Beschluss vom 18.01.2023 -
BVerwG 5 B 21.22ECLI:DE:BVerwG:2023:180123B5B21.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.01.2023 - 5 B 21.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:180123B5B21.22.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 21.22

  • VGH Mannheim - 21.09.2022 - AZ: 6 S 1310/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Januar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
beschlossen:

  1. 1. Der Antrag des Klägers, ihm für eine gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. September 2022 einzulegende Beschwerde einen Notanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. 2. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. September 2022 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 1. Der Antrag des Klägers ist abzulehnen. Der Kläger beantragt bei sachgerechter Auslegung vorrangig die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78b Abs. 1 ZPO) für die Durchführung des - vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen - Beschwerdeverfahrens gegen dessen Verweisungsbeschluss vom 21. September 2022.

2 Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts liegen nicht vor. Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78b Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht im Fall des Bestehens eines Anwaltszwangs einem Beteiligten auf dessen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

3 Das vorliegende Beschwerdeverfahren nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG unterliegt zwar nach § 147 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO dem Anwaltszwang, da es hiervon nicht durch ausdrückliche gesetzliche Regelung ausgenommen ist (vgl. Hartung/Schramm, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 63. Edition, Stand Januar 2022, § 67 Rn. 46 m. w. N.). Auch hat der Kläger hinreichende erfolglose Bemühungen um einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt dargelegt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kommt aber gleichwohl nicht in Betracht, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung sowohl mutwillig als auch aussichtslos erscheint. Diese Einschränkung der Beiordnung zielt, da nicht der Schutz der Staatskasse in Rede steht, hinsichtlich beider Tatbestandsalternativen darauf, den Rechtsanwalt vor der Übernahme eines ihm unzumutbaren Mandats zu schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZA 14/11 - NJW-RR 2012, 84; Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 78b Rn. 6).

4 a) Dies zugrunde gelegt ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung dann als mutwillig anzusehen, wenn von Anfang an zu erwarten ist, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seine Entpflichtung aus wichtigem Grund (§ 48 Abs. 2 BRAO) wegen einer unbehebbaren Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt verlangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2013 - V ZR 136/13 - AnwBl 2013, 826). Hiervon muss der Senat im vorliegenden Fall ausgehen. Die Begründung der Beschwerde gegen den - vom Kläger ausdrücklich so bezeichneten – "Beschlussentwurf" des Verwaltungsgerichtshofs zeigt, dass es ihm in diesem Verfahren nicht um die Klärung der Zulässigkeit der darin ausgesprochenen Verweisung geht, sondern darum, eine Entscheidung über seine, dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannten, kaum nachvollziehbaren und auch abwegigen Annahmen zu erzwingen, die Gerichte würden in seiner Sache durchgängig bereits formunwirksame Entscheidungen treffen. Die von dem Kläger unter Ziffer 18 der Beschwerdebegründung formulierten Anforderungen an den zu bestellenden Notanwalt zeigen zudem hinreichend deutlich auf, dass es ihm darum geht, auch den beizuordnenden Notanwalt im Beschwerdeverfahren hierauf festzulegen. Dies würde jedoch der Eigenverantwortung des Rechtsanwalts bei der Mandatswahrnehmung (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO) zuwiderlaufen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 1997 - VI ZR 174/97 - NJW-RR 1998, 575 und vom 13. September 2013 - V ZR 136/13 - AnwBl 2013, 826), da mit Blick auf das bisherige Prozessverhalten des Klägers nicht zu erwarten ist, dass er sich durch einen Anwalt eines Besseren belehren lässt.

5 b) Unzumutbar ist dem Rechtsanwalt auch die Übernahme der Vertretung in einer von vornherein aussichtslosen Sache. Aussichtslosigkeit im Sinne von § 78b Abs. 1 ZPO besteht, wenn ein dem Beteiligten günstigeres Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung offenbar nicht erreicht werden kann (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2019 - 6 BN 1.19 , 6 AV 9.19 - juris Rn. 3 m. w. N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZA 14/11 - NJW-RR 2012, 84). Gemessen daran erscheint das Rechtsschutzbegehren des Klägers unbeschadet des Umstands, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, aussichtslos i. S. v. § 78b Abs. 1 ZPO.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend darauf verwiesen, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die entsprechende Anwendung des § 17a Abs. 2 GVG auf das isolierte Prozesskostenhilfeverfahren mittlerweile geklärt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 276/20 - FamRZ 2021, 113). Weder ist dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs noch auch nur ansatzweise der Beschwerde zu entnehmen, dass insoweit ein erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf besteht. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die genannte Frage, die gerichtsverfassungsrechtlicher und nicht verwaltungsprozessualer Natur ist, bisher nicht oder zumindest nicht ausdrücklich in diesem Sinne auch durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2022 - 9 AV 1.22 - NVwZ 2022, 1062).

