Beschluss vom 26.09.2024 -
BVerwG 1 WB 44.24ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B1WB44.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.09.2024 - 1 WB 44.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260924B1WB44.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 44.24

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Geyer und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Fronmüller
am 26. September 2024 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die Verpflichtung zur Duldung einer COVID-19-Impfung.

2 Der ... geborene Antragsteller war zuletzt mit dem Dienstgrad eines Hauptfeldwebels Soldat auf Zeit. Nach Ablauf seiner vierzehnjährigen Dienstzeit ist der Antragsteller am 3. Januar 2024 entlassen und in die Reserve versetzt worden.

3 Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den COVID-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen. Nach Nr. 1080 AR A1-840/8-4000 erfordern die COVID-19-Impfstoffe eine oder zwei Teilimpfungen sowie Auffrischimpfungen gemäß den aktuellen nationalen Empfehlungen. Nach Nr. 2023 und 2024 AR A1-840/8-4000 ist für alle Kräfte (Einheiten und Einzelpersonen), die für Hilfs- und Unterstützungsleistungen im Inland eingesetzt werden - die sogenannten "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" – die Basisimmunisierung erforderlich. Nr. 210 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 "Impf- und weitere ausgewählte Prophylaxemaßnahmen" sieht vor, dass alle Soldaten die angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen und Impfungen der "Hilfs- und Katastrophenkräfte Inland" zu dulden haben. Nach Nr. 406 ZDv A-840/8 sind damit alle aktiven Soldaten duldungspflichtig zu impfen, sofern in der Person des Soldaten keine individuelle medizinische Kontraindikation vorliegt.

4 Im Dezember 2021 wurde gegen den Antragsteller eine Geldbuße in Höhe von 2 500 € verhängt, weil er am 9. Dezember 2021 den Termin für eine COVID-19-Impfung verstreichen ließ, obwohl ihm zuvor wiederholt befohlen worden war, sich im Sanitätsversorgungszentrum der Kaserne untersuchen und impfen zu lassen. Der Antragsteller erhielt im Februar 2022 eine weitere Geldbuße in Höhe von 3 000 €, weil er sich am 2. Februar 2022 entgegen einem telefonisch erteilten Befehl bei einem für ihn vereinbarten Impftermin nicht gegen COVID-19 habe impfen lassen. Die verhängten Geldbußen sind mittlerweile rechtskräftig (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Oktober 2024 - 2 WNB 2.24 - und vom 23. Oktober 2024 - 2 WNB 3.24 -).

5 Gegen die Änderungen der AR A1-840/8-4000 hat der Antragsteller unter dem 25. September 2023 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag am 20. August 2024 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt.

6 Mit Schreiben vom 20. August 2024 teilte das Bundesministerium der Verteidigung mit, dass der Wehrmedizinische Beirat unter dem 22. Mai 2024 für eine Herabstufung der bisherigen Duldungspflicht für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hin zu einer bloßen Empfehlung einer Impfung gegen COVID-19 votiert habe. Daraufhin habe das Kommando des Sanitätsdienstes der Bundeswehr eine Neubewertung vorgenommen und im Anschluss an das Votum des Wehrmedizinischen Beirats vorgeschlagen, die AR A1-840/8-4000 entsprechend zu ändern. Diesem Vorschlag ist der Bundesminister der Verteidigung am 28. Mai 2024 gefolgt und habe dessen Umsetzung eingeleitet.

7 Der Antragsteller trägt vor, für die Fortsetzungsfeststellungsanträge bedürfe es keines Fortsetzungsfeststellungsinteresses. Streitgegenständlich sei mit der angefochtenen Duldungspflicht ein Befehl, für den § 19 Abs. 1 Satz 2 WBO gelte. Jedenfalls sei das nach § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung aus mehreren Gründen zu bejahen.

