Be­schluss vom 16.07.2024 -
BVer­wG 3 VR 1.24ECLI:DE:BVer­wG:2024:160724B3VR1.24.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 3 VR 1.24

  • VG Greifs­wald - 12.10.2020 - AZ: 2 A 995/19 HGW
  • OVG Greifs­wald - 20.02.2024 - AZ: 1 LB 65/21

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 3. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 16. Ju­li 2024
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Phil­ipp,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kuhl­mann
und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Sin­ner
be­schlos­sen:

  1. Die auf­schie­ben­de Wir­kung der Kla­ge ge­gen den tier­schutz­recht­li­chen Be­scheid des Be­klag­ten vom 8. April 2019 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­scheids vom 4. Ju­ni 2019 wird bis zur Ent­schei­dung des Se­nats in dem Ver­fah­ren BVer­wG 3 VR 1.24 an­ge­ord­net.
  2. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Zwi­schen­ent­schei­dung ("Hän­ge­be­schluss") er­geht auf der Grund­la­ge ei­ner In­ter­es­sen­ab­wä­gung.

2 Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de des An­trag­stel­lers in dem Ver­fah­ren BVer­wG 3 B 13.24 ist we­der of­fen­sicht­lich un­zu­läs­sig oder un­be­grün­det noch of­fen­sicht­lich zu­läs­sig und be­grün­det. Glei­ches gilt für den An­trag im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren des vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes.

3 Das In­ter­es­se des An­trag­stel­lers, die Schaf­fung voll­ende­ter Tat­sa­chen in­fol­ge der für den 6. Au­gust 2024 an­ge­kün­dig­ten Fort­nah­me und an­der­wei­ti­gen tier­schutz­ge­rech­ten Un­ter­brin­gung sei­nes Pfer­des zu ver­hin­dern, über­wiegt das vom An­trags­geg­ner gel­tend ge­mach­te öf­fent­li­che In­ter­es­se an der so­for­ti­gen Voll­zie­hung des tier­schutz­recht­li­chen Be­scheids. Der An­trags­geg­ner hat in sei­nem Be­scheid vom 8. April 2019, mit dem er dem An­trag­stel­ler die Al­lein­hal­tung des Pfer­des un­ter­sagt hat, die so­for­ti­ge Voll­zie­hung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Vw­GO nicht an­ge­ord­net. Zwangs­mit­tel hat er in dem Be­scheid eben­falls nicht an­ge­droht. Auch im An­schluss an die kla­ge­ab­wei­sen­de Ent­schei­dung des Ver­wal­tungs­ge­richts vom 12. Ok­to­ber 2020 hat er kei­ne Voll­stre­ckungs­maß­nah­men ein­ge­lei­tet, ob­wohl die auf­schie­ben­de Wir­kung der An­fech­tungs­kla­ge ge­mäß § 80b Abs. 1 Satz 1 Vw­GO drei Mo­na­te nach Ab­lauf der ge­setz­li­chen Be­grün­dungs­frist des ge­gen die ab­wei­sen­de Ent­schei­dung ge­ge­be­nen Rechts­mit­tels en­de­te. Erst nach Ein­le­gung der Be­schwer­de ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Meck­len­burg-Vor­pom­mern vom 20. Fe­bru­ar 2024 hat der An­trags­geg­ner mit Be­scheid vom 25. April 2024 die so­for­ti­ge Voll­zie­hung des tier­schutz­recht­li­chen Be­scheids an­ge­ord­net; Zwangs­mit­tel hat er zu­nächst wei­ter­hin nicht an­ge­droht. Un­ter dem 26. Ju­ni 2024 hat er dem An­trag­stel­ler schlie­ß­lich an­ge­droht, das Pferd im Zu­ge der Er­satz­vor­nah­me am 6. Au­gust 2024 fort­zu­neh­men und auf Kos­ten des An­trag­stel­lers an­der­wei­tig tier­schutz­ge­recht un­ter­zu­brin­gen, wenn er bis zu die­sem Ter­min die Al­lein­hal­tung des Pfer­des nicht be­en­det ha­be. Der An­trags­geg­ner führt zur Be­grün­dung an, das Tier lei­de un­ter der so­zia­len Iso­la­ti­on oh­ne jeg­li­chen Sicht-, Hör- oder Ge­ruchs­kon­takt zu Art­ge­nos­sen. Da­mit be­ruft er sich auf ei­nen Grund, der be­reits vor­lag, als er den Be­scheid vor über fünf Jah­ren er­las­sen hat. Bei die­sem zeit­li­chen Ab­lauf ist ein über­wie­gen­des öf­fent­li­ches In­ter­es­se an der Voll­zie­hung des Be­scheids, be­vor der Se­nat Ge­le­gen­heit hat­te, die im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren mit Blick auf die gel­tend ge­mach­ten Grün­de für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen mit der ge­bo­te­nen Sorg­falt zu prü­fen, nicht er­sicht­lich.

Be­schluss vom 16.12.2024 -
BVer­wG 3 B 13.24ECLI:DE:BVer­wG:2024:161224B3B13.24.0

Ein­zel­hal­tung ei­nes Pfer­des oh­ne Sicht-, Hör- und Ge­ruchs­kon­takt zu Art­ge­nos­sen

Leit­satz:

Die Ein­zel­hal­tung ei­nes Pfer­des kann auch oh­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung die­ser Hal­tungs­form im Ge­setz oder in ei­ner Rechts­ver­ord­nung auf der Grund­la­ge von § 16a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 1 und § 2 Nr. 1 TierSchG un­ter­sagt wer­den.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 3 B 13.24

  • VG Greifs­wald - 12.10.2020 - AZ: 2 A 995/19 HGW
  • OVG Greifs­wald - 20.02.2024 - AZ: 1 LB 65/21

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 3. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 16. De­zem­ber 2024
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Phil­ipp,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kuhl­mann und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Sin­ner
be­schlos­sen:

  1. Die Be­schwer­de des Klä­gers ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Meck­len­burg-Vor­pom­mern vom 20. Fe­bru­ar 2024 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Da­mit er­le­digt sich der An­trag des Klä­gers auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Kla­ge ge­gen den Be­scheid des Be­klag­ten vom 8. April 2019 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 4. Ju­ni 2019.
  3. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Be­schwer­de- und des An­trags­ver­fah­rens.
  4. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Be­schwer­de­ver­fah­ren auf 5 000 €, für das An­trags­ver­fah­ren auf 2 500 € fest­ge­setzt.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger wen­det sich ge­gen ei­ne durch den Be­klag­ten ver­füg­te Un­ter­sa­gung der Ein­zel­hal­tung sei­nes Pfer­des oh­ne Kon­takt zu Art­ge­nos­sen.

2 Der Klä­ger hält den im April 2010 ge­bo­re­nen Kalt­blut­wal­lach Lu­kas, den er u. a. zum Holz­rü­cken ein­setzt. Er hielt das Tier zu­nächst mit zwei an­de­ren Pfer­den, dann mit ei­nem an­de­ren Pferd. Seit dem Tod des letz­ten wei­te­ren Pfer­des im Jahr 2017 hält der Klä­ger das Pferd al­lein.

