Beschluss vom 30.01.2025 -
BVerwG 1 WB 35.24ECLI:DE:BVerwG:2025:300125B1WB35.24.0

planmäßige Beurteilung, Zuordnung in eine Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion

Leitsatz:

Wer eine Leitungsfunktion über einen beurteilungsrelevanten Zeitraum ausgeübt hat, ist auch dann einer Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion zuzuordnen, wenn ihm entsprechende Aufgaben am Beurteilungsstichtag nicht mehr übertragen waren.

  • Rechtsquellen
    SLV § 3 Abs. 2
    AR A-1340/50 Anlage 15.1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.01.2025 - 1 WB 35.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:300125B1WB35.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 35.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Stangl und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Keil
am 30. Januar 2025 beschlossen:

  1. Die zum Stichtag 31. Juli 2023 für den Antragsteller erstellte Beurteilung und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. April 2024 werden aufgehoben.
  2. Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet, eine Neuerstellung der Beurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. Juli 2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu veranlassen.
  3. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der ihm im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antrag betrifft die planmäßige Beurteilung des Antragstellers zum Stichtag 31. Juli 2023.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2032 enden. 2010 wurde er zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom 1. April 2016 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seit April 2019 wurde er als Referent ... verwendet. Zum 1. Oktober 2024 wurde er zum ... nach ... versetzt.

3 Im Beurteilungszeitraum (vom 1. August 2021 bis zum 31. Juli 2023) war er auf einem Referentendienstposten der Abteilung ... tätig. Im Rahmen einer Umorganisation wurde das Referat des Antragstellers X in das Referat Y eingegliedert und der Antragsteller wechselte zum 1. September 2022 den Dienstposten.

4 Der Antragsteller war wegen der Vakanz der Referatsleitung am 16. September 2019 mit der Führung des Referats X beauftragt worden und hatte diese Aufgabe bis zum 31. August 2022 wahrgenommen. Für die Beurteilung zum Stichtag 31. Juli 2021 war der Antragsteller wegen der Beauftragung mit der Führung des Referates am Stichtag einer Vergleichsgruppe von Offizieren des Truppendienstes auf A 14/A 15 dotierten Dienstposten mit Leitungsfunktion zugeordnet.

5 Mit E-Mail vom 21. Juni 2023 übersandte die Abteilung A dem dortigen Referat Z, dem Erlasshalter der AR A-1340/50, mit der Bitte um Bearbeitung und Entscheidung einen schriftlichen Vermerk zur Frage der Vergleichsgruppenzuordnung des Antragstellers für die streitgegenständliche Beurteilung. In dem Vermerk wird die Absicht einer Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion begründet. Das Referat Z (...) antwortete mit E-Mail vom 22. Juni 2023. Zu der Frage der Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe wurde hierin zunächst ausgeführt, dies könne sachgerecht nur durch die verantwortlichen Zweitbeurteiler vor Ort geschehen. Eine Entscheidung des Erlasshalters hierzu sei daher grundsätzlich nicht angezeigt. Im Folgenden erläuterte Fregattenkapitän ... dann in Auseinandersetzung mit dem übersandten Vermerk, dass seiner Auffassung nach der Antragsteller im streitgegenständlichen Beurteilungszeitraum einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion zuzuordnen sei. Unter dem 27. Juni 2023 wandte sich der Zweitbeurteiler mit der Bitte um eine wohlwollende Prüfung der Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion an die Abteilung B des ... Nach erneuter Prüfung des Falles wurde dem Zweitbeurteiler mit E-Mail vom 8. August 2023 erläutert, warum die Abteilung B an der Auffassung festhielt, der Antragsteller sei einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion zuzuordnen.

6 1. Für den Beurteilungszeitraum erstellte der Erstbeurteiler, der Referatsleiter Ministerialrat ..., seinen Anteil am 10. Januar 2024, der Zweitbeurteiler, der Abteilungsleiter Vizeadmiral ..., seinen Anteil unter dem 31. Januar 2024. Die Beurteilung beschreibt die vom Antragsteller wahrgenommenen wesentlichen Aufgaben wie folgt:
"Führung des Ref X bis 31.08.22, Leiten des Aufgabenbereiches ..., ... und ... im Ref Y bis 31.05.2023, Beiträge zum ..., Vertreter Abt ... bei ..., Erarbeitung Beiträge ..., ... im LZ/Sonderstab ... als Vertreter Abt ..."