8 Es bestehe eine Wiederholungsgefahr. Hierfür reiche es schon aus, dass das Bundesministerium der Verteidigung den Standpunkt vertrete, seine Verfahrensweise gebe zu Beanstandungen keinen Anlass. Angesichts der fehlenden bzw. unzureichenden Evaluierung der Duldungspflicht bestehe die Gefahr, dass die derzeitige "Impfempfehlung" ohne Weiteres später wieder zu einer Pflicht "hochgestuft" werden könne. Hierfür spreche insbesondere das äußerst kurzfristige Handeln des Ministeriums unmittelbar vor dem Gerichtstermin, ohne dass es nach außen tretende wesentliche neue Erkenntnisse in Bezug auf die COVID-19-Infektionslage oder die Schutzwirkungen der COVID-19-Impfungen gegeben habe.

9 Darüber hinaus bestehe ein Rehabilitationsinteresse. Es sei jedenfalls dann gegeben, wenn ein schwerwiegender bzw. tiefgreifender Grundrechtseingriff in Rede stehe und auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden solle. Das sei hier der Fall, weil mit der Aufnahme der COVID-19-Impfung in das Basisimpfschema in die körperliche Integrität eingegriffen werde. Die Anordnung der Duldungspflicht habe diskriminierende Wirkung entfaltet. Hier hätten sich die Soldaten einer befohlenen Impfung nicht entziehen können, weil eine Verweigerung eine disziplinarische Ahndung nach sich gezogen habe. Eine wiederholte Befehlsverweigerung sei eine Straftat, die mit einem sozialethischen Unwert belegt sei. Eine ablehnende Impfentscheidung von Soldaten habe gegen geltendes Recht verstoßen und zu sozialer und beruflicher Ächtung sowie in wirtschaftlicher Hinsicht durch Kürzungen der Bezüge bis hin zu einer unehrenhaften Entlassung auch zu wirtschaftlicher Existenznot geführt.

10 Er sei innerhalb seines Verbandes verunglimpft worden. So hätten drei Kameraden seinen Schreibtisch mit verschiedenen Zetteln und Papieren mit beleidigenden Kommentaren und Texten "umgestaltet", um ihn als Impfleugner zu diffamieren und ihn angeblich zum Impfen zu motivieren; auf die von dem Antragsteller dazu mitgeteilten Einzelheiten wird verwiesen. Durch diesen Vorfall sei er traumatisiert worden. Er sei zudem in seiner Existenz bedroht worden, wie die gegen ihn angestrengten wehrdisziplinarrechtlichen Verfahren zeigten, die zur Verhängung von Geldbußen geführt hätten. In diesem Zusammenhang sei ihm von seinem Disziplinarvorgesetzten auch Arrest angedroht worden. Das massive psychologische Druckszenario, welches vom Dienstherrn ausgegangen sei, die gezielte Diskreditierung und die Ausgrenzung auch durch die Kameraden hätten bei ihm ihre Wirkung entfaltet. Er sei überdies langfristig erkrankt. Ihre unmittelbare Ursache hätte diese Erkrankung in einer von ihm als unausweichlich empfundenen Situation, die geprägt gewesen sei von Ängsten vor einer nicht ausreichend getesteten "Impfung" mit unter Umständen noch unbekannten schwerwiegenden und/​oder langfristigen gesundheitlichen Folgewirkungen einerseits und andererseits von der Angst vor dem Verlust des bisherigen Berufsumfelds, der Kameraden sowie der der wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Hinzugekommen sei die Sorge wegen der disziplinar- und strafgerichtlichen Folgen seines Verhaltens. Er habe seinen Status als "tadelfreier Soldat" verloren.

