Beschluss vom 21.02.2025 -
BVerwG 1 WB 61.24ECLI:DE:BVerwG:2025:210225B1WB61.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.02.2025 - 1 WB 61.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:210225B1WB61.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 61.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scheffczyk,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 21. Februar 2025 beschlossen:

  1. 1. Das gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht A gerichtete Ablehnungsgesuch wird verworfen.
  2. 2. Die gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht B, den Richter am Bundesverwaltungsgericht C und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D gerichteten Ablehnungsgesuche werden zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Mit Schreiben vom 7. Januar 2025 hat der Antragsteller im Verfahren - 1 WB 61.24 - den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht B, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D und den Richter am Bundesverwaltungsgericht A (Richter) wegen Befangenheit abgelehnt. Mit Schreiben vom 15. Februar 2025 im Verfahren - 1 WB 20.25 - erweiterte er "den Befangenheitsantrag vom 07. Januar 2025" auf den Richter am Bundesverwaltungsgericht C.

2 Zur Begründung des Ablehnungsgesuchs vom 7. Januar 2025 führt er aus, dass die Richter in Beschlüssen regelmäßig anführten, wann Stellungnahmen beim Bundesministerium der Verteidigung eingereicht und von diesem vorgelegt würden. Dies sei nach ihrer eigenen Rechtsprechung zwingend. Derartige Ausführungen fehlten im Verfahren - 1 WB 47.23 -. Daraus ergebe sich die Besorgnis, dass sie ihre Objektivität zu seinen Lasten aufgegeben hätten, um das Verfahren schnell abzuwickeln.

3 Das Aktenzeichen - 1 WB 47.23 - sei ihm mit der Entscheidung das erste Mal überhaupt mitgeteilt worden. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass die Richter einen von ihm bereits früher gestellten Untätigkeitsantrag zur Kenntnis genommen hätten.

4 Zudem behaupteten sie erneut nur, dass er lediglich seine eigene strafrechtliche Bewertung entgegenstelle. Dabei müsse ihnen bewusst sein, dass er tatsächlich die strafrechtliche Bewertung des Senats wiedergebe.

5 Ferner bestünden Zweifel, dass die Richter seine "Anträge" überhaupt zur Kenntnis genommen hätten "wie unter 'ee' (Bezug 2) behauptet". Sie verträten bewusst eine andere Rechtsauffassung gegenüber ihm als in ähnlich gelagerten Fällen, ohne dies zu begründen.

6 Die Richter hätten zudem mit ihren Entscheidungen bewusst die Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien zu seinen Lasten in Kauf genommen, zum offensichtlichen Missbrauch der Disziplinarbefugnis erst gar nichts ausgeführt und ihre Behauptung, dass die strafrechtlichen Feststellungen nicht widersprüchlich seien, sei bestenfalls lächerlich.

7 Zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs gegen den Richter C trägt er vor, dass dieser neben den Richtern B und D unter anderem am Verfahren - 1 W-VR 12.24 - beteiligt gewesen sei. Dort hätten sie z. B. ausgeführt, dass die Möglichkeit einer übergeordneten Einleitungsbehörde, ein gerichtliches Disziplinarverfahren anzuweisen, sämtliche Grundsätze der Wehrdisziplinarordnung aushebeln würde. Insbesondere habe "der Antragsteller keinen Anspruch auf ein faires Verfahren", dessen Bestandteil jedoch - so der Antragsteller - gerade sei, "dass der Disziplinarvorgesetzte gesetzlich eindeutig bestimmt ist und nicht jeder Sachbearbeiter ein Dienstvergehen feststellen und irgendwelche gesetzlich unzuständigen Rechtsberater anweisen kann, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen".

II

8 1. Die Ablehnungsgesuche des Antragstellers vom 7. Januar 2025 im Verfahren - 1 WB 61.24 - ist in Verbindung mit der "Erweiterung" im Schreiben vom 15. Februar 2025 im Verfahren - 1 WB 20.25 - dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Richter B, C, D und A in beiden Verfahren ablehnt. Ihm ist erkennbar daran gelegen, die Beteiligung der benannten Richter in beiden Verfahren zu verhindern. Über die Ablehnungsgesuche kann deshalb gemeinsam entschieden werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2024 - 1 WB 47.23 u. a. - NVwZ 2025, 251 Rn. 3).

