Be­schluss vom 06.01.2010 -
BVer­wG 1 WNB 7.09ECLI:DE:BVer­wG:2010:060110B1WN­B7.09.0

Leit­sät­ze:

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Die Be­zeich­nung der Ent­schei­dung, von der die mit der Di­ver­genz­rü­ge an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung ab­ge­wi­chen sein soll, muss so in­di­vi­dua­li­sier­bar sein, dass ih­re Iden­ti­tät nicht zwei­fel­haft ist und sie vom Be­schwer­de­ge­richt un­schwer her­an­ge­zo­gen wer­den kann.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 1 WNB 7.09

  • Trup­pen­dienst­ge­richt Nord 8. Kam­mer - 23.09.2009 - AZ: TDG N 8 BLa 4/09

In dem Wehr­be­schwer­de­ver­fah­ren hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts durch
den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Gol­ze,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Frentz und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger
am 6. Ja­nu­ar 2010 be­schlos­sen:

  1. Die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de in dem Be­schluss des Trup­pen­dienst­ge­richts Nord vom 23. Sep­tem­ber 2009 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der An­trag­stel­ler trägt die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens.

Grün­de

1 Die zu­läs­si­ge Be­schwer­de ist un­be­grün­det.

2 1. Der Sa­che kommt die von der Be­schwer­de gel­tend ge­mach­te grund­sätz­li­che Be­deu­tung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) nicht zu.

3 Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung der Re­vi­si­ons­se­na­te des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ist ei­ne Rechts­sa­che nur dann grund­sätz­lich be­deut­sam im Sin­ne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO, wenn in dem an­ge­streb­ten Re­vi­si­ons­ver­fah­ren die Klä­rung ei­ner bis­her höchst­rich­ter­lich un­ge­klär­ten, in ih­rer Be­deu­tung über den der Be­schwer­de zu­grun­de lie­gen­den Ein­zel­fall hin­aus­ge­hen­den klä­rungs­be­dürf­ti­gen Rechts­fra­ge des re­vi­si­blen Rechts zu er­war­ten ist. In der Be­schwer­de­be­grün­dung muss da­her dar­ge­legt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO), d.h. nä­her aus­ge­führt wer­den (stRspr; vgl. u.a. Be­schluss vom 2. Ok­to­ber 1961 - BVer­wG 8 B 78.61 - BVer­w­GE 13, 90 <91 f.> = Buch­holz 310 § 132 Vw­GO Nr. 18 S. 21 f.), dass und in­wie­weit ei­ne be­stimm­te Rechts­fra­ge des Bun­des­rechts im all­ge­mei­nen In­ter­es­se klä­rungs­be­dürf­tig und war­um ih­re Klä­rung im be­ab­sich­tig­ten Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zu er­war­ten ist (vgl. auch Be­schluss vom 24. Ja­nu­ar 2008 - BVer­wG 6 BN 2.07 - Buch­holz 402.41 All­ge­mei­nes Po­li­zei­recht Nr. 85 Rn. 14). Dies gilt nach der Recht­spre­chung der bei­den Wehr­dienst­se­na­te auch für die § 132 Abs. 2 Nr. 1 und § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO nach­ge­bil­de­ten (vgl. da­zu BT­Drucks 16/7955 S. 36 zu Nr. 18) Re­ge­lun­gen des § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO und des § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO (vgl. Be­schlüs­se vom 1. Ju­li 2009 - BVer­wG 1 WNB 1.09 - <zur Ver­öf­fent­li­chung in Buch­holz vor­ge­se­hen>, vom 4. De­zem­ber 2009 - BVer­wG 1 WNB 4.09 -, vom 15. Ju­li 2009 - BVer­wG 2 WNB 1.09 -, vom 30. Sep­tem­ber 2009 - BVer­wG 2 WNB 3.09 - und vom 28. Ok­to­ber 2009 - BVer­wG 2 WNB 2.09 -).

