmen von planfestgestellten Vorhaben dann erfüllt, wenn das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko signifikant erhöht und dies bei Anwendung der gebotenen fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann (§ 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Eine solche signifikante Erhöhung des Risikos kollisionsbedingter Verluste kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Fledermäusen dann in Betracht, wenn durch das Vorhaben Hauptflugrouten oder bevorzugte Jagdgebiete betroffen sind (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 141).

52 Danach liegt hier kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko vor. Nach der mit Hilfe von Detektoren, Sichtbeobachtungen und Horchboxen durchgeführten Bestandserfassung kommen in der Umgebung der Trasse insgesamt sieben Fledermausarten vor. Die Trasse quert im Planfeststellungsabschnitt 1 außerdem zwei Flugrouten, die östlich des Hammer Steindamms und innerhalb des Wandsbeker Gehölzes nachgewiesen wurden. Als Schutz vor Kollisionen dienen die in diesen Bereichen vorgesehenen 6 m hohen Lärmschutzwände, die niedrigfliegende und -jagende Fledermäuse an einem Queren der Trasse wirksam hindern. Für höherfliegende Fledermäuse ist die Kollisionsgefahr ohnehin gering. Zudem wird nach den überzeugenden und unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Sachbeistands der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung durch die Fahrleitungen und die Mittellärmschutzwand eine weitere Ablenkung geschaffen, die ein Absinken der Flughöhe im Bereich der Trasse wirkungsvoll verhindert.

53 Wenn die Kläger unter Bezug auf den Atlas für Säugetiere Hamburgs aus dem Jahr 2002 weiter meinen, es sei nicht nachvollziehbar, dass keine Winterquartiere und Wochenstuben der Fledermäuse gefunden worden seien, ist das unsubstantiiert. Denn der Atlas macht lediglich allgemeine Aussagen zu den in Hamburg bis 2002 vorkommenden Arten.

54 Auch das Vorbringen, mangels umfassender Vorabkartierung der Quartiere in einem Bereich von 1 500 m beidseits der Trasse liege ein methodischer Fehler vor, geht fehl. Es ist nicht ersichtlich, womit die Forderung nach einer solch umfassenden Kartierung fachlich begründet wird. So ist im Anhang III-3 des EBA-Umweltleitfadens Teil III (dort S. 80) nur ausgeführt, dass ein Korridor von 1 000 m Breite grundsätzlich in den Blick zu nehmen ist. Bei Ausbauvorhaben hingegen kann sich die Breite "z.T. erheblich verringern, da lediglich die Bereiche zu untersuchen sind, in denen zusätzliche Wirkungen zu erwarten sind", während bei entsprechender Empfindlichkeit eine erhebliche Aufweitung des Untersuchungsraums denkbar ist. Die hiesige Planung ist hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Fledermäuse einem Ausbauvorhaben vergleichbar. Dem entsprechen die Darstellungen in der Umweltverträglichkeitsstudie (Planunterlage 13.1 S. 25 Tabelle 1 bis 4). Dass die Untersuchung für Fledermäuse hier in einem Bereich von 400 m beidseits der Trasse durchgeführt wurde (vgl. UVS - Unterlage 13.1 S. 31 Tabelle 1 bis 10), ist daher nachvollziehbar und durch die pauschalen Ausführungen der Kläger nicht erschüttert.

55 Wenn die Kläger die Quartierkontrolle entsprechend der Maßnahme VA1 für unzureichend halten, zeigt dies keinen planungsrechtlichen Mangel auf. Mit Rücksicht auf die Ausführungen der Beigeladenen, die Quartiersuche werde mittels Ferngläsern, Leitern und sogar Hubwagen durchgeführt, ist nicht erkennbar, dass die Maßnahme VA1 (näher beschrieben in Planunterlage 14.6 - Maßnahmenblätter, S. 22 des PDF-Dokuments) ungeeignet wäre. Zu Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass diese Maßnahme bisher nicht beanstandet wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 76 Rn. 142 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 166, 132>).

56 Soweit die Kläger die Maßnahme VA2 kritisieren, weil nicht sichergestellt sei, dass durch einen immer häufiger auftretenden untypischen Winterschlaf der Fledermäuse die Tiere durch Fällungen und Abrisse gestört werden könnten, ist ebenfalls nicht ersichtlich, weshalb diese Maßnahme - die die gesetzlichen Schonzeiten für Baumfällungen festschreibt und sogar auf abzureißende Gebäude überträgt - unzureichend sei. Hinzuweisen ist zudem auf die flankierenden Maßnahmen VA1 (Quartierkontrolle und Verschluss) und VA3 (Bauüberwachung vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 76 Rn. 142 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 166, 132>).

57 c) Artenschutzrecht ist auch in Bezug auf Brutvögel nicht verletzt.

58 Der geltend gemachte Widerspruch zwischen den einzelnen Planfeststellungsunterlagen besteht nicht. Der Planfeststellungsbeschluss und der Landschaftspflegerische Begleitplan gehen für den Planfeststellungsabschnitt 1 übereinstimmend von 29 Vogelarten und 200 Revieren aus (PFB S. 142; LBP S. 40).

59 Soweit die Kläger einen durch die Beseitigung von Bäumen ausgelösten Konkurrenzdruck und Verdrängungswettbewerb der Brutvögel ausmachen wollen, was zur Erfüllung der Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG führen werde, ist dem nicht zu folgen. Die Ausführungen setzen sich schon nicht mit den diesbezüglichen Vermeidungs-, Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen auseinander, wie sie gerade in Bezug hierauf im Planfeststellungsbeschluss auch dargestellt werden (S. 223 ff.). Vor diesem Hintergrund ist die bloße Behauptung unsubstantiiert. Die Kläger verkennen, dass ein unbedingter Schutz bestehender Strukturen auch vor dem Hintergrund der Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG nicht besteht.

60 5. Der rechtlich gebotene Lärmschutz ist sowohl für die Bauzeit als auch für die vom Betrieb des Schienenverkehrsweges ausgehenden Geräusche gewahrt.

61 a) Die Rüge der Kläger, die Baulärmauflagen seien zu unbestimmt und unzureichend, bleibt ohne Erfolg. Auch wenn die Bauausführung - wie hier - mit erheblichen Beeinträchtigungen einhergeht, darf die Planfeststellungsbehörde sich in der Regel darauf beschränken, den verbindlichen Rahmen des Zumutbaren festzulegen und die Instrumente zu bestimmen, mit denen die Rechte der Betroffenen zu wahren sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 102). Die Umsetzung eines solchen zur Sicherstellung des gebotenen Schutzes tauglichen Konzepts kann der Bauausführung überlassen bleiben, wenn hierfür anerkannte technische Regelwerke zur Verfügung stehen. Entsprechende Maßnahmen sind im Planfeststellungsbeschluss (S. 66 ff.) angeordnet. Dies hat der Senat bereits in seinen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 11. November 2020 ausführlich gewürdigt. Hierauf wird verwiesen. Soweit die Kläger totalabsorbierende Baulärmschutzwände fordern, haben sie sich nicht mit dem Einwand der Beigeladenen auseinandergesetzt, dass solche Wände technisch nicht realisierbar seien. Für eine Baulärmgesamtbetrachtung im Sinne einer Vorabprognose, ist eine Rechtsgrundlage nicht erkennbar. Ohne hinreichenden Vortrag bleibt auch die geforderte Prüfung von Grenzwertüberschreitungen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (Geräuschimmissionen - AVV Baulärm). Die Beklagte verweist hierzu mit Recht darauf, dass die gemäß § 66 Abs. 2 BImSchG fortgeltende AVV Baulärm keine Grenzwerte, sondern Richtwerte benennt. Dass der Planfeststellungsbeschluss Überwachungsmaßnahmen und bei Überschreitung Maßnahmen bis hin zu Entschädigungsleistungen bestimmt (vgl. PFB S. 66 ff. und S. 246 ff.), steht nicht in Frage.

62 b) Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung der Verkehrsgeräusche sind §§ 41 ff. BImSchG und die 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV; vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 57). Die Verordnung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV anwendbar. Durch das Vorhaben wird ein Schienenweg durch ein oder mehrere Gleise baulich erweitert (PFB S. 255 f.).

63 Soweit die Kläger bezogen auf die Prognose 2030 die Verteilung der Güterzüge über die Tag- und Nachtzeit bemängeln, übersehen sie, dass die Prognose 2030 gemäß § 18g AEG im Rahmen der Verkehrslärmbetrachtungen keine Rolle spielt. Der durch Gesetz vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2237) mit Wirkung vom 7. Dezember 2018 eingefügte und daher auf den Planfeststellungsbeschluss anzuwendende § 18g Satz 2 AEG bestimmt, dass hinsichtlich des zu erwartenden Verkehrslärms das Planfeststellungsverfahren mit der zum Zeitpunkt der Einreichung des Plans prognostizierten Verkehrsentwicklung zu Ende zu führen ist, wenn die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden ist und sich der Beurteilungspegel aufgrund von zwischenzeitlichen Änderungen der Verkehrsentwicklung weder um mindestens 3 dB(A) noch auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht aufgrund neuer Prognosen erhöht (hierzu BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 55). Insoweit sind die Prognosen 2025 zugrunde gelegt worden (vgl. PFB S. 257). Abgesehen davon hat die von der Beigeladenen vorgelegte fachgutachterliche Stellungnahme der T. GmbH vom 15. September 2021 die in etwa gleichmäßige Tag-/Nachtverteilung der Güterzüge erneut bestätigt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung durch die Sachbeistände der Beklagten und der Beigeladenen darüber hinaus näher erläutert worden.

64 Die Fahrten über die Weichen mussten nicht gesondert betrachtet werden. Mit Nr. 4.3 der Anlage 2 zur 16. BImSchV (Schall 03) werden durch das Ansetzen einer Mindestgeschwindigkeit von 70 km/h die entsprechenden Geräusche mitberücksichtigt. Dasselbe gilt für Bremsgeräusche und Geräusche beim Anfahren. Hinsichtlich der von den Klägern vermissten Berücksichtigung von Klotzbremsen, weist die Beigeladene auf den Ansatz von 80 % Klotzbremsen gemäß Anhang A 3.2 zur Schalltechnischen Untersuchung (Planunterlage 15.1 S. 67) hin. Soweit die Kläger für den Bereich der Verbindungskurve der Strecke 1242 das Ansetzen der Höchststreckengeschwindigkeit bemängeln, übersehen sie, dass dieses Vorgehen Nr. 4.3 der Anlage 2 zur 16. BImSchV entspricht.

65 Entgegen der Forderung der Kläger nach einer Gesamtlärmbetrachtung ist im Rahmen des § 41 Abs. 1 BImSchG nicht auf einen aus allen einwirkenden Lärmquellen zu bildenden Gesamtpegel abzustellen. Nach § 41 BImSchG sind neu zu bauende und wesentlich zu ändernde Verkehrswege grundsätzlich gesondert in den Blick zu nehmen; hierfür spricht insbesondere der gesetzliche Wortlaut, der darauf abstellt, dass "durch diese", also durch den neu zu bauenden "oder" durch den zu ändernden Verkehrsweg keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können. In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass Vorbelastungen durch andere Verkehrswege nicht berücksichtigt, d.h. nicht mitgerechnet werden dürfen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. März 2014 - 7 A 24.12 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 63 Rn. 26 und vom 6. September 2018 - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 38 sowie Beschluss vom 11. November 1996 - 11 B 65.96 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 5 S. 4 f.).

66 Die Kritik der Kläger, die vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen seien wenig effektiv und führten zu unnötig breiten Trassen, bleibt ohne Erfolg. Soweit sie die Verwendung "totalabsorbierender" Lärmschutzwände fordern, hat die Beigeladene hierauf erwidert, dass nach Nr. 6.6 der Anlage 2 zur 16. BImSchV ein Absorptionsgrad von 80 % für Schallreflexionen anzusetzen sei. Dieser werde durch die hochabsorbierenden Lärmschutzwände erreicht. Durch Schallschutzwände könnten nur Schallreflexionen reduziert werden, nicht aber der Primärschall. Das Ausmaß der Minderung des Primärschalls sei abhängig von der Höhe der Lärmschutzwände. Die von den Klägern geforderte Verminderung der Wandhöhe sei daher ohne Pegelzunahme nicht möglich. Aus dem gleichen Grund sei auch die Verwendung niedriger gleisnaher Schallschutzwände bei weitem nicht in der Lage, die erforderlichen Pegelminderungen zu erzielen. Daher könne auch nicht auf die 4 m hohen Mittelwände verzichtet werden. Hiermit und mit den umfassenden Erwägungen der Beklagten zu alternativen Lärmschutzkonzepten und auch zu transparenten Lärmschutzelementen (insbesondere PFB S. 259 ff. und S. 299 f.) setzen sich die Kläger nicht auseinander.

67 Das Lärmschutzkonzept ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil es keine Betriebsregelung zur einzuhaltenden Höchstgeschwindigkeit enthält. Die Planfeststellungsbehörde ist nur in Ausnahmefällen verpflichtet, mögliche Betriebsregelungen bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Kann mit den Bestimmungen der §§ 41 ff. BImSchG einschließlich hilfsweiser Entschädigungen ein angemessener Schutz vor dem Verkehrslärm sichergestellt werden, besteht kein Anspruch auf Erwägungen zu Betriebsregelungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 5.15 - BVerwGE 156, 306 Rn. 28). Die Kläger zeigen mit ihren Ausführungen nicht auf, dass die bestehenden Regelungen über das planfestgestellte Lärmschutzkonzept nicht den Schutz vor Verkehrslärm sicherstellen würden oder Übernahmeverpflichtungen begründen könnten.

68 6. Der Planfeststellungsbeschluss weist auch in Bezug auf den Erschütterungsschutz und Sicherheitsbelange keine Mängel auf.

69 Soweit die Kläger wegen der auszuführenden Bauarbeiten Erschütterungsschäden an Gebäuden fürchten, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Der Planfeststellungsbeschluss enthält hierzu Regelungen, die den rechtlichen Anforderungen (hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 27 f.) genügen (PFB S. 75 ff.). Die Behauptung, die vier Weichenverbindungen im Bereich der Verbindungskurve 1242 führten zu erhöhten Entgleisungs- und Kollisionsrisiken und es würde die Sicherheit nicht hinreichend gewährleistet, bleibt ohne Substanz. Die Beigeladene ist dem mit dem Hinweis auf die einschlägigen Sicherheitsrichtlinien, das Fehlerdiagnosesystem für Weichen DIANA und die hohen Anforderungen an Wartung, Instandhaltung und Überwachung von Weichen sowohl in materialtechnischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Leit- und Sicherheitstechnik entgegengetreten. Hiermit setzen sich die Kläger nicht auseinander.

70 7. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln der fachplanerischen Abwägung.

71 a) Die Abschnittsbildung weist keine Fehler auf.

72 Einem Planungsträger steht es in den Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit frei, sein Vorhaben in Abschnitten zu verwirklichen. Dritte können regelmäßig nicht beanspruchen, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird. Jedoch kann eine Abschnittsbildung Dritte in ihren Rechten verletzen, wenn sie deren durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutz faktisch unmöglich macht oder dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann, oder wenn ein gebildeter Abschnitt der eigenen sachlichen Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung entbehrt. Zudem dürfen nach einer summarischen Prüfung der Verwirklichung des Gesamtvorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2018 - 3 A 10.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 83 Rn. 52 m.w.N.).

73 Danach ist die Abschnittsbildung hier nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 196 f.) begründet sie in nachvollziehbarer und tragfähiger Weise damit, angesichts der Größe des Gesamtvorhabens sowie der Vielzahl von Betroffenen einschließlich verschiedener Gebietskörperschaften könne der Planungsprozess auf diese Weise übersichtlicher und effektiver gestaltet werden. Die Grenze zwischen Planfeststellungsabschnitt 2 und 3 bilde die Landesgrenze von Hamburg und Schleswig-Holstein. Innerhalb Hamburgs rechtfertige sich die Bildung des vergleichsweise kurzen Planfeststellungsabschnitts 1 mit einer gerade in diesem Bereich besonders ausgeprägten technischen Komplexität der Baumaßnahmen. Diese Erwägungen stellen die Kläger nicht substantiiert in Abrede. Der Verwirklichung des Gesamtvorhabens stehen keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegen. Das gilt, wie bereits ausgeführt, insbesondere in habitatrechtlicher Hinsicht.

74 Der Rechtsschutz der Kläger wird nicht unzulässig verkürzt. So wie sich die Planfeststellungsbehörde im Hinblick auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils auf die Prognose beschränken darf, dass der Verwirklichung des Gesamtvorhabens im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen, ist auch die Rügebefugnis der Kläger in Bezug auf etwaige rechtliche Hindernisse erst in einem Folgeabschnitt entsprechend beschränkt. Dies findet seine Rechtfertigung in den für die Abschnittsbildung sprechenden Sachgründen, namentlich dem der tatsächlichen und rechtlichen Komplexitätsreduktion im Interesse der praktischen Durchführbarkeit von Planungsvorhaben. Darin liegt kein Verstoß gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes, die verfassungsrechtlich nicht nur durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgt ist, sondern auch ein wesentliches Element der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 190). Für die Kläger gilt dies zumal deshalb, weil die Planung nach dem Planfeststellungsabschnitt 1 nicht zwingend fortgesetzt werden müsste, die neue Strecke 1249 vielmehr auch am östlichen Ende des Planfeststellungsabschnitts 1 in die Bestandsstrecke einfädeln könnte. Ein etwaiger habitat- oder artenschutzrechtlicher Verstoß in einem Folgeabschnitt wäre deshalb nicht kausal für ihre Eigentumsbetroffenheit. Der die objektive Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses umfassende Vollüberprüfungsanspruch Enteignungsbetroffener erfährt insoweit aber gerade eine Einschränkung. Danach kann eine Anfechtungsklage keinen Erfolg haben, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Eigentumsbetroffenheit der Kläger nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 ff.).

