Beschluss vom 02.07.2014 -
BVerwG 1 B 2.14ECLI:DE:BVerwG:2014:020714B1B2.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.07.2014 - 1 B 2.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:020714B1B2.14.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 2.14

  • VG Stuttgart - 17.06.2013 - AZ: VG 11 K 377/13
  • VGH Mannheim - 11.12.2013 - AZ: VGH 11 S 1770/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
und Dr. Maidowski
beschlossen:

  1. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., ..., beigeordnet.
  2. Auf die Beschwerde des Klägers wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 11. Dezember 2013 aufgehoben.
  3. Die Revision wird zugelassen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die Voraussetzungen des § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO vorliegen.

2 Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.

3 Die Revision kann dem Senat Gelegenheit geben, zu den aufenthaltsrechtlichen Wirkungen der bestandskräftigen Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung nach Inkrafttreten der Änderungen des Aufenthaltsgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes zum 1. Dezember 2013 (Art. 1, 2 und 7 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl I S. 3474) bei Vorliegen von Ausschlussgründen Stellung zu nehmen.

4 Über die weiteren Zulassungsrügen braucht nicht mehr entschieden zu werden.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 16.14 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.

Urteil vom 25.03.2015 -
BVerwG 1 C 16.14ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U1C16.14.0

Leitsätze:

1. Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ist nicht mit der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG gleichzusetzen, so dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. auf der Grundlage der Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht in Betracht kommt.

2. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG steht die Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung entgegen (§ 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG). Für das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes kommt es nicht darauf an, ob eine gegenwärtige Wiederholungsgefahr besteht.

  • Rechtsquellen
    Richtlinie 2004/83/EG Art. 15, 17, 24
    Richtlinie 2011/95/EU Art. 15, 17, 18, 24
    AufenthG a.F. § 60 Abs. 2, § 72 Abs. 2
    AufenthG n.F. § 25 Abs. 2 und 3 Satz 2 Nr. 2, § 60 Abs. 5 und 7, § 104 Abs. 9
    AsylVfG § 4 Abs. 1 und 2

  • VG Stuttgart - 17.06.2013 - AZ: VG 11 K 377/13
    VGH Mannheim - 11.12.2013 - AZ: VGH 11 S 1770/13

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 - 1 C 16.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U1C16.14.0]

Urteil

BVerwG 1 C 16.14

  • VG Stuttgart - 17.06.2013 - AZ: VG 11 K 377/13
  • VGH Mannheim - 11.12.2013 - AZ: VGH 11 S 1770/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass für ihn ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. (hinsichtlich Sri Lanka) vorliegt.

2 Der 1976 geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er reiste 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erkannte den Kläger mit Bescheid vom 19. März 1998 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Herkunftsstaates vorliegen. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

3 Der Kläger ist vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im November 2000 war er wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, aufgrund derer sich der Kläger bis zum April 2003 in Haft befand. Daraufhin war der Kläger mit Verfügung des Regierungspräsidiums vom 17. April 2002 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 12. Juli 2005 wurde die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen. Zugleich wurde festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Nachdem das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage abgewiesen hatte, verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof die Beigeladene mit Urteil vom 21. April 2009, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Dem kam das Bundesamt nach und stellte mit Bescheid vom 9. Juli 2009 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG fest.

4 Im April 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, zu erteilen. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 23. April 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die seitdem fortlaufend verlängert wurde.

5 Im August 2012 bat die Beklagte das Bundesamt gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG um Mitteilung, ob der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG vorliegt. Dies wurde vom Bundesamt bejaht.

6 Mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ab, weil der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen habe und daher ein Ausschlussgrund vorliege. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium zurück.