7 Im Beurteilungsformular ist angegeben, dass der Antragsteller dem Erstbeurteiler seit dem 1. September 2022 unterstellt war. Aufgeführt sind verschiedene Beurteilungsbeiträge.

8 Der Erstbeurteiler bewertete den Antragsteller als für eine Stabsverwendung besonders gut geeignet, für eine Führungsverwendung sehr gut geeignet sowie für eine Lehr- und Ausbildungsverwendung gut geeignet und für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung geeignet. Nicht bewertet wurde die Eignung für eine Verwendung mit besonderer Fachlichkeit und Verwendungen mit besonderer Spezialisierung/​Expertise. Er sah die Führungs- und Managementkompetenz besonders stark ausgeprägt, die Sozialkompetenz stark ausgeprägt sowie die Selbst-, Methoden- und Fachkompetenz ausgeprägt. Ergänzend ist ausgeführt:
"Insbesondere als Vertreter der Abt A im ... hat ... in der Aufstellungsphase und immer wieder auf Anforderungen durch die ... über viele Monate hinweg mit ausgeprägter Führungs- und Managementkompetenz Maßstäbe gesetzt, die bis heute wirken."

9 In der Leistungsbeurteilung wurden acht Einzelmerkmale - darunter das Führungsverhalten - mit "übertrifft die Leistungserwartungen dauerhaft in außergewöhnlichem Umfang" und sieben Einzelmerkmale - darunter die Motivation und Förderung von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen sowie die Dienstaufsicht und Kontrolle von Arbeitsergebnissen - mit "übertrifft die Leistungserwartungen regelmäßig in erheblichem Umfang" bewertet. Ergänzend heißt es:
"Exzellenter Controller, der die komplexen Aufgabenstellungen im ...-Bereich durchdringt und beherrscht. Solide und belastbare Datenanalyse, dabei kreative und konsequente WE der Tools. Zielvereinbarung intern und extern mit der Industrie, hartnäckiges und offenes Ansprechen der Schwachstellen und notw. Lösungsansätze, durchsetzungsstarker Teamplayer, nie enden wollende Einsatzbereitschaft, sucht den aktiven Austausch, informiert und leitet an."

10 Die zusammenfassende Bewertung führt aus:
"... ist ein gestandener Stabsoffizier, der durch ausgezeichnetes Wissen, Beratungsfähigkeit und Führungskönnen überzeugt. Übernimmt Verantwortung und handelt, wo sich andere rückversichern. Methodisch in der gesamten Bandbreite des Controllings erstklassig, absolut kreativ u. leistungsstark. Im Rahmen seines Einsatzes im ... hoch geschätzt insb. bei anderen Ressorts und unseren ... Partnern und wesentlicher Architekt der ... Politik des ..."

11 Der Zweitbeurteiler bestätigte die Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsbeurteilung des Erstbeurteilers und vergab das Gesamturteil "B+".

12 Zur Begründung heißt es:
"Im Eignungs- und Leistungsvergleich zur Spitzengruppe der Stabsoffiziere seiner Vergleichsgruppe der Abt ... gehörend werden die Wertungen des EB voll umfänglich geteilt. Die herausragende Gesamtpersönlichkeit und Leistungen im ... haben weit über das ... Anerkennung erfahren. Überzeugt durch ausgezeichnetes fachliches Wissen, Beratungsfähigkeit und Führungskönnen. Eine weitere Förderung wird uneingeschränkt befürwortet. "

13 Die Anteile Erst- und Zweitbeurteiler wurden dem Antragsteller jeweils im Entwurf ausgehändigt, mit ihm erörtert und ihm in den Schlussfassungen am 11. Januar 2024 bzw. am 31. Januar 2024 eröffnet. Zu der Zweitbeurteilung merkte der Antragsteller an:
"Eine Verschlechterung des Gesamturteils im Vergleich zur Vorbeurteilung ist für mich aufgrund der geführten Gespräche und des vorliegenden BU-Beitrags unerwartet."

