Beschluss vom 23.02.2010 -
BVerwG 1 WB 23.09ECLI:DE:BVerwG:2010:230210B1WB23.09.0
Leitsätze:
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Eine Erzieherische Maßnahme kann ein Soldat nur unmittelbar mit den Rechtsbehelfen nach der Wehrbeschwerdeordnung und nicht mit der Beschwerde nach § 42 WDO anfechten.
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Rechtsquellen
WBO § 17 Abs. 1 und 3 WDO § 42 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 23.02.2010 - 1 WB 23.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:230210B1WB23.09.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 23.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Generalmajor May und
die ehrenamtliche Richterin Major Meiners
am 23. Februar 2010 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine Erzieherische Maßnahme des Kommandeurs ... beim ...kommando ... und gegen ein Schreiben des Kommandeurs des ...kommandos ..., mit denen Formulierungen in einem Einladungsschreiben beanstandet werden, das der Antragsteller an verschiedene Hochschulprofessoren gerichtet hat.
2 Der 1948 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit mit Ablauf des 28. Februar 2010 enden wird. Zum Oberstarzt wurde er mit Wirkung vom 1. April 1994 ernannt. Seit dem 1. Januar 2002 wird er auf dem Dienstposten des Leiters des ...zentrums ... in K... verwendet.
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Am 30. Juni 2008 verfasste der Antragsteller in der Funktion als Betreuungsoffizier der Sanitätsoffizieranwärter (SanOA) der Hochschulorte D..., K... und W... ein Schreiben an ausgewählte Hochschulprofessoren. Darin führte er unter anderem aus:
„Im Oktober 2007 hatte sich Herr Generalstabsarzt Dr. B... an die als Hochschullehrer tätigen Sanitätsoffiziere der Reserve gewandt und diese gebeten, sich in der Studienbetreuung der SanOA zu engagieren, um die studienbegleitende Betreuung seitens des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr zu verbessern, die Motivation der SanOA zu erhöhen und letztlich die Abbrecherquote unter den Studierenden des Sanitätsdienstes zu reduzieren. Insgesamt 119 Professoren hatten das Anschreiben beantwortet und sich zur Unterstützung bereit erklärt.
Hierfür hat Ihnen Admiralstabsarzt Dr. Bü im April 2008 seinen herzlichen Dank ausgesprochen und meine Verbindungsaufnahme angekündigt. Nun kenne ich weder das Schreiben vom Oktober 2007 noch Ihre Funktion im Hochschuldienst, weiß auch nicht, an welcher Hochschule Sie tätig sind. Ein Konzept für die intensivere Betreuung ‚meiner’ SanOA ist mir genauso wenig bekannt wie die Vorstellungen des Stellvertreters des Inspekteurs ... ... der Bundeswehr. Auf jeden Fall soll ich Sie zu den Semestertreffen einladen und im Vorfeld mit Ihnen abstimmen, ob Sie eine Einberufung zu einer Dienstlichen Veranstaltung in Uniform wünschen.
Damit Sie sich ein Bild davon machen können, was ich sonst noch so treibe, stelle ich mich und meine Dienststelle kurz vor: Ich bin ... Jahre alt, seit 19... ...offizier, seit 19... Oberstarzt und in der Luftwaffenkaserne K...-W... eingesetzt. Ich betreue die SanOA der Hochschulorte D..., K... und W... mit ca. 70 Studenten der Humanmedizin, Zahnmedizin und Pharmazie und Lebensmittelchemie. Der Inspekteur ... ... der Bundeswehr hat neben der Individualbetreuung aus persönlichem Anlass zwei Treffen während eines Semesters vorgesehen.
Meine Dienststelle versorgt ca. 7 000 Soldaten am Schwerpunktstandort K...-W..., in H..., S... und St. A.... Dazu setzen wir über 160 Mitarbeiter ein, davon 17 Ärzte und 6 Zahnärzte in den Bereichen Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Orthopädie und Unfallchirurgie, Zahnmedizin, Oralchirurgie, Implantologie. Wir bilden ca. 15 Azubi zu ‚Arzthelfern bzw. Zahnarzthelfern’ aus.