7 Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG liege nicht vor. Die gewerbs- und bandenmäßige Schleusertätigkeit des Klägers sei nicht mehr geeignet, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung zu tangieren.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgeschlossen, da diese Regelung zum 1. Dezember 2013 außer Kraft getreten sei. Nach neuem Recht gebe es für einen Ausländer, für den ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei, keine Anspruchsgrundlage mehr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. scheide als Rechtsgrundlage bereits tatbestandlich aus, weil diese Regelung das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG und damit eines nationalen Abschiebungshindernisses voraussetze, das vom Bundesamt festzustellen wäre. Eine solche Feststellung sei nicht bereits in dem hier durch das Bundesamt festgestellten Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. enthalten. Eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage sei nicht mehr gegeben. Eine solche stelle auch § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. nicht dar. Diese Bestimmung setze voraus, dass das Bundesamt dem Ausländer den Flüchtlingsstatus im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder den subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt habe. Das bei dem Kläger festgestellte Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. sei dem subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG materiell nicht gleichzusetzen. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG seien nicht erfüllt, da der Kläger im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. gewesen sei. Eine Übergangsregelung für noch nicht abgeschlossene Verfahren, in denen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung streitig sei, enthalte das Gesetz nicht. Dies begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Neuregelung lediglich verfahrensrechtliche Konsequenzen und keinen Eingriff in materielle Rechtspositionen zur Folge habe. Denn Ausländer, zu deren Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG a.F. festgestellt worden seien, könnten die Nachholung einer Statusentscheidung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beim Bundesamt beantragen. Die Würdigung des Klageziels ergebe, dass es dem Kläger bei Klageerhebung um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem beliebig zukünftigen Zeitpunkt gegangen sei, weshalb ausschließlich neues Recht zur Anwendung komme. Die hilfsweise gestellten Anträge auf rückwirkende Erteilung seien unzulässig, da es sich insoweit um unzulässige Klageerweiterungen handele. Da der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises keinen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt habe, könne offenbleiben, ob er die Feststellung hätte begehren können, dass die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig gewesen ist. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsbegehren wäre jedenfalls unbegründet gewesen, weil der Kläger wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt habe. Denn der Kläger habe eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. begangen. Es komme nicht darauf an, wie lange die Tat zurückliege und ob gegenwärtig eine Wiederholungsgefahr bestehe.

9 Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, dass die bestandskräftige Feststellung des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. den subsidiären Schutzstatus des § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beinhalte. Durch eine Gesetzesänderung dürfe er nicht den Status des Abschiebungsverbots verlieren, da ansonsten die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt werde. Außerdem beinhalte das festgestellte Abschiebungsverbot auch das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 und/oder 7 Satz 1 AufenthG. Nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie sei die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr zu erteilen. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung stünden, da seine - des Klägers - Verurteilung bereits über 13 Jahre zurückliege, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr entgegen.

10 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

11 Die Beigeladene trägt vor: Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Regelungssystematik sprächen dafür, dass mit dem Status nach § 4 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung habe geschaffen werden sollen, bei der allein für einen abgegrenzten und fest umschriebenen Personenkreis rückwirkend eine Gleichstellung habe vorgenommen werden sollen. Dafür habe nicht allein der Umstand genügt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei.

II

12 Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs.2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen.

13 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auf der Grundlage des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 9. Juli 2009 festgestellten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162). Das nicht mit einer näheren zeitlichen Bestimmung versehene Verpflichtungsbegehren des Klägers ist auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ex nunc gerichtet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge, die auf eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtet sind, unzulässig waren, da diese in erster Instanz nicht Streitgegenstand waren und das Urteil, gegen das der Kläger fristgerecht keine Anschlussberufung eingelegt hatte, nicht zum Nachteil des Berufungsklägers abgeändert werden darf (Verbot der reformatio in peius).

14 Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 und vom 14. Mai 2013 - 1 C 16.12 - BVerwGE 146, 271 Rn. 14). Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) am 1. Dezember 2013 ist § 25 AufenthG in seiner seitdem geltenden Fassung der Prüfung der Verpflichtungsklage zugrunde zu legen.

15 2. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 3 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ausscheidet, da diese Regelung außer Kraft getreten ist. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU ist eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage, wonach eine Aufenthaltserlaubnis u.a. bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. erteilt werden sollte, nicht mehr gegeben. Eine dieser früheren Vorschrift entsprechende Anspruchsgrundlage stellt auch § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. nicht dar. Nach dieser Bestimmung ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt hat. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine nach der früheren Rechtslage getroffene Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. keine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG und dieser auch nicht gleichzusetzen.

