Urteil vom 17.10.2002 -
BVerwG 2 WD 14.02ECLI:DE:BVerwG:2002:171002U2WD14.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 17.10.2002 - 2 WD 14.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:171002U2WD14.02.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 14.02

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 17. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schwandt als Vorsitzender,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
sowie
...,
...
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Verteidiger,
Angestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer des Truppendienstgerichts N. vom 5. Dezember 2001 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot für die Dauer von vier Jahren verhängt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der 39 Jahre alte Soldat erlangte am 14. Juni 1982 die Allgemeine Hochschulreife.

Aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr wurde er zum 1. Juli 1982 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zur Marineschule M. in F. eingestellt und am 8. Juli 1982 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Matrosen OA ernannt. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf sechs, sodann auf acht Jahre festgesetzt. Am 17. Juli 1989 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.

Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde der Soldat mit Wirkung vom 1. Oktober 2000 zum Korvettenkapitän befördert.

Den Offizierlehrgang und den Offizieraufbaulehrgang bestand er jeweils mit der Abschlussnote "befriedigend". Nach verschiedenen Zwischenverwendungen und Ausbildungsabschnitten wurde er auf der Fregatte L. als Schiffseinsatzoffizier und Abschnittsleiter, später als Navigationsoffizier und Hauptabschnittsleiter sowie Schiffseinsatzoffizier und Hauptabschnittsleiter verwendet. In der Zeit vom 6. August bis 15. November 1996 nahm er am Stabsoffiziergrundlehrgang bei der Führungsakademie der Bundeswehr in H. mit der Abschlussnote "ausreichend" teil. Zum 1. Oktober 1996 wurde er zur Marineortungsschule in B. als Überwasserwaffenoffizier B und in derselben Funktion zum 1. Oktober 1997 zum Ausbildungszentrum für Taktik und Verfahren der Marineortungsschule versetzt. Unter vorausgehender Kommandierung wurde der Soldat zum 1. April 2000 zur Fregatte "N." in W. als Erster Offizier und Marineführungsdienstoffizier und zum 1. Dezember 2000 zum Stab Zerstörerflottille in W. als Stabsoffizier zbV versetzt.

Der Soldat wurde in seiner Dienstzeit wiederholt, als Kapitänleutnant zuletzt am 16. Februar 2000 durch den Leiter der Abteilung Lehre/Ma-rineoperationsschule, beurteilt. Dabei erhielt er in den Einzelmerkmalen 13 mal die Wertung "5" sowie dreimal die Wertung "6". Im Abschnitt G ("Eignung und Befähigung") wurde er im Teil 01 ("Verantwortungsbewusstsein") als gewissenhafter Offizier beschrieben, der sein Handeln an den soldatischen Grundpflichten und den bestehenden Aufgaben ausrichte. Auf Ansprache übernehme er darüber hinaus bereitwillig zusätzliche Verantwortungs- und Aufgabenbereiche und vertiefe sich mit Engagement und Hartnäckigkeit in die ihm gestellten Probleme. Weiter wird in Teil 02 ("Geistige Befähigung") sein Interesse für elektronische Datenverarbeitung besonders hervorgehoben. Er denke logisch und geordnet, vermöge treffsicher zu analysieren und komme zu einem eigenen Urteil. In gelegentlichen Fällen erfasse er jedoch den tatsächlichen Umfang der ursprünglichen Problemstellung nicht insgesamt und sehe nicht vollständig die ganze Tragweite der erarbeiteten Ergebnisse. Unter Belastung gebe er sich auch mit weniger sorgfältigen Arbeitsergebnissen zufrieden. Im Teil 03 ("Fähigkeit zur Menschenführung/Teambefähigung") wird ausgeführt: Er vermöge sich auf ihm unterstellte Soldaten und zivile Mitarbeiter einzustellen, ihre jeweiligen Fähigkeiten richtig einzuschätzen und sie ihren Fähigkeiten entsprechend angemessen einzusetzen. Er gewinne Vertrauen durch sein offenes, geradliniges Wesen und seine Kommunikationsbereitschaft. Sein Führungsstil sei robust, er vertrete uneingeschränkt auch weniger angenehme Entscheidungen und Werturteile vor der Truppe und den zivilen Mitarbeitern. Andererseits achte er aber nicht immer auf angemessene Distanz und solle diese sowie die Nähe zu unterstellten Soldaten in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander bringen. Auch in Konfliktsituationen behalte er die Übersicht und stelle durch laufenden Dialog mit allen Beteiligten an etwaigen Bruchstellen der Kommunikationslinien die für den reibungslosen Ablauf erforderlichen Verbindungen wieder her.