14 2. Unter dem 2. Februar 2024 beschwerte sich der Antragsteller gegen die planmäßige Beurteilung. Er wandte sich gegen seine Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion. Die Anlage 15.1 zur AR A-1340/50 sehe eine Festlegung durch den Zweitbeurteiler vor, während in seinem Fall die Festlegung aber durch die Abteilung Personal erfolgt sei. Dies sei verfahrensfehlerhaft. Für seine vorangegangene Beurteilung sei er einer Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion zugeordnet worden, weil er mit der Führung des Referats beauftragt gewesen sei. Dies betreffe auch 13 Monate des aktuellen Beurteilungszeitraumes. Vom 1. September 2022 bis zum 31. Mai 2023 habe er zudem den Aufgabenbereich "..." wahrgenommen. Damit habe er weitere neun Monate des aktuellen Beurteilungszeitraums einen Arbeitsbereich verantwortlich geleitet. Vom 1. Juni 2023 bis zum Beurteilungsstichtag sei er infolge einer Umgliederung des Leitungsbereiches im ... als Referent eingesetzt gewesen. Der Bundesminister der Verteidigung habe in seiner Ankündigung der Umgliederung vom 20. April 2023 deutlich gemacht, dass die Umgliederung ohne Schaden für Betroffene bei deren Beurteilungen umgesetzt werden solle. Diese Fürsorge müsse auch ihm zukommen.

15 Das Bundesministerium der Verteidigung wies die Beschwerde mit Bescheid vom 19. April 2024 zurück. Die zulässige Beschwerde sei unbegründet. Die Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe der Offiziere des Truppendienstes auf A 14/A 15 - dotierten Dienstposten ohne Leitungsfunktion entspreche § 3 Abs. 2 SLV und Nr. 1 der Anlage 15.1 der AR A-1340/50. Im ... würden Leitungsaufgaben erst ab der Ebene Referatsleitung wahrgenommen, während Referenten Vergleichsgruppen ohne Leitungsfunktion zugeordnet würden. Zwar würden vereinzelt Referenten, die - wie der Antragsteller im vorangegangenen Beurteilungszeitraum - mit der vertretungsweisen Führung eines Referates über den Beurteilungsstichtag hinaus beauftragt seien, Vergleichsgruppen mit Leitungsfunktion zugeordnet. Am 31. Juli 2023 sei dem Antragsteller die Referatsleitung aber nicht mehr übertragen gewesen, so dass seine Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion nicht zu beanstanden sei. Dass die Zuordnung nicht durch den Zweitbeurteiler, sondern die Abteilung Personal erfolgt sei, treffe nicht zu. Zwar sei der Erlasshalter um eine Bewertung gebeten worden. Dies sei aber eine Beratung und nicht die Übernahme der Entscheidungszuständigkeit gewesen. Etwas Anderes folge auch nicht aus der Beauftragung mit der vertretungsweisen Referatsleitung oder der Leitung der ... Diese hätten zum Beurteilungsstichtag nicht mehr bestanden. Ein anderes Ergebnis rechtfertige das Ministerschreiben vom 20. April 2023 ebenso wenig. Die dortige Aussage über den Bestand von Beurteilungszuständigkeiten sei auf den Antragsteller nicht anwendbar; für ihn hätten sich infolge der Organisationsmaßnahmen Beurteilungszuständigkeiten nicht geändert.

16 3. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 23. Mai 2024 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat diesen Rechtsbehelf dem Senat mit einer Stellungnahme vom 30. Juli 2024 vorgelegt.

