Beschluss vom 23.11.2022 -
BVerwG 4 B 10.22ECLI:DE:BVerwG:2022:231122B4B10.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.11.2022 - 4 B 10.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:231122B4B10.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 10.22

  • VG Hannover - 27.11.2017 - AZ: 4 A 2930/15
  • OVG Lüneburg - 10.02.2022 - AZ: 1 LB 20/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4). Daran fehlt es.

3 Die Frage,
ob der klagende Nachbar im Rahmen des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB einen Anspruch auf Einhaltung des Standes der Technik im Sinne von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 BImSchG hat, wenn er von Gerüchen einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage betroffen wird, die den von der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) für den Außenbereich festgelegten Regelwert von 15 % bzw. den von der TA Luft jetzt festgelegten Regelwert von 20 % deutlich überschreiten, aber die Hinnahme der Überschreitung als begründete Ausnahme zumutbar ist,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie geht am Inhalt des Urteils vorbei. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Bestimmung der Schädlichkeit der Geruchsimmissionen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG als Orientierungshilfe die Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung vom 29. Februar 2008/10. September 2008 (Gem. RdErl. vom 23. Juli 2009, Nds. MBl. S. 794 - GIRL a. F.) herangezogen (UA S. 7; vgl. Übergangsregelung in Nr. 8 der zum 1. Dezember 2021 in Kraft getretenen Neufassung der TA Luft vom 18. August 2021, GMBl S. 1050). Die GIRL a. F. sieht - anders als die Frage unterstellt - für den Außenbereich keinen Immissionswert vor. Entsprechend der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL a. F. hat das Oberverwaltungsgericht den maßgeblichen Immissionswert im Wege einer wertenden Betrachtung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls ermittelt. Dabei hat es - insbesondere wegen der Vorbelastung durch Intensivtierhaltung und der Siedlungsstruktur - den in der Begründung und den Auslegungshinweisen für die Geruchsbeurteilung im Außenbereich angegebenen Wert von "bis zu 0,25" der Jahresgeruchsstunden für zumutbar gehalten (UA S. 8 ff.). Die Auslegung und Anwendung der GIRL a. F. ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 7 B 38.15 - juris Rn. 7 und vom 4. Dezember 2018 - 4 B 3.18 - BRS 86 Nr. 158 S. 1041 f.). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts markiert danach hier der unstreitig eingehaltene Wert von 0,25 die Erheblichkeitsschwelle im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG. Ein Anspruch der Klägerin auf Einhaltung des Standes der Technik scheide daher mangels schädlicher Umwelteinwirkungen aus (UA S. 8, 11, 12 f.). Zur Bestätigung dieser auf eine bindende tatrichterliche Würdigung gestützten Rechtsansicht bedarf es keines Revisionsverfahrens.

4 Aus dem von der Beschwerde angeführten Urteil des Senats vom 27. Juni 2017 - 4 C 3.16 - (BVerwGE 159, 187) und dem Beschluss vom 13. Januar 2021 - 4 B 23.20 - (juris) folgt nichts anderes. Beide Entscheidungen betreffen sog. "Verbesserungsgenehmigungen", bei denen schon die Vorbelastung unzumutbar war, weil sie über den im Einzelfall jeweils maßgeblichen Immissionswerten lag. Eine solche Fallgestaltung ist hier nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht gegeben.

5 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert. Es entspricht daher der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.