Beschluss vom 16.01.2008 -
BVerwG 1 WB 33.07ECLI:DE:BVerwG:2008:160108B1WB33.07.0
Leitsätze:
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Zur Vorlage der Personalgrundakte des Soldaten im Antragsverfahren vor den
Wehrdienstgerichten.
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Rechtsquellen
VwGO § 99 WBO § 17 Abs. 3 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 16.01.2008 - 1 WB 33.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:160108B1WB33.07.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 33.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Fregattenkapitän Windmeier und
den ehrenamtlichen Richter Oberstabsbootsmann Kreck
am 16. Januar 2008 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Vorlage seiner Personalgrundakte an das Bundesverwaltungsgericht durch den Bundesminister der Verteidigung.
2 Der 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Zuletzt wurde er am 1. Februar 2002 zum Stabsbootsmann befördert. Derzeit wird der Antragsteller als Truppenversorgungsbearbeiter beim Stab... des ...kommandos ... in K. verwendet.
3 Mit Schreiben vom 29. Dezember 2006 kündigte die (damalige) Stammdienststelle der Marine dem Antragsteller an, dass beabsichtigt sei, ihn wegen Überschreitens der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze (Vollendung des 53. Lebensjahres) mit Ablauf des 31. Januar 2008 in den Ruhestand zu versetzen. Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 9. Februar 2007 Beschwerde; unter dem 5. Juli 2007 legte er eine Untätigkeitsbeschwerde ein. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die Untätigkeitsbeschwerde nach Rücksprache mit dem Antragsteller als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen dem Senat mit seiner Stellungnahme vom 10. August 2007 vor. Zusammen mit der Stellungnahme übersandte der Bundesminister der Verteidigung außerdem die Beschwerdeakte Az.: 561/07 und die Personalgrundakte des Antragstellers. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 29.07 geführt.
4 Mit Schreiben an das Bundesministerium der Verteidigung vom 7. September 2007 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen den Leiter des Referats PSZ I 7 wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Führung der Personalakten der Soldaten sowie wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete auch diese Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den er mit seiner Stellungnahme vom 17. September 2007 dem Senat vorlegte.
5
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Das Bundesministerium der Verteidigung habe seine Personalgrundakte an das Gericht übersandt, ohne dass dieses die Vorlage der Akte verlangt habe. Einem solchen Verlangen hätte er, der Antragsteller, mit Sicherheit zugestimmt. Da die Akte jedoch ohne seine Einwilligung vorgelegt worden sei, hätte ihm das Bundesministerium der Verteidigung gemäß eigener Erlasslage Inhalt und Empfänger schriftlich mitteilen müssen; dies sei bis heute nicht erfolgt. Die Praxis, Personalakten ohne Anforderung durch das Gericht auf Verdacht bzw. nach dem Grundsatz „das machen wir immer so“ zu versenden, sei weder vom Bundesdatenschutzgesetz noch von der Verwaltungsgerichtsordnung gedeckt. Die Vorgehensweise verstoße zudem gegen die vom Bundesministerium der Verteidigung selbst erlassenen Bestimmungen über die Führung der Personalakten der Soldaten, die ihm erst am 5. September 2007 zugänglich gemacht worden seien; seine Beschwerde sei daher auch nicht verfristet. Zum Ausgleich für den Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung stünden ihm nach dem Bundesdatenschutzgesetz Rechte auf Unterrichtung, auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Sperrung, auf Folgenbeseitigung, auf Widerspruch, auf Schadensersatz, auf Beantragung der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und auf Strafantrag zu.
6
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
7 Der Antrag sei unzulässig, weil die Frist des § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO versäumt sei. Auch liege kein Fall des § 7 WBO vor; eine Rechtsbehelfsbelehrung sei nur bei einer truppendienstlichen Erstmaßnahme, nicht jedoch bei einer rein tatsächlichen Handlung wie der Übersendung einer Personalakte erforderlich. Im Übrigen fehle dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis; er habe selbst erklärt, dass er der Übersendung seiner Personalgrundakte zugestimmt hätte, falls das Gericht eine Vorlage verlangt hätte.