75 b) Die Alternativenprüfung ist nicht zu beanstanden.

76 Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F.) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen (BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 16). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117).

77 aa) Die Nullvariante hat die Beklagte zu Recht ausgeschieden.

78 Das folgt allerdings nicht bereits daraus, dass das Vorhaben in dem gesetzlichen Bedarfsplan als Projekt des Vordringlichen Bedarfs aufgenommen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist trotz der verbindlichen Feststellung des Verkehrsbedarfs durch § 1 Abs. 2 BSWAG verpflichtet zu prüfen, ob dem Vorhaben womöglich wegen der erst auf späteren Planungsstufen gewonnenen Erkenntnisse unüberwindliche Belange entgegenstehen, die dazu nötigen, letztlich doch von der Planung Abstand zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <249 f.> und vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 84). Dieser Pflicht ist die Beklagte nachgekommen (vgl. PFB S. 202 ff.).

79 Die Planfeststellungsbehörde hat die mit der Verwirklichung des Vorhabens verbundenen Vorteile für die Verkehrsverhältnisse in der Metropolregion Hamburg für bedeutend genug erachtet, um die Nachteile bei Verwirklichung des Vorhabens aufzuwiegen. Hierbei hat sie die vorherrschenden Beeinträchtigungen durch Immissionen und Grundstücksinanspruchnahmen sowie die Beeinträchtigung des Naturhaushalts ihrem Ausmaß nach erkannt und gewichtet, ihnen aber kein solches Gewicht beigemessen, dass sie einen Entfall des Vorhabens erzwingen. Dies ist von ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit gedeckt. Die Kläger übersehen, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung auch bei der Prüfung, ob zwingende Gründe den Verzicht auf die Planung erzwingen, zu beachten ist. Die durch die Aufnahme in den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege ("Knoten Hamburg") getroffene Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung verbindlich und so auch als Belang in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <43>).

80 Eine Optimierung der RB81-Linie als Nullvariante ist bei der mit dem S-Bahnausbau angestrebten Steigerung der Fahrgastzahlen bis 2030 nicht geeignet, den Personennahverkehr zwischen Bad Oldesloe und Hamburg Hauptbahnhof zu verbessern. Während im Prognosenullfall (Bezugsfall; RE8, RE80 und RB81) werktags mit 40 300 Ein- und Aussteigern zu rechnen ist, erhöht sich deren Anzahl bei Umsetzung des Planvorhabens (Planfall; RE8, RE80 und S4) auf 64 000. Eine entsprechende Erhöhung der Zugzahlen bzw. Zuglängen ist auf der bestehenden und bereits jetzt stark ausgelasteten Strecke nicht möglich (vgl. PFB S. 203). Eine Erhöhung der Zugzahlen des Schienenpersonennahverkehrs auf der Bestandsstrecke würde weder die angestrebte Zurverfügungstellung von mehr Trassen für den schnellen Nahverkehr sowie den Fern- und Güterverkehr bewirken noch zu einer Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs führen (vgl. PFB S. 203).

81 Auch die im Parallelverfahren BVerwG 7 A 13.20 aufgestellte Behauptung, die verfolgte Entlastungswirkung für den Hauptbahnhof Hamburg könne mit der neuen Streckenführung nicht erreicht werden, weil nur eine Umverteilung der Belastungen innerhalb des Bahnhofs erfolge, greift nicht durch. Es bleibt unberücksichtigt, dass eine Bewältigung des angestrebten Schienenverkehrs mit dem angestrebten Nahverkehrskonzept nicht mit den aktuell genutzten Bahnsteigen des Hauptbahnhofs möglich wäre. Selbst die klägerseits gewünschte Ausweitung des RB81-Angebots würde die bestehende Bahnsteignutzung im Hauptbahnhof zwingend ausweiten, was an dieser Stelle zu einer Belastungserhöhung führte. Im Übrigen ist der Hauptbahnhof in der Lage, das S-Bahn-Betriebsprogramm abzuwickeln (vgl. PFB S. 228).

82 Schließlich vermag auch die Behauptung der Kläger, das gegenüber der ursprünglichen Prognose geringere Güterzugaufkommen von täglich 56 Zügen könne bei einem Verzicht auf die geplante Verkürzung der Strecke 1242 zusammen mit dem S-Bahnverkehr auf der Bestandsstrecke 1120 abgewickelt werden, vermag die Erforderlichkeit des Vorhabens nicht in Frage zu stellen. Dass bei einem Verzicht auf eine eigenständige S-Bahntrasse das zentrale Planziel einer Entflechtung der Verkehre zur Schaffung eines attraktiven S-Bahnangebots nicht erreicht werden könnte, wird - wie oben dargelegt - im Planfeststellungsbeschluss im Einzelnen erläutert. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang bezweifeln, dass die Eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung (EBWU) die Verkürzung der Strecke 1242 und den zweigleisigen Ausbau der Horner Kurve mitbetrachtet habe, handelt es sich um eine Behauptung ins Blaue hinein. Ausweislich des Anhangs 1 zum Erläuterungsbericht ist die zweigleisige Horner Kurve Teil der favorisierten Variante EBWU-Variante 0 und entspricht dem "Mitfall 4" des EBWU-Berichts. Dieser bezieht entgegen der erneut nur ganz pauschalen Behauptung der Kläger auch den Planungsabschnitt 1 ein (vgl. Beschreibung des Untersuchungsraumes auf Folie 9 und die Untersuchungsergebnisse, z.B. Folien 25 und 26).

83 bb) Der Planfeststellungsbeschluss hat die von den Klägern vorgetragene Umfahrungsvariante zu Recht nicht weiterverfolgt.

84 Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Alternative ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist dabei nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen. Die ausweislich der Festsetzungen im Bedarfsplan erkennbare Bedarfsstruktur ist bei der Trassenwahl als gesetzgeberische Wertung in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 124 f. m.w.N.).

85 Läuft eine Variante auf ein anderes Projekt hinaus, kann von einer Alternative aber nicht mehr gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <13 f.>, vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <259 ff.>, vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 85 und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 138). Solche Varianten brauchen nicht näher geprüft zu werden.

86 Ob eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft, ist anhand der mit dem Vorhaben zulässigerweise verfolgten Planungsziele zu beurteilen. Durch die Zieldefinition kann der Vorhabenträger die in Betracht kommenden Alternativen eingrenzen. Dabei entfalten gesetzliche Bedarfsfeststellungen anders als nur politisch vorgegebene Ziele ein höheres Gewicht, das sich auf der Zulassungsebene "alternativenbegrenzend" auswirken kann (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.08 - BVerwGE 134, 166 Rn. 16 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 411; vgl. Hösch, UPR 2014, 401 <402>). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Aufstieg des Knotens Hamburg in den Vordringlichen Bedarf, in der der Ausbau der S4 Ost zwischen Hasselbrook und Ahrensburg als Planziel (Planfall) festgestellt wird. Die darin zum Ausdruck kommende Konkretisierung der Planungsziele beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung in Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 der Anlage zu § 1 BSWAG.

87 Gemessen an diesen Maßstäben scheidet die von den Klägern favorisierte Güterumfahrungsvariante durch den Ausbau der Strecke Lübeck-Büchen-Lüneburg von vornherein aus. Zwar könnte das Planungsziel einer Entflechtung der Verkehre auch auf diese Weise erreicht werden. Es würde sich aber gleichwohl um ein anderes Projekt handeln, das die Gesamtkonzeption des Vorhabens "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe" und die vielfältigen damit verbundenen Ziele nicht in einem Vorhaben verwirklicht, sondern in zwei Vorhaben aufspaltet. Diese "Konzeptalternative" setzt die in der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums und der ihr zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung festgelegten Planungsziele nicht durch den dort vorgesehenen Neubau der S4 um, sondern versucht sie auf eine grundsätzlich andere Weise zu erreichen. Damit wahrt sie nicht die Identität des Vorhabens und stellt ein Aliud gegenüber der vorgegebenen Planung dar.

88 cc) Den eingleisigen Bau einer separaten S-Bahn-Strecke musste die Beklagte nicht als Alternative in die Betrachtung einbeziehen.

89 Bei der im Laufe des Anhörungsverfahrens vorgeschlagenen Beschränkung des Neubaus auf ein S-Bahngleis handelt es sich um keine sich ernsthaft anbietende Alternative; die Beklagte musste sie daher nicht in das Verfahren einbeziehen und untersuchen (vgl. zum Maßstab BVerwG, Beschluss vom 24. April 2009 - 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986). Schon die Grundannahme, aus der prognostizierten Auslastung der zweigleisigen Strecke von 29 % folge eine Auslastung von 58 % bei einer eingleisigen Strecke ist nicht plausibel. Diese einfache Addition übersieht, dass bei einer Zugfolge Richtung - Gegenrichtung ein wesentlich höherer Kapazitätsverbrauch die Folge ist und eine eingleisige Strecke in Bezug auf die erforderliche Betriebsqualität bei Verspätungen (Verspätungsübertragungen, Fahrplanstabilität) und die Sicherheit des Verkehrs entscheidende Nachteile aufweist. Zudem wird der Hamburger S-Bahn-Verkehr grundsätzlich zweigleisig geführt, so dass sich eine zweigleisige Neubaustrecke in das Betriebsprogramm des Verkehrsverbunds einfügt (PFB S. 204).

90 Auch der Bau eines dritten Fernbahngleises bei gleichzeitigem Verzicht auf den Neubau der S-Bahngleise ist zu Recht bereits bei einer Grobbetrachtung ausgeschieden worden. Der Planfeststellungsbeschluss weist insoweit darauf hin, dass der Ausbau eines dritten Gleises als Teilmaßnahme des Projekts "ABS Hamburg-Ahrensburg" nicht in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen sei, während die EBWU die gewählte Lösung eines zweigleisigen Neubaus der S-Bahngleise als robust und nachhaltig bewertet habe. Dass der Ausbau nur eines weiteren Fernbahngleises nicht in der Lage ist, die verschiedenen Verkehre zu entflechten und den Hamburger Hauptbahnhof zu entlasten, wird im Planfeststellungsbeschluss ebenfalls überzeugend dargelegt (PFB S. 204 f.). Ergänzend haben die Sachbeistände der Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass ohne eine separate Trasse für den Personennahverkehr der über mindestens 7 Stunden angestrebte 10-Minuten-Takt der S-Bahn aufgrund der Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den verschiedenen Personenverkehren einerseits und zwischen Güterverkehr und Personenverkehr andererseits, nicht realisierbar sei. Bei einer gemeinsamen Trassennutzung durch den Personennah- und -fernverkehr sowie den Güterverkehr seien Zugkreuzungen und Überholungen mit den dadurch verursachten Nachteilen wie Verspätungsübertragungen unvermeidlich.

91 Auch die Kritik an der Leistungsfähigkeit der zweigleisigen Horner Kurve greift nicht durch. Abgesehen davon, dass es auch insoweit an einer Auseinandersetzung mit der EBWU fehlt, weist die Beigeladene überzeugend darauf hin, dass die von den Klägern aufgrund der notwendig werdenden Zugkreuzungen unterstellte Reduktion der Leistungsfähigkeit der Strecke 1120 von 12 auf 6 Güterzüge pro Stunde zu keiner Gefährdung des geplanten Betriebsprogramms führte. Dies gelte sowohl bei Zugrundelegung der Prognosen 2025 und 2030 als auch des Deutschlandtaktes. Die Kläger räumen im Übrigen selbst sein, dass der planfestgestellte Bau einer separaten S-Bahn-Trasse zu einem gewissen Ausgleich für die vorhabenbedingte Einschränkung der Strecke 1120 führe. Soweit sie dabei kritisieren, die entlastende Wirkung sei auf den Abschnitt beschränkt, in dem separate S-Bahngleise vorgesehen sind, setzen sie sich erneut nicht mit der EBWU auseinander, die das gesamte Vorhaben bis Bad Oldesloe betrachtet.

92 c) Der Planfeststellungsbeschluss weist auch im Übrigen keine Abwägungsfehler auf.

93 aa) Der Prognosehorizont ist nicht zu beanstanden. Ein Zeitraum von zehn Jahren ab Planfeststellung (hier in 2020) ist grundsätzlich hinreichend; auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme ist nicht abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 87). Es ist grundsätzlich die zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende aktuelle Prognose zu verwenden. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist neben den Prognosezugzahlen des Bundes für den Fern- und Güterverkehr (2030) das Betriebsprogramm für den Schienenpersonennahverkehr des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) und der S-Bahn Hamburg GmbH (vgl. PFB S. 204).

94 bb) Der Planfeststellungsbeschluss weist keinen Fehler wegen Nichtberücksichtigung des Deutschlandtaktes auf. Der angestrebte "Deutschlandtakt" setzt auf den Infrastrukturmaßnahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 auf, stellt jedoch keine Prognose, sondern lediglich eine "konkrete Angebotsvision", eine verkehrspolitische Zielsetzung, dar, deren Umsetzung von zahlreichen Faktoren abhängt. Der "Deutschlandtakt" bildet ein Grundgerüst für den wirtschaftlichen Ausbau sowie eine optimale Nutzung der Schieneninfrastruktur; der Zielfahrplan beinhaltet hierbei nur Mustertrassen (vgl. BT-Drs. 19/11254 S. 3). Auch trifft der "Deutschlandtakt" keine Festlegungen zur Finanzierung der zu seiner Umsetzung erforderlichen Infrastruktur und legt kein rechtlich verbindliches Bedienangebot fest (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Zielfahrplan Deutschlandtakt - Informationen zum dritten Gutachterentwurf, 30. Juni 2020, S. 4 f.; zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 121).

95 cc) Auch das Trennungsgebot des § 50 BImSchG steht der Planung nicht entgegen. Bereits sein Wortlaut ("so weit wie möglich") lässt sich nur als Abwägungsdirektive auffassen, die durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden kann (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 151). Mit Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass ein Nahverkehrsprojekt zwingend in der Nähe der Nutzer - also auch und gerade in Wohngebieten - verwirklicht werden muss.

96 dd) Die optischen und sozialen Trennwirkungen der hohen Lärmschutzwände führen nicht auf einen Abwägungsfehler. Die Beklagte hat die Belange der Kläger zutreffend ermittelt und gewichtet. Die Lärmschutzwände mit einer Höhe von 6 m werden im Planfeststellungsbeschluss behandelt. Insbesondere die optische Trennwirkung, Verschattung und optische Beengung wurden bereits im Rahmen der Umweltauswirkungen auf die Landschaft im Sinne von § 11 UVPG 2010 dargestellt und im Sinne von § 12 UVPG 2010 bewertet (vgl. PFB S. 157 f. und S. 176 f.). Die sozialen Folgen der Lärmschutzwände sind gleichfalls dargestellt und bewertet worden (vgl. PFB S. 138 f. und S. 164 f.). Ins Einzelne gehende Erwägungen fanden statt (PFB S. 262 ff.). Hierauf aufbauend hat die Beklagte - auch unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die bereits seit langem vorhandene Trasse - den öffentlichen Belangen an der Verwirklichung des Vorhabens den Vorrang eingeräumt. Dies ist von ihrem Planungsermessen gedeckt.

97 Ist der Planfeststellungsbeschluss somit rechtmäßig, bleibt für die Hilfsanträge der Kläger, ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, kein Raum.

98 ee) Die Planung der Haltestellen Claudiusstraße und Bovestraße weist keinen Abwägungsfehler auf. Die Kläger stellen die Haltestellen mit dem Argument in Frage, das Fahrgastaufkommen rechtfertige nicht die neuen Stationen und die damit verbundene Inanspruchnahme privaten Eigentums. Sie stützen dies auf von ihren Sachbeiständen erstellte Berechnungen zum Fahrgastpotenzial für die Haltestellen Wandsbek, Claudiusstraße und Bovestraße. Diese Berechnungen halten - wie die Beigeladene überzeugend darlegt und wie deren Sachbeistände in der mündlichen Verhandlung näher erläutert haben - einer fachlichen Prüfung nicht stand. Die Beigeladene weist darauf hin, dass die Untersuchung der Kläger lediglich Strukturdaten und nachfragerelevante Daten aufbereitet, ohne daraus methodengerecht eine Nachfrage abzuleiten. Die Komplexität der Nachfrageprognose resultiere daraus, dass beim Ersatz der RB81 durch die S4 nicht nur ein Parameter geändert werde, sondern die Änderungen so vielfältig seien, dass dies nur durch eine (intermodale) Nachfrageumlegung für den Ohnefall (RB81) und den Mitfall (S4) quantifiziert werden könne. Die Berechnungen der Sachbeistände der Kläger berücksichtigten weder die maßnahmeunabhängigen Strukturdatenänderungen noch die Verkehrsverflechtungen im ÖPNV und motorisierten Individualverkehr zum Prognosezeitraum. Hinzu komme, dass die Untersuchungen der Kläger die Bezugsgrößen "Verkehrsverlagerungen" und "Zuwächse" vermischten. Die S4 führe aufgrund von Verlagerungen vom motorisierten Individualverkehr und durch induzierten Verkehr zu zusätzlich 14 600 Fahrgästen täglich.