7 Desgleichen ist nicht erkennbar, warum die Erwägungen des Bundesgerichtshofs nicht auch auf die hier in Rede stehende Verweisung eines isolierten Antrags auf Bestellung eines Notanwalts zu übertragen wären. Vielmehr führt der Verwaltungsgerichtshof selbst unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit durchweg zutreffenden Gründen aus, weshalb eine Übertragbarkeit zu bejahen ist, ohne dass auch nur im Ansatz ersichtlich ist, welche Gründe dem entgegenstehen sollten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die (unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs) angeführten prozessökonomischen Argumente, die auch Gesichtspunkte des effektiven Rechtsschutzes in den Blick nehmen. Denn auch nach § 78b Abs. 1 ZPO hängt der Erfolg des Beiordnungsantrags in gewisser Hinsicht von den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ab, wobei diese wiederum zugleich mit der Rechtswegzuständigkeit verknüpft sind: Ein beabsichtigter (Klage-)Antrag, für den das angerufene Gericht offensichtlich nicht rechtswegzuständig ist, ist schon mangels Zulässigkeit ohne jede Aussicht auf Erfolg (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 276/20 - FamRZ 2021, 113 Rn. 24). Stünde die Verweisungsmöglichkeit nicht offen, müssten das angerufene Gericht den rechtswegfremden Beiordnungsantrag wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückweisen und der Antragsteller einen neuen Antrag im zuständigen Rechtsweg stellen, was ihn gegebenenfalls sogar dem Risiko aussetzen kann, dass eine Wiedereinsetzung in abgelaufene (Klage-)Fristen nicht mehr möglich ist. Dass im vorliegenden Fall in der Hauptsache zweifelsfrei die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gegeben wäre, hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2021 - 5 B 1.21 - NVwZ 2022, 412) überzeugend begründet.

8 2. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. September 2022 ist zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht den Anforderungen des § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO entsprechend eingelegt worden ist. Die Frage, ob die Versäumung der Frist unbeachtlich bzw. eine Wiedereinsetzung in Betracht käme, stellte sich nur im Fall der (hier - siehe oben - abzulehnenden) Beiordnung eines Notanwalts.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 21 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Beschluss vom 16.05.2023 -
BVerwG 5 B 4.23ECLI:DE:BVerwG:2023:160523B5B4.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.05.2023 - 5 B 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:160523B5B4.23.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 4.23

  • VGH Mannheim - 21.09.2022 - AZ: 6 S 1310/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Mai 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
beschlossen:

  1. Die gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A. und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle B. gerichteten Ablehnungsgesuche werden verworfen.
  2. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 18. Januar 2023 - 5 B 21.22 - wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Gründe

1 Der Senat entnimmt der Eingabe des Klägers vom 15. Februar 2023, soweit in ihr ein prozessual relevantes Begehren enthalten ist, dass er mit dieser den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A. und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle B. wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnt und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Beschluss des Senats vom 18. Januar 2023 - 5 B 21.22 - rügen will. Diese Anträge bleiben ohne Erfolg.

2 1. Die Ablehnungsgesuche sind unzulässig.

3 a) Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A. ist unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zu verwerfen. Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5 m. w. N.). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das ist unter anderem der Fall, wenn das Gesuch rechtsmissbräuchlich ist, weil es offenbar grundlos ist oder nur der Verschleppung dient (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - juris Rn. 15 f.). Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil sich dem Vorbringen des Klägers nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar entnehmen lässt, weshalb sich daraus Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Voreingenommenheit gerade des abgelehnten Richters ergeben sollten.

4 b) Nichts anderes gilt für das Ablehnungsgesuch gegen die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle B. Die vom Kläger genannten Gründe sind von vornherein ungeeignet, die angebliche Befangenheit der abgelehnten Urkundsbeamtin zu begründen.

5 2. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 18. Januar 2023 - 5 B 21.22 -, mit dem dieser auch über einen nicht dem Anwaltszwang unterliegenden Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts entschieden hat, hat ebenfalls keinen Erfolg. Das Verfahren ist nicht nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO fortzuführen. Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten bei Vorliegen der Voraussetzung des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

6 Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert und schlüssig darzulegen. Er muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird. Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 10 f. m. w. N.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Der Senat vermag seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, worin eine Gehörsverletzung durch den Beschluss vom 18. Januar 2023 - 5 B 21.22 - zu sehen sein soll.

7 3. Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

8 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG.