Beschluss vom 18.11.2024 -
BVerwG 7 B 13.24ECLI:DE:BVerwG:2024:181124B7B13.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 18.11.2024 - 7 B 13.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:181124B7B13.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 B 13.24
- VG Münster - 08.04.2022 - AZ: 10 K 812/20
- OVG Münster - 12.01.2024 - AZ: 8 D 92/22.AK
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. November 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen in einer Entfernung von 528 m bzw. 860 m von seinem Wohnhaus. Er sieht sich vor allem durch Lärm und Unfallrisiken belastet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage in erster Instanz abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
2 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
3 Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 2022 - 7 B 6.22 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.
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1. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
"Ist die rechtliche Beschränkung der Lärmlast bei großen Windanlagen mit Rotordurchmessern von ca. 140m und mehr durch Betrachtung der Schallemissionen nur auf 'hochhängende punktförmige Schallquellen' zulässig, wenn der Schall sich faktisch über die Rotorblattspitzen ausbreitet und dadurch eine sehr viel größere Nähe zum relevanten Immissionspunkt (Wohnhaus) des betroffenen Anwohners/Klägers eintritt, was zu signifikant und denklogisch höheren Immissionen führt, insbesondere bei so geringen Abständen wie hier, und dadurch den hohen Anforderungen des Grundsatzes des 'Worst case' bzw. dass eine Prognose in jedem Fall 'auf der sicheren Seite' liegen muss (Urteil Seite 20 oben) nicht genügt?"
und
"Ist es zulässig, dass das Gericht eine Schall-Prognose zur Grundlage seiner Entscheidung macht und ohne dass wegen des Nachts bei kalten Temperaturen und dadurch anderen/höheren Leistungs- und Schallverhaltens von Windanlagen, einerseits und zugleich des höchsten Lärmschutzes in diesen Zeiten andererseits, ein Urteil fällt mit der Behauptung, damit sei die Prognose dem mit hohen Anforderungen unterlegten Grundsatz 'auf der sicheren Seite' zu sein, Genüge getan?",
sind nicht entscheidungserheblich. Mit beiden Fragen unterstellt der Kläger einen Sachverhalt, der vom Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt wurde. Es hat weder Feststellungen dahingehend getroffen, dass sich Schall faktisch über die Rotorblattspitzen ausbreitet, noch dahingehend, dass Windenergieanlagen nachts bei kalten Temperaturen ein anderes Leistungs- und Schallverhalten hätten. Das Bundesverwaltungsgericht ist aber an die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden und dürfte von daher die nunmehr mit der Beschwerde vorgetragenen tatsächlichen Behauptungen bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen. Die Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts könnte nach der genannten Vorschrift allenfalls dann entfallen, wenn sie mit Verfahrensrügen erfolgreich angegriffen würden. Das ist hier nicht geschehen.
5 Selbst unterstellt, der Kläger hätte insoweit eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) erhoben, wäre diese mangels hinreichender Darlegungen bereits unzulässig. Im Übrigen setzt eine erfolgreiche Aufklärungsrüge voraus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht einen entsprechenden Beweisantrag stellt oder sich diesem eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 7 B 29.23 - juris Rn. 10). Entsprechende Beweisanträge hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2024 (Bl. 200 ff. der Gerichtsakte) nicht gestellt. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich auch keine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen. Das Oberverwaltungsgericht ist insoweit zu dem Ergebnis gekommen, dass die im Änderungsgenehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegte Schallimmissionsprognose den Anforderungen der TA Lärm und den Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI-Hinweise) genüge. Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass sich dem Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang weitere Ermittlungen hinsichtlich der Lärmausbreitung über die Rotorblattspitzen oder eines abweichenden Schallverhaltens bei Nacht hätten aufdrängen müssen.
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2. Auch den weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
"Ist bei einem Abstand einer Windanlage zum Wohnhaus von ca. 530m es rechtlich zulässig, konkrete Unfallgefahren ohne rechtliche Ausführungen pauschal damit auszuschließen, weil der Kläger keinem unzumutbaren, weil über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehendes Unfallrisiko ausgesetzt sei?"
und
"Ist eine nur ca. 530m an ein Wohnhaus herangebaute 200m hohe Windanlage mit 70m langen Rotoren ein rechtlich hinzunehmendes allgemeines Lebensrisiko, auch wenn das Lebens-Risiko eines Unfalls an ein betroffenes Wohnhaus herangebaut wird und bei einem Abstand von weniger als 995m exponentiell steigt je geringer der Abstand der Anlage zum Wohnhaus ist und sich insoweit zunehmend konkretisiert?",
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ausweislich der angefochtenen Entscheidung hat der Kläger eine solche Gefahr nicht dargetan und sie ist auch nicht ersichtlich. Zudem beziehen sich die Fragen allein auf die Besonderheiten des konkreten Falls. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass ihnen eine über den Einzelfall hinausgehende rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukommt.
7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
8 Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.