Beschluss vom 11.03.2025 -
BVerwG 10 B 14.24ECLI:DE:BVerwG:2025:110325B10B14.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.03.2025 - 10 B 14.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:110325B10B14.24.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 14.24

  • VG Darmstadt - 22.08.2019 - AZ: 6 K 1357/13.DA
  • VGH Kassel - 16.04.2024 - AZ: 4 A 2622/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. März 2025
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. April 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 sind nicht erstattungsfähig.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen einen wasserrechtlichen Bescheid zur Grundwasserförderung. Auf seinen Hilfsantrag im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht Darmstadt die Rechtswidrigkeit des Bescheids festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 bis 3 die Klage insgesamt abgewiesen. Die geltend gemachten Verletzungen materiellrechtlicher Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes lägen nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II

2 Die hiergegen gerichtete, auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

3 1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

4 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 2022 - 7 B 6.22 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.

5 a) Die Beschwerde hält zunächst die folgende Frage für rechtsgrundsätzlich:
"Stehen die unionsrechtlichen Vorgaben über die Einstufung des Grundwasserkörpers in den guten mengenmäßigen Zustand nach Art. 2 Nr. 26, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii und Buchst. c in Verbindung mit Anhang V Nr. 2.1.2 WRRL, der Anwendung der nationalen Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 GrwV, nach der der mengenmäßige Grundwasserzustand (bereits) gut ist, wenn durch menschliche Tätigkeiten bedingte Änderungen des Grundwasserstandes zukünftig nicht dazu führen, dass unter anderem Landökosysteme, die direkt vom Grundwasserkörper abhängig sind, signifikant geschädigt werden, entgegen?"

6 Diese Frage führt nicht auf die Zulassung der Revision. Soweit die Beschwerde moniert, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 33 ff.) unter rechtlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf die gestellte Grundsatzfrage nicht überzeugten und die aufgeworfenen Fragen auch nicht hinreichend beantworteten, sind keine spezifischen Beschwerdegründe aufgezeigt. Vielmehr werden inhaltliche Bedenken im Sinne einer Revisionsschrift geltend gemacht. Außerdem legt die Beschwerde nicht dar, inwiefern sich das Ergebnis der Klage ändern würde, wenn die Grundsatzfrage zu bejahen sei.

7 Im Übrigen zeigt die Beschwerdebegründung einen unionsrechtlichen Klärungsbedarf nicht auf. Die Frage kann vielmehr mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden (vgl. zu diesem Maßstab die stRspr des BVerwG, etwa Beschlüsse vom 11. August 2020 - 3 BN 1.19 - Buchholz 451.44 HeimG Nr. 13 Rn. 6 und vom 16. Dezember 2024 - 3 B 13.24 , 3 VR 1.24 - juris Rn. 9).

8 Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) bestimmt den "mengenmäßigen Zustand" des Grundwassers gemäß Art. 2 Nr. 26 WRRL als Bezeichnung des Ausmaßes, in dem ein Grundwasserkörper durch direkte und indirekte Entnahme beeinträchtigt wird. Für die Feststellung des "guten mengenmäßigen Zustands" wird in Art. 2 Nr. 28 WRRL auf die Kriterien in Nr. 2.1.2 des Anhangs V zur Wasserrahmenrichtlinie verwiesen. In Nr. 2.1.1 des Anhangs V wird der Grundwasserspiegel als Parameter für die Einstufung des mengenmäßigen Zustands des Grundwassers festgelegt. Dementsprechend wird in Nr. 2.1.2 der Grundwasserspiegel als alleinige Komponente betrachtet. Der Grundwasserspiegel im Grundwasserkörper ist im Hinblick auf einen guten Zustand so beschaffen, dass die verfügbare Grundwasserressource nicht von der langfristigen mittleren jährlichen Entnahme überschritten wird. In Nr. 2.1.2 heißt es weiter, dass der Grundwasserspiegel "dementsprechend" keinen anthropogenen Änderungen unterliegt, die zu einer signifikanten Schädigung von Landökosystemen führen würden, die unmittelbar von dem Grundwasserkörper abhängen. Damit sind, wie bereits die Verwendung des Konjunktivs zeigt, zukunftsgerichtet die Folgen der Grundwasserentnahme zu betrachten, die keine Schädigung von grundwasserabhängigen Landökosystemen verursachen darf. Auf in der Vergangenheit anthropogen verursachte Vorschäden stellt die Wasserrahmenrichtlinie hingegen nicht ab, zumal sie einen anthropogen unbeeinflussten Ausgangszustand nicht definiert. Es geht um die Auswirkungen ebendieser Grundwasserentnahme (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI:​​EU:​​C:​​ 2020:​​391] - Rn. 86: "Auswirkungen des fraglichen Projekts auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper"; BVerwG, Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 - BVerwGE 170, 378 Rn. 35).

9 b) Auch die zweite Fragestellung
"Gibt es für die Beurteilung der Signifikanz der Schädigung von Landökosystemen durch menschliche Tätigkeiten im Rahmen der Zustandsbewertung eines Grundwasserkörpers nach Maßgabe des Nr. 2.1.2 Anhang V WRRL eine Stichtagsregelung, nach der Beeinträchtigungen der genannten Art erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu betrachten sind?"
begründet nicht die Zulassung der Revision. Es ist nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof von der Existenz einer Stichtagsregelung ausgegangen wäre und eine solche seiner Entscheidung entscheidungstragend zugrunde gelegt hätte. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass keine Verschlechterung eintritt, wenn die Geltung einer Erlaubnis zeitlich unmittelbar an eine vorangegangene Erlaubnis anknüpft und der Zustand des Gewässers bei gleichbleibenden Gewässerbenutzungen wie im vorliegenden Fall von Einleitungen unverändert ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - NVwZ 2018, 986 Rn. 49). Eine "Stichtagsregelung" kann hierin nicht gesehen werden.

10 c) Auch die Fragen
"Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i in Verbindung mit Buchst. c der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme, verpflichtet sind, die Zulassung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn eine Verschlechterung eines schlechten mengenmäßigen Zustands eines Grundwasserkörpers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt nicht sicher ausgeschlossen werden kann?
Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii in Verbindung mit Buchst. c der WRRL dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme, verpflichtet sind, die Zulassung eines konkreten Vorhabens zu versagen, wenn eine Gefährdung der Erreichung eines guten Zustandes des Grundwassers nach den Bestimmungen des Anhangs V Nr. 2.1.2 zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt nicht sicher ausgeschlossen werden kann?
Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der WRRL dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme, verpflichtet sind, die Zulassung eines konkreten Vorhabens auch dann zu versagen, wenn das Vorhaben zwar die in Maßnahmenprogrammen oder Bewirtschaftungsplänen der Mitgliedsstaaten vorgesehenen Maßnahmen zur Zielerreichung nicht beeinträchtigt, aber zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass das Vorhaben gleichwohl und ungeachtet von mit der Planung vorgesehenen Maßnahmen das Ziel der Erreichung eines guten Zustandes des Grundwassers gemäß den Bestimmungen des Anhangs V selbst gefährden kann?"
rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

11 Die Frage des an die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots anzulegenden Maßstabs ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach ist der allgemeine ordnungsrechtliche Maßstab anzulegen und es finden nicht etwa die strengeren Anforderungen des Habitatschutzrechts Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 480). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Herleitung des maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in der wasserrechtlichen Prüfung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​​EU:​​C:​​2015:​​433] -) begründet. Dieser stellt darauf ab, ob das Vorhaben eine Verschlechterung verursachen kann, und weicht mit dieser Formulierung von dem in seiner Rechtsprechung für das Habitatschutzrecht entwickelten Maßstab ab. Anlass für eine erneute Befassung mit dieser Frage in einem Revisionsverfahren besteht nicht und wird auch mit der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Diese nimmt vielmehr auf die bereits damals bekannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Bezug und legt keine Gründe dafür substantiiert dar, warum eine erneute Befassung des Europäischen Gerichtshofs im Wege der Vorabentscheidung erforderlich sein könnte.

12 Schließlich setzt sich die Beschwerdebegründung nicht hinreichend mit der angegriffenen Entscheidung auseinander. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt (UA S. 30), dass sich aus dem vom Kläger angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28. Mai 2020 (- C-535/18 -) kein anderer, strengerer Prüfungsmaßstab ergebe, sondern sich der Gerichtshof nur zu der Frage verhalte, ob die Prüfung des Verschlechterungsverbots und des Verbesserungsgebots vor Erteilung einer Genehmigung zu erfolgen habe und nicht im Gerichtsverfahren nachgeholt werden könne. Es sagt jedoch nichts dazu aus, ob der für das Habitatschutzrecht für die materiellrechtliche Prüfung geltende Maßstab auf das wasserrechtliche Verfahren zu übertragen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem darauf hingewiesen, dass sich der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2024 - C-671/22 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​256] -) ausdrücklich die Anwendbarkeit des allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstabs für die wasserrechtliche Beurteilung entnehmen lasse. Eine hinreichende Auseinandersetzung sowohl mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts als auch mit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt jedoch in der Beschwerdebegründung.

