Verfahrensinformation
Das Bundesverwaltungsgericht hat erst- und letztinstanzlich über die Disziplinarklage des Bundesnachrichtendienstes gegen einen bei ihm beschäftigten Bundesbeamten zu entscheiden.
Diesem Beamten wird als Verletzung der Verfassungstreuepflicht vorgeworfen, dass er ohne erkennbaren Anlass einen Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt und hierbei zunächst mehrfach die - für die Reichsbürgerszene typischen - Begriffe "Königreich Bayern" und "RuStaG 1913" verwendet hat.
Pressemitteilung Nr. 78/2021 vom 02.12.2021
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland
Ein Beamter, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises durchgehend "Königreich Bayern" statt "Bundesrepublik Deutschland" angibt, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Beklagte ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Im Jahr 2017 hat der Bundesnachrichtendienst Kenntnis davon erlangt, dass der Beklagte im Juli 2015 beim Landratsamt Starnberg einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei u.a. als Geburts- und Wohnsitzstaat jeweils "Königreich Bayern" angegeben und sich auf das "RuStaG Stand 1913" (= Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913) bezogen hat.
Auf die vom BND erhobene Disziplinarklage hat das Bundesverwaltungsgericht den beklagten Beamten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt:
Mit dem oben beschriebenen Verhalten stellt ein Beamter die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede und lehnt damit die freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Dadurch verletzt er seine gesetzlich normierte Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) in schwerwiegender Weise.
Im Streitfall hat der beklagte Beamte einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei in vielfacher Weise die Begriffe "Königreich Bayern" und "RuStAG 1913" verwendet. Darin liegt objektiv die im Behördenverkehr abgegebene Erklärung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht besteht. Als Beamter weiß er um die Bedeutung eines so formulierten Antrags. Zugleich ist ein solches Verhalten typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene, die gerade durch diese Leugnung gekennzeichnet ist. Der Beamte hat zwar angegeben, kein "Reichsbürger" zu sein, aber auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten hat. Bei der im Disziplinarrecht im jeweiligen Einzelfall anzustellenden Gesamtabwägung konnten ihn wegen der Schwere des in der Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegenden Dienstvergehens auch die für ihn sprechenden Umstände nicht vor der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bewahren.
BVerwG 2 A 7.21 - Urteil vom 02. Dezember 2021
Urteil vom 02.12.2021 -
BVerwG 2 A 7.21ECLI:DE:BVerwG:2021:021221U2A7.21.0
Disziplinarische Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Verletzung der Verfassungstreuepflicht durch Leugnen der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland
Leitsatz:
Ein Beamter, der die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland dadurch leugnet, dass er in einem Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises als Geburts- und Wohnsitzstaat auch für die Zeit nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland durchgehend "Königreich Bayern" angibt und sich mehrfach auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) "Stand 1913" bezieht, verletzt in schwerwiegender Weise seine Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) und kann deshalb im Disziplinarwege aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.
-
Rechtsquellen
BBG § 60 Abs. 1 Satz 3, § 61 Abs. 1 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 RuStAG 1913 § 4 Abs. 1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 02.12.2021 - 2 A 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:021221U2A7.21.0]
Urteil
BVerwG 2 A 7.21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung
und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
für Recht erkannt:
- Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 1. Der 1985 geborene Beklagte ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet. Der Beklagte ist ledig und kinderlos. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. Der Beklagte ist des Weiteren im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis.
2 Nach dem Hauptschulabschluss im Jahr 2001 besuchte der Beklagte für ein Jahr eine private Wirtschaftsschule und absolvierte im Anschluss daran die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten (Fachrichtung allgemeine innere Verwaltung des Freistaats Bayern und der Kommunalverwaltung) bei der Stadt H., die er 2006 abschloss.
3 Seit Dezember 2007 ist der Beklagte beim BND tätig, zunächst als Tarifbeschäftigter, später als Beamter. Im Oktober 2013 wurde er zum Regierungsobersekretär befördert. Er war zunächst als Bürosachbearbeiter in P. eingesetzt. Von März 2016 bis Oktober 2017 war er bei der Deutschen Botschaft in B. tätig. Im Zusammenhang mit den gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen wurde sein Einsatz dort beendet; seitdem ist er wieder als Bürosachbearbeiter in Pullach tätig.
