Verfahrensinformation

Der Beklagte wendet sich mit seiner Revision gegen die durch die Vorinstanzen ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger, einem muslimischen Metzger, eine Ausnahmegenehmigung für das Schächten (Schlachten ohne vorherige Betäubung) zu erteilen.


Nachdem der Kläger zunächst bis Ende September 1995 in ununterbrochener Reihenfolge Ausnahmegenehmigungen nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG erhalten hatte, lehnte die damals zuständige Behörde die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen ab. Nach Erfolglosigkeit der hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hob durch Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - die klageabweisenden Gerichtsentscheidungen auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht Gießen zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten ablehnten, den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzten. Die Vorinstanzen haben daraufhin den Beklagten dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten zu erteilen, die jedoch mit Nebenbestimmungen versehen werden könne.


Gegen diese Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, wie § 4a Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. TierSchG nach der durch Gesetz vom 26. Juli 2002 erfolgten Einfügung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in Art. 20a GG verfassungskonform auszulegen ist.


Pressemitteilung Nr. 64/2006 vom 23.11.2006

Genehmigung zum betäubungslosen Schlachten für Muslime trotz Verfassungsänderung

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz es nicht ausschließt, einem muslimischen Metzger eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen zu erteilen, um seine Kunden entsprechend ihrer Glaubensüberzeugung mit Fleisch zu versorgen.


Das Tierschutzgesetz verbietet grundsätzlich das betäubungslose Schlachten. Es sieht aber eine Ausnahmegenehmigung vor, um den Bedürfnissen der Angehörigen von Religionsgemeinschaften zu entsprechen, denen zwingende Glaubensvorschriften den Genuss des Fleisches von Tieren verbietet, die vor der Schlachtung betäubt worden sind.


Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und sunnitischer Muslim. Er lebt seit ca. 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und betreibt eine Metzgerei. Er macht geltend, zwingende religiöse Vorschriften untersagten ihm und seinen muslimischen Kunden den Verzehr von Fleisch vor der Schlachtung betäubter Tiere. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er deswegen bis Anfang September 1995 Ausnahmegenehmigungen zum Schlachten ohne Betäubung. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1995, mit dem die Versagung einer zur Versorgung von sunnitischen Muslimen mit Fleisch- und Wurstwaren begehrten Ausnahmegenehmigung für rechtmäßig befunden worden war, verweigerte der Beklagte dem Kläger die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen. Nach Erfolglosigkeit der hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hob durch Urteil vom 15. Januar 2002 die klageabweisenden Gerichtsentscheidungen auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten ablehnten, den Kläger in seinen Grundrechten verletzten. Die Vorinstanzen haben daraufhin den Beklagten dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zum Schlachten ohne vorherige Betäubung zu erteilen. Hiergegen hat der Beklagte Revision mit der Begründung eingelegt, mit der Einfügung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz hätten sich die Gewichte zugunsten des Tierschutzes verschoben.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Das Gesetz beabsichtige, sowohl den betroffenen Grundrechten als auch den Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung zu tragen. Dem diene die an enge Voraussetzungen zum Schutz der Religionsfreiheit geknüpfte Ausnahmevorschrift für ein betäubungsloses Schlachten. Hieran habe sich durch die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz nichts geändert. Eine andere Betrachtung würde einen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Vorrang des Tierschutzes bedeuten.


BVerwG 3 C 30.05 - Urteil vom 23.11.2006


Urteil vom 23.11.2006 -
BVerwG 3 C 30.05ECLI:DE:BVerwG:2006:231106U3C30.05.0

Leitsatz:

Die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in Art. 20a GG schließt es nicht aus, einem muslimischen Metzger eine Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 TierSchG zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen zu erteilen, um seine Kunden entsprechend ihrer Glaubensüberzeugung mit Fleisch zu versorgen. Auf der Grundlage von § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ist der erforderliche Ausgleich zwischen dem zur Staatszielbestimmung erhobenen Tierschutz und den betroffenen Grundrechten weiterhin so herzustellen, dass beide Wirkung entfalten können.