4 Die von der Be­schwer­de als grund­sätz­lich be­deut­sam be­zeich­ne­te Fra­ge,
ob ein Sol­dat, wenn er auf ei­ne Be­schwer­de oder ei­nen An­trag kei­ne Re­ak­ti­on von sei­nen Vor­ge­setz­ten er­hält, über­haupt ei­ne Mög­lich­keit hat, da­ge­gen Be­schwer­de ein­zu­le­gen,
führt nicht zur Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de ge­gen den Be­schluss des Trup­pen­dienst­ge­richts Nord vom 23. Sep­tem­ber 2009, weil sie sich oh­ne Wei­te­res aus der Wehr­be­schwer­de­ord­nung be­ant­wor­ten lässt.

5 Nach § 1 Abs. 2 WBO kann der Sol­dat die Be­schwer­de (auch) dar­auf stüt­zen, dass ihm auf ei­nen An­trag in­ner­halb ei­nes Mo­nats kein Be­scheid er­teilt wor­den ist. Au­ßer­dem ist nach § 16 Abs. 2 WBO die Mög­lich­keit der wei­te­ren (Un­tä­tig­keits-)Be­schwer­de er­öff­net, wenn über ei­ne Be­schwer­de in­ner­halb ei­nes Mo­nats nicht ent­schie­den wor­den ist.

6 2. Die mit der Be­schwer­de er­ho­be­nen Di­ver­genz­rü­gen (§ 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO) sind nicht pro­zess­ord­nungs­ge­mäß dar­ge­legt.

7 Nach stän­di­ger Recht­spre­chung der Re­vi­si­ons­se­na­te des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts setzt die ge­mäß § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO er­for­der­li­che Be­zeich­nung des Zu­las­sungs­grun­des der Di­ver­genz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 Vw­GO) vor­aus, dass die Be­schwer­de ei­nen in­halt­lich be­stimm­ten, die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung tra­gen­den abs­trak­ten Rechts­satz be­nennt, mit dem die Vor­in­stanz ei­nem in ei­ner ge­nau be­zeich­ne­ten Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, des Ge­mein­sa­men Se­nats der Obers­ten Ge­richts­hö­fe des Bun­des oder des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts auf­ge­stell­ten eben­sol­chen Rechts­satz, der sich auf die­sel­be Rechts­vor­schrift be­zieht, wi­der­spro­chen hat (vgl. z.B. Be­schlüs­se vom 1. Sep­tem­ber 1997 - BVer­wG 8 B 144.97 - Buch­holz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 11, vom 20. No­vem­ber 2007 - BVer­wG 7 BN 4.07 - ju­ris Rn. 9, vom 28. Au­gust 2009 - BVer­wG 8 B 42.09 - ju­ris Rn. 9 und vom 4. Sep­tem­ber 2009 - BVer­wG 7 B 8.09 - ju­ris Rn. 15 f., je­weils m.w.N.). Die­se An­for­de­run­gen gel­ten auch für die an § 132 Abs. 2 Nr. 2 Vw­GO so­wie an § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO ori­en­tier­ten (vgl. da­zu BT­Drucks 16/7955 S. 36 f. zu Nr. 18; Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 22a Rn. 1, § 22b Rn. 12) Vor­schrif­ten über die Di­ver­genz­rü­ge in § 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO und § 22 b Abs. 2 Satz 2 WBO.

8 a) Es kann da­hin­ste­hen, ob ein Dar­le­gungs­man­gel schon dar­in zu se­hen ist, dass die Be­schwer­de die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, von der das Trup­pen­dienst­ge­richt Nord ab­ge­wi­chen sein soll, nicht mit Da­tum und Ak­ten­zei­chen be­zeich­net, son­dern aus­schlie­ß­lich mit der Fund­stel­le „NZWehrr 1976, 96, 97“. Für die er­for­der­li­che ge­naue Be­zeich­nung sind in der Re­gel das Da­tum und das Ak­ten­zei­chen an­zu­ge­ben (Be­schluss vom 13. Ju­li 1999 - BVer­wG 8 B 166.99 - Buch­holz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 Vw­GO Nr. 9; vgl. fer­ner Kopp/Schen­ke, Vw­GO, 16. Aufl. 2009, § 133 Rn. 16); die Be­zeich­nung muss je­den­falls so in­di­vi­dua­li­sier­bar sein, dass die Iden­ti­tät der an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung nicht zwei­fel­haft ist und sie vom Be­schwer­de­ge­richt un­schwer her­an­ge­zo­gen wer­den kann (vgl. Pietz­ner, in: Sc­hoch/Schmidt-Aß­mann/ Pietz­ner, Vw­GO, Stand Ju­li 2009, § 133 Rn. 35).