4 Der Beklagte hat zahlreiche Fortbildungskurse absolviert. Im März 2014 erhielt er eine förmliche Anerkennung für seine gezeigten Leistungen und vorbildliche Einsatzbereitschaft (und zwei Tage Sonderurlaub). Im September 2015 erhielt er eine Leistungsprämie in Höhe von 750 € für herausragende Aktivitäten. Er wurde zuletzt im Juni 2017 mit der Gesamtnote 7 ("übertrifft die Anforderungen durch häufig herausragende Leistungen") dienstlich beurteilt.
5 Der Beklagte war vom 14. November 2017 bis zum 11. Januar 2018 und ist seit dem 8. Februar 2018 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Im Jahr 2018 wurde er amtsärztlich untersucht und befand sich in einer Reha-Maßnahme.
6 2. Nach einem Hinweis des Landratsamts S. teilte das Polizeipräsidium U. mit Schreiben vom 16. August 2017 dem BND mit, dass der Beklagte am 27. Juli 2015 beim Landratsamt S. einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei durchgehend - auch hinsichtlich seines Geburtsortes, seiner aktuellen Anschrift, seiner Aufenthaltsorte seit seiner Geburt im Jahr 1985, der Lebensumstände seines 1953 geborenen Vaters und auch der von 1950 bis 2000 bestehenden Ehe seines 1913 geborenen Großvaters - "Königreich Bayern" angegeben und sich auf das "RuStaG Stand 1913" bezogen hat. Daraufhin leitete der BND am 20. November 2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Darüber unterrichtete der BND den Beklagten mit Schreiben vom 4. Dezember 2017. Der Sachverhalt gebe Anlass zur Prüfung, ob der Beklagte der "Reichsbürger"-Szene angehöre oder mit ihr sympathisiere. Das Schreiben enthält auch den Hinweis über seine Rechte im Disziplinarverfahren.
7 Dem vorausgegangen waren Ermittlungen der Abteilung Staatsschutz einer Kriminalinspektion im Verfahren zur Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Beklagten, in deren Rahmen der Beklagte Angaben zum Grund des Antrags vom 27. Juli 2015 und zu seiner Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gemacht hat. Im Disziplinarverfahren wurden der Beklagte und die mit dem Antrag befassten Bediensteten des Landratsamts befragt.
8 Mit dem Einverständnis des Beklagten wurden am 24. September 2018 die persönlichen Laufwerke seiner Dienstrechner in P. und B. untersucht. Nach dem darüber unter dem 17. Dezember 2018 erstellten Bericht wurden hierbei markierte Auszüge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag sowie eine längere Auflistung von Staatsmännern, Politikern, Herrschern der Geschichte und der Gegenwart im In- und Ausland gefunden; ein "roter Faden" bei dieser Auflistung war nicht zu erkennen.
9 Eine Google-Recherche des BND vom 18. Juni 2019 erbrachte keine Erkenntnisse über den Beklagten. Das vom BND befragte Bundesamt für Verfassungsschutz teilte in seinem Antwortschreiben vom 20. August 2019 mit, dass eine NADIS-Abfrage kein Ergebnis zum Beklagten ergeben habe.
10 Im April 2020 teilte der BND dem Beklagten-Bevollmächtigten mit, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien, und gab ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme.
11 Im Januar 2021 wies der BND den Beklagten-Bevollmächtigten auf das Mitwirkungsrecht des Personalrats vor Erhebung der Disziplinarklage gem. § 78 Abs. 1 BPersVG hin. Die vom Fachreferat angehörte Schwerbehindertenvertretung antwortete im Februar 2021, dass die Abgabe einer Stellungnahme nicht beabsichtigt sei. Die Gleichstellungsbeauftragte teilte dem Fachreferat im Februar 2021 mit, dass sie keine Einwände gegen die Klageeinreichung erhebe.