17 Der Antragsteller wendet sich weiterhin gegen seine Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion und rügt, dass diese durch die Abteilung Personal und nicht - wie es das Verfahren nach der AR A-1340/50 geboten hätte - durch den Zweitbeurteiler erfolgt sei. Der Beschwerdebescheid bestätige seinen Vortrag, seine Zuordnung zu einer Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion sei durch aktives Eingreifen der Abteilung P verhindert worden. Es sei unerheblich, ob die Abteilung B die Entscheidung unmittelbar getroffen habe oder der Zweitbeurteiler auf der Grundlage einer vorschriftswidrigen, der Abteilung nicht zustehenden "Beratung". Auch diese Beratung werde hilfsweise zum Gegenstand der Beschwerde gemacht. Der Beschwerdebescheid gebe den Inhalt der Schreiben der Abteilung B unvollständig oder falsch wieder. Aus deren vollständigem Inhalt ergebe sich ein rechtswidriges Vorgehen. Im Beurteilungszeitraum sei ihm für neun Monate die Leitung des Aufgabenbereiches "..." übertragen worden. Mit dieser eigenverantwortlichen Leitung habe er Leitungsfunktionen wahrgenommen. Die diesem Umstand zugrundeliegende Aufgabenbeschreibung sei erst durch die Umgliederung der Leitung des ... geändert worden. Damit sei er sehr wohl von den Vorgaben des Ministerschreibens vom 20. April 2023 betroffen. Er werde gegenüber Soldaten, die einem anderen Erstbeurteiler unterstellt worden seien, ungleich behandelt. Seine Beschwer gründe im Ablauf des Beurteilungsdurchganges im ... Dieser Sachverhalt sei durch Einholung einer Stellungnahme der zuständigen Organisationseinheit im Ministerium aufzuklären. Nur so könne geklärt werden, ob er oder das ... mit der Bewertung des Schriftverkehrs zu seiner Zuordnung zur Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion recht hätten.

18 Der Antragsteller beantragt,
seine planmäßige Beurteilung zum Stichtag 31. Juli 2023 aufzuheben.

19 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

20 Der zulässige Antrag sei unbegründet. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ergebe sich aus dem Wortlaut des Schriftverkehrs zwischen der Abteilung C und der Abteilung A nicht, dass seine Vergleichsgruppenzuordnung durch die Abteilung C getroffen worden sei. Die Auslegung ergebe vielmehr, dass dies durch den Zweitbeurteiler erfolgt sei. Im ... würden Leitungsaufgaben grundsätzlich erst ab der Ebene Referatsleitung wahrgenommen. Maßgeblich sei die Aufgabenübertragung zum jeweiligen Stichtag. Hiernach hätte der Antragsteller am 31. Juli 2023 aber keine Leitungsfunktion innegehabt. Dies gelte auch für die bis zum 31. Mai 2023 gültige Aufgabenbeschreibung des Antragstellers, da er hiernach weder Disziplinarvorgesetzter noch beurteilender Vorgesetzter gewesen sei und auch keine Verantwortung für unterstelltes Personal in erheblichem Umfange gehabt hätte. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Ministerschreiben vom 20. April 2023. Dieses regele lediglich den Fortbestand von Beurteilungszuständigkeiten. Der Antragsteller sei zudem nicht von der Umgliederung betroffen.

21 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

22 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

23 1. Der Antragsteller hat einen konkreten Antrag formuliert. Dieser ist im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass seinem Begehren nach einer gerichtlichen Prüfung in der Sache möglichst umfangreich Rechnung getragen werden kann (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO). Hiernach begehrt er neben der ausdrücklich beantragten Aufhebung der streitgegenständlichen Regelbeurteilung auch die Aufhebung des Beschwerdebescheides und die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung, für ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut eine Regelbeurteilung zum 31. Juli 2023 erstellen zu lassen.

24 2. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere hat der Antragsteller mit Recht die Regelbeurteilung insgesamt und nicht lediglich den Anteil des Zweitbeurteilers zum Gegenstand seines Antrages gemacht (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 ff. Rn. 32).

25 Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Zwar sind Aussagen und Wertungen in Beurteilungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung der Beurteilten grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. auch Nr. 1201 Satz 1 AR A-1340/50). Sie sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beurteilung mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Mai 2009 - 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 27 m. w. N. und vom 19. Juli 2018 - 1 WB 31.17 - NVwZ-RR 2019, 54 Rn. 23). Dies macht der Antragsteller geltend, indem er Verstöße gegen Beurteilungsgrundsätze zur Homogenität der Vergleichsgruppe (Nr. 905 ff. AR A-1340/50 und Anlage 15.1) rügt. Da die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe Auswirkungen auf die Umsetzung der Richtwertvorgaben hat, hat sie Auswirkungen auf die leistungsgerechte Bewertung eines Soldaten. Verstöße in diesem Bereich verletzen zumindest möglicherweise seine Rechte aus § 6 Satz 1 SG i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG und sind daher rügefähig.