8 Unabhängig davon sei die Vorlage der Personalgrundakte an das Bundesverwaltungsgericht ohne Anforderung bzw. ohne vorherige Einwilligung des Antragstellers auch rechtmäßig. Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtige, weiterhin in dieser Weise zu verfahren. Zwar sei zunächst das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und damit das Recht des Soldaten, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen, vorrangig. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO seien Behörden jedoch zur Vorlage von Akten verpflichtet. Wegen dieser Verpflichtung spiele es auch keine Rolle, ob die Akten auf Anforderung des Gerichts oder aber von Amts wegen übersandt würden. Auch eine Einwilligung des Betroffenen sei nicht erforderlich; im Übrigen habe der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung selbst die Ursache für die Vorlage seiner Personalgrundakte gesetzt und damit sein diesbezügliches Einverständnis konkludent zu erkennen gegeben. Ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz liege nicht vor. Zum einen sei § 99 VwGO die speziellere Norm. Zum anderen sei die Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen nach § 15 Abs. 1 BDSG zulässig, wenn sie zur Erfüllung von deren Aufgaben erforderlich sind und die Voraussetzungen vorliegen, die eine Nutzung nach § 14 BDSG zulassen würden, was hier der Fall sei. Soweit der Antragsteller eine schriftliche Mitteilung über Inhalt und Empfänger begehre, fehle es ihm wiederum am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung vom 10. August 2007 unter „Anlage 3“ die Übersendung der Personalgrundakte an das Bundesverwaltungsgericht zu entnehmen sei. Im Übrigen bestehe im Rahmen von § 99 VwGO kein Anspruch auf eine schriftliche Mitteilung.
9 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 786/07, die Gerichtsakte BVerwG 1 WB 29.07 und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
10 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
11 1. Der Antragsteller hat keinen förmlichen (Sach-) Antrag gestellt. Bei sach- und interessengerechter Auslegung seines Vorbringens beantragt er sinngemäß, festzustellen, dass die in dem Antragsverfahren BVerwG 1 WB 29.07 erfolgte Vorlage seiner Personalgrundakte an das Bundesverwaltungsgericht durch den Bundesminister der Verteidigung rechtswidrig war. Dieser Antrag umfasst die im Einzelnen beanstandeten Punkte, nämlich dass die Akte ohne ein entsprechendes Verlangen durch das Gericht, ohne seine - des Antragstellers - Einwilligung und ohne schriftliche Mitteilung über Inhalt und Empfänger übersandt worden sei.
12 Dieser Antrag unterliegt der Beurteilung durch den Wehrdienstsenat als dem für die Hauptsache (BVerwG 1 WB 29.07 ) zuständigen Gericht. Zwar entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 VwGO ein spezieller Fachsenat (§ 189 VwGO) darüber, ob eine Verweigerung der Aktenvorlage durch eine Behörde aus den in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO genannten Geheimhaltungsgründen rechtmäßig ist; nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet der Fachsenat darüber hinaus auch in dem - umgekehrten - Falle der Vorlage von Akten, wenn ein Verfahrensbeteiligter hiergegen Geheimhaltungsgründe im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einwendet (Beschlüsse vom 14. August 2003 - BVerwG 20 F 1.03 - BVerwGE 118, 350 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 33 und vom 12. Januar 2006 - BVerwG 20 F 12.04 - BVerwGE 125, 40 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 39). Ob sich die Zuständigkeit des Fachsenats in entsprechender Anwendung von § 99 Abs. 2 VwGO auch auf die Aktenvorlage im Rahmen von Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung erstreckt, kann hier dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall fehlt es zum einen an der - gegebenenfalls vor der Befassung des Fachsenats herbeizuführenden - Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO über die Aktenvorlage durch die zuständige oberste Aufsichtsbehörde (hier: das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ IV/Z; siehe Anlage 5 Nr. 3.1.3 der „Bestimmungen über die Führung der Personalakten der Soldaten und der Personalunterlagen mit Personalaktenqualität“ des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ IV/Z - Az.: 16-26-01 - vom 8. August 2001). Zum anderen und vor allem aber wendet sich der Antragsteller nicht gegen die Aktenvorlage als solche, mit der er sich vielmehr ausdrücklich einverstanden erklärt hat; ihm geht es vielmehr darum, dass bei der Aktenvorlage das korrekte Verfahren eingehalten wird, was seiner Auffassung nach nicht geschehen ist. Für diese Verfahrensfragen, die mit einer möglichen Geheimhaltungsbedürftigkeit des Akteninhalts nichts zu tun haben, gilt die Sonderzuweisung an den Fachsenat nicht.