99 Auch die Kritik der Kläger, die neuen Stationen lägen zu nahe beieinander, greift nicht durch. Die Beklagte räumt ein, dass der Abstand von 800 m "grenzwertig" sei, vor dem Hintergrund der Beschleunigungsmöglichkeiten der S-Bahnen aber vertretbar. Dass die Kläger auf die neuen Haltestellen ganz verzichten wollen, beruht auf unzutreffenden Annahmen über das zukünftige Fahrgastaufkommen und ändert nichts daran, dass nach dem Konzept der Planung die Attraktivitätssteigerung des schnellen Nahverkehrs bereits dadurch bewirkt werden soll, dass die Station Wandsbek durch zwei neue Stationen ersetzt wird, die - wie insbesondere die Station Bovestraße - sehr gut mit dem Busverkehr verknüpft sind und die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrssystems insgesamt steigern. Die Kläger setzten sich mit ihrer weiteren Kritik an den geplanten Haltestellen nicht substantiell mit den dafürsprechenden Aspekten auseinander, die im Erläuterungsbericht (Planunterlage 1 S. 31 ff.) und auch im Planfeststellungsbeschluss (S. 186 ff.) dargelegt sind.

100 Soweit die Kläger die Planung unter Hinweis auf Finanzierungsdefizite angreifen, spielt das für die rechtliche Bewertung des Planfeststellungsbeschlusses keine Rolle. Ob die Finanzierung abschließend und rechtskonform gesichert ist, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung, sondern ihrer Umsetzung. Dass die Umsetzung der Planung gar nicht finanzierbar wäre, tragen die Kläger schon nicht vor.

101 Soweit die Kläger - insbesondere die Kläger zu 8, 9 und 10 - die zu ihren Ungunsten erfolgenden Flächeninanspruchnahmen für weitere Stationszugänge, Fußgängerquerungen und Rampen aufgreifen, ist ebenfalls kein Fehler des Planfeststellungsbeschlusses aufgezeigt. Obgleich ein zweiter Zugang nicht obligatorisch ist, steigert er dennoch die Erreichbarkeit eines Haltepunktes und damit die Attraktivität der Schnellbahn. Eine Bauausführung nur auf Mindestniveau unter Inkaufnahme von Attraktivitätseinbußen kann durch die Kläger nicht verlangt werden. Nach Darstellung der Beigeladenen wird das Grundstück der Kläger zu 8 und 9 lediglich im Umfang von 9 m² dauerhaft in Anspruch genommen (vgl. PFB S. 413 f.). Vor diesem Hintergrund ist die Abwägung auch bei Berücksichtigung der Kosten der Unterhaltung eines Fahrstuhls nicht fehlerhaft.

102 Abwägungsmängel bestehen auch nicht hinsichtlich der Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin zu 10 zur Errichtung eines zweiseitigen Wendehammers. Die Anlage dient insbesondere dem Wenden der in Hamburg auch im Bereich Wandsbek regelmäßig eingesetzten dreiachsigen Müllfahrzeuge in der Straße "Schlossgarten" und ersetzt einen im Bestand vorhandenen Wendehammer, der im Zuge der Errichtung der Station Claudiusstraße für das Vorhaben in Anspruch genommen wird.

103 Die Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen, Ausgabe 2017 - ReStra - (S. 15), die hinsichtlich der baulichen Gestaltung von Wendeanlagen auf die RASt06 (S. 65) Bezug nehmen, legen fest, dass in Hamburg Wendeanlagen für ein dreiachsiges Müllfahrzeug zu dimensionieren sind. Diese Maßstäbe stehen zudem mit § 16 Nr. 1 der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung vom 1. Oktober 1979 in der Fassung vom 1. Januar 1997 in Einklang, wonach - vorbehaltlich einer Übergangsregelung - Müll aus Sicherheitsgründen nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist.

104 Die Grundinanspruchnahme für den Wendehammer zulasten der Klägerin zu 10 ist verhältnismäßig. Der geplante rechtsseitige Wendehammer steht zwar in Widerspruch zu lenktechnischen Erfordernissen, deretwegen einseitige Wendehammer linksseitig angelegt werden sollen (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 - RASt06 - S. 65). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 383 f.) begründet jedoch nachvollziehbar, warum bei der Ausrichtung des Wendehammers von der Richtlinie abgewichen wird. Danach würde eine linksseitige Ausrichtung des Wendehammers zwei Grundstücke (S.garten 33 und 35) in Anspruch nehmen und vor allem das gegenüber dem Grundstück der Klägerin zu 10 deutlich kleinere Grundstück S.garten 35 erheblich belasten. Der Wendehammer würde auf halber Breite an das dort befindliche Wohnhaus rücken im Vergleich zu einer weniger großen Annäherung nur an eine Hausecke beim Grundstück der Klägerin zu 10. Der Planfeststellungsbeschluss hat auch einen zweiseitigen Wendehammer geprüft, lehnt diese Lösung aber mit dem Hinweis darauf ab, dass er die Grundstücke beidseitig der Straße tangieren würde und aufgrund seiner Geometrie für alle Grundstücke Schwierigkeiten mit den Zufahrten die Folge wären. Die vermeintlich "gerechtere" Lastenverteilung werde hierdurch relativiert. Diese Erwägungen, die die Beklagte und die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung anhand des Lageplans 3.5 überzeugend veranschaulicht haben, lassen einen Abwägungsfehler nicht erkennen.

105 Auch ein Verzicht auf den geplanten Wendehammer nördlich der Station Claudiusstraße zeigt eine plausible Alternative zu der Planung für dreiachsige Müllfahrzeuge nicht auf. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 383) weist darauf hin, dass angesichts der über 100 m langen Strecke von bzw. bis zur Rantzaustraße ein Rückwärtsfahren der dreiachsigen Müllfahrzeuge nicht angezeigt sei. Diese Überlegung lässt angesichts der Vorgaben der Planwerke und der Tatsache, dass regelmäßig dreiachsige Müllfahrzeuge zum Einsatz kommen, ebenfalls keinen Abwägungsfehler erkennen.

106 ff) Der geforderte Verzicht auf das Anlegen von Baustraßen weist nicht auf einen Abwägungsfehler hin. Eine eindeutig vorzugswürdige Alternative zur Planfeststellung wird nicht aufgezeigt. Sämtliche von den Klägern angesprochenen abwägungsrelevanten Aspekte und weitere sind im Planfeststellungsbeschluss ausführlich gewürdigt worden (S. 316 ff.). Insbesondere die von den Klägern favorisierte Möglichkeit der Beschränkung auf nur eine Baustraße ist erwogen, im Ergebnis aber wegen sonst zusätzlicher Sperrungen und Bauzeitverzögerungen mit den damit wiederum verbundenen längeren Inanspruchnahmen Privater abgelehnt worden (PFB S. 318, 321).

107 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die gesamtschuldnerische Haftung der Kläger zu 4 bis 6 und der Kläger zu 8 und 9 folgt aus § 159 Satz 2 VwGO.

Urteil vom 05.10.2021 -
BVerwG 7 A 16.20ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A16.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.10.2021 - 7 A 16.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A16.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 16.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther,
Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
am 5. Oktober 2021 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek".

2 Die beigeladene DB Netz AG plant den Bau der S-Bahnlinie S4 von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Hamburg-Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.

3 Von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg soll die Strecke zweigleisig und von Ahrensburg bis Ahrensburg-Gartenholz eingleisig gebaut werden; im Übrigen soll die S-Bahn die bestehenden Gleise nutzen. Daneben sollen zugunsten des Güterverkehrs Anpassungen einschließlich teilweiser Neuerrichtungen der bestehenden Gleisführungen erfolgen.

4 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der 1. Planfeststellungsabschnitt, dessen Feststellung die Beigeladene im August 2016 beantragte. Am 24. August 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 4. Planänderung erlassen und im Amtlichen Anzeiger der Stadt Hamburg am 15. September 2020 öffentlich bekannt gemacht.

5 Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in Hamburg-Wandsbek. Das Grundstück ist insgesamt 3 436 m² groß und befindet sich zwischen Bahn-km 58,63 und 58,70 auf der Südseite der Strecke 1120 Lübeck-Hamburg. Das Grundstück verfügt über einen alten Baumbestand mit markanten Einzelbäumen; es soll im Umfang von 328 m² zugunsten des planfestgestellten Vorhabens erworben werden. Die entsprechenden Flächen werden für den Bau einer Lärmschutzwand nebst Entwässerungsmulde, eines Treppenabgangs der Eisenbahnüberführung "Schlossgarten", der auch Zugang zur neu zu errichtenden Station Claudiusstraße sein soll, und der Anpassung eines Wendehammers für das Wenden dreiachsiger Müllfahrzeuge in Anspruch genommen. Eine dauerhafte Belastung des Grundstücks durch Aufwuchsbeschränkungen und das Setzen und Verbleiben von Ankern ist im Umfang von 479 m² planfestgestellt. Bauzeitlich sollen für die Anlegung einer Baustraße 664 m² in Anspruch genommen werden.

6 Die Klägerin hat gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Die ebenfalls beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat der Senat mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 (BVerwG 7 VR 6.20 ) abgelehnt. Erste Bauarbeiten finden statt.

7 Die Klägerin trägt vor: Dem als Nahverkehrsprojekt ausgewiesenen Vorhaben fehle die Planrechtfertigung. Es würden zusätzliche Trassen geschaffen, die vor allem der Abwicklung des Güterverkehrs dienten. Die Inanspruchnahme ihres Grundstücks sei - auch unter den Gesichtspunkten der kumulativen Belastung und des entstehenden untypischen Grundstückszuschnitts - abwägungsfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Neuherstellung eines Wendehammers sei nicht erforderlich. Es sei nicht gerechtfertigt, dass mindestens eine über 200 Jahre alte Rotbuche der temporären Herstellung und Nutzung einer Baustraße zum Opfer falle. Die während der mehrjährigen Bauzeit entstehenden Beeinträchtigungen seien unzumutbar.

8 Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek" aufzuheben,
hilfsweise,
ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

9 Weiter beantragt die Klägerin hilfsweise,
die maßgeblichen Beurteilungspegel zur Anspruchsbegründung von Entschädigungen gemäß der Nebenbestimmung A4.10.1.7 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 70) auf 67 dB(A) tags und 57 dB(A) nachts in Wohngebieten herabzusetzen.

10 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

11 Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

II

12 Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Er leidet nicht an Fehlern, die zu seiner Aufhebung, zur Feststellung seiner Rechtswidrig- und Nichtvollziehbarkeit oder - im Sinne des Hilfsantrags der Klägerin - zu der Verpflichtung führen, die Beurteilungspegel für Entschädigungsleistungen herabzusetzen.

13 A. Das Bundesverwaltungsgericht ist als erstinstanzliches Gericht zuständig.

14 Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG in der vor dem 13. März 2020 geltenden Fassung (vgl. § 38 Abs. 8 AEG). Gemäß § 18e Abs. 1 Nr. 5 AEG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, soweit die Vorhaben Schienenwege betreffen, die wegen der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage 1 aufgeführt sind. Diese Anlage weist die dort genannten Schienenwege ausdrücklich der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu. Die Zuweisung richtet sich nach der Vorhabenbezeichnung in der Anlage. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist an die Aufnahme des Vorhabens in die Anlage zum Allgemeinen Eisenbahngesetz geknüpft, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte (vgl. Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2012, § 18e Rn. 2). Die Vorhabenbezeichnungen entstammen dem Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (vgl. Schütz, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 18e AEG Rn. 17). In Nr. 41 der Anlage 1 ist der Großknoten Hamburg aufgeführt.

15 Die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an das Bundesverwaltungsgericht als erst- und letztinstanzliches Gericht bedarf der hinreichenden Begründung. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes von denen der Länder berührt den föderalen Aufbau des Gerichtswesens und damit die Aufgabenverteilung im Bundesstaat (Art. 92 Halbs. 2, Art. 20 Abs. 1 GG). Bei der Beurteilung, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Gesetzgeber, weil damit oft (verkehrs-, wirtschafts- und rechts-)politische Wertungen verbunden sind, ein weiter Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Ein hinreichender Grund für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben. Die hier in Rede stehende Neuregelung betrifft Verkehrsprojekte, deren Fertigstellung der Gesetzgeber wegen eines gesamtstaatlichen Interesses, das über eine bloß regionale Bedeutung der Projekte hinausgeht und die Bundesebene berührt, für besonders eilbedürftig hält (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 31 ff.; Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 50 Rn. 17).

16 Der Katalog der Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG knüpft begrifflich wie inhaltlich an den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) an (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 43). Dort werden "Großknoten" einschließlich des Großknotens Hamburg in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 als (neue) Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs - Engpassbeseitigung (VB-E) eingestuft. Eine nähere Bestimmung der einem Großknoten zuzuordnenden Teile des Schienenwegenetzes der Eisenbahnen des Bundes (vgl. § 1 Abs. 1 BSWAG) findet sich an dieser Stelle nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, den Begriff des Großknotens näher zu bestimmen. Er hat diesen lediglich aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übernommen, der dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege zugrunde liegt (vgl. BT-Drs. 18/9524 S. 12, 22 f.). Der Bundesverkehrswegeplan stellt zu den Großknoten-Projekten fest, diese könnten voraussichtlich einen wichtigen Beitrag zur Engpassauflösung im Schienennetz leisten, und sieht hierfür ein besonderes Budget vor, behält jedoch aufgrund der verkehrlichen Komplexität die Identifizierung der notwendigen konkreten Maßnahmen in den Knoten sowie den Nachweis ihrer Wirtschaftlichkeit einer nachfolgenden Untersuchung vor (vgl. BVWP S. 39). Dementsprechend listet der Bedarfsplan die Knoten Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Mannheim und München in Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 lfd. Nr. 38 bis 43 als Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen können und nach Satz 2 der Vorbemerkungen in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen werden, sobald sie die Kriterien dafür nachweislich erfüllen. Die Listung der Großknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim und München als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 des Bedarfsplans erfüllt insoweit - ebenso wie lfd. Nr. 24 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <Streckenmaßnahmen>"), Nr. 26 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <weitere Knoten, mikroskopische Maßnahmen>") und Nr. 27 ("Kombinierter Verkehr/Rangierbahnhöfe") im Hinblick auf die entsprechenden Vorhaben des Potenziellen Bedarfs nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 - die Funktion einer Öffnungsklausel bzw. eines "Platzhalters" (vgl. auch BVWP S. 39: "Im Vordringlichen Bedarf ist ein Budget als Platzhalter für die Projekte des Potenziellen Bedarfs vorgesehen."). Auf diese Weise werden die Vorhaben unter dem Vorbehalt weiterer Prüfung dem Vordringlichen Bedarf bereits gesetzlich zugeordnet (vgl. auch schon BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2 Rn. 4).

17 Es bedarf deshalb für den Aufstieg eines Vorhabens vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf nicht erst noch einer Anpassung des Bedarfsplans, für die § 4 Abs. 1 Satz 2 BSWAG ein Gesetz voraussetzt. Ausreichend ist vielmehr eine hinreichend verlautbarte Verwaltungsentscheidung, wie sie hier für den Knoten Hamburg mit der im November 2018 bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zum Aufstieg in den Vordringlichen Bedarf erfolgt ist (vgl. BMVI, Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs, 5. November 2018, S. 30; Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030, 6. November 2018, S. 1 f.; vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 7.20 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 4 Rn. 6). Dabei führt die Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs zum Knoten Hamburg (lfd. Nr. 39) aus (Bewertung S. 30), dass der Planfall u.a. auch die S4 Ost umfasst (unter 3: Ausbau S4 Hasselbrook-Ahrensburg). Des Weiteren wird zum Potenziellen Bedarf der Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg (lfd. Nr. 25) dargelegt, dass das Projekt S4 Ost als Teil des Knotens Hamburg effektiver die Verkehrsbedürfnisse als ein dreigleisiger Ausbau erfüllt (Bewertung S. 31). Zudem verweist der Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan im Zusammenhang mit dem Knoten Hamburg auch auf die mitumfasste S4 Ost (S. 2). Diese Zuordnung von Ausbau- und Neubauvorhaben zum Großknoten Hamburg ist nicht zu beanstanden.

18 Die Zuordnung hat vom Begriff des "Großknotens" her zu erfolgen, dessen Gehalt anhand objektiver Kriterien durch Auslegung zu bestimmen ist. Dabei kommt auch dem Beschleunigungszweck, der gleichermaßen § 18e Abs. 1 AEG wie dem Bundesschienenwegeausbaugesetz zugrunde liegt, Bedeutung zu. Neben einem räumlichen Zusammenhang mit einer der genannten Knoten-Standorte kommt es danach wesentlich auf die Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion an, wie sie für Schienenverkehrsknoten, an denen zahlreiche Verkehrsströme mit unterschiedlichen Schienenverkehrsarten (Fern- und Nahverkehr, Personen- und Güterverkehr) zusammenfließen, charakteristisch ist. Das jeweilige Vorhaben muss einen funktionalen Beitrag zu dieser Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion des betreffenden Knotens leisten. Es muss eine knotentypische Verknüpfungsfunktion gegeben sein, was bei hinreichender räumlicher Nähe und Einbindung in das am jeweiligen Knoten bereits existierende Schienenwegenetz regelmäßig der Fall sein wird. So liegt es auch hier.

19 Der Neubau der im Hamburger Stadtgebiet beginnenden S-Bahnstrecke zielt neben einer verbesserten Anbindung des Hamburger Ostens und des südöstlichen Teils Schleswig-Holsteins im Schienenpersonennahverkehr auf eine zumindest teilweise Entflechtung der knotentypisch gewachsenen Parallelnutzung der Bestandsanlagen durch Nah- und Fernverkehr sowie Personen- und Güterverkehr und, in der Folge, auf eine Taktverdichtung im S-Bahnverkehr. Zugleich sollen im Hauptbahnhof Hamburg die Fernbahnsteige entlastet und insoweit freie Kapazitäten geschaffen werden. Auch wird aufgrund vereinfachter Umstiege zu anderen S-Bahnen und der Möglichkeit einer direkten Weiterfahrt zu Zielen in der Hamburger Innenstadt eine Entlastung von Bahnsteigen, Treppenanlagen und anderen Wegen im Hauptbahnhof bezweckt. Die neuen Haltepunkte Claudiusstraße und Bovestraße zielen darauf, einen größeren Personenkreis als bislang zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu veranlassen.

