Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der 1935 ge­bo­re­ne Klä­ger be­gehrt die Ein­be­zie­hung sei­ner 1984 ge­bo­re­nen En­ke­lin in den ihm 1998 er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid; bei­de stam­men aus der Ukrai­ne. Der Klä­ger reis­te im No­vem­ber 1998 ge­mein­sam mit sei­ner Ehe­frau in das Bun­des­ge­biet ein und er­hielt im April 1999 ei­ne Spät­aus­sied­lungs­be­schei­ni­gung. Im April 2014 be­an­trag­te er beim Bun­des­ver­wal­tungs­amt u.a. die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung sei­ner En­ke­lin in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid. Das Bun­des­ver­wal­tungs­amt der Be­klag­ten lehn­te den An­trag mit der Be­grün­dung ab, die Vor­aus­set­zun­gen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei­en nicht er­füllt, weil die En­ke­lin des Klä­gers nicht im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben sei; seit 2008 ha­be sie ih­ren Le­bens­mit­tel­punkt nicht mehr in der Ukrai­ne und zu­nächst in Shang­hai (Chi­na) (2008 bis 2014) und seit Fe­bru­ar 2014 in Sin­ga­pur ge­lebt.


Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te ver­pflich­tet, die En­ke­lin des Klä­gers in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid nach­träg­lich ein­zu­be­zie­hen. Die En­ke­lin des Klä­gers sei ein im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­be­ner Ab­kömm­ling, weil sie ih­ren Wohn­sitz seit der Aus­sied­lung des Klä­gers un­un­ter­bro­chen im Aus­sied­lungs­ge­biet ge­habt ha­be. Sie ha­be we­der ei­nen Wohn­sitz in Chi­na be­grün­det noch ei­nen in Sin­ga­pur. In Chi­na sei der Auf­ent­halt von vorn­her­ein - ähn­lich dem ei­nes Stu­die­ren­den - auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­schränkt ge­we­sen. Der Auf­ent­halt in Sin­ga­pur sei zwar an­ge­sichts der un­be­fris­te­ten An­stel­lung nicht auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­schränkt ge­we­sen, je­doch ha­be Sin­ga­pur der En­ke­lin des Klä­gers er­sicht­lich nur als Stütz­punkt für ih­re mehr als zwölf­mal jähr­lich statt­fin­den­den - bis­wei­len über meh­re­re Wo­chen dau­ern­den - Dienst­rei­sen ge­dient. Die En­ke­lin des Klä­gers ha­be zu­dem we­der in Chi­na noch in Sin­ga­pur den Wil­len zur dor­ti­gen Nie­der­las­sung ge­habt. Sie ha­be viel­mehr ih­ren Wohn­sitz in der Ukrai­ne nie auf­ge­ge­ben. Sie sei seit ih­rem 17. Le­bens­jahr an un­ver­än­der­ter Adres­se in Kiew ge­mel­det. Dort ver­fü­ge sie wei­ter­hin über ei­ne fa­mi­liä­re An­bin­dung. Auf­grund der be­son­de­ren Um­stän­de des Ein­zel­fal­les ste­he fest, dass sie in sub­jek­ti­ver Hin­sicht ih­ren Wohn­sitz in der Ukrai­ne nicht auf­ge­ge­ben ha­be.


Mit ih­rer von dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on rügt die Be­klag­te ei­ne Ver­let­zung des § 27 Abs. 2 BVFG und hebt her­vor, die En­ke­lin sei nicht „im Aus­sied­lungs­ge­biet“ ver­blie­ben; hier­für rei­che ein fort­be­stehen­der Wohn­sitz nicht aus.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 3/2019 vom 15.01.2019

„Ver­bleib“ im Aus­sied­lungs­ge­biet grund­sätz­lich nur bei durch­gän­gi­gem tat­säch­li­chen Auf­ent­halt

Ein Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ger kann nur dann nach­träg­lich in den Auf­nah­me­be­scheid ei­nes Spät­aus­sied­lers ein­be­zo­gen wer­den, wenn er durch­gän­gig im Aus­sied­lungs­ge­biet „ver­blie­ben“ ist. Da­für muss sich der Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge im Re­gel­fall auch tat­säch­lich deut­lich über­wie­gend im Aus­sied­lungs­ge­biet auf­ge­hal­ten ha­ben. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der 1935 ge­bo­re­ne Klä­ger be­gehrt die Ein­be­zie­hung sei­ner 1984 ge­bo­re­nen En­ke­lin in den ihm 1998 er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid; bei­de stam­men aus der Ukrai­ne. Der Klä­ger reis­te im No­vem­ber 1998 in das Bun­des­ge­biet ein und er­hielt im April 1999 ei­ne Spät­aus­sied­lungs­be­schei­ni­gung. Im April 2014 be­an­trag­te er beim Bun­des­ver­wal­tungs­amt un­ter an­de­rem die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung sei­ner En­ke­lin in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid. Das Bun­des­ver­wal­tungs­amt lehn­te den An­trag mit der Be­grün­dung ab, die Vor­aus­set­zun­gen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei­en nicht er­füllt, weil die En­ke­lin des Klä­gers nicht im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben sei; seit 2008 ha­be sie ih­ren Le­bens­mit­tel­punkt nicht mehr in der Ukrai­ne ge­habt; sie ha­be be­rufs­be­dingt zu­nächst in Shang­hai (Chi­na) und seit Fe­bru­ar 2014 in Sin­ga­pur ge­lebt.


Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te ver­pflich­tet, die En­ke­lin des Klä­gers in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid nach­träg­lich ein­zu­be­zie­hen. Die En­ke­lin des Klä­gers sei ein im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­be­ner Ab­kömm­ling, weil sie ih­ren Wohn­sitz seit der Aus­sied­lung des Klä­gers un­un­ter­bro­chen im Aus­sied­lungs­ge­biet ge­habt ha­be. Sie ha­be ei­nen Wohn­sitz we­der in Chi­na noch in Sin­ga­pur be­grün­det. In Chi­na sei der Auf­ent­halt von vorn­her­ein - ähn­lich dem ei­nes Stu­die­ren­den - auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­schränkt ge­we­sen. Der Auf­ent­halt in Sin­ga­pur sei zwar an­ge­sichts der un­be­fris­te­ten An­stel­lung nicht auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­grenzt, je­doch die­ne Sin­ga­pur ihr er­sicht­lich nur als Stütz­punkt für ih­re mehr als zwölf­mal jähr­lich statt­fin­den­den - bis­wei­len über meh­re­re Wo­chen dau­ern­den - Dienst­rei­sen. Auf­grund der be­son­de­ren Um­stän­de des Ein­zel­fal­les ste­he fest, dass sie in sub­jek­ti­ver Hin­sicht ih­ren Wohn­sitz in der Ukrai­ne nicht auf­ge­ge­ben ha­be.


Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten hat­te Er­folg. Die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung ei­nes Ehe­gat­ten oder ei­nes Ab­kömm­lings in ei­nen Auf­nah­me­be­scheid ist nach § 27 Abs. 2 Satz 3 Auf­en­thG nur mög­lich, wenn die­ser seit der Über­sied­lung des Spät­aus­sied­lers im Aus­sied­lungs­ge­biet „ver­blie­ben“ ist. Hier­für reicht ein durch­gän­gi­ger Wohn­sitz al­lein nicht aus. Der Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge muss sich im Re­gel­fall auch tat­säch­lich deut­lich über­wie­gend im Aus­sied­lungs­ge­biet auf­ge­hal­ten ha­ben. Dies war bei der En­ke­lin des Klä­gers nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht der Fall. Kür­ze­re Be­suchs­auf­ent­hal­te im Aus­sied­lungs­ge­biet be­grün­den ei­nen Aus­nah­me­fall auch dann nicht, wenn der Fort­be­stand ei­nes Wohn­sit­zes dort so­wie fa­mi­liä­rer Bin­dun­gen dort­hin un­ter­stellt wer­den.


BVer­wG 1 C 29.18 - Ur­teil vom 15. Ja­nu­ar 2019

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, 11 A 1373/17 - Ur­teil vom 14. Mai 2018 -

VG Köln, 10 K 5111/16 - Ur­teil vom 25. April 2017 -


Ur­teil vom 15.01.2019 -
BVer­wG 1 C 29.18ECLI:DE:BVer­wG:2019:150119U1C29.18.0

"Ver­bleib" im Aus­sied­lungs­ge­biet im Re­gel­fall nur bei durch­gän­gig (deut­lich) über­wie­gend tat­säch­li­chem Auf­ent­halt

Leit­sät­ze:

1. Die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung ei­nes Ehe­gat­ten oder Ab­kömm­lings in den Auf­nah­me­be­scheid des Spät­aus­sied­lers nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG setzt vor­aus, dass sich der ein­zu­be­zie­hen­de Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge im Re­gel­fall auch tat­säch­lich durch­gän­gig (deut­lich) über­wie­gend im Aus­sied­lungs­ge­biet auf­ge­hal­ten hat; al­lein ein durch­gän­gi­ger - ge­ge­be­nen­falls zwei­ter - Wohn­sitz reicht nicht aus (Fort­füh­rung von BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171).

2. Kür­ze­re Be­suchs­auf­ent­hal­te im Aus­sied­lungs­ge­biet be­grün­den ei­nen Aus­nah­me­fall bei ei­nem voll­jäh­ri­gen Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen auch dann nicht, wenn der Fort­be­stand ei­nes dor­ti­gen Wohn­sit­zes so­wie dor­ti­ger fa­mi­liä­rer Bin­dun­gen un­ter­stellt wer­den.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 1 C 29.18

  • VG Köln - 25.04.2017 - AZ: VG 10 K 5111/16
  • OVG Müns­ter - 14.05.2018 - AZ: OVG 11 A 1373/17

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 1. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 15. Ja­nu­ar 2019
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Prof. Dr. Ber­lit, die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Fri­cke,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Fleuß,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ru­dolph und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Böh­mann
für Recht er­kannt:

  1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 14. Mai 2018 ge­än­dert.
  2. Die Be­ru­fung des Klä­gers ge­gen den Ge­richts­be­scheid des Ver­wal­tungs­ge­richts Köln vom 25. April 2017 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  3. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger be­gehrt die Ein­be­zie­hung sei­ner En­ke­lin in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid.

2 Der 1935 ge­bo­re­ne Klä­ger und sei­ne 1984 ge­bo­re­ne En­ke­lin stam­men aus der Ukrai­ne. Der Klä­ger reis­te im No­vem­ber 1998 auf der Grund­la­ge ei­nes ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­schei­des nach dem Bun­des­ver­trie­be­nen­ge­setz (BVFG) nach Deutsch­land ein und be­an­trag­te im No­vem­ber 1998 die Aus­stel­lung ei­ner Spät­aus­sied­ler­be­schei­ni­gung. Die­se wur­de ihm im April 1999 er­teilt.