12 3. Am 12. März 2021 hat der Präsident des BND Disziplinarklage erhoben. Die Disziplinarklage wirft dem Beklagten vor, dass er weder plausibel habe erklären können, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe, noch warum er in dem Antrag zumindest zunächst auf das "Königreich Bayern" und das "RuStaG 1913" Bezug genommen habe. Hinzu komme, dass auf seinem Dienstrechner eine in besonderer Weise markierte Fassung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag gefunden worden sei; Teile der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts würden von "Reichsbürgern" regelmäßig in einer aus dem Zusammenhang gerissenen Weise verwendet, um ihre These von der Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland zu stützen. Dass gerade diese Teile in dem Dokument hervorgehoben seien, belege nicht nur, dass der Beklagte sich mit der Ideologie der "Reichsbürger" beschäftigt habe, sondern bestätige in Verbindung mit den Eintragungen im Antragsformular, dass der Beklagte sein Handeln an der Ideologie der "Reichsbürger" ausgerichtet habe und deren Überzeugungen teile.
13 Damit habe der Beklagte gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Ein Beamter, der die Ideologie der "Reichsbürger" teile, werde der Verfassungstreuepflicht nicht gerecht, denn wesentlicher Teil dieser Ideologie sei die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte habe aus seiner ideologischen Überzeugung Folgerungen für sein eigenes Verhalten in Bezug auf die verfassungsmäßige Ordnung gezogen, indem er einen Staatsangehörigkeitsausweis in der für "Reichsbürger" typischen Form ("Königreich Bayern", "RuStaG 1913") beantragt habe. Ein Beamter, der sich durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises zu der Ideologie der "Reichsbürger" nach außen hin bekenne, agitiere gegen die Bundesrepublik Deutschland. Zugleich habe er damit gegen seine Wohlverhaltenspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen.
14 Die Verletzung dieser Pflichten erfordere trotz der entlastenden Umstände - bisher disziplinarisch nicht in Erscheinung getreten, einwandfreies dienstliches Verhalten, überdurchschnittliches Gesamturteil der letzten dienstlichen Beurteilung - die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Es sei der Eindruck entstanden, dass der Beklagte die Ideologie der "Reichsbürger" teile und deshalb die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugne und ihre Rechtsordnung ablehne. Dies lege für den verständigen durchschnittlichen Bürger den Schluss nahe, dass er sein Handeln nicht am geltenden Recht ausrichte. Ohne Relevanz sei, in welchem Umfang die Pflichtverletzung in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Es bestehe auch objektiv das Risiko, dass solche Beamten ihre dienstlichen Aufgaben nicht immer ordnungsgemäß erfüllten. Kein entscheidendes Gewicht habe, dass er im Disziplinarverfahren erklärt habe, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen. Diese Äußerung sei nur unter dem Druck des Disziplinarverfahrens zustande gekommen. Der Beklagte habe auch im Laufe des Verfahrens nicht plausibel erklärt, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweis unter Hinweis auf das "Königreich Bayern" und das "RuStaG 1913" beantragt habe. Er habe auch nicht bereut oder sich von der Beantragung sonst distanziert. Es sei deshalb nicht erkennbar, dass der Beklagte die Ideologie der "Reichsbürger" aufgegeben oder sich glaubwürdig von ihr distanziert hätte. Die einzig plausible Erklärung für seinen objektiv grundlosen Antrag sei, dass er die Überzeugung der "Reichsbürger" teile. Nur "Reichsbürger" beantragten Staatsangehörigkeitsausweise unter Hinweis auf das "RuStaG 1913" und nicht mehr existente Staaten. Dass der Beklagte sich während des Dienstes nicht ausdrücklich zu den Überzeugungen der "Reichsbürger" bekannt habe, bedeute nicht, dass er diese Überzeugung nicht teile. Das könne ebenso auf seinem Bestreben beruhen, Ablehnung seiner Kollegen und sonstige Konsequenzen einer öffentlichen Kundgabe seiner Überzeugung während des Dienstes zu vermeiden.
15
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
16
Der Beklagte beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen.
