Verfahrensinformation
wie BVerwG 5 C 26.05
Beschluss vom 12.06.2006 -
BVerwG 5 C 27.05ECLI:DE:BVerwG:2006:120606B5C27.05.0
Beschluss
BVerwG 5 C 27.05
- OVG der Freien Hansestadt Bremen - 31.05.2005 - AZ: OVG 1 A 196/04
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:
Dem Kläger wird für die versäumte Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe
1 Der Kläger ist mit Gerichtsschreiben vom 9. Dezember 2005 darauf hingewiesen worden, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz vom 5. Dezember 2005, der zur Begründung lediglich „auf die Begründung des Revisionszulassungsbeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.10.2005 - 5 B 76.05 /5 C 27.05 -“ verweist und „die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in jenem Beschluss [...] zum Gegenstand der Revisionsbegründung“ macht, den Anforderungen an eine Revisionsbegründung nicht entsprechen dürfte. Der Kläger hat dem mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 widersprochen und (hilfsweise) beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Revisionsbegründung zu bewilligen. Seine Anwälte hätten die Revision unter Zuhilfenahme eines gängigen Kommentars zur Verwaltungsgerichtsordnung (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005) begründet. Dort werde zu den Anforderungen an eine Revisionsbegründung ausgeführt (§ 139 Rn. 19): „Ausreichend ist auch eine Verweisung auf den Inhalt des Zulassungsbeschlusses (22.2.2001 - 7 C 14/00)."
2 Der Kläger hat die Revision nicht rechtzeitig begründet. Als die Revisionsbegründungsfrist am 5. Dezember 2005 endete, lag dem Gericht nur der Revisionsbegründungsschriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 5. Dezember 2005 vor. Diese Begründung enthielt zwar, insofern § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend, einen bestimmten Antrag. Auch lässt sich dieser Begründung mit ihrer Verweisung auf die Begründung des Revisionszulassungsbeschlusses zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage zu Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention entnehmen, dass der Kläger Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention als verletzt rügen will. Für eine Revisionsbegründung genügt aber die bloße Behauptung nicht, ein Gesetz sei verletzt oder das angefochtene Urteil verstoße gegen ein Gesetz. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung als nicht zutreffend erachtet (BVerwGE 106, 202). Daran fehlt es im Schriftsatz vom 5. Dezember 2005. Dem Begründungserfordernis wird dieser Schriftsatz auch nicht dadurch gerecht, dass er auf die Begründung des Revisionszulassungsbeschlusses, durch die die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen worden war, weil sie zur Klärung der Frage beitragen könne, „inwieweit sich aus Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention eine Verpflichtung ergibt, die Kosten des Einbürgerungsverfahrens herabzusetzen“, verweist und die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in jenem Beschluss zum Gegenstand der Revisionsbegründung macht (unter Hinweis auf Kopp/Schenke, VwGO, § 139 Rn. 19 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 14.00 -).
3 Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht Bezugnahmen auf Zulassungsbeschlüsse ausreichen lassen, aber nicht generell. So hat es eine Bezugnahme auf einen auf Divergenz gestützten Zulassungsbeschluss als ausreichend erachtet, weil sich der Rechtsmittelführer damit die Einschätzung und die dafür maßgeblichen Erwägungen des zulassenden Gerichts zu der vom Ausgangsgericht abweichend beurteilten Rechtsfrage zu Eigen macht (BVerwGE 114, 155 zur Zulassung der Berufung). Auch lässt das Bundesverwaltungsgericht die Bezugnahme auf eine Zulassung wegen eines Verfahrensmangels genügen (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 14.00 - juris). Denn damit stützt sich die Begründung auf den im Zulassungsbeschluss festgestellten Verfahrensfehler. Ist die Revision aber allein wegen grundsätzlicher Bedeutung und mit der Begründung, eine bestimmte Rechtsfrage sei klärungsbedürftig, zugelassen worden, so verhält sich der Zulassungsbeschluss gerade nicht dazu, ob die Rechtsfrage vom Berufungsgericht richtig oder falsch entschieden worden ist, sondern eröffnet für diese Klärung die Revision.