Ziel soll es jetzt sein, in einer ersten Pilotphase Sie als Sanitätsoffizier der Reserve für die studienbegleitende Betreuung der SanOA zu gewinnen und dabei auf Innovationen aus Ihrem Kreis der Universitätsprofessoren zu hoffen. Lassen Sie es mich scherzhaft so beschreiben: ‚Wir wissen zwar noch nicht, was wir wollen, aber wir fangen schon einmal an.’ Vielleicht finden wir ja gemeinsam zu einem Konzept.“
4 Am 7. August 2008 wurde der Antragsteller beim ...kommando ... durch Oberstarzt Dr. K... vernommen. Nach dem Protokoll sollte die Vernehmung der Klärung dienen, welche Gründe zu den Formulierungen und der Argumentation in dem Schreiben vom 30. Juni 2008 geführt haben. Der Antragsteller hat bei dieser Vernehmung nicht ausgesagt.
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Der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers, der Kommandeur ... ... beim ...kommando ..., richtete unter dem 11. August 2008 folgendes Schreiben an den Antragsteller:
„Bezug: Ihr Schreiben vom 30.06.2008 an Hochschulprofessoren
Sehr geehrter Herr S...!
Ich weise Sie darauf hin, dass in Briefen mit Außenwirkung unter allen Umständen neutrale Formulierungen bezüglich bundeswehrinterner Vorgänge zu verwenden sind. Systemkritische Äußerungen, welche geeignet sind, das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, sind zu unterlassen.
Prof. Dr. Dr. G...
Oberstarzt“
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Mit Schreiben vom 21. August 2008 wandte sich der Antragsteller an den Kommandeur des ..kommandos ... und bezog sich auf das vorgenannte, bei ihm am 14. August 2008 eingegangene Schreiben des Kommandeurs ... ... Einleitend führte er aus:
„Eigentlich müsste ich mich ja beschweren. Ich mache mir aber mal so meine Gedanken und belasse es vorerst beim Kopfschütteln. Vielleicht lässt sich ja die Stabsarbeit auf dem Wege der Dienstaufsicht ändern.
Leider muss ich jetzt doch feststellen, dass das Schreiben ...Kdo ... Kdr ... (Bezug) nicht vorschriftenkonform ist. Dem Inhalt kann ich natürlich grundsätzlich zustimmen - doch was soll dieser solitäre Hinweis? Einen Bezug zu meinem Schreiben vom 30.06.2008 kann ich nicht knüpfen. Meiner Meinung nach ein Rauschen im Diplomatenhain. Es scheint mir symptomatisch, dass Schreiben dieser Soldaten aus dem ...Kdo ... an mich wenig vorbildlich, ohne die erforderliche Sorgfalt und überwiegend vorschriftswidrig abgefasst werden. Die Anlagen 1, 2 und 3 (enthaltene Hinweise auf schludrige Lageermittlungen und leichtfertige Schuldzuweisungen) mögen das verdeutlichen. Für mich ist das Ausdruck einer verlorenen Bodenhaftung und einer ausgeprägten Re-spektlosigkeit.“
7 Außerdem schilderte der Antragsteller in dieser Eingabe seine Vernehmung vom 7. August 2008 und legte dar, er habe sich nicht zum Sachverhalt äußern können, weil es ihm nicht ermöglicht worden sei, Einzelheiten zum Vorwurf der angeblichen Rufschädigung der Bundeswehr zu erfahren.
8 Mit Schreiben vom 29. August 2008 bat der Antragsteller den Kommandeur des ...kommandos ... um die Prüfung der Sperrung einer Sanitätseinrichtung.
