Beschluss vom 16.04.2020 -
BVerwG 5 B 15.20 DECLI:DE:BVerwG:2020:160420B5B15.20D0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 16.04.2020 - 5 B 15.20 D - [ECLI:DE:BVerwG:2020:160420B5B15.20D0]
Beschluss
BVerwG 5 B 15.20 D
- VGH Kassel - 01.04.2019 - AZ: VGH 29 C 1497/17.E
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. April 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Preisner
beschlossen:
- Die gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß gerichteten Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit werden verworfen.
- Die Gegenvorstellung gegen die mit der Verfügung vom 7. April 2020 gesetzte Begründungsfrist wird abgelehnt.
- Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 12. März 2020 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
Gründe
1 Die Ablehnungsgesuche des Klägers sind unzulässig (1.). Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 12. März 2020 - 5 B 22.19 - hat keinen Erfolg. Das Verfahren ist nicht nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO fortzuführen (2.).
2 1. Die Ablehnungsgesuche sind unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig zu verwerfen. Den angekündigten Wiedereinsetzungsantrag und eine weitere Begründung der Ablehnungsgesuche musste der Senat nicht abwarten. Der Schriftsatz vom 15. April 2020 zeigt hinlänglich, dass der Kläger nicht schuldlos gehindert war, innerhalb der ihm gesetzten Frist zur Begründung der Ablehnungsgesuche vorzutragen. Die Gegenvorstellung gegen die mit der Verfügung vom 7. April 2020 gesetzte Begründungsfrist hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil der Vortrag des Klägers keinen Anlass zur Änderung dieser Verfügung gibt. Insbesondere teilt der Senat nicht die Auffassung des Klägers, dass die Verfügung "eine zu weitgehende Beschränkung des grundrechtlich gewährleisteten Zugangs zur gerichtlichen Prüfung in Bezug auf das ebenfalls grundrechtlich und in der EMRK gewährleiste Recht auf gesetzliche Richter" dargestellt habe.
3 Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5 m.w.N.). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das ist unter anderem der Fall, wenn das Gesuch rechtsmissbräuchlich ist, weil es offenbar grundlos ist oder nur der Verschleppung dient (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - juris Rn. 15 f.). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
4 Der Kläger hat zu den von ihm in dem Schriftsatz vom 3. April 2020 angebrachten Ablehnungsgesuchen ausgeführt, die angefochtene Entscheidung begründe u.a. die Besorgnis, dass zu Sach- und Rechtsfragen, die auch einen Zusammenhang zu früheren, ebenfalls vom Senat unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entschiedenen Verfahren aufwiesen, die erforderliche Unbefangenheit fehle. Mit diesem und dem in dem Schriftsatz des Klägers vom 15. April 2020 unterbreiteten Vorbringen werden schon im Ansatz keine Umstände aufgezeigt, die auf das Vorliegen von Befangenheitsgründen hinführen. Der Kläger bringt damit lediglich in ganz allgemeiner Form zum Ausdruck, dass er mit Entscheidungen in früheren Verfahren, die durch die abgelehnten Richter getroffen wurden, nicht einverstanden ist.
5 2. Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg, weil der Senat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Den auch insoweit im Schriftsatz des Klägers vom 15. April 2020 angekündigten Wiedereinsetzungsantrag musste der Senat ebenfalls nicht abwarten. Der Kläger hat die Anhörungsrüge fristgerecht bei Gericht eingereicht und begründet. Die angekündigte nachträgliche Ergänzung einer fristgerechten Begründung der Anhörungsrüge kann nicht Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrags sein. Sie steht der Versäumung der Anhörungsrügefrist nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 34).
6 Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten bei Vorliegen der Voraussetzung des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Die Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368>). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, ein Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368> und vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46>). Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Gerichte können sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 8 m.w.N.). Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 8 m.w.N.). Insbesondere vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 9 m.w.N.).
7 Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert und schlüssig darzulegen. Er muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 10 m.w.N.). Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 11 m.w.N.).
8 Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rüge kein Erfolg beschieden.
9 a) Das gilt zunächst für den Einwand des Klägers, der Senat habe im Zusammenhang mit der Beurteilung der Erheblichkeit des festgestellten Verstoßes des Verwaltungsgerichtshofs gegen § 103 Abs. 2 VwGO "die zitierte Begründung zur Erheblichkeit nicht unter Berücksichtigung des gesamten Klägervortrags wohlwollend ausgelegt, sondern als 'bloße Behauptung' herabgewürdigt". Damit ist die Möglichkeit einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung nicht schlüssig dargetan.