16 Nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Neuregelung sollte mit dem Status nach § 4 Abs. 1 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung geschaffen werden. Die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. trifft zwar eine Aussage über die Schutzbedürftigkeit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9), sogenannte Qualifikationsrichtlinie (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Nach dem Regelungssystem des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBI. I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 - bewirkte sie aber keine Entscheidung über den subsidiären Schutzstatus nach Unionsrecht. Denn die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzstatus nach Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG waren nicht schon bei der Beurteilung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. zu prüfen; sie waren vielmehr erst als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgestaltet. Aus der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 bis 7 AufenthG a.F. allein folgte auch noch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. war lediglich richtlinienkonform dahin auszulegen, dass bei einem subsidiär Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis nur abgelehnt werden durfte, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Erteilung entgegenstanden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13).

17 Erst das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU hat in Angleichung an die Richtliniensystematik mit § 4 AsylVfG einen eigenständigen Schutzstatus geschaffen (BT-Drs. 17/13063 S. 20). In § 4 AsylVfG wird die Prüfung der Schutzbedürftigkeit (Abs. 1) und des Vorliegens von Ausschlussgründen (Abs. 2) zusammengefasst und insgesamt dem Bundesamt übertragen. § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG n.F. räumt nur international Schutzberechtigten, also Personen, denen vom Bundesamt der Status nach Prüfung und Verneinung von Ausschlussgründen zuerkannt worden ist, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein, es sei denn, der Ausländer wurde aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Die bloße Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. belegt mangels Prüfung der unionsrechtlich auch für den subsidiären Schutzstatus zwingend geltenden Ausschlussgründe materiell gerade nicht das Vorliegen des subsidiären Schutzstatus.

18 3. Der Kläger gilt auch nicht nach der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG.

19 a) Nach § 104 Abs. 9 Satz 1 AufenthG gelten Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (a.F.) besitzen, weil das Bundesamt oder die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung vorliegen, als subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG und erhalten von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, es sei denn, das Bundesamt hat die Ausländerbehörde über das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung unterrichtet.

20 Der Kläger war indes zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. Überdies hatte das Bundesamt unter dem 1. Oktober 2012 und 22. November 2012 das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. bejaht.

21 b) Für eine analoge Anwendung des § 104 Abs. 9 AufenthG auf Fälle, in denen an dem maßgeblichen Stichtag ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. bestand, fehlt es an Anhaltspunkten für eine Gesetzeslücke. Die Entstehungsgeschichte bekräftigt vielmehr, dass der Gesetzgeber bewusst nur für die abgeschlossenen Verfahren eine Übergangsvorschrift schaffen wollte (BT-Drs. 17/13063 S. 25). Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes ist Zweck der Übergangsvorschrift, Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten hatten, weil sie die Voraussetzungen von § 60 Absatz 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der früheren Fassung erfüllten, international subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylVfG gleichzustellen. Angesichts der Verlagerung der Berücksichtigung von Gründen, die (auch) den subsidiären Schutz ausschließen, von der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Gewährung eines Schutzstatus setzt dies in Bezug auf das Aufenthaltstitelerfordernis eine abgeschlossene Prüfung voraus, ob solche Gründe vorliegen, und ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn - wie hier - das Bundesamt gegenüber der Ausländerbehörde das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen, die jenen des § 4 Abs. 2 AsylVfG entsprechen, zum Ausdruck gebracht hat.

22 c) Die Anwendung des § 109 Abs. 4 AufenthG ist auch nicht geboten, um eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personen auszuschließen, für die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt, denen aber keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. erteilt worden war. Von der Systemumstellung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU bleibt der Abschiebungsschutz durch die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. unberührt; mangels Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. wird auch sonst nicht in einen schutzwürdigen Besitzstand eingegriffen. Der nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. vor Abschiebung geschützte Ausländer ist von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. auch nicht dauerhaft ausgeschlossen. Er kann die Nachholung einer Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG beantragen und damit auch die nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht durchzuführende Prüfung einleiten, ob Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2 AsylVfG bestehen. Die Gründe, die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG a.F. die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen haben, entsprechen den in Art. 17 Abs. 1 RL 2004/83/EG bzw. Art. 17 Abs. 1 RL 2011/95/EU inhaltsgleich geregelten Gründen, die eine Gewährung subsidiären Schutzes ausschließen und ihrerseits der Sache nach den Ausschlussgründen des § 4 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F. entsprechen. Dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG eine "schwere Straftat" verlangt, wohingegen § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" vorausgesetzt hat, bewirkt lediglich eine redaktionelle Abweichung (vgl. VGH München, Urteil vom 15. Juni 2011 - 19 B 10.25 39 - juris Rn. 34; Hailbronner, AuslR, Stand: September 2014, § 25 AufenthG Rn. 74).