9 Denn selbst wenn die nur auf ei­ne Fund­stel­le be­schränk­te Be­zeich­nung ei­ner Ent­schei­dung - wie hier - im Ein­zel­fall de­ren ein­deu­ti­ge Iden­ti­fi­ka­ti­on er­mög­licht (vgl. zu die­ser Pro­ble­ma­tik: Be­schluss vom 9. Ja­nu­ar 1991 - BVer­wG 3 B 75.90 - Buch­holz 418.00 Ärz­te Nr. 80 = NJW 1991, 1557), ist die Di­ver­genz­rü­ge im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren nicht ord­nungs­ge­mäß dar­ge­legt, weil die Be­schwer­de nicht zwei von­ein­an­der ab­wei­chen­de abs­trak­te Rechts­sät­ze im oben aus­ge­führ­ten Sin­ne be­nennt und ein­an­der ge­gen­über­stellt.

10 Der in der an­ge­ge­be­nen Fund­stel­le NZWehrr 1976, S. 96 f. ver­öf­fent­lich­te Be­schluss vom 11. No­vem­ber 1975 - BVer­wG 1 WB 32.74 - ent­hält nicht den von der Be­schwer­de be­haup­te­ten Rechts­satz, dass „die Be­schwer­de­frist bei ei­ner Be­schwer­de we­gen pflicht­wid­ri­ger Un­ter­las­sung ei­ner Maß­nah­me mit der Be­kannt­ga­be ge­ra­de der Un­ter­las­sung der Maß­nah­me“ be­gin­ne. Die Ent­schei­dungs­grün­de (Ab­schnitt 1. b) be­tref­fen viel­mehr - kor­re­spon­die­rend zu dem ma­te­ri­ell­recht­lich in­dif­fe­ren­ten drit­ten Leit­satz „Zur Fra­ge der frist­ge­rech­ten Ein­le­gung der Be­schwer­de bei Un­ter­las­sun­gen“ - die le­dig­lich ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Fra­ge, wann spe­zi­ell bei ei­ner Be­schwer­de ge­gen die Un­ter­las­sung der recht­zei­ti­gen Be­kannt­ga­be ei­ner Ver­set­zungs­ver­fü­gung die Rechts­be­helfs­frist be­ginnt.

11 Dem­ge­gen­über for­mu­liert der an­ge­foch­te­ne Be­schluss den abs­trak­ten Rechts­satz, dass für den Be­ginn der Be­schwer­de­frist im Sin­ne des § 6 Abs. 1 WBO die Kennt­nis des Be­schwer­de­füh­rers vom Be­schwer­de­an­lass ma­ß­geb­lich ist, und sub­su­miert dar­un­ter die Be­schwer­de des An­trag­stel­lers ge­gen das Un­ter­blei­ben sei­ner plan­mä­ßi­gen Be­ur­tei­lung zum Vor­la­ge­ter­min 30. Sep­tem­ber 2008.