Urteil

BVerwG 3 C 30.05

  • VGH Kassel - 24.11.2004 - AZ: VGH 11 UE 317/03 -
  • Hessischer VGH - 24.11.2004 - AZ: VGH 11 UE 317/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette,
Liebler und Prof. Dr. Rennert
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und sunnitischer Muslim. Er lebt seit etwa 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und betreibt eine Metzgerei. Er macht geltend, zwingende religiöse Vorschriften untersagten ihm und seinen muslimischen Kunden den Verzehr des Fleisches von Tieren, die vor der Schlachtung betäubt worden sind. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er deswegen bis Anfang September 1995 Ausnahmegenehmigungen zum Schlachten ohne Betäubung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1995 - BVerwG 3 C 31.93 - (BVerwGE 99, 1), mit dem die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Versorgung von sunnitischen Muslimen mit Fleisch- und Wurstwaren abgelehnt worden war, verweigerte der Beklagte dem Kläger weitere Ausnahmegenehmigungen. Nach Erfolglosigkeit der hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hob durch Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - (BVerfGE 104, 337) die klageabweisenden Gerichtsentscheidungen auf und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten ablehnten, den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzten.

2 Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten daraufhin verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die dagegen gerichteten Berufungen hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung zu. Zwar sei die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts infolge der Einfügung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz teilweise entfallen. Damit sei eine Neubewertung des Tierschutzes und seines Verhältnisses zu anderen Rechtsgütern erforderlich geworden. Bezogen auf die grundrechtliche Ausgangslage entfalte das Urteil aber weiterhin Bindungswirkung. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG betroffen sei. Auf dieser Grundlage sei die Erteilung der Ausnahmegenehmigung an den Kläger erforderlich, um den Bedürfnissen von Angehörigen einer islamischen Religionsgemeinschaft zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagten. Der Begriff der Religionsgemeinschaft sei auch nach Einfügung des Staatszieles Tierschutz in das Grundgesetz so auszulegen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht konkretisiert habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Verwirklichung des Staatszieles Tierschutz in erster Linie dem Gesetzgeber obliege und dass dieser bisher keine Veranlassung gesehen habe, die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot des betäubungslosen Schlachtens zu ändern. Der Kläger habe durch Vorlage mehrerer Stellungnahmen von Predigern und anderen religiösen Verantwortlichen sowie mehrerer hundert eidesstattlicher Versicherungen seiner Kunden dargelegt, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes gegeben seien. Die Sache sei aber noch nicht spruchreif, weil die Ausnahmegenehmigung mit sachgerechten Nebenbestimmungen inhaltlich auszugestalten sei.

3 Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er ist der Auffassung, dass das Berufungsgericht seiner Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhalts gemäß § 86 VwGO nicht nachgekommen sei, weil es schon auf der Grundlage der von dem Kläger vorgelegten mehreren hundert eidesstattlichen Versicherungen den Nachweis des Vorhandenseins einer Religionsgemeinschaft als erbracht angesehen habe. Die prozessrechtswidrige Verwertung von eidesstattlichen Versicherungen und anderen Urkunden begründe auch einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 VwGO, da das unmittelbare Beweismittel der persönlichen Vernehmung den Urkundsbeweis verdränge. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof sowohl § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG i.V.m. § 31 BVerfGG als auch Art. 20a GG unrichtig angewandt. Das Gericht sei bei der Auslegung des Begriffs der „Religionsgemeinschaft“ von einer Bindung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen und habe diesen Begriff unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte dahingehend ausgelegt, dass eine Gruppe von Menschen ausreiche, die durch eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbunden sei, ohne dass diese Gruppe eine verbandsmäßige Struktur aufweisen müsse. Diese Auslegung sei zu weit, weil es die erforderliche gemeinsame Glaubensüberzeugung nicht gebe; das betäubungslose Schächten dürfe nicht alleiniger Zweck der Gruppengründung sein. Fraglich sei auch, wie die Mitglieder der Gruppe „zwingende Vorschriften“ aufstellen könnten, da diese Mitglieder das Gebot des betäubungslosen Schächtens schon vor ihrer Mitgliedschaft als zwingend erfahren hätten. Der Verwaltungsgerichtshof habe darüber hinaus die Bedeutung des Art. 20a GG verkannt, weil er in erster Linie den Gesetzgeber als Adressaten gesehen habe. Aus der Entstehungsgeschichte folge vielmehr, dass zunächst die Rechtsprechung gefordert sei, den Tierschutz angemessen umzusetzen.

