Beschluss vom 23.10.2006 -
BVerwG 6 B 31.06ECLI:DE:BVerwG:2006:231006B6B31.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 31.06

  • VG Gelsenkirchen - 03.03.2006 - AZ: VG 15 K 2226/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge
und Dr. Graulich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 3. März 2006 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die allein auf die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Der behauptete Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht in der notwendigen Weise dargetan (§ 133 Abs 3 Satz 3 VwGO).

2 Der Kläger bringt vor, das Verwaltungsgericht habe sich ausweislich der Urteilsgründe nicht hinreichend mit seinem beruflichen Tätigkeitsfeld und den Tatsachen, die seine Unentbehrlichkeit begründeten, auseinandergesetzt. Hinsichtlich seiner Tätigkeitsbereiche, seines persönlichen Einsatzes in dem unter seinem Namen geführten Betrieb und vor allem der Zusammenarbeit mit der Firma S. N. I. und der Tatsache, dass er nicht durch einen Vertreter zu ersetzen sei, ohne dass es zu einer Vernichtung seines Betriebes komme, habe Aufklärungsbedarf bestanden. Die Anhörung eines Sachverständigen wäre die geeignete und die erforderliche Aufklärungsmaßnahme gewesen. Seine Tätigkeitsfelder und Dienstleistungen im Bereich der neuen Medien seien für einen Laien im Bereich des Servermanaging und des Aufbaus eines Betriebssystems nur mit Hilfe des Fachverstandes eines Sachverständigen nachzuvollziehen. Bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung wäre voraussichtlich die tatsächliche Feststellung getroffen worden, dass es unter zutreffender Berücksichtigung seines Tätigkeitsfeldes zur Vermeidung einer Existenzgefährdung seines Betriebes unverzichtbar sei, dass er persönlich weiterhin diese Aufgaben durchführe. Neben seiner Unentbehrlichkeit wäre zudem die tatsächliche Feststellung getroffen worden, dass es ihm eben nicht zuzumuten gewesen sei, einen Vertreter mit allen Aufgaben zu betrauen.

3 Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).

4 Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Insbesondere werden keine ausreichenden tatsächlichen Umstände benannt, die durch Beweiserhebung hätten aufgeklärt werden sollen. Dies wäre umso mehr erforderlich gewesen, als in den Gründen des angegriffenen Urteils der unzureichende Vortrag entsprechenden Tatsachenmaterials durch den Kläger gerade hervorgehoben wird. Das Verwaltungsgericht hat die besondere Härte im Falle einer Ableistung des Grundwehrdienstes durch den Kläger (§ 12 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 WPflG) im streitgegenständlichen Zeitraum deshalb verneint, weil nicht dargetan worden sei, weshalb sein persönlicher Einsatz für die Firma S. N. I. für einen weit über den April 2004 hinaus andauernden Zeitraum unerlässlich war (Urteil S. 12), woraus sich ergebe, dass er widrigenfalls erheblichen Regressforderungen dieser Firma ausgesetzt gewesen sei (Urteil S. 12 und 13) und worin seine „extrem hohe Verantwortungsbelastung“ gegenüber der vorgenannten Firma angesichts sehr geringer Gewinne bestanden habe (Urteil S. 13). Die Beschwerde setzt diesen Urteilserwägungen keine Tatsachenbehauptungen entgegen, welche zu anderen Schlussfolgerungen führen würden.

5 Das Urteil beruht ferner und hauptsächlich auf der Erwägung, es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger seinen Betrieb nicht durch eine Ersatzkraft hätte weiterführen lassen können, denn § 8 des zwischen dem Kläger und der Firma S. N. I. geschlossenen Vertrages verlange ausdrücklich nicht die Erbringung einer höchstpersönlichen Leistung (Urteil S. 13/14). Auch insofern werden seitens der Beschwerde keine ausreichenden Tatsachen unter Beweis gestellt, aus denen sich gegenteilige Schlussfolgerungen ziehen ließen.

6 Die Frage, ob die unter Beweis gestellten Umstände durch das Gericht unmittelbar oder nur mit Hilfe eines Sachverständigen aufgeklärt werden können, stellt sich erst, nachdem das Beweisthema formuliert ist. Deshalb kommt es auch nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Tätigkeitsfelder und Dienstleistungen im Bereich der neuen Medien für einen Laien im Bereich des Servermanaging und des Aufbaus eines Betriebssystems nur mit Hilfe des Fachverstandes eines Sachverständigen nachzuvollziehen sind. Denn der Kläger hat es sowohl im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als auch in der Beschwerdebegründung an einer in sich stimmigen und schlüssigen Darlegung derjenigen - ihm als Fachmann bekannten - Tatsachen fehlen lassen, die geeignet gewesen wären, seinem Zurückstellungsbegehren zum Erfolg zu verhelfen.

7 Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Kläger mit seiner Verfahrensrüge auch in der Sache nicht hätte durchdringen können. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet die Pflicht der Verwaltungsgerichte zur Aufklärung des Sachverhalts ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bietet (vgl. Urteil vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177> = Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 12 S. 16 f.). Ein solcher tatsächlicher Anlass besteht namentlich im Prozess um die Zurückstellung vom Wehrdienst dann nicht, wenn der Kläger unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht nach § 12 WPflG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO seine möglicherweise guten Gründe für die Zurückstellung nicht unter Angabe genauer Einzelheiten in schlüssiger Form vorträgt (vgl. Beschluss vom 18. Juni 2003 - BVerwG 6 B 38.03 - NVwZ-RR 2003, 870). Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht mit Blick auf den unzureichenden Tatsachenvortrag des Klägers von einer weiteren Sachverhaltsaufklärung abgesehen.

8 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 2 GKG.