Beschluss vom 30.09.2024 -
BVerwG 7 B 7.24ECLI:DE:BVerwG:2024:300924B7B7.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.09.2024 - 7 B 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:300924B7B7.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 B 7.24
- OVG Bautzen - 28.12.2023 - AZ: 1 C 15/22
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. September 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Tegethoff
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage (WEA) sowie eine nachfolgend erlassene Änderungsgenehmigung, die die Beklagte jeweils auf Antrag der Beigeladenen erteilt hat. Er ist Eigentümer eines mehr als 5 000 m von der WEA entfernt liegenden Grundstücks und macht insbesondere geltend, durch von der WEA ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen in seinen Rechten verletzt zu sein. Sein Grundstück liege im Einwirkungsbereich der WEA, da es Infraschall-Immissionen und - auch mit Blick auf das unzureichende Brandschutzkonzept - im Brandfall Gefahren durch schädigende Carbonfasern ausgesetzt sei; ein weiteres Risiko bestehe bei einem Rückbau der WEA.
2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen, da aufgrund der Entfernung des klägerischen Grundstücks zur WEA eine Verletzung in eigenen Rechten durch den Bau, Betrieb oder Rückbau der WEA aufgrund von Infraschall, tieffrequentem Schall, schädlichen Fasern oder Rauch offensichtlich nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sei. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
3 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
4 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 7 B 10.23 - juris Rn. 7). Anhand dieses Maßstabs rechtfertigt das Beschwerdevorbringen des Klägers keine Zulassung der Revision.
5
Die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
"welchen räumlichen Bereich § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG [gemeint ist § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG] einnimmt, wenn im Fall eines Brandes schädliche Umwelteinwirkungen über viele Kilometer den Wohnplatz des Klägers und den Kläger selbst nachhaltig schädigen können",
weist nicht den über den Einzelfall hinausgehenden Bezug auf und ist damit einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.
6 Die Revision ist auch deshalb nicht zuzulassen, weil der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die das Oberverwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat, geklärt ist. Danach knüpft der Begriff der Nachbarschaft, die bei Errichtung und Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu schützen ist, an den Einwirkungsbereich der Anlage an und setzt eine räumliche Nähe voraus. Zur Nachbarschaft zählen nur solche Personen, die sich in dem Einwirkungsbereich der Anlage mehr als nur gelegentlich aufhalten bzw. Rechte an dort befindlichen Sachen haben. Voraussetzung ist eine sachliche und dauerhafte Bindung zu einem Ort innerhalb des Einwirkungsbereichs im Sinne eines qualifizierten Betroffenseins, die sich deutlich abhebt von den Auswirkungen, die den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können. Zur Nachbarschaft gehören jedenfalls Eigentümer und Bewohner von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 24.16 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 28 Rn. 20 m. w. N.).
7 Gemessen hieran macht der Kläger mit seinem Beschwerdevorbringen letztlich geltend, sein Grundstück liege aufgrund der von ihm aufgezeigten Gefahren im Einwirkungsbereich der WEA. Dem widersprechen indes die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die der Senat in einem Revisionsverfahren in Ermangelung durchgreifender Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass Infraschall - wie auch tieffrequenter Schall - unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt; dies gilt jedenfalls dann, wenn der Abstand zum Immissionsort 500 m übersteigt. Auch sind weder ein Brandüberschlag noch ein Absturz von Bauteilen oder Fasern auf sein Grundstück konkret zu besorgen.
8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziff. 19.2 und 2.2 .2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.