26 3. Der Antrag ist auch begründet. Die Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion widerspricht den Vorgaben aus § 3 Abs. 2 SLV und Art. 33 Abs. 2 GG.

27 a) Für die rechtliche Überprüfung sind grundsätzlich die Beurteilungsbestimmungen maßgeblich, die am Beurteilungsstichtag gegolten haben (BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 40 und vom 12. Oktober 2023 - 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 13) Daher sind die für den Beurteilungsstichtag 31. Juli 2023 maßgeblichen Fassungen der §§ 2, 3 SLV und die hierzu ergangenen Allgemeinen Regelungen A-1340/50 "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten" anzuwenden. Dass diesen Vorschriften am Beurteilungsstichtag die erforderliche gesetzliche Grundlage fehlte, schadet ausnahmsweise nicht. Denn diese Regelungen durften für eine Übergangszeit weiter angewendet werden, weil bei Aufhebung aller darauf gestützten Beurteilungen ein Zustand entstanden wäre, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt wäre als bei einer vorübergehenden weiteren Anwendung dieser Vorschriften (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - ‌BVerwGE 180, 116 Rn. 44 ff. m. w. N.).

28 b) Die hier streitgegenständliche Regelbeurteilung sowie der dazu ergangene Beschwerdebescheid entsprechen aber auch bei Anwendung der damals geltenden §§ 2, 3 SLV und der AR A-1340/50 nicht höherrangigem Recht. Sie sind daher mit der Folge einer Verpflichtung zur rechtskonformen Neuerstellung nach Maßgabe der nachfolgenden Entscheidungsgründe aufzuheben.

29 aa) Dienstliche Beurteilungen sind gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar, weil den Vorgesetzten bei ihrem Werturteil über die Eignung, Befähigung und Leistung ein Beurteilungsspielraum zusteht (stRspr, vgl. – auch zum Folgenden - BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 1 WB 43.12 - juris Rn. 38, vom 21. März 2019 - 1 WB 6.18 - juris Rn. 28 und vom 26. November 2020 - 1 WRB 2.19 -‌ juris Rn. 24 m. w. N.). Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an denen sich die Beurteilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ständig orientiert, kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang stehen (BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 30 m. w. N.).

30 bb) Im vorliegenden Fall ist der für die Vergleichsgruppenbildung von § 3 Abs. 2 SLV gezogene rechtliche Rahmen verkannt worden.

31 Rechtlich nicht zu beanstanden ist das System der Berücksichtigung von Richtwertvorgaben nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 und 3 SLV und die hierfür erforderliche Bildung von Vergleichsgruppen (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 50 ff. m. w. N.).

32 Die für den einzelnen Beurteiler maßgebliche Vergleichsgruppe muss so hinreichend homogen sein, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Soldaten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden. § 3 Abs. 2 Satz 1 SLV bezeichnet als hinreichend homogen neben der Gruppe der Soldaten desselben Dienstgrades und derselben Besoldungsgruppe auch die Gruppe der Soldaten derselben Funktionsebene. Bei der auf diese Weise gebildeten Vergleichsgruppe ist das Kriterium für die Gruppenzugehörigkeit die Innehabung eines Dienstpostens mit weitgehend denselben Anforderungen; die Ähnlichkeit der verrichteten Aufgaben ist der tragende Grund für die Vergleichbarkeit. Bei der Vergleichsgruppenbildung nach Funktionsebenen werden die Leistungsanforderungen nicht aus dem Statusamt hergeleitet, sondern daran orientiert, welche Anforderungen die durch die Wahrnehmung der im Wesentlichen gleichen Aufgaben gekennzeichneten Dienstposten übereinstimmend stellen (BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 1 WB 51.10 - ‌BVerwGE 141, 113 Rn. 40). Nach Nr. 1 der Anlage 15.1 ("Übersicht Vergleichsgruppen gemäß § 3 Absatz 2 SLV") zur AR A-1340/50 dürfen Soldatinnen und Soldaten mit Leitungsfunktion grundsätzlich nicht mit Soldatinnen und Soldaten der Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion verglichen werden (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 75). Dabei kann die Bewertung und Festlegung der Vergleichsgruppe nach Funktionsebene sachgerecht nur durch die verantwortlichen Vorgesetzten vor Ort vorgenommen werden und soll durch den Zweitbeurteilenden grundsätzlich vor Beginn eines Beurteilungszeitraums festgelegt werden.

