Pressemitteilung Nr. 31/2025 vom 22.04.2025

Kein presserechtlicher Auskunftsanspruch gegen den BND zu Erkenntnissen zum Ursprung der COVID-19-Pandemie

Den Antrag eines Presseverlages, den Bundesnachrichtendienst (BND) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Auskünfte im Zusammenhang mit dem Ursprung der COVID-19-Pandemie zu erteilen, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Beschluss vom 14. April 2025 abgelehnt.


Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom BND zu Erkenntnissen hinsichtlich des Ursprungs der COVID-19-Pandemie. Sie trägt vor, dass der BND seit dem Jahr 2020 über Informationen und Auswertungen zum Ursprung des Virus in einem chinesischen Labor verfügt habe und die Bundesregierungen davon Kenntnis gehabt hätten. Mit ihrem Auskunftsbegehren möchte sie u.a. erfahren, wann der BND das Kanzleramt über Erkenntnisse zum Ursprung des SARS-CoV-2-Virus informiert und ob der BND in dieser Sache Einwände gegen eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gehabt habe. Sie will ferner wissen, ob es richtig sei, dass derartige BND-Erkenntnisse als Verschlusssache "Geheim" eingestuft worden seien, ob ein bestimmter, die Bundesregierung beratender Virologe jemals einer Sicherheitsprüfung unterzogen worden sei und ob er solche BND-Erkenntnisse habe überprüfen sollen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt ein presserechtlicher Auskunftsanspruch auch des Verlegers von Presseerzeugnissen, der sich auf bei den Bundesbehörden vorhandene Informationen bezieht. Dem Anspruch können überwiegende private oder öffentliche Interessen entgegenstehen, was hinsichtlich der begehrten Auskünfte der Fall ist. Der BND hat plausibel dargelegt, dass die Auskünfte seine Funktionsfähigkeit und die auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen können. Es wären Rückschlüsse auf Erkenntnisquellen, die Fähigkeiten und Arbeitsweise des BND möglich, falls die behaupteten Erkenntnisse bestätigt oder verneint würden. Eine Auskunftserteilung könne auch in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht erhebliche Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China und damit auf auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland haben.


Gegen ein Interesse der Antragstellerin an Informationen über eine Sicherheitsüberprüfung des von ihr genannten Virologen spricht auch dessen hier vorrangiges allgemeines Persönlichkeitsrecht.


BVerwG 10 VR 3.25 - Beschluss vom 14. April 2025


Beschluss vom 14.04.2025 -
BVerwG 10 VR 3.25ECLI:DE:BVerwG:2025:140425B10VR3.25.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.04.2025 - 10 VR 3.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:140425B10VR3.25.0]

Beschluss

BVerwG 10 VR 3.25

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2025
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin verlegt u. a. die Zeitungen "Die Welt" und "Die Welt am Sonntag". Sie begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom Bundesnachrichtendienst (BND) im Zusammenhang mit dem Ursprung der COVID-19-Pandemie und trägt vor, dass der BND seit dem Jahr 2020 über Informationen und Auswertungen zum Ursprung des Virus in einem chinesischen Labor verfügt habe und die Bundesregierungen davon Kenntnis gehabt hätten.

2 Die Antragstellerin hat das Auskunftsbegehren am 19. März 2025 an die Antragsgegnerin gerichtet. Diese hat mit E-Mail vom 20. März 2025 mitgeteilt, dass der Bundesnachrichtendienst zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten beträfen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung nehme.

3 Mit dem Antrag vom 22. März 2025 begehrt die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr Auskunft zu den folgenden Fragen zu erteilen:
1. Wann hat der BND das Kanzleramt über seine Erkenntnisse zum Ursprung des SARS-CoV-2-Virus informiert?
2. Hatte der BND in dieser Sache Einwände gegen eine PKGr-Unterrichtung?
3. Ist es richtig, dass die BND-Erkenntnisse als Verschlusssache "Geheim" eingestuft wurden? Wenn ja, wann und durch wen erfolgte diese Einstufung? Wie lautet der Betreff der Verschlusssache? Wie viele Seiten umfasst die Verschlusssache? Welche Einstufungsfrist wurde gewählt?
4. Wurde Herr A. jemals einer Sicherheitsprüfung nach SÜG unterzogen? Wenn ja, wann und zu Verschlusssachen welches Geheimhaltungsgrades hat er Zugang?
5. Stimmt es, dass Herr A. die BND-Erkenntnisse überprüfen sollte? Welche Gründe sprachen dafür, dass er ausgewählt wurde für diese Aufgabe?
6. Da nun Inhalte einer Verschlusssache durch mehrere Berichte öffentlich geworden sind: Hat der Geheimschutzbeauftragte oder eine andere Stelle Ermittlungen zu diesem Leak aufgenommen?

