Verfahrensinformation

Die Kläger sind Abwasserzweckverbände mit Sitz in Sachsen. Im Verfahren BVerwG 9 C 3.23 wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2016 für die Einleitung von Schmutzwasser über die Kleinkläranlage Pyrna. Der Kläger im Verfahren BVerwG 9 C 4.23 wendet sich gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2006 für die Einleitung aus drei Kanaleinleitstellen in Rochlitz. Beide Kläger tragen vor, dass sie nur in kleinen Mengen Abwasser einleiteten und sich deshalb auf die Sondervorschrift des § 8 Abwasserabgabengesetz (AbwAG) für Kleineinleitungen berufen könnten. Nach dieser Bestimmung werden die Abgaben bei sogenannten Kleineinleitungen pauschaliert berechnet; gegebenenfalls sind die Einleitungen abgabefrei. Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, dass die betreffende Regelung für die Kläger als abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht gelte.


Pressemitteilung Nr. 54/2024 vom 13.11.2024

Abwasserzweckverbände können sich bei eigener Einleitung nicht auf die Vorschriften zur Kleineinleitung berufen

Nach dem bundesweit geltenden Abwasserabgabengesetz (AbwAG) erheben die Länder für das Einleiten von Abwasser in Gewässer eine Abgabe. Diese Abwasserabgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers, die im Regelfall anhand des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids ermittelt wird.


Die Kläger sind Abwasserzweckverbände mit Sitz in Sachsen. Im Verfahren 9 C 3.23 wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2016 für die Einleitung von Schmutzwasser über die von ihm betriebene Kleinkläranlage Pyrna. Der Kläger im Verfahren 9 C 4.23 wendet sich gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2006 für die Einleitung aus drei Kanaleinleitstellen in Rochlitz. Beide Kläger tragen vor, dass sie nur in kleinen Mengen Abwasser einleiteten und sich deshalb auf die aus ihrer Sicht günstigere Bestimmung des § 8 AbwAG berufen könnten. Dieser sieht zur Vereinfachung unter bestimmten Voraussetzungen für Kleineinleitungen von Schmutzwasser statt einer Bemessung nach der Schädlichkeit Pauschalierungen bis hin zu einer vollständigen Abgabefreiheit vor. Die Klagen gegen die Abgabenbescheide blieben erstinstanzlich ohne Erfolg. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hob die beiden angefochtenen Bescheide hingegen vollständig bzw. teilweise auf und begründete dies damit, dass auch die Kläger als abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaften des öffentlichen Rechts von der Regelung für Kleineinleitungen profitieren könnten.


Auf die Revisionen des Freistaats Sachsen hat das Bundesverwaltungsgericht die Abgabenerhebung in der praktizierten Form, also die Berechnung nach der Schädlichkeit, für rechtmäßig erklärt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können sich die Kläger nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 8 AbwAG berufen. Diese greift nach ihrem klaren Wortlaut nur ein, wenn es sich um Einleitungen von Schmutzwasser handelt, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts "an Stelle der Einleiter" abgabepflichtig ist. Die Kläger sind hier aber nicht stellvertretend für fremde Einleitungen abgabepflichtig, sondern werden – für das unmittelbare Verbringen von Abwasser in Gewässer – selbst als Einleiter in Anspruch genommen. Diese gesetzliche Differenzierung ist auch sachgerecht, weil die Abwasserzweckverbände die Abwasserbeseitigung nach ihren Vorstellungen organisieren und gegebenenfalls optimieren können, während Privathaushalte ihren Anschluss an die öffentliche Kanalisation nicht erzwingen können. Zudem bedürfen die Zweckverbände keiner Vereinfachung, wenn sie nicht für fremde, sondern für eigene Einleitungen abgabenpflichtig sind. Hiermit wird auch dem Lenkungszweck eines bestmöglichen Gewässerschutzes Rechnung getragen.


Fußnote:

Die Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes lauten auszugsweise:


(1)1 Die Zahl der Schadeinheiten von Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 abgabepflichtig ist, beträgt die Hälfte der Zahl der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Einwohner, soweit die Länder nichts anderes bestimmen.2 Ist die Zahl der Einwohner nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln, kann sie geschätzt werden.


(2)1 Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung abgabefrei bleibt.2 Die Einleitung ist abgabefrei, wenn der Bau der Abwasserbehandlungsanlage mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und die ordnungsgemäße Schlammbeseitigung sichergestellt ist.


(1) Abgabepflichtig ist, wer Abwasser einleitet (Einleiter).


(2)1 Die Länder können bestimmen, dass an Stelle der Einleiter Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind.2 An Stelle von Einleitern, die weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, sind von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig.3 Die Länder regeln die Abwälzbarkeit der Abgabe.