33 cc) Hiernach ist die streitgegenständliche Regelbeurteilung rechtswidrig.

34 Dabei kann offenbleiben, ob die Zuordnung des Antragstellers zur Vergleichsgruppe der Soldaten ohne Leitungsfunktion auf einer verwaltungsintern bindenden oder auf einer unverbindlichen Stellungnahme des Fachreferats der Abteilung Personalwesen des Bundesministeriums der Verteidigung beruhte. Denn die Stellungnahme stand jedenfalls nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben des § 3 Abs. 2 SLV.

35 (1) Für die Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene im Sinne des § 3 Abs. 2 SLV kommt es nach dem Wortlaut der Norm nur darauf an, dass die Soldatin oder der Soldat die Funktionsebene erreicht hat. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift kann auch das Erfordernis hergeleitet werden, dass die Funktion in einem beurteilungsrelevanten Zeitraum ausgeübt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2024 - 1 WB 27.24 - juris Rn. 41). Die Funktionsebene der Leitungsfunktion hat auch erreicht, wer eine Leitungsfunktion über einen beurteilungsrelevanten Zeitraum vertretungsweise wahrnimmt. Dies ist etwa bei einer kontinuierlich und dauerhaft wahrgenommenen stellvertretenden Referatsleitung der Fall. Insoweit kommt es darauf an, ob die stellvertretende Wahrnehmung der Aufgaben des Referatsleiters eine Dauer von etwa sechs Monaten erreicht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Februar 2021 - 1 WB 15.20 - juris Rn. 49, vom 28. November 2024 - 1 WB 30.24 - juris Rn. 66 und vom 19. Dezember 2024 - 1 WB 21.24 - Rn. 54).

36 (2) Die Funktionsebene einer Leitungsfunktion hatte der Antragsteller auch im Beurteilungszeitraum erreicht, weil ihm von Anfang August 2021 bis Ende August 2022, d. h. für mehr als ein Jahr die Referatsleitung übertragen war und er diese auch tatsächlich ausgeübt hat. Seine Beauftragung mit der Aufgabe durch Schreiben des stellvertretenden Abteilungsleiters ... vom 16. September 2019 ab dem 8. Oktober 2019 "bis auf Weiteres" ist aktenkundig. Die streitgegenständliche Beurteilung führt ausdrücklich - und insoweit auch unstreitig - an, dass die Führung des Referats bis zum 31. August 2022 zu den wesentlichen Aufgaben des Antragstellers gehörte.

37 (3) Etwas Anderes folgt nicht daraus, dass der Antragsteller die Leitungsfunktion am Beurteilungsstichtag 31. Juli 2023 nicht mehr innehatte.

38 Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung kommt es für die Zuordnung nicht darauf an, dass die Leitungsfunktion gerade am Beurteilungsstichtag wahrgenommen wurde. Zwar ist bei der Vergleichsgruppenbildung nach dem Dienstgrad oder der Besoldungsgruppe der zum Beurteilungsstichtag erreichte Status maßgeblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2023 - 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 40). Dies beruht auf der Erwägung, dass die dienstlichen Beurteilungen als Entscheidungsgrundlagen für Wettbewerbe um das nächsthöhere Beförderungsamt dienen, so dass Aussagen zu Eignung, Leistung und Befähigung für einen niedrigeren Dienstgrad oder eine niedrigere Besoldungsgruppe wenig Aussagekraft besitzen (vgl. BVerwG Urteil vom 12. Oktober 2023 - 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 38-42).