20 Auch der Ausbau der Horner Kurve ist dem Großknoten Hamburg zuzurechnen. Der Umstand, dass sie im BVWP 2030 (S. 168) als Bestandteil des unter Nr. 25 aufgeführten Vorhabens Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg des Potenziellen Bedarfs erwähnt wird, ändert hieran nichts. Es handelt sich hierbei, wie sich aus der als Anlage 2 dem BVWP 2030 beigefügten Projektliste ergibt, lediglich um eine vorläufige Beschreibung der Maßnahme, die keine konstitutive Bedeutung hat. Sie steht daher einer Realisierung im Rahmen eines anderen Vorhabens - hier des Vordringlichen Bedarfs - nicht entgegen, sofern eine räumlich-funktionale Einbindung in das andere Vorhaben gegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um eine Teilmaßnahme handelt, die weder die Identität des neuen Gesamtvorhabens betrifft noch dessen Wirtschaftlichkeitsbeurteilung erheblich verändert. Angesichts der hiernach bestehenden räumlich-funktionalen Einbindung des streitigen Vorhabens in das Hamburger Schienenwegenetz spricht auch der vom Gesetzgeber mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte Beschleunigungszweck für seine - einheitliche - Zuordnung zum "Großknoten Hamburg" im Sinne der lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG.

21 B. Die Klage ist zulässig.

22 Die Klägerin kann als enteignungsbetroffene Grundstückseigentümerin geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihren Rechten aus Art. 14 GG verletzt zu sein (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 19 und Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 7 VR 6.19 - juris Rn. 6). Ihr steht ein "Vollüberprüfungsanspruch" zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff. und Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 11 f. m.w.N.).

23 C. Die Klage ist unbegründet.

24 1. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt.

25 Die Planrechtfertigung als ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 m.w.N. und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 33), liegt für das planfestgestellte Vorhaben vor. Die Planrechtfertigung kann sich aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ergeben, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist und grundsätzlich die Nachprüfung ausschließt, ob für das geplante Vorhaben ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (§ 1 Abs. 2 BSWAG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - a.a.O.). Insoweit geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 180 ff.) zutreffend davon aus, dass das Vorhaben gemessen an den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene zu gewährleisten, und der gesetzlichen Bedarfsfeststellung vernünftigerweise geboten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 58 und Beschluss vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 7 m.w.N.).

26 Für die mitgeplanten Änderungen an den für den Fern- und Güterverkehr bestimmten Gleisen bedarf es keiner eigenen Planrechtfertigung im engeren Sinne.

27 Grundsätzlich bestimmt der Träger eines Vorhabens dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen aufgrund des materiellen Planungsrechts unterworfen, die sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot ergeben. Die Aussagekraft der Abwägung darf insbesondere nicht durch Zusammenfassung mehrerer Planungen beeinträchtigt werden. Grenzen des Bestimmungsrechts des Vorhabenträgers bestehen deshalb, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen von ihm als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich um mehrere Vorhaben. Der Vorhabenträger darf dann nicht mehrere Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulässigkeit jedes der Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird. Die mit der Behandlung als ein Vorhaben einhergehende Abwägung der kumulierten Vorteile gegen die kumulierten Nachteile könnte nämlich dazu führen, dass ein Vorhaben ein anderes "mitzieht", obwohl dessen Verkehrsbedeutung bei isolierter Betrachtung die Umweltauswirkungen der allein durch es verursachten Baumaßnahme nicht rechtfertigen würde. Die Rechtmäßigkeit einer Planung kann aber nicht davon abhängen, ob der Vorhabenträger seine Planungsziele mit getrennten Planfeststellungsanträgen verfolgt oder die Ziele und Maßnahmen in einem Antrag bündelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 35).

28 Hieran gemessen stellen die drei Maßnahmen "Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke", "Erweiterung der Horner Verbindungskurve um ein zweites Gleis" und "Verlängerung der Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek" ein einziges Vorhaben im fachplanungsrechtlichen Sinne dar.

29 Die mit der geplanten S-Bahn-Neubaustrecke verfolgten Ziele wären ohne den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Gleisverlängerungen im Güterbahnhof Wandsbek nicht in vollem Umfang erreichbar. Der Neubau der S-Bahnstrecke zielt wesentlich auf eine Entflechtung des Personennahverkehrs vom Fern- und Güterverkehr ab (PFB S. 180, 330; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14). Die Erweiterung der Verbindungskurve um ein zweites Gleis gleicht den Entfall der bislang vorhandenen Güterverkehrsinfrastruktur aus, die für die Errichtung der zwei neuen S-Bahngleise zurückgebaut werden muss (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 20). Die durch den S-Bahn-Neubau zwischen den neuen S-Bahnstationen Claudiusstraße und Bovestraße notwendig werdende Verlegung der Gleise der Bestandsstrecke 1120 nach Süden zieht ihrerseits einen Teilrückbau und damit eine Verkürzung der südlich der Strecke 1120 parallel dazu verlaufenden Güterzugstrecke 1242 nach sich (PFB S. 96 f., 200; Lagepläne, Planunterlagen 3.5 und 3.6 ). Im Güterbahnhof Wandsbek werden durch den Neubau der S-Bahngleise Überholungsgleise "verdrängt" (PFB S. 201). Die hieraus folgenden Kapazitätsverluste auf der vorhandenen Strecke sollen durch den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Verlängerung der als Güterzugüberholungsgleise dienenden Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek abgewendet werden (PFB S. 97, 201). Soweit mit den Maßnahmen in ihrer Gesamtheit auch das Ziel verfolgt wird, infolge der Verlagerung des Personennahverkehrs auf separate S-Bahngleise frei werdende Kapazitäten auf der Bestandsstrecke 1120 für zusätzliche Fern- und insbesondere Güterverkehre zur Verfügung zu stellen (PFB S. 181, 201, 203; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14, 23), entspricht dies dem Sinn und Zweck einer Entflechtung unterschiedlicher Verkehre. Damit trägt die Planung dem vom Gesetzgeber für den Großknoten Hamburg grundsätzlich festgestellten Bedarf an einer Engpassbeseitigung (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 25 der Anlage 1 zu § 1 BSWAG) Rechnung. Dies geschieht gerade in der Kombination der einzelnen Maßnahmen, die jeweils für sich genommen allenfalls einen geringeren Beitrag zur Verkehrsentflechtung und Engpassbeseitigung zu leisten in der Lage wären.

30 2. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen die Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg - Hamburger Baumschutzverordnung - vom 17. September 1948.

31 Soweit die Klägerin meint, die mit dem Planfeststellungsbeschluss erteilte Genehmigung zum Fällen von Bäumen und Gehölzen nach der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Wandsbeker Geest" (LSGVO WB) sei rechtswidrig erteilt worden, dringt sie nicht durch. Der Planfeststellungsbeschluss steht mit den Anforderungen dieser Verordnung und der Hamburger Baumschutzverordnung vom 17. September 1948 (HmbBl. I 791-i), die entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch vorliegend anwendbar ist, in Einklang. Der Planfeststellungsbeschluss befreit nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG von den zum Schutz von Bäumen und Gehölzen bestehenden Verboten der Verordnungen. Einer ausdrücklichen Entscheidung, die das Fällen von Bäumen und Gehölzen gestattet, bedurfte es insoweit nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 S. 207 f.). Es genügt, wenn sich die Befreiung aus dem Planfeststellungsbeschluss der Sache nach ergibt. Dies ist hier der Fall. Der Planfeststellungsbeschluss führt aus, dass die Rodung der 133 unter die Baumschutzverordnung fallenden Einzelbäume "im überwiegend öffentlichen Interesse" geschehe, weil anderenfalls das Gesamtvorhaben nicht oder nur unter unzumutbaren Beschränkungen verwirklicht werden könne, da trotz kleinräumiger Anpassungen zur Minimierung dieser Eingriffe ein zur Umsetzung der Maßnahme erforderlicher Flächenbedarf verbleibe (S. 213 f.).

32 3. Die fachplanerische Abwägung leidet nicht an den von der Klägerin mit Blick auf die Inanspruchnahme von Teilflächen ihres Wohngrundstücks geltend gemachten Mängeln.

33 a) Eine Inanspruchnahme privater Grundstücksflächen für ein planfestgestelltes Vorhaben ist nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der mit dem Vorhaben angestrebten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich ist (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG). Eine einzelne Enteignungsmaßnahme ist nur dann erforderlich, wenn und soweit sie für die Verwirklichung eines Vorhabens unverzichtbar ist, es hierfür also kein milderes Mittel gibt, das gleich geeignet wäre. Kann das Vorhaben hingegen in gleicher Weise auch ohne den Entzug privaten Eigentums verwirklicht werden, ist die Enteignung unzulässig (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 u.a. - BVerfGE 134, 242 Rn. 182 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2021 - 7 A 9.20 - UPR 2021, 487 Rn. 30). Zudem muss sich die Inanspruchnahme privater Grundstücksflächen auch als verhältnismäßig im engeren Sinne erweisen. Eine einzelne Enteignungsmaßnahme ist dann mit dem Übermaßverbot vereinbar, wenn der Beitrag, den das entzogene Eigentumsrecht zur Verwirklichung des Vorhabens leistet, nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des Eingriffs steht, den der konkrete Eigentumsentzug für den betroffenen Rechtsinhaber bedeutet (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 186 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2021 a.a.O. Rn. 31). Diesen Maßgaben wird der Planfeststellungsbeschluss gerecht.

34 b) Die im Bereich des Grundstücks der Klägerin vorübergehend vorgesehene Baustraße ist nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung in der gewählten Lage unmittelbar parallel zum Gleisbereich und in der planfestgestellten Breite von sechs Metern zur Durchführung der Bauarbeiten geeignet und erforderlich. Die von der Klägerin insbesondere gerügte Breite ist jedenfalls im Bereich ihres Grundstücks, das nahe einer Einmündung der Baustraße ins öffentliche Straßennetz liegt, unverzichtbar, um den Baufahrzeugen einen Begegnungsverkehr zu ermöglichen. Ohne die Möglichkeit des Begegnungsverkehrs jedenfalls in diesem Einmündungsbereich käme es - wie auch in der mündlichen Verhandlung seitens der Beigeladenen noch einmal in nachvollziehbarer Weise verdeutlicht worden ist - zu erheblichen baustellenlogistischen Einschränkungen mit der Folge maßgeblicher Bauzeitverlängerungen und Baukostensteigerungen. Die lediglich vorübergehende Inanspruchnahme führt auch zu keiner übermäßigen Belastung der Klägerin.

35 Die planfestgestellte Baustraße beeinträchtigt zugleich zwei auch über das Wohngrundstück der Klägerin hinaus prägende Rotbuchen. Nach dem Gutachten des seitens der Beigeladenen beauftragten Baumsachverständigen (Z., Vorabdruck des Gutachtens zum Zustand von zwei Rotbuchen inkl. Darstellung der Erhaltungsmöglichkeit bei Erstellung einer Baustraße in deren Schutzbereichen vom 23. März 2020) werden diese als Rotbuchen Nr. 4 und 5 benannt. Nach den der Planfeststellung zugrunde gelegten Feststellungen des Gutachters ist ein Erhalt der Rotbuche Nr. 4 im Hinblick auf die Lage der Baustraße nahe am Stamm nicht realisierbar. Demgegenüber erachtet der Gutachter die Erhaltung der Rotbuche Nr. 5 bei Ausführung von Baumschutz-, Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen als realisierbar (vgl. Gutachten S. 25).

36 Ausgehend hiervon verpflichtet der Planfeststellungsbeschluss (S. 92) die Beigeladene - mit dem Ziel der Erhöhung der Überlebenschance der Rotbuche Nr. 5 - im Zuge der Erstellung der Ausführungsplanung eine Anpassung der Baustraße zu prüfen und, soweit umsetzbar, Anpassungen an der Lage oder dem Umfang der Baustraße vorzunehmen. Der vom Gutachter vorgeschlagene Wurzelvorhang ist ungeachtet dieser Prüfung verbindlich in den Boden einzubringen. Soweit von der Klägerin gewünscht, sind auch die im Gutachten genannten vorbereitenden Standortverbesserungsmaßnahmen, namentlich die Bepflanzung des Wurzelbereichs mit Pachysandra, umzusetzen (vgl. Gutachten S. 27).

37 Abwägungsmängel hinsichtlich der Betroffenheit der Rotbuchen ergeben sich auf der Grundlage dieser Regelungen nicht. Wie bereits ausgeführt, hat sich in tatsächlicher Hinsicht ergeben, dass die Baustraße in der gewählten Lage und in der vorgesehenen Breite zur sachgerechten Errichtung des planfestgestellten Vorhabens erforderlich ist. Insoweit ist die Inkaufnahme des Verlustes der Rotbuche Nr. 4 - die in vollem Umfang zu entschädigen ist - unvermeidlich. Hinsichtlich des für realisierbar erachteten Erhalts der Rotbuche Nr. 5 verpflichtet der Planfeststellungsbeschluss - wie dargelegt - die Beigeladene, sämtliche seitens des Fachgutachters vorgeschlagenen Baumschutz-, Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen. Das zum Erhalt dieses Baumes Mögliche hat die Planfeststellungsbehörde damit getan. Defizite der Planfeststellung sind insoweit nicht ersichtlich (vgl. hierzu auch bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 6.20 - juris Rn. 16).

38 Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin und die Beigeladene hinsichtlich der Frage des Erhalts der Rotbuchen Nr. 4 und 5 im Rahmen einer Einigung über die Besitzüberlassung vom 22. Januar 2021 zwischenzeitlich eine Verständigung erzielt haben, die über die Maßgaben der Planfeststellung hinausreicht. Grundsätzliches Ziel auch der Beigeladenen ist es hiernach, neben der Rotbuche Nr. 5 auch die Rotbuche Nr. 4 zu erhalten. Konkret ist hierfür durch zwei Sachverständige vor Beginn jeglicher bauvorbereitender Maßnahmen insbesondere zu ermitteln, welche nach dem Stand der Technik bekannten Maßnahmen zum Schutz des Wurzelwerks der Bäume anzuwenden sind. Auf die Realisierung eines - wurzelgefährdenden - Kabelkanals in der Nähe von Rotbuche Nr. 4 wird verzichtet. Für den Fall des nicht abwendbaren Verlustes einer oder beider Rotbuchen werden nähere Regelungen zur Entschädigung getroffen.

39 c) Abwägungsmängel bestehen auch nicht hinsichtlich der Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin zur Errichtung eines zweiseitigen Wendehammers. Die Anlage dient insbesondere dem Wenden der in Hamburg auch im Bereich Wandsbek regelmäßig eingesetzten dreiachsigen Müllfahrzeuge in der Straße "Schlossgarten" und ersetzt einen im Bestand vorhandenen, für das Wenden der Müllfahrzeuge zu kleinen rechtsseitigen Wendehammer, der im Zuge der Errichtung der Baustraße für das Vorhaben in Anspruch genommen wird. Der bestehende rechtsseitige Wendehammer steht zudem in Widerspruch zu lenktechnischen Erfordernissen, deretwegen einseitige Wendehämmer linksseitig angelegt werden sollen (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 - RASt06 - S. 65).

40 Die planfestgestellten Maßnahmen beschränken sich auf eine Anpassung des Wendehammers an den Stand der Technik nach den einschlägigen Maßstäben der Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen, Ausgabe 2017 - ReStra - (S. 15), die hinsichtlich der baulichen Gestaltung von Wendeanlagen auf die RASt06 (S. 65) Bezug nehmen und festlegen, dass in Hamburg Wendeanlagen für ein dreiachsiges Müllfahrzeug zu dimensionieren sind. Diese Maßstäbe stehen zudem mit § 16 Nr. 1 der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung vom 1. Oktober 1979 in der Fassung vom 1. Januar 1997 in Einklang, wonach - vorbehaltlich einer Übergangsregelung - Müll aus Sicherheitsgründen nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist.

41 Die Grundinanspruchnahme für den Wendehammer zu Lasten der Klägerin ist verhältnismäßig. Zum einen nimmt der planfestgestellte zweiseitige Wendehammer nach den unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen etwa 15 m² weniger Fläche in Anspruch als ein ausreichend groß dimensionierter einseitiger Wendehammer. Zum anderen werden die im Bereich des Wendehammers anliegenden Privatgrundstücke durch die zweiseitige Ausführung jeweils geringer und in ausgeglichenerer Art und Weise belastet als durch einen rechts- oder linksseitigen Wendehammer. Darüber hinaus nähme ein - wie ausgeführt - wegen der lenktechnischen Erfordernisse an sich zu bevorzugender linksseitiger Wendehammer eine deutlich größere Fläche des Grundstücks der Klägerin in Anspruch, das für den zweiseitigen Wendehammer in einem noch moderaten Umfang von 78 m² im Randbereich überbaut werden soll.

42 d) Gegen die Inanspruchnahme des Grundstücks der Klägerin im Zuge der planfestgestellten Neuerrichtung eines Treppenabgangs und einer Lärmschutzwand (nebst Entwässerungsmulde) ergeben sich ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Der Treppenabgang zu der planfestgestellten Eisenbahnüberführung dient sowohl als Ersatz für den im Bestand vorhandenen Bahnübergang als auch als Zugang zu der neu zu errichtenden Station Claudiusstraße. Nach den nachvollziehbaren Erläuterungen der Beigeladenen ist eine Verlegung der Treppenanlage insbesondere im Hinblick auf die Lage des Bahnsteigs der geplanten Station Claudiusstraße, der wiederum aus anderen Zwangspunkten folgt, nicht möglich.