BVerwG 9 C 3.23 - Urteil vom 13. November 2024

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, OVG 5 A 419/22 - Urteil vom 24. Mai 2023 -

VG Leipzig, VG 6 K 900/19 - Urteil vom 12. Juli 2022 -

BVerwG 9 C 4.23 - Urteil vom 13. November 2024

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, OVG 5 A 270/20 - Urteil vom 24. Mai 2023 -

VG Chemnitz, VG 2 K 2641/14 - Urteil vom 19. Februar 2020 -


Beschluss vom 17.06.2024 -
BVerwG 9 C 3.23ECLI:DE:BVerwG:2024:170624B9C3.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.06.2024 - 9 C 3.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:170624B9C3.23.0]

Beschluss

BVerwG 9 C 3.23

  • VG Leipzig - 12.07.2022 - AZ: 6 K 900/19
  • OVG Bautzen - 24.05.2023 - AZ: 5 A 419/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juni 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking und
Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

Der vom Richter am Bundesverwaltungsgericht ... mit dienstlicher Erklärung vom 25. März 2024 angezeigte Sachverhalt begründet die Besorgnis der Befangenheit.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

2 Mit dienstlicher Erklärung vom 25. März 2024 hat der Richter am Bundesverwaltungsgericht ... angezeigt, dass seine Ehefrau an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt hat, ohne Berichterstatterin zu sein. Nach seiner Erinnerung habe ihm seine Frau vor der mündlichen Verhandlung davon berichtet, dass ihr Senat über die abwasserabgabenrechtliche Behandlung von Kleineinleitungen der Gemeinden oder Abwasserzweckverbände zu entscheiden habe; ein Meinungsaustausch dazu habe seiner Erinnerung nach nicht stattgefunden.

3 Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 16. April 2024 geäußert und auf den denkbaren Schein fehlender richterlicher Unvoreingenommenheit hingewiesen. Der Kläger hat von der Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II

4 1. Der Senat entscheidet anlässlich der Selbstanzeige eines Senatsmitglieds über dessen Befangenheit gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 48 und 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des betreffenden Richters in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO).

5 2. Wegen Besorgnis der Befangenheit ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich. Die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein, d. h. den möglichen Eindruck fehlender Unvoreingenommenheit und mangelnder Objektivität zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1992 ‌- 2 BvF 2/90 u. a. - BVerfGE 88, 17 <22 f.>; Beschluss vom 26. Februar 2014 ‌- 1 BvR 471/10 u. a. - BVerfGE 135, 248 Rn. 24; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>; Beschluss vom 9. Januar 2024 ‌- 2 VR 9.23 - juris Rn. 5 m. w. N.). Solche auf objektiven Gründen basierenden Zweifel können sich aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits, aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder den Prozessbeteiligten oder - wie vorliegend - aus nahen persönlichen Beziehungen zwischen an derselben Sache beteiligten Richtern ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2023 ‌- I ZR 142/22 - NJW-RR 2023, 431 Rn. 5 m. w. N.).

6 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die Mitwirkung des Ehegatten eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung allein noch keinen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02 - NJW 2004, 163 f.; kritisch dazu etwa Feiber, NJW 2004, 650 f.; Vollkommer, EWiR 2004, 206). In jüngerer Zeit hat der Bundesgerichtshof allerdings offengelassen, ob hieran festzuhalten ist (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2020 - III ZB 61/19 - MDR 2020, 625 Rn. 13 und Beschluss vom 9. Februar 2023 - I ZR 142/22 - NJW-RR 2023, 431 Rn. 8). Jedenfalls könne es den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit begründen, wenn der Richter der Vorinstanz nicht lediglich als Mitglied eines Kollegialgerichts an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt, sondern diese als Einzelrichter allein verantwortet hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2020 - III ZB 61/19 - MDR 2020, 625 Rn. 13). Gleiches soll gelten, wenn der Ehegatte an einem Beschluss mitgewirkt hat, der nach der gesetzlichen Regelung nur einstimmig gefasst werden kann (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2023 - I ZR 142/22 - NJW-RR 2023, 431 Rn. 10).

7 Das Bundessozialgericht hat Bedenken gegen die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geäußert; es stellt bei der Beurteilung auf weitere Gesichtspunkte ab (vgl. zur Rüge des Verstoßes gegen die Prozessordnung BSG, Beschluss vom 24. November 2005 - B 9a VG 6/05 B - Rn. 8 unter Hinweis auf die Kritik an der Auffassung des BGH im Schrifttum). Zumindest in Revisionsverfahren vor einem obersten Bundesgericht hält es angesichts der Komplexität der Verfahren und der Intensität der Befassung Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters, dessen Ehepartner an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat, für nachvollziehbar (BSG, Beschluss vom 18. März 2013 ‌- B 14 AS 70/12 R - Rn. 7 m. w. N.).

8 Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass für eine Entscheidung zwischen diesen Rechtsprechungsansätzen oder für eine abschließende Bewertung der Frage, ob im Falle der Mitwirkung des Ehegatten des Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung schon allein das eheliche Näheverhältnis eine Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Denn die Annahme eines Ablehnungsgrundes ist hier jedenfalls auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Falles gerechtfertigt.