13 Hinsichtlich der in dem Schriftsatz vom 27. Oktober 2007 abstrakt aufgelisteten, aber nicht weiter ausgeführten Rechte nach dem Bundesdatenschutzgesetz (auf Unterrichtung, Auskunft, Berichtigung, Löschung, Sperrung, Folgenbeseitigung, Widerspruch, Schadensersatz, Beantragung der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und Strafantrag) nimmt der Senat an, dass der Antragsteller diese nicht bereits in dem vorliegenden Verfahren geltend machen, sondern sich ihre Geltendmachung lediglich für den Fall der Feststellung, dass die Vorlage der Personalgrundakte rechtswidrig war, vorbehalten will.
14 2. Der Feststellungsantrag ist unzulässig.
15 Zwar läge unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung vor (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung). Der Antragsteller führt im Zusammenhang mit der ihm angekündigten Versetzung in den Ruhestand mehrere Verfahren bei den Wehrdienstgerichten; weitere Rechtsstreitigkeiten erscheinen nicht ausgeschlossen. Der Bundesminister der Verteidigung hat ausdrücklich erklärt, dass er auch künftig an der von dem Antragsteller beanstandeten Praxis der Aktenvorlage festhalten werde.
16 Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil die Vorlage einer Akte durch Vorgesetzte oder Dienststellen der Bundeswehr in einem Antragsverfahren nach den §§ 17, 21 WBO keine Maßnahme ist, die zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens vor den Wehrdienstgerichten gemacht werden kann.
17 Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt (stRspr, grundlegend: Beschlüsse vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160 <161> und vom 12. November 1986 - BVerwG 1 WB 127.83 , 97.84 - BVerwGE 83, 242 <246>).
18 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Handlungen oder Unterlassungen des Dienstherrn in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Maßnahmen im Sinne der Wehrbeschwerdeordnung darstellen (Beschluss vom 28. Juli 1965 - BVerwG 1 WB 19.65 - BDHE 7, 163). Dasselbe gilt für Handlungen oder Unterlassungen im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den §§ 17, 21 WBO (vgl. Beschlüsse vom 17. November 1969 - BVerwG 1 WB 70.69 - BVerwGE 43, 28, vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160 sowie zuletzt vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 40.06 -). Erklärungen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren können daher nicht verselbständigt und zum Gegenstand eines eigenständigen Wehrbeschwerdeverfahrens gemacht werden.
19 Diese Grundsätze gelten auch für die hier strittige Vorlage von Akten.
20 Die Pflicht der Behörden zur Aktenvorlage nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der im Antragsverfahren nach den §§ 17, 21 WBO entsprechend anwendbar ist, dient dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung, der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts, zu der die Wehrdienstgerichte gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) von Amts wegen verpflichtet sind, sowie der Kenntnis der Beteiligten von den maßgeblichen Vorgängen; sie bildet insofern eine Konkretisierung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <124>). Das Gericht muss die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Exekutive, deren Handeln es kontrolliert, gewinnen und begründen. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schließt deshalb ein, dass alle Verwaltungsvorgänge dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der behördlichen Entscheidung und der geltend gemachten Rechtsverletzung von Bedeutung sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 a.a.O. S. 122 f.). Mit der Vorlage von Akten handelt der Bundesminister der Verteidigung somit nicht aufgrund seiner Vorgesetztenstellung gegenüber dem Soldaten, sondern in Erfüllung einer ihm im gerichtlichen Verfahren obliegenden Verpflichtung.
