Verfahrensinformation



Der Kläger - eine anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung - wendet sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines (landseitigen) LNG-Terminals einschließlich eines Lagers für verflüssigtes Erdgas in Stade an der Unterelbe (Niedersachsen). Die Genehmigung ist bis 2043 befristet.


Der Widerspruch des Klägers gegen die Genehmigung blieb erfolglos.


Mit seiner Klage, für die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig ist, rügt er, der angefochtene Bescheid sei verfahrensfehlerhaft ergangen und verstoße gegen materielles Recht. Dies gelte für die Betriebslaufzeit des LNG-Terminals, die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstands zu schutzbedürftigen Gebieten, die Anlagensicherheit, den Klimaschutz sowie den Naturschutz. Für die Anlage bestehe kein energiewirtschaftlicher Bedarf.


Beschluss vom 24.02.2025 -
BVerwG 7 A 3.24ECLI:DE:BVerwG:2025:240225B7A3.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.02.2025 - 7 A 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:240225B7A3.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 A 3.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2025
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
Dr. Löffelbein sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

Die vom A. und vom Richter am Bundesverwaltungsgericht B. mit dienstlichen Erklärungen vom 29. Januar 2025 angezeigten Sachverhalte begründen nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Gründe

I

1 Der Beklagte wird von Herrn Rechtsanwalt C. aus der Kanzlei D. vertreten. Mit dienstlicher Erklärung vom 29. Januar 2025 hat der Senatsvorsitzende A. angezeigt, dass sein Sohn E. seit dem 1. März 2024 als Anwalt in der Kanzlei D. tätig ist. Sein Sohn sei dort allerdings ausschließlich dem Dezernat von Prof. Dr. D. zugewiesen. Für das Dezernat C. habe er bisher nicht gearbeitet und das sei auch nicht zu erwarten. Das Senatsmitglied Richter am Bundesverwaltungsgericht B. hat mit dienstlicher Erklärung vom 29. Januar 2025 angezeigt, dass ein anderer Rechtsanwalt aus der Kanzlei D. ihn seit ca. eineinhalb Jahren in einem dienstrechtlichen Verfahren vertrete. Das gerichtliche Verfahren sei zwar seit November 2024 abgeschlossen, die anwaltliche Beratungstätigkeit dauere aber noch an.

2 Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu den dienstlichen Äußerungen Stellung zu nehmen. Die Beigeladene hat sich dahin geäußert, dass sie keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit sehe. Der Kläger hat mitgeteilt, er vertraue im Ergebnis auf die Fähigkeit beider Richter, trotz der mitgeteilten Sachverhalte unbefangen entscheiden zu können.

II

3 Der Senat entscheidet anlässlich der Selbstanzeige zweier Senatsmitglieder über deren Befangenheit gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 48 und 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung der betreffenden Richter in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO).

4 Wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 1 BvR 471/10 u. a. - BVerfGE 135, 248 Rn. 23). Solche Zweifel können sich aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits sowie aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder - wie hier in Rede stehend - zu Prozessbeteiligten ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17 - NJW 2019, 516 Rn. 10).

5 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die einen Beteiligten vor diesem Richter vertritt (BGH, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11 - NJW 2012, 1890 Rn. 9 ff.; vgl. auch Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17 - NJW 2019, 516 Rn. 15). Der Bundesgerichtshof hat die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit darauf gestützt, bei einer in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei als Rechtsanwältin arbeitenden Ehefrau bestehe schon aufgrund der besonderen Nähe des Ehegatten des Richters zu dem Prozessbevollmächtigten die Gefahr, dass der Prozessbevollmächtigte auf die Ehefrau und diese wiederum auf den erkennenden Richter Einfluss nehme. Mithin kann ein Befangenheitsgrund auch in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen des Richters zu einem Mitglied der als Prozessbevollmächtigte auftretenden Rechtsanwaltssozietät liegen (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 42 ZPO Rn. 12).

6 Nach diesen Maßstäben ist eine Befangenheit des A. wegen der Tätigkeit seines Sohnes als Anwalt in der Kanzlei D. hier nicht zu besorgen. Das Näheverhältnis eines Vaters zu seinem erwachsenen Sohn, der nach Abschluss seiner juristischen Ausbildung an einem anderen Ort, nämlich in X, tätig ist, ist nicht ohne Weiteres mit dem ehelichen Näheverhältnis zu vergleichen. Zudem besteht die Kanzlei D. in X ausweislich ihres Internetauftritts derzeit aus insgesamt 33 Berufsträgern. Zu dieser größeren Anzahl von Rechtsanwälten gehört seit März 2024 der Sohn des Richters, der dem Dezernat eines Partners, der in dem hiesigen Rechtsstreit nicht auftritt, zugewiesen ist. Diese Konstellation unterscheidet sich auch deutlich von der einer (abgelehnten) Richterin, die noch ein Jahr zuvor in der Kanzlei ihres Vaters, die in dem Rechtsstreit auftrat, anwaltlich tätig war (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. Mai 2024 - 2 WF 55/24 - ‌NJW 2024, 3382 Rn. 14). Dass hier die nahe Verwandtschaft den Richter dazu bewegen könnte, allein wegen des Arbeitsverhältnisses seines Sohnes der den Beklagten vertretenden großen Rechtsanwaltskanzlei entweder (unbewusst) solidarisch oder - umgekehrt - besonders kritisch zu begegnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2024 - 9 C 3.23 - juris Rn. 10), ist nicht ersichtlich.

7 2. Allgemeine geschäftliche oder berufliche Beziehungen und Kontakte des Richters zu dem Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten ohne besondere Nähe und Intensität genügen nicht für die Annahme der Befangenheit des Richters (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2013 - AnwZ (Brfg) 24/12 - NJW-RR 2013, 1211 Rn. 8). Danach gibt die in der dienstlichen Erklärung von Richter am Bundesverwaltungsgericht B. mitgeteilte Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt der Kanzlei D. in einem gänzlich anderen Sachgebiet keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln.

8 3. Schließlich haben auch die Beteiligten auf der Grundlage der ihnen bekannten dienstlichen Äußerungen keinen Anlass gesehen, die betroffenen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.