4 Dem Kläger ist nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
5 Der Kläger hat auf die Mitteilung des Gerichts vom 9. Dezember 2005 mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO in Bezug auf die Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat im Schriftsatz vom 5. Januar 2006, den Anforderungen an eine Revisionsbegründung entsprechend, ausgeführt, weshalb seiner Auffassung nach das Berufungsgericht § 90 AuslG und Art. 34 Genfer Flüchtlingskonvention verletzt habe.
6 Die Prozessbevollmächtigten des Klägers trifft hier kein Verschulden (§ 60 Abs. 1 VwGO). Mangelnde Rechtskenntnisse entschuldigt allerdings eine Fristversäumung grundsätzlich nicht (BVerwG, Beschluss vom 29. April 1992 - BVerwG 5 B 70.92 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 179; stRspr); dies gilt gerade auch für einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten. Die Sorgfaltspflichten auch eines Prozessbevollmächtigten dürfen indes nicht überspannt werden (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1999 - BVerwG 9 B 171/99 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 11). Denn es genügt die übliche, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt, der sich gewissenhaft und sachgemäß über die Rechtslage unterrichtet hat. Aus dem Gesetzeswortlaut selbst ergeben sich keine differenzierten Begründungserfordernisse für die „Angabe der verletzten Rechtsnorm“. Deshalb genügt ein Rechtsanwalt seiner Sorgfaltspflicht, wenn er sich in einem gängigen Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung vergewissert. Er ist für die Rechtsvertretung in der Vielzahl der Rechtsgebiete und Verfahrensordnungen auf Informationen aus Kommentaren angewiesen. Dabei ist es seine Aufgabe, juristische Texte geschult und kritisch zu lesen, nicht aber, ohne weiteren Anlass eine eindeutige und uneingeschränkte Aussage in einem weit verbreiteten Kommentar, die zur Bestätigung auf eine - in einer Fachzeitschrift nicht veröffentlichte - Entscheidung eines obersten Bundesgerichtes hinweist, zu hinterfragen. In der Kommentarstelle heißt es zur Revisionsbegründung ohne Einschränkung: „Ausreichend ist auch eine Verweisung auf den Inhalt des Zulassungsbeschlusses (22.2.2001 - 7 C 14/00)“; hierauf haben sich die Anwälte des Klägers erkennbar auch gestützt. Für die Prozessbevollmächtigten ergab sich hier auch aus dem Kontext dieser Kommentarstelle keine Notwendigkeit zur weiteren Überprüfung der Rechtslage.
Urteil vom 16.11.2006 -
BVerwG 5 C 27.05ECLI:DE:BVerwG:2006:161106U5C27.05.0
Leitsätze:
1. Art 34 Satz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gebietet nicht, die nach § 90 Satz 3 AuslG (2001) bereits wegen seiner wirtschaftlichen Lage ermessensfehlerfrei reduzierte Gebühr für die Einbürgerung eines Einbürgerungsbewerbers allein wegen seiner Stellung als anerkannter Flüchtling zusätzlich zu ermäßigen oder vollständig zu erlassen.
2. Die Flüchtlingseigenschaft eines Einbürgerungsbewerbers ist für den Fall, dass nach Grund und Höhe wegen der wirtschaftlichen Situation des Einbürgerungsbewerbers eine Entscheidung über eine Gebührenermäßigung oder einen Gebührenerlass zu treffen ist, zu dessen Gunsten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.
Urteil
BVerwG 5 C 27.05
- OVG Bremen - 31.05.2005 - AZ: OVG 1 A 196/04 -
- OVG der Freien Hansestadt Bremen - 31.05.2005 - AZ: OVG 1 A 196/04
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 31. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger begehrt eine Ermäßigung der Gebühr für seine Einbürgerung.