9 Mit weiterem Schreiben an den Kommandeur vom 30. Oktober 2008 wiederholte der Antragsteller seine Beanstandungen vom 29. August 2008; er bat erneut - unter Bezugnahme auf seine Eingabe vom 21. August 2008 - um Mitteilung der getroffenen Maßnahmen im Fall der vorschriftswidrigen Schreiben des Kommandeurs ... ... an ihn. Er lege Wert auf eine Äußerung des Kommandeurs des ...kommandos ... zu der Vernehmung am 7. August 2008 und zum Vorwurf der Rufschädigung.
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Mit dem angefochtenen Schreiben vom 9. Dezember 2008 teilte der Kommandeur des ...kommandos ... dem Antragsteller mit, er habe dessen Schreiben erhalten und zur Kenntnis genommen; den Anliegen des Antragstellers sei er im Einzelnen nachgegangen. Der Kommandeur äußerte sich zunächst zur Schließung der regionalen Sanitätseinrichtung und führte anschließend Folgendes aus:
„Im Oktober 2007 hatte sich der Stv Insp... persönlich an die als Hochschullehrer tätigen Sanitätsoffiziere der Reserve gewandt und sie gebeten, sich in der Studienbetreuung der Sanitätsoffizieranwärter und -anwärterinnen (SanOA) zu engagieren. Mit Schreiben BMVg ... vom 02.05.2008 wurden Sie direkt in Ihrer Funktion als Betreuungsoffizier der SanOA an den Hochschulorten K.., D... und W... um zeitnahe Kontaktaufnahme mit den namentlich benannten, interessierten Hochschullehrern gebeten. Mit Schreiben vom 30.06.2008 hatten Sie 11 Hochschullehrer persönlich angeschrieben.
OTA Dr. K... hat im Auftrag Ihres nächsten Disziplinarvorgesetzten die Vernehmung durchgeführt. Zweck der Vernehmung war die Klärung, welche Gründe zu den Formulierungen und der Argumentation in Ihrem Schreiben vom 30.06.2008 geführt haben. Bei Beginn der Vernehmung wurde Ihnen eröffnet, welche Pflichtverletzungen Ihnen zur Last gelegt werden. Es wurde Ihnen in der Folge die Gelegenheit gegeben, sich zu äußern. Von diesem Recht haben Sie nicht Gebrauch gemacht und auf eine Aussage verzichtet. Eine Voreingenommenheit der Vernehmenden ist nach der Auswertung der Unterlagen nicht feststellbar. Ihr Gefühl ist eine subjektive Wahrnehmung, die meiner objektiven Überprüfung nicht standhält. Mit Bezug 1.) erhielten Sie durch Ihren Disziplinarvorgesetzten eine Erzieherische Maßnahme in Form einer Belehrung. Ich stimme der getroffenen Maßnahme voll zu.
Die Gehorsamspflicht des Soldaten (§ 11 Soldatengesetz) verlangt, dass jeder Soldat die Befehle der Vorgesetzten nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen hat. Stehen der Ausführung des Befehls Hindernisse entgegen und sind sie vom Untergebenen erkannt worden, so hat er den Vorgesetzten darauf hinzuweisen. Der Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer befohlenen Maßnahme hätte nicht in der von Ihnen gewählten Form nach außen vermittelt werden dürfen. Vielmehr hätte eine Vorabklärung mit Ihren Vorgesetzten erfolgen müssen. Formulierungen von dem zuständigen Betreuungsoffizier der ...OA, wie: ‚Lassen Sie es mich scherzhaft so beschreiben: Wir wissen zwar noch nicht, was wir wollen, aber wir fangen schon einmal an.’ sind für die Vertrauensbildung zu den angeschriebenen Sanitätsoffizieren der Reserve, die sich für eine Verbesserung der ...-OA-Betreuung bereiterklärt haben, nicht förderlich.
Das Überlassen einzelner Kopien der von Ihnen als Bezugsdokumente bezeichneten Unterlagen in diesem Verfahren ist nicht vorgesehen. Der Antrag auf Akteneinsicht gem. § 3 WDO wurde von Ihnen bisher nicht gestellt.
Ich sehe keinen weiteren Handlungsbedarf.“
11 Gegen dieses Schreiben legte der Antragsteller unter dem 22. Dezember 2008 Wehrbeschwerde ein und erklärte, er sei mit der stark verzögerten und selektiven Antwort nicht zufrieden. Mit seiner - erstmals vom Kommandeur des ...kommandos ... beanstandeten - Formulierung „Lassen Sie es mich scherzhaft so beschreiben ...“ habe er nicht gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Ihn beschwere auch, dass der Kommandeur sich nicht zur Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze in H..., zu dem nicht vorschriftenkonformen Schriftverkehr des ...kommandos ... und zu dem Vorlauf der Vernehmung am 7. August 2008 geäußert habe.
12 Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 legte der Antragsteller weitere Beschwerde ein, die der Inspekteur ... ... der Bundeswehr mit Beschwerdebescheid vom 5. März 2009 zurückwies. Darin führte der Inspekteur aus, dass die Erstbeschwerde des Antragstellers vom 22. Dezember 2008 unzulässig gewesen sei. Die Hinweise und Erläuterungen des Kommandeurs des ...kommandos ... im Schreiben vom 9. Dezember 2008 enthielten die Reaktion auf diverse Meldungen und Stellungnahmen, die der Antragsteller in seiner Funktion als Leiter des ...zentrums K...-W... an ihn gerichtet habe. Als Maßnahme der Dienstaufsicht, die der Antragsteller letztlich auch eingefordert habe, sei das strittige Schreiben allein der Organisationssphäre des Dienstherrn zuzurechnen, auch wenn der Gegenstand der Diskussion eine Belastung in der Funktion des Antragstellers nicht ausschließe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Maßnahmen und Entscheidungen der Dienstaufsicht sei mit dem Instrumentarium der Wehrbeschwerdeordnung nicht zu erzwingen. Diese beschwerderechtliche Ratio werde besonders deutlich im Hinblick auf die dem Antragsteller erteilte Erzieherische Maßnahme, die zumindest geeignet gewesen sei, in dessen geschützten Rechtskreis einzugreifen. Da der Antragsteller diese Maßnahme nicht rechtzeitig angefochten habe, könne er die fristgebundenen Rechtsschutzmöglichkeiten der Wehrbeschwerdeordnung nicht im Wege der fachlichen Auseinandersetzung neu generieren.
13 Gegen die ihm am 11. März 2009 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 24. März 2009 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Den Antrag hat der Inspekteur ... ... der Bundeswehr mit seiner Stellungnahme vom 17. April 2009 dem Senat vorgelegt.
14
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Im Kern sei es ihm immer um sein Schreiben vom 30. Juni 2008 an eine Gruppe von Hochschullehrern gegangen. Die darauf bezogene Beanstandung in dem angefochtenen Schreiben vom 9. Dezember 2008 verletze sein Recht zur freien Meinungsäußerung nach Art. 5 GG. Er wolle sein Rechtsschutzbegehren erweitern und nunmehr auch eine Untersuchung der Erzieherischen Maßnahme erwirken. Seine Formulierungen im Schreiben vom 30. Juni 2008 seien nicht dienstpflichtwidrig.
15
Der Inspekteur ... ... der Bundeswehr beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
16 Er hält den Antrag für unzulässig, weil das strittige Schreiben vom 9. Dezember 2008 eine Maßnahme der Dienstaufsicht darstelle. Eine materielle Prüfung der vom Antragsteller reklamierten Beschwerdepunkte sei wegen Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs nicht in Betracht gekommen. Soweit der Antragsteller nunmehr eine Überprüfung der Erzieherischen Maßnahme vom 11. August 2008 wünsche, erweitere er damit in unzulässiger Weise sein Antragsbegehren, weil seine ursprüngliche Beschwerde lediglich gegen das Schreiben des Kommandeurs des ...kommandos ... vom 9. Dezember 2008 gerichtet gewesen sei. Einer inhaltlichen Überprüfung der Belehrung vom 11. August 2008 stehe entgegen, dass der Antragsteller gegen diese Maßnahme nicht fristgerecht Beschwerde eingelegt habe.
