Beschluss vom 25.10.2024 -
BVerwG 9 A 18.24ECLI:DE:BVerwG:2024:251024B9A18.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.10.2024 - 9 A 18.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:251024B9A18.24.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 18.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Oktober 2024
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und
Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. November 2023 gegen die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D wird verworfen.
  2. Die Anhörungsrüge der Kläger vom 2. November 2023 gegen den Beschluss des Senats vom 5. Januar 2023 - BVerwG 9 A 12.21 , 9 A 6.22 - wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens zu je 1/3.

Gründe

I

1 Mit Urteil vom 2. Juli 2020 - 9 A 8.19 - wies der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Klage der Kläger gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss als unzulässig ab; eine nachfolgende Anhörungsrüge (9 A 7.20 ) blieb ohne Erfolg. Am 2. Juli 2021 erhoben die Kläger Nichtigkeitsklage nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (9 A 12.21 , nunmehr 9 A 16.24 ) mit dem Ziel, eine Wiederaufnahme des Klageverfahrens 9 A 8.19 wegen vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts zu erreichen. Zugleich lehnten sie die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A sowie die Richter und Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht B, C, D und E und damit alle (damaligen) Mitglieder des 9. Senats, die an den vorausgegangenen Entscheidungen im Klage- und/oder Anhörungsrügeverfahren mitgewirkt hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Schriftsatz vom 7. September 2021 lehnten sie zudem den Richter am Bundesverwaltungsgericht F als weiteres Mitglied des 9. Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 28. Februar 2022, der unter Mitwirkung des Richters am Bundesverwaltungsgericht F sowie des Richters am Bundesverwaltungsgericht G und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht H erging, wurden das Ablehnungsgesuch gegen den Richter F verworfen und das Ablehnungsgesuch gegen die weiteren Senatsmitglieder zurückgewiesen.

2 Gegen diesen Beschluss erhoben die Kläger mit Schriftsatz vom 11. April 2022 Anhörungsrüge (9 A 3.22 ) und lehnten den Richter am Bundesverwaltungsgericht F (erneut) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Unter Mitwirkung des abgelehnten Richters sowie des Richters am Bundesverwaltungsgericht G und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht H wurden mit Beschluss vom 11. Oktober 2022 das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht F verworfen und die Anhörungsrüge zurückgewiesen.

3 Mit Schriftsätzen vom 7. Juni, 7. September und 22. November 2022 lehnten die Kläger im Klageverfahren 9 A 12.21 die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A (erneut) aus verschiedenen Gründen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Unter dem 19. Oktober 2022 erhoben sie zudem eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 11. Oktober 2022, soweit darin das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht F verworfen worden war, und lehnten diesen Richter wiederum wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2022 brachten die Kläger in diesem Anhörungsrügeverfahren (9 A 6.22 , nunmehr 9 A 17.24 ) sowie im Klageverfahren 9 A 12.21 ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A, die Richter am Bundesverwaltungsgericht F, B und C sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht D und E an. Dieses Ablehnungsgesuch wurde vom Senat mit Beschluss vom 5. Januar 2023 unter Mitwirkung der Richter B und C sowie der Richterin D verworfen.

4 Mit Beschluss vom 6. Januar 2023 wurden das Klageverfahren 9 A 12.21 und das Anhörungsrügeverfahren 9 A 6.22 auf Antrag der Kläger bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine von ihnen gegen die Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 erhobene Verfassungsbeschwerde entsprechend § 94 VwGO ausgesetzt. Noch vor Zustellung der Beschlüsse vom 5. und 6. Januar 2023 lehnten die Kläger mit Schriftsatz vom 11. Januar 2023 unter Hinweis auf die neue Jahresgeschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts die Richterin am Bundesverwaltungsgericht H und den Richter am Bundesverwaltungsgericht G wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

5 Mit Schriftsatz vom 2. November 2023 haben die Kläger gegen den Beschluss vom 5. Januar 2023 Anhörungsrüge erhoben und die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D (erneut) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

6 Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen die Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2022 und 11. Oktober 2022 mit Beschluss vom 25. Juli 2024 - 1 BvR 287/23 - nicht zur Entscheidung angenommen hat, sind das Klage- und das Anhörungsrügeverfahren unter den Aktenzeichen 9 A 16.24 bzw. 9 A 17.24 wiederaufgenommen worden, so dass zunächst über die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 5. Januar 2023 - 9 A 18.24 - sowie über das auf dieses Rügeverfahren sowie die beiden wiederaufgenommenen Verfahren bezogene Ablehnungsgesuch vom 2. November 2023 zu entscheiden ist.