2 Der 1938 geborene Kläger war ursprünglich iranischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1987 in Bremen. Nach seiner Anerkennung als Asylberechtigter erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und einen Reiseausweis nach Art. 28 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II S. 560). Am 6. Oktober 2003 wurde der Kläger gemäß § 85 Abs. 1 AuslG eingebürgert. Mit Bescheid vom 17. September 2003 setzte die Beklagte für die Einbürgerung „unter Berücksichtigung des Wohlwollensgebotes des Art. 34 der Genfer Konvention, ... (der) wirtschaftlichen Situation und ... (des) Lebensalters“ des Klägers eine - ermäßigte - Gebühr von 130 € fest.
3 Gegen die Festsetzung legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, die Gebühr sei nach der Genfer Flüchtlingskonvention soweit wie möglich herabzusetzen und daher zu erlassen. Zudem werde er - der Kläger - ungleich behandelt, denn in anderen Verfahren anerkannter Flüchtlinge seien geringere Gebühren festgesetzt worden. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
4 Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. April 2004 (InfAuslR 2004, 357) die Beklagte verpflichtet, den Antrag auf Erlass, hilfsweise Minderung der Einbürgerungsgebühren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
5 Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung sei noch § 90 AuslG, demgemäß in Bezug auf die gesetzlich vorgesehene Gebühr für die Einbürgerung (255 €) aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden könne. Von dem hier eingeräumten Ermessen habe die Beklagte durch Festsetzung der Gebühr auf nur 130 € ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht.
6 Nach der historischen Entwicklung der Einbürgerungsgebühr sehe § 90 Satz 1 AuslG nach Sinn und Zweck für die Einbürgerung eine Einheitsgebühr in einer Höhe vor, die den durch die Amtshandlung verursachten Verwaltungsaufwand jedenfalls nicht überschreiten solle. Die Ermäßigungs- und Befreiungsbefugnis in § 90 Satz 3 AuslG ermächtige zur Reduzierung der Gebühr oder zum Verzicht auf sie aufgrund von Erwägungen, die bei der Festsetzung der Einheitsgebühr durch den Gesetzgeber noch keine - positive oder negative - Berücksichtigung gefunden hätten. Zu entsprechenden Erwägungen bestehe immer dann Anlass, wenn dem öffentlichen Interesse oder den Billigkeitsgründen, die früher zu einer Privilegierung geführt hätten, durch die - niedrige - Einheitsgebühr noch nicht hinreichend Rechnung getragen werde.
7 Für die Festsetzung der Gebühren für Einbürgerungsbewerber, die als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind, gelte weiterhin Art. 34 GFK, der in innerstaatliches Recht umgesetzt sei und - soweit er ein Wohlwollensgebot enthalte, das auf das Ermessen der Einbürgerungsbehörden einwirke - jedenfalls für die Einbürgerung selbst unmittelbar anwendbar sei; es gebe keinen Grund, warum dies für die Einbürgerungsgebühr anders sein solle. Aus der Formulierung „soweit wie möglich herabzusetzen“ folge keine Verpflichtung zur generellen vollständigen Kostenbefreiung; der Verzicht auf eine Gebührenerhebung als die weitestgehende mögliche Kostenreduzierung sei gerade nicht verlangt worden, so dass die vertragsschließenden Parteien nicht generell gehindert seien, auch von Flüchtlingen Gebühren zu erheben. Soweit die Gebühren - wie hier - lediglich dazu dienten, den Verwaltungsaufwand (ganz oder teilweise) zu decken, könne Art. 34 GFK auch keine Privilegierung in dem Sinne entnommen werden, dass die Einbürgerungsgebühren für Flüchtlinge in jedem Fall geringer sein müssten als für andere nicht in gleicher Weise begünstigte Einbürgerungsbewerber. Für eine solche generelle Besserstellung von Flüchtlingen bestehe kein sachlicher Grund. Nach den heranzuziehenden Auslegungsgrundsätzen sei als Sinn und Zweck des Art. 34 Satz 2 GFK zu ermitteln, dass die erleichterte Einbürgerung von Flüchtlingen „insbesondere“ nicht daran scheitern solle, dass die Flüchtlinge die finanziellen Hürden einer Einbürgerung nicht überwinden könnten; seien die Gebühren bereits so niedrig bemessen, dass ihre Erhebung kein Hindernis für eine erleichterte Einbürgerung von Flüchtlingen bewirke, werde eine weitere Reduzierung speziell für diesen Personenkreis von der Konvention nicht verlangt. Dies verdeutlichten auch die für die Auslegung heranzuziehenden vorbereitenden Arbeiten. Der Verpflichtung aus Art. 34 Satz 2 GFK sei deshalb jedenfalls immer dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Einbürgerungsgebühren nicht über die Deckung des Kostenaufwandes hinausgingen und im Bedarfsfall so ermäßigt würden, dass sie auch für finanziell schlechter gestellte Personen kein Hindernis für die Einbürgerung darstellten. In einem Vertragsstaat, der eine entsprechende Gebührenregelung für alle Einbürgerungsbewerber vorsehe, bedürfe es deshalb keiner weitergehenden generellen Reduzierung der Gebühren für Flüchtlinge mehr. Die Auswirkungen des Wohlwollensgebotes nach Art. 34 Satz 2 GFK auf die Ermessensentscheidung im Einzelfall nach § 90 Satz 3 AuslG beschränkten sich darauf, dass dann, wenn die Einheitsgebühr eine finanzielle Hürde für die Einbürgerung darstelle, deren Reduzierung nicht nur aus Gründen der Billigkeit, sondern zusätzlich auch wegen des öffentlichen Interesses an der erleichterten Einbürgerung von anerkannten Flüchtlingen geboten sein könne. Diese zusätzliche Rechtfertigung verstärke zwar das Gewicht der für die Ermäßigung sprechenden Gründe, erfordere aber nicht eine zusätzliche oder weitergehende Reduzierung der Gebühr.
8 Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art. 34 GFK und des § 90 Satz 3 AuslG.
9 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen.
10 Die Vertreterin des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht hat eine von dem Bundesministerium des Innern erstellte „Übersicht über die von den EU-Mitgliedsländern erhobenen Gebühren in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“ (Stand: 19. Juni 2006) zu den Verfahrensakten gereicht und sich im Übrigen nicht am Verfahren beteiligt. Der Senat hat zur Auslegung und Anwendung des Art. 34 GFK in den durch die Konvention gebundenen Staaten eine Auskunft des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 1. November 2006 verwiesen.
II
11 Die Revision des Klägers ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) dahin erkannt, dass dem Kläger kein über die Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Situation hinausgehender Anspruch auf (weitere) Gebührenermäßigung oder -befreiung allein aufgrund seiner Stellung als anerkannter Flüchtling zusteht.
12 1. Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass sich die Gebührenerhebung für die zum 6. Oktober 2003 nach §§ 85 ff. AuslG a.F. bewirkte Einbürgerung des Klägers nach § 90 AuslG (2001) beurteilt, demgemäß die Gebühr für die Einbürgerung 255 € beträgt (Satz 1), wobei von der Gebühr aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden kann (Satz 3).
13 1.1 Seinem Wortlaut nach sieht § 90 Satz 3 AuslG eine besondere Gebührenermäßigung für Personen, die i.S.d. Art. 34 GFK anerkannte Flüchtlinge sind, nicht ausdrücklich vor, auch wenn sie aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses auch für anerkannte Flüchtlinge in Betracht kommt.
