Urteil vom 28.11.2024 -
BVerwG 1 A 1.23ECLI:DE:BVerwG:2024:281124U1A1.23.0
Abschiebungsanordnung in die Republik Irak
Leitsatz:
Eine Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten in dem Wissen um deren ideologische Ziele für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt oder er sich im In- oder Ausland in den Dienst einer terroristischen Vereinigung stellt und diese in dem Wissen um deren ideologische Radikalisierung bereitwillig durch die Begehung schwerer Straftaten unterstützt, ohne in der Folge erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand zu nehmen (wie BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - juris).
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Rechtsquellen
AufenthG § 58a Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 1, 2, 5, 6 und 7 EMRK Art. 3 VwVfG § 28 Abs. 2 Nr. 1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 28.11.2024 - 1 A 1.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:281124U1A1.23.0]
Urteil
BVerwG 1 A 1.23
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß, Dollinger und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
für Recht erkannt:
- Die Klage gegen Nummer 1 des Bescheides der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport vom 15. März 2023 wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger, ein 25-jähriger irakischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung in die Republik Irak.
2 Der Kläger reiste Ende Juli 2015 gemeinsam mit seinen Eltern und Brüdern in das Bundesgebiet ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erkannte der Familie im April 2016 die Flüchtlingseigenschaft zu. Im April 2018 widerrief es die dem Kläger zuerkannte Flüchtlingseigenschaft, lehnte es die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab und stellte es fest, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf die Republik Irak vorliegt. Der Widerruf wurde auf § 73 Abs. 2b Satz 3 AsylG a. F., § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AsylG sowie § 60 Abs. 8 Satz 1 und 2 AufenthG a. F. gestützt. Über die hiergegen erhobene Klage ist bislang nicht entschieden worden. Im Januar 2019 wies die Ausländerbehörde des Beklagten den Kläger aus; zugleich verfügte sie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das sie zunächst auf die Dauer von acht Jahren und im Mai 2022 auf einen Zeitraum von 20 Jahren befristete. Im Dezember 2019 widerrief das Bundesamt das zugunsten des Klägers festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG auf der Grundlage von § 73c Abs. 2 AsylG a. F. mit der Begründung, der Irak habe mit Verbalnote vom 21. Oktober 2019 diplomatische Zusicherungen erteilt. Im gleichen Monat drohte die Ausländerbehörde des Beklagten dem Kläger die Abschiebung in den Irak an. Auf den Antrag des Klägers stellte das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 24. Januar 2020 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf des Abschiebungsverbots wieder her, insbesondere, weil dem Kläger im Irak Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohten und diese Gefahren durch die von der Botschaft der Republik Irak abgegebene Zusicherung nicht ausgeräumt würden. Auch hinsichtlich der Zielstaatsbestimmung in der Abschiebungsandrohung wurde dem Kläger vorläufiger Rechtsschutz gewährt. Einen auf eine weitere Verbalnote der irakischen Botschaft vom 8. Juni 2020 gestützten Antrag des Bundesamtes auf Änderung dieses Beschlusses lehnte das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 8. Juli 2020 mit der Begründung ab, die Gefahren der Folter und der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung seien auch weiterhin nicht ausgeräumt. Mit Urteil vom 13. Dezember 2021 hob es den Widerruf des Abschiebungsverbots auf. Im Mai 2022 hob die Ausländerbehörde des Beklagten die Zielstaatsbestimmung in der Abschiebungsandrohung auf. Einen auf die Verlängerung der dem Kläger im Dezember 2016 erteilten Aufenthaltserlaubnis oder auf die Neuerteilung einer anderweitigen Aufenthaltserlaubnis gerichteten Antrag hatte die Ausländerbehörde des Beklagten im März 2020 abgelehnt. Die gegen die Ausweisung, das Einreise- und Aufenthaltsverbot und die Ablehnung der Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Berlin mit zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsenen Urteilen vom 25. August 2022 abgewiesen.
3 Mit Urteil vom 4. Juni 2021 verhängte das Kammergericht gegen den Vater des Klägers wegen mittäterschaftlich begangener Tötung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) in Tateinheit mit Mord aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2, § 25 Abs. 2 StGB) und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) eine lebenslange Freiheitsstrafe sowie gegen den Kläger wegen Entwürdigung und Erniedrigung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB) in Tateinheit mit Beihilfe zu einer Tötung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB) und Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2, § 27 Abs. 1 StGB) und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) eine Jugendstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten. Die hiergegen seitens des Klägers und seines Vaters eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19. Dezember 2023 verworfen. Eine gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge des Vaters des Klägers hat er im März 2024 verworfen.
4 Ohne vorherige Anhörung des Klägers ordnete die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Beklagten mit dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheid vom 15. März 2023, gestützt auf § 58a AufenthG, die Abschiebung des Klägers in die Republik Irak oder in einen anderen Staat an, in den dieser einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Nummer 1). Für den Fall seiner Abschiebung aufgrund der Abschiebungsanordnung erließ sie zudem ein auf § 11 Abs. 5b Satz 1 AufenthG gestütztes unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Nummer 2).
5 Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 20. März 2023 Klage erhoben. Mit Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - hat das Bundesverwaltungsgericht den zeitgleich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Am 8. Juni 2023 ist der Kläger auf dem Luftweg in die Republik Irak abgeschoben und den irakischen Behörden übergeben worden. Nach Mitteilung der Beklagten hat er das Angebot der deutschen Begleitbeamten, sich vor der Übergabe noch aus dem Flugzeug heraus mit seinen irakischen Anwälten in Verbindung zu setzen, abgelehnt. Mit Beschluss vom 13. Juni 2023 - 1 VR 2.23 - hat das Bundesverwaltungsgericht eine Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss vom 17. Mai 2023 zurückgewiesen. Unter dem 22. Juni 2023 hat der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers Gelegenheit gegeben, sich zu den für den Erlass des unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots erheblichen Tatsachen innerhalb von vier Wochen schriftlich zu äußern.
6 Zur Begründung seiner gegen die Nummer 1 des Bescheides vom 15. März 2023 gerichteten Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, er sei in seinem Recht auf Wahrung des rechtlichen Gehörs verletzt worden. Die Voraussetzungen für ein Absehen von seiner Anhörung hätten nicht vorgelegen. Seine persönliche Anhörung gerade auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätten ergeben, dass bei einer umfassenden Würdigung seiner Persönlichkeit, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen im Sinne des § 58a AufenthG gefährlichen Personen oder Gruppierungen von ihm keine terroristische Gefahr und keine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Die in diesem Zusammenhang getroffene Gefahrenprognose und Abwägungsentscheidung seien defizitär. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt als dem sog. "Islamischen Staat" (im Folgenden: IS) zugehörig erklärt, weshalb es ihm nicht möglich sei, sich von diesem zu distanzieren. Verschiedene Stellen hätten bekundet, es lägen in seiner Person keine Hinweise auf eine islamistisch-radikalisierte Gesinnung vor. Fehle es aber an einer ideologisch radikalen Prägung, so sei etwaigen von einem Ausländer ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts oder des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen. Trotz jahrelanger umfangreicher Ermittlungen habe nicht festgestellt werden können, dass er ideologisch radikalisiert sei. Ebenso wenig bestehe ein beachtliches Risiko, dass er sich für derartige Ziele instrumentalisieren lasse. Dass er sich dem IS aus opportunistischen Gründen angeschlossen habe, gründe auf bloßen Mutmaßungen. Die Straftaten, die ihm in den vergangenen Jahren jenseits des Staatsschutzverfahrens vorgeworfen worden seien, seien nicht geeignet, eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu begründen. Seine Einlassungen in den verschiedenen Stadien des Strafverfahrens seien unberücksichtigt geblieben. Seine Familie habe aufgrund ihrer exponierten Stellung in der verbotenen Baath-Partei um ihr Leben fürchten müssen, als der IS Mossul besetzt habe. Baathisten hätten im Rahmen der Säuberungswelle nur die Möglichkeit gehabt, sich zu unterwerfen, um der ihnen anderenfalls drohenden Todesstrafe zu entgehen. Die Sicherheitsbehörden hätten keinerlei Hinweise gewonnen, dass er in die extremistisch-islamistische Szene in der Bundesrepublik Deutschland eingebunden gewesen sei. Die ihm vorgehaltenen Kontakte zu einer Clan-Familie würden überbewertet, zumal diese offenbar nicht in politisch motivierte Straftaten involviert sei. Er sei in den vergangenen Jahren auch nicht im Besitz von extremistisch-islamistischem Material gewesen. Die ihm im Bundesgebiet zur Last gelegten Straftaten seien allesamt der allgemeinen Kriminalität zuzuordnen gewesen und hätten weder religiösen Bezug noch terroristische Relevanz aufgewiesen. Das Kammergericht habe seine Verurteilung maßgeblich auf Aussagen von Zeugen gestützt, deren Aussagen das Landgericht B. in dem gegen ihn geführten Strafverfahren als nicht geeignet angesehen habe, konkrete Feststellungen hinsichtlich der Art und Menge der gehandelten Betäubungsmittel und der Zeitpunkte des Handeltreibens zu treffen. Die betreffenden Zeugen seien unglaubwürdig und ihre Angaben unglaubhaft. Der Gefahrenprognose ließen sich auch im Übrigen keinerlei extremistische oder terroristische Tendenzen entnehmen. Die Auffälligkeiten in der Untersuchungshaft seien auf deren harte Bedingungen und den unzulänglichen Kontakt zu seiner Familie zurückzuführen. Respekt- und Disziplinlosigkeiten stellten indes offensichtlich keine ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -androhung dar. Sein Bedürfnis, in der Haft über ein Mobiltelefon zu verfügen, sei mit dem Wunsch zu erklären gewesen, den Kontakt zu seiner Familie und seine sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten. Das umfangreiche und schwierige Strafverfahren sei für ihn als jungen Menschen außerordentlich belastend gewesen. Hinzu komme, dass er als Jugendlicher schwerwiegende Dinge erlebt und gesehen habe, auf die unter den Bedingungen der Untersuchungshaft nur bedingt pädagogisch habe reagiert werden können. Während der Untersuchungshaft habe er an einem Programm von Violence Prevention Network teilgenommen. Diese Umstände wie auch die Stellungnahmen von Gutachtern, Pädagogen, Sozialarbeitern und Mitarbeitern der Jugendstrafanstalt seien sowohl in der Gefahrenprognose als auch in dem angefochtenen Bescheid unberücksichtigt geblieben. Gleiches gelte für die Stellungnahmen der Jugendstrafanstalt und der Jugendgerichtshilfe, die allesamt Auffälligkeiten im Sinne einer islamistischen Radikalisierung verneinten. Defizitär sei insbesondere die Gefahrenprognose des Landeskriminalamts, auf die sich die Abschiebungsanordnung tragend stütze. Die ihr zugrunde liegende forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023 genüge weder formalen noch inhaltlichen Anforderungen. Eine persönliche Exploration durch deren Verfasserin habe nicht stattgefunden. Das unter dem 13. März 2019 erstellte forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologische Sachverständigengutachten sei mehr als fünf Jahre alt. Die Vorgehensweise und die Erstellung der Gefahrenprognose genügten auch inhaltlich nicht den Mindestanforderungen für Prognosegutachten. Daher sei angeregt worden, das Gespräch mit einem namentlich bezeichneten Polizeipsychologen, zu dem er ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe, zu suchen. Dass ihm im März 2023 aufgegeben worden sei, für den Fall seiner Haftentlassung seinen Wohnsitz im Haushalt seiner Mutter zu nehmen, stehe in Widerspruch zu der Prognose, er werde seine Brüder zu staatsgefährdendem Handeln anleiten. Seine Familie sehe ihre Zukunft im Bundesgebiet. Sein Bruder S. bemühe sich um seine Einbürgerung. Im Zeitpunkt seiner Abschiebung sei er suizidal gewesen, was auch die forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologische Sachverständige bestätigt habe. Die Grundlagen für die Annahme des Vorliegens von Ausschlussgründen im Sinne des § 60 Abs. 8 AufenthG seien Gegenstand des strafgerichtlichen Revisionsverfahrens gewesen. Sowohl die Sicherheits- als auch die Menschenrechtslage im Irak seien prekär, was die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen erschwere. Schiitische und sunnitische Milizen würden eigenmächtig und unkontrolliert handeln. Der IS sei weiterhin aktiv. Angehörige der arabisch-sunnitischen Minderheit würden vielfach unter den Generalverdacht gewaltsamer ethnisch-konfessioneller Säuberungen gestellt und vereinzelt stigmatisiert. Im Justizsystem, aber auch im Bereich der Polizei und anderer Sicherheitskräfte seien Menschenrechtsverletzungen weit verbreitet. Sunniten beklagten eine schiitische Siegerjustiz. Die Todesstrafe werde insbesondere wegen Terrorismusvorwürfen verhängt und vollstreckt. Polizei- und Sicherheitskräfte wendeten insbesondere gegenüber Personen, die der IS-Mitgliedschaft verdächtigt würden, Folter an. Die Haftbedingungen entsprächen nicht internationalen Standards und seien erniedrigend. Festnahmen und Durchsuchungen würden unter erleichterten Bedingungen vollzogen. Der irakische Staat vermöge die Grundversorgung der Bevölkerung nicht durchgehend zu gewährleisten. Er, der Kläger, sei in mehrfacher Hinsicht besonders gefährdet, da er der Minderheit der Sunniten angehöre, als Anhänger des IS gelte und einer Familie entstamme, deren Mitglieder teilweise einflussreiche Positionen in der verbotenen Baath-Partei und unter Saddam Hussein im Staat eingenommen hätten. Als Volljährigem drohe ihm die Todesstrafe. Über die im Zielstaat systematisch und unterschiedslos verübten Verletzungen von Art. 3 EMRK könnten diplomatische Zusicherungen nicht hinweghelfen. Dies gelte umso mehr, als die durch die Botschaft der Republik Irak in B. erteilten Zusicherungen nicht den Beurteilungskriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte standhielten. Sie seien zu vage und angesichts der schlechten Menschenrechtslage wie auch der gegen ihn wegen der angeblichen Beteiligung an der Ermordung von Oberst A. im Jahre 2014 erlassenen Haftbefehle nicht ausreichend. Die Defizite beträfen die Gewährleistung sowohl der Nichtanwendung von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung als auch menschenrechtskonformer Haftbedingungen als auch des jederzeit freien Zugangs eines Rechtsanwalts und des Bestehens eines Überwachungsmechanismus als auch des Ausschlusses einer möglichen Doppelbestrafung. Dessen ungeachtet würden die diplomatischen Zusicherungen auch nachweislich nicht eingehalten. So habe bereits die Botschaft der Republik Irak in B. einer Teilnahme seines Verfahrensbevollmächtigten an einer Anhörung im Zuge der Beantragung eines Passersatzpapiers nicht zugestimmt. Seiner Mutter sei dort zwischenzeitlich Hausverbot erteilt worden. Der Versuch eines von seiner Familie beauftragten irakischen Rechtsanwalts, mit ihm Kontakt aufzunehmen, sei von den irakischen Behörden zurückgewiesen worden. Der Rechtsanwalt sei derart eingeschüchtert worden, dass er sein Mandat wegen anderenfalls zu besorgender Repressalien niedergelegt habe. Unmittelbar nach seiner Abschiebung sei er, der Kläger, in einem Gefängnis in Bagdad mit dem Ziel der Erzwingung eines Geständnisses über mehrere Tage wiederholt gefoltert worden. Er sei nackt ausgezogen, seine Hände seien am Rücken gefesselt und sein Körper sei, so gefesselt, mit einem Seil schmerzhaft nach oben gezogen worden. Man habe ihn am ganzen Körper geschlagen und im Genitalbereich mit einem Elektroschocker misshandelt und Gegenstände in seinen Anus eingeführt. Nach der Überstellung in die Haftanstalt Al Tsafirat in Mossul und im Verlaufe seiner weiteren Haft sei er wiederholt, so etwa in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2024 nach einer Anhörung und am Tag des Besuchs des französischen Honorarkonsuls, von Angehörigen irakischer Sicherheitsorgane gefoltert, misshandelt und mit Gegenständen geschlagen worden. Er erhalte keinen Zugang zu einem irakischen Anwalt und sei unmenschlichen Haftbedingungen mit bis zu 55 bzw. etwa 40 Gefangenen in einer Zelle ausgesetzt, in der Betten nicht vorhanden seien. Entgegen den Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak in B. sei gegen ihn ein Strafverfahren wegen exakt desselben Vorwurfs, zu dem er in Deutschland von dem Kammergericht B. verurteilt worden sei, eingeleitet worden. Aufgrund dieses Verfahrens sitze er seit seiner Abschiebung ununterbrochen in Untersuchungshaft. Auf die Delikte, deren Begehung er beschuldigt werde, stehe die Todesstrafe. Ermittlungen im Irak hätten bestätigt, dass er entgegen den Feststellungen des Kammergerichts zu keinem Zeitpunkt IS-Mitglied gewesen sei und keine Beihilfe zu einem Mord geleistet habe. Zwischenzeitlich hätten irakische Behörden und Justizorgane dem Vernehmen nach mitgeteilt, er werde im Falle der Bestätigung des Eintritts der Rechtskraft seiner Verurteilung durch das Kammergericht und der vollständigen Verbüßung der Freiheitsstrafe aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Bericht des französischen Honorarkonsuls über den durchgeführten Haftbesuch habe ergeben, dass die Zusicherungen der irakischen Botschaft nicht eingehalten würden. Die von dem Beklagten in das Verfahren eingeführten Schilderungen seiner Mutter gegenüber seinem Vater seien wenig aussagekräftig und zögen sein Vorbringen nicht in Zweifel. Bemühungen um ein Monitoring seien gescheitert. Überdies drohten ihm auch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich durch Angehörige von Oberst A., die angekündigt hätten, an ihm Selbstjustiz zu verüben. Die "Republik Mossul" sei nicht in der Lage, ihm insoweit Schutz zu gewähren. Eine von dem Auswärtigen Amt erbetene konkretisierte Zusicherung habe die Botschaft der Republik Irak in B. nicht abgegeben.
7
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Beklagten vom 15. März 2023 aufzuheben.
8
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
9 Der Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses verteidigen die angegriffene Verfügung. Der Beklagte trägt ergänzend vor, der Kläger sei ausweislich der Darstellung des irakischen Gerichts wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, wobei der irakische Staat eigene Ermittlungen angestellt habe, die ebenfalls Gegenstand des Verfahrens seien. Hinweise auf eine Nichteinhaltung der seitens der Republik Irak erteilten Zusicherungen bestünden nicht. Dass sich der Kläger im Irak infolge von Haftbefehlen in Untersuchungshaft befinde, widerspreche diesen Zusicherungen nicht. Anhaltspunkte für eine unzulässige Doppelbestrafung lägen nicht vor. Erkenntnisse, dass der Kläger durch staatliche Akteure gefoltert oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt worden sei, bestünden nicht. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers sei unsubstantiiert und stehe im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus der Überwachung der Gespräche des Vaters des Klägers im Rahmen von dessen Haft, während derer die Mutter des Klägers wiederholt zum Ausdruck gebracht habe, dass es diesem den Umständen entsprechend gut ergehe und er in der Haft fair behandelt werde. Der Kläger dürfe in jeder zweiten Woche Besuch empfangen und werde von seinem Onkel und seiner Tante auch besucht. Sein irakischer Anwalt habe an mehreren Untersuchungsterminen teilgenommen. Eine Unterbringung in einer Haftanstalt für Jugendliche sei mit Blick auf das zwischenzeitliche Alter des Klägers nicht veranlasst gewesen. Die dem Vorstehenden entgegenstehenden Behauptungen des Klägers seien verfahrensangepasst, unglaubhaft und unsubstantiiert.
10 Aufgrund der mündlichen Verhandlung hat das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss gefasst, das Verfahren, soweit es sich gegen Nummer 2 des Bescheides vom 15. März 2023 richtet, abzutrennen, unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 A 2.24 fortzuführen und entsprechend § 94 VwGO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der dortigen Rechtssache - C-446/24 - auszusetzen.
11 Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage im Irak erstellt und diese den Beteiligten zur Kenntnis gebracht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und der Verfahren BVerwG 1 VR 1.23 und BVerwG 1 VR 2.23 und der zu diesen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Straf- und Gefangenenpersonalakten verwiesen.
II
12 1. Die zulässige Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, unbegründet. Nummer 1 der Verfügung der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Beklagten vom 15. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
13 1.1 Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht gehalten gewesen, das persönliche Erscheinen des in der Republik Irak inhaftierten Klägers nach Maßgabe des § 95 Abs. 1 Satz 1 (i. V. m. Satz 2 i. V. m. § 102a Abs. 2 Satz 1) VwGO anzuordnen. Es ist zudem berechtigt gewesen, die Sache auch ohne eine mit Schriftsätzen vom 15. und 26. April 2023 und am 28. November 2024 beantragte persönliche Anhörung des Klägers zu verhandeln und zu entscheiden, da dessen rechtliches Gehör durch die Vermittlung seiner Prozessbevollmächtigten gewahrt worden ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 1974 - 7 B 72.73 - Buchholz 310 § 95 VwGO Nr. 2 S. 4 f., vom 4. Juni 1982 - 7 B 173.81 - juris Rn. 5 und vom 25. Juli 1990 - 1 B 112.90 - juris Rn. 3). Der Kläger ist im Straf- und im Verwaltungsverfahren ebenso wie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren durchgängig durch seine Prozessbevollmächtigten vertreten worden. Diese haben auch nach seiner Abschiebung über Mittelspersonen mit ihm in Kontakt gestanden und seine Prozessvertretung aktiv wahrgenommen, sodass er nicht gehindert gewesen ist, die aus seiner Sicht relevanten Tatsachen, so auch die besonderen tatsächlichen Umstände seiner Haft im Irak, vortragen zu lassen.
14 1.2 Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.
15 1.2.1 Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollziehung der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zugunsten wie zulasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG (hier: BVerwG 1 A 2.24 ) zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat einer Abschiebung auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekanntwerdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteile vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 14, vom 27. März 2018 - 1 A 4.17 - juris Rn. 17 und vom 21. August 2018 - 1 A 16.17 - juris Rn. 15, jeweils unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m. w. N.).
16 1.2.2 § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18).
17 1.3 Die Abschiebungsanordnung ist formell rechtmäßig.
18 Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung nicht angehört wurde, da von der Anhörung gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung (VwVfG BE) i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd abgesehen werden durfte.
19 1.3.1 § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, sodass gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG BE § 28 VwVfG Bd anzuwenden ist. Nach § 28 Abs. 1 VwVfG Bd ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von diesem Erfordernis durfte hier nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd abgesehen werden, sodass es keiner Klärung bedarf, ob eine Anhörung nach § 28 Abs. 3 VwVfG Bd zu unterbleiben hatte.