II

7 1. Das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. November 2023 gegen die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D ist offensichtlich missbräuchlich und damit unzulässig, weshalb es auch einer Mitwirkung der abgelehnten Richter an der Entscheidung nicht entgegensteht.

8 Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist unzulässig; der abgelehnte Richter ist von der Entscheidung darüber nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Mai 2006 - 1 BvR 698/06 - BVerfGK 8, 59; Beschlüsse vom 1. März 2016 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 142, 1 Rn. 12 und vom 20. Juli 2021 - 2 BvE 4/20 u. a. - BVerfGE 159, 26 Rn. 13 m. w. N. sowie zuletzt Kammerbeschluss vom 2. August 2024 - 2 BvR 965/24 - juris). Indizien für einen Missbrauch des Ablehnungsrechts können darin liegen, dass die Begründung des Gesuchs nicht hinreichend konkret auf den bzw. die abgelehnten Richter bezogen ist, dass der Inhalt der Begründung von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, oder dass verfahrensfremde Zwecke wie etwa das Ziel, den Prozess zu verschleppen, verfolgt werden (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 29. November 2017 - 10 B 5.17 -‌ juris Rn. 1 und vom 24. Juni 2019 - 6 AV 10.19 - juris Rn. 3, jeweils m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn die Kläger verfolgen mit ihrem Ablehnungsgesuch vom 2. November 2023 verfahrensfremde Zwecke.

9 Das prozessuale Verhalten der Kläger, die mit dem Ausgang ihres Klageverfahrens 9 A 8.19 unzufrieden sind und die damalige Entscheidung des Senats für willkürlich halten, ist darauf gerichtet, die Wiederaufnahme dieses Verfahrens und eine erneute Entscheidung darüber nunmehr durch andere Richter zu erreichen. Die gewünschte Veränderung der Richterbank ist dabei ein wesentlicher Kern ihres Anliegens. Dass sie dies im Rahmen der erhobenen Nichtigkeitsklage, bei der eine Entscheidung durch denselben Spruchkörper gerade nicht gesetzlich ausgeschlossen, sondern als Regelfall vorgesehen ist, nicht erreichen können, hat der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2022 den Klägern gegenüber rechtskräftig entschieden und im Einzelnen begründet (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21 - NVwZ 2022, 884 Rn. 22 ff.). Mit den nachfolgenden Anhörungsrügen und (wiederholten) Ablehnungsgesuchen, die sich inzwischen auf alle Richter erstrecken, die bisher in ihrem Verfahren tätig geworden sind und in denen sie die Rügen der willkürlichen Entscheidung im Verfahren 9 A 8.19 , der Vorfestlegung bezüglich der Auslegung der senatsinternen Geschäftsverteilung für das Jahr 2020 sowie diverser Unstimmigkeiten und Fehler in den Geschäftsverteilungsplänen des Senats in wechselnden Varianten wiederholen, versuchen sie, dieses Ziel gleichwohl zu erreichen. Damit missbrauchen sie das Ablehnungsrecht zur Erreichung eines im Rahmen der erhobenen Wiederaufnahmeklage gesetzlich nicht vorgesehenen Ergebnisses, weshalb sich das erneute Ablehnungsgesuch vom 2. November 2023 als unzulässig erweist.

10 2. Die Anhörungsrüge vom 2. November 2023 hat keinen Erfolg, so dass das Verfahren über das Ablehnungsgesuch vom 28. Dezember 2022 nicht fortzuführen ist.

