Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Die An­trag­stel­le­rin, ein Stein­metz­be­trieb, wen­det sich im Rah­men ei­ner Nor­men­kon­trol­le ge­gen § 28 Abs. 2 der Be­stat­tungs-und Fried­hofs­sat­zung der Stadt Nürn­berg. In der von der An­trag­stel­le­rin an­ge­grif­fe­nen Sat­zungs­be­stim­mung hei­ßt es u.a.: „Es dür­fen nur Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den, die nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit im Sin­ne des Über­ein­kom­mens über das Ver­bot und un­ver­züg­li­che Maß­nah­men zur Be­sei­ti­gung der schlimms­ten For­men der Kin­der­ar­beit der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO-Kon­ven­ti­on 182), in Kraft ge­tre­ten am 19. No­vem­ber 2000, her­ge­stellt wur­den.“


Zur Be­grün­dung ih­res Nor­men­kon­troll­an­trags hat die An­trag­stel­le­rin aus­ge­führt, sie leh­ne je­de Form von Kin­der­ar­beit ab, sei aber nicht in der La­ge, die Wert­schöp­fungs­ket­te dar­zu­stel­len.


Die An­trags­geg­ne­rin hat aus­ge­führt, dass der ge­for­der­te Nach­weis pro­blem­los zu er­brin­gen sei.


Der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat­te dem Nor­men­kon­troll­an­trag mit Be­schluss vom 27. Ju­li 2009 zu­nächst statt­ge­ge­ben. Zur Be­grün­dung wur­de im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dass es der An­trags­geg­ne­rin an der er­for­der­li­chen ge­setz­li­chen Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge für die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung man­ge­le. Die an­ge­foch­te­ne Sat­zungs­be­stim­mung ver­fol­ge der Sa­che nach ein­rich­tungs­frem­de Zwe­cke, näm­lich die Be­kämp­fung der Kin­der­ar­beit; sie sei aber nicht ge­eig­net, den Fried­hofs­zweck zu för­dern.


Die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in die­sem Be­schluss hat­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ge­wie­sen.


Auf die Ver­fas­sungs­be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin hat­te der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof mit Ent­schei­dung vom 7. Ok­to­ber 2011 den Be­schluss des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung an den Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­rück­ver­wie­sen. Der an­ge­grif­fe­ne Be­schluss ver­sto­ße ge­gen Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Baye­ri­sche Ver­fas­sung (kom­mu­na­les Selbst­ver­wal­tungs­recht der Ge­mein­den). Die Ge­mein­den sei­en be­fugt, die To­ten­be­stat­tung ei­gen­ver­ant­wort­lich zu re­geln. Es lie­ge grund­sätz­lich in dem wei­ten nor­ma­ti­ven Er­mes­sen der Ge­mein­den, wel­che Be­nut­zungs­re­ge­lun­gen sie in ih­ren Fried­hofs­sat­zun­gen trä­fen.


Mit Ent­schei­dung vom 6. Ju­li 2012 hat der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof den Nor­men­kon­troll­an­trag der An­trag­stel­le­rin ab­ge­lehnt und die Re­vi­si­on we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen. Die an­ge­grif­fe­ne Rechts­vor­schrift ver­sto­ße nicht ge­gen hö­her­ran­gi­ges Recht.


Das er­gan­ge­ne Ur­teil wird von der An­trag­stel­le­rin mit der Re­vi­si­on an­ge­grif­fen.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 72/2013 vom 16.10.2013

Ver­wen­dungs­ver­bot für Grab­ma­le aus aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit in städ­ti­scher Fried­hofs­sat­zung nur auf­grund ge­setz­li­cher Re­ge­lung

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heu­te ent­schie­den, dass die Be­stim­mung in der Fried­hofs­sat­zung der Stadt Nürn­berg, der­zu­fol­ge Grab­ma­le „nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit“ her­ge­stellt wor­den sein müs­sen, ge­gen hö­her­ran­gi­ges Recht ver­stö­ßt.


Die An­trag­stel­le­rin - ein ört­li­cher Stein­metz­be­trieb - be­gehrt mit ih­rem Nor­men­kon­troll­an­trag, die­se Sat­zungs­be­stim­mung für un­wirk­sam zu er­klä­ren. Der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat­te dem Nor­men­kon­troll­an­trag zu­nächst statt­ge­ge­ben. Der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof hat­te die­se Ent­schei­dung auf­ge­ho­ben und die Sa­che an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­rück­ver­wie­sen. Mit Ur­teil vom 6. Ju­li 2012 hat der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof dar­auf­hin den Nor­men­kon­troll­an­trag ab­ge­lehnt.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs ge­än­dert und § 28 Abs. 2 der Be­stat­tungs- und Fried­hofs­sat­zung der An­trags­geg­ne­rin für un­wirk­sam er­klärt.


Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof war in Aus­le­gung und An­wen­dung von Lan­des­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Baye­ri­schen Ge­mein­de­ord­nung die Ge­mein­den und Städ­te er­mäch­tigt, in Sat­zun­gen die Be­nut­zung ih­rer öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen und da­mit auch die Fried­hofs­nut­zung zu re­geln. Der sach­li­che Zu­sam­men­hang mit dem Fried­hofs­zweck und auch der spe­zi­fisch ört­li­che Be­zug sei­en in recht­lich ein­wand­frei­er Wei­se her­ge­stellt, da es im In­ter­es­se der Wür­de des Or­tes der To­ten­be­stat­tung lie­gen kön­ne, dass dort kei­ne Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den, de­ren Ma­te­ri­al in ei­nem welt­weit ge­äch­te­ten Her­stel­lungs­pro­zess ge­won­nen wor­den ist. Die bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt­li­che Ga­ran­tie der ge­meind­li­chen Selbst­ver­wal­tung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG steht ei­ner sol­chen Aus­le­gung der Baye­ri­schen Ge­mein­de­ord­nung nicht ent­ge­gen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG si­chert den Ge­mein­den ei­nen grund­sätz­lich al­le An­ge­le­gen­hei­ten der ört­li­chen Ge­mein­schaft um­fas­sen­den Auf­ga­ben­be­reich so­wie die Be­fug­nis zur ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Füh­rung der Ge­schäf­te in die­sem Be­reich zu. Das schlie­ßt in­des nicht aus, dass der Ge­setz­ge­ber den Ge­mein­den dar­über hin­aus­ge­hen­de Auf­ga­ben zu­weist.


Die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­be­stim­mung schränkt je­doch die Be­rufs­aus­übung von Stein­met­zen ein. Die Ver­wen­dung von Grab­ma­len aus­zu­schlie­ßen, die un­ter aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit her­ge­stellt wur­den, ist ein ver­fas­sungs­recht­lich le­gi­ti­mer Zweck. Den Stein­met­zen den da­hin­ge­hen­den Nach­weis auf­zu­bür­den, be­ein­träch­tigt de­ren Be­rufs­aus­übungs­frei­heit un­zu­mut­bar, so­lan­ge nicht zu­gleich be­stimmt wird, wie die­ser Nach­weis ge­führt wer­den kann. Au­ßer­dem er­laubt Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Ein­grif­fe in die Be­rufs­frei­heit nur auf der Grund­la­ge ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung, die Um­fang und Gren­zen des Ein­griffs deut­lich er­ken­nen lässt. Da­bei muss der Ge­setz­ge­ber selbst al­le we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen tref­fen. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Ge­mein­de­ord­nung so­wie Art. 8 und 9 des Baye­ri­schen Be­stat­tungs­ge­set­zes rei­chen da­für nicht aus.