21 Eine selbständige Anfechtung der Aktenvorlage scheidet daneben auch unter dem Gesichtspunkt aus, dass eine Zersplitterung des Gerichtsverfahrens in Nebenstreitigkeiten, einschließlich der damit einhergehenden Verzögerungen, vermieden werden soll. Die Beteiligten sollen sich gegen einzelne Verfahrenshandlungen grundsätzlich nicht isoliert, sondern nur im Rahmen ihres Vorbringens zur Hauptsache (hier: das Verfahren BVerwG 1 WB 29.07 ) sowie etwaiger Rechtsmittel gegen die in der Hauptsache ergehende Gerichtsentscheidung wenden können. Ausprägungen dieses auch im Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung geltenden Grundsatzes sind im (allgemeinen) Verwaltungsprozessrecht die Vorschriften des § 44a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, und des § 146 Abs. 2 VwGO, wonach - unter anderem - prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen und Beweisbeschlüsse nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar sind. Die einzige hier in Betracht kommende Ausnahme von dem Grundsatz stellt das bereits genannte Verfahren beim Fachsenat gemäß § 99 Abs. 2 VwGO dar, dessen Voraussetzungen im Falle des Antragstellers jedoch nicht vorliegen (siehe oben 1.).
22 Da eine Maßnahme, die zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens vor den Wehrdienstgerichten gemacht werden kann, nicht vorliegt, muss die Frage nicht mehr geklärt werden, ob der Antragsteller die Frist des § 7 Abs. 1 WBO eingehalten hat. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob ein schlichtes oder tatsächliches Verwaltungshandeln, wenn dieses eine anfechtbare Maßnahme darstellt, einer Rechtsbehelfsbelehrung bedarf bzw. ob deren Fehlen oder Unrichtigkeit die Rechtsfolge des § 7 Abs. 2 WBO auslöst.
23 3. Mit Rücksicht auf das ausführliche Vorbringen der Beteiligten in der Sache weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Antrag auch unbegründet gewesen wäre. Die Vorlage der Personalgrundakte des Antragstellers durch den Bundesminister der Verteidigung war - auch in der konkreten Art und Weise, in der sie erfolgte - rechtmäßig.
24 a) Die Rechtmäßigkeit der Aktenvorlage an ein Wehrdienstgericht im Rahmen eines Antragsverfahrens nach §§ 17, 21 WBO bemisst sich ausschließlich nach § 99 VwGO (in entsprechender Anwendung).
25 Die Bestimmungen über die Aktenvorlage in den gerichtlichen Verfahrensordnungen (neben § 99 VwGO etwa auch § 27 BVerfGG, § 29 BDG, § 86 FGO und § 119 SGG) gehen als spezielle Vorschriften den Bestimmungen des Dienstrechts über die Personalakten vor (vgl. für das Soldatenrecht Scherer/ Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 29 Rn. 10 sowie für das allgemeine Beamtenrecht Battis, BBG, 3. Aufl. 2004, § 90d Rn. 2 und Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/ Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Bd. 1, Stand Oktober 2007, § 90d BBG Rn. 12; ebenso im Übrigen auch Anlage 5 Nr. 3 der oben 1. genannten Bestimmungen über die Führung der Personalakten vom 8. August 2001). Die Einschränkungen des § 29 Abs. 3 Satz 5 SG, der an Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung nur Auskünfte aus der Personalakte, nicht aber die Übermittlung der Personalakte selbst oder einzelner Personalaktenteile zulässt (Beschluss vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 <346 f.> = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 = NZWehrr 2004, 163), gelten damit nicht für die Aktenvorlage an den Senat.