11 a) Der Zulässigkeit der Anhörungsrüge steht allerdings nicht entgegen, dass die Kläger sie erst mit Schriftsatz vom 2. November 2023 und damit mehr als zwei Wochen nach Kenntnis des gerügten Beschlusses vom 5. Januar 2023 erhoben haben. Denn mit der Aussetzung der Verfahren durch Beschluss vom 6. Januar 2023 sind diese Verfahren zum Stillstand gekommen, und der Lauf der für die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO geltenden Frist hat gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 249 Abs. 1 ZPO aufgehört.

12 b) Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Aus dem Rügevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise im Sinne von § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO verletzt hat.

13 Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber weder gehalten, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, noch muss es sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. April 2023 - 9 B 10.23 -‌ juris Rn. 2 m. w. N.).

14 aa) Worin die "Überraschungsentscheidung" durch die Ausführungen des Senats zum "Hintergrund" seiner Geschäftsverteilung für das Geschäftsjahr 2020 liegen soll, ist nicht ersichtlich. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Verletzung des Beratungsgeheimnisses oder von Dienstgeheimnissen nach § 43 DRiG und § 353b StGB ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Auf welche der Geheimhaltung unterliegenden Umstände, geschweige denn Beratungsgeheimnisse i. S. d. § 43 DRiG, sich die Kläger beziehen, erschließt sich nicht. Die von ihnen insoweit wohl in Bezug genommenen Erläuterungen zum "Hintergrund" der Jahresgeschäftsverteilung 2020 betreffen ausnahmslos Umstände, die in der Öffentlichkeit ohne Weiteres bekannt waren oder hätten bekannt sein können, und basieren entgegen der Auffassung der Kläger offensichtlich nicht auf einem "rein senatsinternen Wissen". Die entsprechenden Informationen ergaben sich ohne Weiteres aus den Geschäftsverteilungsplänen des Bundesverwaltungsgerichts und des 9. Senats sowie der Berichterstattung in Presse und Internet über das Vorhaben der Festen Fehmarnbeltquerung, dem dazu ergangenen über 1 000 Seiten langen Planfeststellungsbeschluss und den dagegen im Frühjahr 2019 erhobenen Klagen. Dass sich die Bearbeitung dieser Verfahren angesichts der Komplexität und Einmaligkeit des Vorhabens und der - von den damaligen Klägern in diesen Verfahren selbst öffentlich gemachten - umfangreichen Rügen zeitlich und inhaltlich aufwändig gestalten würde, stellt ebenso wenig einen Gegenstand der Geheimhaltung dar wie der Umstand, dass diese 2019 eingegangenen Klagen im Jahr 2020 zur Entscheidung anstanden. Dass die Kläger von diesen Umständen persönlich keine Kenntnis genommen haben mögen, ist insoweit unbeachtlich. Im Übrigen hat der Senat diese Umstände lediglich als Hintergrundinformationen zur Erläuterung des objektiven Aussagegehalts seines Beschlusses zur Geschäftsverteilung 2020 angeführt, ohne dass ihnen insoweit eine eigenständige entscheidungstragende Bedeutung zukäme.

15 Soweit die Kläger nähere Ausführungen zu diesem "Hintergrund" und eine weitere Begründung des senatsinternen Geschäftsverteilungsplans vermissen, beziehen sie sich auf das Dokumentations- und Begründungserfordernis für unterjährige nachträgliche Änderungen der Geschäftsverteilung nach § 21g Abs. 2 Halbs. 2 bzw. § 21e Abs. 3 GVG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 - juris Rn. 19 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09 -‌ juris Rn. 26), die für den vorliegenden Fall der vorab beschlossenen Jahresgeschäftsverteilung nach § 21g Abs. 2 Halbs. 1 GVG offensichtlich nicht einschlägig ist.

16 bb) Mit ihrem weiteren Rügevorbringen machen die Kläger der Sache nach im Wesentlichen geltend, der Senat habe zu Unrecht eine einzelfallbezogene Richterbestimmung verneint, und setzen den Erläuterungen des Senats zum Regelungsinhalt des Geschäftsverteilungsplans 2020 ihr abweichendes Verständnis davon entgegen. Ein Gehörsverstoß lässt sich damit nicht begründen.