3 Im April 2014 be­an­trag­te der Klä­ger beim Bun­des­ver­wal­tungs­amt die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung un­ter an­de­rem sei­ner En­ke­lin in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid. Das Bun­des­ver­wal­tungs­amt lehn­te den An­trag mit der Be­grün­dung ab, die Vor­aus­set­zun­gen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei­en nicht er­füllt, weil die En­ke­lin des Klä­gers nicht im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben sei. Seit 2008 ha­be sie ih­ren Le­bens­mit­tel­punkt nicht mehr in der Ukrai­ne. Von 2008 bis 2014 ha­be sie in Shang­hai (Chi­na) ge­lebt und seit Fe­bru­ar 2014 le­be sie in Sin­ga­pur.

4 Die nach er­folg­lo­sem Wi­der­spruchs­ver­fah­ren er­ho­be­ne Kla­ge des Klä­gers wies das Ver­wal­tungs­ge­richt ab. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat mit Ur­teil vom 14. Mai 2018 die Be­klag­te un­ter Än­de­rung des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts­be­schei­des und Auf­he­bung der ent­ge­gen­ste­hen­den Be­schei­de ver­pflich­tet, die En­ke­lin des Klä­gers in den ihm er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid nach­träg­lich ein­zu­be­zie­hen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung lä­gen vor. Die En­ke­lin des Klä­gers sei ein im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­be­ner Ab­kömm­ling, weil sie ih­ren Wohn­sitz seit der Aus­sied­lung des Klä­gers un­un­ter­bro­chen im Aus­sied­lungs­ge­biet ge­habt ha­be. Sie ha­be ei­nen Wohn­sitz we­der in Chi­na noch in Sin­ga­pur be­grün­det. In Chi­na sei der Auf­ent­halt von vorn­her­ein - wie bei ei­nem Stu­di­um - auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­schränkt ge­we­sen. Der Auf­ent­halt in Sin­ga­pur sei zwar an­ge­sichts der un­be­fris­te­ten An­stel­lung nicht auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­schränkt ge­we­sen; je­doch ha­be Sin­ga­pur der En­ke­lin des Klä­gers er­sicht­lich nur als Stütz­punkt für ih­re mehr als zwölf­mal jähr­lich statt­fin­den­den - bis­wei­len über meh­re­re Wo­chen dau­ern­den - Dienst­rei­sen ge­dient, was ge­gen ei­ne Nie­der­las­sung spre­che. Die En­ke­lin des Klä­gers ha­be zu­dem we­der in Chi­na noch in Sin­ga­pur den Wil­len zur dor­ti­gen Nie­der­las­sung ge­habt. Viel­mehr ha­be sie ih­ren Wohn­sitz in der Ukrai­ne nie auf­ge­ge­ben. Sie sei seit ih­rem 17. Le­bens­jahr an un­ver­än­der­ter Adres­se in Kiew ge­mel­det. Dort ver­fü­ge sie wei­ter­hin über ei­ne fa­mi­liä­re An­bin­dung. Auf­grund der be­son­de­ren Um­stän­de des Ein­zel­fal­les ste­he fest, dass sie in sub­jek­ti­ver Hin­sicht ih­ren Wohn­sitz in der Ukrai­ne nicht auf­ge­ge­ben ha­be. Die sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung sei­en ge­ge­ben.

5 Mit ih­rer Re­vi­si­on rügt die Be­klag­te ei­ne Ver­let­zung des § 27 Abs. 2 BVFG und macht ins­be­son­de­re gel­tend, ein An­spruch des Klä­gers auf Ein­be­zie­hung sei­ner En­ke­lin in sei­nen Auf­nah­me­be­scheid kom­me be­reits des­halb nicht in Be­tracht, weil die­se nicht im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben sei. Die­ses Tat­be­stands­merk­mal sei nicht gleich­be­deu­tend mit ei­nem "Wohn­sitz" im Sin­ne des § 7 BGB aus­zu­le­gen. § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG be­zwe­cke die Be­sei­ti­gung von Fa­mi­li­en­tren­nun­gen, die durch die Aus­sied­lung des Spät­aus­sied­lers - und nicht aus sons­ti­gen, be­lie­bi­gen Grün­den - ein­ge­tre­ten sei­en. Ein Ver­bleib im Aus­sied­lungs­ge­biet for­de­re ei­nen kon­ti­nu­ier­li­chen, un­un­ter­bro­che­nen Auf­ent­halt. Wer wei­te­re Wohn­sit­ze au­ßer­halb des Aus­sied­lungs­ge­biets be­grün­de, sei nicht im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben, weil kei­ne aus­sied­lungs­be­ding­te Fa­mi­li­en­tren­nung vor­lie­ge.

6 Der Klä­ger ver­tei­digt das Be­ru­fungs­ur­teil.

7 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses be­tei­ligt sich am Ver­fah­ren und schlie­ßt sich im We­sent­li­chen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten an.

II

8 Die zu­läs­si­ge Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­grün­det. Die Rechts­auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts, die En­ke­lin des Klä­gers sei im Sin­ne von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG "im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben", ist mit Bun­des­recht un­ver­ein­bar (§ 137 Abs. 1 Vw­GO) (1.). Da sich die Ent­schei­dung auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), ist das an­ge­foch­te­ne Ur­teil zu än­dern und die Be­ru­fung zu­rück­zu­wei­sen (2.).

