Urteil vom 16.05.2006 -
BVerwG 2 WD 3.05ECLI:DE:BVerwG:2006:160506U2WD3.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.05.2006 - 2 WD 3.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:160506U2WD3.05.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 3.05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 16. Mai 2006, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Grade,
Stabsfeldwebel Drossel
als ehrenamtliche Richter,
Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 2. Kam-mer des Truppendienstgerichts Nord vom 7. Dezember 2004 aufgehoben.
  2. Der Soldat wird wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels herabgesetzt.
  3. Die Kosten des ersten Rechtszugs hat der Soldat zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden je zur Hälfte dem Soldaten und dem Bund auferlegt, der auch die Hälfte der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe

I

1 Der 46 Jahre alte Soldat trat nach dem Abitur als Grundwehrdienstleistender am 2. Juli 1979 den Dienst in der Bundeswehr bei der P...kompanie ... in S. an. Aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr wurde er am 7. Dezember 1979 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zunächst stufenweise auf zwölf Jahre festgesetzt, bis er am 26. August 1987 zum Berufssoldaten ernannt wurde. Wiederholte Anträge auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes wurden abschlägig beschieden.

2 Der Soldat wurde zuletzt am 5. Oktober 1992 zum Hauptfeldwebel befördert.

3 Danach war er zunächst an der H...schule ... in D. als Panzergrenadierfeldwebel eingesetzt. Zum 1. Oktober 1994 wurde er zur 3./P...Btl ... in H. als Panzerfeldwebel Leopard 2 und Zugführer und zum 1. Januar 1999 zur 4./P...Btl ... in St. als Panzerfeldwebel Leopard 2 und Kompaniefeldwebel versetzt. Zum 1. Juli 2003 wurde der Soldat zur Stabskompanie der P...Brig ... in N. als Panzerfeldwebel Leopard 2 und zum 1. Dezember 2003 zur 1./H...Btl ... in K. als Mobilmachungsvorbereitungsfeldwebel versetzt. Seit dem 5. Januar 2004 übt er in der 1./H...Btl ... die Funktion des S 1/S 3-Feldwebels aus. Ihm obliegt die Personalbearbeitung für Reservisten sowie die Planung, Organisation und Durchführung von Übungsvorhaben des H...Btl ....

4 In der letzten planmäßigen Beurteilung vom 5. Juli 2000 durch den Kompaniechef 4./P...Btl ... wurden die Leistungen im Beurteilungszeitraum in den Einzelmerkmalen einmal mit der Stufe „7“ (Fürsorgeverhalten), neunmal mit der Stufe „6“ und im Übrigen mit der Stufe „5“ bewertet. In der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung setzte der beurteilende Vorgesetzte für das Merkmal „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ die Wertung „e“ und ansonsten die Wertungsstufe „d“ fest. In der Beschreibung seiner herausragenden charakterlichen Merkmale wird er als Soldat dargestellt, der sich durch sein ausgeprägtes Verständnis der Menschenführung, sein ausgewogenes „Fingerspitzengefühl“ im Umgang mit Menschen und ein sehr hohes Maß an Freude am Beruf auszeichne. Er besitze einen aufrichtigen und festen Charakter und sei niemals bestrebt, sich übertrieben nach außen hin darzustellen. Was er spreche und tue, sei identisch. Insgesamt sei er ein glaubwürdiges und liebenswürdiges „Original“. Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte führte in seiner Stellungnahme vom 21. August 2000 aus, der Soldat gehöre zur Spitze der Kompaniefeldwebel im Bataillon, so dass er die erkennbare Eignung für einen UmP-7-Dienstposten unterstreiche. Die Förderungswürdigkeit des Soldaten stufte er mit „D“ ein.

5 Der Kommandeur P...Brig ... unterstrich als weiterer höherer Vorgesetzter diese gute Beurteilung, weil der Soldat auch aus seiner Sicht eindrucksvolle Leistungen erbracht habe.

6 In der Sonderbeurteilung vom 16. März 2005 wurden die Leistungen des Soldaten in den Einzelmarkmalen fünfmal mit „7“ und elfmal mit „6“ bewertet. Bei der Beurteilung seiner Eignung und Befähigung wurde ihm jeweils für „Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ und „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ die Wertung „E“ und für „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ die Wertung „D“ zuerkannt. Unter „Herausragende, charakterliche Merkmale, Kameradschaft, Berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wurde ausgeführt:
„HptFw ... zeichnet sich durch ein hohes Maß an Geradlinigkeit, Loyalität und Pflichtbewusstsein aus. Sein berufliches Selbstverständnis und seine innere Einstellung zum Soldatenberuf sind tadellos. Auch mit der Bataillonsführung besteht eine hervorragende Zusammenarbeit und er ist auch bei den Reservisten durch seine unkomplizierte und offene Art anerkannt und genießt uneingeschränkt ihr Vertrauen.
In seine Tätigkeit hat er sich schnell und ohne Schwierigkeit eingearbeitet. Da der Dienstposten des S1/S3 Offiziers FD im Bataillon nicht besetzt ist, nimmt HptFw ... dessen Aufgaben wahr. Hierbei zeigt er eine lobenswerte Dienstauffassung, herausragenden persönlichen Einsatz und vorbildliche Pflichterfüllung. Bei seinen Kameraden, Untergebenen und Vorgesetzten gleichermaßen anerkannt, ist er aufgrund seiner freundlichen, zuvorkommenden und manchmal schelmischen Art beliebt.“

9 Der derzeitige nächste Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, der Zeuge Hauptmann B., hat in der Berufungshauptverhandlung bekundet, dass der Soldat seit der Zuversetzung in seinen Zuständigkeitsbereich nicht negativ aufgefallen sei. Er sei äußerst einsatzbereit. Das Verhältnis zu seinen Kameraden und zu den wehrübenden Reservisten sei sehr gut. Es sei zu keinerlei alkoholbedingten Zwischenfällen gekommen. Der Soldat enthalte sich - auch bei dienstlichen Veranstaltungen mit Reservisten - jeglichen Alkoholkonsums.

10 Ausweislich des Auszugs aus dem Disziplinarbuch vom 15. März 2005 wurden dem Soldaten am 20. Dezember 1984 und 11. Mai 1990 zwei förmliche Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erteilt. Disziplinar ist er bisher nicht negativ in Erscheinung getreten. Abgesehen von dem teilweise sachgleichen Strafverfahren ist der Soldat strafrechtlich bislang unbelastet.

11 Der Kommandeur P...Btl ... setzte am 28. Februar 2000 für den Soldaten in Anerkennung seiner dauerhaft herausragenden Gesamtleistungen nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BBesG eine Leistungsstufe fest.

12 Der Soldat erhielt am 20. August 1981 die Schützenschnur in Bronze und am 22. Oktober 1986 das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold. Der Bundesminister der Verteidigung verlieh ihm am 6. Februar 2002 für treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche Leistungen das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold und am 26. Februar 2003 erhielt der Soldat die Einsatzmedaille der Bundeswehr (Fluthilfe 2002).

13 Der ledige Soldat wird nach der Besoldungsgruppe A 8, 10. Dienstaltersstufe besoldet und erhält monatliche Bruttobezüge in Höhe von 2 394,37 €, aus denen sich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge Nettobezüge in Höhe von 1 954,38 € errechnen. Seine finanziellen Verhältnisse sind geordnet.

II

14 1. Aufgrund einer Abgabe an die Staatsanwaltschaft nach § 33 Abs. 3 WDO kam es im September 2002 zu einem Strafverfahren gegen den Soldaten bei der Staatsanwaltschaft M., in dem das Amtsgericht K. - 1 Js 11217/02 11 Cs - mit Strafbefehl vom 5. September 2003 gegen den Soldaten wegen zweifachen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und Beleidigung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängte, deren Vollstreckung gegen Zahlung einer Geldbuße vom 1.000 € auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde (angewandte Strafbestimmungen: § 179 Abs. 1 Nr. 1, §§ 185, 21, 53 StGB). Der Strafbefehl ist sei dem 28. Oktober 2003 rechtskräftig.