3 Nach zwei Vor-Ort-Kon­trol­len und vor­he­ri­ger schrift­li­cher An­hö­rung un­ter­sag­te der Be­klag­te dem Klä­ger mit Be­scheid vom 8. April 2019 die Ein­zel­hal­tung des Kalt­blü­ters Lu­kas. Er kön­ne ge­mäß § 16a Abs. 1 Satz 1 des Tier­schutz­ge­set­zes (TierSchG) die zur Be­sei­ti­gung fest­ge­stell­ter Ver­stö­ße und die zur Ver­hü­tung künf­ti­ger Ver­stö­ße not­wen­di­gen An­ord­nun­gen tref­fen. Je­der Tier­hal­ter sei ver­pflich­tet, sei­ne Tie­re ent­spre­chend § 2 Nr. 1 TierSchG ver­hal­tens­ge­recht un­ter­zu­brin­gen. Nach den vom da­ma­li­gen Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung, Land­wirt­schaft und Ver­brau­cher­schutz im Jahr 2009 her­aus­ge­ge­be­nen "Leit­li­ni­en zur Be­ur­tei­lung von Pfer­de­hal­tun­gen un­ter Tier­schutz­ge­sichts­punk­ten" (im Fol­gen­den: Leit­li­ni­en) sei­en Pfer­de in Grup­pen le­ben­de Tie­re, für die so­zia­le Kon­tak­te zu Art­ge­nos­sen un­er­läss­lich sei­en. Das Hal­ten ei­nes ein­zel­nen Pfer­des oh­ne Art­ge­nos­sen wi­der­spre­che dem na­tür­li­chen So­zi­al­ver­hal­ten der Pfer­de.

4 Die nach er­folg­lo­sem Wi­der­spruch er­ho­be­ne An­fech­tungs­kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt mit Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 2020 ab­ge­wie­sen.

5 Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klä­gers mit Ur­teil vom 20. Fe­bru­ar 2024 zu­rück­ge­wie­sen. Die zu­läs­si­ge Kla­ge sei un­be­grün­det. Der Be­scheid vom 8. April 2019 in Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 4. Ju­ni 2019 sei recht­mä­ßig und ver­let­ze den Klä­ger nicht in sei­nen Rech­ten. Die Un­ter­sa­gung der Ein­zel­hal­tung fin­de ih­re Rechts­grund­la­ge in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG. Durch die Ein­zel­hal­tung sei­nes Pfer­des Lu­kas oh­ne Sicht-, Hör- und Ge­ruchs­kon­takt zu Art­ge­nos­sen ha­be der Klä­ger des­sen Be­dürf­nis nach so­zia­lem Kon­takt ent­ge­gen den Pflich­ten aus § 2 Nr. 1 TierSchG un­an­ge­mes­sen ein­ge­schränkt. Ei­ne sol­che Ein­zel­hal­tung ei­nes Pfer­des sei kei­ne art- und be­dürf­nis­ge­rech­te Tier­hal­tung. Bei der tier­schutz­recht­li­chen Ver­fü­gung des Be­klag­ten han­de­le es sich nicht um ein Tier­hal­tungs­ver­bot im Sin­ne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG, denn ihm sei die Tier­hal­tung nicht grund­sätz­lich, son­dern nur ei­ne be­stimm­te Hal­tungs­form für ein be­stimm­tes Pferd un­ter­sagt wor­den. Der Be­klag­te ha­be sei­nen Be­scheid für die Be­ur­tei­lung der ver­hal­tens­ge­rech­ten Un­ter­brin­gung des Pfer­des in nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se auf die Leit­li­ni­en ge­stützt. Die dort aus­ge­spro­che­nen Emp­feh­lun­gen und Be­wer­tun­gen stell­ten ei­ne sach­ver­stän­di­ge Zu­sam­men­fas­sung des­sen dar, was als ver­läss­li­cher und ge­si­cher­ter wis­sen­schaft­li­cher Kennt­nis­stand gel­ten kön­ne. Die An­wend­bar­keit der Leit­li­ni­en sei nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass es sich bei ih­nen nicht um ei­ne Rechts­norm, ins­be­son­de­re kei­ne Rechts­ver­ord­nung nach § 2a Abs. 1 TierSchG han­de­le. Dem Par­la­ments­vor­be­halt sei Ge­nü­ge ge­tan, wenn der Ge­setz­ge­ber in § 2 Nr. 1 TierSchG fest­le­ge, dass ein Tier sei­ner Art und sei­nen Be­dürf­nis­sen ent­spre­chend an­ge­mes­sen ver­hal­tens­ge­recht un­ter­ge­bracht wer­den müs­se. Die un­be­stimm­ten Rechts­be­grif­fe könn­ten durch Aus­le­gung kon­kre­ti­siert wer­den. Was ei­ne den Be­dürf­nis­sen des Tie­res ent­spre­chen­de an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung sei, las­se sich mit­hil­fe des ein­schlä­gi­gen tier­me­di­zi­ni­schen und ver­hal­tens­wis­sen­schaft­li­chen Schrift­tums zu­min­dest im Um­riss fest­le­gen. Ei­ne Rechts­ver­ord­nung nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 TierSchG zur Re­ge­lung der Ein­zel­hal­tung von Pfer­den sei eben­falls nicht er­for­der­lich ge­we­sen. Die Er­mäch­ti­gungs­norm stel­le kei­ne Ver­pflich­tung des er­mäch­tig­ten Exe­ku­tiv­or­gans zum Er­lass ei­ner Rechts­ver­ord­nung dar. Zu­dem er­mäch­ti­ge sie das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung und Land­wirt­schaft nur da­zu, die An­for­de­run­gen an die Hal­tung von Tie­ren nach § 2 TierSchG nä­her zu be­stim­men, so­weit es zum Schutz der Tie­re er­for­der­lich sei. Kön­ne die­sem Schutz auch durch an­de­re In­stru­men­te - wie z. B. Leit­li­ni­en - und durch ei­nen aus­rei­chen­den und ak­tu­el­len Stand der For­schung ver­läss­lich Rech­nung ge­tra­gen wer­den, sei ei­ne Re­ge­lung durch Rechts­ver­ord­nung un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ge­rin­gen Ein­griffs­in­ten­si­tät nicht zwin­gend ge­bo­ten. In Über­ein­stim­mung mit den Leit­li­ni­en und den im Ver­fah­ren bei­ge­zo­ge­nen Er­kennt­nis­mit­teln ste­he zur Über­zeu­gung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts fest, dass es sich bei der Al­lein­hal­tung ei­nes Pfer­des nicht um ei­ne an­ge­mes­se­ne art- und ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung han­de­le. Die Ein­wen­dun­gen des Klä­gers ge­gen die in den Leit­li­ni­en und da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den üb­ri­gen fach­wis­sen­schaft­li­chen Aus­sa­gen grif­fen nicht durch. Der Be­klag­te ha­be das ihm zur Be­sei­ti­gung des Ver­sto­ßes ge­gen § 2 Nr. 1 TierSchG ein­ge­räum­te Er­mes­sen feh­ler­frei aus­ge­übt.

6 Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on ge­gen sein Ur­teil nicht zu­ge­las­sen. Hier­ge­gen wen­det sich der Klä­ger mit sei­ner auf die Zu­las­sungs­grün­de des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Vw­GO ge­stütz­ten Be­schwer­de.

7 Der Be­klag­te ord­ne­te mit Be­scheid vom 25. April 2024 die so­for­ti­ge Voll­zie­hung des Be­schei­des vom 8. April 2019 an und kün­dig­te für den 6. Au­gust 2024 die Fort­nah­me und an­der­wei­ti­ge tier­schutz­ge­rech­te Un­ter­brin­gung des Pfer­des an. Der Klä­ger hat am 3. Mai 2024 ei­nen An­trag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Kla­ge ge­stellt (BVer­wG 3 VR 1.24 ). Der Se­nat hat mit Be­schluss vom 16. Ju­li 2024 die auf­schie­ben­de Wir­kung der Kla­ge ge­gen den tier­schutz­recht­li­chen Be­scheid des Be­klag­ten vom 8. April 2019 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 4. Ju­ni 2019 bis zur Ent­schei­dung des Se­nats im Ver­fah­ren BVer­wG 3 VR 1.24 an­ge­ord­net.