11 Es bedürfe zudem der gerichtlichen Klärung, ob während der Zeit, in der seiner Auffassung nach die Duldungspflicht längst hätte aufgehoben sein müssen, sein Ansehen bei Dienstvorgesetzten (als tadelfreier Soldat) zu Unrecht auf Basis der streitgegenständlichen Anordnung und der zuvor erwähnten Handlungshilfe herabgesetzt worden sei. Bei Soldaten, die wie er mit ihrem Dienstherrn lebenslang über ein Dienstverhältnis mit Treuepflichten verbunden seien, sei es unter entsprechender Heranziehung der nach § 15 AGG und § 9 KSchG geltenden Maßstäbe zwingend, dass ihnen zumindest die Möglichkeit offen stehen müsse, bei einer in Rede stehenden tiefgreifenden Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte, die bei ihm mit einem weitreichenden Vertrauensverlust sowie dem Verlust der Stellung als "tadelfreier Soldat" einhergehe (partielle) Wiedergutmachung und Genugtuung dadurch zu erlangen, dass die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Dienstherrn festgestellt werde.

12 Er habe zudem ein berücksichtigungsfähiges Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Aspekt der beabsichtigten Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Disziplinarbußen wegen der von ihm angeblich begangenen Dienstpflichtverletzungen. Es bestehe zudem die Möglichkeit, dass ihm wegen der mittelbar diskriminierenden Wirkung der Anordnung der Verteidigungsministerin ein Schadensersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 SoldGG zustehe. Hier sei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SoldGG eine Diskriminierung wegen der Weltanschauung erfolgt. Der Anspruch sei nicht nach § 12 Abs. 3 SoldGG ausgeschlossen. Nach Bekanntwerden der RKI-Protokolle stünde des Weiteren die Möglichkeit im Raum, gegen andere Amtsträger und öffentliche Stellen Amtshaftungsansprüche geltend zu machen.

13 Selbst wenn keine Entschädigungsansprüche wegen der erlittenen Einbußen an Lebensqualität usw. in Betracht kämen, ergäbe sich im Umkehrschluss sein anerkennungsfähiges Interesse an einer Wiedergutmachung in Form der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung vom 24. November 2021.

14 Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Anordnung der Bundesverteidigungsministerin vom 24. November 2021, die COVID-19-Schutzimpfung in das Basisimpfschema der Bundeswehr "Allgemeine Regelung (AR) Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - A1-840/8-4000" aufzunehmen, rechtswidrig war,
hilfsweise festzustellen, dass die Änderung des Basisimpfschemas der Bundeswehr "Allgemeine Regelung (AR) Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil - A1-840/8-4000", mit der die COVID-19-Schutzimpfung in das Basisimpfschema aufgenommen wurde, rechtswidrig war.

15 Das Bundesministerium der Verteidigung tritt dem Antrag entgegen.

16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Die Anträge sind unzulässig.

18 1. Der gegen die Anordnung der Bundesministerin der Verteidigung vom 24.  November 2021 gerichtete Hauptantrag ist bereits deshalb unzulässig, weil es sich dabei nicht um eine dienstliche Maßnahme i. S. d. § 17 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO handelt.

19 a) Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei.

20 Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u. a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - juris Rn. 26 ff. und vom 21. März 2019 - 1 WB 38.18 - juris Rn. 12). Etwas anderes gilt nur für solche, eine andere Entscheidung vorbereitenden Maßnahmen, die diese wesentlich prägen (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 WB 7.18 - juris Rn. 10).

21 b) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Anordnung der Bundesministerin der Verteidigung vom 24. November 2021 lediglich um einen letzten Verfahrensschritt auf dem Weg zur Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen. Die Bundesministerin ersucht in dieser Anordnung ihren nachgeordneten Bereich lediglich intern um die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen für die Aufnahme der SARS-CoV-2-Impfung in das duldungspflichtige Basisimpfschema. Erst mit der Einarbeitung dieser internen Willensentscheidung in das Regelwerk der Allgemeinen Regelung (AR) A1 840/8-4000 und mit der Zeichnung und Veröffentlichung der ausformulierten Änderungen ist eine extern wirkende dienstliche Maßnahme entstanden. Die interne Anweisung zu dieser Ausarbeitung und Veröffentlichung ist ebenso wenig wie die vorangegangene Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG oder die Anrufung des Schlichtungsausschusses nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SBG eine nach außen wirkende dienstliche Maßnahme. Erst wenn das Bundesministerium der Verteidigung auf der Grundlage der Empfehlung des Schlichtungsausschusses nach § 38 Abs. 4 Satz 4 SBG endgültig entscheidet und eine neue Grundsatzregelung veröffentlicht, liegt eine nach außen wirksame, dienstliche Maßnahme vor.