Fuß­no­te:

Aus­zug aus der Be­stat­tungs- und Fried­hofs­sat­zung der Stadt Nürn­berg


§ 28


Grab­ma­le


...


(2) Es dür­fen nur Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den, die nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit im Sin­ne des Über­ein­kom­mens über das Ver­bot und un­ver­züg­li­che Maß­nah­men zur Be­sei­ti­gung der schlimms­ten For­men der Kin­der­ar­beit der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO-Kon­ven­ti­on 182), in Kraft ge­tre­ten am 19. No­vem­ber 2000, her­ge­stellt wur­den.


BVer­wG 8 CN 1.12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013

Vor­in­stanz:

VGH Mün­chen, 4 N 11.2673 - Ur­teil vom 06. Ju­li 2012 -


Ur­teil vom 16.10.2013 -
BVer­wG 8 CN 1.12ECLI:DE:BVer­wG:2013:161013U8CN1.12.0

Leit­sät­ze:

1. Die Re­ge­lung in ei­ner städ­ti­schen Fried­hofs­sat­zung, nach der nur Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den dür­fen, die nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit im Sin­ne der ILO-Kon­ven­ti­on 182 her­ge­stellt wur­den, stellt ei­ne Be­nut­zungs­re­ge­lung des kom­mu­na­len Fried­hofs dar.

2. Es ver­letzt das rechts­staat­li­che Ge­bot der Nor­men­klar­heit und hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit, wenn für den Norm­be­trof­fe­nen nicht im Vor­aus er­kenn­bar ist, wel­che Nach­wei­se zum Be­leg da­für, dass die Grab­ma­le nicht aus aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit her­rüh­ren, an­er­kannt wer­den.

3. Die den Kom­mu­nen ein­ge­räum­te all­ge­mei­ne Sat­zungs­be­fug­nis so­wie die Be­fug­nis, die Be­nut­zung ih­rer öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen zu re­geln, stel­len kei­ne aus­rei­chen­de ge­setz­li­che Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge dar, um ei­nen Ein­griff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG ge­schütz­te Be­rufs­aus­übungs­frei­heit der Stein­met­ze zu recht­fer­ti­gen.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 8 CN 1.12

  • VGH Mün­chen - 06.07.2012 - AZ: VGH 4 N 11.2673

In der Nor­men­kon­troll­sa­che hat der 8. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16. Ok­to­ber 2013
durch den Vi­ze­prä­si­den­ten des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Dei­seroth
und die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Hau­ser, Dr. Held-Daab
und Dr. Ru­dolph
für Recht er­kannt:

  1. Das Ur­teil des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 6. Ju­li 2012 wird ge­än­dert. § 28 Abs. 2 der Be­stat­tungs- und Fried­hofs­sat­zung der An­trags­geg­ne­rin vom 6. April 2009 wird für un­wirk­sam er­klärt.
  2. Die An­trags­geg­ne­rin trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Die An­trag­stel­le­rin ist ein Stein­metz­be­trieb, der in ers­ter Li­nie auf den Fried­hö­fen der An­trags­geg­ne­rin tä­tig ist. Sie wen­det sich mit ih­rem Nor­men­kon­troll­an­trag ge­gen die Re­ge­lung in § 28 Abs. 2 der Be­stat­tungs- und Fried­hofs­sat­zung (BFS) der An­trags­geg­ne­rin.

2 In der am 15. April 2009 be­kannt­ge­mach­ten Sat­zung vom 6. April 2009 hat die Vor­schrift den fol­gen­den Wort­laut:
§ 28
Grab­ma­le
(1) ...
(2) Es dür­fen nur Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den, die nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit im Sin­ne des Über­ein­kom­mens über das Ver­bot und un­ver­züg­li­che Maß­nah­men zur Be­sei­ti­gung der schlimms­ten For­men der Kin­der­ar­beit der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO-Kon­ven­ti­on 182), in Kraft ge­tre­ten am 19. No­vem­ber 2000, her­ge­stellt wur­den.

3 Mit ih­rem im Jahr 2009 an­hän­gig ge­mach­ten Nor­men­kon­troll­an­trag be­gehrt die An­trag­stel­le­rin, § 28 Abs. 2 BFS für un­wirk­sam zu er­klä­ren. Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat­te dem Nor­men­kon­troll­an­trag zu­nächst mit Be­schluss vom 27. Ju­li 2009 statt­ge­ge­ben und die an­ge­foch­te­ne Be­stim­mung für un­wirk­sam er­klärt. Zur Be­grün­dung hat­te er aus­ge­führt: Die An­trags­geg­ne­rin kön­ne sich nicht auf ih­re Be­fug­nis be­ru­fen, die Be­nut­zung ih­rer öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen durch Sat­zung zu re­geln (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Baye­ri­sche Ge­mein­de­ord­nung <Bay­GO>), denn die an­ge­foch­te­ne Sat­zungs­re­ge­lung hal­te sich aus meh­re­ren Grün­den nicht in­ner­halb der Gren­zen die­ser Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge. Die Sat­zungs­be­stim­mung ver­fol­ge der Sa­che nach ein­rich­tungs­frem­de Zwe­cke, näm­lich die Be­kämp­fung der Kin­der­ar­beit welt­weit. Die Re­ge­lung sei nicht ge­eig­net, den Fried­hofs­zweck zu för­dern. Sie re­ge­le auch nicht die Aus­übung ge­werb­li­cher Tä­tig­kei­ten auf dem Fried­hof, son­dern al­len­falls de­ren Vor­feld. Es han­de­le sich fer­ner nicht um Vor­schrif­ten zur Grab­mal­ge­stal­tung, denn die Her­kunft und Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen der Grab­stei­ne, de­ren Nach­weis die An­trags­geg­ne­rin ver­lan­ge, sei­en kei­ne die Be­schaf­fen­heit des Grab­steins kenn­zeich­nen­den Ei­gen­schaf­ten. Her­kunft und Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen könn­ten bei der Be­trach­tung des Grab­steins nicht äu­ßer­lich fest­ge­stellt wer­den und sei­en nicht ge­eig­net, das Emp­fin­den der Fried­hofs­be­nut­zer zu be­ein­träch­ti­gen. Die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­re­ge­lung be­zie­he sich auch nicht auf An­ge­le­gen­hei­ten der ört­li­chen Ge­mein­schaft, auf die die Sat­zungs­be­fug­nis der An­trags­geg­ne­rin nach Art. 28 Abs. 2 GG von vorn­her­ein be­schränkt sei. Die Vor­schrift die­ne der Um­set­zung ei­nes welt­wei­ten po­li­ti­schen An­lie­gens, näm­lich der Be­kämp­fung von aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit, und wei­se kei­nen spe­zi­fisch ört­li­chen Be­zug auf.

4 Die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in die­sem Be­schluss hat­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mit Be­schluss vom 7. Ja­nu­ar 2010 zu­rück­ge­wie­sen.