20 Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd kann von der Anhörung im Ermessenswege abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Ein Absehen von einer Anhörung des Ausländers kann insbesondere dann im öffentlichen Interesse notwendig erscheinen, wenn durch die Durchführung der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles die Gefährdung der von § 58a AufenthG geschützten Rechtsgüter von zentraler Bedeutung begünstigt würde. Dies ist bei einem Ausländer, der sich in öffentlichem Gewahrsam befindet, nur aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles anzunehmen.
21 Solche lagen in Bezug auf den Kläger vor, weshalb der obersten Landesbehörde eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erscheinen durfte. § 58a AufenthG zielt auf die Abwehr beachtlicher Gefahren für höchstrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen "Vorwarnung" des Ausländers bestand zwar zumindest für die Dauer der Inhaftierung des Klägers nicht die Gefahr, dass sich dieser der Abschiebung durch Untertauchen entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt (vgl. auch § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG; ferner BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 5.17 - juris Rn. 22 und Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17). Eine sofortige Entscheidung war indes deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil sich die von dem Kläger ausgehende terroristische Gefahr jederzeit hätte realisieren können (BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 5.17 - juris Rn. 22 und Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17). Sowohl die wiederholt unter Beweis gestellte Fähigkeit des Klägers, auch in der Jugendstrafanstalt in den Besitz von Mobiltelefonen zu gelangen, und der ihm hierdurch ermöglichte Kontakt insbesondere zu dem seinem Umfeld zuzurechnenden kriminellen Spektrum, als auch die Fähigkeit, Gewalttaten zu planen und zu koordinieren, als auch insbesondere seine Persönlichkeitsstruktur durften der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Beklagten Anlass geben, von einer Anhörung abzusehen. Die Persönlichkeitsstruktur des Klägers ist ausweislich seiner eigenen Einschätzung, der zufolge er schnell nervös werde und "ausraste" und nicht in der Lage sei, nachzudenken und sich zu stoppen, sondern handeln müsse, wenn ihn jemand angreife (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 18, 19 und 20), aber auch ausweislich der fachlichen Einschätzungen nicht nur der Sicherheitsbehörden durch unkontrollierten, destruktiven Handlungsdruck (S. 11 des Risikoanalyseberichts des Bundeskriminalamts vom 16. Februar 2023), hohe Impulsivität (LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff. <S. 5>; vgl auch Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 66), die nur unzureichend ausgeprägte Fähigkeit, negative Affekte unter Kontrolle zu bringen (S. 2 des Verhaltensberichts der JStA B. vom 17. Dezember 2018), und eine niedrige Schwelle zu aggressivem und auch gewalttätigem Verhalten (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 64) geprägt.
22 Diese Einschätzung zu treffen, ist als Teil der auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung des Ausländers, seines Verhaltens, seiner Lebensverhältnisse und aller weiteren Umstände des Einzelfalles zu treffenden Gefahrenprognose ureigene Aufgabe der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 4.17 - juris Rn. 80). Diese bewegen sich hierbei regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die ihnen vertraut und allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 - 1 B 74.19 - juris Rn. 5 m. w. N.). Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme insgesamt im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Beteiligten haben das Recht, auf Tatsache und Reichweite der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung durch Beweisanträge einzuwirken; die Ablehnung von Beweisanträgen verletzt grundsätzlich das rechtliche Gehör nur, wenn und soweit sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde auch aus vorhandenen Gutachten, so muss der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten seien. Ist dies der Fall, so steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens bzw. einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (§ 98 VwGO i. V. m. § 412 Abs. 1 ZPO), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt worden sind (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 - 1 B 74.19 - juris Rn. 6 m. w. N.).
23 Gemessen daran war weder der Anregung, das Gespräch mit einem den Kläger betreuenden Polizeipsychologen zu suchen, noch dem mit Schriftsätzen vom 15. und 26. April 2023 gestellten Antrag, ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Kläger persönlich anzuhören, zu entsprechen. Das im Strafverfahren durch das Kammergericht eingeholte forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologische Gutachten vom 13. März 2019 schließt eine relevante psychiatrische Störung des Klägers ausdrücklich aus (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 87). Eine solche wird ihm auch in jüngeren Stellungnahmen nicht attestiert (vgl. stattdessen LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 2), obgleich er sich in den zurückliegenden Jahren ob seines aggressiven Verhaltens in ständiger psychologischer Betreuung befand. Auch diese Stellungnahmen gehen weiterhin von einem durchgängig hohen Anspannungsniveau und von einem impulsiven Verhalten in Frustrationssituationen aus (vgl. zuletzt JStA B., Psychologische Stellungnahme vom 6. April 2023, Anl. 1 zum Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten zu 1 vom 14. April 2023, S. 2). Dieses paart sich mit einer stetigen Bereitschaft zur Ausübung psychischer und physischer Gewalt unter Einsatz auch von Waffen (vgl. nur KG, Urteil vom 4. Juni 2021 - (1) 3 StE 3/18-4 (3/18) - UA <im Folgenden: KG, UA> S. 74 f.; BKA, Risikoanalysebericht vom 16. Februar 2023, HA Bl. 137 ff., S. 5) und unter Manipulation anderer Personen zur Erreichung seiner Ziele (vgl. etwa LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 22). Besondere, atypische Umstände, die hier eine Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, lagen nicht vor. Ob die lange Dauer der Untersuchungshaft und deren Vollzug unter erschwerten Haftbedingungen mitverantwortlich für die Entwicklung der Persönlichkeitsstruktur des Klägers ist, bedarf an dieser Stelle keiner näheren Betrachtung, da die möglicherweise vielfältigen Ursachen des Handlungsdrucks, der Impulsivität und der Aggressivität, die dem Kläger attestiert wurden, für die Beurteilung der Frage, ob eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint und deshalb von einer Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Bd abgesehen werden durfte, ohne Relevanz sind.
24 1.3.2 Das Absehen von der Anhörung steht im Übrigen auch mit den Vorgaben der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) - RL 2008/115/EG - im Einklang.
25 Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:23:36], Mukarubega - Rn. 40 bis 45). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere muss die zuständige nationale Behörde, wenn sie eine Rückkehrentscheidung erlassen will, nach Art. 5 RL 2008/115/EG zum einen den Grundsatz der Nichtzurückweisung einhalten und in gebührender Weise unter anderem die familiären Bindungen und den Gesundheitszustand des betreffenden Drittstaatsangehörigen berücksichtigen und ihn zum anderen hierzu anhören (vgl. EuGH, Urteile vom 8. Mai 2018 - C-82/16 [ECLI:EU:C:2018:308], K. A. u. a. - Rn. 101 bis 103 und vom 17. Dezember 2020 - C-808/18 [ECLI:EU:C:2020:1029] - Rn. 250).
26 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - Rn. 45). Sind - wie hier - weder die Bedingungen, unter denen die Wahrung der Verteidigungsrechte von Drittstaatsangehörigen zu gewährleisten ist, noch die Folgen der Missachtung dieser Rechte unionsrechtlich festgelegt, richten sich diese Bedingungen und Folgen nach nationalem Recht, sofern die in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen denen entsprechen, die für den Einzelnen in vergleichbaren, unter das nationale Recht fallenden Situationen gelten (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - Rn. 41 ff.). Das Recht auf Wahrung der Verteidigungsrechte ist nicht schrankenlos gewährleistet. Es kann vielmehr Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 53 m. w. N.). Ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt, ist anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 54 m. w. N.).
27 Im Kontext der Richtlinie 2008/115/EG ist zu gewährleisten, dass der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Wege eines fairen und transparenten Verfahrens beendet wird (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 61 m. w. N.). § 58a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 AufenthG stellt insoweit sicher, dass dem Ausländer nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben ist, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert. Er ist nach § 58a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 AufenthG hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Gemäß § 58a Abs. 4 Satz 3 AufenthG darf die Abschiebung bis zum Ablauf der Wochenfrist nach § 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG und im Falle der rechtzeitigen Stellung eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung bis zur Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag nicht vollzogen werden. Diese Regelungen gewährleisten, dass das Äußerungsrecht im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wie auch eines Klageverfahrens effektiv wahrgenommen werden kann.
28 Im Lichte dessen wurde die Ausübung des Äußerungsrechts durch das Absehen von der Anhörung auch im vorliegenden Einzelfall weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert. Der Umstand, dass der Kläger, dessen Persönlichkeit durch einen unkontrollierten, destruktiven Handlungsdruck und hohe Impulsivität geprägt war und der es verstand, ob seiner hohen kriminellen Energie auch aus einer Haftsituation heraus engen Kontakt zu einem gewaltbereiten kriminellen Umfeld zu unterhalten, rechtfertigte es, ausnahmsweise trotz seiner Unterbringung in öffentlichem Gewahrsam von einer Anhörung im Verwaltungsverfahren abzusehen und die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte erst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen. Die normativen Vorgaben des § 58a Abs. 4 AufenthG stellten zu jeder Zeit sicher, dass der bereits im Strafverfahren anwaltlich vertretene Kläger im Rahmen der von ihm eingeleiteten verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ausreichend Gelegenheit erhalten würde, sämtliche gegen die Abschiebungsandrohung sprechenden Umstände und seinen Standpunkt zur Rechtmäßigkeit der Maßnahme sachdienlich und wirksam vorzutragen. Wegen der vorstehend dargestellten besonderen Persönlichkeitsstruktur des Klägers und mit Blick auf die rechtlichen Gewährleistungen des § 58a Abs. 4 AufenthG war es vorliegend mit dem Effektivitätsgrundsatz ausnahmsweise vereinbar, von einer Anhörung im Verwaltungsverfahren abzusehen.
29 1.4 Die Abschiebungsanordnung ist - wie der Senat bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat - auch materiell rechtmäßig.
30 1.4.1 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG lagen in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der am 8. Juni 2023 vollzogenen Abschiebung des Klägers vor. Das Vorbringen des Klägers gibt keine Veranlassung zu einer von den rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen in dem Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - im Ergebnis abweichenden Würdigung.
31 a) Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (aa) und/oder einer terroristischen Gefahr (bb). Eine solche Gefahr ging vom Kläger bei Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose (cc) aus (b).
32 aa) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21). Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie auf das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23).
33 bb) Wesentliche Kriterien für die Bestimmung einer "terroristischen Gefahr" können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Union im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3), dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) und Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 S. 6) gewonnen werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln liegt jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m. w. N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22; siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 A 3.18 - BVerwGE 164, 317 Rn. 31).
34 cc) Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Eine Abschiebungsanordnung ist schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr oder eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25). In Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Dschihad als verpflichtend ansieht, kann von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). Für eine entsprechende "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, genügt es, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass sich die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27). Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände wie Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - in der Gesamtschau schon daraus ergeben, dass ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28). Erst recht kann ein solches beachtliches Eintrittsrisiko anzunehmen sein, wenn die Radikalisierung eines solchen Ausländers ein Stadium erreicht, in dem sich dieser nach reiflicher Abwägung verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen. Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose keine Einschätzungsprärogative zu (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 29).
35 § 58a AufenthG erlaubt Maßnahmen nur zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr, die im vorbeschriebenen Umfang durch eine (vorrangig) ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -androhung gekennzeichnet ist. Fehlt es an einer ideologisch radikalen Prägung, ist einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einen Ausländer auch bei drohenden Straftaten von erheblicher Bedeutung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) oder nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen; hinzu tritt der Rechtsgüterschutz durch eine konsequente Verfolgung begangener Straftaten (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 1 VR 1.19 - NVwZ-RR 2019, 971 Rn. 17). Die ideologische Prägung der drohenden Gewaltanwendung muss dabei nicht notwendigerweise in der eigenen Überzeugung des Ausländers begründet liegen. Eine Gefahr im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann mit Blick auf die geschützten Rechtsgüter vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten in dem Wissen um deren ideologische Ziele für entsprechende Gewalthandlungen instrumentalisieren lässt oder er sich im In- oder Ausland in den Dienst einer terroristischen Vereinigung stellt und diese in dem Wissen um deren ideologische Radikalisierung bereitwillig durch die Begehung schwerer Straftaten unterstützt, ohne in der Folge erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - juris Rn. 38).
36 b) In Anwendung dieser Grundsätze ist, bezogen auf den insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Abschiebung des Klägers, weiterhin davon auszugehen, dass von diesem aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausging, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es bestand ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass der Kläger, der sich bereits im Irak - vornehmlich, aber nicht ausschließlich aus opportunistischen Gründen - zur Begehung von Verbrechen hat verleiten lassen, weitere Taten folgen lassen würde, einschließlich der Begehung oder aktiven Mitwirkung an einem - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag mit unbeteiligten Toten. Diese von dem Kläger ausgehende Bedrohungssituation hätte sich nach der bereits erfolgten Verbüßung der Strafe, zu der er rechtskräftig verurteilt worden ist, und nach einer Entlassung aus der nur im Hinblick auf die Abschiebungsanordnung angeordneten Abschiebungshaft auch im Hinblick auf seine Persönlichkeitsstruktur jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr oder eine dieser gleichzustellende besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen können. Dies ergibt sich in der Gesamtschau der insbesondere strafgerichtlich festgestellten und von dem Bundesverwaltungsgericht gewürdigten Tatsachen.
37 Bei ihrer jeweils eigenständig und unter umfassender Würdigung sämtlicher Tatsachen vorzunehmenden Gefahrenbeurteilung sind die oberste Landesbehörde und das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des § 58a AufenthG ob der unterschiedlichen Zielsetzungen von Straf- und Gefahrenabwehrrecht nicht an etwaige strafgerichtliche Feststellungen und Beurteilungen gebunden (vgl. zum Ausweisungsrecht BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Dezember 2021 - 2 BvR 860/21 - juris Rn. 19; BVerwG, Urteile vom 2. September 2009 - 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 18 und vom 13. Dezember 2012 - 1 C 20.11 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 15 Rn. 23); diesen kommt indes regelmäßig ein erhebliches tatsächliches Gewicht und im Rahmen der eigenständig zu treffenden Gefahrenprognose eine erhebliche indizielle Bedeutung zu (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 - 2 BvR 1943/16 - NVwZ 2017, 229 Rn. 21). Die oberste Landesbehörde und das Bundesverwaltungsgericht dürfen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen, wenn sich eine weitere Aufklärung nicht aufdrängt, was namentlich dann der Fall ist, wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass sie den Vorfall ausnahmsweise besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären vermögen, oder erkennbar ist, dass die strafgerichtliche Verurteilung auf einem Irrtum oder - bei Entscheidung eines ausländischen Strafgerichts - auf abweichenden Maßstäben beruht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. September 1986 - 1 B 143.86 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 112 S. 114 f., vom 16. Oktober 1986 - 3 B 11.86 - NJW 1987, 1501 <1502> und vom 8. Mai 1989 - 1 B 77.89 - InfAuslR 1989, 269 f.). Dies gilt auch dann, wenn die strafgerichtliche Entscheidung mit einem Rechtsmittel angegriffen wird und noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Auch und gerade in einem solchen Fall dürfen die oberste Landesbehörde und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung und Würdigung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen nicht ungeprüft übernehmen, sondern müssen sie sich die gebotene Überzeugungsgewissheit bilden, dass die Angriffe gegen die Entscheidung nicht geeignet sind, die strafgerichtliche Tatsachenfeststellung und -würdigung ernstlich in Frage zu stellen (vgl. zum Ausweisungsrecht auch BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285 <289>; OVG Hamburg, Urteil vom 15. Juni 2015 - 1 Bf 163/14 - juris Rn. 44). Hier ist die Revision des Klägers gegen das Urteil des Kammergerichts durch den Bundesgerichtshof verworfen worden.
38 aa) Das Kammergericht hat den Kläger der Entwürdigung und Erniedrigung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB) in Tateinheit mit Beihilfe zu einer Tötung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB) und Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2, § 27 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden. Es hat es als erwiesen angesehen, dass der Kläger an der öffentlichkeitswirksam inszenierten und filmisch mitgeschnittenen Hinrichtung von Oberst A. bereitwillig und in exponierter Funktion mitgewirkt hat. Als Einziger sei er aus der Menge der Umstehenden hervorgetreten, habe sich gegenüber dem Oberst aufgestellt, diesen beschimpft, beleidigt und bespuckt (KG, UA S. 29 ff.; vgl. auch Anlage 1 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 15. Mai 2019 <GBA Protokollband I Bl. 266>). Die Einlassung des Klägers, er sei im Oktober 2014 in Mossul in der Villa seines Großvaters von dem IS festgenommen worden, der auf der Suche nach seinem Vater gewesen sei, am ersten Tag der Festnahme habe man seinen Kopf komplett kahl geschoren (LKA B., Beschuldigtenvernehmung des Klägers am 14. September 2017 <GBA SA 1.2 Beschuldigte 003, Bl. 362a>, S. 3 und 9), nach etwa 25 Tagen, während derer er verhört, geschlagen und bedroht worden sei, habe man ihn zu der Hinrichtungsstätte gefahren und ihn, statt ihn hinzurichten, als Gegenleistung für eine Freilassung angehalten, den Oberst zu beschimpfen und zu bespucken, wobei ihm jedes Wort vorgegeben worden sei (KG, UA S. 37 f.), hat das Kammergericht als Schutzbehauptung gewürdigt (KG, UA S. 45).
39 Diese Tatsachen- und Beweiswürdigung, die auch der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19. Dezember 2023 revisionsgerichtlich nicht beanstandet hat, teilt das Bundesverwaltungsgericht nach Auswertung der beigezogenen Strafakten. Die mit der Revisionsbegründung im Strafverfahren vorgetragenen Angriffe gegen das Urteil des Kammergerichts vermögen dessen tatrichterliche Feststellungen in ihrem Kernbereich zur Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu erschüttern. Der Senat folgt insoweit dem Kammergericht insbesondere in dessen Einschätzung, dass sich die Widersprüche in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS nicht auflösen ließen (KG, UA S. 39). Während der Vater des Klägers im Rahmen seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 30. März 2016 wie auch in seiner Beschuldigtenvernehmung am 14. September 2017 ausgeführt hatte, der Kläger habe sich vom 10. bis zum 23. oder 24. Oktober 2014 (BA VIII Bl. 514 f.) bzw. 15 oder 16 Tage (GBA SA 1.2 Beschuldigte 003 Bl. 433) in der Gewalt des IS befunden, hat der Kläger im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 14. September 2017 angegeben, sich "ca. 25 Tage" in der Gewalt des IS befunden zu haben (GBA SA 1.2 Beschuldigte 003 Bl. 364 und 365). In dem forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologischen Gutachten wird er sowohl mit der Angabe "25 Tage" als auch mit der Angabe "23-24 Tage" wiedergegeben (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 13 und 38). Selbst wenn die angebliche Ingewahrsamnahme bereits seinerzeit geraume Zeit zurücklag und der Vater des Klägers bekundet hatte, sich "mit Daten [...] nicht so sicher" zu sein (GBA SA 1.2 Beschuldigte 003 Bl. 433), ist die Divergenz hinsichtlich der Dauer der Ingewahrsamnahme auch mit Blick auf den Umstand, dass diese der dem Kläger zur Last gelegten Tat unmittelbar vorausging und mit ihr auch in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang stand, nicht erklärbar. Dessen ungeachtet wird die Wahrheit des diesbezüglichen Vorbringens und damit zugleich der Behauptung, der Kläger sei zu der Mitwirkung an der Hinrichtung von Oberst A. gezwungen worden, dadurch widerlegt, dass der Kläger, der angab, nach seiner Festnahme kahl geschoren worden zu sein (GBA SA 1.2 Beschuldigte 003 Bl. 364), in der die Exekution wiedergebenden filmischen Darstellung mit dichtem und vollem Haar gezeigt wird (so auch KG, UA S. 31 und 47). Hinzu kommt, dass weder sein "Auftritt" noch seine Mimik unmittelbar nach Beendigung desselben auch nur ansatzweise erkennen lassen, dass der im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tathandlung 15 Jahre und acht Monate (vgl. auch KG, UA S. 40 ff.) alte Kläger nach einer mehrwöchigen Ingewahrsamnahme zur Mitwirkung an der Hinrichtung gezwungen worden wäre. Wie auch das Kammergericht festgestellt hat, vermittelt der Kläger vielmehr den Eindruck eines energisch, selbstbewusst souverän, reaktionsschnell auftretenden und gestikulierenden Jugendlichen (KG, UA S. 46 f.). Auch sein Gesichtsausdruck unmittelbar nach Beendigung seines Auftritts spiegelt gerade nicht Verängstigung, Unsicherheit oder Anspannung, sondern die ihm auch von dem Kammergericht zugeschriebene Zufriedenheit mit seinem Auftritt wider (KG, UA S. 31 und 47). Die Würdigung des Kammergerichts steht im Einklang mit der Forensischen Untersuchung des Exekutionsvideos durch das Landeskriminalamt B., nach der sich keine Anhaltspunkte dafür finden ließen, dass der Jugendliche durch eine oder mehrere dritte Personen fremdgesteuert worden sei, vielmehr festzustellen sei, dass die Beschimpfungen impulsiv und ungeplant vorgetragen wirkten und sich nicht als Vortragen eines einstudierten Textes darstellten (LKA B., Forensische Untersuchung des Exekutionsvideos vom 20. Juli 2018 <GBA Vorgang Revisionsverfahren 2022-03-07 Z. A. RB Band 3 - II, Bl. 729 ff.>, S. 48 f.). Ihr widerstreitet nicht, dass dem Kläger nach seiner Schimpftirade durch seinen Vater bedeutet wurde, wieder in die Menge der Umstehenden zurückzutreten (KG, UA S. 31), indiziert dieses Zeichen doch weder Zwang noch Fremdbestimmung, sondern allein das Ende des Auftritts.
40 bb) Das Kammergericht hat den Kläger überdies der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB für schuldig befunden. Seinen Feststellungen zum Tatgeschehen zufolge schloss sich der Kläger spätestens einige Zeit vor dem 23./24. Oktober 2014 dem IS an. Bereits zuvor habe er die für den IS typische sogenannte "Afghanen-Kleidung" getragen, zu mehreren Gelegenheiten öffentlich den Polizei- und Sicherheitschef des IS in Mossul begleitet und sich als sogenannter "junger Löwe" der Jugendorganisation des IS angeschlossen. Zudem habe er sich zeitweise in einem Ausbildungslager der Vereinigung aufgehalten (KG, UA S. 28, 48 f. und 208). Die diesbezüglichen kammergerichtlichen Feststellungen belegen trotz ihrer in Bezug auf Art, Inhalt und Dauer des Engagements des Klägers bestehenden Lückenhaftigkeit, dass dieser bereit war, die Ziele des IS nicht nur zu unterstützen, sondern sich aktiv für den IS zu engagieren, für diese terroristische Miliz Aufgaben zu erfüllen und sich der Befehlsgewalt der Organisation zu unterwerfen.
