Verfahrensinformation

Die Klägerin betreibt mehrere Anlagen zur Herstellung von Zementklinkern und zum Brennen von Kalkstein, darunter eine Anlage in Landkreis Main-Spessart. Sie steht auf dem Standpunkt, dass § 4 Abs. 7 Satz 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes -TEHG - verfassungswidrig in ihr grundrechtlich garantiertes Eigentum eingreife. Nach dieser Vorschrift sind bei Anlagen, die vor dem 15. Juli 2004 immissionsschutzrechtlich genehmigt worden sind, die Emissionsermittlungs- und -berichtspflicht nach § 5 TEHG sowie die in § 6 Abs. 1 TEHG geregelte Pflicht zur Abgabe von Emissionsberechtigungen nach Maßgabe der im vorangegangenen Jahr verursachten Emissionen als Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung anzusehen. Die Klägerin sieht in dieser Regelung einen fiktiven Verwaltungsakt, den sie mit ihrem Hauptantrag angefochten hat. Hilfsweise hat sie u.a. die Feststellung begehrt, mit der erwähnten Anlage nicht den geänderten Anforderungen zu unterliegen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat den Hauptantrag als unzulässig beurteilt, weil er sich gegen eine Maßnahme des Gesetzgebers richte und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung darüber hinaus nicht unmittelbar geändert worden sei. Den genannten Hilfsantrag hat das Gericht als unbegründet angesehen, weil die Ausgestaltung des Emissionshandelssystems im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung keinen durchgreifenden Bedenken begegne und auch nicht gegen die in Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit verstoße. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin eingelegte Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.


Pressemitteilung Nr. 39/2005 vom 30.06.2005

Einführung des Treibhausgasemissionshandels ist rechtens

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Einführung eines Emissionshandelssystems durch das am 15. Juli 2004 in Kraft getretene Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz - TEHG - mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Zweck des Gesetzes ist es, durch eine kosteneffiziente Verringerung von Kohlendioxid-Emissionen zum weltweiten Klimaschutz beizutragen. Zu diesem Zweck werden die Betreiber bestimmter industrieller Anlagen verpflichtet, ihnen zugeteilte oder von ihnen zuerworbene Berechtigungen (Zertifikate) über die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen in der Anzahl an das Umweltbundesamt abzugeben, die den Emissionen ihrer Anlagen im vorangegangenen Kalenderjahr entspricht. Diese Emissionen müssen die Betreiber nach bestimmten Maßgaben ermitteln und darüber der zuständigen Behörde berichten. Durch eine wachsende Verknappung der Berechtigungen soll die Reduzierung der Treibhausgase erreicht werden.


Die Klägerin - ein Unternehmen der Zementindustrie - wandte sich gegen ihre Pflichten nach dem TEHG. Sie rügte, dass durch die Einführung des Emissionshandelssystems in den immissionsschutzrechtlich genehmigten Bestand ihrer Anlage eingegriffen und sie dadurch in ihrem Eigentumsrecht und ihrer Berufsfreiheit verletzt werde. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.


Die Sprungrevision hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Es hat die durch Gemeinschaftsrecht vorgegebene grundlegende Entscheidung für die Einführung des Emissionshandelssystems am Maßstab europäischer Grundrechte geprüft. Diese Prüfung ergebe, dass weder in den europarechtlich geltenden Eigentumsschutz noch in die ebenfalls europarechtlich gewährleistete Berufsfreiheit unverhältnismäßig eingegriffen werde. Soweit das TEHG eigenständigen nationalen Regelungsgehalt habe, sei auch kein Verstoß gegen Bestimmungen des Grundgesetzes erkennbar; insbesondere seien die im TEHG getroffenen Zuständigkeitsregeln mit den verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen vereinbar. Soweit die Klägerin eine unzumutbare Benachteiligung der Zementindustrie bei der Zuteilung der Berechtigungen rüge, greife sie der Sache nach Vorschriften des Zuteilungsgesetzes 2007 an, deren rechtliche Beurteilung keinen Einfluss auf den Bestand ihrer Pflichten nach dem TEHG hätten. Allein diese Pflichten seien Gegenstand ihrer Klage.


BVerwG 7 C 26.04 - Urteil vom 30.06.2005


Urteil vom 30.06.2005 -
BVerwG 7 C 26.04ECLI:DE:BVerwG:2005:300605U7C26.04.0

Urteil

BVerwG 7 C 26.04

  • Bayer. VG Würzburg - 09.11.2004 - AZ: VG W 4 K 04.948

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , H e r b e r t , K r a u ß und N e u m a n n
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. November 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

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