Beschluss vom 25.04.2024 -
BVerwG 4 BN 5.24ECLI:DE:BVerwG:2024:250424B4BN5.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.04.2024 - 4 BN 5.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:250424B4BN5.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 5.24

  • VGH Mannheim - 11.01.2024 - AZ: 8 S 2463/22

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. April 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Seidel
beschlossen:

  1. Der Antrag der Antragstellerin auf Beiordnung eines Notanwalts für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Januar 2024 wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision sowie gegen die Streitwertfestsetzung in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Januar 2024 werden verworfen.
  3. Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, über den das Bundesverwaltungsgericht entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2022 - 2 B 29.22 - juris Rn. 5 m. w. N.), ist abzulehnen.

2 Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78b Abs. 1 ZPO ist einem Verfahrensbeteiligten auf dessen Antrag hin in einem dem Vertretungszwang unterliegenden Verfahren durch Beschluss für den Rechtszug ein Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

3 Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist hier eröffnet. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegt gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO dem Vertretungszwang. Er dient einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung, die die Gerichte im Blick auf eine effektive Aufgabenerledigung entlastet und zugleich im wohlverstandenen Interesse des rechtsunkundigen Beteiligten liegt (BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17; Beschluss vom 3. August 1983 - 9 C 1007.81 - Buchholz 303 § 137 ZPO Nr. 1 S. 2). Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin begegnet die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung weder mit Blick auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) noch hinsichtlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) Bedenken. Denn es ist - auch unter Berücksichtigung der Regelungen über die Prozesskostenhilfe sowie über die Beiordnung eines Notanwalts - nicht erkennbar, dass hierdurch der Zugang zum Bundesverwaltungsgericht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. März 1959 - 1 BvL 5/57 - BVerfGE 9, 194 <199 f.> und vom 3. Dezember 1986 ‌- 1 BvR 872/82 - BVerfGE 74, 78 <93>; BVerwG, Beschlüsse vom 30. Januar 1980 - 7 B 1.80 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 51, vom 5. Januar 1993 ‌- 11 B 51.92 - Buchholz 436.36 § 18b BAföG Nr. 5 S. 11 und vom 22. Oktober 2012 - 3 B 81.12 - juris Rn. 3).

4 Die Voraussetzungen für die Beiordnung liegen jedoch nicht vor. Zum einen hat die Antragstellerin nicht, wie geboten, innerhalb der Einlegungsfrist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie rechtzeitig alles ihr Zumutbare getan hat, um sich vertreten zu lassen. Dazu gehört, dass sie eine angemessene Zahl postulationsfähiger Prozessvertreter vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2023 - 6 B 42.23 - juris Rn. 2 m. w. N.). Die Antragstellerin macht demgegenüber unter Bezugnahme auf ein an das Verwaltungsgericht gerichtetes Schreiben lediglich geltend, an der Beauftragung eines Rechtsanwalts "in Eigenregie" wegen nicht weiter erläuterter schlechter Erfahrungen und genereller Vorbehalte gegenüber der Qualität anwaltlicher Tätigkeit kein Interesse zu haben.

5 Zum anderen ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch aussichtslos. Aussichtslosigkeit ist nur dann gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 - 2 B 4.17 - Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 11 m. w. N.). Hieran sind aus verfassungsrechtlichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Dezember 2002 - 1 BvR 1710/02 - juris Rn. 11 ff.). Es darf keinem Beteiligten verwehrt werden, eine auch nur geringe Chance auf einen Verfahrenserfolg wahrzunehmen. Nach diesem Maßstab ist hier von der Aussichtslosigkeit auszugehen. Denn es spricht nichts dafür, dass die Revision gegen den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs zuzulassen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unzulässig abgelehnt, weil zum einen der Antrag verfristet und zum anderen die Antragstellerin nicht ordnungsgemäß vertreten sei. Es ist nicht ersichtlich, dass bezüglich der beiden selbständig tragenden Begründungen jeweils ein durchgreifender Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

6 Was die fehlende ordnungsgemäße Vertretung vor dem Verwaltungsgerichtshof angeht, ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht gegeben. Es bedarf keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der in § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO auch für Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof angeordnete Vertretungszwang ebenso wie der vor dem Bundesverwaltungsgericht mit verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2006 - 10 B 39.06 - juris Rn. 1; Czybulka/Siegel, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn. 46). Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem der angegriffene Beschluss beruhen kann, ist ebenso wenig dargetan. Der Verwaltungsgerichtshof musste der Antragstellerin für sein Verfahren keinen Notanwalt beiordnen, um so deren Verfahrensrechte zu wahren. Ob dies schon daraus folgt, dass die Antragstellerin ungeachtet des entsprechenden Hinweises in der Eingangsverfügung des Verwaltungsgerichtshofs einen ausdrücklichen Antrag im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt hat, kann dahinstehen. Denn auch wenn ungeachtet dessen auf den bereits in einem an das Verwaltungsgericht gerichteten Schreiben enthaltenen Antrag abzustellen wäre, ergäbe sich aus der unterbliebenen Bescheidung dieses Antrags kein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler. Denn es fehlt jedenfalls wiederum an der substantiierten Darlegung, dass die Antragstellerin sich erfolglos um einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt bemüht hätte, sodass eine Beiordnung nicht in Betracht kam.

7 Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof die Ablehnung des Normenkontrollantrags mit dessen Verfristung begründet hat, weil er nicht innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden sei, liegt ein Zulassungsgrund - wie hier in dieser Hinsicht allein zu erwägen - in Gestalt eines Verfahrensmangels nicht vor. Die auf den missverstandenen Ergebnissen einer Internetrecherche beruhende irrige Einreichung einer "Normenkontrollklage" beim Bundesverfassungsgericht, die dort als offensichtlich unzulässiges Rechtsschutzbegehren lediglich ins Allgemeine Register eingetragen worden ist, konnte die Frist - anders als die Klageerhebung bei einem unzuständigen (Fach-)Gericht und anschließender Verweisung des Rechtsstreits (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2019 - 7 C 12.18 - BVerwGE 167, 245; siehe auch OVG Lüneburg, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 7 KN 21/20 - juris Rn. 29) – nicht wahren. Ein Anlass zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ist nicht gegeben.

8 2. Die von der Antragstellerin persönlich erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie sowohl die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO) als auch die weitere Frist zu deren Begründung (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) versäumt hat. Die Schreiben vom 21. Februar 2024 und vom 23. März 2024 konnten diese Fristen nicht wahren, weil sie nicht von einem vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten gezeichnet sind (§ 67 Abs. 4 Satz 1 bis 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 VwGO). Auf das Vertretungserfordernis hat der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses hingewiesen. Wegen der Erfolglosigkeit des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts besteht kein Anlass der Antragstellerin wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 60 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 ‌- 2 B 4.17 - Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 20).

9 3. Die vorinstanzliche Streitwertentscheidung ist kein tauglicher Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die mithin gesondert erhobene Streitwertbeschwerde ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 152 Abs. 1 VwGO unstatthaft und deshalb ebenfalls zu verwerfen.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich - wie die Entscheidung der Vorinstanz - an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 18. Juli 2013.