Beschluss vom 23.05.2024 -
BVerwG 6 B 67.23ECLI:DE:BVerwG:2024:230524B6B67.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.05.2024 - 6 B 67.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:230524B6B67.23.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 67.23

  • VG Sigmaringen - 13.07.2020 - AZ: 4 K 5248/19
  • VGH Mannheim - 06.04.2023 - AZ: 9 S 15/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Mai 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. April 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern der minderjährigen Kläger zu 3 - 5. Sie wehren sich gegen die Aufforderung des Beklagten, ihre Kinder an einer Schule anzumelden und für einen regelmäßigen Schulbesuch zu sorgen. Gemeinsam mit den Klägern zu 3 - 5 begehren sie zudem deren Befreiung von der Schulpflicht.

2 Die Familie lebte bis August 2017 im Ausland. Im Anschluss an ihre Rückkehr nach Deutschland besuchten die Kläger zu 3 - 5 zunächst eine Freie Waldorfschule. Seit August 2018 werden sie zuhause u. a. durch die Kläger zu 1 und 2 unterrichtet; sie besuchen weder eine öffentliche Schule noch eine genehmigte private Ersatzschule.

3 Nach umfangreicher Vorkorrespondenz forderte das Regierungspräsidium Tübingen die Kläger zu 1 und 2 mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 auf, die Kläger zu 3 - 5 bis zum 15. November 2019 an einer öffentlichen Schule oder in einer genehmigten oder anerkannten Privatschule anzumelden und dafür Sorge zu tragen, dass sie ab diesem Tag am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen. Darüber hinaus wurde ein Zwangsgeld angedroht und der Sofortvollzug angeordnet.

4 Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Entscheidung (VBlBW 2024, 146) darauf gestützt, dass § 85 Abs. 1 Satz 1 des Landesschulgesetzes (SchG) nicht nur die abstrakte Rechtspflicht der Erziehungsberechtigten zur Schulanmeldung und zum regelkonformen Unterrichtsbesuch enthalte, sondern die zuständige Behörde auch dazu ermächtige, diese Pflicht im Einzelfall durch Verwaltungsakt zu konkretisieren. Dem Wortlaut der Vorschrift sei nicht zu entnehmen, dass der Verwaltung ein Entschließungsermessen eingeräumt sei. Selbst wenn man aber hiervon ausginge, handele es sich aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung und des Gewichts der Schulpflicht sowie ihrer Erfüllung durch den Besuch einer gesetzlich vorgesehenen Schule unter Berücksichtigung des Rechts der Kinder und Jugendlichen auf schulische Bildung jedenfalls bei Verstößen gegen die Erfüllung der Schulpflicht um ein sogenanntes intendiertes Ermessen. Danach entspreche es dem Zweck der Vorschrift, dass die Ermessensausübung im Regelfall hin zur Konkretisierung der Verantwortlichkeit der Erziehungsberechtigten für die Erfüllung der Schulpflicht vorgezeichnet sei, wenn kein atypischer Fall vorliege.

5 Zur Erfüllung der in § 72 Abs. 1 Satz 1 SchG geregelten Schulpflicht bestimme § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG, dass alle Kinder und Jugendlichen zum Besuch der in § 72 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchG bezeichneten Schulen (Grundschule und einer auf ihr aufbauenden Schule) verpflichtet seien, soweit nicht für ihre Erziehung und Unterrichtung in anderer Weise ausreichend gesorgt sei (Schulbesuchspflicht). An seiner früheren Rechtsprechung, nach der der Landesgesetzgeber den letzten Halbsatz der Vorschrift durch die Rechtsänderungen im Jahr 1964 seines ursprünglichen Sinnes entkleidet habe, halte das Berufungsgericht nicht länger fest. Vielmehr könne § 76 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SchG entnommen werden, dass der Behörde die Gestattung einer Ausnahme vom Besuch einer weiterführenden Schule im Wege einer Einzelfallentscheidung zugunsten des häuslichen Unterrichts (Heimunterrichts) möglich sein sollte.

6 Da die Kläger zu 3 - 5 gegenwärtig weder eine öffentliche Schule noch eine private Ersatzschule besuchten, liege ein Verstoß gegen die Schulbesuchspflicht vor. Mit der Unterrichtung durch die Eltern und Dritte zur Ermöglichung einer internationalen bilingualen Bildung sei im Hinblick auf § 85 SchG ein vom Regelfall abweichender atypischer Sachverhalt weder dargetan noch ersichtlich.

7 Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Gestattung einer Ausnahme von der Schulbesuchspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG. Die Gestattung von Ausnahmen sei im Lichte der Bedeutung und Tragweite der landesverfassungsrechtlich vorgegebenen allgemeinen Schulpflicht, namentlich der mit ihr bezweckten Bildungs- und Integrationsfunktion, restriktiv zu handhaben. Gründe, die dem Besuch einer Schule entgegenstünden, müssten von besonderen Umständen des Einzelfalls geprägt und von solch außerordentlichem Gewicht sein, dass sie ein Zurücktreten der Schulpflicht trotz deren herausragender Bedeutung für den Einzelnen und das Gemeinwesen erlaubten. Das sei im Hinblick auf das von den Klägern verfolgte Ziel, den Kindern sowohl den Inhalten und den Unterrichtssprachen nach als auch in Bezug auf den angestrebten Abschluss eine internationale Bildung zu ermöglichen, nicht der Fall.

8 Unabhängig davon sei durch die Unterrichtung der Kläger zu 3 - 5 im häuslichen Bereich nicht für deren Erziehung und Unterrichtung "in anderer Weise ausreichend gesorgt". Dieser unbestimmte Rechtsbegriff verlange die Vermittlung der Lehrinhalte durch Personen mit pädagogischem und fachlichem Sachverstand. Darüber verfüge in der Regel nur jemand, der für die Unterrichtung an der einschlägigen Schule ausgebildet und examiniert worden sei. Diese Anforderungen erfüllten die die Kläger zu 3 - 5 unterrichtenden Personen nicht.

9 Die Voraussetzungen einer Selbstbindung des Beklagten zur Gestattung einer Ausnahme von der Schulbesuchspflicht zugunsten des häuslichen Unterrichts lägen nicht vor. Grundrechte der Kläger würden durch die Versagung der Ausnahme nicht verletzt.

10 Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt.

II

11 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger bleibt ohne Erfolg.

12 1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 6 m. w. N.). Ist eine angefochtene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2021 - 6 B 46.20 - juris Rn. 12 m. w. N.).

13 a) Die Beschwerde erachtet als klärungsbedürftig, ob ein durch die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geschaffener Ermessensspielraum zu einer Ermächtigungsnorm ohne vorherige Ermessensausübung der Behörde von dem erkennenden Gericht vollständig selber ausgeübt werden könne oder eine solche Ausübung nicht gegen Verfassungsrecht und Bundesrecht verstoße. Dazu macht sie geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Rechtsprechung zu § 76 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SchG geändert. Den nunmehr eröffneten Ermessensspielraum habe der Beklagte jedoch nicht ausgeübt und mangels Kenntnis von der neuen Rechtsprechung auch nicht ausüben können. Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat einen entsprechenden Rechtssatz weder formuliert noch seiner Entscheidung implizit zugrunde gelegt, sondern das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausnahmefalles in dem hier vorliegenden Fall abgelehnt. Zudem würde das Berufungsurteil auf dem von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz nicht beruhen. Denn die Vorinstanz hat den Anspruch auf Gestattung einer Ausnahme von der Schulbesuchspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG selbständig tragend deswegen abgelehnt, weil durch die Unterrichtung der Kläger zu 3 - 5 im häuslichen Bereich nicht für deren Erziehung und Unterrichtung "in anderer Weise ausreichend gesorgt" sei. Damit erweist sich die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage nicht als entscheidungserheblich.