9 Das streitgegenständliche Revisionsverfahren erfordert - im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - eine intensive Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung. Dies gilt gerade angesichts des Prüfungsmaßstabs der Revision, der gemäß § 137 Abs. 1 VwGO auf die Frage einer (Bundes-)‌Rechtsverletzung durch das vorinstanzliche Urteil gerichtet ist. Hinzu kommt, dass das Verfahren laut der dienstlichen Erklärung des Richters zwischen den Eheleuten zumindest gesprächsweise thematisiert worden ist (vgl. zu diesem Aspekt etwa ThürVerfGH, Beschluss vom 24. Februar 2021 - 4/21, 5/21 - juris Rn. 14).

10 Diese Umstände sind - als zusätzliche besondere Gegebenheiten im Sinne der neueren Judikatur des Bundesgerichtshofs - geeignet, die Bedeutung des ehelichen Näheverhältnisses aus objektiver Sicht zu verstärken und den Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu begründen. Der Umstand der Mitwirkung der Ehefrau kann zumindest unbewusst zu einer gewissen Solidarisierungsneigung oder - in dem Bemühen, eine derartige Haltung gerade zu vermeiden - zu einer überkritischen Distanz zu der Entscheidung der Vorinstanz führen. Vor diesem Hintergrund sind aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei die vom Beklagten zum Ausdruck gebrachten Bedenken hinsichtlich der Unvoreingenommenheit des Richters am Bundesverwaltungsgericht ... gerechtfertigt.

11 Da die Entscheidung nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof oder Bundessozialgericht steht, bedarf es keiner Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Gesetz vom 19. Juni 1968 - BGBl. I S. 661).

Urteil vom 13.11.2024 -
BVerwG 9 C 3.23ECLI:DE:BVerwG:2024:131124U9C3.23.0

Einleitung von Schmutzwasser durch abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft nach Vorreinigung durch eine von ihr betriebene Kleinkläranlage in ein Gewässer

Leitsatz:

Eine Kleineinleitung im Sinne des § 8 AbwAG setzt zwingend voraus, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG an Stelle des Einleiters abgabepflichtig ist.

  • Rechtsquellen
    AbwAG §§ 8 und 9

  • VG Leipzig - 12.07.2022 - AZ: 6 K 900/19
    OVG Bautzen - 24.05.2023 - AZ: 5 A 419/22

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 13.11.2024 - 9 C 3.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:131124U9C3.23.0]

Urteil

BVerwG 9 C 3.23

  • VG Leipzig - 12.07.2022 - AZ: 6 K 900/19
  • OVG Bautzen - 24.05.2023 - AZ: 5 A 419/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Sieveking, Prof. Dr. Schübel-Pfister und Dr. Wiedmann
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2023 (5 A 419/22) wird geändert.
  2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein Abwasserzweckverband mit Sitz in W., wendet sich gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2016 für das Einleiten von Abwasser aus der Kläranlage P. in den Binnengraben zur V. M.

2 Der Kläger ist nach den einschlägigen landes- und ortsrechtlichen Vorschriften die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft für die Stadt W. mit dem Ortsteil P., wo er eine Kleinkläranlage betreibt. An diese waren im betreffenden Jahr 47 Einwohner privater Grundstücke angeschlossen. Das in der Kleinkläranlage vorgereinigte Abwasser wurde auf der Grundlage der wasserrechtlichen Erlaubnis des Landkreises L. vom 12. Juli 2012 in einen verrohrten Binnengraben und über diesen in den Fluss M. eingeleitet. Als Art der Benutzung war in der wasserrechtlichen Erlaubnis die "Einleitung von biologisch gereinigtem häuslichen Schmutzwasser, das in der Ortslage P. anfällt, in den verrohrten Binnengraben zur M." angegeben. Als Umfang der Gewässerbenutzung war Schmutzwasser in einer Menge von 4,8 m3/d (Trockenwetter-Abfluss im Tagesmittel) festgesetzt, was der sodann aufgeführten Jahresschmutzwassermenge von 1 752 m3/a entsprach.

3 Mit Bescheid vom 19. Februar 2018 setzte die Landesdirektion Sachsen eine Abwasserabgabe nach dem Abwasserabgabengesetz (AbwAG) in Höhe von 178,94 € fest. In den Gründen des Bescheids wurde auf die wasserrechtliche Erlaubnis vom 12. Juli 2012 verwiesen und im Übrigen, soweit darin keine Festlegungen getroffen wurden, eine Schätzung der Überwachungswerte vorgenommen. Im Widerspruchsverfahren wurde der Betrag infolge einer Neuberechnung der Abgabe auf 268,42 € geändert. Das Verwaltungsgericht Leipzig wies die Klage gegen den Festsetzungsbescheid ab und begründete dies damit, dass entgegen der Auffassung des Klägers keine Kleineinleitung im Sinne des § 8 AbwAG vorliege, wenn - wie hier - das häusliche Schmutzwasser in oder über eine öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werde.