13 d) Die weiteren Fragen
"Ist eine Behörde gehalten, die nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL erforderliche Festlegung von Erhaltungsmaßnahmen, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen, als Beurteilungsmaßstab für die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie mit heranzuziehen?
Ist eine Behörde gehalten, für den Fall, dass noch kein Bewirtschaftungsplan mit der erforderlichen Festlegung von Erhaltungsmaßnahmen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen, aufgestellt worden ist, im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie zu ermitteln, welches die entsprechenden erforderlichen Maßnahmen wären, und zu prüfen, wie sich das Vorhaben auf die Umsetzung dieser Erhaltungsmaßnahmen auswirken [wird] bzw. dass das Vorhaben unter Berücksichtigung dieser erforderlichen Maßnahmen nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes führt?"
veranlassen gleichfalls nicht die Zulassung der Revision.

14 Es fehlt an einer hinreichenden Anknüpfung der formulierten Fragen an Normen des nach § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen Rechts, welches die Wasserbehörde bei der angefochtenen Genehmigungsentscheidung anzuwenden hatte. Die Beschwerdebegründung zeigt auch nicht auf, in welchem Zusammenhang die von ihr formulierten Fragen entscheidungserheblich sein könnten. Soweit die Beschwerde insinuiert, die streitgegenständliche Grundwasserentnahme könnte konkrete Erhaltungsziele beeinträchtigen oder erforderliche Maßnahmen behindern, wird dies nicht näher ausgeführt. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf abstrakte Aussagen zur Formulierung von Erhaltungsmaßnahmen. Die sich aus § 34 BNatSchG ergebenden rechtlichen Folgen werden nicht dem vorliegenden Fall zugeordnet. Darüber hinaus legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, woraus sich ein konkreter Klärungsbedarf ergebe. Dass die Beschwerde einzelne Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts anführt, genügt nicht. Die Beschwerde zeigt schließlich einen weitergehenden rechtlichen Klärungsbedarf nicht auf. Aus geltend gemachten Rechtsanwendungsfehlern kann dieser nicht abgeleitet werden.

15 Die Beschwerdebegründung legt auch die Notwendigkeit der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht hinreichend dar. Ohne dass Klärungsbedarf durch den Europäischen Gerichtshof bestünde, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sich die Erhaltungsziele, die Maßstab der Verträglichkeitsprüfung sind, im Falle einer Unterschutzstellung in erster Linie aus der Schutzgebietserklärung (§ 32 Abs. 2 und 3 BNatSchG) ergeben. Bei Fehlen einer Unterschutzstellung sind die Erhaltungsziele sowie die konkret zu schützenden Lebensraumtypen und Arten dem Standard-Datenbogen als dem von der EU-Kommission ausgearbeiteten Meldeformular zu entnehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2023 - 4 A 10.21 - juris Rn. 65). Welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ggf. durchzuführen sind, ergibt sich aus den gemäß § 32 Abs. 5 BNatSchG für das jeweilige Gebiet aufzustellenden Managementplänen, die die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und 2 der FFH-Richtlinie konkretisieren können. Fehlen derartige Managementpläne, bedeutet dies nicht, dass Entwicklungsmaßnahmen nicht getroffen werden müssen. Die Mitgliedstaaten verfügen in Bezug auf die als geeignet angesehenen Maßnahmen über Ermessen, müssen daher nicht für jeden Lebensraumtyp und jede Art den festgelegten Erhaltungszielen entsprechend sofort und umfassend einen günstigen Erhaltungszustand wiederherstellen. Sie dürfen vielmehr Prioritäten festlegen nach Maßgabe der Wichtigkeit des Gebiets für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines Lebensraumtyps oder einer Art und für die Kohärenz des Netzes "Natura 2000" sowie danach, inwieweit das Gebiet von Schädigung oder Zerstörung bedroht ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 423 m. w. N.).

16 2. Einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruhen könnte, zeigt die Beschwerde ebenfalls nicht auf.

17 a) Die Rüge der Beschwerde zu aktenwidrigen Feststellungen des Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof greift nicht durch.

18 Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Grenzen der "Freiheit" des Gerichts sind jedoch überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Solche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. August 2018 - 7 B 5.18 - juris Rn. 6 m. w. N. und vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 44). Eine "aktenwidrige Entscheidung" liegt erst vor, wenn der Streitstoff, den das Tatsachengericht seiner Entscheidung zugrunde legt, von dem tatsächlichen Streitstoff, wie er sich aus den Akten ergibt, zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht, sei es, dass er darüber hinausgeht, indem aktenwidrig – "ins Blaue hinein" – Tatsachen angenommen werden, sei es, dass er dahinter zurückbleibt, indem Akteninhalt übergangen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 8 C 5.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 28 Rn. 25; Beschlüsse vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 44 und vom 30. Mai 2023 - 10 BN 2.23 - juris Rn. 7 f.). Von diesen Maßstäben ausgehend ist ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO nicht dargelegt.