14 1.2 Eine systematische Auslegung bekräftigt, dass der Gebührenermäßigungstatbestand des § 90 Satz 3 AuslG, der dem § 38 (Ru)StAG entspricht, keine gesonderte Gebührenermäßigung oder eine Gebührenbefreiung allein wegen der Stellung als anerkannter Flüchtling erfordert. Der Gebührenermäßigungstatbestand knüpft an die im allgemeinen Verwaltungskostenrecht vorgesehenen Regelungen an, nach denen für bestimmte Arten von Amtshandlungen aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen oder zugelassen werden können (s. z.B. § 6 VwKostG). Durch die Möglichkeit einer Gebührenreduktion aus Billigkeitsgründen soll regelmäßig die Möglichkeit geschaffen werden, bei der Gebührenerhebung besonderen Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen, etwa dann, wenn die Gebührenerhebung nach Art oder Umfang der Verwaltungstätigkeit im Einzelfall nicht gerechtfertigt erscheint (sachlicher Billigkeitsgrund) oder sie angesichts der wirtschaftlichen Lage des Gebührenschuldners unbillig erscheint (persönlicher Billigkeitsgrund). Aus persönlichen Gründen kommt eine Billigkeitsermäßigung nach § 90 Satz 3 AuslG etwa dann in Betracht, wenn der Einbürgerungsbewerber (oder miteinbürgerungsberechtigte Familienangehörige) für seinen Lebensunterhalt auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist, ohne dass dies nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 StAG die Einbürgerung hindert, und absehbar ist, dass sich hieran in einem überschaubaren Zeitraum nichts ändern wird. Aus Gründen des öffentlichen Interesses kommt eine Gebührenermäßigung oder -befreiung in Betracht, wenn an der Amtshandlung (auch) ein öffentliches Interesse besteht oder die Verwirklichung dieses Interesses an der Gebührenerhebung zu scheitern droht. Gebührenermäßigung und -befreiung aus Gründen der Billigkeit kann dabei nur bei einzelfallbezogenen Härten gewährt werden; allgemeine Regelungen des Gesetzes dürfen nicht im Wege einer Billigkeitsmaßnahme korrigiert werden (so - zu § 38 Abs. 2 Satz 4 StAG - VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. August 2003 - 13 S 1167/02 - AuAS 2003, 251 <Ls.>). Diesen Anforderungen hat die Beklagte entsprochen und den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers durch eine spürbare Ermäßigung der Einbürgerungsgebühr auf 130 € nach Art und Umfang hinreichend Rechnung getragen. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder geltend gemacht, dass auch die Belastung des Klägers mit der ermäßigten Gebühr noch unbillig sein könnte.
15 1.3 Bei dieser Auslegung des § 90 AuslG besteht allein wegen des Umstandes, dass der Einbürgerungsbewerber i.S.d. Art. 34 GFK anerkannter Flüchtling ist, kein Grund, unabhängig von dessen wirtschaftlicher Situation die Einbürgerungsgebühr aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses zu senken oder auf ihre Erhebung vollständig zu verzichten. Die Stellung als anerkannter Flüchtling als solche hat keinen direkten Bezug zu der Erhebung einer Einbürgerungsgebühr. Diese Gebühr wird wegen eines staatsangehörigkeitsrechtlichen Verwaltungshandelns erhoben, in Bezug auf das zwischen anerkannten Flüchtlingen, Staatenlosen und sonstigen Einbürgerungsbewerbern keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass zur Vermeidung einer gleichheitswidrigen Gleichbehandlung nach dem von Art. 3 Abs. 1 GG umschlossenen Differenzierungsgebot allein eine (besondere) Gebührenminderung für die Gruppe der anerkannten Flüchtlinge der Billigkeit entspräche.