II

8 Die Be­schwer­de bleibt oh­ne Er­folg. Die von ihr auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen recht­fer­ti­gen nicht die Zu­las­sung der Re­vi­si­on we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che ge­mäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO. Die gel­tend ge­mach­ten Ver­fah­rens­män­gel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO) lie­gen nicht vor.

9 A. Die Rechts­sa­che hat nicht die gel­tend ge­mach­te grund­sätz­li­che Be­deu­tung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Grund­sätz­li­che Be­deu­tung kommt ei­ner Rechts­sa­che nur zu, wenn sie ei­ne für die Re­vi­si­ons­ent­schei­dung er­heb­li­che Fra­ge des re­vi­si­blen Rechts auf­wirft, die im In­ter­es­se der Ein­heit oder der Fort­bil­dung des Rechts re­vi­si­ons­ge­richt­li­cher Klä­rung be­darf. Dies ist ge­mäß § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO dar­zu­le­gen und setzt die For­mu­lie­rung ei­ner be­stimm­ten, je­doch fall­über­grei­fen­den Rechts­fra­ge des re­vi­si­blen Rechts vor­aus, de­ren noch aus­ste­hen­de höchst­rich­ter­li­che Klä­rung zur Er­hal­tung der Ein­heit­lich­keit der Recht­spre­chung oder zu ei­ner be­deut­sa­men Wei­ter­ent­wick­lung des Rechts ge­bo­ten er­scheint und im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zu er­war­ten ist (stRspr, vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 23. Fe­bru­ar 2023 - 3 B 4.22 - ju­ris Rn. 7 m. w. N.). Ein Klä­rungs­be­darf be­steht nicht, wenn die Rechts­fra­ge be­reits ge­klärt ist oder an­hand des Ge­set­zes­wort­lauts mit­hil­fe der üb­li­chen Re­geln sach­ge­rech­ter Aus­le­gung oder auf der Grund­la­ge der be­stehen­den höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung auch oh­ne Durch­füh­rung ei­nes Re­vi­si­ons­ver­fah­rens ein­deu­tig be­ant­wor­tet wer­den kann (stRspr, vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 11. Au­gust 2020 - 3 BN 1.19 - Buch­holz 451.44 HeimG Nr. 13 Rn. 6 m. w. N.).

10 a) Die Fra­ge
"Ist die ge­gen den Klä­ger in den an­ge­foch­te­nen Be­schei­den und den die­se Be­schei­de be­stä­ti­gen­den Ur­tei­len aus­ge­spro­che­ne 'Un­ter­sa­gung der Ein­zel­hal­tung des Pfer­des Lu­kas' durch die §§ 2 Nr. 1 und 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG ge­deckt, ob­wohl kein auf das Par­la­ment zu­rück­ge­hen­des Al­lein­hal­tungs­ver­bot für Pfer­de exis­tiert?"
be­darf kei­ner Klä­rung in ei­nem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren, denn sie lässt sich an­hand der Recht­spre­chung zum Ge­set­zes- und Ver­ord­nungs­vor­be­halt oh­ne Wei­te­res be­ja­hend be­ant­wor­ten.

11 aa) Wer ein Tier hält, be­treut oder zu be­treu­en hat, muss das Tier ge­mäß § 2 Nr. 1 TierSchG sei­ner Art und sei­nen Be­dürf­nis­sen ent­spre­chend an­ge­mes­sen er­näh­ren, pfle­gen und ver­hal­tens­ge­recht un­ter­brin­gen. Ei­ne wei­ter­ge­hen­de ge­setz­li­che Re­ge­lung der Hal­tungs­for­men von Pfer­den ist - wie das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt sei­ner Ent­schei­dung zu­tref­fend zu­grun­de ge­legt hat (UA S. 22 f.) – nicht er­for­der­lich.

12 Das De­mo­kra­tie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und das Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GG) ge­bie­ten, dass der par­la­men­ta­ri­sche Ge­setz­ge­ber Fra­gen, die we­sent­lich für die Ver­wirk­li­chung der Grund­rech­te sind, selbst re­gelt (stRspr, vgl. BVerfG, Ur­teil vom 19. Sep­tem­ber 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - BVerf­GE 150, 1 Rn. 190 ff.; BVer­wG, Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2021 - 3 CN 1.21 - BVer­w­GE 177, 60 Rn. 46, je­weils m. w. N.). Die We­sent­lich­keits­dok­trin ent­hält in­so­weit auch Vor­ga­ben für die Fra­ge, in wel­chem Um­fang und in wel­cher Be­stimmt­heit der Ge­setz­ge­ber selbst tä­tig wer­den muss. Das Be­stimmt­heits­ge­bot stellt si­cher, dass Re­gie­rung und Ver­wal­tung im Ge­setz steu­ern­de und be­gren­zen­de Hand­lungs­maß­stä­be vor­fin­den und dass die Ge­rich­te ei­ne wirk­sa­me Rechts­kon­trol­le durch­füh­ren kön­nen. Be­stimmt­heit und Klar­heit der Norm er­lau­ben es fer­ner, dass die be­trof­fe­nen Bür­ge­rin­nen und Bür­ger sich auf mög­li­che be­las­ten­de Maß­nah­men ein­stel­len kön­nen. Der Grad der ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen Be­stimmt­heit hängt da­bei von den Be­son­der­hei­ten des in Re­de ste­hen­den Sach­be­reichs und von den Um­stän­den ab, die zu der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ge­führt ha­ben. Da­bei sind die Be­deu­tung des Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des und die In­ten­si­tät der durch die Re­ge­lung oder auf­grund der Re­ge­lung er­fol­gen­den Grund­rechts­ein­grif­fe eben­so zu be­rück­sich­ti­gen wie der Kreis der An­wen­der und Be­trof­fe­nen der Norm so­wie de­ren kon­kre­tes Be­dürf­nis, sich auf die Nor­m­an­wen­dung ein­stel­len zu kön­nen. Kei­nes­falls reicht der an Re­ge­lungs­um­fang und De­tail­grad an­zu­le­gen­de Maß­stab so weit, dass der rechts­staat­li­che Zweck des Be­stimmt­heits­ge­bots, die Vor­her­seh­bar­keit der Rechts­ord­nung zu stär­ken, in sein Ge­gen­teil ver­kehrt wür­de (BVerfG, Ur­teil vom 19. Sep­tem­ber 2018 - 2 BvF 1/15 u. a. - ‌a. a. O. Rn. 196 m. w. N.).

13 Im Hin­blick auf die Ein­zel­hal­tung von Pfer­den ge­nügt § 2 Nr. 1 TierSchG mit dem Ge­bot, ein Tier sei­ner Art und sei­nen Be­dürf­nis­sen ent­spre­chend an­ge­mes­sen ver­hal­tens­ge­recht un­ter­zu­brin­gen, den dar­ge­leg­ten An­for­de­run­gen. De­mo­kra­tie- und Rechts­staats­prin­zip ver­lan­gen nicht, für al­le von Men­schen ge­hal­te­nen Tier­ar­ten sämt­li­che An­for­de­run­gen an ei­ne an­ge­mes­sen ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung durch Ge­setz zu re­geln. War­um für die Ein­zel­hal­tung von Pfer­den an­de­res gel­ten soll­te, ist nicht er­sicht­lich. Dass es in ein­zel­nen Fäl­len - wie hier - zu Streit über die An­for­de­run­gen an ei­ne an­ge­mes­sen ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung ei­nes Pfer­des kom­men kann, ge­nügt zur Be­grün­dung nicht.