41 Dass sich der Kläger dem IS verbunden fühlte, legen auch die von dem Kammergericht nach eingehender Beweiswürdigung (KG, UA S. 54 ff.) als glaubhaft beurteilten Aussagen mehrerer Zeugen nahe, ausweislich derer der Kläger die Aussprüche "Wir sind IS", "Sie bleiben und verbreiten sich" und "Wir töten und wir schlagen" getätigt, Kritiker der Vereinigung als "minderwertig", Schiiten als "Abtrünnige" und Deutsche als "Schweine" tituliert (KG, UA S. 51 und 52; GBA SA 2.1 Zeugenvernehmung 005 Bl. 234; LKA B., Bericht zu Herrn R. vom 31. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 43>, Rn. 15), sich der Mitwirkung an der Hinrichtung berühmt ("Natürlich bin ich stolz darauf"), die auf dem Video erkennbaren Maskierten als "Helden" und das Hinrichtungsopfer als "Abtrünnigen" bezeichnet, das Video "unzählige Male" mit sichtlichem Stolz vorgespielt (KG, UA S. 52 und 56), stolz ein Photo, auf dem er in einem IS-Trainingslager in schwarzer IS-typischer Kleidung und mit einem Stirnband gemeinsam mit IS-Kämpfern und einer IS-Flagge zu sehen gewesen sei, gezeigt (KG, UA S. 52) und sich damit gebrüstet habe, in Mossul den "Treueeid" auf den IS-Führer AI-Baghdadi geleistet (KG, UA S. 52; GBA SA 2.1 Zeugenvernehmungen 005 Bl. 234; LKA B., Bericht zu Herrn R. vom 31. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 43>, Rn. 15) zu haben. Das Bemühen der Revisionsbegründung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen und damit wesentliche Teile der Beweiswürdigung des Kammergerichts zu erschüttern, leidet maßgeblich an der vorstehend dargelegten Unglaubhaftigkeit der Einlassung des Klägers zu seiner Mitwirkung an der Hinrichtung von Oberst A.
42 Lichtbilder, auf denen der Kläger mit dem sogenannten Tauhid-Finger, der vor allem von Anhängern des politischen Islam und gerade auch denen des IS genutzt wird, abgebildet wird (LKA B., Auswertungsbericht vom 31. August 2018, Anlage II.1 und III.1, GBA Vorgänge ab Anklageerhebung Bd. 1 Bl. 237 und 247), unterstreichen die vorstehende Tatsachenwürdigung.
43 Angesichts des Umstands, dass die sunnitische Familie des Klägers ihre vormals privilegierte Stellung nach dem Sturz des Regimes Saddam Husseins und der Baath-Partei unter der schiitischen Vorherrschaft eingebüßt hat, drängt es sich auf, dass die Sympathie für den IS aus dessen Kampf gegen "Ungläubige", aber auch und insbesondere aus dessen Kampf gegen die Schiiten im Irak resultiert (so auch LKA B., Bericht zu Herrn R. vom 31. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 43>, Rn. 12 und S. 14). Die Verbrechen, derer das Kammergericht seinen Vater und ihn für schuldig befunden hat, sind damit nicht frei von einer ideologischen, insbesondere politischen und religiösen Prägung. Beide haben sich in ihrer Heimat in den Dienst einer terroristischen Vereinigung gestellt und diese in dem Wissen um deren ideologische Radikalisierung bereitwillig durch die Begehung von oder die Teilnahme an schwersten Straftaten unterstützt. Dass sie hierbei zudem aus opportunistischen Gründen gehandelt haben, steht der Gefahrenbeurteilung nicht entgegen.
44 cc) Ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen von der Unterstützung des IS war auch im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung nicht erkennbar, sodass von einem Fortbestehen der terroristischen Gefahr ausgegangen werden musste.
45 Ein entsprechendes Abstandnehmen erfordert die Feststellung von Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine Veränderung der bisherigen inneren Einstellung als wahrscheinlich erscheinen lassen und mit denen der Betreffende glaubhaft zum Ausdruck bringt, dass er sich von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar aus innerer Überzeugung distanziert. Sowohl ein Abstandnehmen als auch ein Distanzieren setzen voraus, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und aufgrund dessen künftig von ihm eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr nicht mehr ausgeht. Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es in jedem Fall, dass der Ausländer sein früheres Verhalten offenlegen und einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - BVerwGE 159, 270 Rn. 30 und Beschluss vom 25. April 2018 - 1 B 11.18 - juris Rn. 12, jeweils m. w. N.).
46 Das Vorbringen des Klägers, es sei ihm nicht möglich, sich von dem IS zu distanzieren, da er sich zu keinem Zeitpunkt als dem IS zugehörig erklärt habe, lässt nicht erkennen, dass sich seine Einstellung gegenüber der Terrororganisation verändert und er Einsicht in die Unrichtigkeit seines zurückliegenden Verhaltens gewonnen hätte. Der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und den Grundrechten (Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) verankerte Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten ("nemo tenetur se ipsum accusare") schützt den Kläger nicht vor einer das wesentliche Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen berücksichtigenden Gefahrenprognose. Ein gleichsam doppeltes Recht, einerseits im Strafverfahren zu schweigen und andererseits im gefahrenabwehrrechtlichen Verwaltungsverfahren von einer negativen Prognoseentscheidung verschont zu bleiben, liefe dem § 58a AufenthG zugrunde liegenden Ziel einer präventiven Gefahrenabwehr zuwider. Lässt sich der Betroffene zu einem gefahrbegründenden Sachverhalt im Strafverfahren nicht ein, so hat das Verwaltungsgericht dies nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO frei zu würdigen. Gelangt es zu der Überzeugungsgewissheit, dass das - anderweitig erwiesene - erhebliche Fehlverhalten weiterhin in Abrede gestellt wird, so ist ein glaubhaftes Abstandnehmen von der Tat regelmäßig nicht erkennbar. Dieser Umstand ist im Rahmen der Gefahrenprognose zulasten des Ausländers, so auch des Klägers, zu berücksichtigen (VG München, Beschluss vom 11. Januar 2021 - M 31 S 20.33463 - juris Rn. 19 f.; VG Berlin, Urteil vom 25. August 2022 - VG 13 K 41.19 - UA S. 19; VG Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2022 - 2 K 198/20 - juris Rn. 25).
47 Der vorstehenden Würdigung steht auch weder die in Ziff. 2 der Anlage zu der Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des AG T. am 22. März 2023 - 383 XIV 24/23 B - Erwähnung findende Einschätzung der Jugendstrafanstalt B., der Kläger habe sich in den dort mit ihm geführten psychologischen Gesprächen glaubhaft von dem IS distanziert (BA 8 Bl. 2794 f.; vgl. hierzu auch Vermerk des Landesamtes für Einwanderung vom 13. April 2023, BA 8 Bl. 2815 ff.), noch die psychologische Stellungnahme der Jugendstrafanstalt B. vom 6. April 2023 (Anl. 1 zum Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten zu 1 vom 14. April 2023) entgegen. Jene Einschätzung ist bereits deshalb unbeachtlich, weil sie jegliche Substantiierung vermissen lässt. Eine solche wird auch nicht in der psychologischen Stellungnahme nachgeholt. Zwar wird in dieser zum Ausdruck gebracht, dass sich bereits im Jahr 2021 "keinerlei Hinweise darauf ergeben [hätten], dass [der Kläger] eine radikalislamistische Gesinnung vertr[ete] oder danach handel[e]", dieser sich vielmehr eher europäischen demokratischen Wertvorstellungen als traditionell muslimisch geprägten Ansichten verbunden fühle und seine Einstellungen und Überzeugungen grundsätzlich "den hiesigen Normen- und Wertvorstellungen" entsprächen, und dass es auch nach einer Verlegung in ein anderes Hafthaus keinerlei Hinweise auf islamistisches Gedankengut oder auf eine Identifikation mit dem IS in der Zeit der Unterbringung in der Jugendstrafanstalt gegeben habe, vielmehr "in jedem Gespräch [...] seine negative Sicht auf den IS deutlich" geworden sei, dem er die Schuld für den Verlust seiner Heimat gebe. Einschätzung und Stellungnahme der Jugendstrafanstalt B. lassen nicht erkennen, ob diesen allein die klägerseitige Darstellung der Geschehnisse im Irak, insbesondere einer seinerzeitigen Inhaftierung durch den IS (vgl. hierzu bereits S. 10 f. der in Bezug genommenen Psychologischen Stellungnahme zur Frage der Legalprognose vom 11. November 2021, BA VIII Bl. 1781), zugrunde lag oder ob eine Konfrontation des Klägers mit den seiner Schilderung widerstreitenden Tatsachen erfolgt ist, die den Gegenstand der Anklage und der später in Rechtskraft erwachsenen strafgerichtlichen Verurteilung bildeten. Das Fehlen von Anhaltspunkten, dass sich der Kläger in der Haft mit seiner Täterschaft kritisch auseinandergesetzt hat, nimmt der Stellungnahme jegliche Aussagekraft für ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen von der Unterstützung des IS. Eine solche kritische Auseinandersetzung ist auch der anstaltspsychologischen Stellungnahme vom 22. März 2023 nicht substantiiert zu entnehmen. Die Darstellung, der Werdegang des Klägers als Jugendlicher wie auch die strafrechtsrelevanten Handlungen seien hinreichend thematisiert und aufgearbeitet worden, ist im Hinblick auf ein Abstandnehmen nichtssagend und ohne Aussagekraft.
48 dd) In Ermangelung diesbezüglicher kammergerichtlicher Feststellungen stützt der Senat seine Gefahrenprognose nicht auf die Aussage des Zeugen L., der Vater des Klägers habe geäußert, "Nicht, dass ihr denkt, dass der Kampf im Irak verloren wäre. Wir haben uns zurückgezogen und haben jetzt neue Ziele! Es werden Anschläge in Europa kommen. Ich habe hier ein Ziel zu erreichen." (GBA SA 2.1 Zeugenvernehmungen 005 Bl. 206; hierauf Bezug nehmend GBA, Anklageschrift vom 5. August 2018 - 3 BJs 30/16-4 - ASA S. 26; BGH, Haftbefehl vom 15. September 2017 - 4 BGs 109/17 - HbA S. 25).
49 ee) Dass der Kläger vor der Anwendung brutaler Gewalt nicht zurückschreckt, hat er wiederholt unter Beweis gestellt. Dabei hat er sich verschiedener Waffen und gefährlicher Werkzeuge bedient. Er betrachtet Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung seiner Ziele oder Durchsetzung seines Willens (LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 23; LKA B., Tabelle zur Auswertung Band 7 der Gefangenen-Personalakte von 10/20 bis 02/21 <308 Bl.> vom 23. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 9>, S. 1; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 25. August 2022 - VG 13 K 41.19 - UA S. 21 f.). Diese Einstellung wurde ihm durch seinen Vater vermittelt, dem nachgesagt wird, er sei in seiner Heimat bei Freunden und Bekannten dafür bekannt gewesen, besonders brutal gegen ihm unliebsame Personen vorzugehen, und er habe den Kläger zur Ausübung von Gewalt angespornt und ihm für das von diesem an den Tag gelegte Maß an Brutalität Anerkennung gezollt (LKA B., Gefahrenprognose vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 32 ff. unter Bezugnahme auf LKA, Bericht zu Herrn R. vom 31. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 43>, Rn. 36). Die den Akten zu entnehmenden Versuche, Zeugen durch Anwendung von Gewalt, Drohungen und Beleidigungen dazu zu bewegen, ihre den Kläger und seinen Vater belastenden Aussagen im Ermittlungsverfahren zurückzunehmen (BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - StB 15/22 - <GBA Beschwerdeband Haftbeschwerde 24. März 2022>, BA Rn. 16; Polizei B., Landeskriminalamt, Bericht vom 18. August 2022, BA VIII Bl. 1716), wie auch die Feststellung des Kammergerichts, der Kläger und sein Vater seien willens und ersichtlich in der Lage, selbst aus der Haft heraus Einfluss auf Zeugen auszuüben und solche Zeugen, die bereits gegen sie belastende Aussagen gemacht hätten, unter Druck zu setzen, um eine Änderung dieser Angaben zu erreichen (KG, UA S. 84, 87 bis 95), lassen besorgen, dass es auch dem Kläger jederzeit möglich gewesen wäre, sich der Unterstützung Dritter zur Realisierung seiner Zwecke zu versichern. Der Kläger vermittelt den Eindruck einer brutalen und angsteinflößenden Person mit einer sehr niedrigen Gewaltschwelle, die ihr Umfeld unterdrückt, drangsaliert und schikaniert (vgl. nur JStA B., Strafanzeige vom Mai 2022 <GBA Beschwerdeband Haftbeschwerde 24. März 2022>, Bl. 56 f.; LKA B., Befragung H. B. vom 18. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 80>; LKA B., Auswertung der Haftdokumentation "SoPart.Doku-Klient.Teil3" vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 86>, S. 3 und 4; LKA, Bericht zu Herrn R. vom 31. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 43>, S. 15). Die Auswertung der Gefangenenpersonalakte vermittelt von dem Kläger das Bild eines respektlosen, ungehorsamen, machtversessenen, herrschsüchtigen und zugleich manipulativ agierenden jungen Mannes, der bestrebt ist, sich durch Verbreitung von Angst und Schrecken Respekt zu verschaffen (so auch LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 23; LKA B., Tabelle zur Auswertung Band 7 der Gefangenen-Personalakte von 10/20 bis 02/21 <308 Bl.> vom 23. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 9>, S. 1 f.; LKA B., Auswertung der Haftdokumentation "SoPart.Doku-Klient.Teil3" vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 86>, S. 5; LKA B., Vermerk zum Verhältnis zwischen dem Anstaltsleiter (AL) C. und dem inhaftierten R. vom 26. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 50>, S. 2).
50 ff) Die von dem Kläger ausgehende Gefahr wird des Weiteren durch die Tatsache unterstrichen, dass dieser gute Kontakte, zu Personen unterhielt, die nach Einschätzung des Landeskriminalamts B. "feste Größen der organisierten Kriminalität" sind und sich in den Strukturen der Clan-Kriminalität bewegen. Deren Nähe hat der Kläger in der Haft wiederholt gesucht (LKA B., Vermerk zur Auswertung der Gefangenen-Personalakte, Band 9, vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 44>, S. 8). Dass Erkenntnisse fehlen mögen, dass diese Personen Bezüge zu politisch motivierter Kriminalität hätten, steht der Annahme nicht entgegen, dass es dem Kläger ungeachtet der mehrjährigen Untersuchungshaft jederzeit möglich gewesen wäre, seine Kontakte in das kriminelle Milieu zur Realisierung seiner Ziele zu nutzen.
51 gg) Die in Bezug auf die Persönlichkeitsstruktur und den psychischen Zustand des Klägers erstellten fachlichen Stellungnahmen beschreiben diesen als kognitiv gut strukturierten und mit hoher funktionaler Intelligenz ausgestatteten jungen Mann, der leicht kränkbar sei, nicht nur in Frustrationssituationen zu impulsivem Verhalten neige und durch eine noch nicht gefestigte, narzisstische Persönlichkeit geprägt sei. Er könne sich nur schwer integrieren, beanspruche einen hervorgehobenen Status und erwarte, dass ihm eine Sonderbehandlung zuteilwerde. Negative Affekte entlüden sich ob seiner nicht ausgeprägten Impulskontrolle oftmals unter anderem in physischer Gewalt (JStA B., Verhaltensbericht vom 17. Dezember 2018, BA VIII Bl. 654; Bezirksamt T. von B., Bericht der Jugendgerichtshilfe vom 30. September 2019, BA VIII Bl. 1476; JStA B., Psychologische Stellungnahme zur psychischen Gesundheit vom 30. Juni 2020, BA II Bl. 332; JStA B., Psychologische Stellungnahme zur Frage der Legalprognose vom 11. November 2021, BA VIII Bl. 1788; JStA B., Psychologische Stellungnahme vom 6. April 2023, Anl. 1 zum Schriftsatz vom 14. April 2023, S. 2). Er sei sehr extrovertiert, emotional erregbar und impulsiv (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 76 und 77; JStA B., Psychologische Stellungnahme zur psychischen Gesundheit vom 30. Juni 2020, BA II Bl. 331). Der Kläger selbst bekundete, er reagiere sehr schnell, werde sehr schnell nervös und raste schnell aus, könne nicht nachdenken und sich nicht stoppen, sondern müsse handeln, wenn ihn jemand angreife (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 19 f.). Seine Affinität zur Ausübung von Gewalt wird nicht nur durch zahlreiche Vorkommnisse in der Untersuchungshaft, sondern auch durch das Mitsichführen und den Einsatz eines Teleskopschlagstocks, von Schlagringen und Pfefferspray dokumentiert (KG, UA S. 212). Sätze wie "Ich drohe nicht nur, ich mache auch" und "Ich habe nichts zu verlieren" (LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 23; LKA B., Tabelle zur Auswertung Band 7 der Gefangenen-Personalakte von 10/20 bis 02/21 <Bl. 308> vom 23. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 9>, S. 1) bestätigen das vorstehend gezeichnete Bild. Besondere Bedeutung für die Gefahrenprognose kommt auch der Erkenntnis zu, dass der Kläger den psychischen Schmerz, nicht mehr zu einer "Elite" zu gehören, nicht zulasse (JStA B., Psychologische Stellungnahme zur psychischen Gesundheit vom 30. Juni 2020, BA II Bl. 333). Hierin werden Verletzungen deutlich, die unmittelbar an das opportunistisch geprägte und mit einem starken Streben nach Status und Macht (LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 4) gepaarte Motiv anknüpfen, das seinen Vater und - ihm nachfolgend - ihn im Irak dazu bewogen hat, sich dem IS anzuschließen. Dass er sich auch im Bundesgebiet und damit in einem völlig veränderten sozio-kulturellen Umfeld nicht nur in keiner Weise von seinem Engagement für den IS distanziert, sondern sich vielmehr gegenüber anderen wiederholt der von ihm begangenen Straftaten berühmt und sich positiv über den IS geäußert hat (KG, UA S. 214), lässt ihn auch, weil er keine Bereitschaft erkennen lässt, die Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen (so auch LKA B., Vermerk zur Auswertung der Gefangenen-Personalakte, Band 9, vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 44>, S. 8), als eine Person erscheinen, die grundsätzlich nicht nur bereit, sondern auch willens wäre, etwaige noch nicht erreichte Ziele ihres Vaters an dessen Stelle zu realisieren, und die ob ihrer Fähigkeit, auch delinquente Handlungen zu planen, zu einer solchen Realisierung ohne Weiteres auch in der Lage wäre (LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 5).
52 hh) Die sozialen und familiären Bindungen, über die der Kläger zu seinen Eltern und seinen Brüdern verfügt (JStA B., Psychologische Stellungnahme zur Frage der Legalprognose vom 11. November 2021, BA VIII Bl. 1790), und der Zusammenhalt der im Bundesgebiet lebenden Mitglieder der Kernfamilie haben sich nicht stabilisierend, sondern gefahrerhöhend ausgewirkt.
53 Bereits in seiner Heimat orientierte sich der Kläger an seinem Vater, den er als Vorbild ansieht (KG, UA S. 12). Trotz des Umstands, dass dieser zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, ist davon auszugehen, dass er weiterhin negativen Einfluss auf den Kläger ausüben wird. Bereits im Rahmen der Mitwirkung an der Hinrichtung von Oberst A. agierte der Kläger ausweislich der den Senat überzeugenden kammergerichtlichen Feststellungen in enger Abstimmung mit seinem Vater (KG, UA S. 31). Im Bundesgebiet hat sich der Kläger nach den Feststellungen des Kammergerichts wie auch des Landgerichts Berlin an dem Betäubungsmittelhandel seines Vaters beteiligt (KG, UA S. 212; LG Berlin, Urteil vom 7. Mai 2018 - (518 KLs) 171 Js 68/17 (50/17) - UA S. 3). Ein Zeuge bekundete, der Vater des Klägers habe einen sehr großen Einfluss auf diesen, der Kläger würde alles für seinen Vater machen (LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 33 unter Verweis auf LKA B., Befragung des Herrn N. vom 2. Februar 2023, <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 79>, S. 2; ferner BKA, Risikoanalysebericht vom 16. Februar 2023, HA Bl. 137 ff., S. 7 f.). Es war real zu besorgen, dass der Kläger aufgrund des engen Verhältnisses zu seinem Vater dessen Anweisungen auch künftig Folge leisten würde (diese Sorge teilend LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 3; LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 32 f.; LKA B., Bericht zu Herrn R. vom 31. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 43>, Rn. 36; LKA B., Vermerk zur Befragung des Herrn N. vom 2. Februar 2023, <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 79>, S. 2). Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst bekundet hat, in seiner Familie spielten "Tradition, Kultur und Ehre eine essenzielle Rolle", diesbezüglich habe ihn sein Vater "besonders geprägt" (Violence Prevention Network, Entwicklungsbericht vom 3. Januar 2023, AA Bl. 2466).
54 Unterstützung erfährt der Kläger ausweislich des Inhalts der Akten auch durch seine Mutter, die wiederholt Anstrengungen unternommen hat, das gegen ihren Ehemann und den Kläger geführte Strafverfahren in deren Sinne zu beeinflussen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - StB 15/22 - <GBA Beschwerdeband Haftbeschwerde 24. März 2022>, BA Rn. 20; Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Januar 2018 - 4 BGs 1/18 - BA S. 4; KG, Beschluss vom 19. Februar 2019 - (1) 3 StE 3/18-4 (3/18) - <GBA Haft-SA Z. Bd. II Bl. 272>, BA S. 2; KG, UA S. 75 f., 88 f., 98, 103 und 106) und der vorgeworfen wurde, dem Kläger zumindest in einem Fall in der Haft ein Mobiltelefon zugeführt zu haben (LKA B., Vermerk zur Auswertung der Gefangenen-Personalakte, Band 9, vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 44>, S. 6 und LKA B., Auswertung der Haftdokumentation "SoPart.Doku-Klient.Teil3" vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 86>, S. 3).
55 Die engen familiären Beziehungen ließen zudem erwarten, dass sich der Kläger künftig auch der Unterstützung seiner beiden im Jahr 2007 geborenen Brüder hätte gewiss sein können (vgl. LKA B., Auswertung der Haftdokumentation "SoPart.Doku-Klient.Teil3" vom 25. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 86>, S. 5), die den beigezogenen Erkenntnissen zufolge ebenfalls bereits häufig in von Gewalt geprägte Konflikte verwickelt waren, in ihrem schulischen Umfeld Unruhe und Angst verbreiten und in ihrem Bruder ein männliches Vorbild sehen (LKA B., Bericht zum Erkenntnisaustausch mit dem Jugendamt M. vom 15. Februar 2023, HA Bl. 82 f.; LKA B., Polizeiliche Gefahrenprognose zur Haftentlassung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 87 ff., S. 37 f.; LKA B., Schlussbericht Befragungen der Geschädigten der Brüder S. und O. vom 18. Januar 2023 <Gefahrenprognose LKA Fußnoten Fn. 90>, S. 2).
56 ii) In der Gesamtwürdigung der ausgewerteten Erkenntnisse ging im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt von der Person des Klägers weiterhin eine beachtliche Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine ebenso beachtliche terroristische Gefahr aus, einschließlich der aktiven Mitwirkung an einem - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag mit unbeteiligten Toten. Gerade die Impulsivität seines Verhaltens und die unbedingte Bereitschaft, Gewalt zur Realisierung seiner Ziele einzusetzen, ließen eine solche Mitwirkung, mag sie auch aus opportunistischen Motiven erfolgen, realistisch erscheinen.