16 Die gesetzlich vorgegebene Regeleinbürgerungsgebühr ist so bemessen, dass sie den für die Prüfung eines Einbürgerungsbegehrens und die Einbürgerung selbst typischerweise entstehenden Verwaltungsaufwand nur teilweise deckt (s. BTDrucks 12/4450, 36 <zum Festbetrag nach § 38 RuStAG>), jedenfalls nicht übersteigt (BTDrucks 14/533, 12 f. 20), und knüpft in der Bemessung nicht daran an, welchen (materiellen oder immateriellen) Vorteil der Einbürgerungsbewerber durch die Einbürgerung erlangt. Dann ist auch kein Raum dafür, im Rahmen der Billigkeitsprüfung darauf abzustellen, dass der i.S.d. Art. 34 GFK anerkannte Flüchtling regelmäßig deswegen ein höheres berechtigtes Interesse an der Erlangung der Staatsangehörigkeit des Zufluchtsstaats hat, weil er wegen der Gefahr politischer Verfolgung nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren (und sich nicht unter dessen Schutz stellen <§ 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG>) kann. Selbst wenn typischerweise davon auszugehen sein sollte, dass anerkannte Flüchtlinge sich in einer wirtschaftlich schlechteren Lage befinden, gebietet dies bei einer Regelung, die eine Billigkeitsermäßigung gleichermaßen für alle Einbürgerungsbewerber in vergleichbarer wirtschaftlicher Lage vorsieht, nach Grund oder Höhe keine davon unabhängige, weitere Gebührenermäßigung.
17 2. Art. 34 GFK rechtfertigt oder gebietet keine hiervon abweichende Auslegung des § 90 AuslG.
18 Dabei ist nicht die Frage zu vertiefen, inwieweit aus Art. 34 Satz 2 GFK ein unmittelbar anzuwendender, gar tatbestandlich gebundener subjektiv-öffentlichrechtlicher Anspruch des Einbürgerungsbewerbers auf Gebührenreduktion folgt oder sich diese Regelung (zunächst) lediglich an die Vertragsstaaten richtet, welche Anstrengungen zu unternehmen haben („... make every effort ...“), um die Gebühren und Kosten für solche Einbürgerungsverfahren so weit wie möglich zu reduzieren („... to reduce as far as possible the charges and costs of such proceedings ...“). Denn auch bei einer unmittelbaren Anwendung des Art. 34 GFK mit Auswirkungen auf die Anwendung und Auslegung der nach nationalem Recht heranzuziehenden Gebührenregelungen folgte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - (auch) von Flüchtlingen keine höheren als kostendeckende, dem Gebot der Minimierung des Verwaltungsaufwandes entsprechende Gebühren erhoben werden, kein Anspruch eines Einbürgerungsbewerbers darauf, dass eine Einbürgerungsgebühr allein wegen seiner Flüchtlingseigenschaft und unabhängig von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ermäßigt oder erlassen wird.