17 Soweit die Kläger meinen, für die Beurteilung, ob der Zuständigkeit für ihr damaliges Verfahren eine einzelfallbezogene Auswahl zugrunde gelegen habe, dürfe nur die für die Zuteilung dieses Verfahrens letztlich maßgebliche Regelung in Ziff. II.1. Abs. 1 Buchst. b GVPl. 2020 betrachtet werden unter Ausblendung aller sonstigen Festlegungen des Geschäftsverteilungsplans, ist dies offensichtlich unzutreffend, da sich der objektive Aussagegehalt der Geschäftsverteilung aus der Gesamtschau aller Regelungen ergibt. Im Übrigen hat der Senat die Ausführungen der Kläger zu den Gründen, aus denen sie von einer einzelfallbezogenen Regelung ausgehen, nicht übergangen, sondern hält sie für nicht stichhaltig. Darin liegt keine Missachtung des rechtlichen Gehörs.

18 Die Ausführungen im gerügten Beschluss zu den "von den Klägern aufgezeigten Formulierungsalternativen" sind nicht entscheidungserheblich, so dass es auf den Vortrag der Kläger dazu nicht ankommt.

19 Die von den Klägern vermisste Auseinandersetzung mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2009 - II ZR 259/07 - war entbehrlich, weil dieses Urteil den Fall einer einzelfallbezogenen Zuteilung, bei der die in der Geschäftsverteilung aufgeführten Aktenzeichen nicht nur rein deklaratorischen Charakter hatten, betraf und vorliegend nicht einschlägig ist.

20 cc) Soweit die Kläger schließlich einen Gehörsverstoß aus der Befangenheit der mitwirkenden Richter ableiten und auf ihren Ablehnungsantrag verweisen, hat dieser aus den oben ausgeführten Gründen keinen Erfolg.

21 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.

Beschluss vom 19.11.2024 -
BVerwG 9 A 23.24ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B9A23.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.11.2024 - 9 A 23.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B9A23.24.0]

Beschluss

BVerwG 9 A 23.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. November 2024
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und
Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger vom 13. November 2024 gegen den Beschluss des Senats vom 25. Oktober 2024 - 9 A 18.24 , 9 A 17.24 , 9 A 16.24 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens zu je 1/3.

Gründe

1 Mit Beschluss vom 25. Oktober 2024 - 9 A 18.24 , 9 A 17.24 , 9 A 16.24 - hat der Senat das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. November 2023 gegen die Richter am Bundesverwaltungsgericht A. und B. sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. als offensichtlich missbräuchlich verworfen (vgl. zu dieser Möglichkeit BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - juris Rn. 17). Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge der Kläger vom 13. November 2024 hat keinen Erfolg. Aus dem Rügevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise im Sinne von § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO verletzt hat.

2 Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber weder gehalten, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, noch muss es sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. April 2023 - 9 B 10.23 -‌ juris Rn. 2 m. w. N.). Dies zugrunde gelegt, liegt ein Gehörsverstoß nicht vor.

3 Mit dem gerügten Beschluss hat der Senat das gegen zwei Senatsmitglieder und ein früheres Senatsmitglied gerichtete Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. November 2023 mit der Begründung verworfen, es sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich, weil die Kläger damit verfahrensfremde Zwecke verfolgten. Ihr prozessuales Verhalten sei darauf gerichtet, in der von ihnen erhobenen Nichtigkeitsklage nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (9 A 12.21 , nunmehr 9 A 16.24 ) eine Wiederaufnahme ihres straßenrechtlichen Klageverfahrens und eine erneute Entscheidung darüber durch andere Richter zu erreichen. Nachdem die gegen alle (damaligen) Mitglieder des Senats gerichteten Ablehnungsgesuche rechtskräftig durch Beschluss vom 28. Februar 2022 - 9 A 12.21 - verworfen bzw. als unbegründet zurückgewiesen worden seien, hätten die Kläger mit den nachfolgenden Anhörungsrügen und (wiederholten) Ablehnungsgesuchen versucht, die gewünschte Veränderung der Richterbank gleichwohl zu erreichen. Damit missbrauchten sie das Ablehnungsrecht zur Erreichung eines im Rahmen der erhobenen Wiederaufnahmeklage gesetzlich nicht vorgesehenen Ergebnisses, weshalb sich auch das erneute Ablehnungsgesuch vom 2. November 2023 als unzulässig erweise.

