Beschluss vom 06.11.2024 -
BVerwG 10 VR 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:061124B10VR3.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.11.2024 - 10 VR 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:061124B10VR3.24.0]

Beschluss

BVerwG 10 VR 3.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. November 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller ist Korrespondent einer Tageszeitung. Er begehrt Auskunft vom Bundesnachrichtendienst (BND) zu Pressehintergrundgesprächen im Hinblick auf die militärische Situation in der Ukraine im Jahr 2024.

2 Mit Beschluss vom 12. September 2024 (10 VR 1.24 ) verpflichtete der Senat die Antragsgegnerin, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, in wie vielen der sogenannten vertraulichen Einzelhintergrundgespräche der BND seit Jahresanfang 2024 Informationen zur militärischen Situation in der Ukraine an Medienvertreter erteilt hat. Daraufhin teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 25. September 2024 mit, dass der BND seit Jahresanfang 2024 in acht sogenannten Einzelhintergrundgesprächen Informationen zur militärischen Situation in der Ukraine an Medienvertreter erteilt habe. Den weiteren Antrag auf Auskunft, ob der BND einen militärischen Sieg der Ukraine über Russland als schwierig und/​oder ausgeschlossen dargestellt habe, lehnte der Senat ab, weil überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden.

3 Mit dem Antrag vom 1. Oktober 2024 beantragt der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Auskunft zu folgender Frage zu erteilen:
Trifft es zu, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) seit Jahresanfang 2024 in mehreren sogenannten vertraulichen Einzelhintergrundgesprächen mit Medienvertretern zur militärischen Situation in der Ukraine eine Einschätzung zu einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland abgegeben hat?

II

4 Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu befinden hat, ist unbegründet.

5 Das Bundesverwaltungsgericht kann die begehrte einstweilige Anordnung erlassen, wenn der Antragsteller insoweit einen Anordnungsgrund (1.) und einen Anordnungsanspruch (2.) glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO).

6 1. Ein Anordnungsgrund besteht ebenso wie im Verfahren 10 VR 1.24 . Der Recherchegegenstand betrifft die Einschätzung des BND zur militärischen Situation in der Ukraine und seine hierauf bezogene Öffentlichkeitsarbeit. Der Senat hat im Verfahren 10 VR 1.24 hervorgehoben, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine weltweit eines der am meisten beachteten aktuellen Themen in der Berichterstattung sei. Hieran hat sich nichts geändert. Nach wie vor besteht ein besonderes öffentliches Interesse an dem von dem Antragsteller selbst umschriebenen Recherchegegenstand, ob der BND in Hintergrundgesprächen auf entsprechende Darstellungen in den Medien einwirkt, um im Sinne des Bundeskanzleramts zu suggerieren, dass die militärische Unterstützung keinen Erfolg mehr haben werde. Dass der Antragsteller im Unterschied zu dem Verfahren 10 VR 1.24 hier nur die ergebnisoffene Auskunft über eine vom BND abgegebene Einschätzung zu einem militärischen Sieg über Russland begehrt und nicht zusätzlich dessen Einschätzung der konkreten Erfolgsaussichten der Ukraine zum Gegenstand des Auskunftsbegehrens macht, führt nicht dazu, ihn auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Diese Auskunft würde ihren Nachrichtenwert verlieren und wäre nur noch von historischem Interesse, wenn sie erst aufgrund einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren erteilt würde.

7 2. Ein Anordnungsanspruch besteht indes nicht. Der Antragsteller kann sich zwar, wie im Verfahren 10 VR 1.24 näher erläutert, als Journalist auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Dem Auskunftsanspruch stehen jedoch wie (teilweise) im vorangegangenen Verfahren überwiegende öffentliche Interessen in Form des Schutzes der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland entgegen (juris Rn. 27 f.). Der Bundesregierung steht in diesem Bereich ein weit bemessener Spielraum eigener Gestaltung zu (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135 <158>), der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 15). Bei der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen bedient sich die Bundesregierung u. a. des BND, welcher gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Erkenntnisse sammelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Hierbei untersteht er der Aufsicht des Bundeskanzleramts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG). Vor diesem Hintergrund erscheint auch hier die Einschätzung der Antragsgegnerin nachvollziehbar, dass eine Auskunft über eine im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des BND abgegebene Einschätzung des BND zur Aussicht auf einen "Sieg der Ukraine über Russland" die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen könnte.

8 Entgegen der Auffassung des Antragstellers entspricht die jetzt streitgegenständliche Frage nicht lediglich der Frage nach der Anzahl der Einzelhintergrundgespräche in dem vorangegangenen Verfahren, in dem der Senat eine Verpflichtung zur Auskunft bejaht hatte. Im Unterschied dazu steht hier die Einschätzung des BND zu einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland und damit der Inhalt seiner Öffentlichkeitsarbeit in Rede. Die jetzige Fragestellung entspricht jedenfalls zum Teil der Frage 3 im vorangegangenen Verfahren, mit der der Antragsteller ohne Erfolg die Auskunft dazu begehrt hatte, ob der BND eine konkrete Darstellung zu den Siegchancen der Ukraine abgegeben hatte. Auch die nunmehr begehrte Information, ob der BND in Hintergrundgesprächen eine Einschätzung zu einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland abgegeben habe, betrifft den Inhalt dieser Gespräche. Der Antragsteller selbst misst der begehrten Auskunft, sofern sie die Abgabe einer Einschätzung des BND bestätigt, eine Indizfunktion für die von ihm vermutete inhaltliche Beeinflussung der Darstellung der militärischen Situation in der Ukraine in den Medien bei. Mit Rücksicht hierauf hält der Senat an seiner bisherigen Bewertung fest, dass Informationen über etwaige Beurteilungen des BND zur militärischen Situation in der Ukraine gegenüber Medienvertretern in Hintergrundgesprächen wie auch über eine Einschätzung des BND zur Aussicht auf einen "Sieg der Ukraine über Russland" – einschließlich der Frage, ob solche Beurteilungen abgegeben wurden - die Stellung und Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen Gemeinschaft beeinträchtigen könnten. Vor diesem gravierenden öffentlichen Interesse muss im Einzelfall das von der Pressefreiheit des Antragstellers getragene Auskunftsinteresse zurückstehen.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

10 Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstands beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Von der regelmäßigen Halbierung dieses Werts im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde abgesehen, weil der Antragsteller der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.