19 2.1 In Bezug auf die Einbürgerungsgebühren gebietet Art. 34 GFK nicht einen totalen Gebührenerhebungsverzicht und enthält insbesondere kein generelles Verbot, von Flüchtlingen kostendeckende Einbürgerungsgebühren zu erheben. Die den Vertragsstaaten aufgegebene Bemühung zur Reduktion der Gebühren und Kosten des Einbürgerungsverfahrens („... as far as possible ...“) steht vielmehr unter dem Vorbehalt des „so weit wie möglich“. Ein nach der Entstehungsgeschichte erkennbarer Sinn der Regelung ist, anerkannten Flüchtlingen den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Zufluchtsstaates zu erleichtern und diesen jedenfalls nicht daran scheitern zu lassen, dass eine - typischerweise - prekäre wirtschaftliche Lage das Aufbringen von Einbürgerungsgebühren verhindert oder erschwert. Die ausdrückliche Bezugnahme auf „bedürftige“ Flüchtlinge“ („destitute refugees“) ist allerdings im Zuge der Beratungen gestrichen worden; daraus folgt indes nicht, dass dieser Schutzzweck unbeachtlich ist. Für die wirtschaftlich nicht bedürftigen Flüchtlinge wirkt der Schutz, dass für sie die Gebühren jedenfalls nicht höher ausfallen sollten als der - bei typisierender Betrachtung - tatsächlich entstehende, dem Gebot der Kostenminimierung entsprechende Verwaltungsaufwand. Dies wirkt - auch zugunsten von Flüchtlingen - Gebühren in einer Höhe entgegen, welche eine Einbürgerung faktisch aus Kostengründen verhindern oder doch wesentlich erschweren. Dieser Schutzrichtung des Art. 34 Satz 2 GFK ist in dem nationalen Recht (§ 90 AuslG <F. 2001>; § 38 StAG) für alle Einbürgerungsbewerber und damit auch für die anerkannten Flüchtlinge durch die Festgebühr von 255 € entsprochen, die eine Einbürgerung nicht behindert und erst recht keine abschreckende oder prohibitive Wirkung entfaltet; zwischen den Beteiligten steht dabei nicht im Streit, dass die Festgebühr „deutlich unterhalb der Kostendeckungsgrenze“ liegt (s. BTDrucks 12/4450, 36 <zum Festbetrag nach § 38 RuStAG>), jedenfalls aber diese nicht übersteigt (BTDrucks 14/533, 12 f. 20).
20 2.2 Dem erkennbaren Anliegen des Art. 34 Satz 2 GFK ist allerdings bei der Anwendung des § 90 AuslG Rechnung zu tragen. Art. 34 Satz 2 GFK wirkt im Zusammenhang mit Art. 34 Abs. 1 GFK, der den Vertragsstaaten aufgibt, so weit wie möglich die Einbürgerung zu erleichtern, in den Fällen, in denen nach Grund und Höhe wegen der wirtschaftlichen Situation des Einbürgerungsbewerbers eine Entscheidung über eine Gebührenermäßigung oder einen Gebührenerlass zu treffen ist, dahin, dass die Flüchtlingseigenschaft des Einbürgerungsbewerbers zu dessen Gunsten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist: Eine Gebührenermäßigung oder -befreiung, die nach Grund und Höhe einem Einbürgerungsbewerber nach den wirtschaftlichen Verhältnissen aus Billigkeitsgründen gemäß § 90 AuslG gewährt werden kann, muss bei anerkannten Flüchtlingen dann aus Gründen des öffentlichen Interesses auch gewährt werden. Diese Einwirkung auf die zu treffende Ermessensentscheidung bei aus wirtschaftlichen Gründen angezeigter Gebührenermäßigung oder -befreiung bedeutet allerdings nicht, dass die Flüchtlingseigenschaft bereits für sich genommen rechtfertigte, die Einbürgerungsgebühr zu ermäßigen oder hiervon zu befreien, die Regelung mithin auch Flüchtlinge begünstigte, die nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Weiteres in der Lage sind, eine an den entstehenden Kosten orientierte Einbürgerungsgebühr zu entrichten, und rechtfertigt auch nicht den Umkehrschluss, dass eine Reduktion des Erlass- oder Befreiungsermessens in anderen Fällen, in denen die Einbürgerung aus anderen Gründen als der Flüchtlingseigenschaft im öffentlichen Interesse liegt, nicht in Betracht komme.
21 2.3 Eine dieser Auslegung entgegenstehende, gefestigte Staatenpraxis der Konventionsstaaten zu Reichweite und Auslegung des Art. 34 GFK lässt sich nicht feststellen und folgt insbesondere nicht aus der Auskunft des Hohen Flüchtlingskommissars vom 1. November 2006, nach der auch diejenigen Konventionsstaaten, die Einbürgerungsgebühren erheben, überwiegend keine speziell an den Flüchtlingsstatus anknüpfenden Gebührenermäßigungs- oder -erlasstatbestände vorsehen.
22 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.