Beschluss vom 17.07.2012 -
BVerwG 1 WB 35.12ECLI:DE:BVerwG:2012:170712B1WB35.12.0

Leitsatz:

Über die Einstellung des Verfahrens und die Erstattung notwendiger Aufwendungen entscheidet der Senat auch dann in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, wenn sich der beim Bundesminister der Verteidigung gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, bevor der Antrag dem Senat gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 WBO vorgelegt wurde.

  • Rechtsquellen
    WBO § 16a Abs. 5, § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.07.2012 - 1 WB 35.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:170712B1WB35.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 35.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 17. Juli 2012 beschlossen:

Die dem Antragsteller in dem durch seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. März 2012 eingeleiteten Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund zur Hälfte auferlegt.

Gründe

I

1 Dem Antragsteller geht es um die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen im Wehrbeschwerdeverfahren.

2 Der Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2021. Derzeit wird er als Nachprüfer F-4 Fachrichtung Rettungs- und Sicherheitsgeräte bei der ... in S. verwendet.

3 Mit Schreiben vom 1. September 2009 (dort „Versetzungsgesuch A“) beantragte der Antragsteller seine Versetzung - unter anderem - auf den Oberstabsfeldwebel-Dienstposten eines Fluggerätemechaniker-Feldwebel Fachrichtung Rettungs- und Sicherheitsgeräte - Sammelfachtätigkeit - / Fluggerätemechanikermeister EF Fachrichtung Rettungs- und Sicherheitsgeräte / Nachprüfer Fachrichtung Rettungs- und Sicherheitsgeräte - Sammelfachtätigkeit - / Rüstungsfeldwebel Streitkräfte .... Die Stammdienststelle der Bundeswehr lehnte den Antrag zunächst mit Bescheiden vom 6. Oktober 2010 und 22. März 2011 ab; beide Bescheide wurden wieder aufgehoben, nachdem der Antragsteller jeweils Beschwerde eingelegt hatte. Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 lehnte die Stammdienststelle die Versetzung des Antragstellers auf den strittigen Dienstposten erneut ab. Die hiergegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 14. Februar 2012 zurück.

4 Mit Schriftsatz vom 20. März 2012 zeigten die Bevollmächtigten des Antragstellers dessen Vertretung an und beantragten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. In der Sache wandten sie sich mit ausführlicher Begründung gegen die Auswahlentscheidung bei der Besetzung des strittigen Dienstpostens und beantragten, den Bescheid der Stammdienststelle vom 19. Mai 2011 und den Beschwerdebescheid vom 14. Februar 2012 aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

5 In einem Personalgespräch (Vermerk vom 9. Mai 2012) teilte die Stammdienststelle der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass sie ihn bei der zum 1. September 2012 anstehenden Besetzung des Oberstabsfeldwebel-Dienstpostens eines Fluggerätemechaniker-Feldwebels Rettung und Sicherheit - Sammelfachtätigkeit - und Fluggerätemechaniker-Feldwebels Transport/Hubschrauber Flugausrüster ... mitbetrachten werde.

6 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. Mai 2012 erklärte der Antragsteller daraufhin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt und beantragte die Erstattung der ihm durch die Hinzuziehung der Bevollmächtigten entstandenen Kosten. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 22. Juni 2012 dem Senat vor, schloss sich der Erledigungserklärung an und stellte die Kostenentscheidung in das Ermessen des Gerichts.

7 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - Az.: .../12 - lag dem Senat bei der Beratung vor.

II

8 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat nur zum Teil Erfolg. Die dem Antragsteller in diesem Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.

9 1. Über den Antrag entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter.

10 Erledigt sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder erklären die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, nachdem der Bundesminister der Verteidigung den Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat (§ 21 Abs. 3 Satz 1 WBO) und der Antrag hierdurch rechtshängig geworden ist, so stellt der Senat das Verfahren ein und befindet gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung entscheidet der Senat hierbei entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 WDO und § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter.

11 Erledigt sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder erklären - wie hier - die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, bevor der Bundesminister der Verteidigung den bei ihm gestellten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WBO) Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, so kann der Antragsteller weiterhin die Vorlage seines Antrags verlangen, um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen nach § 20 Abs. 3 WBO herbeizuführen; Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens ist dann der geltend gemachte Auslagenerstattungsanspruch (vgl. Beschlüsse vom 8. Juli 1980 - BVerwG 1 WB 134.79 - BVerwGE 73, 24 = NZWehrr 1981, 61, vom 7. Juni 1995 - BVerwG 1 WB 51.95 - und vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 60.05 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 60). Hierüber hat der Senat bisher in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern entschieden (vgl. zuletzt Beschluss vom 14. Juni 2006 a.a.O.).

12 Für diese Praxis ist nach der Änderung der Wehrbeschwerdeordnung durch das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008 - WehrRÄndG 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) kein Raum mehr. Durch Art. 5 Nr. 12 WehrRÄndG 2008 wurde mit der - am 1. Februar 2009 in Kraft getretenen (Art. 18 Abs. 2 WehrRÄndG 2008) - Vorschrift des § 16a WBO eine Regelung über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen und Kosten im vorgerichtlichen Verfahren eingefügt. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen und die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten kann danach durch Anrufung des zuständigen Wehrdienstgerichts angefochten werden (§ 16a Abs. 5 Satz 1 und 4 WBO). Die gerichtliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch erfolgt dabei stets in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, entweder durch den Vorsitzenden der Truppendienstkammer (§ 16a Abs. 5 Satz 3 WBO) oder - im Falle der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts - durch drei Berufsrichter des Senats (§ 16a Abs. 5 Satz 3 und 4 WBO; vgl. dazu im Einzelnen Beschluss vom 28. September 2009 - BVerwG 1 WB 31.09 - Buchholz 450.1 § 16a WBO Nr. 1 Rn. 16 = NZWehrr 2010, 38).