4 Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, dass das Europäische Halal-Zertifizierungsinstitut neue Richtlinien erarbeite, nach denen die Elektrokurzzeitbetäubung vor der Schlachtung zulässig sei. Mit Schriftsatz vom 20. November 2006 trägt der Beklagte zudem vor, der Kläger sehe entgegen seinem bisherigen Vorbringen in dem Beruf eines „muslimischen Metzgers“ keineswegs seine alleinige Existenzgrundlage, da er anderen Orts auch schon einmal Schafe nach vorheriger Elektrokurzzeitbetäubung geschlachtet habe, ohne dort eine Ausnahmegenehmigung vom Betäubungsgebot beantragt zu haben.

5 Der Kläger weist darauf hin, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt den Inhalt der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen bestritten und auch keinen Beweisantrag gestellt habe. Für die andauernde Bindungswirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts trotz der Änderung des Art. 20a GG sei deren materiellrechtliche Reichweite maßgebend. Tatsächlich sei die Bindungswirkung im konkreten Fall gar nicht entfallen, weil das Bundesverfassungsgericht den Tierschutz in seiner Entscheidung bereits wie ein verfassungsrechtliches Rechtsgut behandelt habe.

II

6 Die Revision ist unbegründet, da das angefochtene Urteil nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes - TierSchG - zuerkannt.

7 Nach § 4a Abs. 1 TierSchG darf ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist. Abweichend davon bedarf es keiner Betäubung, wenn die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

8 1. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. November 2000 - BVerwG 3 C 40.99 - (BVerwGE 112, 227) entschieden hat, verlangt § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG mit dem Begriff der Religionsgemeinschaft keine Gemeinschaft, die im Sinne des Art. 137 Abs. 5 WRV die Voraussetzungen für die Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft erfüllt oder gemäß Art. 7 Abs. 3 GG berechtigt ist, an der Erteilung von Religionsunterricht mitzuwirken. Für die Bewilligung einer Ausnahme nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ist vielmehr ausreichend, dass der Antragsteller einer Gruppe von Menschen angehört, die eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbindet (vgl. a.a.O., S. 234 f.). Als Religionsgemeinschaften im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG kommen deshalb auch Gruppen innerhalb des Islam in Betracht, deren Glaubensrichtung sich von derjenigen anderer islamischer Gemeinschaften unterscheidet, wenn diese Glaubensrichtung für sich die zwingende Notwendigkeit des betäubungslosen rituellen Schächtens als anerkannte bindende Verhaltensregel betrachtet (vgl. a.a.O., S. 236). An dieser Auslegung, die sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - (BVerfGE 104, 337 <353 ff.>) zu eigen gemacht hat, ist festzuhalten. Damit steht die Auffassung des Beklagten im Widerspruch, die insoweit maßgebliche Gruppe brauche eine bestimmte Verfasstheit und eine sichtbare Organisation. Das Abstellen auf die Glaubensüberzeugung der Religionsgemeinschaft soll der willkürlichen Durchbrechung des Betäubungsgebots unter Berufung auf eine individuelle Glaubenshaltung entgegenwirken. Dazu reicht die Feststellung, dass der Betreffende gemeinsam mit einer nennenswerten Zahl Gleichgesinnter aus seinem Glauben das zwingende Verbot des Verzehrs von Fleisch nicht geschächteter Tiere herleitet. Auf dieser Grundlage ist es zwar richtig, dass die gemeinsame Glaubensüberzeugung sich nicht allein auf das Schächten beschränken darf. Das bedeutet aber nicht, dass die Mitglieder der Religionsgemeinschaft im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG sich auch in anderen Fragen als dem Schächten von den allgemeinen Glaubensinhalten des Islam absetzen und unterscheiden müssten. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Gruppe von Muslimen aus den Grundlagen ihrer Religion die zwingende Verpflichtung des Schächtens von Schlachttieren entnimmt.