4 Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat mit Urteil vom 24. Mai 2023 das erstinstanzliche Urteil geändert und den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege eine abgabefreie Kleineinleitung nach § 8 AbwAG vor. Dass der Kläger die Kleinkläranlage in seiner Funktion als Aufgabenträger der öffentlichen Abwasserbeseitigung betreibe, stehe der Bewertung als Kleineinleitung nicht entgegen, da diese allein durch die Art und Menge des eingeleiteten Abwassers bestimmt werde. Für die Anwendung der Norm sei nicht erforderlich, dass der Kläger ausschließlich "an Stelle von Einleitern" im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG abgabepflichtig sei; er könne auch unmittelbarer Einleiter nach § 9 Abs. 1 AbwAG sein. Die betreffenden Einwohner seien auch nicht an eine Kanalisation im Sinne des § 8 AbwAG angeschlossen, weil damit nur Anlagen gemeint seien, die zu einer Großeinleitung bzw. Großkläranlage führten. Auch die weiteren Voraussetzungen dieser Bestimmung seien erfüllt, da es sich bei dem eingeleiteten Schmutzwasser um solches aus Haushaltungen handle und die Einleitung im Veranlagungsjahr 2016 weniger als 8 m3/d betragen habe.

5 Der beklagte Freistaat Sachsen hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass das Gericht die Voraussetzungen des § 8 AbwAG verkannt habe. Eine Kleineinleitung im Sinne dieser Vorschrift könne nur vorliegen, wenn die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG "an Stelle" des (tatsächlichen) Einleiters und nicht unmittelbar nach § 9 Abs. 1 AbwAG abgabepflichtig sei. Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollten nur kleine Direkteinleitungen aus einzelnen Haushalten als Kleineinleitung erfasst werden und gegebenenfalls abgabefrei sei. Auch systematische und teleologische Argumente wie der Anreiz zu mehr Gewässerschutz sowie der Gedanke der Verwaltungsvereinfachung sprächen gegen die Auslegung des Berufungsgerichts. Der Kläger sei schon deswegen nicht mit privaten Grundstückseigentümern vergleichbar, weil ihm die öffentliche Aufgabe der Abwasserentsorgung obliege, die er nach seinen Vorstellungen gestalten könne.

6 Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2023 (Az.: 5 A 419/22) die Berufung des Revisionsbeklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Juli 2022 (Az.: 6 K 900/19) zurückzuweisen.

7 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8 Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die Ausführungen des Beklagten zu Wortlaut, Regelungssystem und Zwecksetzung des § 8 AbwAG überzeugten nicht. Bei Zugrundelegung der Rechtsansicht des Beklagten sei zumindest eine analoge bzw. verfassungskonforme Auslegung der Norm erforderlich, weil es für eine Ungleichbehandlung des Klägers keinen Grund gebe. Man müsse auch abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaften, die Direkteinleiter seien, Abgabefreiheit gewähren.

9 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.

II

10 Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts war die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, weil die Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid keinen Erfolg hat. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

11 1. Der Kläger ist dem Grunde nach abgabepflichtig, weil er als Einleiter den Abgabentatbestand des § 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 AbwAG erfüllt.

12 a) Nach § 1 Satz 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 bis 3 WHG eine Abwasserabgabe zu entrichten. Abgabepflichtig ist gemäß § 9 Abs. 1 AbwAG der Einleiter des Abwassers. Abwasser stellt dabei den Oberbegriff für Schmutzwasser und Niederschlagswasser dar (§ 2 Abs. 1 AbwAG). Unter Einleiten im Sinne des Abwasserabgabengesetzes ist das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer zu verstehen (§ 2 Abs. 2 AbwAG). Das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" ist mit "direkt" gleichzusetzen und verdeutlicht, dass nur Direkteinleitungen im wasserrechtlichen Verständnis (vgl. § 57 Abs. 1 WHG) Einleitungen im Sinne des Abwasserabgabengesetzes sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 1990 - 8 C 71.88 - Buchholz 401.64 § 2 AbwAG Nr. 1; Beschluss vom 24. September 2008 ‌- 7 B 39.08 - Buchholz 401.64 § 9 AbwAG Nr. 9 Rn. 4 f.). Der Begriff der Direkteinleitung (in ein Gewässer) ist insoweit von der Indirekteinleitung (in öffentliche Abwasseranlagen, vgl. § 58 Abs. 1 WHG) abzugrenzen. Bei der Einleitung über eine gemeindliche Kanalisation bzw. bei kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen sind nicht die einzelnen Abwasserproduzenten, sondern die die Anlage tragenden und betreibenden Körperschaften - regelmäßig also die Gemeinde oder der Zweckverband - als Einleiter anzusehen (vgl. Zöllner, in: Sieder/​Zeitler/​Dahme/​Knopp, WHG AbwAG, Stand August 2024, § 9 AbwAG Rn. 9; Grell, KommP BY 2023, 333 <334>).