14 bb) Ei­ne Un­ter­sa­gung der Ein­zel­hal­tung von Pfer­den oh­ne Sicht-, Hör- und Ge­ruchs­kon­takt zu Art­ge­nos­sen ist auch nicht dem Ver­ord­nungs­ge­ber vor­be­hal­ten. Ein sol­cher Vor­be­halt er­gibt sich nicht aus § 2a Abs. 1 Nr. 1 TierSchG, der das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung und Land­wirt­schaft er­mäch­tigt, durch Rechts­ver­ord­nung mit Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes, so­weit es zum Schutz der Tie­re er­for­der­lich ist, die An­for­de­run­gen an die Hal­tung von Tie­ren nach § 2 TierSchG nä­her zu be­stim­men und da­bei ins­be­son­de­re Vor­schrif­ten über An­for­de­run­gen hin­sicht­lich der Ge­mein­schafts­be­dürf­nis­se der Tie­re zu er­las­sen. Der Vor­schrift las­sen sich kei­ne An­halts­punk­te da­für ent­neh­men, dass der Ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung hin­sicht­lich der Ge­mein­schafts­be­dürf­nis­se der Tie­re in al­len Fäl­len dem Ver­ord­nungs­ge­ber vor­be­hal­ten woll­te und den Tier­schutz­be­hör­den ei­ne Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz zum Ein­schrei­ten bei ei­ner den An­for­de­run­gen nach § 2 Nr. 1 TierSchG wi­der­spre­chen­den Tier­hal­tung nur zu­ste­hen soll­te, so­weit die Vor­aus­set­zun­gen da­für in ei­ner Rechts­ver­ord­nung be­stimmt sind. Ver­fas­sungs­recht­lich ist ein sol­cher Ver­ord­nungs­vor­be­halt nicht ge­bo­ten, da die be­stehen­den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen hin­rei­chend kon­kre­te Vor­ga­ben für An­ord­nun­gen durch Ver­wal­tungs­akt ma­chen (sie­he so­gleich un­ter cc); vgl. OVG Mag­de­burg, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2022 - 3 L 179/19 - ju­ris Rn. 93 und Be­schluss vom 30. März 2020 - 3 M 234/19 - ju­ris Rn. 10). Im Üb­ri­gen er­mäch­tigt § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG die zu­stän­di­ge Be­hör­de aus­drück­lich da­zu, im Ein­zel­fall die zur Er­fül­lung der An­for­de­run­gen des § 2 TierSchG er­for­der­li­chen Maß­nah­men an­zu­ord­nen. Hin­zu kommt, dass der Ge­setz­ge­ber nach sei­nem Re­ge­lungs­kon­zept mit der Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung in § 2a TierSchG un­ter dem Ge­sichts­punkt der Er­for­der­lich­keit für den Tier­schutz in ers­ter Li­nie die In­ten­siv- und Mas­sen­tier­hal­tung in den Blick ge­nom­men hat (vgl. BT-Drs. VI/2559 S. 11 f. zur Vor­gän­ger­re­ge­lung in § 13 TierSchG a. F.). Ei­ne Re­ge­lung al­ler dar­über hin­aus in Be­tracht kom­men­den Tier­hal­tun­gen, die um­fang­reich und we­nig prak­ti­ka­bel wä­re, hat er hin­ge­gen nicht be­ab­sich­tigt.

15 cc) Die Ein­zel­hal­tung ei­nes Pfer­des kann auch oh­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung die­ser Hal­tungs­form im Ge­setz oder in ei­ner Rechts­ver­ord­nung auf der Grund­la­ge von § 16a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 1 und § 2 Nr. 1 TierSchG un­ter­sagt wer­den. Die Tier­hal­tungs­grund­sät­ze des § 2 TierSchG sind zwar durch un­be­stimm­te Rechts­be­grif­fe ge­kenn­zeich­net. Die­se kön­nen aber durch Aus­le­gung kon­kre­ti­siert wer­den. Was ei­ne der Art und den Be­dürf­nis­sen des Tie­res ent­spre­chen­de an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung im Sin­ne des § 2 Nr. 1 TierSchG ist, lässt sich auf der Grund­la­ge der ein­schlä­gi­gen tier­me­di­zi­ni­schen und ver­hal­tens­wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se - trotz al­ler wis­sen­schaft­li­chen Kon­tro­ver­sen - zu­min­dest im Um­riss fest­le­gen (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 6. Ju­li 1999 - 2 BvF 3/90 - BVerf­GE 101, 1 <32 f.>). Für die Hal­tung von Pfer­den zäh­len hier­zu - wie das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat (UA S. 20 ff.) – auch die vom da­ma­li­gen Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung, Land­wirt­schaft und Ver­brau­cher­schutz im Jahr 2009 her­aus­ge­ge­be­nen "Leit­li­ni­en zur Be­ur­tei­lung von Pfer­de­hal­tun­gen un­ter Tier­schutz­ge­sichts­punk­ten" (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 2. April 2014 - 3 B 62.13 - ju­ris Rn. 7 f.; Hirt/​Maisack/​Mo­ritz/​Fel­de, TierSchG, 4. Aufl. 2023, Anh. § 2 Rn. 96 m. w. N.; zum So­zi­al­ver­hal­ten von Pfer­den Rn. 98 ff.).

16 b) Die vom Klä­ger zur Aus­le­gung von § 2 Nr. 1 TierSchG ge­stell­ten Fra­gen füh­ren nicht auf ei­ne grund­sätz­li­che Be­deu­tung der Rechts­sa­che.

17 aa) Die ers­te Fra­ge
"Sind bei Prü­fung der Fra­ge, ob ei­ne 'an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung' im Sin­ne des § 2 Nr. 1 TierSchG vor­liegt, im­mer sämt­li­che Hal­tungs­be­din­gun­gen zu er­mit­teln und ist dann in ei­ner Ge­samt­ab­wä­gung un­ter Ge­wich­tung der ein­zel­nen Hal­tungs­be­din­gun­gen fest­zu­stel­len, ob ei­ne 'an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung['] vor­liegt?"
ist ei­ner rechts­grund­sätz­li­chen Klä­rung nicht zu­gäng­lich. Ein Rechts­satz in dem von der Be­schwer­de an­ge­nom­me­nen Sin­ne lässt sich nicht auf­stel­len, weil die An­nah­me, es sei­en im­mer - al­so aus­nahms­los - sämt­li­che Hal­tungs­be­din­gun­gen zu er­mit­teln, in die­ser All­ge­mein­heit nicht zu­trifft. Bei den durch § 2 Nr. 1 TierSchG ge­schütz­ten Grund­be­dürf­nis­sen, die je­den­falls nicht un­an­ge­mes­sen zu­rück­ge­drängt wer­den dür­fen (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 6. Ju­li 1999 ‌- 2 BvF 3/90 - BVerf­GE 101, 1 <38>; Hirt/​Maisack/​Mo­ritz/​Fel­de, TierSchG, 4. Aufl. 2023, § 2 Rn. 15a), kommt ei­ne Kom­pen­sa­ti­on im We­ge ei­ner Ge­samt­ab­wä­gung un­ter Ge­wich­tung der ein­zel­nen Hal­tungs­be­din­gun­gen nicht in Be­tracht. Ob ei­ne Hal­tungs­be­din­gung für die Er­fül­lung ei­nes Grund­be­dürf­nis­ses un­ver­zicht­bar ist, lässt sich nur für die je­wei­li­ge Tier­art be­ant­wor­ten.

