Beschluss vom 21.02.2025 -
BVerwG 7 B 30.24ECLI:DE:BVerwG:2025:210225B7B30.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 21.02.2025 - 7 B 30.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:210225B7B30.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 B 30.24
- OVG Berlin-Brandenburg - 16.07.2024 - AZ: 7 A 7/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Februar 2025
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 34 787,50 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Auf ihre Klage hin hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, über die Erteilung der Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Beklagten.
II
3 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
4 1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2024 - 7 B 13.24 - juris Rn. 3 m. w. N.). Daran fehlt es hier.
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a) Die Frage
"Sind § 9 Abs. 2b FStrG, § 2 EEG (bei gegebenenfalls verfassungs- und rechtssystematischer Auslegung) so zu verstehen, dass die in § 2 EEG vorgesehene Gewichtsverschiebung und Verlagerung der Akzente für Windkraftanlagen auch gegenüber dem Rechtsgut der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und damit dem Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer in § 9 FStrG gilt?"
hat mangels Entscheidungserheblichkeit nicht die ihr vom Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht hat entscheidungstragend festgestellt, dass der geplanten Windenergieanlage der Klägerin keine straßenrechtlichen Belange im Sinne des § 9 Abs. 3 FStrG entgegenstehen (UA S. 10) und lediglich ergänzend ("unbeschadet dessen") darauf hingewiesen, dass der Senat davon ausgehe, dass der Gesetzgeber eine gewisse Gewichtsverschiebung im Sinne einer weiteren Stärkung des für Windenergieanlagen geltenden Vorrangprinzips auch im fernstraßenrechtlichen Kontext vorgenommen habe (UA S. 11). Im Zusammenhang mit der Prüfung der Beachtlichkeit von Ausbauabsichten hinsichtlich der nahe am geplanten Anlagenstandort gelegenen Bundesfernstraße, die das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend verneint hat (UA S. 12), erfolgt ebenfalls eine lediglich hilfsweise Bezugnahme ("selbst bei einer Bejahung von Ausbauabsichten nicht erkennbar"; UA S. 14) auf die gesetzgeberische Wertung aus § 2 EEG in Verbindung mit § 9 Abs. 2b Satz 5 FStrG.
6 Hinzu kommt, dass der Beklagte bei der Formulierung seiner Frage ein anderes Rechtsverständnis zugrunde legt als das insoweit maßgebliche Oberverwaltungsgericht, indem er annimmt, es gehe bei der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Sinne des § 9 FStrG stets um den Schutz von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer. Im angefochtenen Urteil wird demgegenüber dargelegt, dass die fernstraßenrechtliche Regelung über den Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht allein der Abwehr von Gefahren im (engeren) polizei- und ordnungsrechtlichen Sinn diene. Eine konkrete Verkehrsgefährdung sei nicht erforderlich. Der reibungslose und ungehinderte Verkehr solle ebenfalls sichergestellt werden (UA S. 14 f.).
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b) Auch die Frage
"Sind Nebenbestimmungen wie beispielsweise verkürzte Wartungsintervalle ein gegenüber der versagten Genehmigung einer Windkraftanlage milderes, aber gleich geeignetes Mittel, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf einer Bundesautobahn im Sinne von § 9 FStrG vor dem Havarierisiko einer Windkraftanlage zu schützen?"
führt auf keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Die Prüfung, ob die Auferlegung bestimmter Handlungspflichten im Wege des Erlasses von Nebenbestimmungen - wie die vom Beklagten beispielhaft genannte Verpflichtung zur Wartung in verkürzten Intervallen - zum Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in gleicher Weise geeignet ist wie die Versagung der Genehmigung, betrifft eine der Revision nicht zugängliche tatsächliche Fragestellung. Die weiteren Ausführungen der Beschwerde dazu, dass etwa die Gefahr von Spontanbrüchen von Rotorblättern zu berücksichtigen sei, der technische Stand von Frühwarnsystemen zweifelhaft wäre und im Windenergieanlagenbau eingesetzte Werkstoffe zum Zerbersten neigten, führen dies deutlich vor Augen.
8 2. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
9 Der Beklagte rügt mit Bezug auf die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu möglichen Anlagenhavarien - namentlich zur Gefahr des Abwurfs eines Rotorblatts oder Teilen hiervon - eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Das dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Gutachten sei von unauflösbaren Widersprüchen gekennzeichnet. Das Oberverwaltungsgericht hätte deshalb insbesondere eine ergänzende Stellungnahme der Gutachter einholen müssen. Es wäre notwendig gewesen, gerichtlichen Sachverständigenbeweis zu erheben.
10 Mit diesen Rügen dringt der Beklagte nicht durch. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Der Beklagte hat ausweislich des Verhandlungsprotokolls des Oberverwaltungsgerichts keinen Beweisantrag gestellt. Eine Aufklärungsrüge kann jedoch dann nur Erfolg haben, wenn dargelegt wird, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 7 B 29.23 - juris Rn. 10 m. w. N.). Das leistet die Beschwerde nicht. Wie aus dem angefochtenen Urteil deutlich wird, hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung eine Fehlerhaftigkeit der ihm vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen verneint und die Auffassung vertreten, etwaig verbleibenden (Rest-)Zweifeln könnte ebenfalls durch Nebenbestimmungen begegnet werden (UA S. 22). Auf dieser Grundlage mussten sich der Vorinstanz weitere Ermittlungen von sich aus nicht aufdrängen.
11 Soweit sich der Beklagte der Sache nach auch gegen die tatrichterliche Würdigung der gutachterlichen Stellungnahmen durch das Oberverwaltungsgericht wendet, liegt ein Verfahrensfehler nicht vor. Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen muss, sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Die Grenzen der Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung sind mit der Folge des Vorliegens eines revisiblen Verfahrensfehlers (nur) dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2024 - 4 BN 10.24 - juris Rn. 14 m. w. N.). Solche Mängel legt die Beschwerde nicht substantiiert dar. Insbesondere vermag der Beklagte, der im Wesentlichen seine eigene Würdigung der gutachterlichen Stellungnahmen vorträgt, nicht deutlich zu machen, dass die Tatsachenwürdigung durch das Oberverwaltungsgericht gegen Denkgesetze verstößt oder sich als objektiv willkürlich darstellt.
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.