15 2. In dem mit Verfügung des Kommandeurs 7. P...division vom 21. November 2003 durch Aushändigung am 2. Dezember 2003 ordnungsgemäß eingeleiteten teilweise sachgleichen (Anschuldigungspunkte 1, 3 und 8) gerichtlichen Disziplinarverfahren legte der Wehrdisziplinaranwalt dem Soldaten in der am 30. Juni 2004 zugestellten Anschuldigungsschrift vom 21. Juni 2004 folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zu Last:
„1. Als Kompaniefeldwebel der 4./P...Btl ... führte der Soldat während eines Truppenübungsplatz-Aufenthaltes seiner Einheit in der Nacht vom 09.03. auf den 10.03.2001 in B., Lager A., in stark alkoholisiertem Zustand seine Hand unter die Bettdecke des seiner Kompanie angehörenden damaligen Fahnenjunkers Christian-Werner K., der betrunken in seinem Bett lag und ihm dem Rücken zukehrte, berührte sein mit Boxershorts bekleidetes Gesäß und beließ seine Hand für einige Sekunden dort, bevor er sie wieder zurückzog. Der Fahnenjunker, der sich währenddessen schlafend stellte, war geschockt, eingeschüchtert und hatte Angst.
Hilfsweise:
Der Soldat hat sich am 09.03.2001 durch den Genuss alkoholischer Getränke zumindest fahrlässig in einen die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand der Volltrunkenheit versetzt und zu besagtem Zeitpunkt die o.a. Handlungen vorgenommen.
2. Ab dem 21.01.2002 bis Anfang März 2002 klopfte er auf dem Dienstzimmer im Kompanieblock der 4./P...Btl ..., S. zu verschiedenen Gelegenheiten mehrfach mit seiner Hand an das Gesäß des als Zugführer eingesetzten damaligen Fähnrichs Christian-Werner K..
3. Zu heute nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkten im Sommer 2002 berührte der Soldat im Geschäftszimmer der 4./P...Btl ... den Gefreiten D. unsittlich, indem er ihm ins Gesäß kniff und dieses tätschelte. Außerdem fasste er ihn an die Genitalien.
4. Der Soldat fasste zu nicht mehr näher zu ermittelnden Zeitpunkten vor dem 25.09.2002 meist auf dem Geschäftszimmer der 4./P...Btl ... dem ebenfalls der Kompanie angehörenden damaligen Stabsunteroffizier Florian Kl. an dessen Gesäß und bezeichnete ihn mehrfach als ‚Schwanzlutscher’ und ‚schwuler Wichser’.
5. Am 06.08.2002 nannte er den damaligen Oberfähnrich Christian-Werner K. im Geschäftszimmer der 4./P...Btl ... in Zusammenhang mit dessen Sachschadensmeldung vom 25.07.2002 und in Gegenwart des Stabsunteroffiziers Mike R. und des Gefreiten Sven D., die beide ebenfalls der 4./P...Btl ... angehörten, einen ‚Lügner’.
6. Er äußerte am 26.08.2002 gegen Mittag im Kompanieblock der 4./P...Btl ... gegenüber dem Oberfähnrich K., er sei aufgrund einer Entscheidung des ‚Ältestenrates’ der Kompanie und wegen seiner charakterlichen Schwächen aus der Gemeinschaft der Unteroffiziere ausgeschlossen worden, obwohl es einen ‚Ältestenrat’ überhaupt nicht gab.
7. Am 30.08.2002 gegen 12.00 Uhr teilte er dem Unteroffizierkorps der 4./P...Btl ... im U-Raum der Kompanie mit, dass der Oberfähnrich K. aus der Gemeinschaft der Unteroffiziere ausgeschlossen worden sei. Zur Begründung äußerte er, der Oberfähnrich K. sei eine ‚menschliche Charaktersau’.
8. Der Soldat zog am 31.08.2002 nach 22.00 Uhr im Kompanieblock der 4./P...Btl ..., Stube 207, in stark alkoholisiertem Zustand dem im Feldanzug und mit Stiefeln betrunken auf seinem Bett liegenden und schlafenden Gefreiten D. die Stiefel aus, zog dessen Feldhose und Unterhose bis oberhalb der Knie herunter und berührte dessen entblößte Genitalien.
Hilfsweise:
Der Soldat hat sich am 31.08.2002 durch den Genuss alkoholischer Getränke zumindest fahrlässig in einen die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand der Volltrunkenheit versetzt und zu besagtem Zeitpunkt die o.a Handlungen vorgenommen.
9. Am 23.12.2002 sandte er auf das Handy des Stabsunteroffiziers Marco N., der am 25.09.2002 vom Kommandeur des P...Btl 143 im Hinblick auf seine sexuellen Übergriffe gegenüber anderen Soldaten als Zeuge vernommen worden war, folgende SMS:
‚Wünsche dir den Tod. Aber du bist ja der sohn eines Grenzers also eines mörders. Und genauso ist dein Verhalten. Du bist der dreck auf dieser erde. Aber das ginge noch was besser du bist riegel dumm und das kann dir keiner mehr nehmen. Also sohn eines mörders. Den tod.’“

30 Die 2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord setzte den Soldaten durch Urteil vom 7. Dezember 2004 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Feldwebels herab.

31 Zur rechtlichen Würdigung führte die Truppendienstkammer aus: Durch das festgestellte Verhalten habe der Soldat in den Anschuldigungspunkten 1 bis 8 die Pflicht zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt. Darüber hinaus habe er durch das Verhalten in den Anschuldigungspunkten 1 bis 9 die Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) sowie durch sein Verhalten zu Anschuldigungspunkt 9 die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verletzt. Der Soldat habe vorsätzlich seine Dienstpflichten verletzt und ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

32 Zur Maßnahmebemessung führte die Kammer u.a. aus, dass das Dienstvergehen außerordentlich schwer wiege. Der Soldat habe seine herausgehobene Dienststellung als Kompaniefeldwebel missbraucht, die Persönlichkeitsrechte unterstellter Soldaten und deren Würde missachtet und sich so nachhaltig disqualifiziert, dass seine Ablösung erforderlich gewesen sei. Er habe als Vorgesetzter entgegen seiner Pflicht gemäß § 10 Abs. 1 SG ein denkbar schlechtes Beispiel gegeben. Durch die Übergriffe, die körperlichen Berührungen sowie die ehrverletzenden Äußerungen habe er die nach Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde der Zeugen beeinträchtigt. Betroffen sei auch das Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, das unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass jegliche Belästigung am Arbeitsplatz ein Dienstvergehen sei. Nach Eigenart und Schwere des Dienstvergehens habe im vorliegenden Fall Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung sein müssen, weil der Soldat zusätzlich zu den Kernvorwürfen der sexuellen Übergriffe und der wiederholten sexuellen Berührungen die Ehre und Würde der Zeugen durch verbale Entgleisungen massiv beeinträchtigt habe. Zu seinen Lasten sei ins Gewicht gefallen, dass er wegen seines Verhaltens von seinem Dienstposten als Kompaniefeldwebel abgelöst werden musste. Für ihn habe gesprochen, dass er bis zu seinem Dienstvergehen und nach Versetzung zum H...Btl ... ordentliche bzw. sehr ordentliche dienstliche Leistungen gezeigt habe. Ganz wesentlich zu seinen Gunsten sei berücksichtigt worden, dass er sich im angeschuldigten Zeitraum in einer „nassen Phase“ einer Alkoholkrankheit befunden habe. Unter Abwägung aller be- und entlastenden Umstände in der Tat und in der Person des Soldaten sei die Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels wegen der Schwere des Dienstvergehens unabdingbar gewesen.

33 Gegen dieses dem Soldaten am 12. Januar 2005 zugestellte Urteil hat sein damaliger Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Februar 2005, bei den Wehrdienstsenaten des Bundesverwaltungsgerichts eingegangen am 8. Februar 2005, Berufung im vollen Umfang eingelegt und beantragt, das Urteil des Truppendienstgerichts aufzuheben, hilfsweise, das Verfahren zur Neuverhandlung an das Truppendienstgericht Nord zurückzuverweisen.