9 Ma­ß­geb­lich für die recht­li­che Be­ur­tei­lung des von dem Klä­ger mit der Ver­pflich­tungs­kla­ge ver­folg­ten An­spruchs auf nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung sei­ner En­ke­lin in den ihm 1998 er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid ist § 27 des Ge­set­zes über die An­ge­le­gen­hei­ten der Ver­trie­be­nen und Flücht­lin­ge (Bun­des­ver­trie­be­nen­ge­setz - BVFG) in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 10. Au­gust 2007 (BGBl. I S. 1902), zu­letzt ge­än­dert durch Ge­setz vom 6. Sep­tem­ber 2013 (BGBl. I S. 3554). Die nach­fol­gen­den Än­de­run­gen des Bun­des­ver­trie­be­nen­ge­set­zes (zu­letzt durch das Ge­setz zur Be­rei­ni­gung des Rechts der Le­bens­part­ner vom 20. No­vem­ber 2015 <BGBl. I S. 2010>) ha­ben die­se Re­ge­lung un­ver­än­dert ge­las­sen. Für die Sach­la­ge ist aus Grün­den des ma­te­ri­el­len Rechts eben­falls auf den Zeit­punkt der letz­ten Tat­sa­chen­ent­schei­dung ab­zu­stel­len, hier al­so den des Be­ru­fungs­ur­teils (Mai 2018) (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 17.15 - BVer­w­GE 156, 164 Rn. 10). § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG stellt für die Fort­dau­er des Ver­bleibs im Aus­sied­lungs­ge­biet er­kenn­bar auf den Zeit­punkt der (po­si­ti­ven) Ein­be­zie­hungs­ent­schei­dung ab und lässt - ent­ge­gen der vom Klä­ger in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­ge­tra­ge­nen Rechts­auf­fas­sung - kei­nen Raum für ei­ne Vor­ver­la­ge­rung des ma­ß­geb­li­chen Zeit­punk­tes auf je­nen der An­trag­stel­lung oder ei­nen Zeit­punkt, zu dem ein Ein­be­zie­hungs­an­trag po­si­tiv hät­te be­schie­den wer­den kön­nen oder müs­sen.

10 1. Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kann ab­wei­chend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­be­ne Ehe­gat­te oder Ab­kömm­ling ei­nes Spät­aus­sied­lers, der sei­nen stän­di­gen Auf­ent­halt im Gel­tungs­be­reich des Ge­set­zes hat, nach­träg­lich nach Satz 1 in den Auf­nah­me­be­scheid des Spät­aus­sied­lers ein­be­zo­gen wer­den, wenn die sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen. Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen die­ser Rechts­grund­la­ge sind hier nicht er­füllt. Die En­ke­lin des Klä­gers ist kein "im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­be­ner" Ab­kömm­ling des Klä­gers, weil sie sich seit 2008 - je­den­falls aber seit 2014 - nicht über­wie­gend im Aus­sied­lungs­ge­biet auf­hält.

11 1.1 Ein Ver­blei­ben im Aus­sied­lungs­ge­biet er­for­dert ein - seit der Aus­rei­se der Be­zugs­per­son - un­un­ter­bro­che­nes, d.h. kon­ti­nu­ier­li­ches Ver­blei­ben; dies setzt zu­min­dest vor­aus, dass der ein­zu­be­zie­hen­de Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge ei­nes Spät­aus­sied­lers auch sei­nen Wohn­sitz seit der Aus­sied­lung des Spät­aus­sied­lers un­un­ter­bro­chen im Aus­sied­lungs­ge­biet ge­habt ha­ben muss (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171 Rn. 11 ff., - 1 C 20.15 - ju­ris Rn. 18 ff. und - 1 C 21.15 - ju­ris Rn. 15 f.). Für die An­wen­dung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG reicht al­lein ein durch­gän­gi­ger - ge­ge­be­nen­falls zwei­ter - Wohn­sitz al­ler­dings nicht aus. Der ein­zu­be­zie­hen­de Ehe­gat­te oder Ab­kömm­ling des Spät­aus­sied­lers muss sich im Re­gel­fall viel­mehr auch tat­säch­lich durch­gän­gig (deut­lich) über­wie­gend im Aus­sied­lungs­ge­biet auf­ge­hal­ten ha­ben.

12 a) § 27 Abs. 2 Satz 1 und 3 BVFG stel­len für die Ein­be­zie­hung dar­auf ab, ob der Ehe­gat­te oder Ab­kömm­ling des Aus­sied­lers im Aus­sied­lungs­ge­biet lebt bzw. dort ver­blie­ben ist. Dies ist bei Per­so­nen mit nur ei­nem Wohn­sitz und oh­ne län­ge­re Aus­lands­auf­ent­hal­te re­gel­mä­ßig der Fall, wenn dort der Wohn­sitz (fort)be­steht. Ent­schei­dend ist aber be­reits nach dem in­so­weit kla­ren Wort­laut der durch­gän­gig auch tat­säch­li­che Auf­ent­halt bzw. Ver­bleib im Aus­sied­lungs­ge­biet.

13 Der Be­griff des "Ver­blei­bens" lässt sich am ehes­ten als an ei­nem Ort zu­rück­blei­ben und dort aus­har­ren ver­ste­hen (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171 Rn. 12). Dies setzt sprach­lich ne­ben ei­nem kon­ti­nu­ier­li­chen auch ei­nen tat­säch­li­chen (deut­lich über­wie­gen­den) Auf­ent­halt im Aus­sied­lungs­ge­biet vor­aus. Dem ge­nügt nicht ein nur ge­le­gent­li­cher, zeit­lich be­grenz­ter Auf­ent­halt in den Aus­sied­lungs­ge­bie­ten, et­wa zu Be­suchs­zwe­cken oder zur Pfle­ge fa­mi­liä­rer Be­zie­hun­gen.