4 Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

5 Sie tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen.

II

6 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

7 1. Der Antrag, über den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu befinden hat, ist zulässig; insbesondere ist er hinreichend bestimmt. Auch im Hinblick auf die Frage zu 4. ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin im hier vorliegenden Kontext erkennbar, welche Informationen die Antragstellerin begehrt. Bei verständiger Würdigung ist die Frage, ob Herr A. "jemals" einer Sicherheitsüberprüfung nach SÜG unterzogen wurde, dahin zu verstehen, dass Sicherheitsüberprüfungen mit Wirkung für den BND erfasst werden. Nur insoweit vermag der BND eine entsprechende Auskunft zu erteilen.

8 2. Der Antrag ist aber unbegründet.

9 Das Bundesverwaltungsgericht kann die begehrte einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Antragstellerin insoweit einen Anordnungsgrund (a) und einen Anordnungsanspruch (b) glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO).

10 a) Ein Anordnungsgrund ist für sämtliche Fragen gegeben.

11 § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestattet dem Gericht, eine vorläufige Regelung in Bezug auf ein Rechtsverhältnis zu erlassen, wenn dies u. a. zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes muss der Antragsteller eine besondere Eilbedürftigkeit der Sache deutlich machen, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar macht. Da das Gesetz nur eine vorläufige Regelung durch das Gericht erlaubt, sind Regelungen, die die Hauptsache vorwegnehmen und nicht umkehrbar sind, dem Grunde nach ausgeschlossen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn dies etwa zur Wahrung der Grundrechte des Antragstellers erforderlich erscheint. In presserechtlichen Auskunftsverfahren führt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Wege der einstweiligen Anordnung regelmäßig zur Vorwegnahme der Hauptsache. Dies ist gleichwohl mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, zulässig, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Der Verweis auf das Hauptsacheverfahren darf nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2021 - 6 VR 1.21 - ‌NVwZ-RR 2021, 663 Rn. 12 m. w. N. und vom 12. September 2024 - 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 15; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 - ZUM-RD 2015, 148 Rn. 28 ff.).

12 Ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Berichterstattung und ein hoher Gegenwartsbezug folgen aus der aktuellen und intensiven Berichterstattung zu dem nicht geklärten Ursprung der COVID-19-Pandemie. Dies ist zwischen den Beteiligten mit Ausnahme der Frage zu 4. nicht streitig und bedarf keiner weiteren Begründung. Aber auch im Hinblick auf diese Frage hat die begehrte Auskunft einen starken Aktualitätsbezug und einen hohen Nachrichtenwert. Zwar betrifft die gewünschte Auskunft nicht inhaltliche Fragen zu den Erkenntnissen des BND, sondern vordergründig die Sicherheitsüberprüfung von A., seit der Coronazeit einer der prominentesten Virologen, der für die Bundesregierung sachverständig tätig geworden ist und sich auch medial einschlägig und intensiv geäußert hat. Eine abweichende Bewertung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes für die Frage zu 4. ist nicht geboten. Sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem durch die weiteren Fragen gebildeten Gesamtkomplex zum Ursprung des SARS-CoV-2-Virus und zur Beurteilung der behaupteten BND-Erkenntnisse.

13 b) Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie ist nach Maßgabe des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse zwar grundsätzlich anspruchsberechtigt (aa), es sind aber Ausschlussgründe gegeben (bb).

14 aa) Die Antragstellerin unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

15 Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2021 - 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 25 m. w. N. und vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 10). Aufgrund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - ‌NVwZ 2016, 50 Rn. 12). Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, dass es den Anspruch auf Auskunft ausschließt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 18 m. w. N., vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 12 und vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 10).

16 Der Informationsanspruch steht auch dem Verleger von Presseerzeugnissen als Inhaber der grundrechtlichen Pressefreiheit (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 2019 - 7 C 26.17 - BVerwGE 165, 82 Rn. 24 ff. und vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 13; Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 7. Aufl. 2023, § 4 LPG Informationsanspruch Rn. 47) und somit auch der Antragstellerin zu.

17 bb) Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine einzelfallbezogene Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belangen. Belange, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen und demgemäß den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse begrenzen können, sind vom BND als auskunftspflichtiger Stelle darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen (BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 16 ff. m. w. N. und vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 16 ff.).