13 b) Hieran gemessen ist der Kläger als abgabepflichtiger Einleiter nach § 9 Abs. 1 AbwAG einzustufen; davon gehen auch die Verfahrensbeteiligten sowie das Berufungsgericht übereinstimmend aus. Die Einleitung des von den Einwohnern im Ortsteil P. erzeugten Schmutzwassers (§ 2 Abs. 1 Var. 1 AbwAG) erfolgt über die vom Kläger betriebene Kleinkläranlage, von wo das Schmutzwasser über einen verrohrten Binnengraben in die M. gelangt. Auf diesem unmittelbaren Verbringen von Abwasser in den natürlichen Gewässerkreislauf (§ 2 Abs. 2 AbwAG) beruht die abgabenrechtliche Verantwortlichkeit des Klägers. Auf die Frage, ob bereits der verrohrte Binnengraben selbst - wovon der Einleitungsbescheid und der Abgabenbescheid ausgehen - oder erst die M. das maßgebliche Gewässer darstellt, kommt es dabei nicht an. Einleiter sind jedenfalls nicht die einzelnen Einwohner als Abwasserproduzenten, sondern allein der Kläger, der somit nach § 9 Abs. 1 AbwAG abgabepflichtig ist.

14 2. Der Beklagte hat die Abwasserabgabe, die sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nach der Schädlichkeit des Abwassers richtet, zutreffend anhand der Bemessungsgrundlagen der §§ 4 und 6 AbwAG ermittelt. Die in § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG vorgesehene Ausnahme, wonach eine Bewertung der Schädlichkeit (unter anderem) bei Kleineinleitungen im Sinne des § 8 AbwAG entfällt, ist nicht einschlägig. Bei der Schmutzwassereinleitung des Klägers handelt es sich ungeachtet ihrer Größenordnung nicht um eine Kleineinleitung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG, die anhand der Einwohnerzahl pauschaliert zu bemessen und unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG abgabefrei ist. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, das den Begriff der Kleineinleitung ausschließlich durch die Art und Menge des eingeleiteten Abwassers definieren will, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang.

15 a) Die Sondervorschrift des § 8 AbwAG gilt nur für Einleitungen von Schmutzwasser, für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts "an Stelle" der Einleiter abgabepflichtig ist. Der Kläger wird hier aber - wegen des unmittelbaren Verbringens von Abwasser in ein Gewässer - für seine eigene Einleitung nach § 9 Abs. 1 AbwAG und nicht stellvertretend für fremde Einleitungen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG in Anspruch genommen. Nach dieser bundesrechtlich zwingenden Vorschrift, auf die in § 8 Abs. 1 Satz 1 AbwAG ausdrücklich verwiesen wird, sind an Stelle von Einleitern, die weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig. Diese können unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG - je nach landesrechtlicher Regelung - die Abgabe auf den Einleiter abwälzen. Anders als das Oberverwaltungsgericht meint, ist die kraft Gesetzes eintretende Übernahme der Abgabepflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG ein unabdingbares Tatbestandsmerkmal für das Vorliegen einer Kleineinleitung im Sinne des § 8 AbwAG.

16 aa) Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich eindeutig, dass die in § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG normierte gesetzliche Schuldübernahme - neben einer bestimmten Qualität und maximalen Quantität des Abwassers - eine zwingende Tatbestandsvoraussetzung darstellt. Das Gesetz verweist in § 8 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nicht unmittelbar auf die in § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG genannte Höchstmenge, sondern knüpft ausdrücklich an die dort geregelte Rechtsfolge der Ersatzschuldnerschaft an ("für das eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 abgabepflichtig ist"). Hätten auch die Fälle einer mengenmäßig geringen Einleitung erfasst werden sollen, bei denen der Einleiter nach § 9 Abs. 1 AbwAG (also "originär") abgabepflichtig ist, hätte es genügt, anstelle dieses umfassenden Verweises lediglich die entsprechende Mengenangabe in § 8 AbwAG zu übernehmen (vgl. zu einem entsprechenden Formulierungsvorschlag Nisipeanu, ZfW 2024, 153 <189>). Die explizite Bezugnahme auf den letzten Teilsatz des § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG im Tatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 AbwAG zeigt aber, dass diese Norm nur zur Anwendung kommen soll, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ersatzweise für die Einleitung eines Dritten abgabepflichtig ist.

17 bb) Diese Auslegung anhand des klaren Wortlauts der Norm wird durch die Gesetzeshistorie gestützt.