57 (1) Der Senat ist nicht gehalten gewesen, wie von dem Kläger mit Schriftsätzen vom 15. und 26. April 2023 beantragt, zu der Frage, "ob bei umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Kläger[s], seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren und geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen im Sinne des § 58a AufenthG gefährlichen Personen oder Gruppierungen von ihm eine terroristische Gefahr bzw. eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht", Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben. Er ist vielmehr grundsätzlich, so auch hier, zu einer eigenständigen Gefahreneinschätzung berufen (BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 4.17 - juris Rn. 80), die er im Vorstehenden vorgenommen hat (vgl. insoweit auch BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - juris Rn. 28).
58 (2) Der mit Schriftsatz vom 20. Juni 2024 angekündigte und in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Antrag, Herrn D. zum Beweis der Tatsachen, dass der Kläger von Mitgliedern des IS gezwungen worden ist, Oberst A. unmittelbar vor der Exekution zu beschimpfen, und dass er kein Mitglied des IS ist, als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und ihn aufzufordern, einschlägiges Videomaterial zur Verfügung zu stellen, in der mündlichen Verhandlung in Augenschein zu nehmen und sachverständig untersuchen zu lassen, war abzulehnen.
59 Die oberste Landesbehörde und nach ihr das Bundesverwaltungsgericht sind im Verfahren nach § 58a AufenthG nicht dazu berufen, im Rahmen der Prüfung, ob von dem Ausländer eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr ausgeht, strafrechtliche Urteile daraufhin zu überprüfen, ob der Ausländer die strafbare Handlung, deretwegen er verurteilt worden ist, tatsächlich begangen hat. Es ist nicht ihre Aufgabe, gleichsam das Strafverfahren zu wiederholen und die strafrechtliche Hauptverhandlung fortzuführen. Vielmehr sind sie in aller Regel berechtigt, bei ihrer Prüfung an die strafrechtliche Entscheidung anzuknüpfen und von deren Richtigkeit auszugehen. Dies hat namentlich zu gelten, wenn diese auf der Grundlage einer umfänglichen Beweisaufnahme ergangen ist und sich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht aufdrängt, insbesondere, wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass die Ausländerbehörde und in der Folge das Bundesverwaltungsgericht die Umstände der Tat besser als die Strafverfolgungsbehörden und das Strafgericht aufklären können. Hiervon ist erst recht auszugehen, wenn das Strafurteil auch einer revisionsgerichtlichen Überprüfung standgehalten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1981 - 1 B 857.80 - juris Rn. 3).
60 Dies zugrunde gelegt ist der Beweisantrag unzulässig. Der Antrag legt nicht substantiiert dar, welche konkreten Beobachtungen die als Zeuge genannte Person gemacht habe, die die dem Ergebnis der tatsächlichen Feststellung des Strafgerichts zuwiderlaufende Behauptung, der Kläger sei von Mitgliedern des IS gezwungen worden, Oberst A. zu beschimpfen, stützen könnten. Die Darstellung, der Kläger sei nach den Beobachtungen des Zeugen von Mitgliedern des IS zu der Hinrichtungsstätte gebracht worden, lässt für sich betrachtet keinen Rückschluss darauf zu, dass er zur Mitwirkung an der Hinrichtung gezwungen worden wäre. Ebenso wenig wird ausgeführt, welche Relevanz der Tatsache beizumessen sein soll, dass weder der Kläger noch sein Vater auf dem Videomaterial zu erkennen sei. Auch in diesem Kontext hätte es zur Substantiierung des Beweisvorbringens einer substantiierten Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Kammergerichts bedurft. Ohne eine solche substantiierte Auseinandersetzung sind die Beweisanträge so unbestimmt, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken könnte (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 B 17.23 - juris Rn. 4).
61 (3) Die Entscheidung, den mit Schriftsatz vom 20. Juni 2024 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen, Herrn E., Herrn G., Herrn J., Herrn K., Herrn O., Herrn U., Herrn V., Herrn W., zugleich unter Beiordnung eines Zeugenbeistands für die Organisation und Durchführung der Vernehmung, Herrn X., Herrn Y., Herrn Z., Frau Z. B., zugleich unter Beiordnung eines Zeugenbeistands für die Organisation und Durchführung der Vernehmung, Herrn G. und Herrn Z. R. unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste von UNITAD zu vernehmen, nicht zu entsprechen, findet ihre prozessrechtliche Stütze in § 86 Abs. 1 VwGO und einer entsprechenden Anwendung von § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines im Ausland zu ladenden Zeugen abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Seiner am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägungsentscheidung hat der Senat zugrunde gelegt, dass zum einen die Zeugen ohne ladungsfähige Anschrift benannt worden sind. Die Ladung und Vernehmung der Zeugen, auch in Form der hilfsweise beantragten Videovernehmung, hätte unweigerlich eine erhebliche Verfahrensverzögerung zur Folge. Die Vernehmung im Wege der Videoübertragung würde eine Beweisaufnahme im Irak und damit im Ausland (vgl. § 363 ZPO) ersetzen, die mit Blick auf den territorialen Souveränitätsanspruch der Republik Irak grundsätzlich den irakischen Behörden im Wege der Rechtshilfe vorbehalten ist (vgl. Freymann, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl. 2022, § 279 ZPO Rn. 31 m. w. N.; Stadler, in: Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 2024, § 128a ZPO Rn. 8). Zum anderen drängt sich auch im Lichte des Beweiswertes der angekündigten Zeugenaussagen eine Wiederholung oder Fortsetzung weder des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens noch der strafgerichtlichen Hauptverhandlung auf. Der Senat sieht auch mit Blick auf die umfängliche Beweisaufnahme keine Veranlassung, den tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts in dessen in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 4. Juni 2021 nicht zu folgen.
62 (a) Die Zurückweisung des Antrags, Herrn E. zum Beweis der Tatsachen, dass der Kläger zu der Mitwirkung an dem Propagandavideo gezwungen worden und im Jahr 2014 nicht Mitglied des IS gewesen ist, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, findet im Prozessrecht ihre Stütze in § 86 Abs. 1 VwGO.
63 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend heranzuziehen ist (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 1983 - 9 B 10466.81 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 5 S. 5), ermöglicht es, einen Antrag auf Vernehmung eines Zeugen abzulehnen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Von dieser Befugnis macht der Senat Gebrauch.
64 (aa) Bei der Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, ist das Gericht von dem Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags, als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht zu beanstanden. Ob die gerichtliche Sachaufklärungspflicht es gebietet, dem Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen nachzukommen, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles zu beurteilen (stRspr, vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2022 - 4 StR 392/20 - NStZ 2022, 634 <635>). Die Möglichkeit, entsprechend § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abzulehnen, erfasst unter anderem die Fälle der voraussichtlichen Unerreichbarkeit des Zeugen. Dem erkennenden Gericht ist gestattet, die tatsächlichen Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes im Freibeweisverfahren zu prüfen und hierfür auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten zurückzugreifen. Insbesondere ist im Freibeweisverfahren auch zu ermitteln, ob und gegebenenfalls auf welche Weise und mit welchem (organisatorischen und zeitlichen) Aufwand der Zeuge geladen und vernommen werden kann. Demgegenüber ist die Zeugenvernehmung selbst dem Strengbeweisverfahren vorbehalten (vgl. Trüg/Habetha, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2024, § 244 Rn. 377 m. w. N.).
65 (bb) Gemessen daran gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage der umfassenden Beweisaufnahme vor dem Kammergericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
66 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
67 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigte Aussage, der Vater des Klägers sei als früherer Angehöriger der Baath-Partei durch den IS verfolgt worden, wird nicht durch tatsächliche Erkenntnisse unterlegt, die dieser Aussage einen beachtlichen Beweiswert verliehen. Allein die Behauptung, der Zeuge sei selbst zu der Mitwirkung an einem Propagandavideo gezwungen worden, erlaubt keine Rückschlüsse auf einen entsprechenden Zwang in Bezug auf die Person des Klägers. Die Behauptungen, der Vater des Klägers sei von dem IS gesucht, der diesen habe töten wollen, aus diesem Grund sei der Kläger von Mitgliedern des IS entführt und inhaftiert worden, beruhen nicht auf eigenen Erkenntnissen, sondern auf einer Schilderung des Vaters des Klägers, weshalb ihnen kein gesteigerter Beweiswert zukommt. Dass der Zeuge, vorgeblich ein langjähriger Freund des Vaters des Klägers, keine Erkenntnisse habe, die auf eine Nähe des Klägers und seines Vaters zum IS hindeuteten, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Hierbei misst der Senat insbesondere den nicht aufgelösten Widersprüchen in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS und der durch die filmische Wiedergabe der Hinrichtung widerlegten Behauptung, der Kläger sei nach seiner angeblichen Festnahme "komplett kahl geschoren" worden, besonderen Wert bei.
68 (b) Nicht zu entsprechen war auch dem Antrag, Herrn G. zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger zu der Mitwirkung an dem Propagandavideo gezwungen worden ist, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
69 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
70 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der umfassenden Beweisaufnahme vor dem Kammergericht angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
71 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
72 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigte Behauptung, der Kläger sei von Mitgliedern des IS entführt, inhaftiert, bedroht und gefoltert worden, gründet nicht in eigenen Erkenntnissen, sondern in einer Schilderung des Klägers selbst, weshalb ihr kein gesteigerter Beweiswert zukommt. Dass der Zeuge, vorgeblich ein Onkel des Klägers, bekunden werde, er wisse aus eigener Anschauung, dass der Vater des Klägers nach dem Einmarsch des IS in Mossul bedroht worden sei, sich dann auf der Flucht befunden und in verschiedenen Unterkünften verborgen gehalten und ihm gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht habe, dass der IS für ihn eine terroristische Organisation sei, entbehrt einer tatsachengestützten Substantiierung. Der angekündigte Inhalt der Aussage begründet im Übrigen aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
73 (c) Aus den nämlichen Gründen war auch nicht dem Antrag zu entsprechen, Herrn J. zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger zu der Mitwirkung an dem Propagandavideo gezwungen worden ist, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
74 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
75 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der umfassenden Beweisaufnahme vor dem Kammergericht angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
76 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt auch dieser Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum und unter Angabe eines Stadtteils von ... bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
77 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigte Behauptung, der Kläger sei von Mitgliedern des IS entführt, inhaftiert, bedroht und gefoltert worden, gründet zwar vorgeblich auf eigenem Erleben. Der Beweiswert der angekündigten Aussage wird indes durch das Fehlen maßgeblicher Details wie Daten und Orte gemindert. Die Schilderung, der Kläger sei im Haus seines Großvaters festgenommen worden und der Zeuge sei während der gemeinsamen Inhaftierung auch dem Offizier A. begegnet, gründet nicht in eigenen Erkenntnissen, sondern in einer Schilderung des Klägers selbst, weshalb ihr kein gesteigerter Beweiswert zukommt. Die Darstellung, der Zeuge, ein mit dem Kläger vorgeblich nicht bekannter Friseur, habe "mitbekommen", dass der Kläger durch den IS als Bedingung für seine Freilassung gezwungen worden sei, an dem geplanten Propagandavideo in der Form mitzuwirken, wie dies in dem Video ersichtlich geworden sei, entbehrt jeglicher Substantiierung. Gemessen daran begründet die angekündigte Aussage aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
78 (d) Ebenso wenig musste sich der Senat veranlasst sehen, dem Antrag stattzugeben, Herrn K. zum Beweis der Tatsache, dass der Vater des Klägers als Angehöriger des Baath-Regimes durch den IS gesucht worden ist und sich in unterschiedlichen Häusern hat verstecken müssen, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
79 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
80 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der umfassenden Beweisaufnahme vor dem Kammergericht angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
81 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
82 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigte Aussage, der Vater des Klägers sei als Angehöriger des Baath-Regimes durch den IS gesucht worden und habe sich in unterschiedlichen Häusern verstecken müssen, lässt nicht erkennen, wie der Zeuge, vorgeblich ein Cousin des Vaters des Klägers, sein Wissen erlangt hat. Sie ist zudem von Detailarmut geprägt. Sie begründet aus denselben wie den unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
83 (e) Auch dem Antrag, Herrn O. zum Beweis der Tatsachen, dass der IS den Vater des Klägers als überzeugten Baathisten hat töten wollen, dass Bedingung für die Freilassung des Klägers aus der als Druckmittel gegen seinen Vater dienenden Haft die Mitwirkung an dem Propagandavideo gewesen ist und dass der Vater des Klägers zu keiner Zeit mit dem IS zusammengearbeitet oder für diesen auch nur Sympathie gehegt hat, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, war nicht zu entsprechen.
84 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
85 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
86 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
87 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigten Aussagen beruhen nicht auf eigenen Erkenntnissen des Zeugen, vorgeblich eines Cousins des Vaters des Klägers. Die Behauptung, der IS habe den Vater des Klägers als überzeugten Baathisten töten wollen, weshalb sich jener bis zu der Flucht in verschiedenen Wohnungen habe verstecken müssen, gründet in einer Schilderung des Vaters des Klägers. Die angekündigten Aussagen, die Verhaftung des Klägers habe als Druckmittel gegen den untergetauchten Vater gedient und der Kläger sei im Haus seines Großvaters von IS-Kräften verhaftet, beruhen auf Schilderungen der Brüder und der Schwester des Vaters des Klägers. Dass der Kläger für die Dauer etwa eines Monats vom IS in Haft gehalten und dort geschlagen und gefoltert worden sei, habe er von jenem selbst erfahren. Familienmitglieder des Klägers hätten ihm schließlich berichtet, dass Bedingung für dessen Freilassung seine Mitwirkung an dem Propagandavideo gewesen sei. Die angekündigten Aussagen lassen jedes Detail vermissen. Sie werfen zudem die Frage auf, warum erst Familienmitglieder und nicht der Kläger selbst dem benannten Zeugen mitgeteilt haben sollen, unter welcher Voraussetzung die angebliche Freilassung des Klägers erfolgt sei. Auch, dass der Zeuge, vorgeblich ein Cousin des Vaters des Klägers, bekunden werde, er wisse aus seinem Umgang und Gesprächen mit dem Vater des Klägers, dass dieser zu keiner Zeit irgendeine Sympathie zum IS gehegt habe, geschweige denn mit diesem zusammengearbeitet habe, sich in seiner Kleidung stets vom IS abgehoben und sportliche Kleidung getragen habe, begründet aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
88 (f) Nicht stattzugeben war auch dem Antrag, Herrn U., zum Beweis der Tatsache, dass der Vater des Klägers auf der Flucht vor dem IS gewesen ist und dass jener sich gegenüber dem IS stets ablehnend geäußert hat, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
89 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
90 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
91 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem unvollständigen Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
92 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigten Aussagen des Zeugen, vorgeblich eines Bekannten des Vaters des Klägers, er habe sich an verschiedenen Adressen vor dem IS versteckt und sich diesem gegenüber stets sehr ablehnend geäußert, werden nicht durch individuelle Begebenheiten unterlegt. Dass der Zeuge nicht wahrgenommen haben will, dass der Kläger und sein Vater Bärte, Kleidung oder Waffen getragen hätten, die auf eine Nähe zum IS hätten hinweisen können, begründet aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
93 (g) Ebenso wenig war dem Antrag, Herrn V. zum Beweis der Tatsachen, dass sich der Vater des Klägers als überzeugter Baathist vor dem IS hat verstecken müssen und dass der Kläger und sein Vater nicht mit dem IS sympathisiert haben, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, stattzugeben.
94 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
95 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
96 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort, dem Wohnort ... und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
97 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigten Aussagen des Zeugen, vorgeblich eines Onkels des Vaters des Klägers, der Vater des Klägers habe sich vor dem IS an verschiedenen Orten verstecken müssen, weil er überzeugter Baathist gewesen sei, lässt jegliche Details vermissen, die angesichts der familiären Beziehungen zu erwarten gewesen wären. Die Behauptung, nie, auch nur gerüchteweise irgendwelche Informationen darüber erhalten oder gar von dem Kläger und seinem Vater erlangt zu haben, dass diese mit dem IS sympathisiert hätten, wird mit der Aussage unterlegt, dass der Vater des Klägers keinerlei Beziehung zu Religion gehabt und sein gesamtes Leben wider religiöse Grundsätze geführt habe. Auch dieser Aussageinhalt begründet indes aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
98 (h) Ebenso wenig war dem Antrag zu entsprechen, Herrn W. zum Beweis der Tatsachen, dass der Vater des Klägers als überzeugter Baathist in durchgehender Feindschaft zu dem IS gestanden hat und dass er sich nach dem Einmarsch des IS als dessen bekannter Feind vor diesem hat verstecken müssen, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
99 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
100 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
101 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort, dem Wohnort ... und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
102 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Die angekündigte Aussage des Zeugen, vorgeblich eines Cousins des Vaters des Klägers, der Vater des Klägers habe als überzeugter Baathist in durchgehender Feindschaft zu dem IS gestanden, lässt eine Substantiierung vermissen. Gleiches gilt für die Angabe, weder im Rahmen der Familie noch von Nachbarn je gehört zu haben, dass der Kläger oder sein Vater mit dem IS in irgendeiner Verbindung gestanden haben. Diese wird auch nicht durch die Äußerung bewirkt, dem Vater des Klägers sei der Islamismus immer fremd geblieben, er habe ein durch und durch weltliches Leben geführt, da dessen Nähe zu dem IS nach den auf einer umfänglichen strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden strafgerichtlichen Feststellungen auf opportunistischen Überlegungen gründet. Auch die Darstellung, der Vater des Klägers habe sich wegen dessen hervorgehobener Anhängerschaft zum Baathismus und als bekannter Feind des IS vor diesem in wechselnden Verstecken verbergen müssen, begründet aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
103 (i) Dem Antrag, Herrn X. zum Beweis der Tatsachen, dass der Vater des Klägers wegen der früheren Zugehörigkeit zur Al-Baath-Partei Ziel von Verfolgungen des IS gewesen ist, dass der Kläger zu der Mitwirkung an dem Propagandavideo gezwungen worden ist und dass der Kläger und sein Vater zu keiner Zeit Mitglied des IS gewesen sind, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, war ebenfalls nicht stattzugeben.
104 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
105 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
106 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
107 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen nicht. Der Gegenstand der angekündigten Aussagen des Zeugen, der Vater des Klägers habe zu keiner Zeit Neigung, geschweige denn irgendwelche Verbindungen zu oder mit Al-Qaida oder später dem IS gehabt, dieser sei vielmehr wegen der früheren Zugehörigkeit zur Al-Baath-Partei Ziel von Verfolgungen des IS gewesen und habe sich auf der Flucht vor dem IS befunden und an verschiedenen Orten verstecken müssen, ist durch Detailarmut gekennzeichnet. Die Behauptung, der Kläger sei in Gefangenschaft des IS gewesen und gezwungen worden, an dem Propagandavideo mitzuwirken, um freigelassen zu werden, gründet nicht in eigenen Erkenntnissen des Zeugen, sondern in einer Schilderung von Familienangehörigen des Klägers und dessen Nachbarn, weshalb ihr kein gesteigerter Beweiswert zukommt. Aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen begründen die angekündigten Aussagen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
108 (j) Auch dem Antrag, Herrn Y. zum Beweis der Tatsachen, dass sich der Vater des Klägers, weil der IS auf ihn Jagd gemacht hat, hat verstecken müssen und dass der Kläger durch den IS festgenommen und nach einiger Zeit wieder freigelassen worden ist, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, war nicht zu entsprechen.
109 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
110 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
111 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
112 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen, vorgeblich eines Bekannten des Vaters des Klägers, nicht. Den angekündigten Aussagen, der Vater des Klägers habe als überzeugter Baathist in Feindschaft zum IS gestanden und sich, nachdem der IS unmittelbar nach der Besetzung Mossuls Jagd auf ihn gemacht habe, sofort versteckt, fehlt es an der nötigen Substantiierung. Gleiches gilt für die Behauptung, der Kläger sei durch den IS festgenommen und nach einiger Zeit wieder freigelassen worden. Diese Aussage gründet zudem nicht in eigenen Erkenntnissen des Zeugen, sondern auf Wissen vom Hörensagen, weshalb ihr kein gesteigerter Beweiswert zukommt. Aus denselben unter (a) (bb) dargelegten Gründen begründen die angekündigten Aussagen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen.
113 (k) Nicht nachzugehen war auch dem Antrag, Herrn Z. zum Beweis der Tatsachen, dass der Vater des Klägers den IS gehasst und dass er sich unter anderem im Haus des Zeugen vor diesem versteckt hat und dass der Kläger am Haus seines Großvaters festgenommen worden ist, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
114 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
115 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
116 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort, ihrem Wohnort ... und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
117 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen, eines Schwagers des Vaters des Klägers, nicht. Die Behauptung der Tötung des Bruders des Zeugen durch den IS ist für das den Kläger betreffende Verfahren unerheblich. Die angekündigte Aussage, aus damals geführten Gesprächen mit dem Vater des Klägers wisse er, dass dieser den IS gehasst habe, beschränkt sich auf die betreffende Behauptung und verbindet diese Darstellung allein mit dem Zusatz, er hätte die Verbindung zu seinem Schwager wegen des Verbrechens an seinem Bruder abgebrochen, wenn er Anhaltspunkte für irgendeine Nähe des Vaters des Klägers zu dem IS gehabt hätte. Sie wird nicht durch tatsächliche Erkenntnisse unterlegt, die dieser Aussage einen beachtlichen Beweiswert verliehen. Die Behauptung, der Kläger sei am Haus des Großvaters festgenommen worden, als der IS dort vergeblich nach dem Vater des Klägers gefahndet habe, der Zeuge habe seine Ehefrau bei einigen Suchaktionen nach dem Kläger begleitet, nach dessen Freilassung habe er ihn auch einmal vor Furcht zitternd und weinend gesehen, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Hierbei misst der Senat insbesondere den nicht aufgelösten Widersprüchen in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS und der sich durch die filmische Wiedergabe der Hinrichtung widerlegten Behauptung, der Kläger sei nach seiner angeblichen Festnahme "komplett kahl geschoren" worden, besonderen Wert bei.
118 (l) Ebenso wenig war dem Antrag, Frau Z. B. zum Beweis der Tatsachen, dass der Kläger am Haus seines Großvaters festgenommen und mindestens 15 Tage, möglicherweise auch einen Monat gefangen gehalten worden ist, dass sich der Vater des Klägers gelegentlich auch bei ihr zu Hause vor dem IS versteckt hat und dass er den IS entschieden abgelehnt und als "Abfall der Gesellschaft" bezeichnet hat, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugin zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise sie mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, stattzugeben.