5 Am 17. März 2010 hat die An­trags­geg­ne­rin ge­gen den Be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs Ver­fas­sungs­be­schwer­de bei dem Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hof ein­ge­legt. Die­ser hat den Be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs mit Ent­schei­dung vom 7. Ok­to­ber 2011 we­gen Ver­sto­ßes ge­gen Art. 11 Abs. 2 Baye­ri­sche Ver­fas­sung auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­rück­ver­wie­sen. Die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung wer­de der Be­deu­tung des Selbst­ver­wal­tungs­rechts der An­trags­geg­ne­rin nicht ge­recht. Al­lein der Um­stand, dass § 28 Abs. 2 BFS ge­eig­net sei, dem welt­wei­ten po­li­ti­schen An­lie­gen der ILO-Kon­ven­ti­on 182 Rech­nung zu tra­gen, be­sa­ge nicht, dass mit der Norm nicht ei­ne Re­ge­lung ge­trof­fen wer­de, wel­che un­mit­tel­bar die Nut­zung des Fried­hofs zur To­ten­be­stat­tung im Sin­ne des Art. 83 Abs. 1 Baye­ri­sche Ver­fas­sung be­tref­fe. Auf die Mo­ti­ve der­je­ni­gen, die beim Er­lass des § 28 Abs. 2 BFS mit­ge­wirkt hät­ten, kom­me es für die recht­li­che Be­ur­tei­lung nicht an. Ent­schei­dend sei nur, ob die Re­ge­lung ob­jek­tiv dem Rechts­kreis der To­ten­be­stat­tung zu­ge­ord­net sei. Dies kön­ne un­ge­ach­tet des­sen der Fall sein, dass die Norm im Er­geb­nis auch ei­nem welt­wei­ten po­li­ti­schen An­lie­gen Rech­nung tra­ge. Es sei we­der sach­fremd noch will­kür­lich und be­we­ge sich in­ner­halb des ge­meind­li­chen nor­ma­ti­ven Ein­schät­zungs­spiel­raums, wenn die An­trags­geg­ne­rin da­von aus­ge­he, dass es im In­ter­es­se der Wür­de des Or­tes der To­ten­be­stat­tung lie­gen kön­ne, dass dort kei­ne Grab­stei­ne auf­ge­stellt wer­den, de­ren Ma­te­ri­al in ei­nem welt­weit ge­äch­te­ten Her­stel­lungs­pro­zess durch schlimms­te For­men der Kin­der­ar­beit ge­won­nen wor­den sei.

6 Mit Ur­teil vom 6. Ju­li 2012 hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof den Nor­men­kon­troll­an­trag dar­auf­hin ab­ge­lehnt. Nach der ihn bin­den­den Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs kön­ne der an­ge­grif­fe­nen Rechts­vor­schrift nicht mehr ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, es man­ge­le ihr an der er­for­der­li­chen ge­setz­li­chen Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge. Nach der Auf­fas­sung des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs sei der sach­li­che Zu­sam­men­hang mit dem Fried­hofs­zweck und da­mit auch der spe­zi­fisch ört­li­che Be­zug in recht­lich ein­wand­frei­er Wei­se her­ge­stellt. Die an­ge­foch­te­ne Re­ge­lung sei auch nicht des­halb für un­wirk­sam zu er­klä­ren, weil der Sat­zungs­ge­ber die for­mel­len Ge­neh­mi­gungs­an­for­de­run­gen nicht selbst kon­kre­ti­siert und es der Fried­hofs­ver­wal­tung über­las­sen ha­be zu ent­schei­den, auf wel­chem Weg und mit wel­chem Grad an Ge­wiss­heit der Nach­weis dar­über er­bracht wer­den sol­le, dass das Grab­mal in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit her­ge­stellt wor­den sei.

7 Zur Be­grün­dung ih­rer Re­vi­si­on macht die An­trag­stel­le­rin gel­tend: Die strei­ti­ge Re­ge­lung sei kei­ne An­ge­le­gen­heit der ört­li­chen Ge­mein­schaft, son­dern be­han­de­le ei­ne bun­des­recht­li­che Fra­ge. Zwar könn­ten die Kom­mu­nen in der Fried­hofs­sat­zung grund­sätz­lich nach ih­rem Er­mes­sen Re­ge­lun­gen zur To­ten­be­stat­tung so­wie der Nut­zung des Fried­hofs tref­fen. Die im Selbst­ver­wal­tungs­recht be­grün­de­te Be­fug­nis zur Re­ge­lung der Be­nut­zung öf­fent­li­cher Ein­rich­tun­gen der Ge­mein­de er­lau­be aber kei­ne Sat­zungs­be­stim­mun­gen, die nicht mehr dem Rechts­kreis der ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten zu­zu­ord­nen sei­en. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO schei­de als Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge schon des­halb aus, weil die an­ge­grif­fe­ne Re­ge­lung nicht die Be­nut­zung des Fried­hofs, son­dern ei­ne ge­werb­li­che Tä­tig­keit im Vor­feld der Fried­hofs­nut­zung be­tref­fe. Es wer­de ein ein­rich­tungs­frem­der Zweck, näm­lich die Be­kämp­fung von Kin­der­ar­beit, ver­folgt. Dies ha­be der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in sei­ner ers­ten Ent­schei­dung auch so ge­se­hen und sei dar­in vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt be­stä­tigt wor­den. Da­her kön­ne da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die­se An­sicht der bis­he­ri­gen höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ent­spre­che. We­der Art. 28 Abs. 2 GG noch die Be­stat­tungs­ge­set­ze der Län­der und die Ge­mein­de­ord­nun­gen könn­ten der­art weit aus­ge­legt wer­den, dass auf ih­rer Grund­la­ge Re­ge­lun­gen zu Her­kunft und Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen von Grab­ma­len ge­trof­fen wer­den könn­ten. Die vom Ver­wal­tungs­ge­richts­hof auf­grund der Vor­ga­ben des Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs vor­ge­nom­me­ne wei­te Aus­le­gung der Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO ge­nü­ge über­dies nicht den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen für ei­nen Ein­griff in die Be­rufs­aus­übungs­frei­heit von Stein­metz­be­trie­ben ge­mäß Art. 12 Abs. 1 GG.

8 Die An­trag­stel­le­rin be­an­tragt,
das Ur­teil des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 6. Ju­li 2012 zu än­dern und § 28 Abs. 2 der Be­stat­tungs- und Fried­hofs­sat­zung der An­trags­geg­ne­rin vom 6. April 2009 für un­wirk­sam zu er­klä­ren.

9 Die An­trags­geg­ne­rin be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.
Sie ver­tei­digt das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil.

10 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt be­tei­ligt sich am Ver­fah­ren. Er ver­tei­digt eben­falls das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs.

11 Die eben­falls am Ver­fah­ren be­tei­lig­te Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern hat sich nicht ge­äu­ßert.

