Beschluss vom 21.03.2024 -
BVerwG 7 B 12.23ECLI:DE:BVerwG:2024:210324B7B12.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.03.2024 - 7 B 12.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:210324B7B12.23.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 12.23

  • VGH Mannheim - 04.04.2023 - AZ: 10 S 1388/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. April 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beigeladene.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 191 848,74 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin und der Beigeladene (Kläger im Parallelverfahren BVerwG 7 B 13.23 ) begehren jeweils die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage. Sie streiten darum, welchem der beiden Vorhaben, deren Standorte rund 137 m voneinander entfernt sind, der Vorrang gebührt.

2 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beklagten dazu verpflichtet, der Klägerin die beantragte Genehmigung zu erteilen. Die Revision gegen sein Urteil hat er nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beigeladenen.

II

3 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde des Beigeladenen hat keinen Erfolg.

4 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 7).

6 a) Soweit der Beigeladene der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst,
ob es für die rangsichernde Wirkung eines Vorbescheidsantrags gegenüber einem konkurrierenden Genehmigungsantrag erforderlich ist, dass der Vorbescheidsantrag speziell die Frage des Vorrangs gegenüber einem Konkurrenzvorhaben zur Entscheidung stellt,
ist die Zulassung der Revision nicht gerechtfertigt. Die Voraussetzungen, unter denen ein immissionsrechtlicher Vorbescheid Vorrang gegenüber einer konkurrierenden Genehmigung hat, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Wenn beide Anlagen in einer echten Konkurrenzsituation stehen, sich beide (potentiell) sowohl in der Rolle des Störers als auch des Gestörten befinden und die Art der Störung übereinstimmt, ist es regelmäßig sachgerecht und damit rechtlich geboten, die Frage des Vorrangs nach dem Prioritätsprinzip zu beantworten (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 C 3.19 -‌ BVerwGE 169, 39 Rn. 19). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist die Genehmigungsreife des Antrags maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 ‌- 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 28), auch im Verhältnis von immissionsschutzrechtlichem Vorbescheids- und Genehmigungsantrag. In dieser Konstellation ist maßgeblich, ob mit dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids begehrt wird, mit verbindlicher Wirkung den Vorrang einer Anlage an einem bestimmten Standort hinsichtlich eines bestimmten Konflikts zu sichern. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 C 3.19 - BVerwGE 169, 39 Rn. 23). Von diesen Maßstäben ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Die Auslegung des Vorbescheidsantrags durch die Vorinstanz, die das Erstreben einer solchen Entscheidung durch den Beigeladenen verneint hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich ist.

7 Abgesehen davon ist die Frage nicht entscheidungserheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hat selbständig tragend angenommen, dass die Windkraftvorhaben der Klägerin und des Beigeladenen nicht (mehr) in einem bei der Genehmigungsentscheidung zu berücksichtigenden Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der Luftverteidigungsradaranlage Lauda-Königshofen standen. Die Revision kann nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 7 B 19.21 - NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 11). Der Beigeladene vermag mit seiner Beschwerdebegründung indes hinsichtlich dieser weiteren tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs keinen Revisionszulassungsgrund darzulegen (vgl. b).

8 b) Der Beigeladene möchte ferner grundsätzlich geklärt wissen,
ob es für den Ausschluss eines radartechnischen Konkurrenzverhältnisses zwischen zwei Vorhaben genügt, dass beiden Vorhaben im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zugestimmt wurde, unabhängig vom Vorliegen einer tatsächlichen nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Radarerfassung.