18 Als schutzwürdiges öffentliches Interesse anerkannt ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste. Dieses Erfordernis, das das Bundesverfassungsgericht als Grenze des parlamentarischen Informationsanspruchs aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG anerkannt hat (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - BVerfGE 146, 1 Rn. 94 f., 109, 112 ff.) und das als überwiegendes öffentliches Interesse in den Kanon der Auskunftsverweigerungsgründe nach den Landespressegesetzen eingeordnet werden kann, begrenzt den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse. Es findet - als Sicherung der Erfüllung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG benannten Aufgaben des BND - spezielle Ausprägungen in dem Schutz der operativen Vorgänge des Dienstes, dem Schutz seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, dem Schutz seiner Arbeitsweise und Methodik, dem Schutz seiner Mitarbeiter vor Enttarnung sowie in dem nachrichtendienstlichen Quellenschutz (BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 19 f. m. w. N., vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 20 und vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 16 ff.).

19 Das Interesse an einem Geheimschutz für die operativen Vorgänge des Bundesnachrichtendienstes wird sich, ohne dass hierzu nähere Darlegungen seitens der Beklagten erforderlich sind, in der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse regelmäßig durchsetzen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 ‌- 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 20). Der Regelvorrang des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses ist nicht auf Auskunftsbegehren zu beschränken, die sich auf den Einsatz menschlicher Quellen beziehen oder aufgrund derer die Enttarnung einer menschlichen Quelle droht. Vielmehr dient der Schutz operativer Vorgänge der Erfüllung der Aufgabe des BND. Operative Vorgänge umfassen alle Maßnahmen zur Informationsgewinnung. Ausschlaggebend ist nicht allein der Quellenschutz, sondern auch die Gefahr, dass durch Offenlegung operativer Vorgänge deren weitere Durchführung gefährdet oder Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BND möglich werden (BVerwG, Urteil vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 19). Der Zeitablauf kann als bedeutsamer Umstand in Rechnung zu stellen sein, so dass eine drohende Offenlegung lange Zeit zurückliegender operativer Vorgänge nur dann zu einem Ausschluss des Auskunftsanspruchs führt, wenn noch, was dann besonderer Darlegung durch die Beklagte bedarf, die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise besteht (BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 20 und vom 7. November 2024 ‌- 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 19).

20 Auch der Schutz der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann der Erteilung einer presserechtlichen Auskunft als überwiegendes öffentliches Interesse entgegenstehen (BVerwG, Beschlüsse vom 12. September 2024 ‌- 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 27 und vom 6. November 2024 - 10 VR 3.24 - NVwZ 2025, 339 Rn. 7). Da der presserechtliche Auskunftsanspruch nicht positiv-rechtlich normiert ist, fehlt insoweit zwar eine ausformulierte Regelung, die - wie beispielsweise § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG - den Informationszugang sperrt, wenn das Bekanntwerden bestimmter Informationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland haben kann. Schon deren Nennung an erster Stelle der Aufzählung besonderer öffentlicher Belange in § 3 IFG unterstreicht den hohen Stellenwert des Schutzes der auswärtigen Beziehungen (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2024 ‌- 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 27), die unbeschadet einfachrechtlicher Positivierung zu wahren sind. Die Pflege auswärtiger Beziehungen fällt innerhalb des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik Deutschland von der Verbandskompetenz her dem Bund zu (Art. 32 Abs. 1 GG), beim Bund zuvörderst der Bundesregierung. Deswegen steht ihr in diesem Bereich auch ein weit bemessener Spielraum eigener Gestaltung zu (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 ‌- 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135 <158>), der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 15). Bei der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen bedient sich die Bundesregierung u. a. des BND, welcher gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Erkenntnisse sammelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Hierbei untersteht er der Aufsicht des Bundeskanzleramts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG (BVerwG, Urteil vom 7. November 2024 ‌- 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 18).

21 cc) Hiervon ausgehend besteht kein Anordnungsanspruch auf die begehrten Auskünfte.