34 Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen:
Das Truppendienstgericht habe erkannt, dass zum Zeitpunkt der zum Vorwurf gemachten Handlungen der Soldat an einer schweren Alkoholerkrankung gelitten habe, die nach den glaubhaften Bekundungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Truppendienstgericht erschienenen Zeugen Oberfeldarzt Dr. W. dazu geführt habe, dass - in Verbindung mit Alkoholabusus - bei dem Soldaten latent vorhandene schizophrene Züge die Oberhand gewonnen hätten und es so dazu gekommen sei, dass der Soldat - völlig abweichend von seinem bisherigen dienstlichen und persönlichen Erscheinungsbild - schlichtweg ausgerastet sei. Der Zeuge Hauptmann B. habe vor dem Truppendienstgericht ebenfalls glaubwürdig bekundet, dass der Soldat nach der erfolgreichen Alkoholtherapie wieder völlig seinen bisherigen dienstlichen Einstufungen entsprechend seinen Dienst versehen habe. Die zum Vorwurf gemachten Entgleisungen seien für den jetzigen Disziplinarvorgesetzten, Hauptmann B., nicht nachvollziehbar gewesen. Das erstinstanzliche Urteil würdige nicht ausreichend den Zusammenhang zwischen der zweifellos vorhandenen Alkoholerkrankung und den damit zutage getretenen Auffälligkeiten des Soldaten, die in diesem Zusammenhang in keinster Weise beschönigt würden. Tatsache sei, dass sämtliche vorgeworfenen Taten im Vollrausch begangen worden seien, wobei interessanterweise sowohl Täter als auch Opfer in einem Zustand gewesen seien, wonach jegliche Steuerungsmöglichkeit als auch -fähigkeit alkoholbedingt ausgeschlossen gewesen sei. Es werde gerügt, dass in diesem Zusammenhang lediglich der Zeuge Oberfeldarzt Dr. W. gehört worden sei. Ein Sachverständiger sei trotz erfolgter Beweisanregung nicht hinzugezogen und auch nicht gehört worden, was nochmals aus Sicht der Verteidigung gerügt werde. Der Zeuge Oberfeldarzt Dr. W. habe die ärztliche Behandlung, d.h. Fort- und Ausgang der Alkoholentwöhnung geschildert und darüber hinaus beim Soldaten schizoide Züge unterstellt; eine Konsequenz hieraus sei das Gericht in der Urteilsbegründung hingegen schuldig geblieben. Über den Zeitraum von März 2001 bis zur abschließenden ärztlichen Behandlung sei der Soldat nicht er selbst gewesen; anders ließen sich die vergangenen als auch aktuellen dienstlichen Beurteilungen nicht deuten. Der Soldat habe über den zum Tatvorwurf gemachten Zeitraum unter einer schweren Persönlichkeitsspaltung gelitten, die erst nach erfolgreich durchgeführter Alkoholtherapie - nunmehr gänzlich - abgeklungen sei. Diese Tatsache sei in der mündlichen Verhandlung allenfalls gestreift worden. In der Urteilsfindung sei jedoch in keinster Weise gewürdigt worden, was die Schuldfähigkeit des Soldaten zum jeweiligen Tatzeitpunkt anbelange. Zum anderen sei dem Soldaten ein Erinnerungsvermögen unterstellt worden, was er offensichtlich nicht gehabt haben könne, zumal er Kenntnis zum jeweiligen Tatverlauf nur vom Hörensagen durch Dritte habe erlangen können.

36 Die physischen als aus psychischen Ausfallerscheinungen des Soldaten ließen sich nur durch ein psychologisches Sachverständigengutachten erklären, was hiermit ausdrücklich beantragt werde.

37 Mit Ausnahme der Anschuldigungspunkte 4, 5 und 7 habe sich der Soldat zum Tatzeitpunkt in einem absolut schuldausschließenden Zustand befunden.

38 Zum Beweis hierfür möge ein entsprechend lautendes Sachverständigengutachten eingeholt werden unter Beiziehung der Krankenakten des Soldaten, die anlässlich seiner Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus K. angelegt worden seien.

39 Ein diesbezügliches Sachverständigengutachten werde ergeben, das die Persönlichkeit des Soldaten zum jeweiligen Tatzeitpunkt in hohem Maße gespalten gewesen sei. Zu den einzelnen Anschuldigungspunkten werde Folgendes vorgetragen:

40 Zu Anschuldigungspunkt 1:
Der Zeuge K. habe zum Tatzeitpunkt fest geschlafen und sei nach dem Ereignis von dem Zeugen Kl. geweckt und nach seinen Wahrnehmungen gefragt worden. Der Zeuge K. habe nichts gewusst und sei nach seinem Bekunden von einem im Tiefschlaf stattgefundenen Ereignis „traumatisiert“. Der Soldat sei zum Tatzeitpunkt absolut volltrunken gewesen und sei anschließend weder örtlich noch zeitlich orientiert vor dem Unterkunftsgebäude aufgefunden und von Stabsunteroffizier Robert P. auf sein Zimmer verbracht worden. Festzuhalten sei, dass die Aussage des Zeugen K. nicht auf eigenen Wahrnehmungen beruhe.

42 Zu Anschuldigungspunkt 2:
Es stimme, dass der Soldat den Zeugen K. freundschaftlich getätschelt habe; dies sei offensichtlich auf der Dienststelle des Soldaten so üblich gewesen. Als sich der Zeuge K. gegen das Verhalten des Soldaten gewehrt habe, habe der Soldat unverzüglich damit aufgehört. Hieraus könne man dem Soldaten dem Grunde nach keinen Vorwurf machen.

44 Zu Anschuldigungspunkt 3:
Das erstinstanzliche Gericht unterstelle dem Zeugen D., er habe einen Vorgänger in der Schreibstube des Soldaten gehabt. Der Vorgang sei jedoch ein anderer gewesen: Der Zeuge D. sei auf eigenen Wunsch ins Geschäftszimmer des Soldaten gekommen, da er sich dort gut aufgehoben gefühlt habe. Wäre der Soldat in der Tat ein solches Monster gewesen, wie in der Beweisaufnahme dargestellt, hätte sich der Zeuge D. nicht aus freien Stücken „in die Höhle des Löwen begeben“. Abweichend zu der sonst üblichen Alkoholproblematik habe der Zeuge D. massive Drogenprobleme gehabt und deshalb in die Instandsetzung versetzt werden sollen. Der Vorgesetzte des Soldaten habe D., da wegen Drogenproblemen unhaltbar, aus dem Dienst entfernen wollen, woraufhin sich der Soldat vehement für den Zeugen D. eingesetzt habe. Der Zeuge D. habe dienstlich den Führerschein C 1 erwerben wollen, der zuständige Sanitätsfeldwebel habe ihm wegen offenkundiger Drogenprobleme die Zulassung zur Prüfung verweigert. D. habe daher dringlich darum gebeten, im Geschäftszimmer beim Soldaten verbleiben zu können. Dieser Wunsch sei dem Zeugen D. erfüllt worden. Gegen die Zeugenaussage des Zeugen D. bestünden ernsthafte Bedenken. Der Zeuge D. sei der Auffassung gewesen, dem Soldaten als auch dessen Vorgesetzten hilflos ausgeliefert gewesen zu sein, zumal sich der Soldat als auch dessen Vorgesetzter duzten. Das „Du“ in der Bundeswehr sei durchaus üblich, führe jedoch keineswegs zu einem Mauern gegenüber Wehrpflichtigen. Der Zeuge D. sei auch nicht aufgrund des Duzverhältnisses des Soldaten mit dessen Vorgesetzten eingeschüchtert gewesen.

46 Die Anschuldigungspunkte 4 und 5 könnten als wahr unterstellt werden.

47 Zu Anschuldigungspunkt 6:
Der Zeuge K. und der Soldat hätten sich abgrundtief gehasst. In diesem Zusammenhang sei es zum Ausschluss des Zeugen K. aus dem Ältestenrat gekommen, den es in Wirklichkeit gar nicht gegeben habe. Der Gesamtvorgang betreffe den Umstand, dass ein Nichtmitglied aus einem nicht existierenden Verein ausgeschlossen werde. In der Tat habe der Soldat den Zeugen K. disziplinieren wollen, da sich dieser gegenüber Untergebenen in hohem Maße arrogant und schikanös aufgeführt habe. In diesem Zusammenhang habe der Soldat vielleicht das falsche Mittel gewählt, um den Zeugen K. zu disziplinieren, in rechtlicher Hinsicht sei jedoch eine falsche Würdigung vorgenommen worden.

49 Anschuldigungspunkt 7 könne als wahr unterstellt werden.

50 Zu Anschuldigungspunkt 8:
Der Zeuge D. sei vor der „Tatnacht“ vom Soldaten höflich befragt worden, ob der Soldat in seinem Zimmer übernachten könne. Dies habe der Zeuge D. ausdrücklich bejaht. Die Freundin des Zeugen D. sollte am darauf folgenden Sonntagmorgen erscheinen, um D. abzuholen, der bis dahin seinen ins Auge gefassten und in die Tat umgesetzten Vollrausch ausgeschlafen habe. Die Freundin des Zeugen D. habe sich zum damaligen Zeitpunkt in Stadtallendorf befunden und den Tag der offenen Tür in der benachbarten Kaserne besucht, zusammen mit ihren Freundinnen und anderweitigen Bekannten. D. habe aus freien Stücken auf der besagten Stube übernachtet und hätte jederzeit von seiner Freundin abgeholt werden können, was auch so geschehen sei. Der Zeuge D. habe sich auch nicht aus Furcht vor dem Soldaten in voller Montur ins Bett auf der besagten Stube gelegt, sondern weil er aufgrund von Trunkenheit nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich zu entkleiden. Dies jedenfalls sei dem Soldaten, der an den Vorgang keinerlei Erinnerung habe, später von Stabsunteroffizier Mike R. berichtet worden. Der Zeuge D. habe sich am fraglichen Abend mit einer Mischung aus Jägermeister und Whiskey betrunken. Der Whiskey sei von der Freundin des Zeugen Mike R. an einer Tankstelle besorgt worden. D. sei aufgrund seiner Trunkenheit nicht mehr örtlich und zeitlich orientiert gewesen. Das Erinnerungsvermögen des Soldaten ende um ca. 20.00 Uhr. Der Zeuge D. sei jedoch aufgrund eigener Trunkenheit außer Stande gewesen, den Trunkenheitsgrad des Soldaten zu beurteilen. Wie es zu der schweren Verletzung des Soldaten in der Tatnacht gekommen sei, könne der Soldat nicht erklären, sein Erinnerungsvermögen habe erst am darauf folgenden Tag wieder eingesetzt. Die Aussage des Zeugen D. sei durch das erstinstanzliche Gericht falsch gewertet worden.