II

12 Die Re­vi­si­on ist be­grün­det.

13 1. Der Er­folg der Re­vi­si­on er­gibt sich al­ler­dings noch nicht dar­aus, dass der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof mit dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil die Rechts­kraft sei­ner ers­ten Ent­schei­dung in die­ser Sa­che miss­ach­tet und da­mit § 121 Vw­GO ver­letzt hät­te. Zwar ist der Be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 27. Ju­li 2009 zu­nächst rechts­kräf­tig ge­wor­den, nach­dem das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mit Be­schluss vom 7. Ja­nu­ar 2010 - BVer­wG 7 BN 2.09 - (LKV 2010, 509) die hier­ge­gen ge­rich­te­te Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin zu­rück­ge­wie­sen hat­te. Je­doch hat der Baye­ri­sche Ver­fas­sungs­ge­richts­hof auf de­ren Ver­fas­sungs­be­schwer­de hin mit Ent­schei­dung vom 7. Ok­to­ber 2011 den Be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 27. Ju­li 2009 auf­ge­ho­ben und die Sa­che an den Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­rück­ver­wie­sen. Un­ge­ach­tet der Fra­ge, ob Lan­des­ver­fas­sungs­ge­rich­te be­fugt sind, die bun­des­ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Rechts­kraft auch auf Kom­mu­nal­ver­fas­sungs­be­schwer­de hin und da­mit au­ßer­halb von Art. 142 GG zu durch­bre­chen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 15. Ok­to­ber 1997 - 2 BvN 1/95 - BVerf­GE 96, 345 <368 ff.>), ist die Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs je­den­falls wirk­sam; sie hat die Rechts­kraft be­sei­tigt und das Ver­fah­ren wie­der er­öff­net. Der Be­schluss des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 7. Ja­nu­ar 2010 ist da­mit ge­gen­stands­los.

14 2. Die Re­vi­si­on ist aber be­grün­det, weil das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil auf der Ver­let­zung von Bun­des­recht be­ruht (§ 137 Abs. 1 Vw­GO). Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat bei der Aus­le­gung und An­wen­dung des Lan­des­rechts zwar nicht das in Art. 28 Abs. 2 GG den Ge­mein­den ga­ran­tier­te Recht auf Selbst­ver­wal­tung ver­kannt (a). Das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil ver­stö­ßt in­des ge­gen Art. 20 Abs. 3 GG (b) und Art. 12 Abs. 1 GG (c). Es stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 144 Abs. 4 Vw­GO). Viel­mehr muss dem Nor­men­kon­troll­an­trag statt­ge­ge­ben wer­den.

15 a) Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat in Aus­le­gung und An­wen­dung ir­re­vi­si­blen Lan­des­rechts an­ge­nom­men, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO die Ge­mein­den und Städ­te er­mäch­tigt, in Sat­zun­gen die Be­nut­zung ih­rer öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen und da­mit auch die Fried­hofs­nut­zung zu re­geln, und dass dies auch Sat­zungs­be­stim­mun­gen der hier in Re­de ste­hen­den Art um­fasst. Der sach­li­che Zu­sam­men­hang mit dem in Art. 8 Abs. 1 Baye­ri­sches Be­stat­tungs­ge­setz (Bay­BestG) be­stimm­ten Fried­hofs­zweck und auch der spe­zi­fisch ört­li­che Be­zug sei­en in recht­lich ein­wand­frei­er Wei­se her­ge­stellt, da es im In­ter­es­se der Wür­de des Or­tes der To­ten­be­stat­tung lie­gen kön­ne, dass dort kei­ne Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den, de­ren Ma­te­ri­al in ei­nem welt­weit ge­äch­te­ten Her­stel­lungs­pro­zess ge­won­nen wor­den ist.

16 Die bun­des­ver­fas­sungs­recht­li­che Ga­ran­tie der ge­meind­li­chen Selbst­ver­wal­tung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG steht ei­ner sol­chen Aus­le­gung der Baye­ri­schen Ge­mein­de­ord­nung nicht ent­ge­gen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG si­chert den Ge­mein­den ei­nen grund­sätz­lich al­le An­ge­le­gen­hei­ten der ört­li­chen Ge­mein­schaft um­fas­sen­den Auf­ga­ben­be­reich so­wie die Be­fug­nis zur ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Füh­rung der Ge­schäf­te in die­sem Be­reich zu (BVerfG, Be­schluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerf­GE 110, 370 <400>). An­ge­le­gen­hei­ten der ört­li­chen Ge­mein­schaft sind da­bei die­je­ni­gen Be­dürf­nis­se und In­ter­es­sen, die in der ört­li­chen Ge­mein­schaft wur­zeln oder auf sie ei­nen spe­zi­fi­schen Be­zug ha­ben, die al­so den Ge­mein­de­ein­woh­nern ge­ra­de als sol­chen ge­mein­sam sind, in­dem sie das Zu­sam­men­le­ben und -woh­nen der Men­schen in der (po­li­ti­schen) Ge­mein­de be­tref­fen (BVerfG, Be­schluss vom 23. No­vem­ber 1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 - BVerf­GE 79, 127 <151 f.>). Art. 28 Abs. 2 GG ent­hält in­des le­dig­lich ei­ne Min­dest­ga­ran­tie und schlie­ßt es nicht aus, dass der Ge­setz­ge­ber den Ge­mein­den dar­über hin­aus­ge­hen­de Auf­ga­ben zu­weist. Selbst wenn der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO in ei­ner Wei­se aus­ge­legt hät­te, die den Ge­mein­den die Re­ge­lung über­ört­li­cher An­ge­le­gen­hei­ten er­lau­ben wür­de, so er­gä­be sich al­lein hier­aus des­halb noch kei­ne Ver­let­zung des Art. 28 Abs. 2 GG. An­ders lä­ge es erst, wenn sich der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof bei der Aus­le­gung des Lan­des­rechts in der Wei­se an Bun­des­recht ge­bun­den ge­se­hen hät­te, dass die­ses für den In­halt des Lan­des­rechts ma­ß­ge­bend sei; dann wä­re re­vi­si­bel, ob er sich hier­bei von ei­ner zu­tref­fen­den Auf­fas­sung des Bun­des­rechts hat lei­ten las­sen (vgl. Ur­teil vom 30. Sep­tem­ber 2009 - BVer­wG 8 C 5.09 - BVer­w­GE 135, 100 Rn. 13 m.w.N. = Buch­holz 451.09 IHKG Nr. 21). So liegt es aber nicht. Zwar ist der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof da­von aus­ge­gan­gen, dass Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO nur zur Re­ge­lung der Be­nut­zung von Ein­rich­tun­gen er­mäch­tigt, de­ren Be­trieb zu den ört­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten der Ge­mein­de ge­hört (vgl. Art. 23 Satz 1 Bay­GO), und er hat - im An­schluss an den Baye­ri­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hof - Art. 28 Abs. 2 GG als Aus­le­gungs­hil­fe zur Be­ant­wor­tung der Fra­ge her­an­ge­zo­gen, ob ei­ne An­ge­le­gen­heit der ört­li­chen Ge­mein­schaft vor­liegt. Er hat je­doch nicht fest­ge­stellt, dass der bun­des­ver­fas­sungs­recht­li­che Be­griff der ört­li­chen Ge­mein­schaft aus Rechts­grün­den ma­ß­ge­bend für den lan­des­recht­li­chen Be­griff sei.