22 (1) Soweit die Antragsgegnerin bezogen auf die Fragen zu 2. und 5. Satz 2 bezweifelt, dass das Auskunftsbegehren sich auf konkrete Tatsachen beziehe, folgt ihr der Senat aber nicht. Zwar besteht kein Anspruch auf eine Bewertung oder eine Kommentierung von Sachverhalten durch die auskunftspflichtige Stelle. Wird eine Auskunft über sogenannte innere Tatsachen wie Absichten, Motive und sonstige Überlegungen erbeten, kann die auskunftspflichtige Stelle dem daher nur nachkommen, wenn diese inneren Vorgänge sich in irgendeiner Form bei dieser manifestiert haben. Fehlt es an einer solchen Manifestation, besteht kein Auskunftsanspruch (BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - ‌BVerwGE 172, 222 Rn. 20). Danach könnte die Frage zu 2., die Einwände gegen eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums abfragt, in der Weise beantwortet werden, dass sie sich auf einen nach außen betätigten Willen des BND bezieht. Sie bezöge sich damit auf eine nach außen hin manifestierte Tatsache und nicht auf einen rein innerlich gebliebenen Gedanken. Das Gleiche würde für die Frage zu 5. Satz 2 gelten.

23 Dahinstehen kann der weitere Einwand der Antragsgegnerin, hinsichtlich der Frage zu 2. sei der Auskunftsanspruch ausgeschlossen, weil der BND hier wegen eines Funktionszusammenhangs mit parlamentarischen Angelegenheiten nicht als Behörde tätig werde und deshalb nicht auskunftspflichtig sei. Anlass, die Frage der Behördeneigenschaft des BND als Anspruchsverpflichteten eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs in dieser Konstellation abschließend zu beantworten (zum funktionalen Behördenbegriff vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 19 Rn. 15 und vom 29. März 2023 - 10 C 6.21 - NVwZ 2023, 1353 Rn. 13), besteht vorliegend nicht.

24 (2) Es besteht nämlich hinsichtlich sämtlicher Fragen ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung der Auskünfte. Dieses liegt in dem Schutz der Funktionsfähigkeit des BND sowie der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland begründet. Der Senat geht, wie dargelegt, insoweit von einem Gesamtkomplex bestehend aus allen Fragen zur Verwendung der BND-Erkenntnisse zum Ursprung des SARS-CoV-2-Virus aus. Dies gilt auch für die Frage zu 4., die vordergründig nur die Sicherheitsüberprüfung des Virologen A. betrifft, in Verbindung mit den anderen Fragen aber im unmittelbaren Zusammenhang mit dem bezeichneten Recherchethema steht.

25 (a) Die Antragsgegnerin hat plausibel dargelegt, dass die begehrten Auskünfte die Funktionsfähigkeit des BND beeinträchtigen können. Die Fragen der Antragstellerin betreffen jedenfalls mittelbar operative Vorgänge des BND, worauf sich die Antragsgegnerin auch beruft. Das Auskunftsbegehren setzt die in den Medienberichten genannten "BND-Erkenntnisse" voraus, nämlich insbesondere die behauptete Operation des BND, die unter dem Decknamen "Projekt Saaremaa" durchgeführt worden sei und auch auf chinesische Wissenschaftsinstitute in Wuhan abgezielt habe (SZ vom 13. März 2025, Anlage zum Auskunftsbegehren vom 19. März 2025). Die Existenz dieser Erkenntnisse haben aber weder der BND, das Bundeskanzleramt noch die Bundesregierung bestätigt oder verneint. Auch aus der Mitteilung des Parlamentarischen Kontrollgremiums lässt sich nichts anderes herleiten. Das Kontrollgremium hat die aktuelle Medienberichterstattung über die Untersuchungen des Bundesnachrichtendienstes zu den Ursprüngen des SARS-CoV-2-Virus am 14. März 2025 zur Kenntnis genommen (BT-Drs. 20/15112) und erklärt, dass die Bundesregierung in der Beratungssitzung des Gremiums den Sachverhalt in einigen Punkten anders beschrieben habe als in der medialen Berichterstattung dargestellt. Das Parlamentarische Kontrollgremium sei gleichwohl der Auffassung, die Bundesregierung hätte das Gremium früher unterrichten müssen, welche konkreten Arbeitsthesen bezüglich des Ursprungs der Corona-Pandemie der Bundesnachrichtendienst prüfe und aufkläre. Der BND selbst hat sich dahin eingelassen, dass er zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung nehme. Damit sei keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend sei oder nicht.