14 Mit die­sem gram­ma­ti­schen Ver­ständ­nis nicht ver­ein­bar ist, dass das Be­ru­fungs­ge­richt tra­gend auf den Fort­be­stand al­lein ei­nes Wohn­sit­zes ab­ge­stellt und auf der Grund­la­ge des Wohn­sitz­be­griffs des § 7 BGB, dem der Be­griff "Wohn­sitz" im Sin­ne des Bun­des­ver­trie­be­nen­ge­set­zes ent­spricht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Mai 1957 - 5 C 407.56 - BVer­w­GE 5, 110 <112>, vom 29. Au­gust 1967 - 3 C 158.64 - Buch­holz 427.3 § 11 LAG Nr. 39 S. 108 und vom 27. Ju­ni 1989 - 9 C 6.89 - BVer­w­GE 82, 177 <179>; Be­schluss vom 19. Ju­ni 2013 - 5 B 87.12 - ju­ris Rn. 4), des­sen Fort­be­stand be­jaht hat. Das in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ge­for­der­te Ver­blei­ben in den Aus­sied­lungs­ge­bie­ten ist ge­ra­de nicht gleich­be­deu­tend mit ei­nem fort­dau­ern­den Wohn­sitz.

15 b) Ein sys­te­ma­ti­scher Ver­gleich von § 27 Abs. 2 BVFG mit § 27 Abs. 1 BVFG be­stä­tigt, dass der Be­griff des Ver­blei­bens in § 27 Abs. 2 BVFG nicht mit dem u.a. in § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG ge­for­der­ten "Wohn­sitz" in den Aus­sied­lungs­ge­bie­ten gleich­be­deu­tend ist. Durch die Ver­wen­dung un­ter­schied­li­cher Be­grif­fe hat der Ge­setz­ge­ber un­ter­stri­chen, dass für die An­wen­dung des § 27 Abs. 2 BVFG ge­ra­de nicht auf den Wohn­sitz, son­dern auf den tat­säch­li­chen Auf­ent­halt ab­zu­stel­len ist.

16 Die Rich­tig­keit ei­ner vom Wohn­sitz­be­griff ab­wei­chen­den Aus­le­gung des Be­griffs des "Ver­blei­bens", die ma­ß­geb­lich auf den tat­säch­li­chen Auf­ent­halt ab­stellt, be­legt auch der sys­te­ma­ti­sche Ver­gleich mit § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Nach die­ser Vor­schrift kann der "im Aus­sied­lungs­ge­biet le­ben­de Ehe­gat­te" oder der "im Aus­sied­lungs­ge­biet le­ben­de Ab­kömm­ling" in den Auf­nah­me­be­scheid ein­be­zo­gen wer­den. In ei­nem Ge­biet "le­ben" be­deu­tet weit mehr als nur ge­le­gent­li­che Auf­ent­hal­te, et­wa im Rah­men von Be­su­chen (s.a. Her­zog/West­phal, Bun­des­ver­trie­be­nen­ge­setz, 2. Aufl. 2014, § 27 BVFG Rn. 14). Er­for­der­lich ist re­gel­mä­ßig ei­ne durch deut­lich über­wie­gen­de Orts­an­we­sen­heit nach au­ßen do­ku­men­tier­te und in die­sem Sin­ne "ge­leb­te" Ver­bin­dung mit dem Aus­sied­lungs­ge­biet, die je­den­falls ei­nem (durch­gän­gi­gen) ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt ent­spricht. Nach dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang und der iden­ti­schen Ziel­rich­tung bei­der Nor­men ist "Ver­bleib" im Aus­sied­lungs­ge­biet die Fort­set­zung des "Le­bens" dort (nur eben oh­ne den be­reits über­ge­sie­del­ten Spät­aus­sied­ler); das Ver­blei­bens­er­for­der­nis, das zu­dem die Über­sied­lung als Tren­nungs­grund be­tont, än­dert aber nichts an der er­for­der­li­chen In­ten­si­tät der Bin­dun­gen an das Aus­sied­lungs­ge­biet und un­ter­streicht, dass ne­ben der ge­mein­sa­men Aus­sied­lung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) auch die nach­träg­li­che Aus­sied­lung zur Be­zugs­per­son mög­lich sein soll. Die­se - seit dem 10. BVFG-Än­de­rungs­ge­setz von ei­ner Här­te un­ab­hän­gi­ge - Er­wei­te­rung der Ein­be­zie­hungs­mög­lich­keit in zeit­li­cher Hin­sicht senkt aber nicht im Ver­hält­nis zu § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG die sach­li­chen An­for­de­run­gen an das "Le­ben" im Aus­sied­lungs­ge­biet als Ein­be­zie­hungs­vor­aus­set­zung ab. Das er­klär­te Ziel des Ge­setz­ge­bers, dem Ehe­gat­ten oder Ab­kömm­ling "für die Zu­kunft kei­ne Nach­tei­le" (BT-Drs. 17/13937 S. 7) auf­zu­bür­den, be­zweck­te er­sicht­lich kei­ne Bes­ser­stel­lung ge­gen­über der Ein­be­zie­hung zum Zweck der ge­mein­sa­men Aus­rei­se.

17 c) So­weit die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Re­ge­lung über die (nach­träg­li­che) Ein­be­zie­hung von Ehe­gat­ten und Ab­kömm­lin­gen Rück­schlüs­se zu­lässt, weist auch sie dar­auf, dass für die Ein­be­zie­hung re­gel­mä­ßig ne­ben dem durch­gän­gi­gen auch ein deut­lich über­wie­gen­der tat­säch­li­cher Auf­ent­halt er­for­der­lich ist.