17 Er habe kein Dienstvergehen begangen und sei verfassungstreu. Mit Ausnahme der Geschehnisse um die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gebe es keine Anhaltspunkte, aus denen auf Gegenteiliges geschlossen werden könne. Das ergebe sich aus den Äußerungen seiner früheren Vorgesetzten und Mitarbeiter. Aber auch die Umstände im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises könnten keine Zweifel an seiner Verfassungstreue begründen. Er selbst habe die maschinell eingefügten Angaben "Königreich Bayern" und "Stand 1913" handschriftlich gestrichen. Es sei richtig, dass es ggf. nahegelegen hätte, ein neues Antragsformular zu verwenden, anstatt handschriftliche Änderungen vorzunehmen; dies gelte auch dann, wenn seine Änderungen - wie von der Klägerin angenommen - erst auf Aufforderung eines Bediensteten des Landratsamts vorgenommen worden seien. Seine Erklärungen zur Motivation für die ursprünglichen Formulierungen seien auch keine Schutzbehauptungen. Man möge es merkwürdig finden, dass er die Angabe "Königreich Bayern" zunächst als "witzig" empfunden habe. Jedenfalls habe er "Reichsbürger"-untypisch nicht auf diesen Angaben beharrt, sondern sie ohne Weiteres geändert. Er sei erst im Zuge seiner Ahnenforschung darauf aufmerksam geworden, einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen zu können. Er habe es bemerkenswert und eben "witzig" gefunden, dass ein solcher Ausweis überhaupt ausgestellt werde und eben auch beantragt werden könne. Er habe es auch bemerkenswert und "witzig" gefunden, dass die deutsche Staatsangehörigkeit sich nach einem Gesetz aus dem Jahre 1913 bestimme, das erst im Jahre 2000 - inhaltlich im Wesentlichen identisch - eine namentliche Änderung erfahren habe. Und er habe es aufgrund seines geschichtlichen Interesses faszinierend gefunden, dass die Staatsangehörigkeit seiner Vorfahren vor 1914 relevant sein könnte. "Reichsbürger" beantragten Staatsangehörigkeitsausweise - mit entsprechenden Angaben - typischerweise, um im Falle einer Korrektur durch die zuständige Behörde in den Konflikt zu gehen, deren diesbezügliche Berechtigung zu negieren und damit nach außen tretend deutlich zu machen, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat abgelehnt werde. Ein solches Verhalten habe er aber gerade nicht an den Tag gelegt; er habe seine Angaben freiwillig korrigiert und sei nicht in einen Konflikt mit den Sachbearbeitern des Landratsamts getreten. Aus den bei ihm vorgefundenen markierten Passagen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag könne nicht geschlossen werden, dass er sich tatsächlich den Fehldeutungen dieser Passagen in der "Reichsbürger"-Szene anschließe - unabhängig davon, ob er sich überhaupt mit diesem Urteil befasst habe. Alle im Verfahren angehörten Zeugen hätten dies bestätigt.
18 Der Verwaltungsvorgang lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II
19 Der Senat entscheidet über die Disziplinarklage in erster und letzter Instanz (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, § 45 Satz 5 BDG). Sie führt zu der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 5 sowie §§ 10 und 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).
20 1. Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus:
21 Der Beklagte beantragte am 27. Juli 2015 beim Landratsamt S. die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Dabei reichte er ein von ihm bereits maschinenschriftlich ausgefülltes Antragsformular ein, das er sich auf der Internetseite des Bundesverwaltungsamts heruntergeladen hatte. In dem Antragsformular gab er bei seinen personenbezogenen Daten durchgehend als Staat "Königreich Bayern" an. So benannte er als Staat seiner Geburt im Jahr 1985 das "Königreich Bayern". Die Angabe "Königreich Bayern" wiederholte er bei dem Eintrag seiner aktuellen Wohnanschrift und jeweils bei seinen neun innerdeutschen Aufenthaltsorten von 1985 bis 2014; außerdem gab er in der Rubrik Staatsangehörigkeit "in Bayern" an und verwies hier und unter "Sonstiges" auf seine "Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913". In den Anlagen zu seinen Vorfahren gab er zu seinem 1953 in Deutschland geborenen Vater als Geburtsstaat und als Staat der Eheschließungen in den Jahren 1977 und 1981 "Königreich Bayern" bzw. "Kgr. Bayern" an. In der Anlage zu seinem 1913 geborenen Großvater benannte er nicht nur - insoweit richtigerweise - als Geburtsstaat das "Königreich Bayern", sondern gab auch hinsichtlich der 1950 geschlossenen und bis 2000 andauernden Ehe in Deutschland als Staat "Kgr. Bayern" an. In den beiden Anlagen zu seinen Vorfahren wiederholte der Beklagte jeweils in der Rubrik Staatsangehörigkeit die Angabe "in Bayern" und verwies hier und unter "Sonstiges" auf die "Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913".