9 Dies hat auch Auswirkungen auf den Begriff der „zwingenden Vorschriften“, auf den § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG weiter abstellt. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob die Gemeinschaft als Organisation das betäubungslose Schlachten dekretieren und den Mitgliedern aus eigener Machtvollkommenheit verbindlich auferlegen kann. Entscheidend ist vielmehr, ob die verbindende Glaubensüberzeugung diese Art des Schlachtens zwingend gebietet.

10 2. Die Änderung des Art. 20a GG gibt keinen Anlass, von der dargelegten Auslegung abzugehen. § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ist weiterhin verfassungsgemäß.

11 Auszugehen ist davon, dass alle Gerichte des Instanzenzugs in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 6 VwGO grundsätzlich an die zurückverweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind, wie sich aus dem Sinn und Zweck einer solchen Zurückverweisung ergibt. Zwar greift die Bindung nicht, wenn nach der Zurückverweisung eine Rechtsänderung stattgefunden hat; sie entfällt jedoch nur soweit, wie die Rechtsänderung reicht, und bleibt im Übrigen bestehen.

12 Aufgrund der Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG hat sich freilich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Anspruchsnorm des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG verschoben. Während vorher der Schwerpunkt der Prüfung darin lag, ob das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eine unangemessene Einschränkung der Grundrechte des Klägers bewirkt, ist nunmehr auch und gleichsam gegenläufig zu prüfen, ob die ausnahmsweise Erlaubnis zum betäubungslosen Schlachten mit Art. 20a GG vereinbar ist. Auch wenn die Einfügung des Tierschutzes als Staatsziel eine verfassungsrechtliche Aufwertung gebracht hat, genießt dieser Belang keineswegs Vorrang gegenüber anderen Verfassungsgewährleistungen (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 14. April 2005 - BVerwG 3 C 31.04 - Buchholz 451.16 § 9 BJgdG Nr. 8). Vielmehr ist es vorrangig Aufgabe des Gesetzgebers, dieses Anliegen zu einem gerechten Ausgleich mit etwa widerstreitenden Grundrechten zu bringen. Dementsprechend muss die an enge Voraussetzungen zum Schutz der Religionsfreiheit geknüpfte Vorschrift im Tierschutzgesetz nach wie vor als Richtschnur des Gesetzgebers betrachtet werden, diesen Ausgleich zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit so herzustellen, dass beide Wirkung entfalten können. Ziel der Regelung des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ist es, den Grundrechtsschutz gläubiger Juden und Muslime zu wahren, ohne damit die Grundsätze und Verpflichtungen eines ethisch begründeten Tierschutzes aufzugeben. Hieran hat sich durch die Verankerung des auch schon zuvor als „hoher Gemeinwohlbelang“ angesehenen Tierschutzes im Grundgesetz nichts geändert. Eine andere Betrachtung würde einen weder von der Verfassung vorgegebenen noch vom Gesetzgeber beabsichtigten Vorrang des Tierschutzes bedeuten und dazu führen, dass der Grundrechtsschutz gläubiger Juden und Muslime insoweit leerliefe. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist weiterhin uneingeschränkt vorgegeben, dass für einen Schlachter, dessen berufliche Tätigkeit durch die Zielsetzung gekennzeichnet ist, seine - durch eine entsprechende Glaubensüberzeugung gebundenen - Kunden mit dem Fleisch (betäubungslos) geschächteter Tiere zu versorgen, das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art 4 GG streitet, was bei der Auslegung des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG zu beachten ist (vgl. BVerfGE 104, 337 <353 ff.> sowie Beschluss vom 18. Januar 2002 - 1 BvR 2284/95 - NJW 2002, 1485).