17 Un­ab­hän­gig hier­von hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu Recht an­ge­nom­men, dass die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­re­ge­lung die An­ge­le­gen­hei­ten der ört­li­chen Ge­mein­schaft nicht über­schrei­tet. § 28 Abs. 2 BFS re­gelt Vor­aus­set­zun­gen für das Auf­stel­len von Grab­stei­nen auf den Fried­hö­fen der An­trags­geg­ne­rin. Da­mit han­delt es sich um ei­ne Re­ge­lung der Be­nut­zung der kom­mu­na­len Fried­hö­fe, die öf­fent­li­che Ein­rich­tun­gen der An­trags­geg­ne­rin sind. Dass es sich hier­bei um ei­ne An­ge­le­gen­heit ih­rer ört­li­chen Ge­mein­schaft han­delt, für de­ren Re­ge­lung Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO - im Ein­klang mit Ver­fas­sungs­recht, auch mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG - der An­trags­geg­ne­rin die Be­fug­nis zu­weist, steht au­ßer Zwei­fel. Ei­ne an­de­re Fra­ge ist, ob die Vor­aus­set­zun­gen des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO auch im Üb­ri­gen vor­lie­gen. Hier­zu ge­hört nach baye­ri­schem Lan­des­recht, dass die Sat­zungs­be­stim­mung dem Zweck der Ein­rich­tung zu die­nen be­stimmt ist. Das ist nach Auf­fas­sung des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs der Fall: Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 Baye­ri­sche Ver­fas­sung ha­ben die Ge­mein­den da­für zu sor­gen, dass je­der Ver­stor­be­ne „schick­lich be­er­digt“ wer­den kann, und nach Art. 8 Abs. 1 Baye­ri­sches Be­stat­tungs­ge­setz sind Fried­hö­fe den Ver­stor­be­nen als wür­di­ge Ru­he­stät­te und der Pfle­ge ih­res An­denkens ge­wid­met. Wenn ei­ne Kom­mu­ne der Auf­fas­sung ist, ei­ne pie­tät­vol­le und wür­di­ge Fried­hofs­ge­stal­tung set­ze vor­aus, dass ein Fried­hofs­nut­zer die Ein­rich­tung in dem Be­wusst­sein auf­su­chen kann, nicht mit Grab­stei­nen kon­fron­tiert zu wer­den, die in grob men­schen­rechts­wid­ri­ger Wei­se her­ge­stellt wor­den sind, so hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof dar­in ei­ne zu­läs­si­ge Kon­kre­ti­sie­rung des Fried­hofs­zwecks ge­se­hen. Dass dies mit Art. 28 Abs. 2 GG un­ver­ein­bar wä­re, ist nicht er­kenn­bar. Na­ment­lich wird da­durch der ge­gen­ständ­li­che Be­zug zu den Fried­hö­fen der An­trags­geg­ne­rin nicht ver­las­sen.

18 Ge­gen­tei­li­ges er­gibt sich auch nicht aus dem Be­schluss des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 7. Ja­nu­ar 2010 - BVer­wG 7 BN 2.09 - (LKV 2010, 509 f. = BayVBl 2011, 510 f.), mit dem der 7. Se­nat die Be­schwer­de ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on im Be­schluss des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 27. Ju­li 2009 zu­rück­ge­wie­sen hat­te. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat­te da­mals ent­schie­den, dass die An­trags­geg­ne­rin mit ih­rer Be­schwer­de kei­ne al­lein klä­rungs­fä­hi­ge Fra­ge des re­vi­si­blen Bun­des­rechts auf­ge­zeigt hät­te, die in ei­ner ver­all­ge­mei­ne­rungs­fä­hi­gen Wei­se, los­ge­löst von den kon­kre­ten Um­stän­den des Ein­zel­fal­les, im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren be­ant­wor­tet wer­den könn­te und müss­te. Ob § 28 Abs. 2 BFS im Sin­ne der Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO (noch) die Be­nut­zung ei­ner ge­meind­li­chen Ein­rich­tung re­ge­le, wenn er nur Grab­ma­le zur Auf­stel­lung zu­las­se, die nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit her­ge­stellt wur­den, sei ei­ne Fra­ge des ir­re­vi­si­blen Lan­des­rechts. Des­halb ha­be das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt auch nicht dar­auf ein­ge­hen müs­sen, ob ei­ne klä­rungs­be­dürf­ti­ge Fra­ge in­so­weit vor­lag, als der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof an­ge­nom­men hat­te, die strei­ti­ge Re­ge­lung über­schrei­te die An­ge­le­gen­hei­ten der ört­li­chen Ge­mein­schaft.

19 Der An­trags­geg­ne­rin fehlt auch nicht des­halb die Re­ge­lungs­kom­pe­tenz, weil in­so­weit der Bund aus­schlie­ß­lich zu­stän­dig wä­re oder von ei­ner kon­kur­rie­ren­den Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz Ge­brauch ge­macht hät­te. Ei­ne aus­schlie­ß­li­che Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Bun­des nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG („Wa­ren­ver­kehr mit dem Aus­land“) ist nicht ge­ge­ben, da das Ver­bot der Ver­wen­dung von Grab­ma­len aus aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit auf Fried­hö­fen nicht den Wa­ren­ver­kehr mit dem Aus­land re­gelt und al­len­falls mit­tel­ba­re Aus­wir­kun­gen auf den Im­port und Han­del von sol­chen Grab­ma­len hat. Ob Sat­zungs­re­ge­lun­gen der an­ge­grif­fe­nen Art dem Kom­pe­tenz­ti­tel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirt­schaft, Hand­werk) zu­ge­ord­net wer­den kön­nen, mag da­hin­ste­hen. Ei­ne Sperr­wir­kung zu Las­ten der Län­der und Ge­mein­den er­gä­be sich nur, wenn der Bund von sei­ner Ge­setz­ge­bungs­zu­stän­dig­keit durch Ge­setz Ge­brauch ge­macht hät­te (Art. 72 Abs. 1 GG). Da­von ist hier nicht aus­zu­ge­hen; der Bund hat den hier in Fra­ge ste­hen­den Sach­ver­halt, dass Stein­met­ze be­stimm­te Pro­duk­te we­gen ih­res Her­stel­lungs­pro­zes­ses nicht oder je­den­falls nicht für be­stimm­te Zwe­cke ver­wen­den dür­fen, nicht ge­re­gelt.

20 b) Die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­be­stim­mung ver­letzt je­doch das aus dem Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GG) ab­zu­lei­ten­de Ge­bot der Klar­heit und Be­stimmt­heit ei­ner Norm.

21 Ei­ne Vor­schrift ent­spricht nur dann rechts­staat­li­chen Grund­sät­zen, wenn und so­weit sich aus ihr mit aus­rei­chen­der Be­stimm­bar­keit er­mit­teln lässt, was von den pflich­ti­gen Per­so­nen ver­langt wird. Vom Norm­ge­ber wird ver­langt, die Rechts­vor­schrif­ten so ge­nau zu fas­sen, wie dies nach der Ei­gen­art der zu ord­nen­den Le­bens­sach­ver­hal­te mit Rück­sicht auf den Norm­zweck mög­lich ist (BVerfG, Be­schluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 396; BVer­wG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2005 - BVer­wG 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Die Not­wen­dig­keit der Aus­le­gung ei­ner Be­griffs­be­stim­mung nimmt der Norm noch nicht die Be­stimmt­heit. Es ge­nügt, wenn die Be­trof­fe­nen die Rechts­la­ge an­hand ob­jek­ti­ver Kri­te­ri­en er­ken­nen und ihr Ver­hal­ten da­nach aus­rich­ten kön­nen (BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ju­ni 1977 - 1 BvR 799/76 - BVerf­GE 45, 400 <420> und vom 18. Mai 1988 - 2 BvR 579/84 - BVerf­GE 78, 205 <212>; BVer­wG, Ur­teil vom 16. Ju­ni 1994 - BVer­wG 4 C 2.94 - BVer­w­GE 96, 110 <111> = Buch­holz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 3).