22 2. Der von dem Antragsteller hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen rechtswidrig war, ist zwar grundsätzlich statthaft (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO). Er erweist sich aber deshalb als unzulässig, weil dem Antragsteller dafür kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite steht.

23 a) Dieses berechtigte Interesse ist - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht nach § 19 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO entbehrlich. Denn bei der Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen handelt es sich nicht um einen Befehl, dessen gerichtliche Überprüfung ein berechtigtes Interesse des Soldaten daran nicht erfordert.

24 aa) Nach der - auch für das Wehrbeschwerdeverfahren maßgeblichen - Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 2 WStG (BVerwG, Beschluss vom 12. August 2008 - 1 WB 35.07 - BVerwGE 132, 1 Rn. 24) ist ein Befehl eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter einem Untergebenen schriftlich, mündlich oder in anderer Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt.

25 bb) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Erlässt das Bundesministerium der Verteidigung oder eine nachgeordnete Dienststelle allgemeine Verwaltungsvorschriften - wie hier die Allgemeine Regelung (AR) A1 840/8-4000 - so fehlt es häufig bereits an dem für einen Befehl erforderlichen militärischen Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis. Denn nur der Bundesminister der Verteidigung und sein Vertreter im Amt üben als oberste Vorgesetzte die Befehls- und Kommandogewalt für die gesamte Bundeswehr nach Art. 65a GG aus (BVerwG, Urteil vom 26. September 2006 - 2 WD 6.06 - BVerwGE 127, 1 Rn. 83). Im vorliegenden Fall ist die Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1 840/8-4000 vom Kommandeur Sanitätsdienst und die parallele Änderung der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-840/8 von einem Abteilungsleiter des Bundesministeriums der Verteidigung gezeichnet worden, sodass schon deswegen kein Befehl an alle aktiven Soldatinnen und Soldaten, sondern nur eine allgemeine Verwaltungsvorschrift für den Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung vorliegt.

26 Es fehlt ferner an einer Anweisung zu einem bestimmten Verhalten. Mit der Aufnahme der COVID-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen im November 2021 ist die Pflicht zur Duldung dieser Impfung zwar aktiviert worden. Der Verwaltungserlass regelt indessen noch nicht alle für den einzelnen Soldaten maßgeblichen Fragen. Insbesondere wird der zu verwendende Impfstoff nicht definitiv festgelegt. Dies geschieht erst, wenn der jeweilige Soldat keinen gültigen Impfnachweis vorlegt, wenn der Truppenarzt dessen medizinische Impftauglichkeit feststellt und den infrage kommenden Impfstoff bestimmt. Demzufolge muss die Duldungspflicht im Einzelfall durch einen Befehl des Disziplinarvorgesetzten erst noch durchgesetzt werden (BVerwG, Beschluss vom 7.  Juli 2022 - 1 WB 2.22 - BVerwGE 176, 138 Rn. 31) und kann sich schon angesichts der jeweils individuell zu berücksichtigenden Umstände in den einzelnen Fällen der von der Duldungspflicht betroffenen Soldaten nicht schon mit dem Verwaltungserlass realisieren. Damit kommt diese Pflicht - anders als der Antragsteller meint - auch nicht etwa einem Befehl gleich. Überdies ist sie für den Fall, dass ein Soldat sie ohne einen entsprechenden Befehl nicht erfüllt, nicht unmittelbar mit dem Eintritt von wehrdisziplinar- oder strafrechtlichen Konsequenzen verknüpft.