119 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung der im Ausland aufhältigen Zeugin nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
120 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen der Zeugin einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn die Zeugin die in ihr Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
121 Eine ladungsfähige Anschrift der Zeugin benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem unvollständigen Geburtsdatum, ihrem Geburtsort, ihrem Wohnort ... und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
122 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung der Zeugin, vorgeblich einer Tante des Klägers, nicht. Die Behauptung, die Zeugin habe nach dem Einmarsch des IS ihre Schwester regelmäßig besucht und zwei- bis dreimal im Monat bei dieser übernachtet, ist für die streitgegenständlichen Fragestellungen nicht von Relevanz. Die angekündigte Aussage, der Kläger sei am Haus des Großvaters von Mitgliedern des IS verhaftet worden, die dort vergeblich den Vater des Klägers gesucht hätten, gründet nicht auf eigenen Erkenntnissen, sondern auf einer Mitteilung ihrer Schwester. Die Aussage, sie hätten gemeinsam mit ihrer Schwester nach dem Kläger "in den Straßen Mossuls" gesucht und seien bei Nachfragen bei Stellen des IS ohne Auskunft weggewiesen worden, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Hierbei misst der Senat insbesondere den nicht aufgelösten Widersprüchen in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS und der sich durch die filmische Wiedergabe der Hinrichtung widerlegten Behauptung, der Kläger sei nach seiner angeblichen Festnahme "komplett kahl geschoren" worden, besonderen Wert bei. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen begründet auch nicht die Darstellung, der Vater des Klägers habe sich gelegentlich unter anderem bei ihr zu Hause vor dem IS versteckt und den IS entschieden abgelehnt und als "Abfall der Gesellschaft" bezeichnet.
123 (m) Nicht stattzugeben war auch dem Antrag, Herrn G. zum Beweis der Tatsachen, dass der Kläger in dem Hause seines Großvaters fest- und in Haft genommen, bedroht und "leicht gefoltert" und erst wieder freigelassen worden ist, nachdem man ihn gezwungen hat, "Oberst A." zu beschimpfen, und dass der Vater des Klägers nach dem Einmarsch des IS in Mossul bedroht wurde und sich deshalb in verschiedenen Unterkünften, so bei den Eltern und Tanten des Zeugen, verborgen gehalten hat und dass er ihm gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, das der IS für ihn eine terroristische Organisation sei, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen.
124 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
125 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
126 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort, ihrem Wohnort ... und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
127 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen, eines Onkels des Klägers, nicht. Die Behauptung, der Kläger sei in dem Hause seines Großvaters fest- und in Haft genommen, bedroht und "leicht gefoltert" und erst wieder freigelassen worden, nachdem man ihn gezwungen hat, "Oberst A." zu beschimpfen, gründet nicht auf eigenen Erkenntnissen, sondern auf einer Schilderung durch den Kläger. Die Aussage, der Vater des Klägers sei nach dem Einmarsch des IS in Mossul bedroht und habe sich deshalb in verschiedenen Unterkünften, so bei den Eltern und Tanten des Zeugen, verborgen gehalten und ihm gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht, das der IS für ihn eine terroristische Organisation sei, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Hierbei misst der Senat insbesondere den nicht aufgelösten Widersprüchen in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS und der sich durch die filmische Wiedergabe der Hinrichtung widerlegten Behauptung, der Kläger sei nach seiner angeblichen Festnahme "komplett kahl geschoren" worden, besonderen Wert bei.
128 (n) Schließlich war auch dem Antrag, Herrn Z. R. zum Beweis der Tatsachen, dass der Vater des Klägers als früheres Mitglied der Baath-Partei von dem IS gesucht worden ist und sich deshalb versteckt gehalten hat, dass der Vater des Klägers zu keiner Zeit hat erkennen lassen, dass er Kontakt zu dem IS gehabt habe, sondern ihm gegenüber geäußert hat, bei dem IS handele es sich um Verbrecher, und dass der Kläger wegen der vergeblichen Suche nach seinem Vater von dem IS für drei Wochen festgenommen und unter der Bedingung entlassen worden ist, "einen General" vor dessen Hinrichtung zu beschimpfen, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise ihn mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, nicht zu entsprechen.
129 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung des im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
130 In Anwendung der unter (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen des Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussage auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen wird.
131 Eine ladungsfähige Anschrift des Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Person wird lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Geburtsort, ihrem Wohnort ... und einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Person.
132 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung des Zeugen, vorgeblich eines Nachbarn des Großvaters des Klägers, nicht. Die Behauptung, der Kläger sei am Haus des Großvaters von Mitgliedern des IS verhaftet worden, gründet nicht auf eigenen Erkenntnissen, sondern auf einer Mitteilung von Dritten. Die Aussage, der Vater des Klägers sei als früheres Mitglied der Baath-Partei von dem IS gesucht worden, wird nicht mit Einzelheiten unterlegt. Die Darstellung, aus diesem Grund sei der Kläger durch den IS festgenommen und für etwa drei Wochen festgehalten worden, bevor ihm bedeutet worden sei, er werde freigelassen, wenn er "einen General" vor dessen Hinrichtung beschimpfen würde, gründet nicht auf eigenen Erkenntnissen. Dass der Vater des Klägers zu keiner Zeit habe erkennen lassen, dass er Kontakt zu dem IS gehabt habe, vielmehr ihm gegenüber geäußert habe, bei dem IS handele es sich um Verbrecher, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Hierbei misst der Senat insbesondere den nicht aufgelösten Widersprüchen in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS und der sich durch die filmische Wiedergabe der Hinrichtung widerlegten Behauptung, der Kläger sei nach seiner angeblichen Festnahme "komplett kahl geschoren" worden, besonderen Wert bei.
133 (4) Dem Antrag, Frau Z. D. zum Beweis der Tatsachen, dass der Kläger im Oktober 2014 vor der Hinrichtung des Oberst A. von Mitgliedern des IS fest- und mitgenommen worden ist, weil man seinen Vater nicht angetroffen hat, sich etwa einen Monat in Gefangenschaft des IS befunden hat und nur gegen Lösegeld freigelassen worden ist und dass der Vater des Klägers als bekannter Baathist von dem IS gesucht und sich daher vor diesem versteckt hat, sowie Herrn Z. K. zum Beweis der Tatsachen, dass der Vater des Klägers mit Sicherheit nicht auf dem Propagandavideo zu erkennen und auszuschließen ist, dass der betrachterseitig rechts neben dem Opfer stehende Vermummte von Größe, Haltung und Bewegungsmuster mit dem Vater des Klägers personenidentisch ist, und dass der Kläger als Geisel genommen wurde, unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu laden und in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, hilfsweise sie mittels Videovernehmung in Dohuk (Republik Irak) unter Inanspruchnahme der Dienste des United Nations Investigative Team to Promote Accountability for Crimes Committed by Da'esh/ISIL (UNITAD) zu vernehmen, war nicht zu entsprechen.
134 Zu einer Wiederholung oder Fortsetzung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ist der Senat auf der Grundlage seiner Würdigung der Erkenntnisse der umfänglichen Beweisaufnahme des Kammergerichts nach den vorstehenden Erwägungen nicht verpflichtet. Die Vernehmung der Zeugen, so auch die hilfsweise beantragte Vernehmung im Wege der Videoübertragung, hätte eine Beweisaufnahme im Irak und damit im Ausland (vgl. § 363 ZPO) ersetzt, die mit Blick auf den territorialen Souveränitätsanspruch der Republik Irak grundsätzlich den irakischen Behörden im Wege der Rechtshilfe vorbehalten ist (vgl. Freymann, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl. 2022, § 279 ZPO Rn. 31 m. w. N.; Stadler, in: Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 2024, § 128a ZPO Rn. 8). Bei der am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Abwägungsentscheidung hat der Senat insbesondere die strafrichterlichen Erwägungen des Kammergerichts in seinem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 4. Juni 2021, die durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand zu erwartende Verfahrensverzögerung, den von der Klägerseite angekündigten Inhalt der Zeugenaussagen und den Umstand, dass eine Fortsetzung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung nach der Rechtsauffassung des Senats nicht veranlasst war, berücksichtigt.
135 Es läuft der aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht zuwider, der beantragten Vernehmung der im Ausland aufhältigen Zeugen nicht nachzukommen. Von der in einer entsprechenden Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gründenden Befugnis macht der Senat Gebrauch.
136 In Anwendung der unter (3) (a) (aa) aufgezeigten Maßstäbe gelangt der Senat unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Beweiswertes der angekündigten Aussagen der Zeugen einerseits und der durch den zeitlichen und organisatorischen Aufwand bedingten zu erwartenden Verfahrensverzögerung andererseits, sowie unter Einbeziehung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Kammergerichts zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss der Aussagen auf die Überzeugungsbildung des Senats auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Behauptungen bestätigen werden.
137 Eine ladungsfähige Anschrift der Zeugen benennt der Antrag nicht. Die Personen werden lediglich mit ihrem vollständigen Namen, ihrem Geburtsdatum, ihrem Wohnort ... und einer Angabe des Wohnbezirks sowie einer Telefonnummer bezeichnet. Eine rechtssichere Identifikation ist mit diesen Daten ebenso wenig möglich wie eine förmliche Ladung der betreffenden Personen.
138 Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht gebietet die Ladung und Vernehmung der Zeugen nicht.
139 (a) Die Aussage der Zeugin, vorgeblich einer Nachbarin der Familie Z. A., beobachtet zu haben, dass an einem Tag im Oktober 2014 mehrere Fahrzeuge mit bewaffneten Mitgliedern des IS zu dem Haus der Familie gefahren seien, diese in das Haus eingedrungen seien und es mit dem Kläger wieder verlassen hätten, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der auf einer umfassenden strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Hierbei misst der Senat insbesondere den nicht aufgelösten Widersprüchen in dem Vorbringen des Klägers einerseits und seines Vaters andererseits hinsichtlich der Dauer der angeblichen Ingewahrsamnahme des Klägers durch den IS und der sich durch die filmische Wiedergabe der Hinrichtung widerlegten Behauptung, der Kläger sei nach seiner angeblichen Festnahme "komplett kahl geschoren" worden, besonderen Wert bei. Die Bekundung, die Angehörigen des IS hätten den Vater des Klägers gesucht und an seiner Stelle den Kläger mitgenommen, gründet nicht auf eigenen Erkenntnissen, sondern auf Schilderungen von dessen Familienangehörigen. Die Aussage, der Vater des Klägers sei als bekannter Baathist von dem IS gesucht worden und habe sich deshalb vor dem IS verstecken müssen, lässt nicht erkennen, dass die Zeugin insoweit Details bekunden kann. Dass sich der Kläger etwa einen Monat in Gefangenschaft des IS befunden habe und nur gegen Lösegeld freigelassen worden sei, basiert auf Wissen vom Hörensagen.
140 (b) Die Aussage des Zeugen, vorgeblich eines mit dem Vater des Klägers seit Jahren bekannten Handwerkers, der Vater des Klägers sei mit Sicherheit nicht auf dem Video zu erkennen, es sei auszuschließen, dass der betrachterseitig rechts von dem Hinrichtungsopfer stehende Vermummte schon von Größe, Haltung und insbesondere auch vom Bewegungsmuster her als personenidentisch mit dem Vater des Klägers sei, ist im strafgerichtlichen Verfahren mittels Sachverständigengutachtens abweichend beurteilt worden. Die seinerzeitige Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass anhand des Videomaterials zwar nicht zu entscheiden sei, ob der Vater des Klägers identisch mit der an der Hinrichtungsstätte bildseits rechts neben dem Tatopfer stehenden maskierten Person sei, dass ein Identitätsausschluss jedoch nicht begründet werden könne. Die Wahrnehmungen des Zeugen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieses Befunds und der auf dieser strafgerichtlichen Beweisaufnahme gründenden tatsächlichen Feststellungen. Die bloße Aussage, der Kläger sei als Geisel genommen worden, ist substanzlos und gründet nicht auf eigenen Erkenntnissen, sondern auf Schilderungen von Familienangehörigen des Klägers.
141 (5) Ebenso wenig hat sich der Senat auf den mit Schriftsatz vom 20. Juni 2024 gestellten Antrag hin veranlasst sehen müssen, den im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einem irakischen Gefängnis inhaftierten Kläger persönlich oder im Videoformat anzuhören. Ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht nicht gehalten gewesen ist, von seinem Ermessen, das persönliche Erscheinen des Klägers nach § 95 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 VwGO anzuordnen, Gebrauch zu machen, hat es auch den Antrag des Klägers, ihn in der mündlichen Verhandlung persönlich anzuhören, ablehnen dürfen. Der Kläger hatte in dem gegen ihn geführten Strafverfahren umfänglich Gelegenheit, sich zu den Straftaten, wegen derer er angeklagt war, zu verhalten. Über seine Verteidigung, die Prozessbevollmächtigten zu 1, machte er von diesem Recht umfassend Gebrauch. In dem vorliegenden Verfahren und in dem Verfahren BVerwG 1 VR 1.23 ist der Kläger durchgängig durch die Prozessbevollmächtigten zu 1 und 2 vertreten worden. Diesen ist es über Mittelspersonen möglich gewesen, den Kontakt zu ihm zu halten. In Anbetracht des Umstands, dass der Kläger im Lichte der in Rechtskraft erwachsenen kammergerichtlichen Feststellungen und der bereits seinem Beschluss vom 17. Mai 2023 - 1 VR 1.23 - zugrunde liegenden Sachverhaltswürdigung schriftsätzlich nicht aufgezeigt hat, dass sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, hat das Bundesverwaltungsgericht die strafgerichtlichen Feststellungen des Kammergerichts seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen, ohne den Kläger persönlich anzuhören.
142 (6) Der Senat kann zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus -, dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Auch bei RADAR-iTE handelt es sich lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt (zuletzt BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 A 16.17 - juris Rn. 75). Ungeachtet dessen bestätigt die am 5. September 2017 durchgeführte Risikoanalyse die Gefahrenprognose des Senats. Denn auch nach Einschätzung des Bundeskriminalamts liegt die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat durch den Kläger in Deutschland im Bereich des Wahrscheinlichen (Stufe 5 von 8 auf dem BKA-Wahrscheinlichkeitsraster; BKA, Risikoanalysebericht vom 16. Februar 2023, HA Bl. 137 ff., S. 11).
143 c) Die Abschiebungsanordnung steht zudem im Einklang mit dem Unionsrecht (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 A 16.17 - juris Rn. 79). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger nach Unionsrecht wegen der von ihm ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 RL 2008/115/EG; vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 1 VR 3.18 - juris Rn. 40).
144 1.4.2 In dem der gerichtlichen Überprüfung durch § 114 Satz 1 VwGO gesetzten Rahmen begegnet die Ermessensausübung der obersten Landesbehörde keinen Bedenken. Sie steht insbesondere im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
145 a) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor, so hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ob ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde - etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung - oder Maßnahmen auf der Grundlage des Strafrechts oder des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen).
146 Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u. a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132 und Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>). Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die oberste Landesbehörde dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der von dem Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland.
147 Die oberste Landesbehörde hat ihr Entschließungsermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Kläger ausgehenden Gefahr wirksam zu begegnen. Dies ist unter den hier gegebenen Umständen angesichts der als beachtlich wahrscheinlich anzunehmenden Bereitschaft des Klägers zur Begehung oder Mitwirkung an einem mit einfachsten Mitteln jederzeit realisierbaren Terroranschlag in Deutschland und der allenfalls begrenzten Wirksamkeit auch aufwändigerer Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 1 VR 3.18 - juris Rn. 44) sowie des Umstands, dass trotz der gegen den Kläger bereits verfügten Ausweisung aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen des Fortbestehens der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG bislang nicht ergriffen werden durften, nicht zu beanstanden. Das Bestreben, das Bestehen von Abschiebungsverboten ohne Bindung an die im Asylverfahren getroffenen Feststellungen einer höchstrichterlichen Überprüfung zuzuführen, ermächtigt die oberste Landesbehörde auch nach dem Ergehen einer Ausweisungsverfügung, sich des Instruments der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG mit dem Ziel der effektiven Abwehr einer von dem Aufenthalt des Ausländers ausgehenden besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristischen Gefahr zu bedienen.
148 aa) Bei ihrer Entscheidung hat die oberste Landesbehörde die persönlichen Umstände des Klägers angemessen berücksichtigt. Dass sie sich unter Würdigung der Belange des Klägers für eine Aufenthaltsbeendigung entschieden hat, ist angesichts der von diesem ausgehenden besonderen Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Aus den sich hieraus ergebenden verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben folgt kein uneingeschränkter Anspruch eines Ausländers auf Aufenthalt im Bundesgebiet. Stehen seinem (weiteren) Aufenthalt - wie hier - öffentliche Belange entgegen, bedarf es einer Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls und die familiären Belange in angemessener Weise und mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 2013 - 10 B 14.13 - Buchholz 402.242 § 30 AufenthG Nr. 7 Rn. 4 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR).
149 Die oberste Landesbehörde war sich, wie die umfänglichen Ausführungen zu dem Nichtvorliegen nationaler Abschiebungsverbote belegen, des Umstands bewusst, dass der Kläger aufgrund der in Bezug auf seine Person erlassenen Haftbefehle nach seiner Abschiebung im Irak zunächst festgenommen und inhaftiert werden würde. Sie hat dies unter besonderer Berücksichtigung der ausführlich gewürdigten zielstaatsbezogenen Erkenntnislage nicht ermessensfehlerhaft für hinnehmbar erachtet.
150 Die oberste Landesbehörde hat des Weiteren die engen familiären Bindungen des Klägers zu seinen Eltern und seinen Brüdern gewürdigt und hierbei in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass nicht erkennbar ist, dass der volljährige Kläger auf den Beistand durch seine Familie oder diese auf seine Unterstützung angewiesen wäre. Zwischen ihm und seinen Eltern und seinen Brüdern bestand im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt allein eine Begegnungsgemeinschaft. Die familiären Beziehungen zu seiner Mutter und seinen Brüdern können auch nach der Abschiebung des Klägers mit Telefonaten und modernen Kommunikationsmitteln oder während der Dauer der Haft im Irak über Mittelspersonen aufrechterhalten werden. Eine Aufrechterhaltung der Beziehung zu seinem Vater ist, solange sich dieser in Haft befindet, jedenfalls über Mittelspersonen möglich. Überdies ist die oberste Landesbehörde ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Kläger sich weder in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet in einer der Verfestigung zugänglichen Art und Weise integriert hat noch in seiner Heimat, in der er mehr als 15 Jahre seines noch jungen Lebens gelebt hat, entwurzelt wäre.
151 Die Ermessenserwägungen tragen dem Umstand, dass der Kläger nach seiner Rückführung in den Irak aufgrund der in Bezug auf seine Person erlassenen Haftbefehle erwartungsgemäß festgenommen und inhaftiert werden würde, in Anbetracht sowohl des Hinweises auf das im Rahmen der Prüfung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten umfassend (S. 46 bis 82 des angegriffenen Bescheides) behandelte Fehlen einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit, Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, Doppelbestrafung und Todesstrafe unterworfen zu werden (S. 43 des angegriffenen Bescheides), als auch der in diesem Zusammenhang explizit (S. 54, 57, 58, 69, 71, 73, 74, 79, 80 und 82 des angegriffenen Bescheides) behandelten oder jedenfalls konkludent (S. 50, 52, 54, 55, 57, 75 und 78 des angegriffenen Bescheides) mitberücksichtigten Haftsituation noch hinreichend Rechnung.
152 Nicht zu beanstanden ist zudem die Annahme der obersten Landesbehörde, dem Kläger sei eine Eingliederung in die Lebensverhältnisse in der Republik Irak möglich und zumutbar. Als alleinstehendem, jungem und gesundem Mann ist es ihm zuzumuten, sich in die Lebensverhältnisse in dem Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er spricht und in dem er aufgewachsen ist und seine schulische Prägung erfahren hat, einzufinden und seinen Lebensunterhalt nach einer Entlassung aus der Haft aus der Ausübung von Erwerbstätigkeiten, notfalls auch durch Gelegenheitsarbeiten, zu bestreiten. Das Fortbestehen familiärer Bindungen in den Irak wird ihm nach seiner Haftentlassung das Wiedereinfinden in die dortigen Gesellschaftsverhältnisse erleichtern. Dies gilt umso mehr, als er einer dort ansässigen vermögenden Familie entstammt und sich der Unterstützung von Verwandten väterlicher- als auch mütterlicherseits gewiss sein darf. Seinen Angaben zufolge leben in ... noch drei Onkel und drei Tanten väterlicherseits. Die Familie seines Vaters, eine Akademikerfamilie, sei wohlhabend. Sie und auch die im Irak lebenden Verwandten mütterlicherseits seien bereit, ihm zu helfen, wenn er in Schwierigkeiten sei (Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 28 f.). Soziale oder berufliche Bindungen an das Bundesgebiet, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann von einer auch nur ansatzweise gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers in die hiesigen Verhältnisse nicht ausgegangen werden.
153 bb) Der Recht- und Verhältnismäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass sie nach deutscher Rechtslage im Falle einer Abschiebung mit einem grundsätzlich unbefristeten Fernhalten vom Bundesgebiet verbunden werden soll (§ 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5b AufenthG) und die oberste Landesbehörde von der Annahme einer möglichen Ausnahme abgesehen hat. Selbst eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots würde nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da auch unionsrechtlich ein Einreiseverbot zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet wird (vgl. Art. 11 Abs. 1a RL 2008/115/EG: "gehen [...] einher"), aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung darstellt, die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 RL 2008/115/EG). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie 2018/115/EG Anhaltspunkte für einen "Rechtswidrigkeitszusammenhang" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 A 3.18 - BVerwGE 164, 317 Rn. 83).
154 b) Ein Auswahlermessen kommt nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 39). Die Anordnung der Abschiebung des Klägers in die Republik Irak stellt sich daher als ermessensfehlerfrei dar.
155 1.4.3 Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung standen im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG nicht entgegen. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder in Anknüpfung an den subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. An die hierzu getroffenen Feststellungen aus anderen Verfahren ist sie hierbei nicht gebunden (§ 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
156 a) Der Kläger vermag sich nicht mit Erfolg auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu berufen.
157 Danach darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. § 60 Abs. 1 AufenthG findet gemäß § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG a. F. keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist (vgl. auch Art. 33 Abs. 2 GFK, ferner Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 1 RL 2011/95/EU).
158 Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen dieser Normen. Er ist im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG a. F. aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Wegen der diesbezüglichen Feststellungen wird auf die vorstehenden Ausführungen zu 1.4.1 b) verwiesen.
159 b) Der Kläger kann sich im vorliegenden Verfahren auch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 5 AufenthG berufen.
160 aa) Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG, der an Art. 15 Buchst. a und b RL 2011/95/EU anknüpft, gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe sowie Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verschafft dem absoluten Charakter des Abschiebungsschutzes aus Art. 3 EMRK in solchen Fällen Geltung, in denen der Ausländer von der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus trotz Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG wegen des Vorliegens von Ausschlussgründen nach § 4 Abs. 2 AsylG ausgeschlossen ist (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 49).
161 bb) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Demgemäß darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn ihm in dem Zielland der Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe droht. Der sachliche Regelungsbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG entspricht weitgehend dem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG. Er geht über dieses jedenfalls, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, nicht hinaus (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 36). Dem entsprechen auch Art. 4 und 19 Abs. 2 GRC.