22 Ge­mes­sen an die­sen Grund­sät­zen ver­letzt die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­be­stim­mung das Ge­bot der Nor­men­klar­heit und der hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit, in­dem sie an­ord­net, dass nur Grab­ma­le auf­ge­stellt wer­den dür­fen, die „nach­weis­lich in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te“ oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit im Sin­ne der ILO-Kon­ven­ti­on 182 her­ge­stellt wur­den. Durch die­se Re­ge­lung hat es die An­trags­geg­ne­rin der Fried­hofs­ver­wal­tung über­las­sen zu über­prü­fen und zu be­ur­tei­len, ob die von den Stein­met­zen bei­ge­brach­ten Nach­wei­se be­le­gen, dass das Grab­mal in der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit her­ge­stellt wor­den ist, und da­mit die im Zu­sam­men­hang mit der An­wen­dung die­ser Be­stim­mung ent­ste­hen­den Pro­ble­me un­zu­läs­si­ger­wei­se in den Norm­voll­zug ver­la­gert. Dies könn­te den An­for­de­run­gen an die Klar­heit und Be­stimmt­heit ei­ner Norm nur ge­recht wer­den, wenn für den Norm­be­trof­fe­nen un­schwer er­kenn­bar wä­re, wel­cher Nach­weis ge­nü­gen wür­de. Dar­an fehlt es je­doch, da es bis­lang kei­ne va­li­den Nach­weis­mög­lich­kei­ten gibt. Der­zeit kön­nen sich die Stein­metz­be­trie­be nur auf Ei­gen­er­klä­run­gen von Her­stel­lern und Lie­fe­ran­ten stüt­zen, die je­doch kei­ner­lei Si­cher­heit hin­sicht­lich des Merk­mals „frei von Kin­der­ar­beit“ ga­ran­tie­ren kön­nen. Ver­läss­li­che Zer­ti­fi­zie­rungs­sys­te­me und Gü­te­sie­gel un­ab­hän­gi­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen sind bis­her nicht be­kannt (vgl. da­zu auch die Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf die Klei­ne An­fra­ge der FDP-Frak­ti­on, BT­Drucks 16/12988 S. 5 f.); ob die vor­han­de­nen Zer­ti­fi­ka­te aus­sa­ge­kräf­tig sind und auf tat­säch­li­chen In­spek­tio­nen in den Her­kunfts­län­dern der Grab­ma­le be­ru­hen, ist für die Stein­met­ze mit zu­mut­ba­rem Auf­wand nicht nach­prüf­bar. An­ge­sichts des­sen be­dürf­te es ei­ner Be­stim­mung, wel­cher Art der ge­for­der­te Nach­weis zu sein hat und wel­che Nach­wei­se als aus­rei­chend an­ge­se­hen wer­den; ge­ge­be­nen­falls müss­te der Norm­ge­ber die Vor­aus­set­zun­gen fest­le­gen, un­ter de­nen die Zeug­nis­se pri­va­ter Zer­ti­fi­zie­rungs­stel­len als aus­rei­chend an­ge­se­hen wer­den.

23 c) Dar­über hin­aus ge­nügt die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­be­stim­mung des § 28 Abs. 2 BFS nicht den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen des Art. 12 Abs. 1 GG.

24 aa) § 28 Abs. 2 BFS wirkt sich auf die ge­werb­li­che Tä­tig­keit der Stein­met­ze in der Wei­se aus, dass sie ge­hal­ten sind, für die Fried­hö­fe im Zu­stän­dig­keits­be­reich der An­trags­geg­ne­rin nur sol­che Grab­ma­le an­zu­bie­ten, die nach­weis­lich oh­ne aus­beu­te­ri­sche Kin­der­ar­beit her­ge­stellt wur­den. Dies be­las­tet sie zwangs­läu­fig mit den Kos­ten und Mü­hen der Nach­weis­be­schaf­fung. Hier­durch wird ih­re Be­rufs­aus­übung ein­ge­schränkt und da­mit in das Grund­recht der An­trag­stel­le­rin aus Art. 12 Abs. 1 GG ein­ge­grif­fen. Schutz­gut des Art. 12 Abs. 1 GG ist auch die Er­werbs­zwe­cken die­nen­de freie un­ter­neh­me­ri­sche Be­tä­ti­gung. Zwar sind die Stein­met­ze nicht un­mit­tel­ba­re Adres­sa­ten der kom­mu­na­len Norm. Sie sind in­des­sen in das Nut­zungs­ver­hält­nis zwi­schen dem Grab­nut­zungs­be­rech­tig­ten und der An­trags­geg­ne­rin ein­be­zo­gen und be­dür­fen ei­ner Zu­las­sung durch die Fried­hofs­ver­wal­tung (§ 34 Abs. 1 BFS). Auch nicht un­mit­tel­bar auf die be­ruf­li­che Be­tä­ti­gung ab­zie­len­de Maß­nah­men kön­nen in­fol­ge ih­rer spür­ba­ren tat­säch­li­chen Aus­wir­kun­gen ge­eig­net sein, den Schutz­be­reich des Art. 12 Abs. 1 GG mit­tel­bar er­heb­lich zu be­ein­träch­ti­gen. Vor­aus­set­zung für die An­er­ken­nung sol­cher fak­ti­schen Be­ein­träch­ti­gun­gen der Be­rufs­frei­heit ist, dass ein en­ger Zu­sam­men­hang mit der Aus­übung des Be­rufs be­steht und dass nicht nur vom Staat aus­ge­hen­de Ver­än­de­run­gen der Markt­da­ten oder all­ge­mei­nen Rah­men­be­din­gun­gen ein­tre­ten, son­dern ei­ne ob­jek­tiv be­rufs­re­geln­de Ten­denz er­kenn­bar ist (BVerfG, Be­schlüs­se vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerf­GE 95, 267 <302> und vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerf­GE 113, 29 <48>). Die an­ge­grif­fe­ne Sat­zungs­be­stim­mung stellt ei­ne nicht un­er­heb­li­che grund­rechts­spe­zi­fi­sche Ein­schrän­kung der ge­werb­li­chen Be­tä­ti­gungs­frei­heit dar, da vie­le Stein­met­ze in Deutsch­land Grab­ma­le aus In­di­en oder aus sons­ti­gen Län­dern der Drit­ten Welt, in de­nen Kin­der­ar­beit vor­kommt, be­zie­hen (vgl. Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf die Klei­ne An­fra­ge der Frak­ti­on DIE LIN­KE, BT­Drucks 17/2406 S. 1, wo­nach zwei Drit­tel al­ler in Deutsch­land auf­ge­stell­ten Grab­stei­ne aus In­di­en stam­men).

25 bb) Für ei­nen sol­chen Ein­griff in den Schutz­be­reich der Be­rufs­aus­übungs­frei­heit ist ein for­mel­les Ge­setz er­for­der­lich.