15 b) Des Weiteren wirft die Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam die Fragen auf, ob es mit Art. 3 GG vereinbar sei, wenn vermeintliche Abgrenzungsmerkmale zur Beschränkung der zu betrachtenden Vergleichspaare herangezogen würden und damit die anzustellende Rechtfertigungsprüfung abgekürzt bzw. gänzlich umgangen werde. Ferner sei zu klären, ob es mit Art. 3 GG vereinbar sei, die Rechtfertigungsprüfung - wie vom Berufungsgericht in seinem Urteil durchgeführt - zu zerreißen und in die Zusammenstellung der Vergleichspaare zu verlegen. Schließlich sei klärungsbedürftig, ob es für den Anwendungsbereich des Art. 3 GG erheblich sei, welche Motivationslage die Anspruchsteller hätten.

16 Auch diese Fragen zu Art. 3 Abs. 1 GG erlauben keine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn die Beschwerde formuliert keine von der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG im konkreten Fall losgelösten Rechtsfragen. Vielmehr kritisiert sie im Gewande der Grundsatzrüge lediglich die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts in dem hier zu entscheidenden Fall. Auf welche Weise die Vergleichsgruppen im Rahmen der Prüfung eines gerügten Gleichheitsverstoßes zu bilden sind, hängt von der jeweiligen Fallkonstellation ab und entzieht sich rechtsgrundsätzlicher Klärung.

17 c) Ferner will die Beschwerde geklärt wissen, ob die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene restriktive Interpretation des Soweit-Satzes in § 76 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SchG, die dem historischen Verständnis der Schulpflicht nicht folge, zwingend - wie vom Verwaltungsgerichtshof behauptet - aus Art. 7 Abs. 1 GG abzuleiten sei. Auch diese Frage führt mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zur Revisionszulassung, da das Berufungsgericht keine entsprechende Behauptung aufgestellt hat.

18 Die Vorinstanz hat bei ihrer Auslegung der irrevisiblen Vorschrift des § 76 Abs. 1 SchG mit Blick auf die in Art. 7 Abs. 1 GG normierte staatliche Schulaufsicht klargestellt, dass im Kontext der Schulpflicht auftretende Konflikte zwischen dem Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und dem staatlichen Erziehungsauftrag in Art. 7 Abs. 1 GG im Einzelfall im Wege einer Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz gelöst werden müssen. Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof Art. 7 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG als Quelle des Rechts von Kindern und Jugendlichen auf schulische Bildung als Ergänzung und Verstärkung des Gewichts der im Landesverfassungsrecht verankerten Schulpflicht herangezogen. Schließlich wird im Berufungsurteil eine Abkehr von Vorstellungen einer nur begrenzten Schulpflicht zur Weimarer Zeit mit Blick auf Art. 7 Abs. 1 GG konstatiert. Zwingende Vorgaben zur Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift des § 76 Abs. 1 SchG hat die Vorinstanz Art. 7 Abs. 1 GG nicht entnommen.

19 d) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, ob aus den Vorgaben der praktischen Konkordanz der Soweit-Satz des § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG dahingehend auszulegen sei, dass die anderweitige Unterrichtung und Erziehung durch ausgebildete Lehrkräfte erfolgen müsse und ob sich deren Geeignetheit auf Basis der von der Behörde bzw. dem Gericht festgelegten Typ der weiterführenden Schule beurteile oder dem gewünschten Ausbildungsabschluss resultiere, betreffen ausschließlich das nicht-revisible Landesrecht. Rechtsfragen zur Auslegung des Art. 7 Abs. 1 GG sind damit nicht verbunden.

20 e) Die Fragen, ob es mit Verfassungsrecht, § 40 VwVfG und § 114 VwGO vereinbar sei, wenn bei der Auslegung eines Gesetzes mit der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers argumentiert werde, sich aber die angebliche Einschätzung des Gesetzgebers weder aus dem Wortlaut noch aus sonstigen Quellen ergebe und ob die historisch nicht gewollte und belegte restriktive Auslegung des § 76 Abs. 1 SchG mit dem Grundgesetz vereinbar sei, weisen ebenfalls keinen hinreichenden Bezug zum revisiblen Recht auf. Die von der Beschwerde angeführten, die Ausübung und die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungsermessens betreffenden Regelungen des § 40 VwVfG und § 114 VwGO haben in dem angesprochenen Kontext der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers als Prüfungsmaßstab keine Bedeutung. Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundes(verfassungs)recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann zu rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 334 S. 3 und vom 1. März 2016 - 5 BN 1.15 - NVwZ 2016, 618 Rn. 6; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 132 Rn. 17). Das ist hier nicht der Fall. Dies gilt in gleicher Weise für die Frage, ob es mit dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes vereinbar sei, Grundrechtseinschränkungen auf Basis nicht genau definierter Kriterien auszuüben und wesentliche rechtliche Fragestellungen unbeantwortet zu lassen. Auch hier kritisiert die Beschwerde der Sache nach lediglich die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts. Damit kann sie die Zulassung der Revision indes nicht erreichen.