10 Wie der Senat in dem Beschluss vom 12. März 2020 - 5 B 22.19 D - (Rn. 20) ausgeführt hat, ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Der Senat hat den einzigen Satz, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Erheblichkeit des genannten Verfahrensmangels begründet hat, wörtlich in dem Beschluss vom 12. März 2020 - 5 B 22.19 D - (Rn. 22) zitiert und als nicht hinreichend substantiierte Behauptung gewertet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet damit insoweit aus. Soweit er in diesem Zusammenhang auf weiteres Vorbringen des Klägers zu anderen Zulassungsgründen nicht eingegangen ist, hat der Senat damit zum Ausdruck gebracht, dass er dieses nicht zugleich als Darlegung der Erheblichkeit des hier in Rede stehenden Verfahrensfehlers angesehen hat. Dass der Kläger dies für eine Überspannung der Darlegungsanforderungen hält, zielt der Sache nach auf die Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Beschlusses, begründet aber keinen Gehörsmangel. Auch stellt es von vornherein keine Überraschungsentscheidung dar, dass Verfahrensrügen aus Gründen mangelnder Darlegung unberücksichtigt bleiben, denn hiermit muss ein kundiger und gewissenhafter Verfahrensbeteiligter rechnen.
11 b) Ebenfalls erfolglos bleibt die Rüge, der Senat habe nicht zur Kenntnis genommen, dass der Kläger in dem in der Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug genommenen Tatbestandsberichtigungsantrag die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu dem vom Verwaltungsgerichtshof als bekannt bezeichneten prozessualen Verhalten des Klägers bestritten habe. Der Senat hat den Tatbestandsberichtigungsantrag in dem Beschluss vom 12. März 2020 (- 5 B 22.19 D - Rn. 25) erwähnt und nicht, wie der Kläger meint, dennoch angenommen, dass die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil unbestritten geblieben seien. Er hat vielmehr dieses Bestreiten gemessen an den Darlegungsanforderungen als unsubstantiiert angesehen. Ein Gehörsverstoß liegt damit nicht vor. Soweit der Kläger die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen für überzogen hält und meint, damit würde eine vom Bundesverfassungsgericht "vertretene Begründungslast zu den erheblichen (hohen) Voraussetzungen für eine Zulässigkeit von Selbstentscheiden in Ausnahmefall umgekehrt in eine Begründungslast des Bf., dass die Voraussetzungen für einen Selbstentscheid im konkreten Fall nicht vorlagen", zielt er der Sache nach auf die Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Beschlusses, begründet aber keinen Gehörsmangel. Zudem trifft auch die Ansicht des Klägers nicht zu, ein Gehörsmangel liege deswegen vor, weil der Senat nicht berücksichtigt habe, dass der erwähnte Tatbestandsberichtigungsantrag nicht beschieden worden sei. Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den Tatbestandsberichtigungsantrag mit Beschluss vom 16. Juli 2019 abgelehnt hat.
12 c) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge des Klägers, der Senat habe im Zusammenhang mit der von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Grundsatzfrage, ob aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts herzuleiten sei, dass die Nichteinhaltung der Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zwingend zur Unzulässigkeit der Entschädigungsklage führe und eine Übergangsfrist einzuräumen sei, unbeschieden gelassen, warum die tragenden Erwägungen der Rechtsprechung zu § 75 VwGO nicht auch für die Beurteilung der Wartefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG gelten sollten. Weiterhin sei auch nicht berücksichtigt worden, dass sich das Bundesverwaltungsgericht erst nach der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts mit den Rechtsfolgen einer Nichteinhaltung der Wartefrist befasst habe.
13 Ein Gehörsverstoß ist damit schon deshalb nicht aufgezeigt, weil der Senat in seinem Beschluss vom 12. März 2020 - 5 B 22.19 D - (Rn. 8) auf das im Zusammenhang mit der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts und mit § 75 VwGO stehende Vorbringen der Beschwerde eingegangen ist. Unbeschadet dessen hat der Senat in dem Beschluss vom 12. März 2020 - 5 B 22.19 D - (Rn. 9) die Grundsatzbedeutung der in Rede stehenden Frage des Klägers selbständig tragend ("Abgesehen davon ...") auch deswegen verneint, weil nicht dargelegt war, inwieweit die Frage nach einer solchen vergangenheitsbezogenen Übergangsregelung auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch Grundsatzbedeutung haben kann, obwohl sie keine Zukunftsbedeutung mehr hat und auch keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen vorgebracht sind, in denen sie sich noch entscheidungserheblich stellt. Bei einer solchen Mehrfachbegründung kann eine Anhörungsrüge nur Erfolg haben, wenn hinsichtlich jedes Begründungselements eine den Darlegungsanforderungen genügende und erfolgreiche Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Der Anhörungsrüge ist nicht zu entnehmen, warum das genannte Begründungselement gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen könnte.
14 3. Dem Vorbringen des Klägers ist auch im Übrigen keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu entnehmen. Das gilt auch, soweit Ausführungen im Schriftsatz vom 15. April 2020 als zulässige Vertiefung bereits fristgerecht geltend gemachter Rügen anzusehen sein sollten. Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
15 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.