27 b) Für das von § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) geforderte Feststellungsinteresse gibt es mehrere Fallgruppen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Ein Feststellungsinteresse kommt zudem in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 24. April 2024 - 1 WB 21.23 - juris Rn. 20 m. w. N.). Darüber hinaus wird ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei qualifizierten Grundrechtsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit Maßnahmen anerkannt, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (vgl. stRspr; BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 - 6 C 2.22 - NVwZ 2024, 1027 Rn. 21 f.).

28 Das für die Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrages erforderliche berechtigte Interesse muss bezogen auf den jeweiligen Antragsgegenstand vorliegen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), der verlangt, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an "dieser" Feststellung hat, mithin an der Feststellung, dass die dienstliche Maßnahme rechtswidrig ist (so zu der insoweit vergleichbaren Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 - 8 C 3.19 - BVerwGE 167, 189 Rn. 15; ebenso Kopp/​Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 113 Rn. 130).

29 aa) Für eine konkrete Wiederholungsgefahr fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.

30 (1) Ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten dienstlichen Maßnahme setzt unter dem hier geltend gemachten Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte und nicht nur abstrakte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige dienstliche Maßnahme ergehen wird (vgl. zum Verwaltungsprozessrecht BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 2019 - 8 C 3.19 - BVerwGE 167, 189 Rn. 15 und vom 24. April 2024 - 6 C 2.22 - NVwZ 2024, 1027 Rn. 17). Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses der erledigten dienstlichen Maßnahme, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 4 C 12.04 - juris Rn. 8 m. w. N.; im Anschluss daran auch der vom Antragsteller zitierte VGH München, Urteil vom 8. Dezember 2020 - 7 B 19.14 97 - juris Rn. 22). Entgegen der Ansicht des Antragstellers reicht es jedenfalls nicht aus, dass das Bundesministerium der Verteidigung sein Vorgehen nach wie vor für rechtmäßig erachtet (vgl. zum Verwaltungsprozessrecht OVG Bremen, Urteil vom 8. Januar 2019 - 1 LB 252/18 - NordÖR 2019, 198 <199>; ebenso Kopp/​Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 113 Rn. 141).

31 (2) Ausgehend hiervon ist weder nach dem Vorbringen des Antragstellers noch sonst erkennbar, dass es in absehbarer Zeit zu einer Situation kommen könnte, die zur erneuten Aufnahme der COVID-19-Impfung in den Katalog der Basisimpfungen führen würde. Das gilt bereits deshalb, weil bei den Soldaten der Bundeswehr nach den Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung gegenwärtig ein sehr hoher Impfschutz im Sinne einer Basisimmunität in Kombination mit einer durch vergangene Erkrankungswellen entstandenen hohen Quote einer so genannten hybriden Immunität vorliegt. Darüber hinaus ist mit dem Bundesministerium der Verteidigung anzunehmen, dass die Bevölkerung infolge der bisherigen Zirkulation des SARS-CoV-2-Virus eine latente Durchseuchung mit der Folge erfahren hat, dass die COVID-19-Erkrankung ihr hohes Bedrohungspotential verloren und sich zu einer "normalen" Infektionskrankheit entwickelt hat. Wie sich die Krankheit und das SARS-CoV-2-Virus weiterentwickeln werden, lässt sich nicht näher bestimmen. Für die Annahme, dass das von dem Virus ausgehende Bedrohungspotential ein Niveau erreichen wird, das erneut zur Einführung einer Duldungspflicht führen könnte, fehlt es an belastbaren Anhaltspunkten. Auch der Antragsteller trägt hierzu nichts Substantielles vor, sondern belässt es bei der auf die Behauptung einer unzureichenden Evaluierung der Duldungspflicht durch den Dienstherrn gegründeten vagen Spekulation, die beabsichtigte Empfehlung für COVID-19-Schutzimpfungen könne ohne Weiteres wieder "hochgestuft" werden zu einer Duldungspflicht. Daraus lässt sich jedoch eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht ableiten.