26 Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG er­laubt Ein­grif­fe in die Be­rufs­frei­heit nur auf der Grund­la­ge ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung, die Um­fang und Gren­zen des Ein­griffs deut­lich er­ken­nen lässt. Da­bei muss der Ge­setz­ge­ber selbst al­le we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen tref­fen, so­weit sie ge­setz­li­cher Re­ge­lung zu­gäng­lich sind (BVerfG, Be­schluss vom 12. Ju­ni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerf­GE 82, 209 <224>; BVer­wG, Be­schluss vom 7. Sep­tem­ber 1992 - BVer­wG 7 NB 2.92 - BVer­w­GE 90, 359 <362> = Buch­holz 11 Art. 28 GG Nr. 85). Al­ler­dings ge­bie­tet Art. 12 Abs. 1 GG nicht, dass Ein­schrän­kun­gen der Be­rufs­frei­heit stets un­mit­tel­bar durch den staat­li­chen Ge­setz­ge­ber oder durch die von ihm er­mäch­tig­te Exe­ku­ti­ve an­ge­ord­net wer­den müs­sen. Viel­mehr sind sol­che Re­ge­lun­gen in­ner­halb be­stimm­ter Gren­zen auch in Ge­stalt von Sat­zun­gen zu­läs­sig, die von ei­ner Selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaft im Rah­men ih­rer Au­to­no­mie er­las­sen wer­den (BVerfG, Be­schluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64 - BVerf­GE 33, 125 <155 ff.> - sog. Fach­arzt­be­schluss). Ob die­se auf die sat­zungs­recht­li­che Tä­tig­keit im Be­reich der funk­tio­nel­len Selbst­ver­wal­tung, ins­be­son­de­re der be­rufs­stän­di­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen, be­zo­ge­ne Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts auch für den Be­reich der ge­meind­li­chen Selbst­ver­wal­tung in vol­lem Um­fang über­trag­bar ist, be­darf hier kei­ner ab­schlie­ßen­den Ent­schei­dung. Es ist je­doch ver­fas­sungs­recht­lich un­ver­zicht­bar, dass ei­ne hin­rei­chen­de, vom par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber ge­schaf­fe­ne Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge vor­han­den ist, die dem Sat­zungs­ge­ber die Be­fug­nis er­öff­net, in das Grund­recht der Be­rufs­frei­heit ein­zu­grei­fen. Da­bei sind die An­for­de­run­gen an die Be­stimmt­heit der Er­mäch­ti­gung um­so hö­her, je emp­find­li­cher die freie be­ruf­li­che Be­tä­ti­gung be­ein­träch­tigt wird und je stär­ker die In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit von der Art und Wei­se der Tä­tig­keit be­rührt wer­den (BVerfG, Be­schlüs­se vom 19. No­vem­ber 1985 - 1 BvR 934/82 - BVerf­GE 71, 162 <172>, vom 8. April 1998 - 1 BvR 1773/96 - BVerf­GE 98, 49 <60> und vom 14. De­zem­ber 1999 - 1 BvR 1327/98 - BVerf­GE 101, 312 <323>).

27 Nach der In­ten­si­tät des Grund­rechts­ein­griffs rich­tet sich na­ment­lich, mit wel­chem Maß an Be­stimmt­heit der Ge­setz­ge­ber In­halt, Zweck und Aus­maß der Sat­zungs­re­ge­lung vor­ge­ben muss. Zwar sind Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, der für die Über­tra­gung recht­set­zen­der Ge­walt an die Exe­ku­ti­ve gilt, und die ver­gleich­ba­ren Vor­schrif­ten der Lan­des­ver­fas­sun­gen auf die Ver­lei­hung au­to­no­mer Sat­zungs­ge­walt an die Ge­mein­den nicht an­wend­bar (BVerfG, Be­schluss vom 9. Mai 1972 a.a.O.; BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ja­nu­ar 2006 - BVer­wG 8 C 13.05 - BVer­w­GE 125, 68 <70> = Buch­holz 415.1 Allg.Kom­mu­nalR Nr. 156). Die ge­setz­li­che Er­mäch­ti­gung zum Er­lass ge­meind­li­cher Sat­zun­gen, die Ein­schrän­kun­gen der Be­rufs­frei­heit vor­se­hen, be­darf des­halb bun­des­ver­fas­sungs­recht­lich ei­ner Be­stimmt­heit grund­sätz­lich nur in­so­weit, als sich ihr zwei­fels­frei ent­neh­men las­sen muss, wel­chen Ge­gen­stand die au­to­no­me Sat­zung be­tref­fen und zu wel­chem Zweck sie er­las­sen wer­den darf (Ur­tei­le vom 9. März 1990 - BVer­wG 8 C 20.88 - Buch­holz 11 Art. 20 GG Nr. 117 S. 13 und vom 25. Ja­nu­ar 2006 a.a.O.). Dar­über hin­aus sind ein­schnei­den­de, das Ge­samt­bild der be­ruf­li­chen Be­tä­ti­gung we­sent­lich prä­gen­de Vor­schrif­ten über die Aus­übung des Be­rufs dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­ten (Ur­teil vom 5. Ju­li 1994 - BVer­wG 1 C 13.91 - BVer­w­GE 96, 189 <195> = Buch­holz 11 Art. 12 GG Nr. 228). Aus dem Prin­zip des Rechts­staats so­wie der De­mo­kra­tie folgt, dass auch im Rah­men ei­ner an sich zu­läs­si­gen Au­to­no­mie­ge­wäh­rung der Grund­satz be­stehen bleibt, dass der Ge­setz­ge­ber sich sei­ner Rechts­set­zungs­be­fug­nis nicht völ­lig ent­äu­ßern und sei­nen Ein­fluss auf den In­halt der zu er­las­sen­den Norm nicht gänz­lich preis­ge­ben darf. Die grund­le­gen­de Ent­schei­dung, ob und wel­che Ge­mein­schafts­in­ter­es­sen so ge­wich­tig sind, dass das Frei­heits­recht des Ein­zel­nen zu­rück­tre­ten muss, fällt al­lein in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich des staat­li­chen Ge­setz­ge­bers (BVerfG, Be­schlüs­se vom 9. Mai 1972 a.a.O. <158 f.> und vom 14. Ju­li 1987 - 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87 - BVerf­GE 76, 171 <184 f.>). Der Re­ge­lungs­vor­be­halt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG soll si­cher­stel­len, dass der Ge­setz­ge­ber die­ser Ver­ant­wor­tung ge­recht wird.

28 Aus­ge­hend von die­sen Maß­stä­ben fehlt der zur Nor­men­prü­fung ge­stell­ten Sat­zungs­be­stim­mung ei­ne aus­rei­chen­de ge­setz­li­che Grund­la­ge. We­der die Ge­währ­leis­tung der ge­meind­li­chen Sat­zungs­au­to­no­mie in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG noch die in den je­wei­li­gen Ge­mein­de­ord­nun­gen ein­ge­räum­te, die­se ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­währ­leis­tung le­dig­lich de­kla­ra­to­risch auf­grei­fen­de all­ge­mei­ne Be­fug­nis zum Er­lass von Sat­zun­gen (hier: Art. 23 Satz 1 Bay­GO) ge­nügt den An­for­de­run­gen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG an ei­ne for­mell-ge­setz­li­che Er­mäch­ti­gung (Be­schluss vom 7. Sep­tem­ber 1992 a.a.O. S. 363; Sachs, in: GG, 6. Aufl. 2011, Art. 12 Rn. 116; Ren­nert, in: Um­bach/Cle­mens, GG, Bd. I, 2002, Art. 28 Rn. 138). Auch die den Ge­mein­den in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Bay­GO ein­ge­räum­te Be­fug­nis, die Be­nut­zung ih­rer öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen zu re­geln, ge­nügt nicht, und zwar auch dann nicht, wenn Art. 8 und 9 Bay­BestG, die nä­he­re Re­ge­lun­gen für die Nut­zung der Fried­hö­fe ent­hal­ten, ein­be­zo­gen wer­den. Die­se Vor­schrif­ten las­sen we­der die Vor­aus­set­zun­gen noch den Um­fang und die Gren­zen ei­nes Ein­griffs er­ken­nen und ge­ben so­mit den Rah­men für die Ein­schrän­kung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor.