9 2. Der Senat entscheidet ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter (§ 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 54 Abs. 1 VwGO, § 45 Abs. 1 ZPO). Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts 2025 entscheiden somit der nicht abgelehnte Richter des 1. Wehrdienstsenats Dr. Scheffczyk sowie aus dem 2. Wehrdienstsenat der Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke. Der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter bedarf es nicht, weil im Ablehnungsverfahren keine abschließende Entscheidung zur Sache getroffen wird (BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 1 WB 48.22 (1 WB 2.22 ) - NVwZ 2023, 173 Rn. 26 m. w. N.)

10 3. Der Senat kann über die Ablehnungsgesuche ohne dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten Richter abweichend von § 44 Abs. 3 ZPO entscheiden, weil sich der geltend gemachte Ablehnungsgrund auf aktenkundige Vorgänge bezieht. Unter solchen Umständen könnten dienstliche Erklärungen zur Sachaufklärung nichts beitragen und sind daher entbehrlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2024 - 1 WB 47.23 u. a. - NVwZ 2025, 251 Rn. 5 m. w. N.).

11 4. Soweit der Antragsteller den Richter am Bundesverwaltungsgericht A wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, ist das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig und zu verwerfen, weil der Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts 2025 nicht mehr Mitglied des 1. Wehrdienstsenats und deshalb nicht zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 1 WB 48.22 (1 WB 2.22 ) - NVwZ 2023, 173 Rn. 28; zur Gegenstandslosigkeit: BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. März 2018 - 1 BvR 501/18 - juris Rn. 1 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2018 - 8 PKH 4.17 - juris Rn. 3).

12 5. Das Ablehnungsgesuch hat im Übrigen keinen Erfolg, weil es unbegründet ist.

13 Nach dem gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO entsprechend anwendbaren § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 WB 28.09 - NZWehrr 2010, 162 <162 f.>) setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, nicht hingegen, dass dieser tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit eines Richters zu zweifeln, mithin bereits der "böse Schein" besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2021 - 1 WB 27.20 - juris Rn. 6). Eine ausschließlich subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht indes nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2024 - 1 WB 47.23 u. a. - NVwZ 2025, 251 Rn. 11). Das Ablehnungsverfahren dient nicht dazu, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen oder einem Verfahrensbeteiligten eine Handhabe zu geben, in dem von ihm betriebenen Verfahren einen seinem Anliegen gewogenen Richter auszuwählen, der seine Rechtsauffassung teilt. Es soll Verfahrensbeteiligte ausschließlich vor einer persönlichen Voreingenommenheit des Richters, nicht aber vor der Rechtsanwendung durch den Richter schützen (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2024 - 1 WB 40.23 - juris Rn. 15 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 18. Januar 1993 - X B 4/92 - juris Rn. 18; BSG, Beschluss vom 27. April 2021 - B 12 KR 56/20 B - juris Rn. 21). Ein Grund für eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter ist davon ausgehend vorliegend nicht gegeben.

14 Dass der Beschluss vom 21. November 2024 im Verfahren - 1 WB 47.23 - keine Angaben dazu enthält, wann der Antrag des Antragstellers dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesministerium der Verteidigung vorgelegt worden ist, lässt nicht die vom Antragsteller daraus gezogenen Schlüsse zu. Der am 28. September 2023 direkt beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung (Streitakte - 1 W-ER 5.23 - Bl. 1 ff.), mit dem er unter anderem die Aufhebung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos begehrte, war im Gericht zunächst unter dem dem Antragsteller bekannten Aktenzeichen - 1 W-ER 5.23 - geführt worden, weil noch keine Vorlage erfolgt war und ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst mit der Vorlage rechtshängig wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2024 - 1 WB 21.23 - juris Rn. 23 m. w. N.). Mit Schreiben vom 9. Oktober 2023 wandte sich der Vorsitzende des Senats mit der Bitte an das Bundesministerium der Verteidigung mitzuteilen, ob und wann mit einer Vorlage zu rechnen sei (Streitakte ‌- 1 W-ER 5.23 - Bl. 43). Eine Kopie dieses Schreibens ging an den Antragsteller (Streitakte - 1 W-ER 5.23 - Bl. 44). Am 13. November 2023 erkundigte sich das Gericht beim Bundesminister der Verteidigung nach dem Sachstand.