17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Inspekteurs ... ... der Bundeswehr - Insp... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
18 Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt. Sein Rechtsschutzbegehren ist dahin auszulegen, dass er beantragt, jeweils die Erzieherische Maßnahme des Kommandeurs ... ... vom 11. August 2008 (nachfolgend 1.) und das Schreiben des Kommandeurs des ...kommandos ... vom 9. Dezember 2008 sowie den Beschwerdebescheid des Inspekteurs ... ... der Bundeswehr vom 5. März 2009 aufzuheben (nachfolgend 2.). Die mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung außerdem zunächst verfolgten Rügen gegen die Art und Weise der Verfahrensbehandlung hat der Antragsteller - abgesehen von den Einwänden gegen die Erzieherische Maßnahme vom 11. August 2008 - in seinen Schriftsätzen vom 8. Mai 2009, vom 16. Juni 2009 und vom 23. Juli 2009 nicht mehr aufrecht erhalten.
19 1. Der Antrag zu 1. ist unzulässig.
20 Zwar können Erzieherische Maßnahmen im Sinne des Erlasses „Erzieherische Maßnahmen“ (ZDv 14/3 Teil B 151) grundsätzlich als truppendienstliche Maßnahmen gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO im Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten angegriffen werden, wenn sie die Rechtssphäre des betroffenen Soldaten berühren (Beschlüsse vom 27. November 1996 - BVerwG 1 WB 37.96 - BVerwGE 113, 37 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 17 -, vom 10. März 1998 - BVerwG 1 WB 70.97 - BVerwGE 113, 204 <205> = Buchholz 235.0 § 29 WDO Nr. 1 = NZWehrr 1998, 166 - und vom 20. Mai 1999 - BVerwG 1 WB 85.98 -). Erzieherische Maßnahmen sind nach Nr. 503 des Erlasses unter anderem Belehrungen, Zurechtweisungen und Warnungen.
21 Die Anfechtung einer Erzieherischen Maßnahme hat unmittelbar mit den Rechtsbehelfen nach der Wehrbeschwerdeordnung und nicht mit der Beschwerde nach § 42 WDO zu erfolgen.
22 Die durch Art. 1 Nr. 31 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften (vom 16. August 2001, BGBl. I Seite 2093) neugeregelte, am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Fassung des § 42 WDO hat die Rechtsschutzmöglichkeiten des Soldaten erweitert und auch gegen „sonstige Maßnahmen und Entscheidungen des Disziplinarvorgesetzten ... nach diesem Gesetz“ die Disziplinarbeschwerde (so Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 42, Rn. 8) ermöglicht. Der Erlass einer Erzieherischen Maßnahme ist jedoch nicht als sonstige Maßnahme oder Entscheidung „nach diesem Gesetz“, also nach der Wehrdisziplinarordnung zu qualifizieren. Das ergibt sich schon aus der Vorschrift des § 1 Abs. 1 WDO, die den sachlichen Geltungsbereich der Wehrdisziplinarordnung auf die Würdigung besonderer Leistungen durch förmliche Anerkennungen und auf die Ahndung von Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen beschränkt. Eine Erzieherische Maßnahme stellt hingegen keine Disziplinarmaßnahme im Sinne der gesetzlich abschließend geregelten Maßnahmenkataloge in § 22 Abs. 1 und § 58 Abs. 1 WDO dar; sie weist auch nicht die Rechtsnatur einer „Vorstufe“ oder einer Nebenentscheidung zu einer Disziplinarmaßnahme auf, sondern bildet ein eigenständiges Erziehungsmittel des zuständigen (Disziplinar-)Vorgesetzten außerhalb der Wehrdisziplinarordnung. Die Erzieherische Maßnahme ist grundsätzlich kein Ersatz für eine (einfache) Disziplinarmaßnahme. Deshalb ist bei der Feststellung eines Dienstvergehens das Ausweichen in eine Erzieherische Maßnahme unzulässig, wenn eine einfache Disziplinarmaßnahme geboten ist; andererseits darf neben einer disziplinaren Ahndung wegen desselben Sachverhalts keine Erzieherische Maßnahme ausgesprochen werden (Dau, a.a.O., § 33, Rn. 5; Nr. 308 