32 bb) Ein Rehabilitierungsinteresse ist ebenfalls zu verneinen.

33 (1) Dieses Interesse setzt voraus, dass der angefochtenen Maßnahme oder Entscheidung selbst eine diskriminierende Wirkung zuzuschreiben ist oder dass der jeweilige Antragsteller Umstände vorträgt, die entweder objektiv gesehen im Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung auf eine Diskriminierungsabsicht oder auf eine tatsächlich durch die angegriffene Entscheidung eingetretene Diskriminierung schließen lassen (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - NZWehrr 2014, 255 <256> m. w. N.).

34 (2) Diese Bedingungen sind hier nicht erfüllt. Eine unmittelbare oder beabsichtigte Diskriminierung des Antragstellers lässt sich aus dem Inhalt des Erlasses über die Aufnahme der COVID-19-Impfung in die Liste der grundsätzlich verpflichtenden Basisimpfungen nicht ansatzweise erkennen. Eine Stigmatisierung des Antragstellers, die geeignet sein könnte, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen, ist mit dem auf eine Gesunderhaltung der Soldatinnen und Soldaten und auf die Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gerichteten Erlass nicht bezweckt; von dieser in seinen für alle Soldatinnen und Soldaten geltenden Rechtswirkungen und faktischen Wirkungen neutralen dienstlichen Maßnahme kann keine Stigmatisierung ausgehen.

35 Auch der Antragsteller leitet eine entsprechende Wirkung in erster Linie nicht aus dem Inhalt des Erlasses ab. Vielmehr beruft er sich auf für ihn und andere Soldaten mit der Ablehnung der Duldungspflicht angeblich verbundene Stigmatisierungen im Rahmen des militärischen Alltags. Hierin liegt keine im Rechtssinne diskriminierende Wirkung des Aufnahmeerlasses. Das gilt auch für den von dem Antragsteller geschilderten Vorfall, seinen Schreibtisch betreffend, der überdies - wie die behaupteten stigmatisierenden Handlungen von Vorgesetzten - kein Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist. Soweit der Antragsteller seine Rechte durch unkameradschaftliches und ehrverletzendes Verhalten anderer Soldaten verletzt sah, stand ihm der Rechtsbehelf der Kameradenbeschwerde offen.

36 Soweit sich der Antragsteller im vorliegenden Zusammenhang der Sache nach auf die gegen ihn auf wehrdisziplinarrechtlicher Grundlage ausgesprochenen Geldbußen wegen seiner Weigerungen gegenüber Befehlen seiner Disziplinarvorgesetzten beruft, sich der Duldungspflicht zu unterziehen, bleibt dies schon deshalb unergiebig, weil diese Maßnahmen nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind. Es handelt sich auch um keinen Umstand, der entweder objektiv gesehen im Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung auf eine Diskriminierungsabsicht oder auf eine tatsächlich durch die angegriffene Entscheidung eingetretene Diskriminierung schließen lässt; hierzu lässt sich aus dem Antragsvorbringen nichts entnehmen. Angesichts dieser Umstände führt auch der Hinweis des Antragstellers auf die Handlungshilfe für Disziplinarvorgesetzte vom 17. Dezember 2021 nicht weiter. Die Verfahren anderer Soldaten sind für die hier anzustellende Beurteilung ohnehin bedeutungslos.

37 Mit seinem Hinweis, dass er durch seine Vorgesetzten einem "massiven psychologischen Druckszenario" ausgesetzt gewesen sei, trägt der Antragsteller ebenfalls keine Umstände vor, die auf eine Diskriminierung durch den angefochtenen Erlass deuten könnten. Auch das von ihm erwähnte Trauma und die daraus resultierende Erkrankung, die er in einen Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Verhalten seiner Vorgesetzten und Kameraden stellt, lässt keinen Schluss auf eine Herabsetzung des Ansehens des Antragstellers in der Öffentlichkeit und im sozialen Umfeld zu.