22 Nachdem ihm von dem den Antrag entgegennehmenden Sachbearbeiter mitgeteilt wurde, dass der Antrag mit diesen Angaben nicht bearbeitet werden könne, nahm der Beklagte vor Ort handschriftliche Korrekturen dieser Angaben vor, indem er im Antragsformular sämtliche Angaben "Königreich Bayern" und die Angabe "in Bayern" durchstrich und das Wort "Deutschland" handschriftlich ergänzte; außerdem strich er die Angabe "Stand 1913" durch. Bei der Anlage "Vorfahren" betreffend seinen Vater strich er in der Rubrik Familienstand die Angabe "Kgr. Bayern" durch und ergänzte in der Rubrik Staatsangehörigkeit die Angabe "in Bayern" durch das Wort "Deutschland"; die übrigen Angaben blieben unverändert. Die Anlage "Vorfahren" betreffend seinen Großvater blieb völlig unverändert. Unter dem 12. August 2015 wurde dem Beklagten der Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt, der sich - wie üblich - in der Bescheinigung der deutschen Staatsangehörigkeit erschöpft und keinen Hinweis auf die Angaben des Beklagten bei der Antragstellung enthält.
23 2. Diese Feststellungen beruhen auf dem vom Beklagten zunächst maschinenschriftlich ausgefüllten Antragsformular samt Anlagen und den von ihm darauf - auf Veranlassung des Bediensteten des Landratsamts - vorgenommenen handschriftlichen Änderungen, den Einlassungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung und seinen Angaben im behördlichen Disziplinarverfahren.
24 3. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte ein Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) begangen. Er hat vorsätzlich und schuldhaft innerdienstlich seine aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG folgende Verfassungstreuepflicht (a) sowie außerdienstlich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (b) verletzt.
25 a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG muss ein Beamter sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Die Stellung eines schriftlichen Antrags eines Beamten auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter fortgesetzter Verwendung der Angaben "Königreich Bayern" sowie gemäß § 4 Abs. 1 "RuStaG Stand 1913" für antragsrelevante Umstände im Zeitraum nach Mai 1949 - wie Geburts- und Wohnsitzstaat des Antragstellers oder seiner Vorfahren - verletzt die dem Beamten obliegende Pflicht zur Treue zur Verfassung.
26 Da nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG das gesamte Verhalten des Beamten erfasst ist, ist die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten wegen der Dienstbezogenheit stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist. Dementsprechend kommt es auf die besonderen Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen nicht an (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 1 D 50.80 - BVerwGE 73, 263 <284>). Unerheblich ist auch, ob die Überzeugung des Beklagten Einfluss auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten hatte und dass es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist.
27 aa) Beamte, die zum Staat in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, die für diesen Anordnungen treffen können und damit dessen Machtstellung durchsetzen, müssen sich zu der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen und für sie einstehen. Die Beamten müssen sich nicht die Ziele oder Maxime der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen machen; sie müssen jedoch die verfassungsmäßige Ordnung als schützenswert annehmen und aktiv für sie eintreten. Im Staatsdienst können nicht solche Personen tätig werden, die die Grundordnung des Grundgesetzes ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <282>, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346> und Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94 u.a. - BVerfGE 96, 171 <181>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18).
28 Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnis im Wege des Disziplinarverfahrens setzt nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG und §§ 5 und 13 BDG ein schweres Dienstvergehen voraus, durch das der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Geht es um die Pflicht zur Verfassungstreue, muss dem Beamten die Verletzung dieser Dienstpflicht konkret nachgewiesen werden. Das Dienstvergehen besteht nicht einfach in der "mangelnden Gewähr" des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde. Auch das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reicht nicht aus. Ein Dienstvergehen ist erst dann gegeben, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht. Die zu beanstandende Betätigung muss zudem von besonderem Gewicht sein (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - BVerfGK 13, 531 <540 f.>; EGMR, Urteil vom 26. September 1993 - 7/1994/454/535, Vogt - NJW 1996, 375 <376>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 21 ff.).