13 Aus der Vorschrift des § 16a Abs. 5 WBO ist der eindeutige Wille des Gesetzgebers ersichtlich, das Wehrbeschwerdeverfahren, wenn es nur noch um die Erstattung von notwendigen Aufwendungen geht, möglichst unkompliziert zu regeln und einem zügigen Abschluss zuzuführen, wie er durch die Entscheidung unabhängig von gerichtlichen Sitzungsterminen und ohne die Heranziehung ehrenamtlicher Richter gefördert wird. Mit diesem Ziel und der Systematik der gesetzlichen Regelung würde es nicht übereinstimmen, wenn zwar in den Fällen der Erledigung der Hauptsache im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren (§ 16a Abs. 5 WBO) oder nach Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (§ 21 Abs. 3 Satz 1 WBO) eine Mitwirkung ehrenamtlicher Richter nicht vorgesehen ist, das Gericht jedoch in dem Sonderfall, dass sich ein Antrag nach Stellung, aber vor Vorlage erledigt, in der („großen“) Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hätte. Es dient zudem der Klarheit und Rechtssicherheit, wenn feststeht, dass die Wehrdienstgerichte - unabhängig von etwaigen Besonderheiten und Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs - über nach Erledigung in der Hauptsache noch verbleibende Kostenfragen stets in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheiden.

14 Für diese Auslegung spricht ferner, dass nach dem gesetzlichen Regelungsmodell die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter vorgesehen und gerechtfertigt ist, soweit wehrdienstrechtliche Fragen zu entscheiden sind, bei deren Beurteilung die spezifische Fachkunde und Einschätzung ehrenamtlicher (militärischer) Beisitzer von besonderer Bedeutung sind; die Beteiligung ehrenamtlicher Richter ist jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um Entscheidungen über rein verfahrensrechtliche Vorfragen oder um Neben- oder Zwischenentscheidungen handelt, die auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren außerhalb der Hauptverhandlung nur mit drei richterlichen Mitgliedern beurteilt werden (vgl. Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - Rn. 32 f. <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3> zur Entscheidung über die Verweisung eines Rechtsstreits an das zuständige Gericht). Dazu gehören auch die genannten Kostenfragen, bei deren Entscheidung (siehe nachfolgend 2.) das Gericht in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht nicht mehr in eine vertiefte Falllösung eintritt.

15 2. Nach den im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätzen ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - und vom 27. Juli 2011 - BVerwG 1 WB 21.11 - jeweils m.w.N.).

16 Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen.

17 Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. August 2010 - BVerwG 1 WDS-VR 3.10 - und vom 27. Juli 2011 - BVerwG 1 WB 21.11 -) in der Regel die notwendigen Aufwendungen (vollständig) dem Bund aufzuerlegen, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt wurde. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Antragsteller hat das streitgegenständliche Ziel, die Versetzung auf den Oberstabsfeldwebel-Dienstposten ..., nicht erreicht; die Stammdienststelle der Bundeswehr hat ihre diesbezügliche Auswahlentscheidung nicht revidiert. Dem Antragsteller wurde in dem Personalgespräch (Vermerk vom 9. Mai 2012) lediglich mitgeteilt, dass er bei der zum 1. September 2012 anstehenden Besetzung eines zwar im Wesentlichen wohl gleichwertigen, aber anderen Oberstabsfeldwebel-Dienstpostens ... mit betrachtet werde.

18 Die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen sind zur Hälfte jedoch deshalb dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussichten des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens - Aufhebung der ablehnenden Bescheide und Neubescheidung des Antrags auf Versetzung auf den Oberstabsfeldwebel-Dienstposten ... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - nach dem bisherigen Sach- und Streitstand als offen einzuschätzen sind (vgl. Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 1 WB 66.09 - Rn. 10 ff. sowie allgemein zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2011, § 161 Rn. 22 m.w.N.). Die Stammdienststelle hat sich mehrfach mit dem Versetzungsbegehren des Antragstellers befasst; dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Mai 2011 gingen zwei auf Beschwerden des Antragstellers hin aufgehobene Ablehnungsbescheide vom 6. Oktober 2010 und 22. März 2011 voraus. Der Antragsteller hat sich seinerseits mit ausführlicher und substantiierter Begründung gegen die Auswahlentscheidung gewandt (Beschwerde vom 23. Juni 2011 und Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. März 2012). Eine abschließende Beurteilung des Falls bedürfte deshalb weiterer Ermittlungen, insbesondere unter Einbeziehung der Verhältnisse des für den Dienstposten ausgewählten Bewerbers, für die im Rahmen der auf den bisherigen Sach- und Streitstand eingegrenzten Kostenentscheidung jedoch kein Raum ist.

19 Insgesamt erscheint deshalb unter Billigkeitsgesichtspunkten eine hälftige Kostenteilung angemessen.