38 Die von dem Antragsteller angestellten Erwägungen zu den sich aus § 9 KSchG und § 15 Abs. 1 und 2 AGG ergebenden Maßstäbe führen nicht weiter, weil sie sich der Sache nach nicht auf den Antragsgegenstand, sondern auf die zuvor beschriebenen Maßnahmen und Handlungen von Vorgesetzten bzw. auf Fälle anderer Soldaten beziehen. Die von ihm dafür verlangte Genugtuung kann ihm das hiesige Verfahren jedenfalls nicht bieten. Das gilt gleichermaßen für eine von dem Antragsteller erstrebte "ideelle" Wiedergutmachung für eine mit dem Antragsgegenstand angeblich verbundene rechtswidrige Behandlung durch den Dienstherrn.

39 cc) Der Antragsteller macht auch keine qualifizierte Grundrechtsbeeinträchtigung im Zusammenhang mit einer Maßnahme geltend, die sich typischerweise kurzfristig erledigt. Bei der hier streitgegenständlichen dienstlichen Maßnahme handelt es sich - wie bereits erörtert - um eine Daueranordnung, für die ein entsprechend begründetes Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht geltend gemacht werden kann (vgl. zu Dauerverwaltungsakten BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 40.12 - juris Rn. 31 m. w. N.).

40 dd) Ein zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigendes Feststellungsinteresse des Antragstellers ergibt sich schließlich nicht aus der von ihm bekundeten Absicht, einen Schadensersatzanspruch wegen Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG sowie einen Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 1 und 2 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 SoldGG geltend zu machen.

41 (1) Wird das Feststellungsinteresse auf diese Absicht gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme bzw. der Unterlassung fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für den nachfolgenden Schadensersatzprozess zu erhalten. Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme bzw. der Unterlassung überprüft (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2017 - 1 WB 33.17 - juris Rn. 10; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 1. März 2023 - 1 WB 12.22 , 1 WB 24.22 - juris Rn. 28).

42 Diese letztere Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Antragsteller begründet sein Interesse an der Feststellung mit der Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Der Rechtsstreit hat sich bereits vor Rechtshängigkeit mit Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung am 20. August 2024 in der Hauptsache erledigt. Der Antragsteller wurde am 3. Januar 2024 entlassen und ist in die Reserve versetzt worden. Seitdem unterliegt der frühere Soldat nicht mehr der angefochtenen Anweisung und gehört damit auch nicht mehr zum impfpflichtigen Personenkreis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 2023 - 1 WB 11.22 - juris Rn. 16 ff.).

43 (2) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt eines Präjudizinteresses ist zudem deshalb zu verneinen, weil bei Annahme der Zulässigkeit eines - auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen dienstlichen Maßnahme zu verschiedenen Zeitpunkten gerichteten - Fortsetzungsfeststellungsantrages schwierige, umfangreiche, angesichts der seit der Einführung der Duldungspflicht zu beobachtenden Veränderungen der pandemischen Lage nicht mehr zu überschauende und kostenintensive Aufklärungsmaßnahmen des Gerichts als erforderlich erschienen, die sich der Beantwortung kontrovers diskutierter und sehr komplexer naturwissenschaftlicher Fragen widmen müssten. Bei der gebotenen prozessökonomischen Handhabung des § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO wäre dies auch mit Blick auf den Gedanken, dem Antragsteller "Früchte" der bisherigen Prozessführung zu erhalten, nicht sachgerecht (zu diesem Gesichtspunkt vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1998 - 4 C 14.96 - NVwZ 1998, 1295 <1296>; VGH Mannheim, Urteil vom 8. Juni 1993 - 10 S 110/92 - NVwZ 1994, 709 <712>).