18 (1) Nach der Begründung zu § 14 Abs. 2 des Entwurfs des Abwasserabgabengesetzes aus dem Jahr 1974 - AbwAG-E 1974, dem Vorläufer des heutigen § 9 Abs. 2 AbwAG, sollten die Gemeinden - als für die Abwasserentsorgung zuständige Stellen - nicht nur für das Schmutzwasser derjenigen Einwohner, die an die öffentliche Kanalisation angeschlossen waren, sondern auch für das Schmutzwasser der nicht angeschlossenen (typischerweise häuslichen) Direkteinleiter abgabepflichtig sein. Es sollte bewusst kein Anreiz dafür geschaffen werden, diese Einwohner bzw. ihre Grundstücke nicht mehr an die öffentliche Kanalisation anzuschließen (vgl. BT-Drs. 7/2272 S. 34). Zur pauschalierten Bestimmung der Abgabenhöhe für die letztgenannte Fallgruppe wurde in der flankierenden Bestimmung des § 11 AbwAG-E 1974 (Vorläufer zu § 8 Abs. 1 AbwAG) die Zahl der nicht angeschlossenen Einwohner als Berechnungsmaßstab herangezogen und pauschal mit einer halben Schadeinheit pro Kopf angesetzt. Der Gesetzgeber wollte mit diesem personenbezogenen Konzept das von ihm vorgefundene Phänomen der Direkteinleiter ohne Anschluss(-möglichkeit), deren Zahl er auf ca. zwei Millionen schätzte, sinnvoll in das Abwasserabgabengesetz integrieren und durch die Konzentration der Abgabepflicht bei den Gemeinden zugleich zur Bündelung und Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens beitragen (BT-Drs. 7/2272 S. 34; vgl. auch Berendes/​Winters, Das neue Abwasserabgabengesetz, 1981, S. 89 ff.; Dahme, Abwasserabgabengesetz, 1976, S. 75).

19 (2) Von dieser Konzeption ist der Gesetzgeber in der Folgezeit, auch im Zusammenhang mit der nachträglichen Einführung der Abgabefreiheit in § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG im Jahr 1986, nicht abgerückt. Vielmehr war auch hier davon die Rede, dass die Pauschalierung auf Kleineinleiter zielt, die nicht an die öffentliche Kanalisation anschließen "können", also ihren Anschluss rechtlich nicht erzwingen können (BT-Drs. 10/6656 S. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. März 1997 - 8 C 51.95 - BVerwGE 104, 162 <168 f.>). In einer gänzlich anderen Situation sind hingegen die abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, die eine Anschließung der bisher auf Kleineinleitungen angewiesenen, typischerweise im Außenbereich gelegenen Grundstücke an die öffentliche Kanalisation durchsetzen können. Auf die Frage, ob ein derartiger Ausbau im Einzelfall wasserwirtschaftlich, ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, kommt es nicht an, weil sich der Gesetzgeber bei der Abgabenerhebung am typischen Fall orientieren kann (vgl. zur Typisierungsbefugnis des Sonderabgabengesetzgebers BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - ‌BVerfGE 124, 348 <379 f.> m. w. N.; speziell zum Abwasserabgabenrecht BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - 8 B 170.97 - Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 5).

20 cc) Das Auslegungsergebnis steht auch mit der Gesetzessystematik in Einklang. Die Ersatzschuldnerregelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG setzt begrifflich voraus, dass die dort genannten Körperschaften des öffentlichen Rechts an die "Stelle von Einleitern" treten. Eine abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft kann aber nicht an ihre eigene Stelle (als nach § 9 Abs. 1 AbwAG abgabepflichtige Einleiterin) rücken und insoweit vertretungsweise für sich selbst die Abgabenschuld übernehmen. Dieses "Konfusionsargument" gilt auch für die in § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG vorgesehene Abwälzbarkeit der Abgabe, die bei einer Identität des Abwälzungsberechtigten mit demjenigen, auf den abzuwälzen ist, von vornherein ausgeschlossen ist. Erforderlich ist stets ein Zwei-Personen-Verhältnis im Sinne einer ersatzweise bestehenden Abgabepflicht für fremde Einleitungen. Dieses vom Gesetzgeber vorausgesetzte Nebeneinander zweier Beteiligter beim Vollzug der Kleineinleitungsvorschriften kommt auch in den unterschiedlichen Verfahrenspflichten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 AbwAG sowie in den Folgen einer Verletzung der Erklärungspflicht nach § 12 Abs. 2 AbwAG zum Ausdruck.

21 Entgegen dem Einwand des Klägers kann bei diesem Normverständnis in Einzelfällen auch einer Körperschaft des öffentlichen Rechts die Sonderregelung des § 8 AbwAG zugutekommen. So können beispielsweise Gemeinden, die eine öffentliche Einrichtung im Außenbereich betreiben und das dort in geringer Menge anfallende Abwasser unmittelbar in ein Gewässer einleiten, Kleineinleiter im Sinn des § 8 AbwAG sein, wenn aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts an ihrer Stelle abgabepflichtig ist (vgl. die Beispiele bei Nisipeanu, ZfW 2024, 153 <178>).

22 dd) Schließlich sprechen auch teleologische Erwägungen für die genannte Auslegung.