13 3. Nach den Feststellungen der Vorinstanz liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 TierSchG vor. Der Senat hält es mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2002 (a.a.O. S. 354 f.) weiterhin für ausreichend, „dass derjenige, der die Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG zur Versorgung der Mitglieder einer Gemeinschaft benötigt, substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass nach deren gemeinsamer Glaubensüberzeugung der Verzehr des Fleisches von Tieren zwingend eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt“ (vgl. zur Darlegungslast auch Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 8.91 - BVerwGE 94, 82 <87 f.>). Da der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sogar nachgewiesen hat, dass für ihn die Ausnahmegenehmigung zum Schächten erforderlich ist, um den Bedarf seiner durch eine entsprechende Glaubensüberzeugung gebundenen Kunden zu befriedigen, käme es im Übrigen auf die Frage, ob nach der Einfügung des Tierschutzes als Staatsziel in Art. 20a GG der Nachweis dieser Voraussetzungen notwendig ist, nicht an.

14 4. Zu Unrecht meint die Revision, die Verwertung der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen zu Beweiszwecken sei unzulässig gewesen, weil Zeugen stets in Person gehört werden müssten. Diese Sichtweise verkennt die Eigenschaft dieser seit Jahren vorliegenden Erklärungen, deren Wahrheitsgehalt unbestritten war, so dass sich dazu eine weitere Sachverhaltsaufklärung in keiner Weise aufdrängte. Die Aufklärungsrüge des Beklagten scheitert auch daran, dass von einer durch Vertreter mit Befähigung zum Richteramt vertretenen Partei im Allgemeinen - so auch hier - erwartet werden kann, dass eine von ihr für notwendig erachtete Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt wird. Da dies versäumt wurde, kann der Beklagte eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. für Rechtsanwälte z.B. Urteil vom 27. Juli 1983 - BVerwG 9 C 541.82 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 146). Ausweislich der Sitzungsniederschrift haben die Prozessbevollmächtigen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 24. November 2004 keine Beweisanträge gestellt; sie haben lediglich den Vortrag des Klägers zur Stammkundeneigenschaft und zur Mitgliedschaft seiner Kunden im Moscheeverein W. bestritten und einen Vermerk vom 23. November 2004 über einen Vororttermin beim Kläger überreicht.

15 5. Auch die mit Schriftsatz des Beklagten vom 20. November 2006 vorgetragenen neuen Tatsachen und Beweismittel führen zu keinem anderen Ergebnis. Unabhängig davon, ob diese in der Revisionsinstanz noch in irgendeiner Form berücksichtigungsfähig wären und unbeschadet der Frage, ob der Kläger entgegen seinem Vortrag bereit wäre, auch nach vorheriger Betäubung zu schlachten, genügt es, dass hier die Voraussetzungen des § 4a Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 TierSchG auf seine Kunden zutreffen. Der Beklagte hat es in der Hand, im Rahmen der ihm obliegenden Neubescheidung durch Auflagen sicherzustellen, dass der Kläger das betäubungslose Schlachten lediglich in dem Umfang praktiziert, wie es zur Versorgung von Kunden notwendig ist, die aus religiösen Gründen nur Fleisch von geschächteten Tieren verzehren dürfen.

16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 19.04.2007 -
BVerwG 7 C 35.07ECLI:DE:BVerwG:2007:190407B7C35.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.04.2007 - 7 C 35.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:190407B7C35.07.0]

Beschluss

BVerwG 7 C 35.07

  • Hessischer VGH - 24.11.2004 - AZ: VGH 11 UE 317/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. April 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann
und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Beklagten gegen das Urteil vom 23. November 2006 - BVerwG 3 C 30.05 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) des Beklagten richtet sich gegen das Urteil des 3. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2006 - BVerwG 3 C 30.05 -. Streitgegenstand des Verfahrens war die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG.

2 In der Anhörungsrüge macht der Beklagte geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei vom Bundesverwaltungsgericht mehrfach verletzt worden. Fast jeder Abschnitt (Randnr.) des Urteils beruhe auf mindestens einer Verletzung dieses Anspruchs. Das Urteil insgesamt beruhe auf weiteren Verletzungen dieses Rechts. Schließlich verletze darüber hinaus das „Vorgehen“ des Bundesverwaltungsgerichts den Anspruch auf rechtliches Gehör mehrfach.