12 Für die Er­stel­lung und das Un­ter­blei­ben plan­mä­ßi­ger Be­ur­tei­lun­gen gel­ten - an­ders als für in­di­vi­du­el­le Ver­set­zungs­ent­schei­dun­gen - ge­mäß § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SLV (in der bis zum 23. Sep­tem­ber 2009 gül­ti­gen Fas­sung) i.V.m. Nr. 202 Buchst. a, Nr. 203 Buchst. a und Nr. 205 Buchst. a ZDv 20/6 (in der vom Trup­pen­dienst­ge­richt zu­grun­de ge­leg­ten Fas­sung vom 17. Ja­nu­ar 2007) ge­ne­rell fest­ge­setz­te Ter­mi­ne. In die­sem Zu­sam­men­hang ist in der Recht­spre­chung des Se­nats ge­klärt, dass ein Sol­dat Kennt­nis vom Be­schwer­de­an­lass hat, wenn für ei­ne trup­pen­dienst­li­che Maß­nah­me in Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten ein fes­ter Ter­min bzw. ein fest­ge­leg­ter zeit­li­cher Rah­men ge­re­gelt ist, die Maß­nah­me aber zu die­sem Ter­min nicht ge­trof­fen oder er­las­sen wird; die Be­schwer­de­frist be­ginnt dann mit dem Ab­lauf die­ses Ter­mins (Be­schluss vom 16. Ja­nu­ar 2008 - BVer­wG 1 WB 29.07 - Buch­holz 450.1 § 17 WBO Nr. 67). An­sons­ten be­ginnt, wenn als Be­schwer­de­an­lass ein rechts­wid­ri­ges Un­ter­las­sen gel­tend ge­macht wird, die Be­schwer­de­frist, wenn die Un­ter­las­sung dem Sol­da­ten be­kannt wird (Be­schluss vom 25. April 1990 - BVer­wG 1 WB 145.89 - <in­so­weit nicht ver­öf­fent­licht in Dok­Ber B 1991, 16 und in NVwZ-RR 1991, 201>; vgl. auch Be­schluss vom 4. Ju­ni 1991 - BVer­wG 1 WB 97.90 und 98.90 -).

13 b) Die zwei­te, auf den Se­nats­be­schluss vom 27. Mai 2009 - BVer­wG 1 WB 18.09 - be­zo­ge­ne Di­ver­genz­rü­ge ist eben­falls nicht pro­zess­ord­nungs­ge­mäß dar­ge­legt.

14 Die Be­schwer­de for­mu­liert kei­ne di­ver­gie­ren­den abs­trak­ten Rechts­sät­ze in die­ser und in der Ent­schei­dung des Trup­pen­dienst­ge­richts.

15 Dem Se­nats­be­schluss ist auch kein abs­trak­ter Rechts­satz des In­halts zu ent­neh­men, dass mit der Ver­wei­sung ei­nes Rechts­streits nach § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das sach­lich zu­stän­di­ge Ge­richt zu­gleich die ma­te­ri­el­le Sach­ent­schei­dung über die Be­gründet­heit des An­trags (hier: die recht­zei­ti­ge Ein­le­gung der Be­schwer­de) ge­trof­fen oder bin­dend vor­ge­ge­ben wer­de. Die Be­schwer­de ver­kennt in die­sem Zu­sam­men­hang nicht nur die Gren­zen der Bin­dungs­wir­kung ei­nes Ver­wei­sungs­be­schlus­ses (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG), son­dern auch, dass im Ver­fah­ren BVer­wG 1 WB 18.09 die Ver­wei­sung des Rechts­streits be­züg­lich des An­trags zu 3. die Fest­stel­lung vor­aus­setz­te, dass die Rü­ge der Un­ter­las­sung der plan­mä­ßi­gen Be­ur­tei­lung des An­trag­stel­lers zum 30. Sep­tem­ber 2008 über­haupt Be­schwer­de­ge­gen­stand ge­wor­den und des­halb der Über­prü­fung ei­nes Wehr­dienst­ge­richts - al­ler­dings des sach­lich zu­stän­di­gen! - zu­gäng­lich war. Die Fra­ge des rich­ti­gen Rechts­wegs bzw. der sach­li­chen Zu­stän­dig­keit des Ge­richts geht der for­mel­len und ggf. ma­te­ri­el­len Über­prü­fung der streit­be­fan­ge­nen Maß­nah­me oder Un­ter­las­sung grund­sätz­lich vor, d.h. auch die Fra­ge, ob die Be­schwer­de recht­zei­tig er­ho­ben wur­de, kann nur von dem zu­stän­di­gen Wehr­dienst­ge­richt ent­schie­den wer­den und kann schon des­we­gen in dem von der Be­schwer­de an­ge­führ­ten Be­schluss nicht ent­schie­den wor­den sein.

16 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 Vw­GO.