23 (1) Die Abwasserabgabe stellt eine - verfassungsrechtlich zulässige - Sonderabgabe dar, die neben der Finanzierungsfunktion vor allem den Lenkungszweck eines bestmöglichen Gewässerschutzes verfolgt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - 9 C 4.03 - BVerwGE 119, 258 <262 f.> m. w. N.; aus dem Schrifttum statt vieler Zöllner, in: Sieder/​Zeitler/​Dahme/​Knopp, WHG AbwAG, Vorbemerkung AbwAG Rn. 1 ff. m. w. N.). Insbesondere sollte durch die 1981 eingeführte Abwasserabgabe ein wirtschaftlicher Anreiz geschaffen werden, im Interesse einer verminderten Schadstoffbelastung in erheblich stärkerem Maße als zuvor Kläranlagen zu bauen und den Stand der Abwasserreinigungstechnik zu verbessern (BT-Drs. 7/2272 S. 2; vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 1990 ‌- 8 C 71.88 - Buchholz 401.64 § 2 AbwAG Nr. 1; Urteil vom 13. November 1992 ‌- 8 C 17.90 - Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 1). Das Ziel einer wirksamen Reinhaltung von Gewässern wird am besten dadurch erreicht, dass die Abwasserabgabe - die keinen Sanktionscharakter hat, sondern als "Restverschmutzungsabgabe" flankierend zum ordnungsrechtlichen Instrumentarium auf indirekte Verhaltenssteuerung angelegt ist - unter individueller Bewertung der Schädlichkeit des Abwassers bemessen wird (§ 3 Abs. 1, §§ 4 und 6 AbwAG). Der darin liegenden Anreizfunktion wird nicht in vollem Umfang Rechnung getragen durch die Pauschalierung nach § 8 Abs. 1 AbwAG und erst recht nicht durch die Gewährung von Abgabefreiheit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG.

24 (2) Das Argument des Klägers, er biete wegen seiner öffentlich-rechtlichen Organisationsform eine im Vergleich zu den herkömmlichen Kleineinleitungen erhöhte Zuverlässigkeitsgewähr und müsse gerade deshalb von den begünstigenden Regelungen des § 8 AbwAG profitieren, greift hiernach zu kurz. Auch wenn der Gesetzgeber juristische Personen des öffentlichen Rechts als besonders geeignet ansieht, die mit der Abwasserbeseitigung verbundenen Aufgaben zu erfüllen (§ 56 Satz 1 WHG), bedeutet dies nicht, dass er die von ihnen betriebenen Kleinkläranlagen mittels einer zumindest partiellen Freistellung von der Lenkungsabgabe dauerhaft in einer stabilen Zahl erhalten wollte. Vielmehr ist es weiterhin Anliegen des Abwasserabgabenrechts, Kleinkläranlagen mittelfristig durch leistungsfähigere, ökonomisch und ökologisch sinnvollere Großkläranlagen zu ersetzen. Auch wasserrechtlich gilt ein prinzipieller Vorrang der zentralen Abwasserbeseitigung; dezentrale Anlagen entsprechen nach § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG nur in Ausnahmefällen dem Wohl der Allgemeinheit (vgl. Zöllner, in: Sieder/​Zeitler/​Dahme/​Knopp, WHG AbwAG, Stand August 2024, § 55 WHG Rn. 16, 19). Diese Beurteilung korrespondiert im Übrigen mit der Einschätzung des Normgebers auf Unionsebene, der individuelle Abwasserbehandlungssysteme nur als "zweitbeste Lösung" im Vergleich zur Errichtung von zentralen Kanalisationen ansieht (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser <ABl. L 135 S. 40>; vgl. auch den Vorschlag der Europäischen Kommission für die Neufassung der Richtlinie, COM <2022> 541 final, Begründung Ziff. 1.1. und Erwägungsgrund 3 sowie Art. 4 des Entwurfs).

25 (3) Im Übrigen streitet auch das Argument der Verwaltungsvereinfachung gegen eine Anwendung des § 8 AbwAG auf die hiesige Konstellation. Diese Sonderregelung zielt darauf ab, anstatt vieler im Verbandsgebiet vorhandener Kleineinleiter nur einen zentralen abgabepflichtigen Ansprechpartner zu haben, der die Erklärungspflichten gegenüber der abgabenerhebenden Stelle erfüllt und an den anhand des vereinfachten Kopfmaßstabs nach § 8 Abs. 1 AbwAG ein einheitlicher Bescheid erlassen werden kann (BT-Drs. 7/2272 S. 34). Eine vergleichbare Bündelungsfunktion kann eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die nicht ersatzweise für Fremdeinleitungen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG, sondern für ihre eigenen Einleitungen nach § 9 Abs. 1 AbwAG abgabepflichtig ist, nicht erfüllen.

26 b) Da es bereits am Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Schuldübernahme fehlt, kommt es hier nicht mehr entscheidend auf die von den Beteiligten diskutierte Frage an, ob die Anwendbarkeit des § 8 AbwAG wegen des dort genannten Berechnungsmaßstabs der "Zahl der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Einwohner" auch voraussetzt, dass kein solcher Anschluss vorliegt. Das Berufungsgericht hat dies zwar im Ausgangspunkt zutreffend bejaht, jedoch die Ansicht vertreten, "Kanalisation" im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 AbwAG sei nur eine Anlage zur Sammlung und Ableitung von Abwasser durch unterirdische Kanäle, die zu einer "Großeinleitung" oder einer "Großkläranlage" führten. Diese Auffassung trifft nicht zu. Wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen gleichsam spiegelbildlich ergibt, gilt die Kleineinleitungsregelung nicht, wenn Personen ihr Abwasser nicht direkt in ein Gewässer einleiten, sondern erst auf dem Umweg über einen öffentlichen Kanal oder eine sonstige Anlage Dritter. Auf die Größe und die räumliche Ausdehnung dieser Anlage kommt es dabei nicht an.