26 Bei Beantwortung der Fragen würde die Antragsgegnerin inhaltlich zu den angeblichen operativen Vorgängen und deren Ergebnissen Stellung nehmen müssen. Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass Rückschlüsse auf Erkenntnisquellen des BND möglich wären, falls die behaupteten Erkenntnisse bestätigt würden, was zu einer Gefährdung der nachrichtendienstlichen Arbeit führen könne. Damit könnte aufgrund des Informationsabflusses eine Schwächung der zukünftigen Aufklärungsarbeit des BND im Zusammenwirken mit ausländischen Nachrichtendiensten einhergehen. Die Informationen wären zudem für ausländische Geheim- und Nachrichtendienste von bedeutendem Interesse. Diese könnten die Fähigkeiten des BND bei der nachrichtentechnischen Überwachung mithilfe von weiteren öffentlich verfügbaren Informationen ausleuchten, Rückschlüsse auf die technischen Fähigkeiten des BND ziehen und etwaige Spähmaßnahmen leichter entdecken, sich dagegen schützen und sie einem Staat zuordnen. Dies gilt bei einer Verneinung der verfahrensgegenständlichen Fragen ebenso wie bei einer Bejahung. Auch bei einer Verneinung ließe sich in Zusammenschau mit anderen Informationen ein genaueres Bild der Fähigkeiten und Arbeitsweise des BND zeichnen, was ebenfalls die Funktionsfähigkeit des BND nachhaltig beeinträchtigen könnte (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 22). Angesichts dieser Risiken ergibt sich ein bedeutsames schutzwürdiges Interesse des BND, das gegenüber dem publizistischen Informationsinteresse der Antragstellerin Vorrang genießt.

27 Dass die Fragen zum Teil schon Umstände zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 betreffen, lässt die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise nicht entfallen. Dies gilt auch für die Beeinträchtigung der Pflege auswärtiger Beziehungen zur Volksrepublik China. Nach wie vor sind die in Rede stehenden Sachverhalte von aktueller Bedeutung und können bei einer Offenlegung zu einer hinreichenden Schädigung des Schutzes der Funktionsfähigkeit des BND führen.

28 (b) Auch der Schutz der Pflege auswärtiger Beziehungen könnte gefährdet sein. Die intensiven bilateralen Beziehungen zur Volksrepublik China könnten bei einer Erteilung der begehrten Auskünfte beeinträchtigt werden. Die Bundesregierung hat sich gegenüber Journalisten der Antragstellerin dahingehend geäußert, dass sie weder zu geheimdienstlichen Erkenntnissen über einen möglichen Laborunfall im chinesischen Wuhan noch zur Rolle des Virologen A. Antworten erteile. Schon die Frage nach A.'s möglicher Beteiligung "zielt auf einen Sachverhalt ab, der den Schutz der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland berührt" (vgl. Artikel in der "Welt" vom 18. März 2025 "Fragen zur Laborthese? Kanzleramt verweist auf Schutz der auswärtigen Beziehungen", Anlage 4 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 7. April 2025). Die Antragsgegnerin macht für den Senat nachvollziehbar geltend, dass eine Auskunftserteilung zu den behaupteten BND-Erkenntnissen in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht erhebliche Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China haben könnte. Mit Rücksicht auf den der Bundesregierung in diesem Bereich zustehenden weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung besteht für den Senat angesichts dieser Darlegungen kein Anlass für eine weitergehende Prüfung.

29 (c) Dahinstehen kann indes, ob der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Einwand, der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stehe den begehrten Auskünften entgegen (etwa BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - BVerwGE 164, 112 Rn. 18), begründet ist. Es besteht kein Anlass, dieser von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Frage nachzugehen.

30 dd) Im Hinblick auf die Fragen zu 4. und 5. streitet auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Virologen A. gegen eine Auskunftserteilung.

31 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berührt die Gefahr einer künftigen Veröffentlichung persönlicher Angaben das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 90 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 33). Informationen zu einer Sicherheitsüberprüfung von A. und seiner etwaigen Überprüfung von BND-Erkenntnissen betreffen zwar nicht seine Intimsphäre und nicht ohne Weiteres seine Privatsphäre, sondern zunächst nur seine Sozialsphäre. Mit Rücksicht auf seine Beratertätigkeit für die frühere Bundesregierung und der mitunter harschen Kritik in den sozialen Medien an seiner Person und seiner Tätigkeit als Virologe können aufgrund einer möglichen Prangerwirkung Folgen für seine Privatsphäre nicht ausgeschlossen werden. Sein Persönlichkeitsrecht genießt daher Vorrang vor dem Auskunftsinteresse und führt zu einem Ausschluss der Offenlegung.

32 ee) Aus Art. 10 EMRK ergeben sich hier wie regelmäßig keine weitergehenden Rechte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45, vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 34, vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 19 Rn. 18, vom 28. Oktober 2021 - 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 28 und vom 7. November 2024 - 10 A 5.23 - NVwZ 2025, 516 Rn. 25).

33 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

34 Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstands beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Von der regelmäßigen Halbierung dieses Werts im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde abgesehen, weil die Antragstellerin der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.