52 Zu Anschuldigungspunkt 9:
Das Truppendienstgericht habe erkannt, dass der im Übrigen belesene Soldat niemals einen derartigen Text von sich geben würde. Der Text sei vollkommen verstümmelt; der Soldat sei in der Lage, SMS-Botschaften quasi blind zu schreiben. Der Soldat habe sich unmittelbar nach Wiedererlangen des klaren Bewusstseins beim Empfänger der SMS entschuldigt.

54 Abschließend sei zur Beweisaufnahme des Truppendienstgerichts und dessen Würdigung Folgendes vorzutragen: Sämtliche Zeugen hätten sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und der Vernehmung des Soldaten zusammen in einem gemeinsamen Raum befunden und seien offensichtlich übereingekommen, dem Soldaten „eins auszuwischen“. Dies habe der Zeuge Dr. W., der sich ebenfalls in diesem Raum aufgehalten habe, mitbekommen und ansatzweise anlässlich seiner eigenen Vernehmung kundgetan. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Zeugen zu Lasten des Soldaten abgesprochen hätten, um diesen in der mündlichen Verhandlung über Gebühr zu belasten.

55 Durch Beschluss des Senats vom 14. Februar 2006 wurde Oberfeldarzt Dr. W., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens zur Frage beauftragt, ob der Soldat bei Begehung der angeschuldigten Handlungen in der Zeit zwischen dem 9. März 2001 und dem 23. Dezember 2002 wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, oder ob seine Fähigkeit in dieser Hinsicht erheblich vermindert war.

III

56 1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).

57 2. Da das Rechtsmittel des Soldaten ausdrücklich und nach dem wesentlichen Inhalt seiner Begründung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenen Folgerungen zu ziehen sowie unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

58 3. Die Berufung des Soldaten ist teilweise begründet.

59 a) Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke, der gemäß § 123 Satz 1 WDO verlesenen Aussagen der Zeugen Leutnant der Reserve K., Oberfeldwebel Kl., Obergefreiter der Reserve D. sowie der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Hauptmann B. und Oberleutnant der Reserve M. und des Sachverständigen Oberfeldarzt Dr. W. hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:

60 Nach den überzeugenden Ausführungen des von der Schweigepflicht befreiten Sachverständigen Oberfeldarzt Dr. W. litt der Soldat, der bereits seit seinem 16. Lebensjahr - wenn auch anfangs nur am Wochenende - regelmäßig Alkohol zu sich genommen hat, im Zeitraum 2001 und 2002 unter einer Alkoholkrankheit mit exzessivem Alkoholkonsum und Filmrissen. Seit Antritt seines damaligen Dienstpostens als Kompaniefeldwebel der 4./P...Btl ... im Januar 1999 betrank er sich regelmäßig bis zur Bewusstlosigkeit. Dies geschah vornehmlich an Wochenenden, aber auch bei dienstlichen Veranstaltungen während der Woche; in den letztgenannten Fällen nahm er sich in der Regel am Folgetag Erholungsurlaub, weil er voraussah, dass er an diesem Tag nicht dienstfähig sein werde. Von seinen Vorgesetzten hatte zumindest sein damaliger Kompaniechef, Hauptmann Bräuer, vom Alkoholproblem des Soldaten Kenntnis, traf diesbezüglich aber keine Maßnahmen. Der Soldat unterzog sich von Februar bis April 2003 auf eigenen Wunsch einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie in einem Bundeswehrkrankenhaus. Der Soldat ist seitdem abstinent. Wiederholte ambulante Nachuntersuchungen und eine fortlaufende Überprüfung der Blutwerte durch den Truppenarzt zeigten bislang keine Anhaltspunkte für Rückfälle im Trinkverhalten.

61 Zu Anschuldigungspunkt 1:
Im März 2001 befand sich die Kompanie des Soldaten auf dem Truppenübungsplatz B. Nach einem Kompanieabend, bei dem der Soldat so erhebliche - im Einzelnen nicht mehr ermittelbare - Mengen Alkohol getrunken hatte, dass er sich an die weiteren Geschehnisse nicht mehr erinnern konnte, betrat er zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in der Nacht vom 9. auf den 10. März 2001 eine Stube im Unterkunftsblock der 4./P...Btl ... im Lager A., auf der die Zeugen (damalig) Fahnenjunker K. und (damalig) Feldwebel Kl. sowie zwei weitere Soldaten untergebracht waren. Der Soldat ging zunächst an das Doppelstockbett des Zeugen Kl., der im unteren Bett im zugezogenen Schlafsack schlief und mit Eintreten des Soldaten in das Zimmer wach wurde. Zu diesem Zeitpunkt drehte sich der Zeuge K., der im daneben stehenden Doppelstockbett oben lag, mit dem Kopf zur Wand und stellte sich schlafend, so dass er das weitere Geschehen nicht mehr visuell verfolgen konnte. Im Folgenden berührte der Soldat mit seiner Hand den Körper des Zeugen Kl., der später feststellte, dass sein Schlafsack geöffnet worden war. Als sich dieser Zeuge auf den Bauch drehte, ließ der Soldat von ihm ab. Daraufhin führte der Soldat seine Hand unter die Bettdecke im Bett des Zeugen K. und berührte dessen Gesäß. Der Zeuge K. drehte sich daraufhin geschockt und eingeschüchtert um und veranlasste den Soldaten dadurch, das Zimmer zu verlassen. Am folgenden Tag entschuldigte sich der Soldat bei den betroffenen Soldaten für die „nächtliche Störung“.

63 Der Soldat hat sich dahingehend eingelassen, an den Vorfall keine Erinnerung mehr zu haben. Er könne sich nicht vorstellen, dem Zeugen K. an das Gesäß gefasst zu haben.

64 Die Einlassung des Soldaten ist nicht geeignet, die glaubhaften belastenden Bekundungen der vor dem Truppendienstgericht vernommenen Zeugen K. und Kl. zu erschüttern. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Soldaten ergeben sich daraus, dass er sich unterschiedlich äußerte. In der Berufungshauptverhandlung ließ er sich dahin ein, keine Erinnerung an den Vorgang zu haben. Dies deckt sich zwar mit seiner Einlassung vor dem Truppendienstgericht, nichts mehr gewusst zu haben, weil er „zu betrunken“ gewesen sei, widerspricht aber seinem Vorbringen in seiner Berufungsbegründung, der Zeuge K. habe zum Tatzeitpunkt fest geschlafen. Wenn der Soldat aber nichts mehr gewusst hat, kann er nicht wahrgenommen haben, dass der Zeuge K. fest geschlafen hat. Die vor dem Senat geltend gemachte fehlende Erinnerung des Soldaten und das Sich-nicht-vorstellen-können einer solchen Handlungsweise vermögen die Zeugenaussagen nicht zu entkräften. Letztere weisen einen hohen Grad an Übereinstimmung auf. Insbesondere die Aussage des Zeugen K. ist widerspruchsfrei und durchgängig stimmig. In der Vernehmung durch Oberstleutnant O. vom 4. September 2002 sagte der Zeuge K. aus, der Soldat habe ihn am Gesäß berührt; vor dem Truppendienstgericht erklärte er, „danach spürte ich eine Hand unter meiner Bettdecke und sah, wie der Soldat aus dem Zimmer ging“, ferner, er habe den Vorfall noch sehr gut in Erinnerung, der Vorfall sei für ihn „schlimm“ gewesen, und in seiner Eingabe an den Wehrbeauftragten vom 27. August 2002 schrieb er, dass die Hand des Soldaten an sein Gesäß gegangen sei. Dass der Zeuge K. das Berühren seines Gesäßes durch den Soldaten nicht sehen konnte - er hatte nämlich dem Soldaten den Rücken zugedreht -, ist für die Beweisbarkeit von untergeordneter Bedeutung, weil er zuvor das Betreten der Stube durch den Soldaten und dessen Herantreten an das Bett des Zeugen Kl. mitverfolgt hatte. Dies und die Beobachtung des Zeugen Kl., dass der Soldat mit seinen Händen am Bett des Zeugen K. hantierte, lassen angesichts der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt keine weitere Person in das Geschehen involviert war, den sicheren Schluss zu, dass der Soldat die vorgeworfenen Handlungen begangen hat. Dafür spricht auch, dass dieser dem sachgleichen strafrechtlichen Vorwurf im - rechtskräftigen - Strafbefehl nicht entgegen trat. Die weiteren bestätigten Anschuldigungspunkte zeigen überdies, dass ein derartiges Verhalten dem Soldaten damals nicht fremd war.