9 Diese Frage führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil der Verwaltungsgerichtshof eine entsprechende Rechtsauffassung in der angegriffenen Entscheidung nicht vertreten hat. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Dies gilt entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides nach § 9 Abs. 1 BImSchG. Nachdem das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr beiden Vorhaben ausdrücklich zugestimmt hat und das für die zivile Flugsicherung zuständige Regierungspräsidium im Prozess mit Schriftsatz vom 10. August 2022 die nach § 14 Abs. 1 LuftVG aus luftverkehrsrechtlicher Sicht erforderliche Zustimmung uneingeschränkt erteilt hatte, stand dieser ursprüngliche Versagungsgrund der Genehmigungsfähigkeit der Windkraftanlagen nicht mehr entgegen. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen war die Immissionsschutzbehörde nunmehr verpflichtet, beide Genehmigungen zu erteilen. Soweit die Beschwerde meint, allein das Vorliegen einer im Rahmen der Trägerbeteiligung erteilten formalen "Zustimmung" binde mitnichten die Genehmigungsbehörde, verfehlt sie den rechtlichen Charakter der Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG. Nach § 14 LuftVG darf die für die Erteilung einer Baugenehmigung zuständige Behörde die Errichtung von Bauwerken, die eine Höhe von 100 m überschreiten, nur mit Zustimmung der Luftfahrtbehörden genehmigen. Der luftverkehrsrechtliche Zustimmungsvorbehalt bindet auch die immissionsschutzrechtliche Behörde. Auch diese bedarf der Zustimmung der Luftfahrtbehörde, weil diese Zustimmung nicht von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG umfasst ist, sondern die Verantwortung für das materiell-rechtliche Bauverbot allein der zuständigen Luftfahrtbehörde obliegt. Mit der Entscheidung über die Zustimmung nimmt die Luftfahrtbehörde die ihr in § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG zugewiesene Aufgabe wahr, betriebsbedingte Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt abzuwehren (BVerwG, Beschluss vom 25. November 2014 ‌- 4 B 37.14 - ZfBR 2015, 168 Rn. 5; OVG Lüneburg, Urteil vom 13. November 2019 - 12 LB 123/19 - BauR 2020, 248 f.; vgl. zum Bauverbot nach § 18a LuftVG BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 - 4 C 1.15 - BVerwGE 154, 377 Rn. 28). Ist eine erforderliche Zustimmung nach § 14 LuftVG versagt worden, so besteht daher weder Raum noch Bedarf für eine weitergehende Prüfung insoweit im Genehmigungsverfahren durch die Immissionsschutzbehörde. Gleiches hat für den Fall zu gelten, dass die Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG erteilt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 13. November 2019 - 12 LB 123/19 - BauR 2020, 248 <250>). Diesen rechtlichen Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend zugrunde gelegt, wenn er angenommen hat, dass ein Konkurrenzverhältnis der beiden Anlagen hinsichtlich der Luftverteidigungsradaranlage Lauda-Königshofen im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr bestand.

10 c) Die vom Beigeladenen aufgeworfene Frage,
ob die Prüffähigkeit eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags für eine Windenergieanlage, deren Standort im Erfassungsbereich eines Luftverteidigungsradars geplant ist und den Separationsabstand im Seitenwinkel von mindestens 1,0° unterschreitet, voraussetzt, dass ein signaturtechnisches Gutachten vorgelegt wird,
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass prüffähige Unterlagen dann vorliegen, wenn die Unterlagen sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Nicht vollständig sind Unterlagen dann, wenn sie rechtlich relevante Fragen vollständig ausblenden (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 C 3.19 - BVerwGE 169, 39 Rn. 26). Ob ein prüffähiger Genehmigungsantrag ohne Vorlage eines signaturtechnischen Gutachtens gegeben ist, was der Verwaltungsgerichtshof hier hinsichtlich des Antrags der Klägerin bejaht hat, ist eine Frage der Umstände des konkreten Einzelfalls. Dies vermag eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu begründen. An die von der Vorinstanz zu dieser Frage getroffenen tatsächlichen Feststellungen, nach denen u. a. die Einholung eines signaturtechnischen Gutachtens im vorliegenden Fall keineswegs zwingend erforderlich gewesen sei, wäre der Senat in einem Revisionsverfahren auch gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

11 d) Schließlich kommt auch der vom Beigeladenen formulierten Rechtsfrage,
ob die Prüffähigkeit eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Windenergieanlage voraussetzt, dass die Antragsunterlagen auch die belastenden Auswirkungen des Rückbaus von bestehenden Windenergieanlagen berücksichtigen, wenn die Antragsunterlagen die positiven Auswirkungen des Rückbaus in Form eines "Belastungsabzugs" anrechnen,
keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. o. zu 1. a) ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend ausgeführt, dass der die Verwirklichung des Vorhabens der Klägerin lediglich vorbereitende Rückbau der drei Bestandsanlagen nicht Teil des Prüfprogramms des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nach § 6 BImSchG ist. Soweit die positiven Auswirkungen des Rückbaus in den Genehmigungsunterlagen berücksichtigt wurden, die negativen hingegen nicht, hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass dies die Prüffähigkeit des Genehmigungsantrags nicht in Frage stellte und weitere Unterlagen hätten nachgereicht werden können. Angaben über Auswirkungen des Rückbaus von bestehenden Windenergieanlagen betreffen deshalb nicht die Genehmigungsreife des immissionsrechtlichen Antrags.

