Beschluss vom 18.03.2025 -
BVerwG 2 WDB 11.24ECLI:DE:BVerwG:2025:180325B2WDB11.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 18.03.2025 - 2 WDB 11.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:180325B2WDB11.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 WDB 11.24
- TDG Süd 5. Kammer - 21.08.2024 - AZ: S 5 VL 18/21
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 18. März 2025 beschlossen:
Die Beschwerde des früheren Soldaten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 21. August 2024 wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 1. Der frühere Soldat ist im März 2022 im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels in den Ruhestand getreten.
2 2. Die Vorsitzende der Truppendienstkammer hat das gegen den früheren Soldaten geführte gerichtliche Disziplinarverfahren ... mit Beschluss vom 21. August 2024 (Aussetzungsbeschluss) mit der Begründung ausgesetzt, die Wehrdisziplinaranwaltschaft habe mitgeteilt, dass weitere Pflichtverletzungen zum Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gemacht werden sollten.
3 a) In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde der frühere Soldat im Juli 2021 angeschuldigt, unerlaubt eine Nebentätigkeit ausgeübt und einen Kameraden aufgefordert zu haben, bei einer etwaigen Vernehmung in dem gegen ihn laufenden Disziplinarverfahren in bestimmter Weise auszusagen.
4 b) Nachdem die Wehrdisziplinaranwaltschaft im Januar 2022 unter Hinweis auf Erkenntnisse, die aufgrund eines Telefonkontakts mit dem Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) gewonnen worden seien, angekündigt hatte, neue Pflichtverletzungen anzuschuldigen, deren Gegenstand Verstöße gegen die Pflicht zur Verfassungstreue seien, wurde das Verfahren mit Beschluss vom 14. Januar 2022 erstmalig ausgesetzt.
5 c) Mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 11. Januar 2023 wurde der frühere Soldat angeschuldigt, gegen die Verfassungstreuepflicht verstoßen zu haben. Zuvor hatte das Truppendienstgericht die Durchsuchung und Beschlagnahme des privaten Mobiltelefons des früheren Soldaten wegen einer diesbezüglichen Pflichtverletzung angeordnet.
6 d) Unter dem 21. August 2024 teilte die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Truppendienstgericht mit, dass nach Durchsicht der umfangreichen Dokumente neue Pflichtverletzungen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden sollten.
7 3. Mit der vom früheren Soldaten gegen den Aussetzungsbeschluss vom 21. August 2024 fristgerecht erhobenen Beschwerde trägt er vor, die Wehrdisziplinaranwaltschaft habe ausweislich des Schriftverkehrs mit dem BAMAD unter Nutzung der Zugangsdaten des früheren Soldaten Cloud-Dienste durchsuchen lassen, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage bestehe. Deshalb fehle es bereits an einer tragfähigen Durchsuchungsanordnung, die ungeachtet dessen rechtswidrig sei. Er beantrage neben der Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses, die verfassungswidrigen Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren auszuschließen. Die auf diese verfassungswidrigen Ermittlungen gestützte Aussetzung des Verfahrens sei rechtswidrig.
8 Zusätzlich beantrage er, die Wehrdisziplinaranwaltschaft zu verpflichten, alle bei ihr und beim BAMAD vorhandenen Datenträger vollständig und ohne Anlage von Kopien entweder ihm oder seinem Verteidiger auszuhändigen oder sie zu vernichten. Er weise darauf hin, dass hinsichtlich der Beschaffung dieser Daten aus externen Speichern auch mehrere Straftatbestände zu prüfen seien, und verlange, ihm die Identität des Datenbeschaffers "..." mitzuteilen.
9 4. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft und der Bundeswehrdisziplinaranwalt treten der Beschwerde entgegen. Die Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II
10 1. Soweit sich die Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss richtet, ist sie zwar zulässig, insbesondere nicht nach § 114 Abs. 1 Satz 2 WDO ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juni 2024 - 2 WDB 6.24 - juris Rn. 10 ff. sowie vom 7. März 2025 - 2 WDB 2.25 - Rn. 9 ff.), jedoch unbegründet. Die Vorsitzende der Truppendienstkammer hat das gerichtliche Disziplinarverfahren zu Recht ausgesetzt.
11 Nach § 99 Abs. 2 WDO setzt der Vorsitzende des Truppendienstgerichts, wenn der Wehrdisziplinaranwalt mitteilt, dass neue Pflichtverletzungen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden sollen, das gerichtliche Disziplinarverfahren aus, bis der Wehrdisziplinaranwalt nach Ergänzung der Ermittlungen einen Nachtrag zur Anschuldigungsschrift vorlegt oder die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Die Vorschrift stellt die Aussetzung nicht in das gerichtliche Ermessen, sondern sieht zwingend eine Aussetzung vor, wenn der Wehrdisziplinaranwalt mitteilt, dass neue Pflichtverletzungen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden sollen. Dies ist hier unter dem 21. August 2024 erfolgt.
12 Für eine missbräuchliche Ankündigung einer Nachtragsanschuldigungsschrift zwecks Verzögerung des Verfahrens ist auch bei Einbeziehung der erstmals bereits im Januar 2022 ausgesprochenen Aussetzung nichts ersichtlich. Bei einer unangemessenen Verzögerung der Vorlage der Nachtragsanschuldigungsschrift kann der frühere Soldat im Übrigen durch Anrufung des Truppendienstgerichts entsprechend § 101 WDO eine Fortsetzung des Verfahrens herbeiführen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juni 2024 - 2 WDB 6.24 - juris Rn. 18 m. w. N. sowie vom 7. März 2025 - 2 WDB 2.25 - Rn. 14).
13 2. Alle weiteren vom früheren Soldaten erhobenen Rügen sind für die im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein zu entscheidende Frage der Rechtmäßigkeit des Aussetzungsbeschlusses ohne Belang, so dass die darauf gestützten Anträge unstatthaft sind.
14 a) Ob die Aussetzung des Verfahrens - wie der frühere Soldat meint - auf letztlich verfassungswidrigen Ermittlungen der Wehrdisziplinaranwaltschaft beruht, ist im gerichtlichen Disziplinarverfahren und einem sich etwaig anschließenden Berufungsverfahren zu klären (BVerwG, Beschluss vom 7. März 2025 - 2 WDB 2.25 - Rn. 15). Dies gilt namentlich für die Frage, ob die durch das BAMAD vermittelten und die aufgrund der Durchsuchungsanordnung gewonnenen Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen.
15 b) Hinsichtlich des Antrags, die Wehrdisziplinaranwaltschaft zu verpflichten, dem früheren Soldaten oder dessen Verteidiger alle bei ihr und beim BAMAD zu ihm vorhandenen Datenträger auszuhändigen oder zu vernichten, liegt ebensowenig eine anfechtbare Entscheidung des Truppendienstgerichts vor wie zu seinem Antrag, die Identität des Datenbeschaffers mitzuteilen.
16 3. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens umfasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 2021 - 2 WDB 4.21 - juris Rn. 20 und vom 7. März 2025 - 2 WDB 2.25 - Rn. 16).