43 Die planfestgestellte, nicht barrierefreie Ausgestaltung als (reine) Treppenanlage (ohne Rampe und/oder Aufzug) führt zu einer vergleichsweise geringen Grundinanspruchnahme zu Lasten der Klägerin im Umfang von 52 m². Ein vollständiger Verzicht auf einen zweiten Bahnsteigzugang sowie auf eine Eisenbahnüberführung, die die bisher mittels eines beschrankten Bahnübergangs gewährleistete Verbindung zwischen den südlich und nördlich der Bahntrasse gelegenen Abschnitten der Straße "Schlossgarten" aufrechterhält, wäre möglicherweise nicht frei von planerischen Mängeln. Eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin ergibt sich durch die planfestgestellte (reine) Treppenanlage jedenfalls nicht. Hinsichtlich der Neuerrichtung der Lärmschutzwände nebst einer Entwässerungsmulde vermochte die Klägerin schon im Ansatz nicht deutlich zu machen, dass die planfestgestellte Ausgestaltung, die insbesondere der hinreichenden Wirksamkeit des Schallschutzes geschuldet ist, in unverhältnismäßiger Art und Weise ihr Grundeigentum in Anspruch nimmt.

44 e) Auch unter den Gesichtspunkten der kumulativen Belastung durch die Betroffenheit hinsichtlich einer Mehrzahl von Grundstücksteilflächen als auch eines entstehenden unregelmäßigen Zuschnitts des zum ganz überwiegenden Teil im Eigentum der Klägerin verbleibenden Grundstücks ergibt sich keine unzumutbare Beeinträchtigung. Die nach der Planfeststellung dauerhaft in Anspruch zu nehmenden Flächen liegen einerseits jeweils an den Grundstücksrändern und machen andererseits insgesamt weniger als zehn Prozent der Gesamtfläche des Grundstücks aus. Insoweit führen die vorhabenbedingten Eingriffe auch in ihrer Gesamtwirkung zu keiner unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Klägerin. Die entstehenden Unregelmäßigkeiten des Grundstückszuschnitts an dessen Rändern stellen weder den Gesamtzuschnitt noch die uneingeschränkte weitere Nutzbarkeit zu Wohnzwecken infrage und erweisen sich insoweit ebenfalls als zumutbar.

45 f) Schließlich ergeben sich auch mit Blick auf die planerische Bewältigung baubedingter Immissionen, insbesondere Lärm und Staub, keine Rechtsfehler der Planfeststellung. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass die umfangreichen diesbezüglichen Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. zum Lärm S. 66 ff. und zum Staub S. 81 f.) den Interessen betroffener Anwohner - einschließlich der Klägerin - nicht in abwägungsfehlerfreier Art und Weise gerecht würden. Mit Blick auf die Grundstücksbezogenheit der Immissionen ist bei dieser Betrachtung die individuelle Situation der Klägerin bzw. deren Mieter nicht ausschlaggebend (vgl. hierzu auch Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 74 Rn. 107 m.w.N.).

46 Bei der fachplanerischen Abwägungsentscheidung durfte auch die Situationsgebundenheit des Grundstückseigentums unmittelbar an einer bereits seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehenden Eisenbahnstrecke Berücksichtigung finden (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 132). Insoweit musste von je her mit der Durchführung von Bauarbeiten an der Strecke unter Betroffenheit des anliegenden Grundstücks gerechnet werden. Etwaige vermehrte Lichteinwirkungen im Gebäudebereich infolge der Beseitigung vorhandenen Bewuchses sind als zumutbar hinzunehmen. Detailfragen des Anwohnerschutzes während der Bauausführung können zudem der Ausführungsplanung vorbehalten bleiben.

47 4. Unbegründet ist schließlich der Hilfsantrag der Klägerin, die maßgeblichen Beurteilungspegel zur Anspruchsbegründung für Entschädigungen wegen unzumutbarer baubedingter Lärmbeeinträchtigungen auf 67 dB(A) tags und 57 dB(A) nachts in Wohngebieten herabzusetzen. Diesem Begehren der Klägerin wird der Planfeststellungsbeschluss gerecht, ohne dass es einer Änderung oder Ergänzung bedarf. Nach der einschlägigen Nebenbestimmung A.4.10.1.7 Buchst. b Nr. 1 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 70 f.) stehen betroffenen Eigentümern bei einem Beurteilungspegel zwischen 67 dB(A) und 70 dB(A) tags bezogen auf Wohnräume Entschädigungsansprüche zu. Bezogen auf Schlafräume sieht der Planfeststellungsbeschluss (S. 71) nach der Nebenbestimmung A.4.10.1.7 Buchst. b Nr. 4 Entschädigungsansprüche für Nächte mit einem Beurteilungspegel von mehr als 57 dB(A) und bis zu 60 dB(A) vor. Nach der weiteren Nebenbestimmung A.4.10.1.7 Buchst. a des Planfeststellungsbeschlusses (S. 70) besteht ab einem Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags bezogen auf Wohnräume und von mehr als 60 dB(A) nachts bezogen auf Schlafräume zudem eine Verpflichtung der Vorhabenträgerin zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum.

48 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Urteil vom 05.10.2021 -
BVerwG 7 A 17.20ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A17.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.10.2021 - 7 A 17.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:051021U7A17.20.0]

Urteil

BVerwG 7 A 17.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2021
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
am 5. Oktober 2021 für Recht erkannt:

  1. Die Klagen werden abgewiesen.
  2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 1 und 4 sowie die Kläger zu 2 und 3 als Gesamtschuldner jeweils 1/3.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek".

2 Die beigeladene DB Netz AG plant den Bau der S-Bahnlinie S4 von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz. Die insgesamt ca. 17 km lange Strecke wird in drei Abschnitte aufgeteilt, von denen der erste eine Teilstrecke von ca. 3 km umfasst (Hamburg-Hasselbrook bis Luetkensallee in Hamburg-Wandsbek). Der Bau der S-Bahnlinie S4 ist Bestandteil der Maßnahmen zur Engpassbeseitigung im Großknoten Hamburg. Grundlage für die Planung der S-Bahn-Infrastruktur ist das prognostizierte Fahrgastaufkommen, zu dessen Bewältigung ein 10-Minuten-Takt bis Ahrensburg während der Hauptverkehrszeit vorgesehen ist.

3 Von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg soll die Strecke zweigleisig und von Ahrensburg bis Ahrensburg-Gartenholz eingleisig gebaut werden; im Übrigen soll die S-Bahn die bestehenden Gleise nutzen. Daneben sollen zugunsten des Güterverkehrs Anpassungen einschließlich teilweiser Neuerrichtungen der bestehenden Gleisführungen erfolgen.

4 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der 1. Planfeststellungsabschnitt, dessen Feststellung die Beigeladene im August 2016 beantragte. Am 24. August 2020 wurde der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der 4. Planänderung erlassen und im Amtlichen Anzeiger der Stadt Hamburg am 15. September 2020 öffentlich bekannt gemacht.

5 Das bebaute Grundstück des Klägers zu 1 liegt ca. 70 m nördlich der geplanten Bahntrasse und soll nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden. Die Kläger zu 2 und 3 sind Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das zu 1/3 vorübergehend für eine Baustelleneinrichtungsfläche und eine Baustraße in Anspruch genommen werden soll. Die Klägerin zu 4 ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks, das in einer Entfernung von 170 m zur Bahntrasse liegt.

6 Die Kläger haben gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Die ebenfalls beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat der Senat mit Beschluss vom 29. Oktober 2020 (BVerwG 7 VR 7.20 ) abgelehnt. Erste Bauarbeiten finden statt.

7 Die Kläger machen geltend: Die Bezeichnung des Vorhabens in der Auslegungsbekanntmachung verfehle die Anstoßfunktion, weil der Umfang des Vorhabens verschwiegen werde. Die ausgelegten Unterlagen seien wegen eines fehlenden wasserrechtlichen Fachbeitrags unvollständig gewesen. Aufgrund der Änderung von Planunterlagen sei zudem eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich gewesen. Es würden drei verschiedene Vorhaben im Sinne des Bundesschienenwegeausbaugesetzes unzulässig miteinander verknüpft. Die Abschnittsbildung sei fehlerhaft. Die Beklagte habe einen kurzen Planungsabschnitt 1 geschaffen, um habitatrechtliche Probleme ungelöst auf die weiteren Abschnitte zu verlagern. Der Gesamtplanung stünden FFH-Gebiete entgegen. Die Umweltverträglichkeitsstudie sei unzureichend. Es fehle an einer Ermittlung, Zusammenstellung und Bewertung für den jeweils einzelnen Abschnitt. Das zeige sich insbesondere am Schutzgut Wasser. Den im Planungsabschnitt 1 verknüpften verschiedenen Einzelvorhaben fehle die Planrechtfertigung. Das Projekt "Knoten Hamburg" sei nicht gesetzeskonform vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen. Die Alternativenprüfung sei fehlerhaft, insbesondere im Hinblick auf die "Variante A1" sowie die Null-Variante. Es fehle eine Abwägung der Inanspruchnahme privaten Eigentums für die einzelnen Alternativen. Wasserrecht und Artenschutzrecht seien verletzt. Es fehle an einem wirksamen Baulärmschutzkonzept. In der Betriebsphase seien unzumutbare Schall- und Erschütterungsimmissionen zu erwarten. Zudem sei der Bedarf für das Vorhaben fehlgewichtet worden. Nachteilige Auswirkungen des Neubaus der Station Claudiusstraße sowie Grundstückswertverluste seien unberücksichtigt geblieben.

8 Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 24. August 2020 für das Vorhaben "Neubau S-Bahnlinie S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe Planungsabschnitt 1 Hasselbrook-Luetkensallee in der Freien und Hansestadt Hamburg im Bezirk Wandsbek" aufzuheben,
hilfsweise,
ihn für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über Schutzauflagen zugunsten der Kläger insbesondere über weitergehende Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes, des Schutzes vor Luftschadstoffen und des Schutzes vor Erschütterungen sowie über Entschädigung zu befinden.

9 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klagen abzuweisen.

10 Sie treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

II

11 Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Er leidet nicht an Fehlern, die zu seiner Aufhebung, zur Feststellung seiner Rechtswidrig- und Nichtvollziehbarkeit oder - im Sinne des Hilfsantrags - zu der Verpflichtung der Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um weitere Schutzauflagen führen.

12 A. Das Bundesverwaltungsgericht ist als erstinstanzliches Gericht zuständig.

13 Dies folgt aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG in der vor dem 13. März 2020 geltenden Fassung (vgl. § 38 Abs. 8 AEG). Gemäß § 18e Abs. 1 Nr. 5 AEG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, soweit die Vorhaben Schienenwege betreffen, die wegen der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage 1 aufgeführt sind. Diese Anlage weist die dort genannten Schienenwege ausdrücklich der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu. Die Zuweisung richtet sich nach der Vorhabenbezeichnung in der Anlage. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist an die Aufnahme des Vorhabens in die Anlage zum Allgemeinen Eisenbahngesetz geknüpft, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte (vgl. Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2012, § 18e Rn. 2). Die Vorhabenbezeichnungen entstammen dem Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (vgl. Schütz, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 18e AEG Rn. 17). In Nr. 41 der Anlage 1 ist der Großknoten Hamburg aufgeführt.

14 Die Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an das Bundesverwaltungsgericht als erst- und letztinstanzliches Gericht bedarf der hinreichenden Begründung. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes von denen der Länder berührt den föderalen Aufbau des Gerichtswesens und damit die Aufgabenverteilung im Bundesstaat (Art. 92 Halbs. 2, Art. 20 Abs. 1 GG). Bei der Beurteilung, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Gesetzgeber, weil damit oft (verkehrs-, wirtschafts- und rechts-)politische Wertungen verbunden sind, ein weiter Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Ein hinreichender Grund für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben. Die hier in Rede stehende Neuregelung betrifft Verkehrsprojekte, deren Fertigstellung der Gesetzgeber wegen eines gesamtstaatlichen Interesses, das über eine bloß regionale Bedeutung der Projekte hinausgeht und die Bundesebene berührt, für besonders eilbedürftig hält (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 31 ff.; Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 50 Rn. 17).

15 Der Katalog der Schienenwege mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG knüpft begrifflich wie inhaltlich an den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) an (vgl. BT-Drs. 19/4459 S. 43). Dort werden "Großknoten" einschließlich des Großknotens Hamburg in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 als (neue) Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs - Engpassbeseitigung (VB-E) eingestuft. Eine nähere Bestimmung der einem Großknoten zuzuordnenden Teile des Schienenwegenetzes der Eisenbahnen des Bundes (vgl. § 1 Abs. 1 BSWAG) findet sich an dieser Stelle nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, den Begriff des Großknotens näher zu bestimmen. Er hat diesen lediglich aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übernommen, der dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege zugrunde liegt (vgl. BT-Drs. 18/9524 S. 12, 22 f.). Der Bundesverkehrswegeplan stellt zu den Großknoten-Projekten fest, diese könnten voraussichtlich einen wichtigen Beitrag zur Engpassauflösung im Schienennetz leisten, und sieht hierfür ein besonderes Budget vor, behält jedoch aufgrund der verkehrlichen Komplexität die Identifizierung der notwendigen konkreten Maßnahmen in den Knoten sowie den Nachweis ihrer Wirtschaftlichkeit einer nachfolgenden Untersuchung vor (vgl. BVWP S. 39). Dementsprechend listet der Bedarfsplan die Knoten Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, Mannheim und München in Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 lfd. Nr. 38 bis 43 als Vorhaben des Potenziellen Bedarfs, die in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen können und nach Satz 2 der Vorbemerkungen in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen werden, sobald sie die Kriterien dafür nachweislich erfüllen. Die Listung der Großknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, Mannheim und München als Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 unter der lfd. Nr. 25 des Bedarfsplans erfüllt insoweit - ebenso wie lfd. Nr. 24 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <Streckenmaßnahmen>"), Nr. 26 ("Projekte des Potenziellen Bedarfs <weitere Knoten, mikroskopische Maßnahmen>") und Nr. 27 ("Kombinierter Verkehr/Rangierbahnhöfe") im Hinblick auf die entsprechenden Vorhaben des Potenziellen Bedarfs nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 - die Funktion einer Öffnungsklausel bzw. eines "Platzhalters" (vgl. auch BVWP S. 39: "Im Vordringlichen Bedarf ist ein Budget als Platzhalter für die Projekte des Potenziellen Bedarfs vorgesehen."). Auf diese Weise werden die Vorhaben unter dem Vorbehalt weiterer Prüfung dem Vordringlichen Bedarf bereits gesetzlich zugeordnet (vgl. auch schon BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 7 VR 6.12 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 2 Rn. 4).

16 Es bedarf deshalb für den Aufstieg eines Vorhabens vom Potenziellen in den Vordringlichen Bedarf nicht erst noch einer Anpassung des Bedarfsplans, für die § 4 Abs. 1 Satz 2 BSWAG ein Gesetz voraussetzt. Ausreichend ist vielmehr eine hinreichend verlautbarte Verwaltungsentscheidung, wie sie hier für den Knoten Hamburg mit der im November 2018 bekanntgegebenen Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zum Aufstieg in den Vordringlichen Bedarf erfolgt ist (vgl. BMVI, Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs, 5. November 2018, S. 30; Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030, 6. November 2018, S. 1 f.; vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 7 VR 7.20 - Buchholz 442.09 § 18e AEG Nr. 4 Rn. 6). Dabei führt die Bewertung der Schienenwegeausbauvorhaben des Potenziellen Bedarfs zum Knoten Hamburg (lfd. Nr. 39) aus (Bewertung S. 30), dass der Planfall u.a. auch die S4 Ost umfasst (unter 3: Ausbau S4 Hasselbrook-Ahrensburg). Des Weiteren wird zum Potenziellen Bedarf der Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg (lfd. Nr. 25) dargelegt, dass das Projekt S4 Ost als Teil des Knotens Hamburg effektiver die Verkehrsbedürfnisse als ein dreigleisiger Ausbau erfüllt (Bewertung S. 31). Zudem verweist der Kurzbericht über die Bewertungsergebnisse für die Schienenprojekte des Potenziellen Bedarfs aus dem Bundesverkehrswegeplan im Zusammenhang mit dem Knoten Hamburg auch auf die mitumfasste S4 Ost (S. 2). Diese Zuordnung von Ausbau- und Neubauvorhaben zum Großknoten Hamburg ist nicht zu beanstanden.

17 Die Zuordnung hat vom Begriff des "Großknotens" her zu erfolgen, dessen Gehalt anhand objektiver Kriterien durch Auslegung zu bestimmen ist. Dabei kommt auch dem Beschleunigungszweck, der gleichermaßen § 18e Abs. 1 AEG wie dem Bundesschienenwegeausbaugesetz zugrunde liegt, Bedeutung zu. Neben einem räumlichen Zusammenhang mit einer der genannten Knoten-Standorte kommt es danach wesentlich auf die Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion an, wie sie für Verkehrsknoten, an denen zahlreiche Verkehrsströme mit unterschiedlichen Schienenverkehrsarten (Fern- und Nahverkehr, Personen- und Güterverkehr) zusammenfließen, charakteristisch ist. Das jeweilige Vorhaben muss einen funktionalen Beitrag zu dieser Verknüpfungs- und Verflechtungsfunktion des betreffenden Knotens leisten. Es muss eine knotentypische Verknüpfungsfunktion gegeben sein, was bei hinreichender räumlicher Nähe und Einbindung in das am jeweiligen Knoten bereits existierende Schienenwegenetz regelmäßig der Fall sein wird. So liegt es auch hier.