4 Die Kläger rügen, diese Entscheidung beruhe auf einer unvollständigen Auseinandersetzung mit den geltend gemachten Ablehnungsgründen. Denn diese zielten nicht nur auf den Ausschluss der abgelehnten Richter im Wiederaufnahmeverfahren, sondern auch für sämtliche vor- und nachgängigen Verfahrens- und Sachfragen, bei denen richterliche Entscheidungen in den vom Ablehnungsgesuch betroffenen Verfahren 9 A 16.24 , 9 A 17.24 und 9 A 18.24 inmitten stünden; zudem seien die Richter gerade wegen ihres Verhaltens in den Verfahren 9 A 16.24 und 9 A 17.24 abgelehnt worden. Das konkret gerügte richterliche Verhalten in dem Senatsbeschluss vom 5. Januar 2023 sei nicht berücksichtigt worden. Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsverletzung nicht dargetan.

5 Bei den von den Klägern genannten Verfahren handelt es sich um die Wiederaufnahmeklage (9 A 16.24 , vormals 9 A 12.21 ) sowie zwei Anhörungsrügeverfahren (9 A 17.24 , vormals 9 A 6.22 , sowie 9 A 18.24 ), die sich jeweils auf Beschlüsse beziehen, mit denen Ablehnungsgesuche gegen Mitglieder des Senats verworfen worden sind. Dass der Senat die Einbeziehung dieser Verfahren in das Ablehnungsgesuch vom 2. November 2023 berücksichtigt und diese Verfahren vor Augen gehabt hat, ergibt sich schon daraus, dass sich der gerügte Beschluss ausdrücklich auf alle drei Verfahren bezieht und diese auch in der in den Beschlussgründen ausgeführten Prozessgeschichte näher dargestellt werden. Bei den Anhörungsrügeverfahren handelt es sich auch nicht um Verfahren, die losgelöst von der Nichtigkeitsklage zu betrachten wären und keinen Bezug zu der Frage der dortigen Besetzung der Richterbank aufwiesen. Die Entscheidungen über die verschiedenen Ablehnungsgesuche und die darauf bezogenen Anhörungsrügen betreffen Zwischenverfahren, die Teil des Nichtigkeitsklageverfahrens sind und die, wenn das klägerische Begehren jeweils Erfolg hätte, Einfluss auf die Bestimmung des gesetzlichen Richters in diesem Klageverfahren hätten.

6 Der gerügte Beschluss vom 25. Oktober 2024 beruht auf einer Würdigung des bisherigen prozessualen Verhaltens der Kläger und der von ihnen angebrachten verfahrensrechtlichen Anträge und Rügen. Nach der Überzeugung des Senats ging es den Klägern (auch) in ihrem Ablehnungsgesuch vom 2. November 2023 nur darum, die Mitglieder des Senats dauerhaft aus Entscheidungen über den Verfahrenskomplex der Nichtigkeitsklage auszuschließen und damit die rechtskräftige Entscheidung vom 28. Februar 2022 zu unterlaufen. Den Rügen zu einzelnen konkreten Verhaltensweisen der Richter kommt dabei für das Ablehnungsbegehren keine eigenständige entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - juris Rn. 20).

7 Dass der Senat die Ausführungen der Kläger aus dem Schriftsatz vom 2. November 2023 und die geltend gemachten Ablehnungsgründe insgesamt zur Kenntnis genommen hat, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass er Aspekte wie den gerügten Verstoß gegen § 43 DRiG bzw. § 353b StGB oder seine Ausführungen in dem Beschluss vom 5. Januar 2023 zu "Formulierungen" des Klägers jedenfalls insoweit aufgegriffen hat, als sie für die Entscheidung über die Anhörungsrüge von Relevanz sein konnten.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.