12 2. Aus dem Vorbringen des Beigeladenen ergibt sich nicht das Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.

13 a) Die erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) greift nicht durch.

14 Die Beschwerde rügt, dass die Vorinstanz entgegen den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen des Beigeladenen nicht weiter aufgeklärt habe, ob die kumulierten Auswirkungen der streitgegenständlichen Windenergieanlagen der Klägerin und des Beigeladenen zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Radarerfassung der Luftverteidigungsradaranlage Lauda-Königshofen führen. Diese Verfahrensrüge muss erfolglos bleiben. Denn auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die nunmehr vorliegende Zustimmung der zuständigen Luftfahrtbehörde zu beiden Anlagen für deren Genehmigungsfähigkeit maßgeblich sei (s. o. zu 1. b), hat sich diese Frage nicht gestellt. Von ihrem Rechtsstandpunkt aus hatte die Vorinstanz keinen Anlass, den Sachverhalt in der von dem Beigeladenen bezeichneten Richtung durch Zeugenvernehmung oder Sachverständigengutachten bzw. amtliche Auskünfte weiter aufzuklären. Auf die Hilfserwägung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es sich hierbei zudem um sogenannte Beweisanträge "ins Blaue hinein" gehandelt habe, kommt es danach nicht mehr an.

15 b) Eine Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird nicht dargelegt. Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765, 766/89 -‌ BVerfGE 89, 381 <392> und vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <129>). Einen Verstoß gegen diese Anforderungen legt die Beschwerde nicht dar. Er folgt insbesondere nicht aus der - zudem erfolglosen - Aufklärungsrüge.

16 3. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil das Urteil von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 ‌- 4 C 3.19 - BVerwGE 169, 39 Rn. 19, 22) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

17 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 7 B 19.21 - NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 13). Daran fehlt es hier.

18 Die Beschwerde benennt keinen Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs, der von der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Sie bezieht sich auf Rechtssätze des Bundesgerichts, in denen im Hinblick auf geplante Windenergieanlagen ausgeführt wird, dass es regelmäßig sachgerecht und rechtlich geboten ist, die Frage des Vorrangs einer immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlage vor einer gleichartigen genehmigungspflichtigen Anlage auch im Verhältnis von Vorbescheid und Genehmigung nach dem Prioritätsprinzip zu beantworten, wenn beide Anlagen in einer echten Konkurrenzsituation stehen, sich beide (potentiell) sowohl in der Rolle des Störers als auch des Gestörten befinden und die Art der Störung übereinstimmt. Diese Rechtssätze hat die Vorinstanz, wie bereits oben zu 1.a) angesprochen, ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Die Beschwerde übersieht die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in derselben Entscheidung, wonach durch Auslegung zu ermitteln ist, ob der Vorbescheid den Vorrang einer Anlage an einem bestimmten Standort hinsichtlich eines bestimmten Konflikts sichert (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 C 3.19 - BVerwGE 169, 39 Rn. 23). Diese Auslegung hat der Verwaltungsgerichtshof hier bezogen auf den Vorbescheidsantrag vorgenommen. Mit der Rüge, die Vorinstanz habe nicht verlangen dürfen, dass der Vorbescheidsantrag speziell die Frage des Vorrangs gegenüber einem Konkurrenzvorhaben zur Entscheidung stellt, macht die Beschwerde allenfalls einen Rechtsanwendungsfehler, nicht aber eine abweichende Rechtsauffassung geltend.

19 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 10.07.2024 -
BVerwG 7 B 15.24ECLI:DE:BVerwG:2024:100724B7B15.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.07.2024 - 7 B 15.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:100724B7B15.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 15.24

  • VGH Mannheim - 04.04.2023 - AZ: 10 S 1388/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juli 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Beigeladenen gegen den Beschluss des Senats vom 21. März 2024 - 7 B 12.23 - wird zurückgewiesen, die hiergegen gerichtete Gegenvorstellung verworfen.
  2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 1. Die Anhörungsrüge des Beigeladenen hat keinen Erfolg. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Senat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. November 2017 - 10 B 4.17 - ZOV 2018, 48 Rn. 10 m. w. N.). Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert und schlüssig darzulegen. Er muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt.

3 a) Der Beigeladene beanstandet, die Auffassung des Senats, wonach im Verhältnis von immissionsschutzrechtlichem Vorbescheids- und Genehmigungsantrag maßgeblich ist, ob mit dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids begehrt wird, mit verbindlicher Wirkung den Vorrang einer Anlage an einem bestimmten Standort hinsichtlich eines bestimmten Konflikts zu sichern, stelle eine nicht zu erwartende Wendung bzw. eine nicht zu erwartende Rechtsauslegung dar. Darauf kann der Beigeladene die Anhörungsrüge nicht stützen. Dass der Senat sein Vorbringen übergangen habe, behauptet der Beigeladene nicht. Auch eine unzulässige Überraschungsentscheidung legt der Beigeladene nicht dar. Bereits der Verwaltungsgerichtshof war im Verhältnis von Vorbescheids- und Genehmigungsantrag von den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstäben zum Prioritätsprinzip ausgegangen, nachdem die Beteiligten in der Vorinstanz darüber gestritten hatten. Die Rüge zielt daher bloß auf eine hier unbeachtliche fehlerhafte Rechtsanwendung. Unabhängig davon war die vom Beigeladenen als grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, wie in der angegriffenen Entscheidung dargelegt, nicht entscheidungserheblich.

4 b) Weiter rügt der Beigeladene einen "Gehörsverstoß aufgrund überraschenden, weil fehlerhaften rechtlichen Maßstabes" soweit der Senat die Bindungswirkung der Immissionsschutzbehörde an die luftverkehrsrechtliche Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG angenommen hat. Auch damit beanstandet er lediglich die nach seiner Auffassung fehlerhafte Rechtsanwendung des Senats. Mit seinem Vorbringen zur (fehlenden) Bindungswirkung zeigt der Beigeladene selbst auf, dass der Senat sich mit seiner Argumentation auseinander gesetzt hat. Eine Überraschungsentscheidung legt der Beigeladene auch insoweit nicht dar. Die Frage, ob ein Konkurrenzverhältnis der beiden Windkraftvorhaben hinsichtlich der Luftverteidigungsradaranlage nicht mehr bestand, die Immissionsschutzbehörde mithin verpflichtet war, beide Genehmigungen zu erteilen, war ein zentraler Gegenstand des Rechtsstreits. Abgesehen davon geht die Beschwerde mit ihrer Frage von einem Sachverhalt aus, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat es als fernliegend erachtet, dass das BAIUDBw bzw. das Luftfahrtamt der Bundeswehr in Kenntnis der Unvereinbarkeit zweier Windkraftanlagen mit der Luftverteidigungsanlage beiden Windkraftanlagen mit Schreiben vom gleichen Tag vorbehaltlos zugestimmt hätte. Er hat deshalb die in der mündlichen Verhandlung von dem Beigeladenen gestellten Beweisanträge, dass die kumulierten Auswirkungen der streitgegenständlichen WEA zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Radarerfassung führen, als "ins Blaue hinein" gestellt abgelehnt.

5 2. Eine Gegenvorstellung gegen den Beschluss, mit dem die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen wird, ist unstatthaft. Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung erfordert, dass das Gericht nach einer gesetzlichen Regelung zur Abänderung seiner angegriffenen Entscheidung befugt ist (BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008 - 1 BvR 848/07 - BVerfGE 122, 190 <203>). Dies ist hier nicht der Fall. Mit der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Beschluss vom 21. März 2024 ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs rechtskräftig geworden (§ 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO). Es widerspräche der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit, gegen rechtskräftige Entscheidungen neben der ausdrücklich geregelten Anhörungsrüge eine Gegenvorstellung als ungeschriebenen außerordentlichen Rechtsbehelf zuzulassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Februar 2006 - 2 BvR 575/05 - NJW 2006, 2907; BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2016 - 3 B 25.16 - NVwZ-RR 2016, 723 Rn. 2 m. w. N.).

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.