18 Der Neubau der im Hamburger Stadtgebiet beginnenden S-Bahnstrecke zielt neben einer verbesserten Anbindung des Hamburger Ostens und des südöstlichen Teils Schleswig-Holsteins im Schienenpersonennahverkehr auf eine zumindest teilweise Entflechtung der knotentypisch gewachsenen Parallelnutzung der Bestandsanlagen durch Nah- und Fernverkehr sowie Personen- und Güterverkehr und, in der Folge, auf eine Taktverdichtung im S-Bahnverkehr. Zugleich sollen im Hauptbahnhof Hamburg die Fernbahnsteige entlastet und insoweit freie Kapazitäten geschaffen werden. Auch wird aufgrund vereinfachter Umstiege zu anderen S-Bahnen und der Möglichkeit einer direkten Weiterfahrt zu Zielen in der Hamburger Innenstadt eine Entlastung von Bahnsteigen, Treppenanlagen und anderen Wegen im Hauptbahnhof bezweckt. Die neuen Haltepunkte Claudiusstraße und Bovestraße zielen darauf, einen größeren Personenkreis als bislang zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu veranlassen.

19 Auch der Ausbau der Horner Kurve ist dem Großknoten Hamburg zuzurechnen. Der Umstand, dass die Horner Kurve im BVWP 2030 (S. 168) als Bestandteil des unter Nr. 25 aufgeführten Vorhabens Ausbaustrecke Hamburg-Ahrensburg des Potenziellen Bedarfs erwähnt wird, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich hierbei, wie sich aus der als Anlage 2 dem BVWP 2030 beigefügten Projektliste ergibt, lediglich um eine vorläufige Beschreibung der Maßnahme, die keine konstitutive Bedeutung hat. Sie steht daher einer Realisierung im Rahmen eines anderen Vorhabens - hier des Vordringlichen Bedarfs - nicht entgegen, sofern eine räumlich-funktionale Einbindung in das andere Vorhaben gegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um eine Teilmaßnahme handelt, die weder die Identität des neuen Gesamtvorhabens betrifft noch dessen Wirtschaftlichkeitsbeurteilung erheblich verändert.

20 Angesichts der hiernach bestehenden räumlich-funktionalen Einbindung des streitigen Vorhabens in das Hamburger Schienenwegenetz spricht auch der vom Gesetzgeber mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts verfolgte Beschleunigungszweck für seine - einheitliche - Zuordnung zum "Großknoten Hamburg" im Sinne der lfd. Nr. 41 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG.

21 B. Die Anfechtungsklagen sowie die hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen sind zulässig.

22 Die Kläger zu 2 und 3 sind als Eigentümer von Grundstücken, die im Bereich des 1. Planfeststellungsabschnittes liegen, klagebefugt. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht danach mindestens im Hinblick auf ihr Eigentum, so dass sie einen "Vollüberprüfungsanspruch" geltend machen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 ff., Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 11 f. m.w.N.). Die Kläger zu 1 und 4 sind als Lärmbetroffene gleichfalls klagebefugt. Sie können die Verletzung gerade sie schützender Normen des materiellen und des Verfahrensrechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer geschützten Privatbelange rügen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 19.19 - BVerwGE 169, 94 Rn. 92 sowie Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 7 VR 3.20 - juris Rn. 6).

23 C. Die Klagen sind mit den Haupt- und den Hilfsanträgen unbegründet.

24 I. Der auf § 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützte Planfeststellungsbeschluss ist frei von Verfahrensmängeln.

25 1. Die Anstoßfunktion des Bekanntmachungstitels ist gewahrt.

26 Die Frage, ob die Bekanntmachung eine hinreichende Anstoßfunktion wahrt, kann nicht nur mit Blick auf die Hauptüberschrift beantwortet werden, es ist auch der Bekanntmachungstext in den Blick zu nehmen. Er soll die Betroffenheit hinreichend deutlich erkennen lassen, so dass die Betroffenen ermuntert werden, sich für die Planung zu interessieren und die Planunterlagen einzusehen (BVerwG, Urteil vom 16. August 1995 - 11 A 2.95 - Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1 S. 5 f.; Beschluss vom 1. April 2005 - 9 VR 5.05 - juris Rn. 4). Aus der Bekanntmachung muss sich insbesondere der Standort, die Trasse und die Art des Vorhabens ergeben (vgl. Weiß, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2021, § 73 VwVfG Rn. 171). Diesen Voraussetzungen entspricht die Bekanntmachung der Planunterlagen.

27 Die Bekanntmachung im Amtlichen Anzeiger Nr. 42 vom 30. Mai 2017 bezieht sich auf den 1. Planfeststellungsabschnitt "Hamburg-Hasselbrook-Luetkensallee" und beschreibt das Vorhaben als "zusätzliche Errichtung zweier S-Bahngleise beziehungsweise eines S-Bahngleises zwischen Hamburg-Hasselbrook und Ahrensburg-Gartenholz parallel zu der bestehenden Fernbahnstrecke 1120", die "abschnittsweise die Verschwenkung und Anpassung dieser Bestandsstrecke" erfordert, weshalb das Vorhaben "sowohl nordwestlich als auch südöstlich der Bestandstrasse mit Auswirkungen verbunden ist". Danach ist dem Bekanntmachungstext mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass Anwohner nordwestlich und südöstlich der Bestandsstrecke möglicherweise von Auswirkungen des Eisenbahnvorhabens betroffen sind. Aus der Überschrift folgt zudem, dass das Vorhaben den Neubau einer S-Bahnstrecke unter Änderung bestehender Bahnstrecken (Fernbahnstrecke 1120, Güterzugstrecke 1242, "S-Bahnstrecke" 1249, Güterzugstrecke 1241) umfasst, so dass Bezüge des Vorhabens zum Schienengüterverkehr erkennbar waren. Dass nicht nur eine S-Bahn-bezogene Planung in Rede gestanden hat, ergibt sich auch aus der erneuten Bekanntmachung vom 13. Juni 2017 im Amtlichen Anzeiger Nr. 46. Die dortige Überschrift wies ebenfalls ausdrücklich auf die Änderung der Fernbahnstrecke 1120 und der Güterzugstrecken 1241 und 1242 hin.

28 Die Bekanntmachung der Auslegung der 1. Planänderung verfehlte die gebotene Anstoßwirkung nicht deshalb, weil darin nicht ausdrücklich auf Änderungen im Erläuterungsbericht zur Untersuchung zu betriebsbedingten Schallimmissionen (Planunterlage 15.1) hingewiesen wurde. Gegenstand der 1. Planänderung waren der Wegfall eines zunächst geplanten bahnparallelen Verbindungswegs zwischen Claudiusstraße und der Straße Schloßgarten sowie die Herstellung zweier Wendehämmer in beiden Straßen (vgl. PFB S. 117; Planunterlagen 3.3 und 3.5 ; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 81 f.). Planunterlage 15.1 wurde dergestalt an die Änderung angepasst, dass sämtliche den Verbindungsweg betreffenden Passagen gestrichen wurden (vgl. S. 1, 5, 9, 10, 17, 19 und 52 der Planunterlage 15.1). Auf den Gegenstand der Planänderung wurde in der Bekanntmachung ebenso hingewiesen wie darauf, dass "die Planunterlagen, aus denen sich Art und Umfang des Vorhabens" sowie dessen Änderungen einschließlich der Umweltauswirkungen ergeben, zur Einsicht ausgelegt würden. Unmittelbar im Anschluss verweist die Bekanntmachung hierzu u.a. auf "die Untersuchung zu betriebsbedingten Schallimmissionen". Das genügte, um Betroffene auch im Hinblick auf die in der Planunterlage 15.1 behandelte Schallproblematik für die Vorhabenänderung zu interessieren und zur Einsichtnahme zu veranlassen, um gegebenenfalls Einwendungen zu erheben.

29 2. Die ausgelegten Unterlagen waren nicht unvollständig.

30 Die erforderliche Auslegung von Planunterlagen nach § 18a AEG i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG umfasst nicht alle Unterlagen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abzuschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst zu machen. Welche Unterlagen hierzu gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Unterlagen sind grundsätzlich dann auszulegen, wenn sich erst aus ihnen abwägungserhebliche Auswirkungen auf die Belange potenziell Betroffener oder anerkannter Vereinigungen ergeben; ergänzt eine Unterlage dagegen nur ausgelegte Planungsunterlagen, muss sie nicht mit ausgelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 16 m.w.N.).

31 Handelt es sich - wie hier - um ein Vorhaben, für das die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, ergeben sich weitere Anforderungen in Bezug auf die Auslegung von Unterlagen aus § 9 Abs. 1b Satz 1 UVPG in der hier noch nach der Übergangsvorschrift des § 74 Abs. 2 UVPG anzuwendenden Fassung vom 24. Februar 2010 - UVPG 2010 (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG n.F.). Es sind die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 6 UVPG 2010 und diejenigen "entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen (...), die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben", zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen. Danach müssen die neben den Unterlagen der UVP-Prüfung "wichtigsten Berichte und Empfehlungen" zugänglich gemacht werden. Vor diesem Hintergrund kann es an der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 fehlen, wenn bestimmte Unterlagen lediglich Detailfragen betreffen oder auf sie in anderen - ihrerseits ausgelegten - Unterlagen Bezug genommen wird. Solche Unterlagen gehören nicht zu den wichtigsten Berichten und Empfehlungen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92/EU vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-RL - (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 17 m.w.N.).

32 a) Dass ein wasserrechtlicher Fachbeitrag nicht ausgelegt wurde, begründet danach keinen Auslegungsfehler. Der Europäische Gerichtshof hat zwar mit Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​EU:​C:​2020:​391] - (Rn. 90) Art. 6 UVP-RL dahin ausgelegt, dass die Informationen, die der Öffentlichkeit im Laufe des Projektgenehmigungsverfahrens zugänglich zu machen sind, die Angaben umfassen müssen, die erforderlich sind, um die wasserbezogenen Auswirkungen des Projekts anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - WRRL - (ABl. L 327 S. 1) vorgesehenen Kriterien und Pflichten zu beurteilen. Allerdings müssen die Angaben, anhand deren die Auswirkungen eines Projekts auf die Gewässer beurteilt werden können, nicht in einem einzigen Dokument wie einem technischen Bericht oder einer technischen Studie enthalten sein (EuGH, a.a.O., Rn. 85). Daher sind die Umweltverträglichkeitsuntersuchung (Umweltverträglichkeitsstudie, Erläuterungsbericht S. 57 zu 2.5 ), der Landschaftspflegerische Begleitplan (Erläuterungsbericht S. 38 ff. und 65 ff. sowie 84) und die begleitenden Fachunterlagen zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung, die sämtlich ausgelegt wurden, geeignetes Unterlagenmaterial.

33 b) Soweit die Kläger eine fehlende Auslegung der Verkehrsprognose rügen, führt dies ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Zwar gehört die einem Vorhaben zugrunde gelegte Verkehrsprognose regelmäßig zu den auszulegenden Unterlagen im Sinne von § 73 VwVfG bzw. den entscheidungserheblichen Berichten und Empfehlungen, die von § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 erfasst werden (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 19). Insoweit ist dem Auslegungserfordernis aber dadurch entsprochen worden, dass der Erläuterungsbericht Angaben zu dem künftig erwarteten Passagieraufkommen im S-Bahnverkehr sowie den Zugzahlen enthält (Planunterlage 1 S. 15, 23). Dem Erläuterungsbericht (S. 15 f.) ist ferner zu entnehmen, dass dem eine Eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung (EBWU) zugrunde liegt. Hierin liegt die notwendige (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 a.a.O.) Angabe darüber, auf welcher Grundlage die Prognose erstellt worden ist. Aus der EBWU geht hervor, dass sie sich auf Prognosezahlen des Bundesverkehrsministeriums stützt (vgl. EBWU-Ergebnisbericht u.a. S. 2, 5 f., 13). Damit hat die Auslegung des Erläuterungsberichts, der in seinem Anhang I (S. 2) zudem auf die "Bundesprognose 2025" Bezug nimmt, hinreichende Anstoßwirkung in Bezug auf die Grundlagen der Verkehrsprognose erzeugt.

34 3. Es bedurfte entgegen der Auffassung der Kläger nicht deshalb einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung, weil nach Abschluss der Auslegung der 1. Planänderung der Landschaftspflegerische Begleitplan geändert worden ist.

35 Dass lediglich solche Unterlagen ausgelegt werden müssen, die aus der Sicht der potenziell Betroffenen erforderlich sind, um ihnen das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen, gilt auch für nachträglich erstellte oder überarbeitete Planunterlagen (BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 31.07 - NVwZ 2010, 63 Rn. 31 <insoweit in Buchholz nicht abgedruckt>). Bei UVP-pflichtigen Vorhaben bestimmt darüber hinaus § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG 2010, dass dann, wenn der Vorhabenträger die nach § 6 UVPG 2010 erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens ändert, von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit - nur - abgesehen werden kann, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Unabhängig davon muss die Öffentlichkeit nach § 9 Abs. 1 UVPG 2010 dann neu beteiligt werden, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung von Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird. Dies beurteilt sich danach, ob bereits die ursprünglichen Unterlagen die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG 2010 nötige Anstoßwirkung entfalten oder ob eine solche erstmalig von den neuen Unterlagen ausgeht. Die Anstoßwirkung soll den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen, durch Einbeziehung von Meinungsäußerungen und Bedenken der Öffentlichkeit zu Umweltbelangen den behördlichen Entscheidungsprozess besser und transparenter zu gestalten. Sie setzt voraus, dass die Unterlagen potenziell Betroffenen und den anerkannten Vereinigungen die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihre Belange oder ihre satzungsgemäßen Interessen von den Umweltauswirkungen betroffen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 28 m.w.N.).

36 Gemessen daran war hier eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung nicht geboten. Die nachträglichen Änderungen des Landschaftspflegerischen Begleitplans betrafen bloße Ergänzungen, Aktualisierungen und Vertiefungen bereits zuvor angestellter Untersuchungen, ohne wesentlich über diese hinauszugehen oder zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen besorgen zu lassen. Dies gilt für die Ergänzung der Bestandserfassung der Biotoptypen und Lebensräume einschließlich u.a. des Wandsbeker Gehölzes (vgl. LBP Nr. 6.1.2 S. 22) um ein Kapitel zu Einzelbäumen dort (LBP Nr. 6.1.3 S. 28 ff.) sowie die Ergänzung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und weitere Ausgleichspflanzungen von Einzelbäumen (LBP Nr. 8.3 Maßnahme A 4, S. 108 f.), ebenso für die Aktualisierung der Angaben zu einem etwaigen Vorkommen des Grauschnäppers (LBP Nr. 6.2.4 S. 35), zu Auswirkungen des Vorhabens auf Fledermausvorkommen und Vögel (LBP Nr. 7.3.2 S. 66 ff.) sowie zur Ermittlung des Kompensationsbedarfs in Bezug auf Biotope, Arten und Lebensgemeinschaften (LBP Nr. 8.2.1 S. 96 ff.). Schließlich war auch im Hinblick auf die nachträgliche Aufnahme eines Kapitels zum besonderen Artenschutz (LBP Nr. 9 S. 140 ff.) sowie Änderungen und Ergänzungen der Artenblätter zur Ermittlung der Schädigungen und Störungen artenschutzrechtlich relevanter Arten im Anhang 1 des Landschaftspflegerischen Begleitplans keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung geboten. Bereits in der Fassung, die Gegenstand der Auslegung war, verhielt sich der Landschaftspflegerische Begleitplan zur Relevanz der artenschutzrechtlichen Verbote und Kompensationserfordernisse im Hinblick auf von dem Vorhaben tatsächlich oder potenziell betroffene Fledermaus- und Vogelarten (LBP Nr. 6.2.3 und 6.2 .4 S. 32 ff.) sowie zu darauf bezogenen Kompensationsmaßnahmen (LBP Nr. 8.3 S. 105 ff., insb. S. 109, 137 i.V.m. Maßnahmenblättern, Planunterlage 14.6). Gegenstand der Auslegung waren auch mehrere der Artenblätter, in denen jeweils bezogen auf einzelne Arten eine Bestandsbeschreibung, gegebenenfalls notwendige Maßnahmen sowie das Ergebnis der Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände dargestellt sind. Das nachträglich aufgenommene Kapitel zum besonderen Artenschutz sowie die zusätzlichen oder überarbeiteten Artenblätter ergänzen, vertiefen und aktualisieren diese Angaben lediglich, ohne dabei thematisch oder methodisch über den durch die Anstoßwirkung der ausgelegten Planunterlagen abgesteckten Rahmen hinauszugehen.

37 4. Ohne Erfolg rügen die Kläger, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei deshalb fehlerhaft, weil sie für alle drei Planungsabschnitte gemeinsam vorgenommen worden und dabei der Planungsabschnitt 1 nur unzureichend betrachtet worden sei.

38 Die verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen an die Planfeststellung sind bei einer abschnittsweisen Planung eines Gesamtvorhabens einheitlich auf denselben Abschnitt als Vorhaben im fachplanungsrechtlichen Sinne zu beziehen. Dies gilt auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Erforderlich, aber ausreichend ist eine Vorausschau auf die Folgeabschnitte, die nach Art eines vorläufig positiven Gesamturteils im Hinblick auf die Umweltauswirkungen eine Verknüpfung der Abschnitte gewährleistet. Die Prognose muss ergeben, dass dem Vorhaben auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 43 m.w.N.).