29 Ei­ner ge­setz­li­chen Grund­la­ge be­darf es vor al­lem mit Blick auf das er­for­der­li­che Nach­weis­sys­tem. Wie ge­zeigt, muss der Sat­zungs­ge­ber fest­le­gen, wel­cher Art der in § 28 Abs. 2 BFS ge­for­der­te Nach­weis zu sein hat und wel­che Nach­wei­se als aus­rei­chend an­ge­se­hen wer­den (oben 2.b). Der­ar­ti­ge Fest­le­gun­gen be­tref­fen in­des nicht nur die Stein­met­ze im je­wei­li­gen räum­li­chen Ein­zugs­be­reich ei­ner Ge­mein­de, son­dern we­sent­li­che Be­din­gun­gen der Aus­übung des Stein­metz­be­rufs über­haupt. Schon dies un­ter­streicht die au­ßer­or­dent­li­che Be­deu­tung der­ar­ti­ger Re­ge­lun­gen für die Be­rufs­aus­übung. Hin­zu kommt, dass der Ge­setz­ge­ber das er­for­der­li­che Nach­weis­sys­tem we­gen sei­ner Be­deu­tung für die Grund­rechts­aus­übung - auch - der Händ­ler je­den­falls in sei­nen Grund­zü­gen selbst re­geln muss. Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Wett­be­werbs­gleich­heit un­ter den Stein­met­zen wä­re schwer er­träg­lich, wür­de je­de Ge­mein­de in ih­rem Ge­biet Nach­weis­an­for­de­run­gen stel­len, die sich von den­je­ni­gen der Nach­bar­ge­mein­de er­heb­lich un­ter­schei­den.

30 cc) Der mit § 28 Abs. 2 BFS ver­bun­de­ne Ein­griff in die Be­rufs­aus­übungs­frei­heit ist zu­dem un­ver­hält­nis­mä­ßig.

31 Be­schrän­kun­gen der Be­rufs­aus­übungs­frei­heit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG ver­ein­bar, wenn sie ver­nünf­ti­gen Zwe­cken des Ge­mein­wohls die­nen und den Be­rufs­tä­ti­gen nicht über­mä­ßig tref­fen, al­so dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ge­nü­gen (stRspr; vgl. BVerfG, Be­schluss vom 11. Fe­bru­ar 1992 - 1 BvR 1531/90 - BVerf­GE 85, 248<259>; BVerfG-Kam­mer, Be­schluss vom 7. März 2012 - 1 BvR 1209/11 - GesR 2012, 360).

32 Durch das Ver­bot der Ver­wen­dung von Grab­ma­len, die un­ter Ein­satz von Kin­der­ar­beit im Sin­ne der ILO-Kon­ven­ti­on 182 her­ge­stellt wur­den, wird ein ver­fas­sungs­recht­lich le­gi­ti­mer Zweck ver­folgt. Das Ver­bot soll die Wür­de der Ru­he­stät­te und des Fried­hofs (Art. 8 Bay­BestG) und die Schick­lich­keit der To­ten­be­stat­tung (Art. 149 Abs. 1 Satz 1 Bay­Verf) wah­ren und för­dern. Es ist ge­eig­net, die­sen Re­ge­lungs­zweck zu för­dern; denn bei Nicht­er­brin­gung des von der Vor­schrift ge­for­der­ten Nach­wei­ses wird die Ver­wen­dung sol­cher Grab­stei­ne auf Fried­hö­fen der An­trags­geg­ne­rin ver­hin­dert. Es ist fer­ner er­for­der­lich, da ein mil­de­res Mit­tel, das den Re­ge­lungs­zweck eben­so gut er­reich­te, die Be­rufs­aus­übungs­frei­heit der Stein­met­ze aber we­ni­ger be­schränk­te, nicht er­kenn­bar ist.

33 Die Re­ge­lung ge­nügt aber nicht dem Ge­bot der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit im en­ge­ren Sin­ne. Es ist ver­letzt, wenn die Schwe­re des Ein­griffs völ­lig au­ßer Ver­hält­nis zum da­mit ver­folg­ten Zweck steht (stRspr; vgl. nur BVerfG, Be­schluss vom 11. Fe­bru­ar 1992 a.a.O. <S. 261>). Das Er­for­der­nis nach­zu­wei­sen, dass auf­zu­stel­len­de Grab­ma­le nicht aus aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit her­rüh­ren, stellt ei­ne ein­schnei­den­de, schwer­wie­gen­de Be­schrän­kung der Be­rufs­aus­übung der Stein­met­ze dar. Es macht ei­nen we­sent­li­chen Teil ih­rer be­ruf­li­chen Be­tä­ti­gung da­von ab­hän­gig, dass sie den vol­len Be­weis ei­ner ne­ga­ti­ven Tat­sa­che er­brin­gen. Die da­mit ver­bun­de­ne schwer­wie­gen­de Be­ein­träch­ti­gung steht au­ßer Ver­hält­nis zu dem mit ihr ver­folg­ten Zweck, so­lan­ge nicht klar ge­re­gelt ist, wel­cher Art der ge­for­der­te Nach­weis zu sein hat und wel­che Nach­wei­se als aus­rei­chend an­ge­se­hen wer­den. Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist un­strei­tig, dass ein Gro­ß­teil der von den Stein­met­zen ver­wen­de­ten Grab­ma­le aus Län­dern der so­ge­nann­ten Drit­ten Welt be­zo­gen wird, in de­nen Kin­der­ar­beit vor­kommt. Die Stein­met­ze kön­nen nicht die Wert­schöp­fungs­ket­te je­des ein­zel­nen von dort im­por­tier­ten Grab­mals selbst ver­fol­gen. Sie kön­nen oh­ne hin­rei­chend be­stimm­te Re­ge­lung der An­for­de­run­gen an ge­eig­ne­te Nach­wei­se auch nicht er­ken­nen, wel­che der der­zeit er­hält­li­chen Be­schei­ni­gun­gen über ei­ne von aus­beu­te­ri­scher Kin­der­ar­beit freie Wert­schöp­fungs­ket­te hin­rei­chend ver­läss­lich sind. Viel­mehr wird ih­nen das un­kal­ku­lier­ba­re Ri­si­ko auf­ge­bür­det ein­zu­schät­zen, ob von ih­nen be­schaff­te Nach­wei­se von der An­trags­geg­ne­rin an­er­kannt wer­den. Da­mit kön­nen für sie er­heb­li­che Kos­ten, Um­satz­ein­bu­ßen und ge­ge­be­nen­falls auch Wett­be­werbs­nach­tei­le ge­gen­über Kon­kur­ren­ten, de­ren Nach­wei­se im Ein­zel­fall an­er­kannt wer­den, ver­bun­den sein.

34 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 1 Vw­GO.