Beschluss vom 30.10.2024 -
BVerwG 1 WB 37.23ECLI:DE:BVerwG:2024:301024B1WB37.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.10.2024 - 1 WB 37.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:301024B1WB37.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 37.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Lörsch und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Lindt
am 30. Oktober 2024 beschlossen:

  1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
  2. Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung betreffen Änderungen der voraussichtlichen Verwendungsdauer auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt.

2 1. Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich am 30. September ... Er ist Oberstleutnant der Besoldungsgruppe A 15. Seit September 2013 wurde der Antragsteller im ... der Bundeswehr in ..., zuletzt als Einsatzstabsoffizier (Referent) im Referat ..., verwendet. Zum 1. März 2021 wurde er von dort wegen innerdienstlicher Spannungen auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim Kommando ..., Referat ..., versetzt. Rechtsbehelfe des Antragstellers gegen diese Wegversetzung blieben erfolglos (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2023 - 1 WB 47.21 - juris).

3 2. Zum 1. Juli 2021 wechselte der Antragsteller auf der Grundlage der Personalverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 17. Mai 2021 auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt im Referat ... im Kommando ... Als voraussichtliche Verwendungsdauer wurde ein Zeitraum bis zum 31. März 2022 angegeben.

4 3. Mit 1. Korrektur vom 22. Februar 2022 zu der Verfügung vom 17. Mai 2021 wurde die voraussichtliche Verwendungsdauer des Antragstellers auf den Zeitraum bis zum 31. März 2023 festgesetzt. Unter dem 23. Mai 2022 bestätigte der Antragsteller den Erhalt dieser Verfügung. Bereits unter dem 16. Mai 2022 beschwerte sich der Antragsteller, vertreten durch einen Bevollmächtigten, gegen die Verfügung beim Bundesamt für das Personalmanagement. Dieser Rechtsbehelf erreichte das Bundesministerium der Verteidigung am 19. Mai 2022. Mit Schreiben vom 16. Februar 2023 erhob der anwaltlich vertretene Antragsteller beim Bundesministerium der Verteidigung weitere Beschwerde wegen Untätigkeit. Hierzu teilte das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller mit, dass es seine weitere Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung werte, gleichwohl aber noch einen Beschwerdebescheid erlassen werde.

5 4. Unter dem 16. März 2023 setzte das Bundesamt für das Personalmanagement mit der 2. Korrektur zu der Verfügung vom 17. Mai 2021 die voraussichtliche Verwendungsdauer auf einen Zeitraum bis zum 30. September 2023 fest. Deren Empfang bestätigte der Antragsteller am 27. Juni 2023. Gegen die Verfügung erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 18. April 2023 beim Bundesamt für das Personalmanagement Beschwerde; sie ging beim Bundesministerium der Verteidigung am 21. April 2023 ein. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29. Juni 2023, beim Bundesministerium der Verteidigung am 3. Juli 2023 eingegangen, legte der Antragsteller weitere Beschwerde wegen Untätigkeit ein.

6 5. Der Antragsteller hat am 4. bzw. 7. August 2023 Untätigkeitsanträge auf gerichtliche Entscheidung gegen die 1. bzw. 2. Korrektur der Verfügung vom 17. Mai 2021 beim Truppendienstgericht ... gestellt. Diese Verfahren wurden mit Beschlüssen dieses Truppendienstgerichts vom 13. September 2023 an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen, das sie unter den Aktenzeichen 1 WB 37.23 (Antragsgegenstand: 1. Korrektur) und 1 WB 38.23 (Antragsgegenstand: 2. Korrektur) führt.

7 6. Mit 3. Korrektur vom 27. September 2023 zur Verfügung vom 17. Mai 2021, dem Antragsteller zugegangen am 6. Februar 2024, setzte das Bundesamt für das Personalmanagement die voraussichtliche Verwendungsdauer auf einen Zeitraum bis zum 31. Oktober 2023 fest. Hiergegen beschwerte sich der Antragsteller am 8. Februar 2024 beim Chef des Stabes des ... der Bundeswehr. Dort legte der Antragsteller am 14. März 2024 auch eine weitere Beschwerde wegen Untätigkeit ein.

8 Der Antragsteller hat am 24. April 2024 beim Bundesverwaltungsgericht einen Untätigkeitsantrag gegen die 3. Korrektur vom 27. September 2023 gestellt.

9 7. Der Antragsteller macht zur Begründung seines Antrages auf gerichtliche Entscheidung geltend, dass es sich bei den Änderungen der voraussichtlichen Verwendungsdauer um im gerichtlichen Verfahren anfechtbare dienstliche Maßnahmen handele, die sich nicht nur in vorbereitenden Handlungen oder Planungsabsichten erschöpften. Die Maßnahmen seien vielmehr vollzogen worden. Damit seien vollendete Tatsachen geschaffen worden, die sich unmittelbar auf seine Rechte ausgewirkt hätten.