II

3 Aufgrund des Geschäftsverteilungsplans des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsjahr 2007 ist für Verfahren aus dem Sachgebiet Tierschutzrecht nunmehr der 7. Senat zuständig. Das gilt mangels einer hierauf bezogenen Übergangsregelung im Geschäftsverteilungsplan auch für Anhörungsrügen gegen Entscheidungen des bisher zuständig gewesenen Senats und für die Fortsetzung des Verfahrens nach erfolgreicher Anhörungsrüge. Zwar enthält der Geschäftsverteilungsplan auch folgende Bestimmung: „Soweit nach diesem Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeit für bereits anhängige Sachen auf einen anderen Senat übergeht, verbleibt es für Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgefunden hat, bei der bisherigen Zuständigkeit.“ Diese Bestimmung gilt aber nicht für Verfahren, in denen aufgrund einer mündlichen Verhandlung - vor der Änderung des Geschäftsverteilungsplans - ein Urteil ergangen ist, das nunmehr mit einer Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) angegriffen wird. Von dieser Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht bereits bisher ausgegangen. Sie wird vom Präsidium des Gerichts ausdrücklich geteilt.

4 Dem Antrag, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, folgt der Senat nicht. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge ergeht durch Beschluss (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO). Der Senat macht von dem ihm gesetzlich eingeräumten Ermessen (vgl. § 101 Abs. 3 VwGO) dahingehend Gebrauch, dass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wird; denn zu entscheiden ist allein über die schriftlich rechtzeitig geltend gemachten Rügen (vgl. § 152a Abs. 2 VwGO), und eine Entscheidung über diese ist dem Senat ohne eine ergänzende mündliche Verhandlung möglich.

5 Die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) ist unbegründet. Der Beklagte trägt zwar vor, das Bundesverwaltungsgericht habe einen großen Teil seines Vortrags nicht zur Kenntnis genommen und ernsthaft in seine Erwägungen einbezogen. In diesem Zusammenhang wendet er sich aber in erster Linie gegen die in dem angegriffenen Urteil vertretene Rechtsauffassung. Das Verfahren nach § 152a VwGO eröffnet jedoch nicht den Weg zu einer Überprüfung der dem angegriffenen Urteil zugrunde liegenden Rechtsauffassung.

6 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Danach ist das Gericht zwar verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägungen einzubeziehen (BVerfGE 69, 233 <246>). Es ist jedoch nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht insbesondere schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerfGE 51, 126 <129>). Solche Anhaltspunkte fehlen hier. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

7 Mit dem Begriff der „Religionsgemeinschaft“ im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) befasst sich das angegriffene Urteil ausdrücklich. In diesem Zusammenhang setzt es sich auch mit der Rechtsauffassung des Beklagten auseinander (vgl. UA Rn. 8). Anhaltspunkte dafür, dass weitere in diesem Zusammenhang vom Beklagten vorgetragene Argumente nicht zur Kenntnis genommen wurden, fehlen. Gleiches gilt für die Fragen, was „zwingende Vorschriften“ im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG sind (vgl. UA Rn. 9) und welche Bedeutung die Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG hat (vgl. UA Rn. 12).

8 Soweit die Anhörungsrüge geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht hätte in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass es - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten - dessen neuen Tatsachenvortrag als unzulässig ansieht, wird übersehen, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich offenlässt, ob der neue Vortrag zulässig gewesen ist (vgl. UA Rn. 15).

9 Im vorliegenden Fall ging es um einen Schlachter, dessen berufliche Tätigkeit durch die Zielsetzung gekennzeichnet ist, seine - durch eine entsprechende Glaubensüberzeugung gebundenen - Kunden mit dem Fleisch betäubungslos - und damit auch nicht kurzzeitig betäubter - geschlachteter Tiere zu versorgen (vgl. UA Rn. 12). Deshalb bestand keine Veranlassung, auf den Vortrag des Beklagten zum Schlachten kurzzeitig betäubter Tiere einzugehen.