18 (a) Der Ge­setz­ge­ber hat den Be­griff des "Ver­blei­bens" vor­aus­ge­setzt, oh­ne ihn le­gal zu de­fi­nie­ren oder sei­ne Be­deu­tung in den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en aus­drück­lich nä­her zu be­stim­men. Nach dem Ver­wen­dungs­zu­sam­men­hang ist er zu be­zie­hen auf den Zweck, Fa­mi­li­en­tren­nun­gen zu be­sei­ti­gen, die durch die Aus­sied­lung des Spät­aus­sied­lers - und nicht aus sons­ti­gen, be­lie­bi­gen Grün­den - ein­ge­tre­ten sind (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171 Rn. 20). Be­reits die im gel­ten­den Recht nun­mehr in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ziel­te auf die Si­che­rung der Fa­mi­li­en­ein­heit auch im Fal­le der Aus­sied­lung - durch ge­mein­sa­me Aus­sied­lung -, um so mög­li­chen Här­ten durch die Aus­sied­lung zu be­geg­nen. Mit der Ein­fü­gung des heu­ti­gen § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG woll­te der Ge­setz­ge­ber den­je­ni­gen, de­nen ei­ne ge­mein­sa­me Aus­rei­se nicht mög­lich war, "für die Zu­kunft kei­ne Nach­tei­le mehr" (BT-Drs. 17/13937 S. 7) auf­bür­den. Dem Ge­setz­ge­ber, der auch sonst der fa­mi­liä­ren An­bin­dung be­son­de­res Ge­wicht bei­misst (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BVFG), ging es auch hier­bei al­lein um die Be­sei­ti­gung aus­sied­lungs­be­ding­ter Fa­mi­li­en­tren­nun­gen. Für die Schaf­fung ei­nes um­fas­sen­den ver­trie­be­nen­recht­li­chen Fa­mi­li­en­nach­zugs­re­gimes ne­ben den auf­ent­halts­recht­li­chen Be­stim­mun­gen zum Fa­mi­li­en­nach­zug zu Deut­schen (§ 28 Auf­en­thG) fehlt je­der An­halt. Ist das ge­mein­sa­me Fa­mi­li­en­le­ben (auch oder vor­ran­gig) aus an­de­ren, von der Aus­sied­lung un­ab­hän­gi­gen Grün­den (nach­träg­lich) tat­säch­lich ent­fal­len, so ent­fällt auch un­ge­ach­tet fort­be­stehen­der fa­mi­li­en­recht­li­cher Bin­dun­gen der recht­fer­ti­gen­de Grund für ei­ne Ein­be­zie­hung des Ehe­gat­ten oder der Ab­kömm­lin­ge. Dies be­stä­tigt, dass - selbst bei un­ter­stellt recht­lich fort­be­stehen­dem Wohn­sitz - ei­ne nach­träg­li­che Auf­nah­me in den Auf­nah­me­be­scheid in al­ler Re­gel aus­zu­schei­den hat, wenn ein Ab­kömm­ling nicht mehr im Aus­sied­lungs­ge­biet "lebt", sich al­so nicht (deut­lich über­wie­gend) dort, son­dern - aus wel­chen Grün­den auch im­mer - tat­säch­lich au­ßer­halb die­ser Ge­bie­te auf­hält. Da­bei kann für den vor­lie­gen­den Fall of­fen blei­ben, in wel­chem Um­fan­ge kurz­fris­ti­ge Auf­ent­hal­te au­ßer­halb des Auf­nah­me­ge­biets, et­wa zu Be­suchs- oder Ur­laubs­zwe­cken bzw. für Sai­son- oder Mon­ta­ge­ar­bei­ten, für ei­nen Ver­bleib un­er­heb­lich sind. Je­den­falls be­darf es nicht ei­nes Wil­lens, auch ei­nen et­wa fort­be­stehen­den (wei­te­ren) Wohn­sitz auf­zu­ge­ben.

19 (b) Die­se Zweck­set­zung be­stä­tigt auch die Ent­wick­lung der Re­ge­lun­gen zur Ein­be­zie­hung von Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen.

20 Die mit dem Kriegs­fol­gen­be­rei­ni­gungs­ge­setz vom 21. De­zem­ber 1992 (BGBl. I S. 2094) erst­mals ein­ge­führ­te Mög­lich­keit, Ehe­gat­ten und Ab­kömm­lin­ge in den Auf­nah­me­be­scheid ei­nes Spät­aus­sied­lers ein­be­zie­hen zu las­sen, war zu­nächst auf die Fäl­le ei­ner be­ab­sich­tig­ten ge­mein­sa­men Aus­rei­se be­schränkt. Die­ser Grund­fall ist heu­te - in­halt­lich un­ver­än­dert - in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ge­re­gelt. Sinn und Zweck die­ser Ein­be­zie­hung von Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen ist es, dem Spät­aus­sied­ler die Ent­schei­dung zur Aus­sied­lung zu er­leich­tern, in­dem er nicht vor die Wahl ge­stellt wird, ent­we­der aus­zu­sie­deln und da­mit die Auf­recht­erhal­tung sei­ner Fa­mi­lie zu ge­fähr­den oder auf die Aus­sied­lung zu ver­zich­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171 Rn. 17). Auch wenn dies nicht auf die Kern­fa­mi­lie und min­der­jäh­ri­ge Ab­kömm­lin­ge be­schränkt war und auch nicht ei­ne Le­bens- oder Haus­halts­ge­mein­schaft vor­aus­setz­te, war Ziel nicht die Be­rück­sich­ti­gung rein fa­mi­li­en­recht­li­cher Be­zie­hun­gen.