19 Soweit die Beschwerde geltend macht, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sei hinsichtlich seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung zum vorläufigen Bewirtschaftungsplan für das FFH-Gebiet Jägersburger und Gernsheimer Wald zu beanstanden, ist allein die korrekte Anwendung des sachlichen Rechts betroffen, was nicht auf einen Verfahrensfehler führt. Dies gilt auch für das Beschwerdevorbringen, die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der Unumkehrbarkeit der Schädigung von Waldlebensräumen sei aktenwidrig, weil dies dem Bewirtschaftungsplan nicht zu entnehmen sei. Damit legt die Beschwerde lediglich dar, dass sie die Aussagen im vorläufigen Bewirtschaftungsplan (https://natureg.hessen.de/​resources/​recherche/​Schutzgebiete/​RPDA/M_PLAN/4313.pdf) anders interpretiert als der Verwaltungsgerichtshof. Im Übrigen fehlt es in der Beschwerdebegründung an einer Darlegung, inwieweit es auf die Frage der Unumkehrbarkeit entscheidungserheblich angekommen sein könnte.

20 An der angeführten Stelle in den Entscheidungsgründen (UA S. 36) ging es um die Einstufung des Grundwasserkörpers als gut. Für diese war die Frage einer Umkehrbarkeit der Schäden irrelevant. Denn § 4 Abs. 2 der Verordnung zum Schutz des Grundwassers (Grundwasserverordnung - GrwV) stellt auf sie nicht ab. Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Einstufung in der Grundwasserbewirtschaftungsplanung abgehoben. Die angeführte Stelle und der vorläufige Bewirtschaftungsplan bestätigen indes, dass zwischen der streitgegenständlichen Grundwasserentnahme und den vorhandenen Altschäden keine Kausalität besteht.

21 b) Soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe entscheidungserheblichen Akteninhalt zur Neuentstehung von Waldschädigungen durch die Fortsetzung der Wassergewinnung übergangen, wird damit keine Aktenwidrigkeit dargelegt, sondern vor allem ein anderer Rechtsstandpunkt in der Art eines Revisionsvorbringens geltend gemacht. Die zugleich erhobene Aufklärungsrüge greift nicht durch.

22 Eine Aufklärungsrüge erfordert die Darlegung der Möglichkeit des Beruhens der angefochtenen Entscheidung auf dem geltend gemachten Aufklärungsmangel, also dass die unterbliebene Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich zu Feststellungen geführt hätte, deren Berücksichtigung nach dem materiellrechtlichen Standpunkt der Vorinstanz zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 2021 - 7 B 2.21 - juris Rn. 12). Eine Aufklärungsrüge kann zudem nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher konkreten Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Antragsteller günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2024 - 8 B 9.24 - juris Rn. 2). Dies leistet die Beschwerdebegründung nicht. Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt auch voraus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht einen entsprechenden Beweisantrag stellt oder sich diesem eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 7 B 29.23 - juris Rn. 10). Entsprechende Beweisanträge hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung am 16. April 2024 (Bl. 2571 ff. der Gerichtsakte) indes nicht gestellt. Dem Verwaltungsgerichtshof musste sich auch keine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen. Vielmehr durfte er sich auf die Vielzahl der vorhandenen Erkenntnisse einschließlich der Bewertung in der Grundwasserbewirtschaftungsplanung stützen, die das Gegenteil von den Behauptungen des Klägers nahelegen.

23 c) Das Beschwerdevorbringen kann auch als Gehörsrüge verstanden werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wurde aber nicht verletzt.

24 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind. Die Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, ein Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Gerichte können sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält. Insbesondere vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 8 f. und vom 14. November 2024 - 5 B 55.24 - juris Rn. 3).

25 Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Vielmehr wurden die Sache und die vorgebrachten Argumente in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gewürdigt. Es bleibt unklar, welchen Fehler die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die in Bezug genommene Darstellung des Landesbetriebs Hessen-Forst vorwirft. Auch legt die Beschwerde nicht genauer dar, auf welche konkreten, zusätzlichen Informationen sie mit ihrer Rüge zielt und mit welchen Mitteln sie eine weitere Aufklärung für erreichbar hält.

26 d) Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nicht deswegen gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil er das Verfahren nicht ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof bestimmte Fragen zur Auslegung von Unionsrecht vorgelegt hat. Nach Art. 267 Abs. 3 AEUV sind nur solche einzelstaatlichen Gerichte zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Dazu zählt der Verwaltungsgerichtshof bei einer Berufungsentscheidung nicht, weil gegen seine Entscheidung, die Revision gegen sein Urteil nicht zuzulassen, die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eröffnet ist (§ 133 Abs. 1 i. V. m. § 132 VwGO).

27 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser mit seinem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, keine Ausführungen zur Sache gemacht hat (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 17. Februar 1993 - 4 C 16.92 - juris Rn. 3 und vom 24. Juli 1996 - 7 KSt 7.96 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 31 S. 7). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.