21 f) Mit den Fragestellungen, ob die Schaffung einer Exklusivbildung nach § 76 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SchG für den Besuch von Internationalen Schulen im Rahmen von Ergänzungsschulen, die zu dem von den Klägern begehrten internationalen Abschluss führen, mit Verfassungsrecht (Art. 2, 12, 14 GG) im Zusammenhang mit dem Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen) vereinbar ist und ob aus dem in Art. 7 GG angeblich enthaltenen Grundsatz der Sozialisierung abgeleitet werden könne, dass der Begriff der "anderweitigen Erziehung und Unterrichtung" zumindest eine Schule im institutionellen Sinne unabhängig davon erfordere, ob diese vermeintliche Schule nur einem sehr begrenzten Personenkreis finanziell offenstehe, werden keine Grundsatzfragen des revisiblen Rechts formuliert. Zudem behauptet die Beschwerde Tatsachen, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Sind jedoch Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden, so kann die Revision im Hinblick auf diese Frage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (BVerwG, Beschlüsse vom 2. Februar 2011 - 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507; vom 24. Oktober 2022 - 6 B 15.22 - NVwZ 2023, 1344 Rn. 15 und vom 23. Mai 2023 ‌- 6 B 33.22 - NVwZ 2023, 1427 Rn. 20).

22 2. Verfahrensmängel, auf denen das angegriffene Urteil beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), lassen sich dem Vorbringen der Beschwerde nicht entnehmen.

23 a) Die Beschwerde rügt als Verletzung des § 116 Abs. 2 VwGO, das Berufungsurteil sei am 6. April 2023 verkündet, den Klägern aber erst zwei Monate später am 7. Juni 2023 zugestellt worden.

24 Im vorliegenden Fall hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts am Schluss der Berufungsverhandlung vom 29. März 2023 den Beschluss verkündet, dass eine Entscheidung zugestellt werde (GA Bl. 142 ff.). Demzufolge ist der Anwendungsbereich des § 116 Abs. 2 VwGO eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist statt der Verkündung die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Die von den Richtern unterschriebene Urteilsformel des am 6. April 2023 gefällten Berufungsurteils ist der Geschäftsstelle am gleichen Tag übergeben worden (GA Bl. 128 f.). Damit ist den prozessrechtlichen Anforderungen Genüge getan. Denn bei der vom Berufungsgericht gewählten Zustellung einer Entscheidung reicht es für die Einhaltung der Frist des § 116 Abs. 2 VwGO aus, dass die von den Richtern unterschriebene Urteilsformel innerhalb von zwei Wochen - hier: ab Ablauf der Schriftsatzfrist (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2023 - 7 C 19.02 -‌ BVerwGE 119, 329 Rn. 22) – zur Geschäftsstelle gelangt und in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO Tatbestand und Entscheidungsgründe alsbald nachgereicht werden (BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 1971 - 1 CB 4.69 - BVerwGE 38, 220 <223>; Urteil vom 11. November 1971 - 1 C 64.67 -‌ NJW 1972, 271 und Beschluss vom 8. März 1994 - 7 B 141.93 - NVwZ 1994, 694 <695>). Das ist vorliegend geschehen, denn das vollständig abgefasste Berufungsurteil ist am 6. Juni 2023 zur Geschäftsstelle gelangt (GA Bl. 147). Anhaltspunkte dafür, dass den Richtern der unmittelbare Eindruck von der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegenwärtig war, hat die sich in bloßen Vermutungen ergehende Beschwerde nicht aufgezeigt.

25 b) Die Aufklärungsrüge genügt nicht den an sie zu stellenden Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 86 Abs. 1 VwGO). Denn die Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 VwGO verlangt nicht nur die schlüssige Darlegung, welche Aufklärungsmaßnahmen das Gericht hätte ergreifen müssen, welche Feststellungen es dabei voraussichtlich getroffen hätte und inwiefern dies zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Vielmehr muss der Beschwerdeführer zudem darlegen, dass er in der Berufungsverhandlung durch Stellung eines Beweisantrags auf eine bestimmte Sachaufklärung hingewirkt hat oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen aufgrund von dessen materiell-rechtlicher Rechtsauffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn der Beschwerdeführer es unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (BVerwG, Beschlüsse vom 3. August 2018 - 6 B 124.18 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 92 Rn. 9, vom 9. Oktober 2020 - 6 B 51.20 - juris Rn. 16 und vom 14. November 2022 - 6 B 14.22 -‌ juris Rn. 19). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

26 c) Die Beschwerde rügt außerdem eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dazu macht sie geltend, das Berufungsgericht habe auf bestimmte Bewertungen des Sachverhalts abgestellt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht habe rechnen müssen. Dies sei hinsichtlich der Beurteilung der Lehrkräfte der Kläger zu 3 - 5 der Fall. Die Kläger hätten abgesehen von der nachgelassenen Schriftsatzfrist keine Gelegenheit gehabt, zu der Frage Stellung zu nehmen. Auch sei es aufgrund des eindeutigen Wortlautes des historischen Gesetzgebers völlig überraschend, dass das Berufungsgericht trotz Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung am Argument "ausgeübter Lehrkräfte" festhalten würde. Auch die Feststellung, dass die von den Kindern angestrebten Bildungsabschlüsse nicht nach den für die betreffende Organisation allgemein festgelegten Zielen und Methoden erfolgten, sei überraschend. Dieses Vorbringen der Beschwerde führt nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger.

27 Der Gehörsrüge verfehlt bereits die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG). Wird ein Gehörsverstoß geltend gemacht, muss substantiiert dargelegt werden, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 7 und Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 -‌ Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 37 zu § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht.

28 Abgesehen davon liegt ein Überraschungsurteil nur vor, wenn das Gericht, das auf den Inhalt der beabsichtigten Entscheidung regelmäßig nicht vorab hinweisen muss, auf eine rechtliche Sichtweise oder eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 38; Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8 und vom 18. Dezember 2017 - 6 B 52.17 - Buchholz 310 § 133 (n. F.) VwGO Nr. 114 Rn. 6). Im vorliegenden Fall wurde ausweislich der Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 29. März 2023 die Frage der Qualifikation der im Rahmen des Heimunterrichts eingesetzten Lehrkräfte in der mündlichen Verhandlung erörtert. Auf die Frage des Gerichts, wer die Kläger zu 3 - 5 in Deutsch und Mathematik unterrichte, erklärte die Klägerin zu 1, das mache sie. Auf Nachfrage gab sie weiter an, dass sie dabei von verschiedenen Personen unterstützt worden sei bzw. werde. Dem Klägervertreter wurde das Recht eingeräumt, bis zum 5. April 2023 ergänzend schriftsätzlich zur Qualifikation der Personen vorzutragen, von denen die Kläger zu 3 - 5 neben ihrer Mutter unterrichtet würden. Davon hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 5. April 2023 Gebrauch gemacht. Damit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger schon im Ansatz nicht erkennbar.

29 3. Eine Zulassung wegen Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kommt nicht in Betracht. Die Beschwerde rügt insoweit nur, das Berufungsurteil weiche von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 1961 - 4 C 86.58 (BVerwGE 13, 28) - ab und sei daher wegen Divergenz aufzuheben.

30 Die Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt jedoch voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten, tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Die Beschwerde muss aufzeigen, dass zwischen den beiden Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtssatzes besteht. Dafür ist die Herausarbeitung und Gegenüberstellung sich widersprechender Rechtssätze unverzichtbar (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712 <713>). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht im Ansatz gerecht.

31 4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 i. V. m. § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.