65 Durch sein ehrverletzendes, in die Intimsphäre des Zeugen K. eingreifendes Verhalten hat der Soldat, der als Kompaniefeldwebel im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels gemäß § 1 Abs. 5 SG i.V.m. § 3 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VorgV dessen Vorgesetzter war, gegen §§ 7, 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.

66 Eine Verletzung der Treuepflicht (§ 7 SG) liegt zum einen deshalb vor, weil der Soldat im dienstlichen Bereich eine strafbare Handlung (§ 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB) begangen hat (vgl. zur Dienstpflichtwidrigkeit strafbarer Handlungen im dienstlichen Bereich z.B. Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 2 WD 7.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 14 = NVwZ 2004, 884), und zum anderen deswegen, weil er dadurch auch gegen § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz - BeschSchG - BGBl I S. 1406, 1412) verstoßen hat.

67 Der Soldat wusste, was er tat, und wollte das auch. Er handelte vorsätzlich, hinsichtlich § 17 Abs. 2 Satz 1 SG bedingt vorsätzlich.

68 Trotz der (vermutlich erheblichen) Alkoholisierung war er auch zurechnungsfähig und damit schuldfähig i.S.d. § 20 StGB. Das kann daraus geschlossen werden, dass sein Verhalten auf der Stube der Zeugen zielgerichtet und damit noch gesteuert war. Denn er suchte dort bestimmte Punkte - die Betten der Zeugen - auf und reagierte auf das Um- bzw. Wegdrehen des Körpers des jeweiligen Zeugen , indem er zunächst von dem Zeugen Kl. abließ und sich zu dem Zeugen K. begab, von wo aus er mit noch vorhandenem Orientierungssinn das Zimmer verließ. Hätte sich der Soldat bereits in einem Zustand der Volltrunkenheit befunden, wären seine Handlungen erheblich weniger oder gar nicht kontrolliert und zielgerichtet gewesen. Unter diesen Umständen kann - ohne damals festgestellte Blutalkoholwerte - nur von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit, nicht aber von einer Schuldunfähigkeit ausgegangen werden. Diese Einschätzung wird durch die vom Senat nachvollzogenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. bestätigt, der sowohl in seinem Gutachten als auch in der Berufungshauptverhandlung von einer eingeschränkten Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Soldaten bei einer geschätzten damaligen Blutalkoholkonzentration „von über zwei Promille“ bzw. „zwischen zwei und drei Promille“ ausgegangen ist.

69 Zu Anschuldigungspunkt 2:
Zwischen dem 21. Januar 2002 und Anfang März 2002 griff der Soldat dem als Zugführer des II. Zuges eingesetzten Zeugen (damalig) Fähnrich K. - sich jeweils von hinten nähernd - mehrmals, zumindest aber zweimal, während des Dienstes im Kompanieblock der 4./P...Btl ... an das Gesäß. Der Zeuge K. äußerte daraufhin jeweils (sinngemäß): „Hauptfeldwebel, lassen Sie das!“ und schaute den Soldaten entsetzt an. Dies hielt den Soldaten aber nicht davon ab, diese Handlung zu wiederholen. Erst nach einem Gespräch der beiden Personen in Anwesenheit der damaligen Vertrauensperson der Unteroffiziere, dem vor dem Truppendienstgericht vernommenen Zeugen S., in dem der Zeuge K. diese Vorfälle ansprach und der Soldat daraufhin versprach, ihn nicht länger anzufassen, ließ er von weiteren Belästigungen des Zeugen K. ab.

71 Der Soldat hat sich in der Berufungshauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er dem Zeugen K. wegen des zu dieser Zeit zwischen ihnen angespannten Verhältnisses nicht an das Gesäß gegriffen habe. In seiner Vernehmung vor dem Truppendienstgericht hatte er ausgesagt, dass, wenn er sich so verhalten haben sollte, die Vorfälle wegen des zerrütteten Verhältnisses zum Zeugen K. vor dem 21. Januar 2002 erfolgt sein müssten. In der Berufungsschrift hingegen hat er das „freundschaftliche Tätscheln“ eingeräumt und angemerkt, dass das offensichtlich in der Dienststelle so üblich gewesen sei.

72 Die widersprüchlichen Einlassungen des Soldaten vermögen die glaubhafte Bekundung des vor dem Truppendienstgericht vernommenen Zeugen K. nicht zu erschüttern. Hinsichtlich des Zeitpunkts äußerte der Zeuge nachvollziehbar, dass die Griffe an sein Gesäß nach seiner Rückkehr in die Einheit ab Januar 2002 erfolgt seien und er sich dieses Datum sehr genau eingeprägt habe, weil es auf ihn einen bleibenden Eindruck bis zum jetzigen Zeitpunkt hinterlassen habe. Auch in seiner Vernehmung durch Oberstleutnant O. am 4. September 2002 sagte der Zeuge aus, dass es im Februar oder März 2002 ein Gespräch mit dem Feldwebel S. (Vertrauensperson) und dem Soldaten gegeben habe, in welchem der Soldat zugegeben habe, dass er den Zeugen berührt habe. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht ferner, dass der Soldat das vom Zeugen angeführte Treffen mit der Vertrauensperson, das vornehmlich wegen der hier zugrunde liegenden Vorfälle stattfand, nicht bestritten hat.

73 Der Soldat hat durch die Berührungen des Gesäßes nach vorheriger Kundgabe erkennbarer Ablehnung gegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 BeschSchG und damit auch gegen § 7 SG verstoßen. Außerdem hat er wegen der in dem angeschuldigten Verhalten liegenden Beeinträchtigung der Ehre seine Pflichten aus § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und - wegen der Geeignetheit dieses Verhaltens, sein dienstliches Ansehen zu mindern - § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt.

74 Der Soldat wusste, was er tat, und wollte das auch. Er handelte vorsätzlich, hinsichtlich § 17 Abs. 2 Satz 1 SG bedingt vorsätzlich.

75 Zu Anschuldigungspunkt 3:
Zu nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkten im Sommer 2002 kniff der Soldat den im Geschäftszimmer eingesetzten Zeugen (damalig) Gefreiter D. im Geschäftszimmer der 4./PzBtl 143 wiederholt - manchmal mehrmals täglich - im Vorbeigehen in das Gesäß oder tätschelte ihn dort. Als sich der Zeuge D. einmal im selben Zeitraum im Geschäftszimmer über einen Tisch beugte, um etwas zu erledigen, griff ihm der Soldat dabei von hinten an die Genitalien.

77 Der Soldat hat sich eingelassen, den Zeugen D. getätschelt, ihm aber nicht an die Genitalien gefasst zu haben.

78 Soweit der Soldat bestreitet, den Zeugen D. an die Genitalien gefasst zu haben, wird seine Einlassung durch die glaubhafte Bekundung des vor dem Truppendienstgericht vernommenen Zeugen widerlegt. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser sich an dem Soldaten durch grundlose Beschuldigungen rächen wollte. Zu berücksichtigen ist, dass der Zeuge anfangs zum Soldaten sogar ein freundschaftliches Verhältnis hatte. Außerdem muss sich der Soldat als Indiz für seine Tatbegehung vorhalten lassen, dass er den sachgleichen strafrechtlichen Vorwurf im Strafbefehl vom 5. September 2003 akzeptierte.

79 Der Soldat hat durch sein Verhalten vorsätzlich gegen §§ 7, 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.

80 Der Verstoß gegen die Treuepflicht (§ 7 SG) ist aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung wegen Beleidigung (§ 185 StGB) im Strafbefehl vom 5. September 2003, die im dienstlichen Bereich wurzelte, anzunehmen.

81 Der Soldat wusste, was er tat, und wollte das auch. Er handelte vorsätzlich, hinsichtlich § 17 Abs. 2 Satz 1 SG bedingt vorsätzlich.

82 Zu Anschuldigungspunkt 4:
Zu nicht mehr näher ermittelbaren Zeitpunkten im Jahr 2002 - aber vor dem 25. September 2002 - griff der Soldat dem derselben Kompanie angehörenden Zeugen Kl. wiederholt auf dem Geschäftszimmer der 4./P...Btl ... und an anderen Orten in der H...kaserne in S. an das Gesäß. In mindestens zwei Fällen bezeichnete er den Zeugen Kl. im selben Zeitraum innerhalb des Kompanieblocks der 4./P...Btl ... als „Schwanzlutscher“ und „schwuler Wichser“.