29 Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte "Mehr" als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung ist nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbaren politischen Überzeugung erreicht. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen auch etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart, etwa um sich als von den "Anderen" abgrenzbare Gruppe zu identifizieren und zu solidarisieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 22 ff. und 29 f.)
30 bb) Nach diesen Grundsätzen stellt die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter fortgesetzter Verwendung der Angaben "Königreich Bayern" und "gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913" eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht dar. Denn wer auch bei Sachverhalten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Staatsangehörigkeit auf Verhältnisse vor dieser Zeit - hier auf das Anfang November 1918 untergegangene "Königreich Bayern" und das Deutsche Kaiserreich vor der Weimarer Republik - abstellt, verneint damit die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Es ist schlechterdings unmöglich, die rechtliche Existenz dieses Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie es § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verlangt. Er negiert damit zugleich die Grundlagen seines Beamtenverhältnisses und verletzt seine Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise.
31 Mit den ursprünglichen maschinenschriftlichen Angaben im Antrag auf Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises hat der Beklagte im Rechtsverkehr gegenüber einer staatlichen Behörde - und damit nach außen - objektiv zum Ausdruck gebracht, dass er vom Fortbestand des "Königreichs Bayern" ausgeht und die Bundesrepublik Deutschland rechtlich nicht existiert (ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2021 - 3 LD 1/20 - DÖD 2021, 198 Rn. 16; VGH München, Urteil vom 28. Juli 2021 - 16a D 19.989 - Rn. 65). Er hat die bis in die Gegenwart hineinreichenden formularmäßigen Fragen zur jeweiligen Staatsangehörigkeit mit "Königreich Bayern" beantwortet. Darin liegt objektiv die Erklärung, dass er die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt und die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnt. Diese Erklärung ist, eben weil sie im Rechtsverkehr mit einer Behörde abgegeben wurde, auch von erheblichem Gewicht. Als Beamter wusste der Beklagte auch um die Bedeutung eines so formulierten förmlichen Antrags.
32 Zudem ist nicht erkennbar, welchen objektiven Zweck die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für denjenigen haben kann, der ihn im Rechtsverkehr nicht benötigt. Der Beklagte besitzt einen Personalausweis und einen Reisepass. Seine deutsche Staatsangehörigkeit ist seit seiner Geburt seitens einer Behörde nie in Frage gestellt worden. Jedenfalls hat die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit Angaben zur Staatsangehörigkeit nicht auf die Bundesrepublik Deutschland, sondern auf längst nicht mehr existierende Staaten bezogen den objektiven Erklärungsinhalt der Leugnung der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um ein vorbereitetes, planvolles und zielgerichtetes - also nicht lediglich spontanes - Agieren gegenüber einer Behörde mit rechtserheblichem Inhalt.
33 Darin liegt zugleich ein Verhalten, das typisch für die sog. Reichsbürger-Szene ist. Ungeachtet der Unterschiede der sehr heterogenen Gruppierung im Detail ist ein gemeinsames Charakteristikum dieses Personenkreises, dass er das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland leugnet. Unter dem Begriff "Reichsbürger" werden Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengefasst, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und gegenüber denen deshalb die begründete Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland (vgl. zur Begriffsbestimmung: Verfassungsschutzbericht 2020 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, S. 115).
34 Der Beklagte hat zwar angegeben, kein "Reichsbürger" zu sein und auch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen zu wollen, hat aber auch in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten hat.
35 Mit der Stellung des Antrags mit den - durchgängigen - maschinenschriftlichen Angaben "Königreich Bayern" sowie "gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913" hat der Beklagte die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren verfassungsmäßige Ordnung - objektiv - negiert. Seine Verhaltensweise hat er weder im behördlichen Disziplinarverfahren noch in der mündlichen Verhandlung in einer Weise erläutern können, dass seiner Vorgehensweise eine andere Bedeutung beigemessen werden könnte. Zudem widersprechen sich die verschiedenen Erläuterungsversuche des Beklagten inhaltlich. Der Senat nimmt dem Beklagten seinen gesamten Vortrag zu den angeblichen Beweggründen für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit den ursprünglichen Angaben "Königreich Bayern" und "gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG Stand 1913" nicht ab.