Insgesamt wurden dreimal die Wertung "c" sowie einmal die Wertung "d" vergeben. In der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten wurde ausgeführt, dass der Soldat das Bild eines motivierten Offiziers abgebe, der durch Haltung und Auftreten sowie seine positiven Beiträge in der Ausbildung überzeuge. Die einschränkenden Aussagen in Abschnitt G Teil 03 der Beurteilung decken sich nicht mit den Beobachtungen des nächsthöheren Vorgesetzten. Dieser führte weitergehend aus, dass der Soldat eine gute Eignung zur Menschenführung habe, die sich aus einer glücklichen Kombination von Offenheit, Kommunikationsbereitschaft, robustem Führungsstil und der Fähigkeit zu motivieren ergebe. Abschließend wurde ausgeführt, dass die bereits verfügte Anschlussverwendung als Erster Offizier "F 122" eine schlüssige Fortsetzung des bisherigen Verwendungsaufbaus des Soldaten sei.

In der Sonderbeurteilung vom 7. März 2002 erhielt der Soldat in den Einzelmerkmalen einmal die Wertung "6", achtmal die Wertung "5", fünfmal die Wertung "4" und einmal die Wertung "3". Im Abschnitt G ("Eignung und Befähigung") wurde ihm für "Verantwortungsbewusstsein" die Wertung "b" und für "Geistige Befähigung", "Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung" sowie "Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung" jeweils die Wertung "c" und vom nächsthöheren Vorgesetzten für "Förderungswürdigkeit" die Wertung "B" zuerkannt

Der nächste Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Kapitän zur See O., hat als Zeuge vor dem Truppendienstgericht ausgesagt, der Soldat führe seine Arbeiten gut aus, es gebe keine Schwierigkeiten mit ihm, die Aufgaben, die er erhalten habe, habe er ordentlich erfüllt und man sei mit seiner Arbeit sehr zufrieden. Fregattenkapitän B., seit 21. Juli 2000 Kommandant der Fregatte "N.", hat als Zeuge vor dem Truppendienstgericht ausgesagt, der Soldat habe an Bord seine Sache gut gemacht und habe auch einen guten Führungsstil gehabt, ihm sei jedoch die Sicherheitsstufe entzogen worden, was Konsequenzen für seine weitere Verwendung habe. Ohne Sicherheitsstufe werde eine Verwendung schwer zu finden sein.

Der Soldat ist berechtigt, seit 26. September 1996 die Einsatzmedaille der Bundeswehr (SHARP GUARD) und seit 9. Mai 1997 die NATO-Medaille zu tragen.

Das Zentralregister und das Disziplinarbuch enthalten außer dem im sachgleichen Strafverfahren ergangenen Strafbefehl keine nachteiligen Eintragungen über den Soldaten.

Die Dienstbezüge des Soldaten berechnen sich aus der achten Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 13 des Bundesbesoldungsgesetzes und betragen monatlich 3.976,46 € brutto und 3.761,61 € netto einschließlich Kindergeld für drei Kinder. Tatsächlich werden ihm 3.181,60 € ausbezahlt.

Aus der am 8. August 1986 geschlossenen Ehe sind drei Söhne im Alter von elf, sieben und sechs Jahren hervorgegangen. Die Ehefrau ist nicht berufstätig.

Die finanziellen Verhältnisse des Soldaten sind angespannt. Nach seinen Angabe betragen seine laufenden monatlichen Belastungen ca. 2.000 €.

II

III