18 bb) Die zwei­te und die drit­te Fra­ge
"Liegt ei­ne nicht an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung erst dann vor, wenn das Tier zwar so ge­hal­ten wird, dass es über­le­ben kann und kei­ne Lei­den, Schmer­zen oder an­de­re Schä­den da­von­trägt, es aber sei­ne an­ge­bo­re­nen Ver­hal­tens­mus­ter so­weit än­dern und an sei­ne Hal­tungs­be­din­gun­gen so­weit an­pas­sen muss, dass es prak­tisch mit sei­nen wild­le­ben­den Art­ge­nos­sen (Vor­fah­ren) nicht mehr viel ge­mein­sam hat, wie es das OVG Lü­ne­burg in sei­nem Ur­teil vom 8.11.2018, 11 LB 34/18 for­mu­liert hat?",
"Ist es er­for­der­lich, zur Fest­stel­lung ei­ner nicht an­ge­mes­se­nen ver­hal­tens­ge­rech­ten Un­ter­brin­gung zu er­mit­teln,
a) wie die wil­den Vor­fah­ren der be­trof­fe­nen Tie­re ge­lebt ha­ben und
b) wie das kon­kre­te Tier in der Ge­fan­gen­heit lebt und so­dann durch Ver­gleich und Be­wer­tung bei­der ge­sam­ter Le­bens­um­stän­de die Fra­ge 2 zu be­ant­wor­ten?"
sind eben­falls nicht rechts­grund­sätz­lich zu klä­ren, denn die Be­din­gun­gen ei­ner an­ge­mes­se­nen ver­hal­tens­ge­rech­ten Un­ter­brin­gung sind für die je­wei­li­ge Tier­art und ab­hän­gig vom Ein­zel­fall zu be­stim­men. Ei­ne art­be­zo­ge­ne Be­trach­tungs­wei­se liegt auch § 2 Nr. 1 TierSchG zu­grun­de, wo­nach der Hal­ter das Tier sei­ner Art ent­spre­chend an­ge­mes­sen ver­hal­tens­ge­recht un­ter­zu­brin­gen hat. Da­bei kann eben­falls von Be­deu­tung sein, ob das je­wei­li­ge Tier als Haus-, Nutz- oder Wild­tier ge­hal­ten wird und wie weit der Grad der Do­mes­ti­zie­rung reicht. Hier­von ist auch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Lü­ne­burg in sei­ner vom Klä­ger her­an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung aus­ge­gan­gen und hat in dem von ihm zu ent­schei­den­den Ein­zel­fall an­ge­nom­men, dass be­son­ders bei der Hal­tung wild­le­ben­der Ar­ten ho­he An­for­de­run­gen an ei­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung zu stel­len sei­en. Vor die­sem Hin­ter­grund hat es als of­fen­sicht­lich an­ge­se­hen, dass die Hal­tung ei­nes Schim­pan­sen in ei­nem Zir­kus oh­ne so­zia­len Kon­takt zu an­de­ren Schim­pan­sen die An­for­de­run­gen des § 2 TierSchG nicht er­fül­le (OVG Lü­ne­burg, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2018 - 11 LB 34/18 - NVwZ-RR 2019, 503 Rn. 37 ff.).

19 So­weit die Be­schwer­de in Fra­ge 2 an­spricht, dass "das Tier zwar so ge­hal­ten wird, dass es [...] kei­ne Lei­den, Schmer­zen oder an­de­re Schä­den da­von­trägt", ist im Üb­ri­gen in der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ge­klärt, dass dies für die Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung der Nr. 1 des § 2 TierSchG an­ders als bei der Nr. 2 nicht Vor­aus­set­zung ist. Ei­ne nicht an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung kann al­so auch dann vor­lie­gen, wenn dem Tier zwar kei­ne Lei­den oder Schmer­zen zu­ge­fügt, aber sei­ne Grund­be­dürf­nis­se ein­ge­schränkt wer­den (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 6. Ju­li 1999 - 2 BvF 3/90 - BVerf­GE 101, 1 <36 f.>).

20 cc) Mit der vier­ten Fra­ge möch­te der Klä­ger ge­klärt wis­sen:
"Kann - so­lan­ge ein durch das Par­la­ment (ge­ge­be­nen­falls durch den in­so­weit ord­nungs­ge­mäß er­mäch­tig­ten V[e]rord­nungs­ge­ber) er­las­se­nes (all­ge­mei­nes) Ver­bot der Al­lein­hal­tung ei­nes Pfer­des (wie es z. B. in Schwe­den oder in der Schweiz exis­tiert) nicht be­steht - ei­ne 'nicht an­ge­mes­se­ne ver­hal­tens­ge­rech­te Un­ter­brin­gung' durch die Tier­schutz­be­hör­de erst dann an­ge­nom­men wer­den, wenn be­wie­sen (po­si­tiv fest­ge­stellt) ist, dass das kon­kre­te Pferd bei sei­nen an­sons­ten ord­nungs­ge­mä­ßen oder so­gar be­son­ders gu­ten Hal­tungs­be­din­gun­gen nur durch die Al­lein­hal­tung in ir­gend­ei­ner Wei­se in sei­nem Wohl­be­fin­den be­ein­träch­tigt wird?"

21 Zur Be­grün­dung führt er aus, wür­de die Fra­ge be­jaht, kön­ne das Be­ru­fungs­ur­teil kei­nen Be­stand ha­ben, weil das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hier­zu kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen ha­be. Es ha­be den nicht ver­tret­ba­ren Schluss ge­zo­gen, die nicht art­ge­rech­te Al­lein­hal­tung recht­fer­ti­ge im­mer ein Ein­grei­fen der Tier­schutz­be­hör­de, so­dass es auf das kon­kre­te Pferd und die kon­kre­ten Hal­tungs­be­din­gun­gen nicht an­kom­me. Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten sei­nes Pfer­des sei­en nach den be­ru­fungs­ge­richt­li­chen Fest­stel­lun­gen nicht vor­han­den. Auch kon­kre­te Hin­wei­se auf ei­ne Be­ein­träch­ti­gung sei­nes Wohl­be­fin­dens durch die Al­lein­hal­tung hät­ten sich nicht er­mit­teln las­sen. Mit die­sem Vor­brin­gen zeigt der Klä­ger nicht auf, dass der Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Be­deu­tung im Sin­ne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO zu­kommt.