und Nr. 310 Abs. 1 des Erlasses „Erzieherische Maßnahmen“). Aus § 33 Abs. 1 WDO folgt ebenfalls, dass Erzieherische Maßnahmen nicht als Maßnahmen „nach diesem Gesetz“ zu werten sind. Nach dieser Vorschrift kann es der Disziplinarvorgesetzte nach der Feststellung eines Dienstvergehens „bei einer Erzieherischen Maßnahme bewenden lassen“, die jedoch in Inhalt, Art, Form und Verfahren nicht in der Wehrdisziplinarordnung geregelt ist, weil sie eine Maßnahme außerhalb des Katalogs der Ahndungsmaßnahmen der Wehrdisziplinarordnung bildet. Deshalb werden die Erzieherischen Maßnahmen in der Literatur zutreffend nicht bei den Fallbeispielen für den sachlichen Geltungsbereich des § 42 WDO erwähnt (Bachmann: Das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften, in: NZWehrr 2001, 177, 186; Dau, WDO, 5. Auflage 2009, § 42, Rn 8 und 9).
23 Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil die Anfechtung der Erzieherischen Maßnahme des Kommandeurs ... ... vom 11. August 2008 nicht Gegenstand des für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Vorverfahrens war. Mit seinen Beschwerden vom 22. Dezember 2008 und vom 5. Februar 2009 hat der Antragsteller ausschließlich das Schreiben des Kommandeurs des ...kommandos ... vom 9. Dezember 2008 angefochten. Deshalb spricht der Antragsteller selbst in seinem Schriftsatz vom 16. Juni 2009 im Hinblick auf die Erzieherische Maßnahme von einer Erweiterung seines Antrags. Mit dieser Erweiterung hat er erst im gerichtlichen Antragsverfahren den Gegenstand seiner Beschwerde vom 22. Dezember 2008 inhaltlich verändert und ausgedehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist aber dem gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ein der Klageänderung oder Klageerweiterung anderer Verfahrensordnungen entsprechendes Rechtsinstitut fremd (vgl. zuletzt: Beschluss vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 1 WB 12.09 - m.w.N.; vgl. auch Dau, WBO, 5. Auflage 2009, § 17 Rn 14 m.w.N.). Maßgeblich für diese Rechtsprechung ist, dass der Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch die Antragsschrift bzw. ein gegebenenfalls vorangegangenes Beschwerdeverfahren und durch deren inhaltliche Identität bestimmt wird. Daran hat sich durch die Novellierung der Wehrbeschwerdeordnung nichts geändert. Soweit § 23a Abs. 2 WBO n.F. die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für ergänzend anwendbar erklärt, bleibt die Vorschrift des § 91 Abs. 1 VwGO über die Klageänderung davon ausgeschlossen, weil ihrer Anwendung die Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens entgegensteht (Beschluss vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 1 WB 12.09 -).
24 Da der Antrag zu 1. schon aus den vorgenannten Gründen unzulässig ist, kann offen bleiben, ob er inhaltlich gegen eine „Belehrung“ gerichtet ist, die keinen Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung des Antragstellers enthält, und auch deshalb als unzulässig zu werten ist (vgl. Beschluss vom 27. November 1996 a.a.O. <38>).
25 2. Der Antrag zu 2. ist ebenfalls unzulässig.
26 Das Bundesverwaltungsgericht ist für diesen Antrag sachlich zuständig.
27 Der Antrag richtet sich gegen das Schreiben des Kommandeurs des ...kommandos ... vom 9. Dezember 2008. Über die Beschwerde vom 22. Dezember 2008 hätte der Befehlshaber des ...kommandos entscheiden müssen (§ 9 Abs. 1 WBO). Für die Entscheidung über die weitere (Untätigkeits-)Beschwerde vom 5. Februar 2009 war der Inspekteur ... ... der Bundeswehr zuständig (§ 16 Abs. 3 WBO). Gegen dessen Beschwerdebescheid ist gemäß § 22, § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 WBO der Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts statthaft.
28 Der Antrag ist aber unzulässig, weil er nicht eine gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO anfechtbare truppendienstliche Maßnahme betrifft.
29 Bei dem Schreiben des Kommandeurs des ...kommandos ... handelt es sich weder insgesamt noch in Teilen um eine neue und eigenständige Erzieherische Maßnahme im Sinne des zitierten Erlasses „Erzieherische Maßnahmen“ (ZDv 14/3 Teil B 151). Der Kommandeur hat gegenüber dem Antragsteller keine eigenen disziplinarischen Ermittlungen gemäß § 32 Abs. 1 WDO durchgeführt und auch nicht als Disziplinarvorgesetzter im Sinne des § 33 Abs. 1 WDO eine Entscheidung darüber getroffen, ob er das Verhalten des Antragstellers als Dienstpflichtverletzung werte, die mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme zu ahnden sei oder ob eine Erzieherische Maßnahme genüge. Vielmehr dokumentiert der gesamte Duktus des Schreibens, insbesondere der einleitende Satz und die abschließende Formulierung, dass es sich dabei um eine Maßnahme der Dienstaufsicht - auch hinsichtlich der Erzieherischen Maßnahme vom 11. August 2008 - handelt, die der Antragsteller mit seinen Eingaben vom 21. August 2008, vom 29. August 2008 und vom 30. Oktober 2008 ausdrücklich eingefordert hatte. Speziell für Erzieherische Maßnahmen betont Nr. 5 des zitierten Erlasses, dass deren Anwendung „in besonderem Maße der Dienstaufsicht durch Einheitsführer und Kommandeure“ bedürfe. Dieser Forderung soll das angefochtene Schreiben ersichtlich Rechnung tragen.
30 Mit seinen Rügen gegen das Schreiben vom 9. Dezember 2008 verkennt der Antragsteller, dass Maßnahmen, die im Wege der Dienstaufsicht erlassen werden, nicht im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfolgt die Dienstaufsicht allein im öffentlichen Interesse. Das Ergebnis oder die Durchführung einer dienstaufsichtlichen Prüfung - wie sie hier in dem angefochtenen Schreiben mitgeteilt wurde - ist grundsätzlich der wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die Dienstaufsicht obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht gegenüber den Untergebenen und dient damit nicht der Wahrung der individuellen Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (Beschlüsse vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 = NZWehrr 2007, 252, vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 78.08 - NZWehrr 2009, 211 und vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 75.08 und 1 WB 10.09 -). Der einzelne Soldat hat deshalb keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Maßnahmen im Wege der Dienstaufsicht getroffen werden oder dass eine dienstaufsichtliche Prüfung eingeleitet, intensiviert oder korrigiert wird (Beschlüsse vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 4.07 -, vom 28. April 2009 a.a.O. und vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 75.08 und 1 WB 10.09 -).
31 Soweit der Kommandeur des ...kommandos ... in Ausübung seiner Dienstaufsicht der Erzieherischen Maßnahme des Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers „voll“ zugestimmt und die Formulierung in der Einladung vom 30. Juni 2008 „Lassen Sie es mich scherzhaft so beschreiben: Wir wissen zwar noch nicht, was wir wollen, aber wir fangen schon einmal an.“ mit einer eigenständigen Begründung bewertet hat, ergibt sich daraus keine isoliert anfechtbare, zusätzliche Beschwer für den Antragsteller, die über den Gegenstand der Erzieherischen Maßnahme vom 11. August 2008 hinausgeht. Vielmehr hat der Kommandeur mit seinen Äußerungen diese Erzieherische Maßnahme inhaltlich geprüft und sie dienstaufsichtlich als nicht zu beanstanden qualifiziert.
32 Der Antragsteller ist nicht mit Verfahrenskosten zu belasten, weil der Senat die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 WBO nicht als gegeben erachtet.