39 Die Statusfrage spielt jedoch bei der Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene keine Rolle. Denn die Dienstposten mit und ohne Leitungsfunktion sind für Amtsinhaber derselben oder einer gebündelten Dienstgrad- oder Besoldungsgruppe vorgesehen und damit statusmäßig gleichwertig. Sie sind jedoch wesensmäßig unterschiedlich, weil es bei Dienstposten mit Leitungsaufgaben zumindest auch auf die Befähigung zur Menschenführung ankommt, während bei Dienstposten ohne Leitungsaufgaben die fachliche Expertise und die eigene Leistung im Vordergrund stehen. Die Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene differenziert nur danach, ob ein Soldat seine Befähigung zur Menschenführung im Beurteilungszeitraum nachweisen konnte. Eine weitere Ausdifferenzierung nach dem Ausmaß dieser Leitungs- im Vergleich mit Sachbearbeitertätigkeiten ist nicht vorgesehen. Solange die Wahrnehmung einer solchen Funktion eine beurteilungsrelevante Dauer erreicht, verlangen die Vorgaben aus § 3 Abs. 2 SLV auch nicht, dass während des gesamten Beurteilungszeitraumes die Schwelle zu der fraglichen Funktionsebene überschritten wurde.

40 Vor diesem Hintergrund wäre es systemwidrig, einzelne Soldaten, die in das Gesamturteil Leistungen in Führungstätigkeiten einbringen, dies aber nicht am Beurteilungsstichtag tun, derselben Vergleichsgruppe wie Soldaten zuzuordnen, die in das Gesamturteil gar keine Leistungen in Führungstätigkeiten einbringen. Eine so gebildete Vergleichsgruppe wäre nicht hinreichend homogen. In welchen Teilzeitraum innerhalb des Beurteilungszeitraums die beurteilungsrelevante Leitungsfunktion fällt, ist für die Vergleichbarkeit der Leistungen und damit die Homogenität der Vergleichsgruppe unerheblich. Ein unter Einbeziehung von Führungstätigkeit gebildetes Gesamturteil ist leistungsgerecht und chancengleich vergleichbar nur mit den Leistungen einer Gruppe von anderen Soldaten, die ebenfalls solche Führungstätigkeit in beurteilungsrelevantem Umfange wahrnehmen.

41 (4) Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Antragsteller die Leitungsfunktionsebene auch durch die Leitung des Aufgabenbereiches "..." oder die Leitung der ... erreicht hätte. Dies ist hier allerdings sehr zweifelhaft, weil sich aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Dienstpostenbeschreibung nicht ergibt, dass hiermit Personalführungsaufgaben in beurteilungserheblichem Umfang verbunden waren. Die verantwortliche Zeichnung aller Vorlagen des Arbeitsbereiches und die unmittelbare Zuarbeit für den Abteilungsleiter heben die Aufgabe jedenfalls nicht über die für die Funktionsebene ohne Leitungsfunktion charakteristische Sachbearbeitertätigkeit hinaus, auch wenn hier eine besonders hochqualifizierte Sachbearbeitung in Rede steht.

42 Unerheblich ist auch, dass sich aus dem Ministerschreiben vom 20. April 2023 an die Angehörigen des Bundesministeriums der Verteidigung nichts für die Zuordnung des Antragstellers zu einer Vergleichsgruppe ergibt. Ob der Antragsteller von den dort thematisierten Umorganisationen betroffen ist, ist ebenso wenig maßgeblich wie die Frage, ob sich aus dem Schreiben überhaupt subjektiv-öffentliche Rechte Einzelner ergeben können. Hinsichtlich der Beurteilungen äußert es sich jedenfalls nur zum Bestand der Zuständigkeiten der Beurteiler und nicht zu den für diese geltenden Maßstäbe bei der Zuordnung zu Vergleichsgruppen.

43 Entgegen der Einschätzung des Antragstellers bedarf es auch nicht der Einholung von Stellungnahmen zum Ablauf des Beurteilungsdurchganges. Dieser ist nach den oben dargetanen Erwägungen nicht entscheidungserheblich.

44 Eine weitere Akteneinsicht war ebenfalls entbehrlich. Sie wurde nur für den Fall einer mündlichen Verhandlung beantragt, deren Durchführung gemäß § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO nicht erforderlich erschien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2024 - 1 WB 14.24 - juris Rn. 36 m. w. N.).

45 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.