22 Der An­nah­me des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, die Ein­zel­hal­tung des Pfer­des des Klä­gers oh­ne Sicht-, Hör- und Ge­ruchs­kon­takt zu Art­ge­nos­sen er­fül­le nicht die An­for­de­run­gen ei­ner an­ge­mes­se­nen ver­hal­tens­ge­rech­ten Un­ter­brin­gung im Sin­ne von § 2 Nr. 1 TierSchG, liegt die tat­säch­li­che Fest­stel­lung zu­grun­de, ei­ne sol­che Al­lein­hal­tung ent­spre­che nicht ei­ner art- und be­dürf­nis­ge­rech­ten Tier­hal­tung (UA S. 19 f.). Grund­la­ge für die Über­zeu­gungs­bil­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 Vw­GO) sind die "Leit­li­ni­en zur Be­ur­tei­lung von Pfer­de­hal­tun­gen un­ter Tier­schutz­ge­sichts­punk­ten" (sie­he oben) ge­we­sen so­wie die zum Ver­fah­ren bei­ge­zo­ge­nen Er­kennt­nis­mit­tel (UA S. 24 ff.). Es hat wei­ter aus­ge­führt, ei­ne an­de­re Be­wer­tung er­ge­be sich nicht aus dem Vor­trag des Klä­gers, es sei­en bei sei­nem Pferd kei­ne aus der Al­lein­hal­tung re­sul­tie­ren­den Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten oder Stress­re­ak­tio­nen er­kenn­bar. Ob je­des ein­zel­ne Pferd bei ei­nem feh­len­den So­zi­al­kon­takt mit Art­ge­nos­sen in sei­nem Wohl­be­fin­den be­ein­träch­tigt wer­de, sei wis­sen­schaft­lich nicht über­prüf­bar. Vie­les spre­che aber da­für (UA S. 33). Dem­nach kön­ne der Um­stand, dass die Al­lein­hal­tung bei ein­zel­nen Pfer­den zu kei­nen kör­per­lich er­kenn­ba­ren oder mess­ba­ren Ver­än­de­run­gen füh­re, für die Fra­ge der grund­sätz­li­chen so­zi­al­ver­hal­tens­ge­rech­ten und da­mit art­ge­rech­ten Hal­tung von Pfer­den kei­ne Rol­le spie­len (UA S. 33). Aus­ge­hend von die­ser Sach­ver­halts- und Be­weis­wür­di­gung und den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen, an die der Se­nat ge­bun­den ist, weil der Klä­ger da­ge­gen - wie nach­ste­hend ge­zeigt - kei­ne be­grün­de­te Ver­fah­rens­rü­ge im Sin­ne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO vor­ge­bracht hat (§ 137 Abs. 2 Vw­GO), ist we­der dar­ge­legt noch er­sicht­lich, in­wie­fern die Fra­ge ei­nen rechts­grund­sätz­li­chen Klä­rungs­be­darf auf­wer­fen könn­te.

23 c) Die von der Be­schwer­de ge­stell­te wei­te­re (fünf­te) Fra­ge
"Wä­re das von dem Be­klag­ten an­ge­ord­ne­te Al­lein­hal­tungs­ver­bot be­züg­lich des Pfer­des Lu­ka nur un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [rich­tig: Satz 2 Nr. 3] TierSchG zu­läs­sig ge­we­sen?"
ist nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Der Be­klag­te hat sei­nen Be­scheid nicht auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG, son­dern auf die Nr. 1 der Vor­schrift ge­stützt. Er hat dem Klä­ger - wie das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für den Se­nat bin­dend (§ 137 Abs. 2 Vw­GO) fest­ge­stellt hat (UA S. 18) – nicht ge­ne­rell das Hal­ten oder Be­treu­en von Tie­ren un­ter­sagt, son­dern le­dig­lich die Al­lein­hal­tung des Pfer­des Lu­kas. Tie­re im All­ge­mei­nen, Pfer­de und auch ganz kon­kret das Pferd Lu­kas zu hal­ten, hat ihm der Be­klag­te hin­ge­gen nicht un­ter­sagt. Als ei­ne Mög­lich­keit zur Um­set­zung sei­ner An­ord­nung hat er dem Klä­ger viel­mehr die Ver­ge­sell­schaf­tung des Pfer­des durch das Hal­ten ei­nes oder meh­re­rer wei­te­rer Pfer­de na­he­ge­legt (UA S. 41).

24 B. So­weit der Klä­ger im Hin­blick auf die Er­mes­sens­aus­übung des Be­klag­ten ei­nen Ver­stoß ge­gen § 114 Satz 1 Vw­GO rügt (Be­schwer­de­be­grün­dung S. 19 ff.), fehlt es be­reits an der Be­zeich­nung ei­nes Grun­des für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on (§ 132 Abs. 2 Vw­GO). Soll­ten die­se Aus­füh­run­gen als Grund­satz­rü­ge zu ver­ste­hen sein, ist ei­ne grund­sätz­li­che Be­deu­tung der Rechts­sa­che nicht in ei­ner § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO ent­spre­chen­den Wei­se dar­ge­legt. Der Klä­ger macht nach Art ei­ner Be­ru­fungs­be­grün­dung Ein­wän­de ge­gen die Rechts­an­wen­dung durch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im Ein­zel­fall gel­tend.

25 C. Die Re­vi­si­on ist nicht we­gen der gel­tend ge­mach­ten Ver­fah­rens­män­gel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO zu­zu­las­sen.

26 a) Die Rü­ge, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be durch das Un­ter­las­sen der er­for­der­li­chen Be­weis­auf­nah­me ge­gen die ge­richt­li­che Pflicht zur Sach­auf­klä­rung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Vw­GO) ver­sto­ßen, greift nicht durch. Ob ei­ne Be­weis­auf­nah­me er­for­der­lich ist, ist vom ma­te­ri­ell-recht­li­chen Stand­punkt des Tat­sa­chen­ge­richts zu be­ur­tei­len (stRspr, vgl. u. a. BVer­wG, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 1998 ‌- 11 C 11.96 - BVer­w­GE 106, 115 <119> m. w. N.). Ei­ne Auf­klä­rungs­rü­ge nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Vw­GO er­for­dert die sub­stan­ti­ier­te Dar­le­gung im Sin­ne des § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO, hin­sicht­lich wel­cher tat­säch­li­chen Um­stän­de aus der ma­te­ri­ell-recht­li­chen Sicht des Be­ru­fungs­ge­richts Auf­klä­rungs­be­darf be­stan­den hat, wel­che für ge­eig­net und er­for­der­lich ge­hal­te­nen Auf­klä­rungs­maß­nah­men hier­für in Be­tracht ge­kom­men wä­ren und wel­che tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen bei der Durch­füh­rung der un­ter­blie­be­nen Sach­ver­halts­auf­klä­rung vor­aus­sicht­lich ge­trof­fen wor­den wä­ren und in­wie­fern die­se bei Zu­grun­de­le­gung der ma­te­ri­ell-recht­li­chen Auf­fas­sung des Tat­sa­chen­ge­richts zu ei­ner für den Be­schwer­de­füh­rer güns­ti­ge­ren Ent­schei­dung hät­ten füh­ren kön­nen (BVer­wG, Be­schluss vom 9. Ju­ni 2021 - 2 B 22.20 - ju­ris Rn. 11 m. w. N.). Die­sen An­for­de­run­gen wird der Klä­ger durch den pau­scha­len Vor­trag, das Un­ter­las­sen der er­for­der­li­chen Be­weis­auf­nah­me sei ver­fah­rens­wid­rig (Be­schwer­de­be­grün­dung S. 23), nicht ge­recht.

27 b) So­weit die Be­schwer­de ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO) dar­in er­blickt, dass der Klä­ger ei­ne Viel­zahl von Be­weis­an­trä­gen ge­stellt ha­be, de­nen nach­zu­ge­hen das Be­ru­fungs­ge­richt in al­len Fäl­len durch Be­schluss ab­ge­lehnt ha­be, kann die Rü­ge be­reits des­halb kei­nen Er­folg ha­ben, weil der Klä­ger es ver­säumt hat, auf ei­ne wei­te­re Sach­ver­halts­auf­klä­rung hin­zu­wir­ken. Denn Vor­aus­set­zung ei­ner be­grün­de­ten Rü­ge der Ver­sa­gung recht­li­chen Ge­hörs ist die (er­folg­lo­se) vor­he­ri­ge Aus­schöp­fung sämt­li­cher ver­fah­rens­recht­lich er­öff­ne­ten und nach La­ge der Din­ge taug­li­chen Mög­lich­kei­ten, sich recht­li­ches Ge­hör zu ver­schaf­fen (stRspr, vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 19. Au­gust 2014 - 7 BN 1.14 - ju­ris Rn. 7 und vom 7. April 2020 - 5 B 30.19 D - ju­ris Rn. 32, je­weils m. w. N.). Der Klä­ger hat aus­weis­lich des Sit­zungs­pro­to­kolls die münd­li­che Ver­hand­lung des Be­ru­fungs­ge­richts vor der Ver­kün­dung der Ent­schei­dung über die von ihm ge­stell­ten Be­weis­an­trä­ge ver­las­sen (Pro­to­koll S. 5) und sich da­mit der Mög­lich­keit be­ge­ben, ge­gen die sei­ner Auf­fas­sung nach ver­fah­rens­feh­ler­haf­te Ab­leh­nung von Be­weis­an­trä­gen be­reits in der münd­li­chen Ver­hand­lung Ein­wen­dun­gen zu er­he­ben. Das gilt auch für die Ab­leh­nung des Be­weis­an­trags Nr. 28 auf Ver­neh­mung von Dr. Z. zur Fra­ge der So­zi­al­part­ner­schaft zwi­schen Men­schen und Pfer­den (Pro­to­koll S. 16 f., Be­schwer­de­be­grün­dung S. 31) so­wie ent­spre­chend für die Ab­leh­nung des Ver­ta­gungs­an­trags (Pro­to­koll S. 5, Be­schwer­de­be­grün­dung S. 25).