23 Ein Antrag auf nachholende Feststellung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ist jedenfalls bei Schutzsuchenden, deren Asylverfahren bis zum 30. November 2013 mit der Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AsylVfG abgeschlossen worden war, auch kein Folgeantrag im Sinne des § 71 AsylVfG. Denn bis zum 1. Dezember 2013 gab es im nationalen Recht keinen Antrag auf Feststellung eines eigenständigen, subsidiären Schutzstatus, der erst durch § 4 AsylVfG n.F. in das nationale Recht eingeführt worden ist. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. kann ein Schutzsuchender auch sein Begehren von Anfang an auf die Gewährung internationalen Schutzes und damit auch auf die Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beschränken.

24 4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F.

25 a) Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. steht allerdings nicht schon entgegen, dass für den Kläger ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden ist, nicht ein solches nach nationalem Recht. Auch nach der ab dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage wird das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK nicht durch das unionsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt (vgl. - zur Gesetzeslage bis zum 30. November 2013 - BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 34 ff.). Die allgemeine Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG stünde der Erteilung des Aufenthaltstitels ebenfalls nicht entgegen; sie ist durch die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. beseitigt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10).

26 b) Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. ist hier aber deswegen nicht zu erteilen, weil dem als Ausschlussgrund (§ 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG) entgegensteht, dass der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Dieser Ausschlussgrund ist durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. nicht weggefallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 ‌- juris Rn. 10). Die Versagungsgründe des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind gefahrenunabhängige Ausschlussgründe wegen Unwürdigkeit, keine der Gefahrenabwehr dienende Erteilungssperre.

27 Eine Straftat im Sinne des § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. erfordert ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (vgl. zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG a.F. - BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 20).

28 Daran gemessen ist die von dem Kläger begangene Straftat eine solche von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Nach dem der Verurteilung zugrunde liegenden § 92b Abs. 1 AuslG (i.d.F. vom 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3186) wurde das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Ausländern mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Bereits aus der Höhe der angedrohten Mindest- und Höchststrafe ergibt sich, dass es sich um eine besonders schwerwiegende Straftat handelt. Auch die konkrete Tatverwirklichung durch den Kläger war nach Art und Schwere so gewichtig, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unbillig wäre. Durch die Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wurde der Strafrahmen zur Hälfte ausgeschöpft. Zudem hatte die Strafkammer wegen der großen Anzahl der einzelnen Taten sowie des Gewichts der von dem Kläger erbrachten Tatbeiträge einen minderschweren Fall nach § 92b Abs. 2 AuslG verneint.

29 Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, dass die von ihm begangenen Straftaten weit zurückliegen und von ihm keine gegenwärtige Gefahr ausgehe. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG ist - anders als der Versagungsgrund nach § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG a.F. - nicht gefahren- oder präventionsabhängig konzipiert, sondern als dauerhaft wirkender Ausschlusstatbestand (BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10). Im Anschluss an Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/83/EG bezeichnet er Fälle, in denen der Ausländer einer Aufenthaltsgewährung als unwürdig erachtet wird. Diese aus der Begehung einer schweren Straftat folgende "Unwürdigkeit", einen qualifizierten Aufenthaltstitel zu gewähren, besteht auch dann fort, wenn keine Wiederholungsgefahr (mehr) besteht und von dem Ausländer auch sonst keine aktuellen Gefahren für den Aufenthaltsstaat ausgehen (vgl. auch - für die Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c RL 2004/83/EG - der Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 9. November 2010 - C-57/09 und C-101/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​661], BRD ./. B. und D. - Rn. 104).

30 5. Der Kläger kann sich schließlich schon deswegen nicht unmittelbar auf Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU berufen, weil aus den zu 4. benannten Gründen der Ausschlussgrund der schweren Straftat nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU vorliegt.

31 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.