21 Die Mög­lich­keit ei­ner nach­träg­li­chen Ein­be­zie­hung von Ehe­gat­ten und Ab­kömm­lin­gen in den Auf­nah­me­be­scheid ei­nes Spät­aus­sied­lers, des­sen Aus­sied­lung be­reits voll­stän­dig ab­ge­schlos­sen ist, wur­de erst­mals mit dem 9. BVFG-Än­de­rungs­ge­setz vom 4. De­zem­ber 2011 (BGBl. I S. 2426) ge­schaf­fen (§ 27 Abs. 3 i.d.F. des 9. BVFG-ÄndG). Sie war vom Vor­lie­gen ei­ner Här­te ab­hän­gig und soll­te der Ver­mei­dung von Här­te­fäl­len die­nen, die durch dau­er­haf­te Fa­mi­li­en­tren­nun­gen ent­ste­hen (BT-Drs. 17/5515 S. 1, 6 f.). Am Er­for­der­nis, das Ein­be­zie­hungs­ver­fah­ren im Aus­sied­lungs­ge­biet ab­zu­war­ten, wie dies auch bei der Ein­be­zie­hung zum Zwe­cke der ge­mein­sa­men Aus­rei­se der Fall ist, soll­te nichts ge­än­dert wer­den (BT-Drs. 17/5515 S. 7). Ein dies in Fra­ge stel­len­der Än­de­rungs­an­trag der Frak­ti­on BÜND­NIS 90/DIE GRÜ­NEN im In­nen­aus­schuss (Aus­schuss­druck­sa­che 17(4)339 S. 2 f.; vgl. auch MdB Vol­ker Beck, BT-Ple­nar­pro­to­koll 17/130 S. 15368) fand ge­ra­de kei­ne Mehr­heit.

22 Mit dem 10. BVFG-Än­de­rungs­ge­setz vom 6. Sep­tem­ber 2013 (BGBl. I S. 3554) ver­zich­te­te der Ge­setz­ge­ber schlie­ß­lich auf Emp­feh­lung des In­nen­aus­schus­ses auf das Här­teer­for­der­nis und er­hielt die Re­ge­lung - nun­mehr als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG - ih­re heu­ti­ge Fas­sung. An der bis­her für das Auf­nah­me­ver­fah­ren ma­ß­geb­li­chen Re­ge­lungs­idee, wo­nach die Aus­sied­lung grund­sätz­lich ge­mein­sam zu er­fol­gen hat­te, soll­te nicht wei­ter fest­ge­hal­ten wer­den. Zur Be­grün­dung wur­de aus­ge­führt, die Pra­xis ha­be ge­zeigt, dass die durch die Aus­sied­lung ver­ur­sach­ten Tren­nun­gen der Fa­mi­li­en der Spät­aus­sied­ler nicht aus­rei­chend zu be­sei­ti­gen sei­en. Selbst die Här­te­fall­re­ge­lung des 9. BVFG-Än­de­rungs­ge­set­zes ha­be nicht die Hoff­nun­gen er­füllt, die die Po­li­tik und die Ver­bän­de in sie ge­setzt hät­ten. Ei­ne prak­ti­ka­ble Re­ge­lung, die es er­mög­li­che, die Ein­heit von Spät­aus­sied­ler­fa­mi­li­en in mög­lichst vie­len Fäl­len wie­der­her­zu­stel­len, müs­se da­her die grund­sätz­lich je­der­zei­ti­ge Ein­be­zie­hung von Ehe­gat­ten und Ab­kömm­lin­gen er­lau­ben (BT-Drs. 17/13937 S. 6 f.). Die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung wur­de so zu ei­ner wei­te­ren Op­ti­on, die ne­ben die Mög­lich­keit der Ein­be­zie­hung zum Zwe­cke der ge­mein­sa­men Aus­sied­lung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tre­ten soll­te (BT-Drs. 17/13937 S. 7). Die nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung war aber wei­ter­hin be­zo­gen und be­schränkt auf "de[n] im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­be­ne[n] Ehe­gat­te[n] oder Ab­kömm­ling ei­nes Spät­aus­sied­lers"; dies im­pli­ziert, dass der An­ge­hö­ri­ge bei der Aus­sied­lung der Be­zugs­per­son zu­sam­men mit die­ser im Aus­sied­lungs­ge­biet auf­häl­tig war und es durch die­se Aus­sied­lung zu ei­ner Tren­nung der Fa­mi­lie ge­kom­men ist, es dem Ge­setz­ge­ber mit­hin um die Be­sei­ti­gung von Fa­mi­li­en­tren­nun­gen ging, die durch die Aus­sied­lung des Spät­aus­sied­lers - und nicht aus sons­ti­gen, be­lie­bi­gen Grün­den - ein­ge­tre­ten sind (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171 Rn. 20).

23 (c) Nur ei­ne Aus­le­gung, die auf den tat­säch­lich (deut­lich über­wie­gen­den) durch­gän­gi­gen Auf­ent­halt im Aus­sied­lungs­ge­biet ab­stellt, ent­spricht auch dem Sinn und Zweck der durch das 10. BVFG-Än­de­rungs­ge­setz neu­ge­fass­ten Re­ge­lung des An­spruchs auf nach­träg­li­che Ein­be­zie­hung von Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen. Be­ab­sich­tigt war die - mög­lichst um­fang­rei­che - Be­sei­ti­gung von heu­te noch fort­dau­ern­den aus­sied­lungs­be­ding­ten Fa­mi­li­en­tren­nun­gen im Rah­men der wei­te­ren ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Sep­tem­ber 2016 - 1 C 19.15 - BVer­w­GE 156, 171 Rn. 24). Da­mit un­ver­ein­bar ist ei­ne Er­stre­ckung auch auf Fäl­le, in de­nen die Fa­mi­li­en­tren­nung nicht nur in der Aus­sied­lung der Be­zugs­per­son ih­re Grund­la­ge fin­det, son­dern im Weg­zug des Ehe­gat­ten oder An­ge­hö­ri­gen. Das Ver­trie­be­nen­recht mit sei­nen weit­rei­chen­den, auch staats­an­ge­hö­rig­keits­recht­li­chen Rechts­fol­gen (s. § 15 Abs. 2 i.V.m. § 7 BVFG) er­fasst er­kenn­bar nur den di­rek­ten Zu­zug aus den Aus­sied­lungs­ge­bie­ten. Wei­te­re Fäl­le des Nach­zu­ges zu Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen sind nach all­ge­mei­nem Auf­ent­halts­recht (§ 27 Auf­en­thG) zu be­ur­tei­len.