28 Sei­ne Rü­ge, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be nicht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es über die er­for­der­li­che Sach­kun­de ver­fü­ge (Be­schwer­de­be­grün­dung S. 24 f.), geht eben­falls fehl. Zum ei­nen ent­hält das Sit­zungs­pro­to­koll (S. 2) den Hin­weis, dass die den Be­tei­lig­ten vor­ab über­mit­tel­te Er­kennt­nis­mit­tel­lis­te zum The­ma "Ein­zel­hal­tung Pferd" samt den ent­spre­chen­den Do­ku­men­ten zum Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­macht wur­de. Auf die ge­nann­ten Er­kennt­nis­mit­tel hat sich das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in sei­nen Ent­schei­dungs­grün­den ge­stützt (UA S. 24 ff.). Zum an­de­ren hät­te der Klä­ger in Wahr­neh­mung sei­ner pro­zes­sua­len Rech­te nach Ab­leh­nung sei­ner Be­weis­an­trä­ge durch das Be­ru­fungs­ge­richt wei­te­re auf die Sach­kun­de des Ge­richts be­zo­ge­ne An­trä­ge stel­len kön­nen. Der in Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 Vw­GO ge­währ­leis­te­te An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör si­chert, dass die Be­tei­lig­ten ei­nes Ge­richts­ver­fah­rens vor Er­lass ei­ner Ent­schei­dung, die ih­re Rech­te be­trifft, zu Wort kom­men und mit ih­ren Aus­füh­run­gen und An­trä­gen Ein­fluss auf das Ver­fah­ren neh­men kön­nen (vgl. BVerfG, Ple­nums­be­schluss vom 30. April 2003 - 1 PB­vU 1/02 - BVerf­GE 107, 395 <408 f.>). Die­se Mög­lich­keit hat der Klä­ger sich durch das vor­zei­ti­ge Ver­las­sen der münd­li­chen Ver­hand­lung selbst ge­nom­men. Von ei­nem Ver­stoß ge­gen den Grund­satz des fai­ren Ver­fah­rens (Be­schwer­de­be­grün­dung S. 25) kann bei die­ser Sach­la­ge gleich­falls kei­ne Re­de sein.

29 c) Der Klä­ger rügt als ver­fah­rens­feh­ler­haft, dass das Be­ru­fungs­ge­richt die Be­weis­last­ver­tei­lung ver­kannt ha­be (Be­schwer­de­be­grün­dung S. 27). Da­bei über­sieht er je­doch, dass die Be­weis­last erst dort zum Tra­gen kommt, wo ent­schei­dungs­er­heb­li­che Tat­sa­chen un­auf­klär­bar blei­ben. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aber kei­ne Ent­schei­dung nach den Grund­sät­zen der Be­weis­last­ver­tei­lung ge­trof­fen. Im Üb­ri­gen ist die Fra­ge der Be­weis­last­ver­tei­lung ei­ne sol­che des ma­te­ri­el­len Rechts und nicht des Ver­fah­rens­rechts.

30 d) Die Be­schwer­de rügt als Ver­fah­rens­feh­ler ei­ne "Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on der Er­kennt­nis­mit­tel" (Be­schwer­de­be­grün­dung S. 27 ff.). Sie über­sieht da­bei, dass die Sach­ver­halts- und Be­weis­wür­di­gung ei­ner Tat­sa­chen­in­stanz der Be­ur­tei­lung des Re­vi­si­ons­ge­richts nur in­so­weit un­ter­stellt ist, als es tat­säch­lich um Ver­fah­rens­feh­ler im Sin­ne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO geht. Rü­ge­fä­hig ist da­mit nicht das Er­geb­nis der ta­trich­ter­li­chen Wür­di­gung, son­dern nur ein Ver­fah­rens­vor­gang auf dem Weg dort­hin. Der­ar­ti­ge Män­gel lie­gen vor, wenn die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung der Vor­in­stanz von ei­nem fal­schen oder un­voll­stän­di­gen Sach­ver­halt aus­geht, al­so et­wa ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ak­ten­in­halt über­geht oder auf ei­ner ak­ten­wid­ri­gen Tat­sa­chen­grund­la­ge ba­siert. Ei­nen sol­chen Man­gel legt die Be­schwer­de nicht dar. Das Er­geb­nis der ge­richt­li­chen Wür­di­gung ist vom Re­vi­si­ons­ge­richt im Rah­men ei­ner Ver­fah­rens­rü­ge nur dar­auf­hin zu über­prü­fen, ob es ge­gen all­ge­mei­ne Sach­ver­halts- und Be­weis­wür­di­gungs­grund­sät­ze, ins­be­son­de­re ge­setz­li­che Be­weis­re­geln, Denk­ge­set­ze oder Er­fah­rungs­sät­ze ver­stö­ßt oder ob­jek­tiv will­kür­lich ist (stRspr, vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 15. De­zem­ber 2020 - 3 B 34.19 - NVwZ-RR 2022, 86 Rn. 21 und vom 4. Sep­tem­ber 2024 ‌- 3 B 22.23 - ju­ris Rn. 13, je­weils m. w. N.). Ei­nen der­ar­ti­gen Man­gel legt der Klä­ger nicht dar.

31 D. Die Rü­ge, das Ur­teil sei nicht mit Grün­den ver­se­hen (§ 138 Nr. 6 Vw­GO), weil das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung in Be­zug auf die bei­den eben­falls an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dun­gen über die Ver­wal­tungs­kos­ten nicht be­grün­det ha­be, ist un­be­grün­det.

32 Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 Vw­GO müs­sen im Ur­teil die Grün­de schrift­lich nie­der­ge­legt wer­den, die für die Über­zeu­gungs­bil­dung des Ge­richts lei­tend ge­we­sen sind. Nicht mit Grün­den ver­se­hen im Sin­ne von § 138 Nr. 6 Vw­GO ist ei­ne Ent­schei­dung nur dann, wenn die Ent­schei­dungs­grün­de kei­ne Kennt­nis dar­über ver­mit­teln, wel­che tat­säch­li­chen und recht­li­chen Ge­sichts­punk­te für die Ent­schei­dung ma­ß­ge­bend wa­ren und wenn den Be­tei­lig­ten und dem Rechts­mit­tel­ge­richt des­halb die Mög­lich­keit ent­zo­gen ist, die Ent­schei­dung zu über­prü­fen. Das ist nur der Fall, wenn die Ent­schei­dungs­grün­de voll­stän­dig oder zu we­sent­li­chen Tei­len des Streit­ge­gen­stan­des feh­len oder sich als der­art ver­wor­ren oder un­ver­ständ­lich dar­stel­len, dass sie un­brauch­bar sind (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 22. Ju­ni 2011 - 1 C 11.10 - Buch­holz 451.902 Eu­rop. Ausl.- u. Asyl­recht Nr. 53 Rn. 22).