36 Im behördlichen Disziplinarverfahren hat der Beklagte die Stellung des Antrags mit den aufgeführten maschinenschriftlichen Angaben damit begründet, er habe die Beantragung des Ausweises als solche "interessant" und die inkriminierten Angaben als "witzig" empfunden. Diese Aussage ist insbesondere vor dem Hintergrund der Ausbildung des Beklagten nicht plausibel. Der Beklagte hat die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten in der Fachrichtung der allgemeinen inneren Verwaltung erfolgreich absolviert. Aufgrund dessen war ihm bewusst, dass er mit diesem - zudem kostenpflichtigen - Antrag ein Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt hat und dass ihm die durchgängige Bezugnahme auf längst untergegangene Staaten anstelle des Verweises auf die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung, für die er einzutreten hat, als Beamter angelastet werden kann.
37 Ebenso wenig nachvollziehbar ist das Vorbringen des Beklagten im behördlichen Verfahren, er habe bei seinen maschinenschriftlichen Angaben in dem Antragsformular wegen einer seinerzeit von ihm angeblich auf der Webseite des Bundesverwaltungsamts vorgefundenen Ausfüllanleitung, wonach die Abstammung von einem vor 1914 geborenen Vorfahren verlangt worden sei, auf das "RuStaG 1913" abgestellt. Denn dies erklärt weder, weshalb der Beklagte nicht schlicht auf die "Abstammung" abgestellt, sondern diese mit einem auf den früheren Rechtszustand bezogenen Zusatz versehen hat, noch, dass er diesen Zusatz nicht lediglich auf seinen 1913 geborenen Großvater beschränkt, sondern auch für sich und seinen 1953 geborenen Vater verwendet hat. Dass der Beklagte aufgrund der erwähnten Ausfüllanleitung zu seinen Angaben veranlasst worden sei, erscheint im Übrigen auch deshalb unglaubhaft, weil - wie der Senat dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgehalten hat - in der damaligen Anleitung kein Hinweis auf "§ 4 Abs. 1 RuStaG 1913" enthalten ist.
38 Nicht überzeugend ist zudem seine weitere Erklärung gegenüber dem BND, mit den ursprünglichen Eintragungen "Königreich Bayern" habe er sich lediglich auf das Geburtsland seines Großvaters bezogen. Das Antragsformular ist bezüglich der Angaben zur Person des Antragstellers und der jeweiligen Vorfahren klar strukturiert und einfach verständlich. Dies gilt insbesondere für den Beklagten, dem der Umgang mit behördlichen Formularen und die Anforderungen an das korrekte Ausfüllen von Antragsformularen aufgrund seiner Ausbildung vertraut sind. Das Formular lässt keinen Auslegungsspielraum zu, worauf sich die jeweils abgefragte Angabe des Staates - sei es des Geburts-, Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaates - bezieht.
39 Eine plausible anderweitige Deutung des Verhaltens des Beklagten lässt sich auch nicht seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung entnehmen. Abgesehen davon, dass sein Vortrag gegenüber seinen früheren Angaben wechselt, vermag auch sein neues Vorbringen sein Verhalten nicht nachvollziehbar zu erklären.
40 In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte auf die einleitende Aufforderung des Senats, die Beweggründe seines Verhaltens in eigenen Worten zusammenfassend zu schildern, angegeben, im Internet auf "irgendwelche Seiten" gestoßen und den dort gefundenen Ausfüllanweisungen "komischer Typen" gefolgt zu sein. Er habe sich nicht vorstellen können, dass ein Antrag mit solchen Angaben "funktioniert", und habe sehen wollen, ob ein solcher Antrag angenommen werde; mehr habe er sich nicht dabei gedacht.
41 Auch dieses neue Vorbringen ist nicht plausibel. Wenn der Beklagte als dem Grundgesetz verpflichteter Beamter angesichts des Inhalts der Internet-Informationen bereits für sich den Eindruck gewonnen hatte, es handele sich um "komische Typen", so hätte es sich geradezu aufgedrängt, von der Befolgung der Ausfüllanweisungen dieser Personen durch die Stellung eines entsprechenden Antrags mit den inkriminierten Angaben abzusehen. Jeder Beamte - gleich welcher Laufbahngruppe - weiß um seine Verfassungstreuepflicht und dass er sie durch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre Rechtsordnung leugnende Handlungen verletzt. Für den Beklagten als Angehörigen eines Nachrichtendienstes, der gewohnt ist, Quellen zu hinterfragen, gilt dies in besonderem Maße.