15 Das Bundesministerium der Verteidigung legte dann die Anträge des Antragstellers zu 2., 6. bis 14. und 17. mit einer Stellungnahme am 17. November 2023 vor (Streitakte - 1 WB 47.23 - Bl. 31 ff.) und wies darauf hin, dass die Anträge zu 1., 3. bis 5. sowie 15. und 16. dem Senat bereits unter dem 3. November 2023 zum Aktenzeichen - 1 W-VR 19.23 - gesondert vorgelegt worden seien. Im Schreiben vom 3. November 2023 (Streitakten - 1 W-VR 19.23 - Bl. 79 ff. und ‌- 1 WB 47.23 - Bl. 2 ff.) war Bezug genommen worden auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 9. Oktober 2023 und mitgeteilt worden, dass die weiteren Anträge des Antragstellers zu 2., 6. bis 14. und 17. Gegenstand einer separaten ministeriellen Stellungnahme im gesonderten Verfahren - 1 W-ER 5.23 - seien und zeitnah gesondert beantwortet würden. Damit waren die Hauptsacheanträge - anders als der Antragsteller in seinem Schreiben vom 12. Januar 2025 (Streitakte - 1 WB 61.24 - Bl. 238) annimmt - allesamt rechtshängig und erhielten das Aktenzeichen - 1 WB 47.23 -.

16 Dass dem Antragsteller nach seiner Darstellung das Aktenzeichen - 1 WB 47.23 - erstmals mit der Aushändigung des Beschlusses vom 21. November 2024 mitgeteilt wurde, wäre kein Befangenheitsgrund hinsichtlich der Richter B und D. Der seinerzeitige Berichterstatter verfügte am 18. Dezember 2023 die formlose Versendung eines Erstschreibens mit Anlagen im Verfahren mit diesem Aktenzeichen an den Antragsteller (Streitakte - 1 WB 47.23 - Bl. 46 f.). Die Verfügung ist mit einem Erledigungsvermerk versehen und eine Kopie des Erstschreibens befindet sich in der Akte (ebd., Bl. 51), so dass es für die abgelehnten Richter keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür gab, dass dem Antragsteller das Verfahren unbekannt sein könnte. Das als "Untätigkeitsantrag" bezeichnete Schreiben des Antragstellers vom 23. Dezember 2024 wurde am 27. Dezember 2024 zur Akte des Verfahrens - 1 WB 61.24 - genommen (Streitakte - 1 WB 61.24 - Bl. 171 ff.). Unter diesem Aktenzeichen wird ein Anhörungsrügeverfahren des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 21. November 2024 im Verfahren - 1 WB 47.23 - geführt.

17 Mit seinen weiteren Ausführungen, auch zum Inhalt der Entscheidung im Verfahren - 1 W-VR 12.24 -, moniert der Antragsteller, dass die abgelehnten Richter in den Beschlüssen vom 21. November 2024 im Verfahren - 1 WB 47.23 - und vom 5. Dezember 2024 im Verfahren - 1 W-VR 12.24 - seinen Rechtsansichten nicht gefolgt sind. Das Verfahren der Richterablehnung dient jedoch wie dargelegt nicht der Fehlerkontrolle vorangegangener Entscheidungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2022 - 1 WB 48.22 (1 WB 2.22 ) - NVwZ 2023, 173 Rn. 33; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 3. Juni 2019 - 2 BvR 910/19 - juris Rn. 15 und vom 17. August 2021 - 2 BvR 28/21 - juris Rn. 7).

18 Soweit der Antragsteller schließlich behauptet, die Richter B, C und D hätten im Beschluss vom 5. Dezember 2024 im Verfahren - 1 W-VR 12.24 - ausgeführt, dass er kein Recht auf ein faires Verfahren habe, trifft dies nicht zu. Eine entsprechende, inhaltlich diesem behaupteten Inhalt auch nur nahekommende Formulierung enthält der Beschluss insbesondere in der vom Antragsteller vermutlich in Bezug genommenen Rn. 15, in der es thematisch um die Befugnis zur Anweisung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens geht, nicht.