162 Im Lichte der Art. 1 der Protokolle Nr. 6 und 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe, denen zufolge die Todesstrafe abgeschafft ist und niemand zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden darf, verbietet Art. 2 EMRK die Auslieferung oder Ausweisung einer Person in einen anderen Staat, wenn ernsthafte Gründe für die Gefahr bewiesen sind, dass gegen sie die Todesstrafe nicht nur verhängt, sondern auch vollstreckt wird (EGMR, Urteile vom 19. November 2009 - Nr. 41015/04, Kaboulov/Ukraine - Rn. 99 ff., vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U. K. - Rn. 115 ff., 123, 137 und 144 und vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 576 ff.). In diesem Sinne ist auch Art. 19 Abs. 2 GRC auszulegen.
163 Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK setzt die tatsächliche Gefahr der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe voraus. Erforderlich ist das Bestehen einer ausreichenden realen Gefahr, die nicht nur auf bloßen Spekulationen beruht, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss aufgrund aller Umstände des Falles ernsthaft bestehen und darf nicht hypothetisch sein. Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Art. 3 EMRK-widrige Behandlung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Ein gewisser Grad an Mutmaßung ist dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent, sodass ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis dafür, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht verlangt werden kann (BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10.21 - BVerwGE 175, 227 Rn. 13 f. m. w. N.). Selbst wenn eine solche Gefahr im Einzelfall droht, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen durch eine diplomatische Zusicherung ausgeschlossen werden (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - Nr. 8139/09, Othmann/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2013, 487 Rn. 189; hierzu auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Rechtsfragen zur Verfahrensordnung des EGMR sowie zur Rechtsprechung des EGMR hinsichtlich diplomatischer Zusicherungen, 2023, S. 9 ff.).
164 Im Anwendungsbereich der Art. 2 und 3 EMRK gebietet es Art. 19 Abs. 4 GG, den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit zu verschaffen. Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert dieser Rechte Rechnung zu tragen und die Europäische Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. In Fällen, in denen es um die Beurteilung der Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in einem Drittstaat geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Mai 2018 - 2 BvR 632/18 - NVwZ 2018, 1390 Rn. 37 f.).
165 cc) Gemessen daran bestand im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht die reale Gefahr, dass gegen den Kläger im Falle seiner Abschiebung in die Republik Irak im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG und von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK die Todesstrafe verhängt und vollstreckt oder er der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen wird.
166 (1) Der Senat folgt, soweit es die reale Gefahr der Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe betrifft, den Gründen der in Bezug auf den Kläger ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Juli 2020 - VG 25 L 120.20 A - (juris Rn. 25 ff.) und vom 13. Dezember 2021 - VG 25 K 507.19 A - (VG, UA S. 23 f.).
167 (a) Die Todesstrafe ist im irakischen Strafrecht vorgesehen. Sie wird unter anderem insbesondere bei Mord und terroristischen Aktivitäten, vor allem gegen mutmaßliche "IS"-Kämpfer, sowohl verhängt als auch vollstreckt. Die einschlägigen Straftatbestände sind unklar formuliert. Der Begriff der terroristischen Handlung wird weit und vage gefasst (Auswärtiges Amt, Bericht vom 28. Oktober 2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak <Stand Oktober 2022>, S. 20 f.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 8. Mai 2019 - a-10971 - S. 3; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 30. April 2020 - a-11242 - S. 1; ECPM, Iraq's compliance with the ICCPR, 31. Januar 2022, I.6.; EUAA, Irak - Gezielte Gewalt gegen Individuen, Januar 2022, S. 14 f.). Gemäß Art. 4 Satz 1 des im Jahr 2005 erlassenen Antiterrorgesetzes Nr. 13 (im Folgenden: ATG 2005) wird, wer als Haupttäter oder Teilnehmer eine der in den Art. 2 und 3 dieses Gesetzes genannten terroristischen Handlungen begeht, zum Tode verurteilt. Nach Art. 4 Satz 2 ATG 2005 wird mit der gleichen Strafe wie der Haupttäter belegt, wer Terroristen zur Begehung der in diesem Gesetz genannten Straftaten anstiftet, diese plant, finanziert oder unterstützt. Art. 2 ATG 2005 benennt eine Mehrzahl terroristischer Handlungen, darunter 1. Gewalttätigkeiten, die darauf abzielen, das Leben von Menschen zu gefährden, ungeachtet ihrer Motive und Zwecke, die der Ausführung einer terroristischen Handlung zugrunde liegen, und 3. die Organisation und Leitung einer bewaffneten terroristischen Vereinigung, die Terrorismus praktiziert und plant, oder die Beteiligung an einer solchen Vereinigung oder die Teilnahme an einer von dieser praktizierten oder geplanten terroristischen Handlung. Art. 3 ATG 2005 regelt Straftaten gegen die Staatssicherheit.
168 (b) Die Todesstrafe ist indes für zur Tatzeit Minderjährige nicht vorgesehen. Gemäß Art. 66 Satz 1 des im Juli 1969 beschlossenen irakischen Strafgesetzbuchs Nr. 111 in der Fassung vom 14. März 2010 (im Folgenden: StGB Irak 2010) gilt als Jugendlicher jede Person, die im Alter zwischen sieben und 18 Jahren eine Straftat begeht. Ist der Jugendliche zur Zeit der Begehung der Straftat noch nicht 15 Jahre alt, so gilt er nach Art. 66 Satz 2 StGB Irak 2010 als Kind; ist er zwischen 15 und 18 Jahren alt, so gilt er nach dieser Norm als Jugendlicher. Gemäß Art. 73 Abs. 1 StGB Irak 2010 wird ein Jugendlicher, der ein Verbrechen begeht, in einer Schule für jugendliche Straftäter für eine Dauer von mindestens zwei Jahren und höchstens 15 Jahren untergebracht, wenn das Verbrechen mit Todesstrafe oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht ist. Nach Art. 74 Abs. 1 StGB Irak 2010 soll das Alter eines Jugendlichen zum Zeitpunkt der Begehung einer Straftat die Grundlage für die Feststellung seiner Verantwortlichkeit sein. Begeht ein Jugendlicher eine Straftat und hat er zum Zeitpunkt der Verurteilung das 18. Lebensjahr vollendet, so erhält er gemäß Art. 74 Abs. 3 Satz 1 StGB Irak 2010 die für diese Straftat vorgesehene Strafe, als wäre er ein Jugendlicher, wobei das Gericht den Aufenthalt in einer Erziehungsanstalt durch eine Unterbringung in einer Schule für junge Straftäter ersetzen kann. Nach Art. 74 Abs. 3 Satz 2 StGB Irak 2010 kann die Unterbringung in einer Schule für junge Straftäter auch durch eine entsprechende Gefängnisstrafe ersetzt werden, wenn die begangene Straftat ein Verbrechen ist, oder durch einen Gewahrsam, wenn es sich um ein Vergehen handelt, für einen Zeitraum, der dem entspricht, der für das Begehen dieser Straftat verhängt werden kann (vgl. auch Al-Sarraf, Memorandum vom 13. September 2018 zu einer Anfrage der Deutschen Botschaft Irak in Bezug auf das Strafrecht und Minderjährige, Antworten zu II 1., 4. und 5.; UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq: Trials under the anti-terrorism laws and implications for justice, accountability and social cohesion in the aftermath of ISIL, Januar 2020, S. 4 und Annex II.3).
169 Dass das irakische Strafrecht die Verhängung der Todesstrafe gegenüber Minderjährigen nicht vorsieht, bestätigt auch die mit Verbalnote der Botschaft der Republik Irak in B. vom 21. Oktober 2019 erteilte diplomatische Zusicherung. Danach "verbietet das irakische Gesetz die Verhängung der Todesstrafe gegenüber Straftätern, die bei Ausübung der Straftat noch minderjährig waren (irakisches Strafgesetzbuch Art. 79), welcher besagt, dass derjenige nicht zu einer Todesstrafe verurteilt wird, wenn er bei Ausübung der Straftat unter 18 Jahre alt war und das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und die Todesstrafe durch eine lebenslange Freiheitsstrafe ersetzt wird". Dabei dürfte es sich allerdings um einen Übersetzungsfehler handeln, da die Vorschrift ausweislich der englischen Fassung des irakischen Strafgesetzbuchs ausdrücklich nur Heranwachsende betrifft, die bei Begehung der Tat zwischen 18 und 20 Jahre alt waren. Ist für diese aber die Todesstrafe ausgeschlossen, so gilt dies erst recht für bei Tatbegehung minderjährige Straftäter, ohne dass diesen indes die in der Vorschrift angesprochene lebenslange Freiheitsstrafe droht.
170 Diese Rechtslage findet ihre Entsprechung in der Auskunftslage, der zufolge Erkenntnisse, dass die Todesstrafe in der Republik Irak in jüngerer Zeit gegen zur Tatzeit Minderjährige verhängt oder gar verhängt und vollzogen worden ist, nicht vorliegen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11. Juni 2020 - 508-516.80/54146 -, S. 2; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 8. Juli 2020 - VG 25 L 120/20 A - BA S. 8).
171 (c) Gemessen daran muss der Kläger, obwohl diesem gegenüber ausweislich der auf ein Rechtshilfeersuchen deutscher Behörden ergangenen Verbalnote des Außenministeriums der Republik Irak vom 9. April 2019 seitens des Untersuchungsgerichts Q. wegen einer Straftat nach "Artikel 4/Terrorismus", mithin Art. 4 ATG 2005, im Kontext der Ermordung von Oberst A. ein nationaler und ein internationaler Haftbefehl ergangen ist, nicht besorgen, dass die Todesstrafe gegen ihn auch nur verhängt wird, weil der irakische Staat ihn, wie auch aus der Mitteilung des Iraqi National Intelligence Service vom 25. September 2019 hervorgeht, als zum Zeitpunkt der Begehung der ihm vorgeworfenen Tat 15 Jahre alt und damit minderjährig ansieht.
172 (2) Der Kläger vermag sich hinsichtlich einer ihm im Falle seiner Abschiebung im Irak etwaig drohenden erneuten Bestrafung wegen der Beteiligung an der Hinrichtung von Oberst A. und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auch nicht mit Erfolg auf ein Verbot der Doppelbestrafung zu berufen.
173 (a) Ob den seitens des Auswärtigen Amtes eingeholten diplomatischen Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak in B. zu entnehmen ist, dass ein erneutes Strafverfahren gegen den Kläger wegen einer Beteiligung an der Hinrichtung von Oberst A. und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ausgeschlossen ist, bedarf weiterhin keiner abschließenden Entscheidung.
174 Mit Verbalnote vom 21. Oktober 2019 hatte die Botschaft der Republik Irak in B. auf Art. 19 Abs. 5 der am 15. Oktober 2005 angenommenen irakischen Verfassung (im Folgenden: Verf) sowie auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 StGB Irak 2010 verwiesen. Gemäß Art. 19 Abs. 5 Satz 2 Verf darf der Angeklagte nach einem Freispruch wegen desselben Verbrechens nicht ein zweites Mal strafrechtlich verfolgt werden, es sei denn, dass neue Beweise vorgelegt werden (vgl. hierzu indes auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 18. April 2012 - 508-92-516.80/46583 -, S. 2, ausweislich derer wegen der Geltung des Grundsatzes "ne bis in idem" nur innerhalb derselben Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein irakischer Staatsangehöriger, der im Ausland eine Strafe verbüßt habe, nicht für dieselbe Tat im Irak noch einmal belangt werde). Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 StGB Irak 2010 kann gegen eine Person, die außerhalb des Irak eine Straftat begeht, nur mit Genehmigung des Justizministers ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden. Die betreffende Person kann gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 StGB Irak 2010 nicht vor Gericht gestellt werden, wenn sie bereits von einem ausländischen Gericht rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde und die in diesem Verfahren gegen sie verhängte Strafe vollständig verbüßt wurde oder wenn das betreffende Verfahren oder die betreffende Strafe nach geltendem Recht für nichtig erklärt oder aufgehoben wurde und die rechtskräftige Verurteilung, die Aufhebung des Verfahrens oder die Aufhebung der Strafe in die Zuständigkeit des Landes fällt, in dem das Urteil ergangen ist. Auf die Bitte des Auswärtigen Amtes zuzusichern, dass der Kläger im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung in Deutschland nicht erneut in derselben Angelegenheit strafrechtlich verfolgt würde, teilte die Botschaft der Republik Irak in B. mit Verbalnote vom 8. Juni 2020 mit, die irakische Verfassung und das irakische Strafgesetz Nr. 111 des Jahres 1969 gäben die Zusicherungen, die in der Verbalnote des Auswärtigen Amtes erwähnt worden seien, in Art. 19 Abs. 5 Verf und Art. 14 StGB Irak 2010. Demnach werde "hier zugesichert, dass Herrn R. kein erneuter Prozess die die Straftat drohen würde, gemäß des Respektierung und Einhaltung der irakischen Verfassung und der in Punkt 4 erwähnten Erläuterung des Strafgesetzes". Mit Verbalnote vom 1. Juni 2021 bekräftigte die Botschaft der Republik Irak in B., dass, sollte der Kläger von der deutschen Justiz verurteilt werden, es nicht mehr möglich sein werde, dass der Kläger "erneut in einem weiteren Prozess über dieselbe Angelegenheit angeklagt" werde. Ausweislich einer von dem Auswärtigen Amt beauftragten Übersetzung der Verbalnote "garantiert" die Botschaft der Republik Irak in B., "dass in Einhaltung von" Art. 19 Abs. 5 Verf und Art. 14 StGB Irak 2010 "Herr R. kein weiteres Mal wegen derselben Beschuldigung vor Gericht gestellt werden wird".
175 (b) Selbst für den Fall, dass der Kläger nach einer Abschiebung im Irak wegen derselben Handlungen erneut strafrechtlich verurteilt würde, wäre die ihn nach den Erkenntnissen zu (1) (b) erwartende Strafandrohung für sich genommen nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot zu begründen.
176 Eine Geltung des Grundsatzes "ne bis in idem" ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht aus Art. 103 Abs. 3 GG. Das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung steht einer durch die Abschiebung ermöglichten neuerlichen Verfolgung derselben oder im Wesentlichen gleichen, den Ausländer betreffenden und nach Ort und Zeit zusammengehörenden Tatsachen, durch einen anderen Staat nicht entgegen. Eine solche Mitwirkung verstößt als solche auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip oder sonstige verfassungsrechtliche Gewährleistungen (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1987 - 2 BvM 2/86 - BVerfGE 75, 1 <16>). Art. 4 Nr. 1 des von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifizierten Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 22. November 1984, dem zufolge niemand wegen einer Straftat, wegen derer er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden darf, steht wie Art. 103 Abs. 3 GG nur einer neuerlichen Strafverfolgung durch denselben Staat entgegen. Ebenso verhält es sich in Bezug auf Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dem zufolge niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen derer er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, erneut verfolgt oder bestraft werden darf. Die Republik Irak ist nicht Vertragsstaat des Schengener Durchführungsübereinkommens, dessen Art. 54 es einer Vertragspartei untersagt, eine Person, die durch eine andere Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, wegen derselben Tat zu verfolgen, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Ebenso wenig ist die Republik Irak an Art. 50 GRC gebunden, der es einem Mitgliedstaat untersagt, eine Person wegen einer Straftat, deretwegen diese bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut zu verfolgen oder zu bestrafen. Überdies ist auch eine dem Grundsatz "ne bis in idem" entsprechende allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 Satz 1 GG nicht feststellbar, da Staaten die Ausgestaltung und Ausübung ihrer Strafgewalt als wesentliches souveränes Recht betrachten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Dezember 2011 - 2 BvR 148/11 - NJW 2012, 1202 Rn. 33). Eine Doppelbestrafung stellt auch im Übrigen grundsätzlich keine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar.
177 Allerdings ist es der Bundesrepublik Deutschland im Lichte von Art. 3 EMRK, aber auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verwehrt, einen Ausländer abzuschieben, wenn die Strafe, die gegen ihn in dem Zielland der Abschiebung verhängt würde, unerträglich hart, mithin unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erschiene, mit Blick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in einem Drittstaat wegen derselben Tat erlittenen Strafe diese äußerste Grenze überschritte oder grausam, unmenschlich oder erniedrigend wäre. Abweichendes gilt hingegen dann, wenn die zu vollstreckende Strafe lediglich als in hohem Maße hart anzusehen ist und bei einer strengen Beurteilung anhand deutschen Verfassungsrechts bereits nicht mehr als angemessen erachtet werden könnte. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus (Präambel, Art. 24 bis 26 GG). Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1987 - 2 BvM 2/86 - BVerfGE 75, 1 <17 f.>).
178 Eine dem Kläger für den Fall der Nichteinhaltung der vorstehenden diplomatischen Zusicherung nach dem unter (1) dargestellten Strafrahmen des Art. 73 Abs. 1 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 StGB Irak 2010 drohende neuerliche Strafe von zwei bis 15 Jahren stellte sich zwar bei unterstellter Ausschöpfung der Obergrenze als für den Kläger in hohem Maße hart dar; sie erwiese sich jedoch trotz des bereits im Bundesgebiet erfolgten Freiheitsentzuges wegen der Schwere der in Rede stehenden Straftaten noch nicht als unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1987 - 2 BvM 2/86 - BVerfGE 75, 1 <18 ff.>; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 C 60.20 - Buchholz 402.261 § 6 FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 57 m. w. N.).
179 (c) Der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 gestellte Antrag, im Wege eines Rechtshilfeersuchens die Ermittlungsakte des Klägers - in Bezug genommen ist der strafrechtliche Ermittlungsvorgang einer irakischen Behörde, der Grundlage des Strafverfahrens ist, das gegen den Kläger in der Republik Irak "wegen exakt desselben Vorwurfs, zu dem der Kläger in Deutschland vom Kammergericht verurteilt worden ist", eingeleitet worden sei - beizuziehen, ist unzulässig. Der Antrag ist unsubstantiiert, da er weder die aktenführende irakische Strafverfolgungsbehörde nebst Anschrift noch das den Kläger betreffende Aktenzeichen benennt.
180 (d) Der auf der Grundlage des Schriftsatzes vom 28. November 2024 in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, den Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in ... als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Kläger seit seiner Abschiebung in den Irak wegen der Tat inhaftiert ist, zu der er vom Kammergericht schon rechtskräftig verurteilt und bestraft worden ist, ist unzulässig, da sie für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass der Kläger auf der Grundlage eines im Kontext der Ermordung von Oberst A. ergangenen Haftbefehls inhaftiert worden ist, erlaubt nicht den Rückschluss, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt davon auszugehen gewesen wäre, dass der Kläger einer unzulässigen Doppelbestrafung unterzogen werden würde, der er auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unterzogen worden ist. In diesem Zusammenhang darf zudem nicht außer Betracht bleiben, dass den irakischen Behörden und Gerichten im Zeitpunkt der Vollstreckung des Haftbefehls das gegen den Kläger ergangene und zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsene Urteil des Kammergerichts nicht vorgelegen hat.
181 (3) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen ihn im Falle seiner Abschiebung in die Republik Irak erwartender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.
182 (a) Eine solche Gefahr war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich. Ob der Kläger nach seiner Abschiebung in den Irak und damit nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt - wie von ihm behauptet - gefoltert worden ist, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung.
183 (aa) Gemäß Art. 37 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 Verf sind im Irak alle Formen von psychischer und physischer Folter und unmenschlicher Behandlung verboten. Nach Art. 37 Abs. 1 Buchst. c Satz 2 Verf darf ein unter Zwang, Drohung oder Folter abgelegtes Geständnis nicht verwertet werden. Art. 333 StGB Irak 2010 bestimmt zudem, dass jeder Beamte oder Bedienstete des öffentlichen Dienstes, der einen Angeklagten, Zeugen oder Informanten foltert oder die Folterung eines solchen anordnet, um ihn zu einem Geständnis über die Begehung einer Straftat oder zu einer Aussage oder zu einer Information über eine solche Straftat zu zwingen oder um ihm eine Information vorzuenthalten oder eine bestimmte Meinung über die Straftat zu äußern, mit Freiheitsentzug oder mit Strafhaft bestraft wird. Dabei gilt als Folter auch die Anwendung von Gewalt oder Drohungen. Gemäß Art. 127 der irakischen Strafprozessordnung in der Fassung des Gesetzes Nr. 23 aus 1971, zuletzt geändert am 14. März 2010 (im Folgenden: StPO 2010) ist die Anwendung jeglicher illegaler Methoden zur Beeinflussung des Beschuldigten und zur Erlangung eines Geständnisses nicht zulässig, wobei Misshandlungen, Drohungen, Verletzungen, Verlockungen, Versprechungen, psychologische Beeinflussung oder die Verwendung von Drogen oder Rauschmitteln als illegale Methoden gelten (vgl. zum Ganzen auch UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq, August 2021, S. 9 f.). Die Republik Irak hat sowohl das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet als auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Arabische Charta der Menschenrechte, verabschiedet vom Rat der Liga der arabischen Staaten am 15. September 1994, überarbeitet am 15. Januar 2004, ratifiziert.
184 Dennoch wird Folter weiterhin und systematisch von staatlichen Akteuren, insbesondere von Polizei- und Sicherheitskräften und in Haftanstalten, gerade auch zur Erzwingung von Geständnissen, eingesetzt. Derartige erzwungene Geständnisse fungierten in strafgerichtlichen Verfahren häufig als Beweisquellen (Auswärtiges Amt, Bericht vom 28. Oktober 2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak <Stand Oktober 2022>, S. 19 f.; Auswärtiges Amt, Bericht vom 5. Juni 2024 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak - 508-516.80/3 IRQ VS-NfD <Stand April 2024> -, S. 6 und 25 f.; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 22. August 2022, S. 133 f.; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 28. März 2024, S. 121, 136 ff. und 237; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 26. April 2022 - a-11897 - S. 4; Amnesty International, Amnesty Report Irak 2019 vom 18. Februar 2020, S. 7; Bertelsmann-Stiftung, BTI 2022 Country Report Iraq, 23. Februar 2022, S. 13 f.; ECPM, Iraq's compliance with the ICCPR, 31. Januar 2022, II.9. ff. und IV.23. ff.; EUAA, Irak - Gezielte Gewalt gegen Individuen, Januar 2022, S. 14 ff.; EUAA, Country Guidance: Iraq, Juni 2022, S. 85 und 90; Human Rights Watch, World Report 2022, S. 345; Human Rights Watch, Iraq - Events of 2021, S. 3 f.; Human Rights Watch, Iraq: Appeals Courts Ignoring Torture Claims, 25. September 2019; UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq: Legal conditions and procedural safeguards to prevent torture and ill-treatment, August 2021, S. 11 f.; UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq: Trials under the anti-terrorism laws and implications for justice, accountability and social cohesion in the aftermath of ISIL, Januar 2020, S. 7 ff.; US Department of State, Iraq 2022 Human Rights Report, S. 6 f. und 15 f.; US Department of State, Iraq 2021 Human Rights Report, S. 6 f.; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 8. Juli 2020 - VG 25 L 120/20 A - BA 8 f. und Urteil vom 13. Dezember 2021 - VG 25 K 507.19 A - UA S. 10 f.). Die Republik Irak ist sich der Problematik bewusst. Das Justizministerium hat einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter vorgelegt (UNAMI, Human Rights in the Administration of Justice in Iraq, August 2021, Annex I, S. 26).