84 Der Soldat ist insoweit geständig.

85 Der Soldat hat hier vorsätzlich (bzw. bedingt vorsätzlich) gegen § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 sowie § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.

86 Zu Anschuldigungspunkt 5:
Am 6. August 2002 hielt sich der Zeuge (damalig) Oberfähnrich K. im Geschäftszimmer der 4. /P...Btl ... auf, um mit dem Soldaten eine Sachschadensmeldung vom 25. Juli 2002 zu besprechen. In Gegenwart des Stabsunteroffiziers R. und des Zeugen D. nannte der Soldat den Zeugen K. einen „Lügner“, weil er dessen Angaben in der Schadensmeldung für falsch hielt.

88 Der Soldat ist insoweit geständig.

89 Durch die gewollte Ehrverletzung, die sein dienstliches Ansehen zu mindern geeignet war, verstieß er vorsätzlich (bzw. bedingt vorsätzlich) gegen § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.

90 Zu Anschuldigungspunkt 6:
Der Soldat äußerte am 26. August 2002 gegen Mittag im Kompanieblock der 4. /P...Btl ... gegenüber dem Zeugen K., dass dieser aufgrund einer Entscheidung des „Ältestenrates“ der Kompanie wegen seiner charakterlichen Schwächen aus der Gemeinschaft der Unteroffiziere ausgeschlossen worden sei. Einen „Ältestenrat”, und damit eine derartige Entscheidung, gab es in der Kompanie nicht.

92 Der Soldat ist geständig.

93 Es liegt hier eine Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) vor, weil der Soldat als Kompaniefeldwebel und Führer des Unteroffizierkorps den Zeugen über die Absicht und die Einstellung dieser Gemeinschaft ihm gegenüber täuschte. Als Vorgesetzter (§ 1 Abs. 5 SG i.V.m. § 3 Satz 1 VorgV) muss er stets bemüht sein, einen Untergebenen vor unzumutbaren Nachteilen, wozu auch immaterielle Schäden zählen, zu bewahren. Des Weiteren hat der Soldat gegen die Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) verstoßen, da er den Zeugen über einen dienstlich relevanten und zugleich ihn betreffenden Umstand belog. Schließlich ist hier die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen die letztgenannte Pflicht kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Erforderlich ist nur, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (stRspr, zuletzt Urteil vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 -). Dies ist, wie hier, der Fall, wenn ein Vorgesetzter einem Untergebenen aus einer immateriellen Schädigungsabsicht heraus die Unwahrheit sagt.

94 Hinsichtlich § 10 Abs. 3 und § 12 Satz 2 SG handelte der Soldat (direkt) vorsätzlich, weil er wusste und wollte, was er tat. Bezüglich § 17 Abs. 2 Satz 1 SG ist von bedingtem Vorsatz auszugehen, weil er es für möglich hielt, dass die unwahre, den Zeugen belastende Äußerung seinem dienstlichem Ansehen schaden könnte, und er dies billigend in Kauf nahm.

95 Zu Anschuldigungspunkt 7:
Während einer am 30. August 2002 um 12.00 Uhr vom Soldaten herbeigeführten Zusammenkunft der Unteroffiziere der 4. /P...Btl ... im Unterrichtsraum der Kompanie teilte er den anwesenden Unteroffizieren mit, dass der Zeuge K. aus der Gemeinschaft der Unteroffiziere ausgeschlossen worden sei, weil dieser eine „menschliche Charaktersau“ sei.

97 Der Soldat ist geständig.

98 Das ehrverletzende Werturteil des Soldaten über den - ihm gemäß § 1 Abs. 5 i.V.m. § 3 Satz 1 VorgV unterstellten - Zeugen gegenüber Dritten stellt einen vorsätzlichen Verstoß gegen § 10 Abs. 3 und § 12 Satz 2 SG dar. Des Weiteren beinhaltet es eine bedingt vorsätzliche Verletzung seiner Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.

99 Zu Anschuldigungspunkt 8:
Der Senat sieht diesen Tatvorwurf als nicht erwiesen an, weshalb der Soldat davon freizustellen war. Der Senat hat nicht die gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderliche Gewissheit gewinnen können, dass der Soldat das ihm in der Anschuldigungsschrift vorgeworfene Fehlverhalten begangen hat.

101 In Hinblick auf einen bevorstehenden Kompanieabend in der 4./P...Btl ... hatte der Soldat gegenüber dem vor dem Truppendienstgericht vernommenen Zeugen D. angekündigt, auf dessen Stube im Kompanieblock zu übernachten, weil eine ihm sonst zur Verfügung stehende Stube belegt sei. Da jener von einem Kameraden davor gewarnt worden war, mit dem Soldaten auf einer Stube zu nächtigen, eine Abholung durch seine Freundin nach Verlassen der Feier aber nicht möglich und er zudem stark alkoholisiert war, hatte er sich vor dem Zubettgehen nicht ausgezogen, sondern sich in seinem Feldanzug mit Stiefeln auf den Bauch in das Bett gelegt. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in der Nacht vom 31. August auf den 1. September 2002 wurde der - alleine - auf der Stube 207 im Kompanieblock der 4./P...Btl ... liegende Zeuge D. wach, als sich eine von ihm nicht identifizierte Person („jemand“) an ihm zu schaffen machte. Nachdem die mit einem Feldanzug bekleidete Person die - inzwischen beleuchtete - Stube verlassen hatte, stellte der Zeuge fest, dass seine Stiefel ausgezogen und seine Feld- und Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen waren. Daraufhin zog sich der Zeuge die Hosen hoch bzw. die Stiefel an und versuchte sich klar darüber zu werden, was mit ihm passiert war. Ihm war „heiß und kalt“. Als er seine Freundin telefonisch um sofortige Abholung bat, betrat der stark betrunkene Soldat etwa fünf Minuten nach dem Vorfall die Stube, grinste den Zeugen an und sagte (sinngemäß): „D., weißt Du überhaupt, wo Du bist?“ Er zog sich daraufhin bis auf die Unterhose aus und legte sich in das Bett des Gefreiten T., der selbst nicht anwesend war. Den Zeugen D. überkam beim Anblick des Soldaten plötzlich ein Wut- und Schamgefühl, weil er der Meinung war, dass der Soldat diejenige Person gewesen sei, die ihn vorher unsittlich berührt haben könnte. Er packte den Soldaten am Fuß, zog ihn aus dem Bett und schrie (sinngemäß): „Du Sau, was hast Du gemacht?“ Der Soldat antwortete (sinngemäß): „Ich habe nichts gemacht und weiß nichts.“ Daraufhin schlug der Zeuge wütend und unkontrolliert auf den Soldaten ein, der wegen der dabei auftretenden Verletzungen an der Nasenschleimhaut operiert und mehrere Wochen krank geschrieben wurde.

102 Der Soldat hat sich in der Berufungshauptverhandlung dahin eingelassen, an dieses Geschehen keine Erinnerung mehr zu haben. In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hatte er sich noch daran erinnert, dem „im Dienstanzug auf dem Oberbett“ liegenden Zeugen die Stiefel ausgezogen zu haben.

103 Der Senat ist nicht in dem von § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 261 StPO geforderten Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen dürfen, davon überzeugt, dass der Soldat die angeschuldigte Dienstpflichtverletzung begangen hat. Zwar spricht wegen des Eingeständnisses des Soldaten vor dem Truppendienstgericht, dem Zeugen die Stiefel ausgezogen zu haben, und aufgrund des Umstandes, dass dieselbe Stube auch für den Soldaten in dieser Nacht der Schlafort war und er somit einen Grund zum dortigen Aufenthalt zur Tatzeit hatte, eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass er auch die weiteren vorgeworfenen Handlungen begangen hat.