39 Die hier durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung genügt diesen Anforderungen. Sie ist für den Planungsabschnitt 1, also bezogen auf die in diesem Abschnitt zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt durchgeführt worden. Das ergibt sich deutlich aus dem Planfeststellungsbeschluss (S. 133 ff.) sowie der Umweltverträglichkeitsstudie (Planunterlage 13.1). Diese nimmt zwar auch die weiteren Planungsabschnitte in den Blick. Die jeweiligen Umweltauswirkungen werden jedoch für jeden der Abschnitte gesondert beschrieben (Planunterlage 13.1 S. 116 ff.). Gegen eine solche Zusammenfassung hinreichend abschnittsbezogener Betrachtungen in einem einheitlichen Dokument ist nichts zu erinnern. Vielmehr liegt hierin gerade ein geeignetes Vorgehen, um eine Grundlage für die gebotene Vorausschau auf die Umweltauswirkungen in den Folgeabschnitten zu gewinnen.

40 5. Ein Mangel der Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Kläger auch nicht daraus, dass sich der Planfeststellungsbeschluss mit dem Neubau der zweigleisigen S-Bahnstrecke, der Erweiterung der Horner Verbindungskurve um ein zweites Gleis sowie der Verlängerung der Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek auf drei selbständige Vorhaben bezöge, für die jeweils eigene Umweltverträglichkeitsprüfungen hätten durchgeführt werden müssen. Der hiermit der Sache nach gerügte Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 11 f. UVPG 2010 (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 32 ff.) liegt nicht vor. Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist, wie sogleich noch näher auszuführen ist (vgl. C.II.1.), ein einziges Vorhaben im fachplanungsrechtlichen sowie im - regelmäßig deckungsgleichen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 34) - Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung.

41 II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen materiellen Fehlern.

42 1. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt.

43 Die Planrechtfertigung als ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in private Rechte verbunden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 m.w.N. und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 33), liegt für das planfestgestellte Vorhaben vor. Die Planrechtfertigung kann sich aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz ergeben, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist und grundsätzlich die Nachprüfung ausschließt, ob für das geplante Vorhaben ein Verkehrsbedarf vorhanden ist (§ 1 Abs. 2 BSWAG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - a.a.O.). Insoweit geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 180 ff.) zutreffend davon aus, dass das Vorhaben gemessen an den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene zu gewährleisten, und der gesetzlichen Bedarfsfeststellung vernünftigerweise geboten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 58 und Beschluss vom 17. September 2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 7 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, es also für das Vorhaben offensichtlich keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1995 - 2 BvR 2397/94 - NVwZ 1996, 261), liegen nicht vor. Die von den Klägern erhobenen Rügen greifen nicht durch.

44 Sie meinen zu Unrecht, es bedürfe für die mitgeplanten Änderungen an den für den Fern- und Güterverkehr bestimmten Gleisen einer eigenen Planrechtfertigung im engeren Sinne. Als Teile eines einheitlichen Vorhabens nehmen sie an dessen planerischer Rechtfertigung teil.

45 Grundsätzlich bestimmt der Träger eines Vorhabens dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen aufgrund des materiellen Planungsrechts unterworfen, die sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot ergeben. Die Aussagekraft der Abwägung darf insbesondere nicht durch Zusammenfassung mehrerer Planungen beeinträchtigt werden. Grenzen des Bestimmungsrechts des Vorhabenträgers bestehen deshalb, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen von ihm als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich um mehrere Vorhaben. Der Vorhabenträger darf dann nicht mehrere Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulässigkeit jedes der Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird. Die mit der Behandlung als ein Vorhaben einhergehende Abwägung der kumulierten Vorteile gegen die kumulierten Nachteile könnte nämlich dazu führen, dass ein Vorhaben ein anderes "mitzieht", obwohl dessen Verkehrsbedeutung bei isolierter Betrachtung die Umweltauswirkungen der allein durch es verursachten Baumaßnahme nicht rechtfertigen würde. Die Rechtmäßigkeit einer Planung kann aber nicht davon abhängen, ob der Vorhabenträger seine Planungsziele mit getrennten Planfeststellungsanträgen verfolgt oder die Ziele und Maßnahmen in einem Antrag bündelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 35).

46 Hieran gemessen stellen die drei Maßnahmen "Neubau einer zweigleisigen S-Bahnstrecke", "Erweiterung der Horner Verbindungskurve um ein zweites Gleis" und "Verlängerung der Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek" ein einziges Vorhaben im fachplanungsrechtlichen Sinne dar.

47 Die mit der geplanten S-Bahn-Neubaustrecke verfolgten Ziele wären ohne den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Gleisverlängerungen im Güterbahnhof Wandsbek nicht in vollem Umfang erreichbar. Der Neubau der S-Bahnstrecke zielt wesentlich auf eine Entflechtung des Personennahverkehrs vom Fern- und Güterverkehr ab (PFB S. 181, 330; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14). Die Erweiterung der Verbindungskurve um ein zweites Gleis gleicht den Entfall der bislang vorhandenen Güterverkehrsinfrastruktur aus, die für die Errichtung der zwei neuen S-Bahngleise zurückgebaut werden muss (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 20). Die durch den S-Bahn-Neubau zwischen den neuen S-Bahnstationen Claudiusstraße und Bovestraße notwendig werdende Verlegung der Gleise der Bestandsstrecke 1120 nach Süden zieht ihrerseits einen Teilrückbau und damit eine Verkürzung der südlich der Strecke 1120 parallel dazu verlaufenden Güterzugstrecke 1242 nach sich (PFB S. 96 f., 201; Lagepläne, Planunterlagen 3.5 und 3.6 ). Im Güterbahnhof Wandsbek werden durch den Neubau der S-Bahngleise Überholungsgleise "verdrängt" (PFB S. 201). Die hieraus folgenden Kapazitätsverluste auf der vorhandenen Strecke sollen durch den zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve und die Verlängerung der als Güterzugüberholungsgleise dienenden Gleise 3 und 4 im Güterbahnhof Wandsbek abgewendet werden (PFB S. 97, 201). Soweit mit den Maßnahmen in ihrer Gesamtheit auch das Ziel verfolgt wird, infolge der Verlagerung des Personennahverkehrs auf separate S-Bahngleise freiwerdende Kapazitäten auf der Bestandsstrecke 1120 für zusätzliche Fern- und insbesondere Güterverkehre zur Verfügung zu stellen (PFB S. 181, 201, 203; Erläuterungsbericht, Planunterlage 1 S. 14, 23), entspricht dies dem Sinn und Zweck einer Entflechtung unterschiedlicher Verkehre. Damit trägt die Planung dem vom Gesetzgeber für den Großknoten Hamburg grundsätzlich festgestellten Bedarf an einer Engpassbeseitigung (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 25 der Anlage zu § 1 BSWAG) Rechnung. Dies geschieht gerade in der Kombination der einzelnen Maßnahmen, die jeweils für sich genommen allenfalls einen geringeren Beitrag zur Verkehrsentflechtung und Engpassbeseitigung zu leisten in der Lage wären.

48 2. Wasserrechtliche Bestimmungen stehen dem Vorhaben nicht entgegen.

49 Ein von den Klägern gerügter Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot (§ 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG), das zwingendes, im Rahmen der Planfeststellung strikt zu beachtendes Recht darstellt (BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 160 und vom 24. Februar 2021 - 9 A 8.20 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 80 Rn. 22 f.), ist nicht ersichtlich. Auch aus dem klägerischen Vorbringen ergibt sich nicht, dass eine Verschlechterung des Zustands eines oberirdischen Gewässers oder des Grundwassers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 4. Juni 2020 - 7 A 1.18 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 18 Rn. 13 ff.) zu erwarten stünde.

50 Hinsichtlich möglicher Schadstoffeinträge oder Verunreinigungen aus dem Baustellenbereich in den Gehölzgraben und von dort in die Wandse liegt dem Planfeststellungsbeschluss die Einschätzung zugrunde, dass bei konsequenter Umsetzung der Auflagen zur Wasserwirtschaft und zum Gewässerschutz (PFB S. 55 ff., Nebenbestimmungen A.4.5) keine nachteiligen baubedingten Auswirkungen auf den Oberflächenwasserkörper al_13 zu erwarten seien; für anlage- oder betriebsbedingte Auswirkungen bestünden keinerlei Anhaltspunkte (PFB S. 238 f.). Auch für den Grundwasserkörper sei weder in mengenmäßiger noch in chemischer Hinsicht mit einer Zustandsverschlechterung zu rechnen (PFB S. 239 f.). Diese auf umfangreiche Untersuchungen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung, insbesondere ein hydrogeologisches Gutachten (Planunterlage 19.1), gestützte Einschätzung ist nicht zu beanstanden und wird von den Klägern, die die einschlägigen Planunterlagen lediglich selektiv zitieren, nicht substantiiert angegriffen.

51 3. Das Vorhaben begegnet keinen habitatrechtlichen Bedenken.

52 Im 1. Planfeststellungsabschnitt liegen keine FFH-Gebiete. Eine Betroffenheit des im Planfeststellungsabschnitt 2 gelegenen FFH-Gebiets "Stellmoorer Tunneltal/Höltigbaum DE 2327-302" und des im Planfeststellungsabschnitt 3 liegenden FFH-Gebiets "Kammmolchgebiet Höltigbaum/Stellmoor DE 2327-301" ist aufgrund der Entfernung vom Abschnittsende des Planfeststellungsabschnitts 1 ausgeschlossen. Zu Recht geht der Planfeststellungsbeschluss daher davon aus, dass in dem 1. Planungsabschnitt lediglich eine summarische Prüfung erforderlich ist, ob im weiteren Verlauf eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebiete bestehen könnte und ob gegebenenfalls für die Planfeststellungsabschnitte 2 und 3 die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG bestehen (PFB S. 218 ff.). Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist eine summarische Prüfung erforderlich, aber auch ausreichend, ob der Verwirklichung des Gesamtvorhabens keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 115 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 68 Rn. 32 <insoweit in BVerwGE 156, 215 nicht abgedruckt>).

53 Auf der Basis der vorliegenden Umweltverträglichkeitsuntersuchung und der im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits vorliegenden FFH-Verträglichkeitsprüfung und FFH-Ausnahmeprüfung für den Planfeststellungsabschnitt 2 war für den Streckenverlauf die Prognose zulässig, dass Gebietsschutzrecht dem Vorhaben nicht entgegensteht. Die Kläger haben nicht substantiiert dargetan, dass dem Gesamtvorhaben in den Folgeabschnitten ein unüberwindbares naturschutzrechtliches Planungshindernis entgegensteht. Soweit sie beanstanden, die diesbezüglichen Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 218 ff.) ließen eine nachvollziehbare Begründung vermissen und die von der Beklagten für den Planungsabschnitt 2 durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung genüge mit Blick auf die Zulässigkeit einer Abweichung gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht den rechtlichen Anforderungen, verfehlen sie bereits den hier relevanten Maßstab. Umstände, die aufgrund einer summarischen Sachverhaltswürdigung den Schluss auf das Bestehen unüberwindbarer habitatschutzrechtlicher Hindernisse rechtfertigen würden, zeigen sie damit nicht auf. Der von ihnen für vorzugswürdig gehaltene Neubau einer zweigleisigen Güterverkehrsstrecke zwischen Hamburg und Lübeck entlang der Bundesautobahnen A 1 und A 24 ("Variante A1") stellt schon deshalb keine schonendere Alternative im Sinne von § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG dar, weil es sich dabei um ein anderes Vorhaben handeln würde (hierzu unter C.II.6.a)bb)).

54 4. Auch einen Verstoß gegen artenschutzrechtliche Regelungen zeigen die Kläger nicht auf. Sie rügen das Fehlen einer methodengerechten Bestandserfassung von Fledermausarten; der Landschaftspflegerische Begleitplan (Planunterlage 14.1) enthalte keinerlei Angaben zu Art und Umfang durchgeführter Kartierungen. Damit dringen die Kläger nicht durch. Im Planfeststellungsbeschluss wird zu dem Vorgehen bei der Fledermaus-Bestandserfassung mitgeteilt, dass die Kartierung hinsichtlich des Untersuchungsgebiets und der Methode in einem Scoping-Termin abgestimmt und gemäß EBA-Umweltleitfaden durchgeführt worden sei; zum Einsatz seien Sichtbeobachtung, Detektor und Horchboxen gekommen; nach einem ersten Durchgang zur Biotopeinschätzung sei mit der Naturschutzbehörde abgestimmt worden, welche Gebiete als Jagdgebiete genauer erfasst und bewertet würden (PFB S. 221). Die Beigeladene hat mitgeteilt, dass Zeitpunkt, Methoden, Rahmenbedingungen und Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen in Kartierberichten dokumentiert seien. Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten.

55 5. Der rechtlich gebotene Lärm- und Erschütterungsschutz ist sowohl für die Bauzeit als auch für die vom Betrieb des Schienenweges ausgehenden Immissionen gewahrt.

56 a) Dass der nach Maßgabe von §§ 41 ff. BImSchG und der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) gebotene Lärmschutz gegen die von dem Betrieb des Planfeststellungsabschnitts ausgehenden Schienenverkehrsgeräusche nicht gewahrt wäre, zeigen die Kläger nicht substantiiert auf. Sie können daher mit Blick auf den Schienenverkehrslärm weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachten weitergehenden Schutzmaßnahmen beanspruchen.

57 Ohne Erfolg rügen sie, die nach der Prognose 2030 geringeren Güterverkehrszahlen als nach der - hier gemäß § 18g Satz 1 und 2 AEG für die Lärmbewertung grundsätzlich maßgeblichen - Prognose 2025 seien in Anbetracht der bevorstehenden Inbetriebnahme der Festen Fehmarnbeltquerung unplausibel und nicht nachvollziehbar. Das Vorbringen verfängt nicht. Nach Angaben der Beigeladenen berücksichtigt schon die Prognose 2025 Verkehrszuwächse aus der Eröffnung der Festen Fehmarnbeltquerung, die im Zeitpunkt der Erstellung dieser Prognose bereits für das Jahr 2025 erwartet worden sei. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

58 Soweit die Kläger die Aussagekraft der im Rahmen der Schalltechnischen Untersuchung erstellten Schallprognose unter Hinweis auf die konkreten betrieblichen Rahmenbedingungen in Zweifel zu ziehen suchen, ist ein Verstoß gegen die insoweit maßgeblichen rechtlichen Vorgaben für die Berechnung des Beurteilungspegels gemäß § 4 der 16. BImSchV i.V.m. Anlage 2 (Schall 03) nicht erkennbar. Das gilt für die Berücksichtigung der Windverhältnisse gemäß Anmerkung 1 zu Nr. 6.1 der Schall 03. Möglichen höheren Fahrgeräuschen beim Durchfahren der Horner Verbindungskurve ("Kurvenquietschen") begegnet der Planfeststellungsbeschluss, der Schalltechnischen Untersuchung folgend (vgl. Planunterlage 15.1 S. 18, 26, 34, 36, 49, 53) und gestützt auf Nr. 4.9 Satz 2 der Schall 03, mit einer Auflage zum Einsatz von Schienenschmiereinrichtungen (PFB S. 72, 265). Hinsichtlich der beim Überfahren von Weichen auftretenden besonderen (impulshaltigen) Geräusche ist auf Nr. 4.3 der Schall 03 zu verweisen. Danach werden diese Geräusche (u.a.) durch Ansatz einer Mindestfahrgeschwindigkeit von 70 km/h berücksichtigt. Allerdings gilt diese Regelung nur im Bereich von (Personen-)Bahnhöfen (innerhalb der Einfahrsignale) und an Haltepunkten bzw. in Haltestellenbereichen (Bahnsteiglänge zuzüglich auf jeder Seite 100 m) und somit nicht für die außerhalb dieses Bereichs liegenden Weichen der Horner Verbindungskurve. Im Übrigen ist der Schall 03 für Weichenüberfahrten kein besonderer Lästigkeitszuschlag zu entnehmen.

59 b) Der Vortrag der Kläger zu schienenverkehrsbedingten Erschütterungen ist unsubstantiiert. Sie setzen sich mit den einschlägigen Nebenbestimmungen und dem ihnen zugrunde liegenden Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses (A.4.10.4 und B.4.20.4, S. 77 ff., 273 ff.) nicht auseinander. Soweit die Kläger höhere Güterverkehrszahlen jedenfalls nach Fertigstellung der Festen Fehmarnbeltquerung befürchten, ist eine solche Verkehrszunahme in der auch dem Erschütterungsgutachten (Erläuterungsbericht, Planunterlagen 16.1) zugrunde liegenden Verkehrsprognose 2025 nach der unwidersprochen gebliebenen Angabe der Beigeladenen bereits berücksichtigt worden. Die in dem Gutachten (Erläuterungsbericht, Planunterlagen 16.1 S. 29) ausgewiesenen Fälle einer erheblichen Zunahme von Erschütterungswirkungen, auf die sich die Kläger beziehen, betreffen die Situation, dass keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden, wie sie der Planfeststellungsbeschluss aber gerade vorsieht.

60 c) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um zusätzliche Schutzvorkehrungen gegen baubedingte Geräuschimmissionen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG oder weitergehende diesbezügliche Entschädigungsregelungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Es ist nicht zu erkennen, dass das planfestgestellte Schutzkonzept (vgl. PFB A.4.10.1 und B.4.20.1 S. 66 ff., 246 ff.) den rechtlichen Anforderungen, wie sie sich insbesondere aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. der gemäß § 66 Abs. 2 BImSchG maßgeblichen AVV Baulärm ergeben, nicht genügen würde.