185 (bb) Mit Verbalnote vom 21. Oktober 2019 hat die Botschaft der Republik Irak in B. dem Auswärtigen Amt versichert, dass sich die zuständigen irakischen Justizbehörden an geltende internationale Gesetze und Übereinkommen wie z. B. den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte hielten, "was demgemäß bedeutet, dass keinerlei Folterung für den Angeklagten zu erwarten ist". Mit Verbalnote vom 8. Juni 2020 hat die Botschaft ergänzend ausgeführt, die irakische Verfassung und das irakische Strafprozessrecht sichere das Recht auf einen Rechtsbeistand zu. Gemäß Art. 19 Abs. 4 Verf werde zugesichert, dass "das Verteidigungsrecht heilig ist und für alle Prozessverläufe zugesichert wird". Nach Art. 19 Abs. 11 Verf bestelle das Gericht auf Kosten des Staates einen Rechtsanwalt für einen eines Verbrechens oder Vergehens Angeklagten, der keinen Verteidiger hat. Nach Art. 123 Buchst. B Abs. 2 StPO 2010 habe der Beschuldigte das Recht, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen; wenn er nicht in der Lage sei, sich einen Anwalt zu leisten, werde das Gericht dem Angeklagten kostenlos einen Anwalt zur Verfügung stellen. Falls der Kläger inhaftiert würde, "stünde nichts dagegen, z. B. dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) bei Inhaftierung ein Besuchsrecht im konkreten Fall einzuräumen". Mit dieser Verbalnote hat die Botschaft der Republik Irak in B. dem Auswärtigen Amt zudem neuerlich versichert, dass "der irakische Staatsbürger R. keinesfalls einer Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt würde und er gemäß den irakischen Gesetzen behandelt würde", und in diesem Zusammenhang auf Art. 37 Verf, Art. 333 StGB Irak 2010 und Art. 127 StPO 2010 verwiesen. Mit Verbalnote vom 1. Juni 2021 hat die Botschaft der Republik Irak - wie bereits in den beiden vorausgehenden Verbalnoten - ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die bezeichneten verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Vorschriften den deutschen Behörden zur hinreichenden Vergewisserung dienen mögen, dass der Kläger nach seiner Überstellung an die zuständigen irakischen Behörden "eine humane und väterliche Behandlung" erfahren werde.
186 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Recht der Auslieferung sind vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Diese Rechtsprechung ist auf die besondere Konstellation des § 58a AufenthG zu übertragen. Auch hier ist es grundsätzlich zulässig, durch geeignete Zusicherungen die Befürchtung auszuräumen, dem betroffenen Ausländer drohe im Abschiebezielstaat möglicherweise eine gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Von der gänzlichen Ungeeignetheit der Zusicherung des anderen Staates muss dabei nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 47 f. m. w. N.). Die Anforderungen an die Verlässlichkeit einer diplomatischen Zusicherung werden maßgeblich durch die Bedingungen im Abschiebezielland und den konkreten Inhalt der Zusicherung bestimmt. Ob eine solche Zusicherung den jeweils bestehenden Bedenken Rechnung trägt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Das Fachgericht hat anhand dieser Maßstäbe zu prüfen, ob die Zusicherung die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 EMRK wirksam ausschließt und insbesondere den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Anforderungen entspricht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 49). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist im Rahmen der Prüfung der Qualität und der Verlässlichkeit der durch das Zielland der Abschiebung erteilten diplomatischen Zusicherungen unter anderem zu berücksichtigen, 1. ob der Inhalt der Zusicherungen dem Gericht offengelegt wird, 2. ob die Zusicherungen spezifisch oder allgemein und vage sind, 3. wer die Zusicherungen gegeben hat und ob diese Person den Empfangsstaat binden kann, 4. wenn die Zusicherungen von der Zentralregierung des Aufnahmestaats abgegeben wurden, ob von den lokalen Behörden erwartet werden kann, dass sie sich daran halten, 5. ob die Zusicherungen eine Behandlung betreffen, die im Aufnahmestaat rechtmäßig oder rechtswidrig ist, 6. ob sie von einem Vertragsstaat erteilt sind, 7. die Dauer und Stärke der bilateralen Beziehungen zwischen dem abschiebenden und dem aufnehmenden Staat, einschließlich des Verhaltens des Aufnahmestaats bei der Einhaltung ähnlicher Zusicherungen, 8. ob die Einhaltung der Zusicherungen objektiv durch diplomatische oder andere Überwachungsmechanismen überprüft werden kann, einschließlich der Gewährung eines ungehinderten Zugangs zu den Anwälten des Klägers, 9. ob es im Aufnahmestaat ein wirksames System zum Schutz vor Folter gibt, einschließlich der Frage, ob er bereit ist, mit internationalen Überwachungsmechanismen (einschließlich internationaler Menschenrechts-NGOs) zusammenzuarbeiten, und ob er bereit ist, Foltervorwürfe zu untersuchen und die Verantwortlichen zu bestrafen, 10. ob der Kläger zuvor im Aufnahmestaat misshandelt worden ist, und 11. ob die Zuverlässigkeit der Zusicherungen von den inländischen Gerichten des abschiebenden Staats geprüft worden ist (EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - Nr. 8139/09 - NVwZ 2013, 487 Rn. 189).
187 An diesen Kriterien gemessen rechtfertigten die mit Verbalnoten vom 21. Oktober 2019, 8. Juni 2020 und 1. Juni 2021 von der Botschaft der Republik Irak erteilten diplomatischen Zusicherungen im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Feststellung, dass dem Kläger nach einer Abschiebung im Irak im Falle einer Festnahme oder Inhaftierung keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohte. Der Inhalt der Zusicherungen ist seitens des Auswärtigen Amtes offengelegt worden. Die Zusicherungen sind jeweils in Bezug auf die Person des Klägers erteilt worden. Ausdrücklich wird zugesichert, dass der Kläger keinesfalls einer Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt und er gemäß den irakischen Gesetzen behandelt würde, die im Einzelnen bezeichnet oder zitiert werden. Verbalnoten werden, auch wenn sie - wie vorliegend - von einer Auslandsvertretung, hier der Botschaft der Republik Irak in B., verfasst werden, im Namen des gesamten Staates übermittelt. Es kann grundsätzlich und auch hier davon ausgegangen werden, dass ihr Inhalt intern mit den zuständigen Ministerien oder anderen Behörden abgestimmt ist (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 6. Oktober 2021 - 516.50 IRQ-RIY ADH -). Der Fall des Klägers ist der erste, in dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Zusicherungen der Republik Irak dieser Art angefragt und erhalten hat. Erfahrungswerte zur Verlässlichkeit dieser Zusicherungen können daher nicht vorliegen. Der Umstand, dass das Auswärtige Amt auf der Grundlage der Gespräche mit der Botschaft der Republik Irak in B. davon ausgeht, dass mit dem Fall des Klägers und den an die Bundesrepublik Deutschland übermittelten Zusicherungen der Protokollchef des Außenministeriums, der Leiter der Europaabteilung des Außenministeriums, der Vizeaußenminister, der für die Untersuchungshaft zuständige Oberste Justizrat und der für den Haftvollzug zuständige Justizminister befasst gewesen sind (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 6. Oktober 2021 - 516.50 IRQ-RIY ADH -), rechtfertigte die Erwartung, dass sich die Republik Irak auch wegen der besonderen Bedeutung, der diesen ersten Zusicherungen seitens der Bundesrepublik Deutschland für die Zusammenarbeit beider Staaten im Bereich der inneren Sicherheit und in justiziellen Angelegenheiten beigemessen wird, an die unter hochrangiger Beteiligung verschiedener Ressorts und des Obersten Justizrats erteilten Zusicherungen strikt halten wird. Dies gilt umso mehr, als die Botschaft der Republik Irak in jeder der drei Verbalnoten ausdrücklich um das Vertrauen des Auswärtigen Amtes und der deutschen Justizbehörden darauf wirbt, dass sich der Kläger nach Ankunft in der Republik Irak einer "menschlichen und fürsorglichen Behandlung durch die zuständigen irakischen Behörden sicher sein kann". Würde ein solches Vertrauen in die Einhaltung dieser erstmals gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erteilten Zusicherungen enttäuscht, so hätte dies unweigerlich nicht nur eine nachhaltige Störung der Beziehungen beider Staaten, sondern auch der justiziellen Zusammenarbeit mit anderen Staaten zur Folge, an der die Republik Irak kein Interesse haben kann. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Irak verbinden freundschaftliche Beziehungen. In den Jahren seit 2014 hat Deutschland die Republik Irak mit weit mehr als 3 Milliarden € im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit, Stabilisierung und humanitärer Hilfe unterstützt. Deutschland gehört damit neben den USA und Japan zu den drei größten Gebern im Land. Das deutsche militärische Engagement im Rahmen der Anti-IS-Koalition und der NATO-Mission Irak ergänzt das deutsche und internationale zivile Stabilisierungsengagement. Deutschland engagiert sich im Irak auch und insbesondere mit Blick auf die Folgen des Klimawandels. Die Republik Irak steht auf der Liste der Länder, die weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Die irakische Regierung setzt sich für eine Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ein. Auch im Kultur- und Bildungsbereich besteht eine enge Zusammenarbeit. Jährlich kommen mehrere Hundert irakische Studierende und Wissenschaftler über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) nach Deutschland. Zudem werden Kooperationen zwischen deutschen und irakischen Hochschulen, darunter 14 Hochschulpartnerschaften, gefördert (Auswärtiges Amt, Irak: Beziehungen zu Deutschland, 22. Oktober 2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/irak-node/bilaterale-beziehungen/203980). Die Einhaltung der Zusicherungen gibt der Republik Irak zudem Gelegenheit zu dokumentieren, dass menschenrechtliche Gewährleistungen, zu deren Einhaltung sie sich völkervertraglich verpflichtet hat und die insbesondere ausdrücklich in ihrer Verfassung verankert sind, beachtet werden. Die Republik Irak hat zudem in Aussicht gestellt, "z. B." dem IKRK im Falle einer Inhaftierung des Klägers ein Besuchsrecht einzuräumen. Dass Mitarbeiter des Roten Kreuzes/Roten Halbmonds Inhaftierte im Irak besuchen, wird durch die Auskunftslage bestätigt (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11. Juni 2020 - 508-516.80/54146 -, S. 2). Ein solcher Besuch ist auch durch die Bundesrepublik Deutschland initiiert worden; dafür, dass er nicht stattgefunden hat, bestehen ungeachtet der Tatsache, dass das IKRK über die Durchführung dieser Besuche und die hierbei gewonnenen Erkenntnisse nichts verlautbaren lässt, keine Anhaltspunkte. Anderweitige und insbesondere diplomatische Überwachungsmechanismen sind durch die beispielhafte Anführung des IKRK nicht ausgeschlossen. Im Rahmen eines zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Irak abgestimmten Monitoring haben bislang zwei Besuche des Klägers durch den französischen Honorarkonsul in ... und den Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in ... stattgefunden.
188 (cc) Der im Schriftsatz vom 20. Juni 2024 (GA Bl. 2938 ff.) enthaltene, in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass entgegen dem Bericht des LKA 833 vom 11. März 2024 (GA Bl. 1354 ff.) die Mutter des Klägers ihrem Ehemann berichtet hat, sie sei durch einen Onkel und eine Tante des Klägers, die den Kläger in der Haftanstalt in Mossul besucht hätten, telefonisch darüber informiert worden, dass der Kläger im Irak gefoltert worden sei, die Beamten des LKA 833 und die Dolmetscher zu laden und zu hören, die bei der Besuchsüberwachung zwischen dem Vater des Klägers und dessen Mutter in dem Zeitraum Juni 2023 bis Januar 2024 anwesend waren, war abzulehnen.
189 Ein Beweisantrag ist unter anderem dann unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt, wenn er also lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen. Auch Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden. So liegt es hier. Dem Antrag liegt die bloße, nicht näher konkretisierte Behauptung zugrunde, nicht näher bezeichnete Verwandte des Klägers hätten - vermutlich - von dem Kläger erfahren, dass dieser zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt in einer nicht näher bezeichneten Haftanstalt im Irak gefoltert worden sei.
190 Mit dem Vortrag, der Kläger würde im Rahmen einer Anhörung ausführen, er sei nach der Übergabe an die irakischen Sicherheitsbehörden in einem Gefängnis in ... gefoltert, nackt ausgezogen, seine Hände seien am Rücken gefesselt und sein Körper sei, so gefesselt, mit einem Seil schmerzhaft nach oben gezogen, er sei am ganzen Körper geschlagen, mit einem Elektroschocker im Genitalbereich und durch Einführen von Gegenständen in seinen Anus misshandelt worden, er sei zudem auch nach seiner Überstellung in die Haftanstalt ... misshandelt worden und er sei auch in der 24. Kalenderwoche des laufenden Jahres nach einer gerichtlichen Anhörung beim Rücktransport in die Haftanstalt von Angehörigen irakischer Sicherheitsbehörden mit Gegenständen geschlagen worden, ist nicht zugleich konkludent dargetan, diese Einzelheiten habe der Kläger seinen ihn in der Haftanstalt besuchenden Verwandten geschildert, die dieses Wissen an seine Mutter weitergegeben hätten. Es hätte sich zudem, insbesondere nach Kenntnisnahme von dem Schriftsatz des Beklagten vom 14. März 2024 (GA Bl. 1344) aufgedrängt, den teilweise bereits Monate zurückliegenden Vortrag umgehend in das Verfahren einzuführen. Bis dato war allein mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 (GA Bl. 1317) mitgeteilt worden, der Kläger sei unmittelbar nach seiner Abschiebung nach Bagdad in einem Gefängnis in Bagdad zur Erzwingung eines Geständnisses gefoltert worden, ohne dass dieses Vorbringen im Nachgang bis zu dem Schriftsatz vom 20. Juni 2024 auch nur ansatzweise konkretisiert worden wäre. Eine solche Konkretisierung ist auch in dem unter dem 25. April 2024 (GA Bl. 2945) an den Beklagten und das Bundesministerium des Innern gerichteten Unterstützungsersuchen unterblieben.
191 Dessen ungeachtet braucht das Tatsachengericht - auch substantiierten - Beweisanträgen nicht nachzugehen, wenn die Schilderung in wesentlichen Punkten in unauflöslicher Weise widersprüchlich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 - juris LS 2 und Rn. 8 und vom 30. August 1995 - 9 B 397.95 - InfAuslR 1996, 28 <29>). Der vorstehende Vortrag des Klägers steht in nicht auflösbarem Widerspruch zu den in Gesprächen mit seinem Vater wiederholt getätigten und nicht bestrittenen Schilderungen seiner Mutter, denen zufolge er fair behandelt werde und es ihm in der Haft gut oder sehr gut gehe.
192 (dd) Der Antrag, Frau Z. M. zu der Tatsache zu vernehmen, dass der Kläger den Erkenntnissen des französischen Generalkonsuls in ... zufolge nach seiner Rückführung nach Bagdad entgegen der Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak in Bagdad und in Mossul gefoltert worden ist, ist unzulässig, da es sich auch bei diesem Antrag um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt.
193 Welche Erkenntnisse der Generalkonsul der Französischen Republik in ... aus dem mit dem Kläger am 2. Juli 2024 in der Haftanstalt geführten Gespräch gewonnen hat, ist seinem Bericht zu entnehmen, den der Beklagte zur Gerichtsakte gereicht hat. Hinweise darauf, dass die als Zeugin benannte Bedienstete des Bundesministeriums des Innern und für Heimat über weitergehende Erkenntnisse verfügt und welche Erkenntnisse dies sein sollen, sind weder ersichtlich noch von dem Kläger dargetan.
194 (ee) Nicht zu entsprechen war auch dem auf der Grundlage des Schriftsatzes vom 28. November 2024 in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, den Geschäftsträger der Deutschen Botschaft in ... und die Dolmetscherin der Deutschen Botschaft in ... als Zeugen zum Beweis der Tatsachen zu vernehmen, dass sie den Kläger am 18. November 2024 in einer Haftanstalt in Mossul besucht haben, der Kläger substantiiert und glaubhaft geschildert hat, dass er nach seiner Abschiebung in Bagdad gefoltert worden und nach seiner Überstellung in ein Gefängnis in Mossul wiederholt durch Vollzugsbeamte körperlich misshandelt worden ist, dass der Kläger die Einzelheiten der erlittenen Folterungen und körperlichen Misshandlungen in allen Einzelheiten beschrieben hat, dass diese Angaben im Einzelnen auch durch die Zeugen protokolliert worden sind und es sich bei dem Vermerk vom 19. November 2024 bezüglich des Haftbesuches vom 18. November 2024 lediglich um eine knappe Zusammenfassung der Schilderungen des Klägers zu den erlittenen Folterungen handelt, und dass die Schilderungen des Klägers zu den erlittenen Folterungen und körperlichen Misshandlungen in der Haft substantiiert und glaubhaft gewesen sind und mit den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes bezüglich der systematischen Menschenrechtsverletzungen in den Haftanstalten durch Angehörige irakischer Strafverfolgungsbehörden übereinstimmen.
195 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die als Zeugen benannten Personen den Kläger am 18. November 2024 in einer Haftanstalt in Mossul besucht haben, kann entsprechend § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO als wahr unterstellt werden.
196 Der Antrag, die Zeugen zu den unter Beweis gestellten Tatsachen zu vernehmen, dass der Kläger während des in der Haftanstalt geführten Gespräches geschildert hat, dass er nach seiner Abschiebung in Bagdad gefoltert worden und nach seiner Überstellung in ein Gefängnis in Mossul wiederholt durch Vollzugsbeamte körperlich misshandelt worden sei, und dass er Einzelheiten der angeblich erlittenen Folterungen und körperlichen Misshandlungen im Einzelnen beschrieben hat, ist unzulässig, da es sich um einen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag handelt. Welche konkreten Aussagen der Kläger gegenüber den als Zeugen benannten Personen getätigt haben soll, lässt sich dem Antrag nicht entnehmen. Einer weiteren Substantiierung hätte es auch deshalb bedurft, weil das Vorbringen im Widerspruch steht zu den in Gesprächen mit seinem Vater wiederholt getätigten Schilderungen seiner Mutter, denen zufolge er fair behandelt werde und es ihm in der Haft gut oder sehr gut gehe. Soweit der Antrag dem Beweis des unter (cc) wiedergegebenen Vortrags des Klägers betreffend die von ihm erlittenen Folterungen dient, war er auch deshalb abzulehnen, weil nach dem Zeitpunkt der Abschiebung eingetretene Tatsachen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung nicht entscheidungserheblich sind.
197 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die betreffenden Schilderungen "substantiiert und glaubhaft" gewesen und dass die angeblich erlittenen Folterungen und körperlichen Misshandlungen "in allen Einzelheiten" beschrieben worden sind, ist einer Beweisführung nicht zugänglich, da der Antrag nicht auf die Schilderung einer Tatsache, sondern auf die Würdigung der von dem Kläger getätigten Angaben zielt.
198 Der Antrag, die Zeugen zu den Tatsachen zu vernehmen, dass die Angaben des Klägers im Einzelnen durch die Zeugen protokolliert worden sind und es sich bei dem Vermerk vom 19. November 2024 bezüglich des Haftbesuches vom 18. November 2024 lediglich um eine knappe Zusammenfassung der Schilderungen des Klägers zu den erlittenen Folterungen handelt, ist unzulässig, da es sich auch insoweit um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt. Welche Erkenntnisse die Beschäftigten der Botschaft Bagdad aus dem mit dem Kläger am 18. November 2024 in der Haftanstalt geführten Gespräch gewonnen haben, ist dem vom 19. November 2024 datierenden Botschaftsvermerk zu entnehmen, den der Beklagte zur Gerichtsakte gereicht hat. Hinweise darauf, dass die als Zeugen benannten Beschäftigten der Botschaft über weitergehende Erkenntnisse verfügen und welche Erkenntnisse dies sein sollen, sind weder ersichtlich noch von dem Kläger dargetan. Entsprechende Hinweise sind auch nicht der Begründung zu entnehmen, der Vermerk über den Haftbesuch am 18. November 2024 bilde die Angaben des Klägers nicht genügend ab, was sich schon aus dem Umstand ergebe, dass den Verfahrensbeteiligten nicht der Fragenkatalog, welcher offenbar Grundlage der Befragung des Klägers gewesen sei, zur Kenntnis gegeben worden sei. Soweit der Antrag dem Beweis des unter (cc) wiedergegebenen Vortrages des Klägers betreffend die von ihm erlittenen Folterungen dient, brauchte der Senat diesem Antrag auch deshalb nicht nachzugehen, weil er sich auf Vorgänge bezieht, die nach dem für die Entscheidung allein maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung stattgefunden haben sollen.
199 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass der Kläger sämtliche Fragen des Fragenkatalogs beantwortet hat, kann als wahr unterstellt werden.
200 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass "seine Fragen" – gemeint sind wohl "seine Antworten" – insgesamt als substantiiert und glaubhaft einzuschätzen sind, ist einer Beweisführung nicht zugänglich, da der Antrag nicht auf die Schilderung einer Tatsache, sondern auf die Würdigung der von dem Kläger getätigten Angaben durch die als Zeugen benannten Personen zielt.
201 (b) Von dem Inhalt der diplomatischen Zusicherungen konnte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung auch die Gewährleistung eines ungehinderten Zugangs des Klägers zu seinen Verfahrensbevollmächtigten als erfasst angesehen werden. Die betreffende Zusicherung hat nicht nur einen gänzlich allgemein gehaltenen Inhalt, sondern ist mit spezifischen Garantien verbunden, die eine Überprüfung der (eventuellen) Haftbedingungen des Betroffenen im Falle von dessen Inhaftierung und den ungehinderten Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten erlaubt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 50).
202 Mit Verbalnote vom 8. Juni 2020 hat die Botschaft der Republik Irak in B. in Bezug auf den Kläger klargestellt, die irakische Verfassung und das irakische Strafprozessrecht sicherten das Recht auf einen Rechtsbeistand zu, das durch Art. 19 Abs. 4 Verf garantierte "Recht auf Verteidigung" sei unantastbar und werde in allen Phasen der Untersuchung und des Prozesses gewährleistet. Die Erstreckung der Gewährleistung auf alle Phasen der Untersuchung erfasst auch solche Phasen, in denen sich der Kläger in Untersuchungsgewahrsam oder -haft befindet.