10 In den Verfahren 1 WB 37.23 und 1 WB 38.23 wendet sich der Antragsteller gegen die 1. bzw. 2. Korrektur der Verfügung vom 17. Mai 2021.

11 In dem Verfahren 1 WB 20.24 beantragt der Antragsteller,
die Verfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 27. September 2023 über die 3. Korrektur der Verfügung vom 17. Mai 2021 aufzuheben.

12 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt jeweils,
den Antrag zurückzuweisen.

13 Das Bundesministerium der Verteidigung trägt vor, die Anträge seien unbegründet, weil die Hinweise zur voraussichtlichen Verwendungsdauer nicht in zulässiger Weise mit der Beschwerde hätten angefochten werden können; dieser Rechtsbehelf könne in statthafter Weise nur gegen dienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO gerichtet werden.

14 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakten des Bundesministeriums der Verteidigung, die Gerichtsakte des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes und die Personalgrundakte des Antragstellers lagen dem Senat bei der Entscheidung vor.

II

15 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

16 1. Die Verfahren 1 WB 37.23 , 1 WB 38.23 und 1 WB 20.24 werden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden, weil sie im Sinne von § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 93 Satz 1 VwGO den gleichen Gegenstand - die Änderung der voraussichtlichen Verwendungsdauer auf einem Dienstposten - betreffen.

17 2. Der Antragsteller hat in den Verfahren 1 WB 37.23 und 1 WB 38.23 lediglich einen prozessualen Antrag gestellt. Bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung sind diese Anträge unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Antragstellers dahingehend zu verstehen, dass sie - wie der Antrag im Verfahren 1 WB 20.24 - auf eine Aufhebung der jeweiligen Verfügung über die Korrektur der voraussichtlichen Verwendungsdauer gerichtet sind.

18 3. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bereits unzulässig.

19 a) Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass der Antragsteller seine Untätigkeitsanträge direkt beim Bundesverwaltungsgericht gestellt hat. Einem Antragsteller ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO die Möglichkeit eröffnet, seinen Antrag als Untätigkeitsantrag selbst bei Gericht anzubringen, wenn sich die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO zwingend vorgesehene Vorlage durch das Bundesministerium der Verteidigung über einen Zeitraum von einem Monat hinaus verzögert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2023 - 1 WB 32.21 - juris Rn. 24 m. w. N.). Das ist hier in allen Verfahren geschehen. Dort ist jeweils eine Untertätigkeitsbeschwerde erhoben worden, die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu werten ist; diese Anträge sind jeweils nicht binnen eines Monats dem Senat vorgelegt worden.

20 b) Der Antrag ist unzulässig, weil er im gerichtlichen Verfahren nicht statthafte Antragsgegenstände betrifft, auch wenn entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung die erhobenen Beschwerden nicht unzulässig waren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2023 - 1 WB 42.21 - juris Rn. 30 m. w. N.).

21 Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei.

22 Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u. a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - juris Rn. 26 ff. und vom 21. März 2019 - 1 WB 38.18 - juris Rn. 12).

23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2000 - 1 WB 47.00 - juris Rn. 3 m. w. N.) stellt der Hinweis auf die voraussichtliche Verwendungsdauer in einer Versetzungsverfügung keine Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO dar, die die Rechtsstellung des betroffenen Soldaten unmittelbar berührt. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf die Verwendungsdauer in einer Personalverfügung, die einen Dienstpostenwechsel betrifft (vgl. auch zum Nachfolgenden BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2023 - 1 WB 30.22 - juris Rn. 21). Nach Nr. 401 Satz 2 und 3 des Zentralerlasses B-1300/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" soll die Bekanntgabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer dazu beitragen, Soldatinnen und Soldaten die Planung für sich und ggf. für ihre bzw. seine Familie zu erleichtern, ohne dass hieraus ein Rechtsanspruch abgeleitet werden kann. Daraus kann sich zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermessensreduzierung der personalbearbeitenden Stelle ergeben, wenn die in der Personalverfügung angegebene Verwendungsdauer verkürzt werden soll. Der Soldat ist aber durch die ihm mitgeteilte Verwendungsdauer nicht gehindert, schon vor deren Ablauf einen Antrag auf einen Dienstpostenwechsel oder eine anderweitige Verwendung zu stellen. Deshalb hat die Bekanntgabe der Verwendungsdauer für den Soldaten keine ihn belastende Auswirkung.