42 Im Übrigen wäre selbst bei Unterstellung der Richtigkeit seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel, weshalb er an dem Antrag festgehalten hat, nachdem sich seine Einschätzung, der Antrag könnte wegen der ursprünglichen Angaben seitens des Landratsamts abgelehnt werden, bestätigt hatte. Seiner in der mündlichen Verhandlung neu vorgebrachten Erklärung, mit dem Antrag in seiner ursprünglichen Version lediglich den "Test" gemacht zu haben, ob mit diesen Angaben ein Staatsangehörigkeitsausweis erlangt werden könne, hätte es entsprochen, den Antrag schlicht zurückzuziehen, nachdem der Mitarbeiter des Landratsamts die Angaben - aus Sicht des neuen Vorbringens - wie erwartet beanstandet hatte. Stattdessen hat der Beklagte das Antragsformular entsprechend den Vorgaben des Landratsamts - zum großen Teil - handschriftlich abgeändert und die anfallende Gebühr für die positive Verbescheidung des Antrags auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises gezahlt. Dabei hat er für diesen Staatsangehörigkeitsausweis, wie er ebenfalls in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats erklärt hat, keine Verwendung.
43 Nicht anzulasten ist dem Beklagten hingegen, dass auf dem privaten Laufwerk seines dienstlichen Computers das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag (BVerfG, Urteil vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - BVerfGE 36, 1) abgespeichert und dort eine bestimmte Passage markiert war. Die Beschäftigung mit dieser - oder einer sonstigen - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist kein Indiz für fehlende Verfassungstreue. Die Hervorhebung der betreffenden Passage belegt lediglich, dass sich der Beklagte mit diesem Thema beschäftigt hat, nicht aber, dass er sich die - abwegige - Interpretation dieser Passage durch andere Personen zu eigen gemacht hat.
44 b) Durch sein vorsätzliches und schuldhaftes Verhalten hat der Beklagte zugleich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verletzt. Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit Angaben, die die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung leugnen, begründet angesichts der Schwere des Pflichtenverstoßes ernstliche Zweifel, dass der Beklagte seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 23 f.).
45 4. Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Maßnahmebemessung (§ 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG) ist die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die gebotene Maßnahme, ungeachtet des Umstands, dass sein Verhalten nicht strafbar ist. Durch sein schweres Dienstvergehen hat der Beklagte das Vertrauen seiner Dienstherrin und der Allgemeinheit endgültig verloren.
46 a) Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 ff. und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 71 m.w.N.).
47 Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 BDG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 72 m.w.N.).
48 Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteile vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 73 m.w.N. und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 12 ff.).
49 b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Maßnahme.
50 Im Streitfall ist hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens auf die Verletzung der Verfassungstreuepflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) abzustellen; dem ebenfalls verwirklichten Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) kommt daneben keine weitere, die Maßnahmebemessung zusätzlich beeinflussende Bedeutung zu.
51 Die Verletzung der Pflicht zur Treue zur Verfassung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG), auszugehen ist. Dies folgt aus der Unverzichtbarkeit der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis. Die Verfassungstreue ist ein Eignungsmerkmal für Beamte. Personen, die sich nicht zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 11 ff. und vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 18 m.w.N.).
52 Zugunsten des Beklagten ist in die Betrachtung einzustellen, dass er disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und dass er mit hohem Einsatz seinen Dienst gut verrichtet hat, wofür er nicht nur gut beurteilt, sondern sogar ausgezeichnet worden ist. Auch sind weitere, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung leugnende Handlungen oder Äußerungen des Beklagten nicht bekannt geworden.
53 Angesichts der Schwere des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht kann ihn dies aber nicht vor der Höchstmaßnahme bewahren. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Gewalt zu betrauen, die die freiheitliche demokratische Verfassungsordnung ablehnen.
54 Es besteht keine Veranlassung, von der gesetzlichen Regelung für den Unterhaltsbeitrag (§ 10 Abs. 3 BDG) abzuweichen.
55 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren bedarf es nach § 78 Satz 1 BDG nicht, weil Gerichtsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.