33 Weil die Kos­ten­grund­ent­schei­dung in den an­ge­foch­te­nen Be­schei­den mit der Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che ver­bun­den ist (vgl. Be­schluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts zur Tat­be­stands­be­rich­ti­gung vom 20. März 2024, S. 3 f.), kann sich die Rü­ge nur auf die Be­grün­dung zur Hö­he der Ver­wal­tungs­kos­ten be­zie­hen. Die Ur­teils­grün­de set­zen sich da­mit zwar nicht aus­drück­lich aus­ein­an­der, ent­hal­ten aber die Fest­stel­lung, zwei Amts­tier­ärz­te hät­ten die Al­lein­hal­tung vor Ort fest­ge­stellt (UA S. 38). Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ist er­sicht­lich da­von aus­ge­gan­gen, dass so­wohl die Not­wen­dig­keit der zwei­fa­chen Vor-Ort-Kon­trol­le als auch die hier­durch ver­ur­sach­te Hö­he der Kos­ten kei­nen Be­den­ken be­geg­net. Ei­ner wei­ter­ge­hen­den Be­grün­dung be­durf­te es vor die­sem Hin­ter­grund nicht.

34 Von ei­ner wei­te­ren Be­grün­dung sieht der Se­nat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 Vw­GO).

35 Mit der Zu­rück­wei­sung der Be­schwer­de wird das an­ge­foch­te­ne Ur­teil rechts­kräf­tig (§ 133 Abs. 5 Satz 3 Vw­GO) und er­le­digt sich der An­trag des Klä­gers vom 3. Mai 2024 im Ver­fah­ren BVer­wG 3 VR 1.24 auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Kla­ge ge­gen den Be­scheid des Be­klag­ten vom 8. April 2019 in der Fas­sung des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 4. Ju­ni 2019.

36 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt für das Be­schwer­de­ver­fah­ren aus § 154 Abs. 2 Vw­GO, für das An­trags­ver­fah­ren aus § 154 Abs. 1 Vw­GO. Die Streit­wert­fest­set­zung für das Be­schwer­de­ver­fah­ren be­ruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG, für das An­trags­ver­fah­ren auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streit­wert­ka­ta­logs für die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit.

Be­schluss vom 13.02.2025 -
BVer­wG 3 B 13.24ECLI:DE:BVer­wG:2025:130225B3B13.24.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 3 B 13.24

  • VG Greifs­wald - 12.10.2020 - AZ: 2 A 995/19 HGW
  • OVG Greifs­wald - 20.02.2024 - AZ: 1 LB 65/21

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 3. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 13. Fe­bru­ar 2025
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Phil­ipp,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kuhl­mann und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Sin­ner
be­schlos­sen:

  1. Der An­trag des Klä­gers auf Be­rich­ti­gung des Be­schlus­ses vom 16. De­zem­ber 2024 wird ab­ge­lehnt.
  2. Die Ge­gen­vor­stel­lung des Klä­gers ge­gen den Be­schluss vom 16. De­zem­ber 2024 wird zu­rück­ge­wie­sen.

Grün­de

1 1. Der An­trag des Klä­gers, die Kos­ten­ent­schei­dung im Te­nor des Be­schlus­ses vom 16. De­zem­ber 2024 da­hin zu be­rich­ti­gen, dass es im 3. Ab­satz des Te­nors hei­ßt,
"Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens.
Die Kos­ten des An­trags­ver­fah­rens wer­den dem Be­klag­ten/An­trags­geg­ner auf­er­legt.",
bleibt oh­ne Er­folg. Nach § 118 Abs. 1, § 122 Abs. 1 Vw­GO kommt ei­ne Be­rich­ti­gung nur bei Schreib­feh­lern, Re­chen­feh­lern oder ähn­li­chen of­fen­ba­ren Un­rich­tig­kei­ten in Be­tracht. Der Klä­ger hat nicht gel­tend ge­macht, dass der Be­schluss sol­che Feh­ler ent­hält. Er wen­det sich viel­mehr ge­gen die Kos­ten­ent­schei­dung im Ver­fah­ren des vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes.

2 2. Die hilfs­wei­se er­ho­be­ne Ge­gen­vor­stel­lung ge­gen die Kos­ten­ent­schei­dung des Se­nats im Ver­fah­ren des vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes bleibt gleich­falls oh­ne Er­folg.

3 Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob die Ge­gen­vor­stel­lung be­reits un­statt­haft ist, weil der Ge­setz­ge­ber mit Ein­füh­rung der An­hö­rungs­rü­ge nach § 152a Vw­GO zum Aus­druck ge­bracht hat, dass die ge­setz­lich nicht ge­re­gel­te Ge­gen­vor­stel­lung kei­ne An­wen­dung mehr fin­den soll (vgl. hier­zu et­wa BVer­wG, Be­schluss vom 30. Ja­nu­ar 2020 - 8 PKH 1.20 - ju­ris Rn. 9 m. w. N.).

4 Der Vor­trag des Klä­gers gibt je­den­falls kei­ne Ver­an­las­sung, die Kos­ten­ent­schei­dung im Ver­fah­ren des vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes in dem Be­schluss des Se­nats vom 16. De­zem­ber 2024 zu än­dern. Er trägt vor, sein An­trag auf Auf­he­bung des an­ge­ord­ne­ten So­fort­voll­zu­ges ha­be nur da­hin aus­ge­legt und ver­stan­den wer­den kön­nen, dass er die Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung von Wi­der­spruch und Kla­ge nur bis zur Ent­schei­dung des Se­nats über die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de - al­so zeit­lich be­fris­tet - be­gehrt ha­be. Er ha­be mit sei­nem zeit­lich be­grenz­ten An­trag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Kla­ge Er­folg ge­habt.

5 Der Klä­ger lässt au­ßer Acht, dass der Se­nat im Ver­fah­ren BVer­wG 3 VR 1.24 mit dem Be­schluss vom 16. Ju­li 2024 auf der Grund­la­ge ei­ner In­ter­es­sen­ab­wä­gung le­dig­lich ei­ne Zwi­schen­ent­schei­dung "bis zur Ent­schei­dung im Ver­fah­ren 3 VR 1.24 " ge­trof­fen hat. Im Ver­fah­ren 3 VR 1.24 hat­te er be­an­tragt, die auf­schie­ben­de Wir­kung der Kla­ge ge­gen den an­ge­foch­te­nen Be­scheid für die Dau­er des Haupt­sa­che­ver­fah­rens an­zu­ord­nen. Zeit­lich be­grenzt auf die Zeit­span­ne bis zur Ent­schei­dung über sei­ne Be­schwer­de ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on hat­te er den An­trag nicht (vgl. S. 1 der An­trags­schrift vom 3. Mai 2024). Hät­te der Se­nat die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen, wä­re ei­ne sol­che Be­gren­zung auch nicht sach­ge­recht ge­we­sen. Wie sich aus dem Be­schluss des Se­nats vom 16. De­zem­ber 2024 er­gibt, hät­te der An­trag im Ver­fah­ren 3 VR 1.24 auch dann kei­nen Er­folg ge­habt, wenn er sich nicht durch die Zu­rück­wei­sung der Be­schwer­de er­le­digt hät­te, son­dern der Se­nat über den An­trag vor­ab und erst an­schlie­ßend über die Be­schwer­de ent­schie­den hät­te.