104 Ein sicherer Nachweis des angeschuldigten Vorwurfs ist aber nicht erbracht. Denn in den Aussagen des alleinigen Zeugen D. sind im Kernbereich Widersprüchlichkeiten zu verzeichnen. Während er in den zeitnahen Vernehmungen vom 2. und 3. September 2002 jeweils davon sprach, dass „jemand“ an ihm „herumgemacht“ habe und „jemand im Feldanzug“ aus dem Zimmer gegangen sei, äußerte er am 7. Dezember 2004 vor dem Truppendienstgericht nunmehr, dass er wach geworden sei, weil an ihm „herumgezerrt“ worden sei, und dass er den Soldaten gesehen habe, wie er das Zimmer verlassen habe. Außerdem sprach er in der späteren Vernehmung davon, dass er einen Dienstanzug getragen habe, während er in den früheren Vernehmungen jeweils von einem Feldanzug ausging. An die Vornahme der Handlungen selbst hatte er in den früheren Vernehmungen keine Erinnerung; er mutmaßte damals (nur), dass der Soldat ihn ausgezogen und an den Genitalien angefasst haben musste. In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung äußerte er sich jedoch nunmehr dahingehend, dass der Soldat es gewesen sei, der ihn an die Genitalien gefasst habe. Die letztgenannte - kürzere - Einlassung ist angesichts der anders lautenden früheren, die jeweils durch einen hohen Detailgrad gekennzeichnet sind, als nicht glaubhaft zu werten. Damit fehlt es aber an einem unmittelbaren Beweis für die Vornahme der - neben dem Ausziehen der Stiefel - weiteren angeschuldigten Handlungen durch den Soldaten. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass eine dritte Person vor dem Soldaten die Stube 207 aufsuchte und dort den Zeugen unsittlich berührte. In Anwendung des auch im Wehrdisziplinarrecht geltenden Grundsatzes „in dubio pro reo“ geht der Senat zugunsten des Soldaten davon aus, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass dieser in der vorgeworfenen Weise handelte.

105 Er war deshalb von diesem Vorwurf freizustellen.

106 Der teilweise sachgleiche rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 5. September 2003 - vgl. dessen Punkt 2 - steht dieser Bewertung gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 84 Abs. 2 WDO nicht entgegen. Aus dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO, vor allem aber aus dem Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung, wonach ersichtlich nur die nach den rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien und Prozessregeln des Strafverfahrensrechts gefundenen tatsächlichen Feststellungen mit gesetzlicher Bindungswirkung ausgestattet sein können, ergibt sich zwingend, dass nur die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, nicht aber diejenigen eines rechtskräftigen Strafbefehls Bindungswirkung entfalten (stRspr, Urteile vom 1. Juli - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 und vom 27. April 2004 - BVerwG 2 WD 4.04 - BVerwGE 120, 350 = Buchholz 232.1 § 5 ATGV Nr. 2).

107 Zu Anschuldigungspunkt 9:
Nach seiner Ablösung als Kompaniefeldwebel der 4./P...Btl ... sandte der Soldat am 23. Dezember 2002 von einem nicht mehr feststellbaren Ort außerhalb militärischer Anlagen an das Handy des Stabsunteroffiziers N., Angehöriger der 4./P...Btl ..., folgende SMS:
„Wünsche dir den Tod. Aber du bist ja der sohn eines Grenzers also eines mörders. Und genauso ist dein Verhalten: Du bist der dreck auf dieser erde. Aber das ginge noch was besser du bist riegel dumm und das kann dir keiner mehr nehmen. Also sohn eines mörders. Den tod.“

110 Der Soldat war zum Tatzeitpunkt - wohl erheblich - alkoholisiert. Am darauf folgenden Tag schickte er dem Empfänger eine Entschuldigung via SMS, die seinen Angaben zufolge angenommen wurde.

111 Der Soldat räumt den Vorwurf ein. Sein Tun, das ihm vollkommen unverständlich sei, sei ihm erst am Tag nach dem Abschicken der SMS bewusst geworden.

112 Der Soldat hat mit dieser - sein dienstliches Ansehen beeinträchtigenden - würde- und ehrverletzenden Äußerung gegen § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verstoßen. Trotz seiner Alkoholisierung wusste er noch, was er tat, und wollte auch in dieser Weise handeln; er handelte vorsätzlich, hinsichtlich § 17 Abs. 2 Satz 2 SG bedingt vorsätzlich.

113 Insgesamt hat der Soldat durch die schuldhaften Dienstpflichtverletzungen (Anschuldigungspunkte 1 bis 7 und 9) ein Dienstvergehen i.S.d. § 23 Abs. 1 SG begangen.

114 b) Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

115 Bei Anlegen dieses Maßstabs erscheint dem Senat im Gegensatz zur Truppendienstkammer die Herabsetzung um einen Dienstgrad als ausreichend.

116 aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens
Die Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten.

118 Danach wiegt das Dienstvergehen, das durch wiederholte Eingriffe in die Intimsphäre sowie die Ehre und Würde untergebener Kameraden gekennzeichnet ist, schwer. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Soldat kriminelles Unrecht begangen hat und gegen ihn wegen zweifachen sexuellen Missbrauchs einer widerstandunfähigen Person und Beleidigung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit eine - zur Bewährung ausgesetzte - Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt wurde; insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Soldat in einem der beiden Fälle (Anschuldigungspunkt 8), die strafrechtlich als sexueller Missbrauch einer widerstandunfähigen Person gewertet wurden, disziplinarrechtlich freigestellt wurde.

119 Der Verstoß eines Vorgesetzten gegen seine Fürsorgepflicht hat erhebliches Gewicht. Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu den vornehmsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das - berechtigte - Gefühl haben müssen, dass sie von diesem nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet werden, sondern dass dieser von den ihm eingeräumten Befehls- und sonstigen Befugnissen nur unter angemessener Berücksichtigung ihrer persönlichen Belange Gebrauch macht, dass er sich bei allen Handlungen und Maßnahmen von Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Untergebenen leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127 = NVwZ 2006, 608). Insbesondere muss er die körperliche Integrität sowie die persönliche Ehre und Würde des Untergebenen strikt achten. Diese Verpflichtung hat im militärischen Bereich besondere Bedeutung. Denn im militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis sind Untergebene besonders schutzbedürftig, auch weil die dem Vorgesetzten zur Durchführung dienstlicher Aufgaben eingeräumten Befehlsbefugnisse zu rechtswidrigen Eingriffen in die Rechtssphäre von Untergebenen missbraucht werden können.

120 Die Bedeutung der Fürsorgepflicht eines Vorgesetzten gegenüber Untergebenen im Fall einer Würdeverletzung ergibt sich auch daraus, dass die Würde jedes Menschen gemäß Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich besonders geschützt ist. Das grundrechtliche Schutzgebot, das über Art. 1 Abs. 3 GG auch für den Bereich der Streitkräfte gilt, wird im militärischen Bereich gerade (auch) durch die in § 10 Abs. 3 SG normierte Fürsorgepflicht der Vorgesetzten konkretisiert.

121 Auch die Verletzung der Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) durch den Soldaten wiegt schwer. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle das gegenseitige Vertrauen der Soldaten und das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der einen untergebenen Kameraden unwürdig oder ehrverletzend behandelt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört so den Dienstbetrieb und gefährdet zugleich seine persönliche Autorität als Vorgesetzter und damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe (zuletzt Urteil vom 24. November 2005 a.a.O. m.w.N.).

122 Ferner stellt die in § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normierte Pflicht, dem Vertrauen und der Achtung gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert, keine bloße Nebenpflicht dar, sondern hat wegen ihres funktionalen Bezugs auf den militärischen Dienstbetrieb erhebliche Bedeutung (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 24. November 2005 a.a.O. m.w.N.).

123 Die Eigenart des Dienstvergehens ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass der Soldat die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung in schwerwiegender Weise verletzt hat (§ 7 SG), indem er im dienstlichen Bereich durch sexuellen Missbrauch eines widerstandsunfähigen Kameraden und Beleidigung eine strafbare Handlung (§ 179 Abs. 1 Nr. 1, § 185 StGB) begangen hat (vgl. Urteil vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 2 WD 17.04 -).

124 Außerdem wiegt der Verstoß gegen das Beschäftigtenschutzgesetz für einen Soldaten in Vorgesetztenstellung nicht leicht.

125 Von besonderer Bedeutung für das Gewicht des Dienstvergehens ist, dass der Soldat im Tatzeitraum eine herausgehobene Dienststellung als Kompaniefeldwebel innehatte und diese wiederholt missbrauchte. Er hat als Vorgesetzter entgegen § 10 Abs. 1 SG ein außerordentlich schlechtes Beispiel in Haltung und Pflichterfüllung gegeben.

126 Der Senat hat wiederholt entschieden, dass bei einer sexuellen Belästigung eine „reinigende Maßnahme” Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (z.B. Urteile vom 12. November 1998 - BVerwG 2 WD 12.98 - BVerwGE 113, 290 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 23 = NZWehrr 1999, 166, vom 15. Februar 2000 - BVerwG 2 WD 30.99 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 42 = NZWehrr 2001, 30 und vom 24. Januar 2002- BVerwG 2 WD 33.01 -). Der Senat hat auch im Falle einer entwürdigenden und/oder ehrverletzenden Behandlung Untergebener ohne sexuellen Hintergrund entschieden, dass im Regelfall die Herabsetzung im Dienstgrad als erforderliche und angemessene Maßnahmeart anzusehen ist (vgl. u.a. Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 2 WD 17.03 - NZWehrr 2005, 38 = ZBR 2005, 133 m.w.N.). Soweit es sich um das Versagen eines Soldaten auf Zeit in Vorgesetztenstellung handelt, ist nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Herabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad, bei einem Berufssoldaten unter Umständen sogar die Entfernung aus dem Dienstverhältnis geboten. Jedenfalls bedarf es erheblicher Milderungsgründe, um die Dienstgradherabsetzung lediglich auf einen Dienstgrad zu beschränken oder von ihr überhaupt absehen zu können.

