Beschluss vom 21.05.2024 -
BVerwG 1 WB 13.24ECLI:DE:BVerwG:2024:210524B1WB13.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.05.2024 - 1 WB 13.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:210524B1WB13.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 13.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 21. Mai 2024 beschlossen:

Die notwendigen Aufwendungen, die dem Antragsteller in dem durch seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. Januar 2023 eingeleiteten Verfahren erwachsen sind, werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Dem Antragsteller geht es um die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen in einem Wehrbeschwerdeverfahren.

2 Der ... geborene Antragsteller war Berufssoldat; er wurde mit Erreichen der besonderen Altersgrenze zum 31. März 2023 zur Ruhe gesetzt. Vor seiner Zurruhesetzung war er beim Deutschen Militärischen Vertreter beim ... (...) verwendet, wo er für ein Mandat im Personalrat freigestellt war. Für die letzten Monate seines aktiven Dienstes beantragte er, auf einen Dienstposten beim Militärischen Anteil der Akademie ... in ... (unter anschließender Grundbeorderung für Reservistendienste) versetzt zu werden. Antragsgemäß wurde er mit Verfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 10. Mai 2022 zum 1. Januar 2023 auf einen Dienstposten als Stabsdienstfeldwebel Streitkräfte bei der Akademie ... versetzt. Diese Verfügung wurde am 22. November 2022 wieder aufgehoben. Mit Verfügung Nr. ... vom 23. November 2022 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller stattdessen zum 1. Januar 2023 auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim ... der Bundeswehr in ...

3 Gegen die Aufhebung der ursprünglichen Verfügung vom 10. Mai 2022 und gegen die Versetzungsverfügung vom 23. November 2022, die ihm jeweils am 15. Dezember 2022 eröffnet wurden, erhob der Antragsteller mit E-Mail vom 16. Dezember 2022 sowie mit Schreiben vom 17. Dezember 2022 Beschwerde. Zur Begründung verwies er auf die im Vorfeld getroffenen Absprachen zur Personalplanung und auf seine Stellung als Personalratsmitglied.

4 Mit Schreiben vom 20. Januar 2023 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde gemäß § 16 Abs. 2 WBO, weil er bis dahin keinen Bescheid über seine Ausgangsbeschwerden erhalten habe. Am 3. Februar 2023 informierte ihn das Bundesministerium der Verteidigung darüber, dass sein Rechtsbehelf als Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu werten sei, und wies zugleich darauf hin, dass gleichwohl noch eine Entscheidung in der Sache beabsichtigt sei. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2023 zeigte die Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Vertretung an und begründete die Beschwerde. Nach Akteneinsicht erfolgte eine weitere Begründung mit Schriftsatz vom 12. Juni 2023. Mit Schriftsätzen vom 11. Mai 2023 und 10. August 2023 mahnte die Bevollmächtigte außerdem die Vorlage des Antrags an das Bundesverwaltungsgericht an.

5 Mit Bescheid vom 13. September 2023 stellte das Bundesministerium der Verteidigung fest, dass die Aufhebung der Versetzungsverfügung Nr. ... sowie der Erlass der Versetzungsverfügung Nr. ... rechtswidrig waren. Ferner wurde die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendung angeordnet und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt.

6 Mit Schreiben vom 20. November 2023 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bundesverwaltungsgericht eine Kostennote vom 16. November 2023 zur Kostenfestsetzung eingereicht. Die Kostennote enthält eine Verfahrensgebühr für Verfahren auf gerichtliche Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 14 RVG i. V. m. Nr. 6402 VV RVG in Höhe von netto 489,50 €. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2023 wies sie ergänzend darauf hin, dass streitgegenständlich aufgrund der (weiteren) Untätigkeitsbeschwerde ein Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewesen sei. Dessen Vorlage sei lediglich vor dem Hintergrund unterblieben, dass noch eine Entscheidung durch das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigt gewesen sei.

7 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beim Bundesverwaltungsgericht hat gegen den Kostenfestsetzungsantrag eingewandt, dass Grundlage der Erstattung die Kostengrundentscheidung in dem Beschwerdebescheid vom 13. September 2023 sei. Danach seien nur die notwendigen Aufwendungen im vorgerichtlichen Verfahren zu erstatten.

8 Der zunächst bei der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unter dem Aktenzeichen 1 W-AV 7.23 geführte Kostenstreit wurde am 5. März 2024 dem Senat vorgelegt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat am 15. März 2024 die Akte des Wehrbeschwerdeverfahrens übermittelt.

II

9 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt Erfolg.

10 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entscheiden die Wehrdienstgerichte über nach Erledigung der Hauptsache noch verbleibende Kostenfragen in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - juris Rn. 9 bis 14).

11 2. Die - in Form der Untätigkeitsbeschwerde erhobene (§ 16 Abs. 2 WBO) – weitere Beschwerde des Antragstellers vom 20. Januar 2023 ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht (§ 21 Abs. 1 Satz 1 WBO) zu werten, weil über dem Bundesministerium der Verteidigung keine höherrangige Beschwerdestelle mehr besteht.

12 Der (Anfechtungs-)Antrag war ursprünglich gerichtet gegen die Aufhebung der Verfügung Nr. ... des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 10. Mai 2022 (Versetzung auf einen Dienstposten bei der Akademie ...) und gegen die Verfügung Nr. ... vom 23. November 2022 (Versetzung auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim ... der Bundeswehr). Dieser Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, nachdem der Antragsteller zum 31. März 2023 zur Ruhe gesetzt wurde und das Bundesministerium der Verteidigung dem nur noch mit der Feststellung Rechnung tragen konnte (§ 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 WBO), dass die Aufhebung der Verfügung Nr. ... und der Erlass der Verfügung Nr. ... rechtswidrig waren.

13 Die Erledigung ist eingetreten, bevor das Bundesministerium der Verteidigung den bei ihm am 31. Januar 2023 eingegangenen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WBO) Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat. Bei einer derartigen Konstellation kann der Antragsteller weiterhin die Vorlage seines Antrags verlangen, um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen nach § 20 Abs. 3 WBO herbeizuführen; Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens ist dann der geltend gemachte Auslagenerstattungsanspruch (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - juris Rn. 11 m. w. N., vom 9. Dezember 2016 - 1 WB 20.16 - juris Rn. 12 und vom 1. März 2018 - 1 WB 4.18 - juris Rn. 15).

14 3. Nach den im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätzen ist bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 23a Abs. 2 WBO i. V. m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. zuletzt z. B. BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2023 - 1 WB 65.22 - juris Rn. 7).

15 Billigem Ermessen entspricht es hier, die notwendigen Aufwendungen des Antragstellers dem Bund aufzuerlegen, weil sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (Zurruhesetzung zum 31. März 2023) voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Der Antragsteller war (freigestelltes) Personalratsmitglied beim Deutschen Militärischen Vertreter beim ... (...). Er hat sich nur mit einer Versetzung zur Akademie ..., nicht aber zum ... einverstanden erklärt. Die Aufhebung der Versetzung zur Akademie ..., um ihn stattdessen für den gleichen Zeitraum zum ... zu versetzen, verstieß deshalb gegen den Schutz, den Mitglieder des Personalrats gegen Versetzungen gegen ihren Willen genießen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 SBG i. V. m. § 55 Abs. 2 BPersVG). Wichtige dienstliche Gründe, die die Versetzung des Antragstellers für seine letzten drei Dienstmonate zum ... auch unter Berücksichtigung seiner Mitgliedschaft im Personalrat unvermeidbar gemacht hätten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch fehlt es an der diesbezüglichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 SBG) und Zustimmung des Personalrats (§ 55 Abs. 2 Satz 3 BPersVG).