27 3. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Anders als der Kläger meint, besteht kein Raum für eine Korrektur des Auslegungsergebnisses durch eine analoge Anwendung oder eine verfassungskonforme Auslegung der betreffenden Vorschriften.

28 a) Eine analoge Anwendung des § 8 AbwAG auf die hiesige Konstellation ist nicht veranlasst. Eine Analogie setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die betreffende Norm eine planwidrige Regelungslücke aufweist und dass eine vergleichbare Interessenlage zwischen dem vom Normgeber geregelten und dem ungeregelten Fall besteht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 ‌- 4 C 6.16 - BVerwGE 161, 99 Rn. 15; Beschluss vom 1. Juni 2022 - 3 B 29.21 - ‌NVwZ 2022, 1288 Rn. 16). An beidem fehlt es.

29 aa) Eine planwidrige Regelungslücke ist ersichtlich nicht gegeben. Hierfür müsste festgestellt werden können, dass die Vorschrift nicht alle Fälle abdeckt, die nach Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2022 - 3 B 29.21 - NVwZ 2022, 1288 Rn. 16 m. w. N.). Dies ist nicht der Fall. Wie oben dargelegt, ging es dem historischen Gesetzgeber von Anfang an (nur) darum, das vorhandene Phänomen der Direkteinleiter, die ihr Schmutzwasser nicht über kommunale Anlagen und Kanäle entsorgten bzw. entsorgen konnten, sinnvoll in die Abgabenerhebung nach dem Abwasserabgabengesetz zu integrieren. Eine Erstreckung dieses Kreises auf weitere Begünstigte war auch zu keinem späteren Zeitpunkt beabsichtigt; insbesondere haben die besonderen wasserwirtschaftlichen Gegebenheiten in den neuen Bundesländern zu keiner Änderung der §§ 8, 9 AbwAG geführt. Eine Reform der Bestimmungen zur Kleineinleitungsabgabe wurde zwar verschiedentlich vorgeschlagen (vgl. insbesondere die ausführliche Untersuchung des Umweltbundesamts, Reform der Abwasserabgabe: Optionen, Szenarien und Auswirkungen einer fortzuentwickelnden Regelung, Texte 55/2014, S. 361 ff.); dies hat aber in der Gesetzgebung bisher keinen Niederschlag gefunden.

30 bb) Überdies fehlt es hier an einer vergleichbaren Interessenlage im Verhältnis zu den von § 8 AbwAG erfassten Fällen. Die Abgabenerhebung im Wege der Pauschalierung ist, wie oben gezeigt, sachgerecht nur bei Kleineinleitungen solcher Abwasserproduzenten, für die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ersatzweise einstehen muss. In einer anderen Situation befinden sich hingegen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie der Kläger, für die die Abwasserentsorgung gerade zu den ihnen obliegenden Aufgaben gehört und bei denen eine gesetzliche Schuldübernahme nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG von vornherein nicht in Betracht kommt.

31 b) Erst recht scheidet die vom Kläger erstrebte verfassungskonforme Auslegung mit dem Ziel einer Erstreckung des § 8 AbwAG auf die hiesige Fallgruppe aus.

32 aa) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist insoweit nicht die grundrechtliche Gewährleistung der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, da der Kläger sich bei seiner Verbandstätigkeit nicht auf materielle Grundrechte berufen kann. Weder befindet er sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts in einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <105 f.>), noch greift hier der Gedanke des "personalen Substrats", also der Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u. a. - BVerfGE 143, 246 <313 f.>; zum Ganzen Kahl/​Hilbert, in: Kahl/​Waldhoff/​Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand August 2024, Art. 19 IV. Rn. 162 ff.). Die bloße Rechtsstellung als Adressat eines belastenden Abgabenbescheids vermag die Grundrechtsberechtigung des Klägers ebenso wenig zu begründen wie der bloße Umstand, dass er als kommunaler Zweckverband im Interesse der Einwohner tätig wird. Er kann sich daher in verfassungsrechtlicher Hinsicht lediglich auf das - auch für das Verhältnis öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger untereinander geltende - rechtsstaatliche Willkürverbot berufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 1967 - 1 BvR 578/63 - ‌BVerfGE 21, 362 <372>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 - ‌BVerfGE 137, 108 <154>).

33 bb) Ein Willkürverstoß liegt ersichtlich nicht vor. Von einer evident sachwidrigen Ungleichbehandlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1993 - 1 BvL 34/81 - BVerfGE 89, 132 <142>) kann hier keine Rede sein. Wie oben dargelegt, sprechen vielmehr gewichtige Gründe der Verhaltenslenkung und der Verwaltungsvereinfachung dafür, Kleineinleitungen nur dann einer pauschalierten Abgabenerhebung zuzuführen bzw. von der (unmittelbaren) Abgabenpflicht zu befreien, wenn anstelle der Einleiter eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG abgabepflichtig ist.

34 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.