203 Dass Häftlinge nach den Erfahrungen des Auswärtigen Amtes ihren Rechtsbeistand bei Gericht, jedoch nicht während des Ermittlungsverfahrens im Gefängnis sprechen dürfen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11. Juni 2020 - 508-516.80/54146 -, S. 2; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak vom 8. Mai 2019 - a-10971 -, S. 6), wird der Bundesrepublik Deutschland Veranlassung geben müssen, gegenüber der Republik Irak auf die zugesicherte Einhaltung der umfassenden Gewährleistung des "heiligen Rechts auf Verteidigung" auch in allen Phasen der Ermittlungen hinzuwirken. Die vorstehend herausgearbeitete besondere Bedeutung der im bilateralen Verhältnis zwischen beiden Staaten ersten diplomatischen Zusicherung rechtfertigte es im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Abschiebung, auf deren Einhaltung im Einzelfall zu vertrauen, obwohl es in der Republik Irak bislang kein wirksames System zum Schutz vor Folter gibt und die Zusammenarbeit mit internationalen Überwachungsmechanismen (einschließlich der Einbeziehung im Bereich der Menschenrechte tätigen internationalen Nichtregierungsorganisationen) und die Bereitschaft, Foltervorwürfe zu untersuchen und die Verantwortlichen zu bestrafen, stark defizitär ist.
204 Der Kläger ist in der Republik Irak in der Vergangenheit, das heißt vor seiner Ausreise aus dem Irak und bis zu seiner Abschiebung dorthin, nicht misshandelt worden. Die Tatsache, dass er einer dem Machtapparat des früheren Präsidenten Saddam Hussein eng verbundenen arabisch-sunnitischen Familie angehört, verleiht seinem Einzelfall eine auch in der diplomatischen Wahrnehmung besondere Bedeutung, derer sich die Republik Irak bewusst ist.
205 Dass die Botschaft der Republik Irak einer Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers an einem Termin zu dessen Anhörung im Rahmen des Verfahrens zur Ausstellung eines Passersatzpapiers nicht zugestimmt hat, widerstreitet der vorstehenden Würdigung nicht, da dieses Verfahren nicht Gegenstand der erteilten Zusicherungen war. Nach alledem teilt der Senat die diesbezüglich abweichende Beurteilung der Zuverlässigkeit der Zusicherungen der Botschaft der Republik Irak durch das Verwaltungsgericht Berlin (vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 24. Januar 2020 - VG 25 L 506.19 A - juris Rn. 50 und vom 8. Juli 2020 - VG 25 L 120/20 A - BA S. 8 ff. sowie Urteil vom 13. Dezember 2021 - VG 25 K 507.19 A - UA S. 14 ff.) nicht. Insbesondere ist er, bezogen auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Abschiebung, davon ausgegangen, dass die Republik Irak willens und in der Lage war und ist sicherzustellen, dass der Kläger nach seiner Festnahme weder der Folter noch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Polizei- und Sicherheitskräfte ausgesetzt wird, und auch durchzusetzen, dass Sicherheitskräfte, die anders als Milizen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 26. Januar 2021 - 508-516.80/54146 -, S. 2) in den Haftanstalten tätig sind, diese Vorgaben einhalten.
206 Die Behauptung des Klägers, nach Vollziehung der Ausreisepflicht im Irak wiederholt gefoltert worden zu sein, stellt die Validität der vorstehenden, in Abwägung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse getroffenen Prognose nicht in Frage. Dass das Gericht im Lichte der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Abschiebung bei seiner Prognose einzelne erhebliche Tatsachen ausgeblendet oder übergangen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwG 144, 127 Rn. 28), ist weder substantiiert dargetan noch anderweitig erkennbar. Der klägerische Vortrag lässt die Prognose insbesondere auch bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung nicht als erkennbar fehlerhaft erscheinen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 1981 - 7 C 57.79 - BVerwGE 64, 238 <242>). Eine ursprünglich fehlerfreie Prognose wird nicht allein dadurch fehlerhaft, dass die Verhältnisse nachträglich als anders eingetreten denn prognostiziert zu bewerten sein sollten (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u. a. - BVerwGE 56, 110 <121 f.>).
207 Dessen ungeachtet stehen die Behauptungen des Klägers, er sei nach der Übergabe an die irakischen Sicherheitsbehörden in einem Gefängnis in ... gefoltert worden, man habe ihn nackt ausgezogen, seine Hände seien am Rücken gefesselt, sein Körper, so gefesselt, mit einem Seil schmerzhaft nach oben gezogen, er am ganzen Körper geschlagen und mit einem Elektroschocker im Genitalbereich misshandelt, Gegenstände in seinen Anus eingeführt worden, zudem sei er auch nach seiner Überstellung nach ... misshandelt und in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2024 nach einer gerichtlichen Anhörung beim Rücktransport in die Haftanstalt von Angehörigen irakischer Sicherheitsbehörden mit Gegenständen geschlagen worden, in unaufgelöstem und im vorliegenden Verfahren auch nicht aufzulösenden Widerspruch zu den in Gesprächen mit seinem Vater wiederholt getätigten Schilderungen seiner Mutter, denen zufolge der Kläger fair behandelt werde und es ihm in der Haft gut oder sehr gut gehe. Ihre Schilderung, man habe ihn sexuell belästigt, indem man versucht habe, "ihm eine Flasche rektal einzuführen", ist ausdrücklich auf Mithäftlinge bezogen gewesen; dass der Kläger ein derartiges Vorkommnis zur Anzeige gebracht hätte und die Anstaltsleitung dem nicht nachgegangen wäre, ist weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar. Auch in Anbetracht dieser Darstellung bestehen für die Annahme, dass die Mutter des Klägers etwaige Folterungen, von denen sie über die den Kläger regelmäßig besuchenden Verwandten erfahren hätte, gegenüber ihrem Ehemann verheimlicht hätte, keine Anhaltspunkte.
208 Die Behauptung des Klägers, er kenne den vollen Namen seines irakischen Anwalts nicht und habe diesen nie gesehen, steht in einem Spannungsverhältnis zu der Darstellung des Präsidenten des Berufungsgerichts und des Ermittlungsrichters, der Kläger habe gemeinsam mit seinem irakischen Anwalt an drei Untersuchungsterminen teilgenommen. Sollte es gleichwohl an einem Zugang zu anwaltlicher Beratung mangeln, so obläge es seinen deutschen Prozessbevollmächtigten, sich - ggf. unter Einschaltung vor Ort ansässiger oder tätiger Organisationen - um eine effektive anwaltliche Betreuung zu bemühen.
209 (4) Die Haftbedingungen, denen den Kläger nach seiner Festnahme und Inhaftierung und einer etwaigen Verurteilung in der Republik Irak ausgesetzt ist, rechtfertigen bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung ebenfalls nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots.
210 Dabei wird nicht verkannt, dass die Haftbedingungen in der Republik Irak internationalen Standards nicht entsprechen. Die Anzahl der Insassen ist in den zurückliegenden Jahren auch wegen der Bekämpfung des IS deutlich angestiegen. Durch die hiermit einhergehende Überbelegung hat sich die Unterbringungssituation in einigen Haftanstalten, darunter auch in Jugendstrafanstalten, verschlechtert. Die Bedingungen in einem Teil der Gefängnisse wurden und werden als hart und gelegentlich lebensbedrohlich geschildert, da es an Lebensmitteln mangele, die Zellen stark überbelegt seien, Gefangene körperlich misshandelt würden, die sanitären Bedingungen und die medizinische Versorgung unzureichend seien und die Gefahr übertragbarer Krankheiten bestehe. Die irakische Regierung wirkte diesen Zuständen während der COVID-19-Pandemie durch die Eröffnung neuer Haftanstalten und die Begnadigung und Freilassung von Häftlingen entgegen. Während die effektive Wahrnehmung des Mandats der United Nations Assistance Mission for Iraq (UNAMI), irakische Haftanstalten zu besuchen, durch komplexe bürokratische Hürden erschwert wird, hat das IKRK regelmäßigen und flächendeckenden Zugang zu den Einrichtungen; die dem Justizvollzugsdienst unterstellten Gefängnisse gestatten regelmäßige Besuche durch unabhängige nichtstaatliche Beobachter (Auswärtiges Amt, Bericht vom 28. Oktober 2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak <Stand Oktober 2022>, S. 21; Auswärtiges Amt, Bericht vom 5. Juni 2024 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak - 508-516.80/3 IRQ VS-NfD <Stand April 2024> -, S. 26; Amnesty International, Amnesty Report Irak 2019 vom 18. Februar 2020, S. 7; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 22. August 2022, S. 153 ff.; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 28. März 2024, S. 160 ff.; Human Rights Watch, Iraq - Events of 2020, S. 4; Human Rights Watch, Iraq: Thousands Detained, Including Children, in Degrading Conditions; Human Rights Watch, Flawed Justice: Accountability for ISIS Crimes in Iraq, 5. Dezember 2017, S. 2 und 19 ff.; US Department of State, Iraq 2022 Human Rights Report, S. 3, 8 ff.).
211 In welcher Haftanstalt der Kläger für den Fall einer Festnahme nach seiner Abschiebung in die Republik Irak inhaftiert würde, war im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt offen. Personen, die aus dem Zentralirak stammen und unter Terrorismusverdacht stehen, sollen grundsätzlich in dem zentralen Counter Terrorism Service-Gefängnis in Bagdad untergebracht werden, während des Terrorismus verdächtige Personen aus der Region Kurdistan-Irak regelmäßig im Asasyish-Gefängnis in Erbil inhaftiert werden sollen, sofern die ihnen vorgeworfene Tat in der betreffenden Region begangen worden sei (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11. Juni 2020 - 508-516.80/54146 -, S. 2). Auch in der Al-Tasfeerat-Haftanstalt in Faisaliya im Stadtgebiet von Mossul werden hauptsächlich männliche Untersuchungshäftlinge mit Anklagen im terroristischen Bereich untergebracht. Diese wie auch die anderen vorgenannten Haftanstalten unterstehen der Strafvollzugsabteilung des irakischen Justizministeriums. In der Al-Tasfeerat-Haftanstalt ist das Justizministerium in Koordination mit Sicherheitsunternehmen für den Schutz des inneren Bereichs der Einrichtungen und das Innenministerium für den Schutz des äußeren Bereichs der Haftanstalten verantwortlich. Milizen spielen insoweit keine Rolle (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 26. Januar 2021 - 508-516.80/54146 -, S. 2). In Bezug auf junge Erwachsene, die eine Straftat als Jugendliche begehen und zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung das 18. Lebensjahr vollendet haben, kann das Gericht den Aufenthalt in einer Erziehungsanstalt durch eine Unterbringung in einer Schule für Straftäter ersetzen (s. o. (1) (b)).
212 Einer näheren Klärung des Ortes einer Unterbringung und der Menschenwürdigkeit der dort anzutreffenden Bedingungen bedurfte es bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers nicht, da die Botschaft der Republik Irak in B. auf die Bitte des Auswärtigen Amtes zuzusichern, dass im Fall einer den Kläger betreffenden in staatlichen Haftanstalten zu vollziehenden freiheitsentziehenden Maßnahme sämtliche Verfahrensgarantien und Anforderungen an die Behandlung von Inhaftierten nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte beachtet werden und dass die mit Verbalnote vom 21. Oktober 2019 zugesicherten rechtsstaatlichen Garantien konkret und namentlich für den Kläger gelten, mit Verbalnote vom 8. Juni 2020 mitgeteilt hat, die Republik Irak habe den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte am 23. März 1976 mitbeschlossen, sie sei daher zur Einhaltung des Pakts gegenüber jeglichen Beschuldigten und unter anderem zur Einhaltung der Zusicherung gegenüber dem Kläger verpflichtet. Zudem hat sie mit den Verbalnoten vom 21. Oktober 2019, 8. Juni 2020 und 1. Juni 2021 auch insoweit um das Vertrauen des Auswärtigen Amtes und der deutschen Justizbehörden darauf geworben, dass sich die irakischen Staatsbürger und auch der Kläger einer menschlichen, humanen, "väterlichen" und fürsorglichen Behandlung durch die zuständigen irakischen Behörden sicher sein könnten. Der Senat vertraut aus den bereits unter (3) (a) (bb) ausgeführten Erwägungen auch insoweit auf die Einhaltung dieser diplomatischen Zusicherungen der Republik Irak. Aus den unter (3) (a) (bb) aufgeführten Gründen nimmt das Vorbringen des Klägers, die Haftbedingungen und der Zugang zu medizinischer Versorgung seien (sehr) schlecht, er müsse sich eine Zelle mit bis zu 54 anderen Mithäftlingen teilen und auf dem Boden schlafen, es fehle an einem Fernsehgerät und jeglichen Informationsmitteln, Zigaretten seien verboten, man habe ihm die Haare abrasiert, der Kontakt zu seiner Familie sei auf den Besuch eines Onkels im Abstand von drei Wochen beschränkt, – bezogen auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Prognose - nicht ihre Validität. Dies gilt umso mehr, als die Mutter des Klägers den Berichten ihrer Verwandten entnommen hatte, dass in der Haftanstalt dem Kläger zwar kein Parfum und Deo zur Verfügung stünden und Krankheiten wie Krätze und Läuse kursierten, das Gefängnis indes dennoch einem "Fünf-Sterne-Hotel" gleiche und es ihm darin (sehr) gut gehe.
213 (5) Dem Kläger droht in der Republik Irak auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich durch Angehörige von Oberst A., selbst wenn diese angekündigt haben, an ihm Selbstjustiz zu verüben.
214 Zwar stehen sogenannte Ehrverbrechen auch im Irak unter Strafe, dennoch bleiben Ehrenmorde ein Risiko, zumal das irakische Strafrecht für Gewalttaten aus "ehrenhaften Motiven" immer noch eine milde, reduzierte Strafzumessung vorsieht, ihre Ahndung durch die im Irak weit verbreitete Korruption bei staatlichen Behörden erschwert wird und der irakische Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger vor Repressionen nichtstaatlicher Akteure zu schützen (Auswärtiges Amt, Bericht vom 28. Oktober 2022 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak <Stand Oktober 2022> - 508-516.80/3 IRQ VS-NfD -, S. 12 und 15; Auswärtiges Amt, Bericht vom 5. Juni 2024 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak - 508-516.80/3 IRQ VS-NfD <Stand April 2024> -, S. 18; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 22. August 2022, S. 200; <Österreichisches> Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Irak, 28. März 2024, S. 212).
215 Ehrenmorde stellen indes auch im Irak erkennbar keinen Regelfall dar (so auch VG Regensburg, Urteil vom 19. Februar 2020 - RN 3 K 18.31751 - juris Rn. 32). Im Einzelfall des Klägers ist zu berücksichtigen, dass dieser seine gegen ihn wegen Beihilfe zum Mord verhängte Freiheitsstrafe verbüßt hat. Dass seine Familie in den zurückliegenden Jahren Bedrohungen erfahren hat, ist nicht erkennbar. Den Schilderungen des Klägers ist vielmehr zu entnehmen, dass seine im Irak lebenden Verwandten unbehelligt geblieben sind. Hinzu kommt, dass der Kläger einer wohlhabenden und einflussreichen Familie entstammt und er sich im Falle seiner Abschiebung auch eigenem Vorbringen zufolge nicht nur auf ein familiäres Netzwerk stützen könnte, sondern von diesem auch die erforderliche, auch finanzielle Unterstützung erfahren würde, die es ihm ermöglichte, seinen Wohnsitz in der Anonymität einer Großstadt, sei es im Zentralirak, sei es in der Region Kurdistan zu nehmen und sich dort mit dem Rückhalt seiner Familie eine neue bescheidene Existenz aufzubauen. Mit Blick darauf ist nicht erkennbar, dass sich seine Situation in einer Weise als kritisch darstellte, die eine Verweisung auf andere Landesteile ausschlösse.
216 c) Gemäß § 60 Abs. 6 AufenthG stehen weder die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können, noch, soweit sich aus § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung der Abschiebung des Ausländers, so auch hier des Klägers, entgegen.
217 d) Die vorstehend erörterten Umstände begründen aus den nämlichen Erwägungen bezogen auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dass für den Kläger nach einer Abschiebung in der Republik Irak jenseits dieser Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestand, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
218 Insbesondere ist davon nicht auszugehen, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung unter einer relevanten psychiatrischen Störung litt (so bereits Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 87 und zuletzt LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 2). Selbst wenn er in der Republik Irak weiterhin der ambulanten psychotherapeutischen Betreuung oder einer Versorgung mit Medikamenten bedürfte, wofür im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt keine Anhaltspunkte bestanden, ist weder erkennbar noch vorgetragen, dass ihm eine solche Versorgung auch unter Berücksichtigung der angespannten medizinischen Versorgungslage (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 28. Oktober 2022 - 508-516.80/3 IRQ VS-NfD -, S. 23 f.; Auswärtiges Amt, Bericht vom 5. Juni 2024 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak - 508-516.80/3 IRQ VS-NfD <Stand April 2024> -, S. 29 f.) nicht zuteilwürde (vgl. zur psychiatrischen Versorgung in der Republik Irak auch <Österreichisches> Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung vom 27. März 2020 - BVwG I403 2223091-1 [ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2223091.1.00] - https://rdb.manz.at/document/ris.bvwg.BVWGT_20200327_I403_2223091_1_00). In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass es Zweck der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht ist, eine bestehende Krankheit optimal zu behandeln und dem Ausländer am medizinischen Fortschritt und Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland teilhaben zu lassen, dass sich dieser daher grundsätzlich und vorbehaltlich der Sicherung der existenziellen Bedürfnisse auf den Standard der Gesundheitsversorgung seines Herkunftslandes verweisen lassen muss, selbst wenn der betreffende Standard nicht dem Niveau in Deutschland entspricht, und dass es Aufgabe des jeweiligen Herkunftslandes ist, dafür zu sorgen, dass seine Staatsangehörigen die für sie notwendige und im Heimatstaat mögliche medizinische Versorgung auch dann erhalten, wenn sie nur über ein geringes oder gar kein Einkommen verfügen (vgl. zuletzt etwa VGH München, Beschluss vom 6. Juni 2019 - 10 C 19.10 81 - juris Rn. 11; OVG Münster, Urteil vom 11. September 2018 - 5 A 3000/15.A - juris Rn. 105).
219 e) Das Fortwirken sonstiger ein Abschiebungsverbot begründender Umstände ist von dem Kläger nicht substantiiert dargetan worden.
220 1.4.4 Der Rechtmäßigkeit der Abschiebung des Klägers standen im Zeitpunkt der Abschiebung auch gesundheitliche Gründe nicht entgegen. Nachdem im September 2020 eine psychische Dekompensation besorgt (JStA B., Stellungnahme vom 11. September 2020 <Haft-SA R. Bd. III Bl. 251>, S. 2; I., Psychologische Einschätzung zur psychischen Gesundheit von R. vom 10. September 2020 <Haft-SA R. Bd. III Bl. 255>), ihm im November 2021 eine akute Suizidalität attestiert (JStA B., Psychologische Stellungnahme zur Frage der Legalprognose vom 11. November 2021, BA VIII Bl. 1788; zuvor bereits JStA B., Schreiben vom 30. Juni 2020, BA VIII Bl. 1777; JStA B., Psychologische Stellungnahme zur psychischen Gesundheit vom 30. Juni 2020, BA II Bl. 334) und zeitgleich eine Anpassungsstörung diagnostiziert worden waren (JStA B., Psychologische Stellungnahme zur Frage der Legalprognose vom 11. November 2021, BA VIII Bl. 1788), finden sich entsprechende Hinweise in jüngeren Stellungnahmen nicht mehr. Zum Teil wurde der Aspekt der Suizidalität überhaupt nicht mehr aufgegriffen (I., Stellungnahme vom 22. März 2023; JStA B., Psychologische Stellungnahme vom 6. April 2023, Anlage 1 zum Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten zu 1 vom 14. April 2023, in der stattdessen auf eine Stabilisierung des Klägers hingewiesen wird). Zum Teil wurde ausgeführt, Hinweise auf das Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung fänden sich nicht (vgl. LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 2). Der Kläger selbst hatte - wie bereits in der Vergangenheit (vgl. E-Mail des VRiKG Ü. vom 24. Juni 2020 <Haft-SA R. Bd. II Bl. 439>) – bekundet, "auf gar keinen Fall" freiwillig in den Irak zurückkehren zu wollen und große Angst vor einer Abschiebung zu haben (LKA B., Bericht vom 27. Februar 2023, HA Bl. 149 ff., S. 3), und sowohl gegenüber der Gewahrsamsleitung der AHEG BE (vgl. Polizei B., Schreiben vom 19. April 2023, BA 8 Bl. 2831) als auch gegenüber dem Amtsgericht T. (Niederschrift der Anhörung vom 25. April 2023 - 383 XIV 35/23 B, 383 XIV 36/23 B - S. 3 und 5) bekräftigt, sich das Leben zu nehmen, falls er in den Irak zurückkehren müsse. Entsprechende Bekundungen allein haben indes zum Zeitpunkt der Abschiebung weder auf eine psychische Erkrankung noch auf eine Reiseunfähigkeit des Klägers schließen lassen, weshalb es im vorliegenden Verfahren weitergehender Feststellungen des Senats nicht bedurft hat. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist verneint worden (so bereits Ö., Forensisch-jugendpsychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 13. März 2019, GBA Sonderband Gutachten R. Bl. 2 ff., S. 87 und zuletzt LKA B., Forensisch-psychologische Kurzbewertung vom 15. Februar 2023, HA Bl. 51 ff., S. 2) und weder durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht worden noch anderweitig erkennbar gewesen.
221 Der Gefahr eines Suizids wäre sowohl im Vorfeld als auch im Rahmen der Durchführung der Abschiebung durch geeignete Maßnahmen effektiv zu begegnen gewesen, welche, sofern erforderlich, auch eine Übergabe an medizinisch hinreichend qualifiziertes Personal im Zielstaat der Abschiebung einschließen. Die mit der Abschiebung betraute Behörde ist im Lichte von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet, sämtliche im Einzelfall gebotene Maßnahmen zu ergreifen, um durch eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung in jedem Stadium der Abschiebung erhebliche Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen abzuwenden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 939/14 - NVwZ 2014, 1511 Rn. 10 und 14; ferner EGMR <GK>, Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili - Rn. 205; OVG Hamburg, Urteil vom 3. Mai 2022 - 6 Bf 113/21 - juris Rn. 56 f.). Dass der Gesundheitszustand des Klägers es nicht zuließ, diesen Anforderungen zu entsprechen und etwaige suizidale Handlungen durch entsprechende Vorkehrungen wirksam auszuschließen, und daher von einer Reiseunfähigkeit des Klägers auszugehen gewesen wäre, ist den vorliegenden psychologischen Stellungnahmen nicht zu entnehmen. Daher hat der Senat auch keine Veranlassung gehabt, nähere Feststellungen zu der durch den Beklagten im Vorfeld der Abschiebung gegebenenfalls sicherzustellenden Übergabe des Klägers an eine psychiatrische Fachkraft zu treffen (vgl. zur psychiatrischen Versorgung in der Republik Irak auch <Österreichisches> Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung vom 27. März 2020 - BVwG I403 2223091-1 - https://rdb.manz.at/document/ris.bvwg.BVWGT_20200327_I403_2223091_1_00).
222 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.