Pressemitteilung Nr. 54/2024 vom 13.11.2024
Abwasserzweckverbände können sich bei eigener Einleitung nicht auf die Vorschriften zur Kleineinleitung berufen
Nach dem bundesweit geltenden Abwasserabgabengesetz (AbwAG) erheben die Länder für das Einleiten von Abwasser in Gewässer eine Abgabe. Diese Abwasserabgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers, die im Regelfall anhand des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids ermittelt wird.
Die Kläger sind Abwasserzweckverbände mit Sitz in Sachsen. Im Verfahren 9 C 3.23 wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2016 für die Einleitung von Schmutzwasser über die von ihm betriebene Kleinkläranlage Pyrna. Der Kläger im Verfahren 9 C 4.23 wendet sich gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2006 für die Einleitung aus drei Kanaleinleitstellen in Rochlitz. Beide Kläger tragen vor, dass sie nur in kleinen Mengen Abwasser einleiteten und sich deshalb auf die aus ihrer Sicht günstigere Bestimmung des § 8 AbwAG berufen könnten. Dieser sieht zur Vereinfachung unter bestimmten Voraussetzungen für Kleineinleitungen von Schmutzwasser statt einer Bemessung nach der Schädlichkeit Pauschalierungen bis hin zu einer vollständigen Abgabefreiheit vor. Die Klagen gegen die Abgabenbescheide blieben erstinstanzlich ohne Erfolg. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hob die beiden angefochtenen Bescheide hingegen vollständig bzw. teilweise auf und begründete dies damit, dass auch die Kläger als abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaften des öffentlichen Rechts von der Regelung für Kleineinleitungen profitieren könnten.
Auf die Revisionen des Freistaats Sachsen hat das Bundesverwaltungsgericht die Abgabenerhebung in der praktizierten Form, also die Berechnung nach der Schädlichkeit, für rechtmäßig erklärt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können sich die Kläger nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 8 AbwAG berufen. Diese greift nach ihrem klaren Wortlaut nur ein, wenn es sich um Einleitungen von Schmutzwasser handelt, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts "an Stelle der Einleiter" abgabepflichtig ist. Die Kläger sind hier aber nicht stellvertretend für fremde Einleitungen abgabepflichtig, sondern werden – für das unmittelbare Verbringen von Abwasser in Gewässer – selbst als Einleiter in Anspruch genommen. Diese gesetzliche Differenzierung ist auch sachgerecht, weil die Abwasserzweckverbände die Abwasserbeseitigung nach ihren Vorstellungen organisieren und gegebenenfalls optimieren können, während Privathaushalte ihren Anschluss an die öffentliche Kanalisation nicht erzwingen können. Zudem bedürfen die Zweckverbände keiner Vereinfachung, wenn sie nicht für fremde, sondern für eigene Einleitungen abgabenpflichtig sind. Hiermit wird auch dem Lenkungszweck eines bestmöglichen Gewässerschutzes Rechnung getragen.
Fußnote:
Die Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes lauten auszugsweise:
§ 8 Pauschalierung bei Kleineinleitungen von Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser
(1)1 Die Zahl der Schadeinheiten von Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 abgabepflichtig ist, beträgt die Hälfte der Zahl der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Einwohner, soweit die Länder nichts anderes bestimmen.2 Ist die Zahl der Einwohner nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln, kann sie geschätzt werden.
(2)1 Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung abgabefrei bleibt.2 Die Einleitung ist abgabefrei, wenn der Bau der Abwasserbehandlungsanlage mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und die ordnungsgemäße Schlammbeseitigung sichergestellt ist.
§ 9 Abgabepflicht, Abgabesatz
(1) Abgabepflichtig ist, wer Abwasser einleitet (Einleiter).
(2)1 Die Länder können bestimmen, dass an Stelle der Einleiter Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind.2 An Stelle von Einleitern, die weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, sind von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig.3 Die Länder regeln die Abwälzbarkeit der Abgabe.
BVerwG 9 C 3.23 - Urteil vom 13. November 2024
Vorinstanzen:
OVG Bautzen, OVG 5 A 419/22 - Urteil vom 24. Mai 2023 -
VG Leipzig, VG 6 K 900/19 - Urteil vom 12. Juli 2022 -
BVerwG 9 C 4.23 - Urteil vom 13. November 2024
Vorinstanzen:
OVG Bautzen, OVG 5 A 270/20 - Urteil vom 24. Mai 2023 -
VG Chemnitz, VG 2 K 2641/14 - Urteil vom 19. Februar 2020 -