10 Dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 TierSchG vorliegen, hat das Bundesverwaltungsgericht doppelt begründet. Zum einen hält das Bundesverwaltungsgericht es für ausreichend, dass der Antragsteller die maßgeblichen Umstände substantiiert und nachvollziehbar darlegt. Zum anderen sieht es diese Umstände aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier sogar für nachgewiesen an (vgl. UA Rn. 13). Die Ausführungen zur Darlegung der maßgebenden Umstände sind damit nicht entscheidungserheblich.

11 Auch soweit sich das Bundesverwaltungsgericht mit Auflagen in der zu erteilenden Genehmigung befasst (UA Rn. 15), wird der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Der Kläger hat eine Ausnahmegenehmigung beantragt, um durch eine entsprechende Glaubensüberzeugung gebundene Kunden mit Fleisch geschächteter Tiere zu versorgen. Angesichts dessen ist es naheliegend, durch Auflagen in der Genehmigung sicherzustellen, dass der Kläger das betäubungslose Schlachten lediglich in dem Umfang praktiziert, wie es zur Versorgung dieser Kunden notwendig ist, und damit auszuschließen, dass auch Tiere, deren Fleisch an andere Kunden verkauft werden soll, geschächtet werden. Ein unzulässiges „Verschieben von Kernfragen des Genehmigungstatbestandes“ in den Regelungsbereich der Auflagen gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG ist damit nicht verbunden (vgl. a. § 36 Abs. 1 a.E. VwVfG). Deswegen musste das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung nicht auf seine dahingehende Rechtsauffassung hinweisen.

12 Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht auf seine Bindung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - (BVerfGE 104, 337) eingeht, musste es sich nicht mit jedem Argument des Beklagten auseinandersetzen (UA Rn. 10 bis 12). Der Beklagte legt auch nicht dar, wieso es entscheidungserheblich gewesen sein könnte, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Bindung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus einer analogen Anwendung von § 144 Abs. 6 VwGO und nicht aus § 31 Abs. 1 BVerfGG herleitet.

13 Schließlich ergibt sich aus der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 355) hat entschieden, dass dem Antragsteller die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen ist, soweit eine solche nicht aus anderen Gründen ausscheidet. Mit dem - unzutreffenden - Argument des Beklagten, die Ablehnung stehe in seinem Ermessen, musste sich das angegriffene Urteil deshalb nicht ausdrücklich befassen.

14 Soweit die Anhörungsrüge das „Vorgehen“ des Bundesverwaltungsgerichts kritisiert, wird eine Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO). Wieso die Dauer der abschließenden Beratung des erkennenden Senats nicht ausgereicht haben soll, um neuen Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wird nicht dargelegt, zumal das Urteil - wie oben ausgeführt - ausdrücklich auf den neuen Vortrag des Beklagten eingeht (UA Rn. 15).

15 Es entspricht ordnungsgemäßer Prozessführung, wenn ein Revisionsgericht beabsichtigt, am Tage der mündlichen Verhandlung zu entscheiden (vgl. § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass es dann aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung doch nicht zu einer abschließenden Entscheidung an diesem Tag kommt. Dass eine derartige gerichtliche Planung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen könnte, wird nicht dargelegt und liegt überdies fern.

16 Selbst bei einer übermäßig langen Dauer zwischen Verkündung und Zustellung des Urteils beruht dieses nicht ohne weiteres auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Vielmehr sind - solange die 5-Monats-Grenze nicht überschritten wird - besondere Umstände erforderlich, die den Gehörsverstoß belegen. Solche Gründe sind hier nicht erkennbar. Das vollständige Urteil ist hier zweieinhalb Monate nach dessen Verkündung zugestellt worden.

17 Schließlich genügt die pauschale Bezugnahme auf einen Befangenheitsantrag nicht dem Darlegungsgebot des § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO.

18 Der nach Ablauf der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangene Schriftsatz des Beklagten vom 16. April 2007 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

19 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.