127 bb) Maß der Schuld
Der Soldat hat ein erhebliches Maß an Schuld auf sich geladen, indem er seine Vorgesetztenpflichten, insbesondere als Kompaniefeldwebel (Anschuldigungspunkte 1 bis 7), in gravierender Weise verletzte. Er handelte bei seinen Verfehlungen jeweils vorsätzlich.

129 Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 9 aufgrund der von ihm getrunkenen Mengen an Alkohol im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Der Senat schließt sich insoweit der nachvollziehbaren und überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. W. an, der in seinem - in der Berufungshauptverhandlung erläuterten - Gutachten zur Frage der Anwendbarkeit des § 20 oder § 21 StGB zur Tatzeit von einem wahrscheinlichen Blutalkoholgehalt „wohl über zwei Promille“ bzw. „zwischen zwei und drei Promille“ und damit jedenfalls von einer fehlenden Schuldunfähigkeit ausging. Seine Bewertung stützte sich mangels einer genauen Erinnerung des Soldaten an die damals konsumierte Alkoholmenge auf die dem Soldaten sowie den Zeugen noch erinnerbaren Umstände. Insbesondere das noch ansatzweise koordinierte und zielgerichtete Verhalten des Soldaten spricht gegen seine Schuldunfähigkeit.

130 Zugunsten des Soldaten ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen bezüglich der Anschuldigungspunkte 1 und 9 jedoch von einer verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB auszugehen. Dem steht hier ausnahmsweise nicht die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit dieses Umstands bei selbstverschuldeter Trunkenheit (Urteile vom 27. März 2003 - 3 StR 435/02 - NJW 2003, 2394 und vom 27. Januar 2004 - 3 StR 479/03 - NStZ 2004, 495), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. dazu Urteil vom 24. November 2005 a.a.O.) entgegen. Denn wegen einer im gesamten Tatzeitraum bestehenden erheblichen Alkoholkrankheit des Soldaten - mit damit zusammenhängendem Kontrollverlust über die Trinkmenge -, die der Senat mit Hilfe des oben erwähnten Sachverständigengutachtens sowie der dazu erläuternden nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. festgestellt hat, liegt hier im Tatzeitraum ein Fall der nicht selbstverschuldeten Trunkenheit vor. Erst im Zuge einer vom Soldaten selbst initiierten Entwöhnungstherapie in einem Bundeswehrkrankenhaus von Februar bis April 2003 trat diesbezüglich eine deutliche Besserung ein, die in der „Entlassungsdiagnose: Alkoholkrankheit, während der Behandlung abstinent...“ zum Ausdruck kommt.

131 Das Vorliegen einer Alkoholkrankheit im jeweiligen Tatzeitraum stellt zugleich einen Milderungsgrund in den Umständen der Tat dar (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 10.03 - DokBer 2004, 193 = Blutalkohol 42, 179 (2005)). Sie ist als eine sonstige außergewöhnliche Besonderheit zu werten, die ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten des Soldaten nach den Umständen des Einzelfalles nicht mehr erwarten ließ und nicht vorausgesetzt werden konnte (Urteil vom 28. Oktober 2003 a.a.O.).

132 Weitere Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, liegen nicht vor.

133 Zugunsten des Soldaten ist das Fehlen einer hinreichenden Dienstaufsicht zu berücksichtigen. Obwohl der damalige Kompaniechef des Soldaten, Hauptmann Br., sowohl von dessen exzessiven Trinkgewohnheiten als auch von dessen Gepflogenheit, Untergebene anzufassen und sie mit obszönen Worten anzureden, Kenntnis hatte, unternahm er nichts dagegen. Insoweit trifft ihn ein gewisses Maß an Mitverschulden, das sich für den Soldaten tatmildernd auswirkt (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127).

134 cc) Auswirkungen
Das Dienstvergehen hatte für die Personalplanung und -führung nachteilige Auswirkungen. Denn der Soldat musste von seinem Dienstposten als Kompaniefeldwebel abgelöst werden. Diese dienstliche Folge seines Tuns muss er sich erschwerend zurechnen lassen (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 22. März 2006 a.a.O.). Auch das Bekanntwerden der - zum Strafbefehl des Amtsgerichts Kirchhain vom 5. September 2003 führenden- teilweise sachgleichen strafrechtlichen Verfehlung gegenüber der Polizei und den sonstigen mit der Strafverfolgung und der Durchführung des Strafverfahrens befassten Organen ist angesichts der damit verbundenen Ansehensbeeinträchtigung zu seinen Lasten zu berücksichtigen (vgl. dazu Urteil vom 24. November 2005 a.a.O.).

136 dd) Beweggründe
Nach Angaben des Sachverständigen Dr. W. ist nicht auszuschließen, dass die wiederholten körperlichen Berührungen von Kameraden und die Ausdrücke „Schwanzlutscher“ und „schwuler Wichser“ aus homosexuellen Motiven heraus erfolgt sind, was der Soldat allerdings in Abrede gestellt hat. Was die vorgenannten Ausdrücke betrifft, habe er sich lediglich den damaligen Verhältnissen in der Kompanie angepasst, um als „cool“ zu gelten. Auch die Tätscheleien seien gang und gäbe gewesen. Das Versenden der SMS mit dem in Anschuldigungspunkt 9 genannten Text sei ihm im Nachhinein völlig unverständlich. Dies vermag ihn jedoch nicht zu entlasten.

138 ee) Bisherige Führung und Persönlichkeit
Zu Gunsten des Soldaten ist zu werten, dass er bis zu seinem Dienstvergehen nach dem Inhalt seiner dienstlichen Beurteilungen, die u.a. durch die Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold und die Festsetzung einer Leistungsstufe bestätigt wurden, gute dienstliche Leistungen gezeigt hat und weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet gewesen ist. Des Weiteren sind die zwei förmlichen Anerkennungen positiv zu berücksichtigen.

140 Ganz wesentlich spricht für den Soldaten, dass er sich nach einer erfolgreichen Alkoholentwöhnungstherapie in einem beachtlichen Maß nachbewährte und bis jetzt „trocken“ ist. Ausweislich der - sehr guten - Sonderbeurteilung vom 16. März 2005 hat der Soldat sogar seine dienstlichen Leistungen gesteigert; dies wird bestätigt durch die Bekundungen seines derzeitigen Disziplinarvorgesetzten, des Zeugen Hauptmann B., in der Berufungshauptverhandlung. Dass der Soldat Einsicht darin gezeigt hat, dass er in der Vergangenheit falsch handelte, und er sein Verhalten zum Positiven hin geändert hat, ist zu seinen Gunsten zu werten.

141 ff) Gesamtwürdigung
Bei der danach gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten ist vor allem die Schwere des Dienstvergehens zu gewichten. Von besonderer Bedeutung ist, dass der Soldat kriminelle Handlungen beging, deren beträchtlicher Unrechtsgehalt auch in der Höhe der vom Strafgericht rechtskräftig verhängten Strafe (Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde) zum Ausdruck kommt, wobei jedoch die Freistellung hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 8 bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu beachten war. Allein der Schwere des Fehlverhaltens nach - die Beschränkung des § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO hier außer acht gelassen - wäre eine Degradierung bis in einen Mannschaftsdienstgrad angemessen gewesen. Wegen der zahlreichen zu Gunsten des Soldaten zu berücksichtigenden Umstände, insbesondere der Alkoholkrankheit in den Tatzeiträumen sowie der beachtlichen Nachbewährung, konnte er in einem Vorgesetztendienstgrad belassen werden. Der Soldat hat das Unrecht seines - inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden - Tuns eingesehen und bereut, so dass der spezialpräventive Zweck des Disziplinarrechts, den Soldaten durch die Pflichtenmahnung zur zukünftigen Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten, erreicht ist. Aus Gründen der Generalprävention ist aber die Herabsetzung um einen Dienstgrad in den eines Oberfeldwebels unabdingbar gewesen.

143 4. Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Soldat zu tragen, weil er verurteilt worden ist (§ 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WDO). Es bestand kein Anlass, ihn aus Billigkeitsgründen davon zu entlasten (§ 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WDO). Da die Berufung des Soldaten jedoch teilweise Erfolg hatte, waren die Kosten des Berufungsverfahrens zur Hälfte ihm und dem Bund aufzuerlegen (§ 139 Abs. 3 WDO), der gemäß § 140 Abs. 5 i.V.m. § 139 Abs. 3 WDO auch die Hälfte der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.