Beschluss vom 07.03.2025 -
BVerwG 2 WDB 2.25ECLI:DE:BVerwG:2025:070325B2WDB2.25.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.03.2025 - 2 WDB 2.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:070325B2WDB2.25.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 2.25

  • TDG Süd 10. Kammer - 25.11.2024 - AZ: S 10 VL 46/23

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 7. März 2025 beschlossen:

Die Beschwerde des Soldaten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 25. November 2024 wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Das Beschwerdeverfahren betrifft die Aussetzung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens.

2 1. In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ist der Soldat im Oktober 2020 im Wesentlichen des Missbrauchs und Anmaßens von Befehlsbefugnissen angeschuldigt, wegen derer er nachfolgend im teilweise sachgleichen Strafverfahren rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

3 2. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2024 teilte die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Truppendienstgericht mit, dass wegen möglicher weiterer Pflichtverletzungen (Verdacht von unberechtigten, wahrheitswidrigen und ehrenrührigen Vorwürfen und Behauptungen des Soldaten gegenüber den Berufsrichtern und der Berufsrichterin des 1. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts) gegen den Soldaten ermittelt werde, die ggf. zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden sollten. Auf Nachfrage des Truppendienstgerichts stellte sie unter dem 22. November 2024 klar, dass dies als "Mitteilung des § 99 Abs. 2 WDO" gewertet werden solle.

4 3. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat mit Beschluss vom 25. November 2024 das gerichtliche Disziplinarverfahren gemäß § 99 Abs. 2 WDO ausgesetzt, bis die Wehrdisziplinaranwaltschaft einen Nachtrag zur Anschuldigungsschrift vorlegt oder die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.

5 4. Der Soldat hat am 29. November 2024 Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss erhoben und diese unter dem 30. November 2024, 3. Dezember 2024, 15. Dezember 2024, 8. Januar 2025 und 9. Februar 2025 ergänzt.

6 5. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 3. Februar 2025 nicht abgeholfen und sie dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7 6. Die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft hält die Beschwerde für unbegründet.

II

8 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

9 1. Zwar ist sie zulässig, insbesondere nicht nach § 114 Abs. 1 Satz 2 WDO ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2024 - 2 WDB 6.24 - juris Rn. 10 ff.).

10 2. Sie ist aber unbegründet. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat das gerichtliche Disziplinarverfahren zu Recht ausgesetzt.

11 Nach § 99 Abs. 2 WDO setzt der Vorsitzende des Truppendienstgerichts, wenn der Wehrdisziplinaranwalt mitteilt, dass neue Pflichtverletzungen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden sollen, das gerichtliche Disziplinarverfahren aus, bis der Wehrdisziplinaranwalt nach Ergänzung der Ermittlungen einen Nachtrag zur Anschuldigungsschrift vorlegt oder die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Die Vorschrift stellt die Aussetzung nicht in das Ermessen des Vorsitzenden der Truppendienstkammer, sondern sieht zwingend eine Aussetzung vor, wenn der Wehrdisziplinaranwalt - wie hier unter dem 18. Oktober und 22. November 2024 - mitteilt, dass neue Pflichtverletzungen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden sollen.

12 Dass er angegeben hat, sie sollten "gegebenenfalls" zum Gegenstand einer Nachtragsanschuldigungsschrift gemacht werden, steht dem nicht entgegen, da damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass - entgegen der Auffassung des Soldaten - noch ergänzende Ermittlungen und ggf. Anhörungen anstünden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2024 - 2 WDB 6.24 - juris Rn. 18).

13 Der Aussetzung nach § 99 Abs. 2 WDO steht auch nicht entgegen, dass die neuen Vorwürfe nach Ansicht des Soldaten unter Umständen für sich genommen nur eine einfache Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Denn eine Nachtragsanschuldigung kann auch erhoben werden, wenn die neue Pflichtverletzung für sich allein betrachtet nur eine einfache Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würde, aber nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens (§ 18 Abs. 2 WDO) einzubeziehen ist (Dau/​Schütz, Wehrdisziplinarordnung, 8. Auflage 2022, § 99 Rn. 23).

14 Für eine missbräuchliche Ankündigung einer Nachtragsanschuldigungsschrift zwecks Verzögerung des Verfahrens ist nichts ersichtlich. Bei einer unangemessenen Verzögerung der Vorlage der Nachtragsanschuldigungsschrift kann der Soldat durch Anrufung des Truppendienstgerichts entsprechend § 101 WDO eine Fortsetzung des Verfahrens herbeiführen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2024 - 2 WDB 6.24 - juris Rn. 18 m. w. N.).

15 Alle weiteren vom Soldaten erhobenen Rügen sind für die im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein zu entscheidende Frage der Rechtmäßigkeit des Aussetzungsbeschlusses ohne Belang. Etwaige Zuständigkeits- oder Verfahrensmängel im gerichtlichen Disziplinarverfahren, die der Mitteilung nach § 99 Abs. 2 WDO und dem angefochtenen Beschluss vorausgegangen sind, ziehen nicht automatisch dessen Unrechtmäßigkeit nach sich. Erst Recht gilt dies für Rügen, die sich auf Verfahrenshandlungen nach Erlass des angefochtenen Beschlusses beziehen. Über sie ist im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu befinden.

16 3. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens umfasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 2021 - 2 WDB 4.21 - juris Rn. 20).