24 1.2 Nach die­sen Maß­stä­ben hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Be­klag­te zu Un­recht ver­pflich­tet, die En­ke­lin des Klä­gers nach­träg­lich in den ihm 1998 er­teil­ten Auf­nah­me­be­scheid ein­zu­be­zie­hen. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist für sei­ne Be­wer­tung, ob die En­ke­lin des Klä­gers im Aus­sied­lungs­ge­biet "ver­blie­ben" ist, von ei­nem bun­des­recht­lich un­zu­tref­fen­den An­satz­punkt aus­ge­gan­gen. Sei­ne Er­wä­gun­gen zum Fort­be­stand ei­nes Wohn­sit­zes in der Ukrai­ne tra­gen je­den­falls nicht die Be­wer­tung, die En­ke­lin des Klä­gers sei im Sin­ne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG "im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben". Es fehlt da­mit an dem er­for­der­li­chen (deut­lich) über­wie­gen­den Auf­ent­halt im Aus­sied­lungs­ge­biet.

25 1.3 Bei die­ser Sach­la­ge ist nicht zu ver­tie­fen, ob die - al­ler­dings nicht mit durch­grei­fen­den Ver­fah­rens­rü­gen an­ge­grif­fe­nen - tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ge­eig­net wa­ren, die be­ru­fungs­ge­richt­li­che Be­wer­tung zu tra­gen, die En­ke­lin des Klä­gers ha­be wei­ter­hin im Sin­ne des § 7 BGB über ei­nen Wohn­sitz in der Ukrai­ne ver­fügt, oder ob die­se Be­wer­tung auf ei­ner zu schma­len Tat­sa­chen­grund­la­ge ge­trof­fen wor­den ist. Nicht zu ver­tie­fen ist auch, ob an der bis­he­ri­gen ver­trie­be­nen­recht­li­chen Recht­spre­chung zum Wohn­sitz­be­griff für Fall­kon­stel­la­tio­nen ei­nes nach­hal­ti­gen Aus­ein­an­der­fal­lens von tat­säch­li­chem Auf­ent­halt und fort­be­stehen­dem Do­mi­zil­wil­len für ei­nen Wohn­sitz an ei­nem an­de­ren Ort un­ein­ge­schränkt fest­zu­hal­ten oder die­se für grenz­über­schrei­ten­de Sach­ver­hal­te, wel­che die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung nicht sys­te­ma­tisch im Blick hat­te, fort­zu­ent­wi­ckeln ist.

26 2. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 144 Abs. 4 Vw­GO).

27 Nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen leb­te und ar­bei­te­te die En­ke­lin des Klä­gers zwi­schen 2008 und 2014 in Chi­na und seit 2014 in Sin­ga­pur. In der Ukrai­ne hält sie sich nur we­ni­ge Ta­ge im Jahr auf. Die­se bin­den­den (§ 137 Abs. 2 Vw­GO) Fest­stel­lun­gen tra­gen viel­mehr die re­vi­si­ons­ge­richt­li­che Be­wer­tung, dass die En­ke­lin des Klä­gers ge­ra­de nicht "im Aus­sied­lungs­ge­biet ver­blie­ben" ist, weil sie sich (weit über­wie­gend) au­ßer­halb der Aus­sied­lungs­ge­bie­te auf­ge­hal­ten hat. Die Fest­stel­lung, die En­ke­lin des Klä­gers hal­te sich "nur we­ni­ge Ta­ge ei­nes je­den Jah­res in der Ukrai­ne auf", ist zwar hin­sicht­lich der ge­nau­en Dau­er nicht spe­zi­fi­ziert; sie schlie­ßt aber ei­nen (weit über­wie­gen­den) fort­be­stehen­den Auf­ent­halt ein­deu­tig aus. Für ei­nen mög­li­chen Aus­nah­me­fall ge­ben die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts eben­falls nichts her. Die vom Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stell­ten kür­ze­ren Be­suchs­auf­ent­hal­te im Aus­sied­lungs­ge­biet be­grün­den ei­nen Aus­nah­me­fall bei dem voll­jäh­ri­gen En­kel­kind auch dann nicht, wenn der Fort­be­stand ei­nes dor­ti­gen Wohn­sit­zes so­wie dor­ti­ger fa­mi­liä­rer Bin­dun­gen un­ter­stellt wer­den.

28 § 27 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG schei­det als Rechts­grund­la­ge für ei­ne Ein­be­zie­hung eben­falls aus, nach­dem der Klä­ger be­reits im No­vem­ber 1998 aus­ge­sie­delt und sei­ne Aus­sied­lung be­reits bei An­trag­stel­lung voll­stän­dig ab­ge­schlos­sen war. Wei­te­re An­spruchs­grund­la­gen für die be­gehr­te Ein­be­zie­hung be­stehen nicht.

29 3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 1 Vw­GO.