61 Die Kläger ziehen das Schutzkonzept nicht substantiiert in Zweifel. Dass die Beklagte von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen in Bezug auf die Ausführung lärmintensiver Arbeiten auch in der Nacht sowie hinsichtlich der Dauer der Geräuscheinwirkungen auf einzelne Anwohner (Stichwort: "Wanderbaustelle") ausgegangen wäre, trifft nicht zu. Die vorgesehene Entschädigungsregelung (PFB A.4.10.1.7, S. 70 f.) ist in einem für die Planfeststellung hinreichenden Maße bestimmt.

62 d) Das Vorbringen der Kläger zu nachteiligen Wirkungen, namentlich unzumutbaren Geräuschimmissionen durch Bauarbeiten, S-Bahnzüge und Pkw-Verkehr aufgrund des Neubaus der S-Bahn-Station "Claudiusstraße" greift nicht durch. Zu Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass das Vorbringen keine eigene immissionsschutzrechtliche Prüfung nach sich ziehen kann, sondern insbesondere auch im Rahmen der Schallprognosen bereits in die Abwägung der Folgen des Vorhabens eingestellt ist. Auf die Beibehaltung einer besonderen Verkehrssituation im Umfeld haben die Kläger ohnehin keinen Anspruch. Hat eine Planung die Verschlechterung der für ein Grundstück bisher bestehenden Verkehrsverhältnisse zur Folge, so wird der Anlieger dadurch in aller Regel nicht in seinen Rechten verletzt (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2004 - 9 A 27.03 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 59 S. 44). Dass hier eine Ausnahme anzunehmen wäre, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

63 6. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln der fachplanerischen Abwägung.

64 a) Die Alternativenprüfung ist nicht zu beanstanden.

65 Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F.) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen (BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 16). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 149, 31>).

66 aa) Die Nullvariante hat die Beklagte zu Recht ausgeschieden.

67 Sie hatte insoweit zu prüfen, ob das Gewicht der Belange, die dem Vorhaben entgegenstehen, einen Verzicht auf das Vorhaben erzwingt (vgl. Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 VwVfG Rn. 128). Dieser Pflicht ist die Beklagte nachgekommen (vgl. PFB S. 202 ff.).

68 Die Planfeststellungsbehörde hat die mit der Verwirklichung des Vorhabens verbundenen Vorteile für die Verkehrsverhältnisse in der Metropolregion Hamburg für bedeutend genug erachtet, um die Nachteile bei Verwirklichung des Vorhabens aufzuwiegen. Hierbei hat sie die vorherrschenden Beeinträchtigungen durch Immissionen und Grundstücksinanspruchnahmen sowie die Beeinträchtigungen des Naturhaushalts ihrem Ausmaß nach erkannt und gewichtet, ihnen aber kein solches Gewicht beigemessen, dass sie einen Entfall des Vorhabens erzwingen. Dies ist von ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit gedeckt. Die Kläger übersehen, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung auch bei der Prüfung, ob zwingende Gründe den Verzicht auf die Planung erzwingen, zu beachten ist. Die durch die Aufnahme in den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege ("Knoten Hamburg") getroffene Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung verbindlich und so auch als Belang in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <43>).

69 Eine Optimierung der RB81-Linie als Nullvariante ist entgegen der Auffassung der Kläger bei der mit dem S-Bahnausbau angestrebten Steigerung der Fahrgastzahlen bis 2030 nicht geeignet, den Personennahverkehr zwischen Bad Oldesloe und Hamburg Hauptbahnhof zu verbessern. Während im Prognosenullfall (Bezugsfall; RE8, RE80 und RB81) werktags mit 40 300 Ein- und Aussteigern zu rechnen ist, erhöht sich deren Anzahl bei Umsetzung des Planvorhabens (Planfall; RE8, RE80 und S4) auf 64 000. Eine entsprechende Erhöhung der Zugzahlen bzw. Zuglängen ist auf der bestehenden und bereits jetzt stark ausgelasteten Strecke nicht möglich (vgl. PFB S. 203). Eine Erhöhung der Zugzahlen des Schienenpersonennahverkehrs auf der Bestandsstrecke würde weder die angestrebte Zurverfügungstellung von mehr Trassen für den schnellen Nahverkehr sowie den Fern- und Güterverkehr bewirken noch zu einer Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs führen (vgl. PFB S. 203).

70 Vor diesem Hintergrund gehen die Überlegungen der Kläger zu alternativen Konzepten der RB81 ins Leere.

71 Dies gilt auch für den Bau eines dritten Fernbahngleises bei gleichzeitigem Verzicht auf den Neubau der S-Bahngleise, der zu Recht bereits bei einer Grobbetrachtung ausgeschieden worden ist. Der Planfeststellungsbeschluss weist insoweit darauf hin, dass der Ausbau eines dritten Gleises als Teilmaßnahme des Projekts "ABS Hamburg-Ahrensburg" nicht in den Vordringlichen Bedarf aufgestiegen sei, während die EBWU die gewählte Lösung eines zweigleisigen Neubaus der S-Bahngleise als robust und nachhaltig bewertet habe. Dass der Ausbau nur eines weiteren Fernbahngleises nicht in der Lage ist, die verschiedenen Verkehre zu entflechten und den Hamburger Hauptbahnhof zu entlasten, wird im Planfeststellungsbeschluss ebenfalls überzeugend dargelegt (PFB S. 203 f.). Ergänzend haben die Sachbeistände der Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass ohne eine separate Trasse für den Personennahverkehr der über mindestens 7 Stunden angestrebte 10-Minuten-Takt der S-Bahn aufgrund der Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den verschiedenen Personenverkehren einerseits und zwischen Güterverkehr und Personenverkehr andererseits, nicht realisierbar sei. Bei einer gemeinsamen Trassennutzung durch den Personennah- und -fernverkehr sowie den Güterverkehr seien Zugkreuzungen und Überholungen mit den dadurch verursachten Nachteilen wie Verspätungsübertragungen unvermeidlich.

72 bb) Umfahrungsvarianten hat die Planfeststellungsbehörde zu Recht ausgeschlossen.

73 Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen einerseits alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Alternative ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Planfeststellungsbehörde ist dabei nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist; Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. Ergibt sich dagegen nicht bereits bei einer Grobanalyse des Abwägungsmaterials die Vorzugswürdigkeit einer Trasse, so muss die Behörde die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen. Die ausweislich der Festsetzungen im Bedarfsplan erkennbare Bedarfsstruktur ist bei der Trassenwahl als gesetzgeberische Wertung in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (hierzu BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 124 f. m.w.N.).

74 Läuft eine Variante auf ein anderes Projekt hinaus, kann von einer Alternative aber nicht mehr gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <13 f.>, vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <259 ff.>, vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 85 und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 138). Solche Varianten brauchen nicht näher geprüft zu werden.

75 Ob eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft, ist anhand der mit dem Vorhaben zulässigerweise verfolgten Planungsziele zu beurteilen. Durch die Zieldefinition kann der Vorhabenträger die in Betracht kommenden Alternativen eingrenzen. Dabei entfalten gesetzliche Bedarfsfeststellungen anders als nur politisch vorgegebene Ziele ein höheres Gewicht, das sich auf der Zulassungsebene "alternativenbegrenzend" auswirken kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 16 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 411; vgl. Hösch, UPR 2014, S. 401 <402>). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Aufstieg des Knotens Hamburg in den Vordringlichen Bedarf, in der der Ausbau der S4 Ost zwischen Hasselbrook und Ahrensburg als Planziel (Planfall) festgestellt wird. Die darin zum Ausdruck kommende Konkretisierung der Planungsziele beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung in Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 der Anlage zu § 1 BSWAG.

76 Gemessen an diesen Maßstäben scheidet die von den Klägern unter Berufung auf die Ausarbeitungen der V. GmbH Innovative Verkehrsberatung favorisierte Güterumfahrungsvariante entlang der Bundesautobahn A 1 von vornherein aus. Zwar könnte das Planungsziel einer Entflechtung der Verkehre auch auf diese Weise erreicht werden. Es würde sich aber gleichwohl um ein anderes Projekt handeln, das die Gesamtkonzeption des Vorhabens "Neubau S4 (Ost) Hamburg-Bad Oldesloe" und die vielfältigen damit verbundenen Ziele nicht in einem Vorhaben verwirklicht, sondern in zwei Vorhaben aufspaltet. Diese "Konzeptalternative" setzt die in der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums und der ihr zugrunde liegenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung festgelegten Planungsziele nicht durch den dort vorgesehenen Neubau der S4 um, sondern versucht sie auf eine grundsätzlich andere Weise zu erreichen. Sie wahrt nicht die Identität des Vorhabens und stellt ein Aliud gegenüber der vorgegebenen Planung dar (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 139 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 412). Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung auch von derjenigen, die der Entscheidung des Senats vom 15. Oktober 2020 zur Ausbaustrecke Oldenburg-Wilhelmshaven (BVerwG 7 A 9.19 ) zugrunde lag. Die dort getroffene Aussage, dass das fachplanerische Abwägungsgebot bei der Planfeststellung eines im Bedarfsplan als Ausbauvorhaben ausgewiesenen Schienenwegevorhabens verlangt, auch solche planerischen Alternativen in die Alternativenprüfung einzubeziehen, die als Streckenneubau zu qualifizieren wären, ändert nichts daran, dass nur solche Neubauvorhaben zu prüfen sind, die sich nicht als planerisches Aliud darstellen.

77 cc) Ohne Erfolg rügen die Kläger das Fehlen einer Alternativenprüfung zum zweigleisigen Ausbau der Horner Verbindungskurve. Mit ihrer Kritik an der Leistungsfähigkeit der zweigleisigen Kurve vermögen sie nicht durchzudringen. Sie setzen sich schon nicht substantiiert damit auseinander, dass die EBWU eine wirtschaftlich optimale Betriebsqualität der geplanten Infrastruktur ergeben hat. Überdies weist die Beigeladene überzeugend darauf hin, dass selbst eine aufgrund der notwendig werdenden Zugkreuzungen unterstellte Reduktion der Leistungsfähigkeit der Strecke 1120 von 12 auf 6 Güterzüge pro Stunde zu keiner Gefährdung des geplanten Betriebsprogramms führte. Dies gelte sowohl bei Zugrundelegung der Prognose 2025 und 2030 als auch des Deutschlandtaktes. Abgesehen davon führt der planfestgestellte Bau einer separaten S-Bahn-Trasse zu einem gewissen Ausgleich für die vorhabenbedingte Einschränkung der Strecke 1120. Den Verzicht auf einen (vollständigen) Erhalt der Strecke 1242 als fünftes Gleis begründet der Planfeststellungsbeschluss in nicht zu beanstandender Weise mit der Vermeidung des ansonsten bestehenden zusätzlichen Flächenbedarfs unter Inanspruchnahme privaten Eigentums (PFB S. 227). Eine mit Blick auf die Optimierung der Verkehrsflüsse eindeutig vorzugswürdige Variante zeigen die Kläger nicht auf.

78 b) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, die Abschnittsbildung verstoße gegen den Grundsatz der Konfliktbewältigung, weil der Planungsabschnitt 1 im Vergleich zu den weiteren Abschnitten deutlich kürzer gebildet worden sei, um die Problematik der Natura 2000-Gebietsverträglichkeit auf die Folgeabschnitte zu verlagern.

79 Einen Rechtsfehler der Abschnittsbildung, deren grundsätzliche Zulässigkeit in der Rechtsprechung geklärt ist (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2020 - 7 VR 5.20 - juris Rn. 15 m.w.N.), zeigen die Kläger nicht auf. Es ist nicht erkennbar, dass die Planfeststellungsbehörde das ihr insoweit zukommende Ermessen überschritten hat, namentlich sachwidrige Motive verfolgt haben könnte. Die Aufteilung der beiden innerhalb Hamburgs gelegenen ersten beiden Planungsabschnitte hat sie mit der technischen Komplexität der Baumaßnahmen, die gerade im kürzeren Planungsabschnitt 1 sehr ausgeprägt sei, begründet (PFB S. 197). Diese Erwägung ist mit Rücksicht auf die Planunterlagen nachvollziehbar und sachgerecht. Die gewählte Abschnittsbildung führt auch nicht dazu, dass durch das Gesamtvorhaben ausgelöste Probleme unbewältigt blieben oder Rechtsschutz unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert würde (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 50 m.w.N.). Die Prüfung der von den Klägern angesprochenen Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen erst in den Planungsabschnitten 2 und 3 betroffener Natura 2000-Gebiete kann ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Konfliktbewältigung der Planung dieser Folgeabschnitte vorbehalten bleiben. Für die Rechtmäßigkeit der den Planungsabschnitt 1 betreffenden Planung ist es insoweit ausreichend aber auch notwendig, dass nach einer summarischen Prüfung der Verwirklichung des Gesamtvorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O.). So liegt es hier (vgl. oben C.II.3.).

80 c) Ohne Erfolg bleibt der von den Klägern zu 2 und 3 in Bezug auf die Inanspruchnahme gerade ihres Grundstücks erhobene Einwand, die bauzeitliche teilweise Inanspruchnahme als Baustelleneinrichtungsfläche und für eine Baustraße sei nicht erforderlich. Die Kläger verweisen hierzu lediglich darauf, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft mit dem Flurstück X (R.straße 28) ein aufgrund seines Zuschnitts und im Hinblick auf das Bodenniveau besser geeignetes Grundstück zur Verfügung stehe. Der Einwand verfängt nicht. Insbesondere ist das Flurstück X, das im Übrigen seinerseits bereits teilweise bauzeitlich (und auch dauerhaft) in Anspruch genommen wird (vgl. Grunderwerbsplan, Planunterlage 5.3; Grunderwerbsverzeichnis, Planunterlage 6, lfd. Nr. ...), kleiner als das klägerische Grundstück. Die Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass unterschiedliche Bodenniveaus der Grundstücke den zur Herstellung von Baustelleneinrichtungsfläche und Baustraße nötigen Aufwand nicht wesentlich beeinflussen. Die Kläger zu 2 und 3 zeigen nicht substantiiert auf, dass die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, die beabsichtigte Flächeninanspruchnahme sei für die temporäre Anlegung der Baustelleneinrichtungsfläche und der Baustraße zwingend notwendig (PFB B.4.38.25 S. 400 f.), gleichwohl abwägungsfehlerhaft sein könnte.

81 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die gesamtschuldnerische Haftung der Kläger zu 2 und 3 folgt aus § 159 Satz 2 VwGO.

Beschluss vom 08.06.2022 -
BVerwG 7 A 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:080622B7A2.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.06.2022 - 7 A 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:080622B7A2.22.0]

Beschluss

BVerwG 7 A 2.22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2022
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger zu 7 bis 9 gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2021 - BVerwG 7 A 14.20 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens tragen der Kläger zu 7 und die Kläger zu 8 und 9 - diese als Gesamtschuldner - jeweils zur Hälfte.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge der Kläger zu 7 bis 9 ist unbegründet. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. November 2017 - 10 B 4.17 - ZOV 2018, 48 Rn. 10 m.w.N.). Danach liegt hier ein Gehörsverstoß nicht vor.

3 Die Kläger zu 7 bis 9 beanstanden, der Senat habe in seinem Urteil vom 5. Oktober 2021 wesentliche Teile des klägerischen Vorbringens unberücksichtigt gelassen. Die Beklagte habe nur den EBWU-Ergebnisbericht vom 12. September 2017 zu den Akten genommen. Die Beklagte habe mangels vollständiger EBWU die vorhabenbedingte Veränderung der Kapazität der Strecke 1120 nicht sachgerecht beurteilen können. Dieses Vorbringen habe der Senat nicht hinreichend berücksichtigt und den Klägern unter Rn. 91 des Urteils vorgehalten, sich nicht ausreichend mit der EBWU auseinandergesetzt zu haben. Dieses Vorbringen verfängt auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 8. Juni 2022 nicht.

4 Der Senat hat die EBWU nicht nur unter Rn. 91 behandelt, sondern auch unter Rn. 82. Insoweit hat er die Zweifel der Kläger, dass die Eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung (EBWU) die Verkürzung der Strecke 1242 und den zweigleisigen Ausbau der Horner Kurve mit betrachtet habe, berücksichtigt und den Vortrag als eine ins Blaue hinein geäußerte Behauptung beurteilt. Darüber hinaus hat der Senat weiter ausgeführt, dass die zweigleisige Horner Kurve Teil der favorisierten EBWU-Variante 0 sei und dem "Mitfall 4" des EBWU-Berichts entspreche. Damit hat der Senat die EBWU und den diesbezüglichen Vortrag der Kläger hinreichend berücksichtigt. Soweit die Kläger zu 7 bis 9 auch beanstanden, dass die vollständige EBWU im gerichtlichen Verfahren von der Beklagten nicht beigezogen worden sei, kann dies der Anhörungsrüge ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Der Schutzbereich des rechtlichen Gehörs erstreckt sich nämlich nicht auf Fragen der inhaltlichen Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - 7 VR 8.20 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die von den Klägern zu 7 bis 9 aus dem Fehlen der vollständigen EBWU gefolgerten Ermittlungs- und Abwägungsfehler betreffen aber die inhaltliche Richtigkeit des Planfeststellungsbeschlusses und insofern die inhaltliche Richtigkeit des Senatsurteils, aber nicht einen Gehörsverstoß.

5 Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Beiziehung der vollständigen EBWU auch kein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO vorliegt. Die Kläger haben nicht - namentlich durch einen entsprechenden Beweisantrag - auf die Vorlage der Unterlagen hingewirkt. Die Kläger haben auch nicht dargelegt, dass sich dem Gericht solche Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.