26 § 99 VwGO geht als Rechtsvorschrift des Bundes, die (auch) die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten regelt, außerdem gemäß § 1 Abs. 3 BDSG den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes vor (vgl. Werner, in: Roßnagel <Hrsg.>, Handbuch Datenschutzrecht, 2003, Kap. 8.2 Rn. 111 ff.).
27 b) Die Personalgrundakte des Antragstellers unterliegt der Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
28 Die Vorlagepflicht umfasst alle Akten, deren Inhalt der umfassenden Sachaufklärung durch das Gericht und der Gewinnung von Grundlagen für die Prozessführung durch die Beteiligten überhaupt dienlich sein kann (stRspr, vgl. Beschluss vom 9. November 1962 - BVerwG 7 B 91.62 - BVerwGE 15, 132 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 3, sowie nach der Neufassung von § 99 VwGO durch Gesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl I S. 3987, Beschluss vom 24. November 2003 - BVerwG 20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 36). Über die Frage, welche Akten danach rechtlich erheblich sein können, befindet - nach seiner Rechtsauffassung - das für die Hauptsache zuständige Gericht, nicht die vorlagepflichtige Behörde (vgl. Beschlüsse vom 9. November 1962 a.a.O., vom 24. November 2003 a.a.O. und vom 12. Januar 2006 - BVerwG 20 F 12.04 - BVerwGE 125, 40 <42> = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 39).
29 Der Senat zieht in ständiger Praxis in Antragsverfahren von Soldaten nach der Wehrbeschwerdeordnung nicht nur die den Streitgegenstand unmittelbar betreffenden Verfahrens- und Beschwerdeakten, sondern auch die Personalgrundakte des jeweiligen Antragstellers heran; diese Praxis ist aus den Gründen der Senatsentscheidungen ersichtlich, weil dort die bei der Beratung des Senats vorliegenden Akten stets aufgeführt sind. Die Heranziehung der Personalgrundakte erfolgt - nicht zuletzt im Interesse des Antragstellers -, um den Sachverhalt unabhängig von dem Vortrag der Beteiligten überprüfen zu können und in der Beratung alle für die rechtliche Beurteilung möglicherweise relevanten Gesichtspunkte vor Augen zu haben. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Voraussetzungen und (rechtliche wie praktische) Folgen truppendienstlicher Maßnahmen innerhalb des militärischen Werdegangs des Soldaten in der Regel in einem über die jeweilige Maßnahme hinausgreifenden weiteren Zusammenhang stehen, der für eine sachgerechte Beurteilung mitzubetrachten ist. Gerade im Verfahren BVerwG 1 WB 29.07 , in dem der Antragsteller Fehler der personalführenden und -bearbeitenden Dienststellen der Bundeswehr geltend macht und daraus eine Vielzahl von Ansprüchen aus dem Soldatengesetz herleitet, ist es offenkundig, dass die Personalgrundakte in diesem Sinne Informationen enthält, die für die Entscheidungsfindung des Gerichts von Bedeutung sein können.
30 c) Nicht zu beanstanden ist schließlich das von dem Bundesminister der Verteidigung - auch im Falle des Antragstellers - praktizierte Verfahren der Aktenvorlage.
31 aa) Für die Aktenvorlage nach § 99 Abs. 1 VwGO ist die Einwilligung des Antragstellers nicht erforderlich. Die Vorschrift des § 29 Abs. 3 Satz 5 SG, die eine Einwilligung des Soldaten (für Auskünfte aus seiner Personalakte an Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung) vorsieht, ist im gerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (siehe oben 2 a).
32 bb) Der Bundesminister der Verteidigung durfte die Personalgrundakte des Antragstellers auch ohne vorherige Aufforderung durch den Senat vorlegen.
33 § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO statuiert eine Pflicht der Behörden zur Aktenvorlage. Die Vorschrift enthält jedoch keine Aussage darüber, in welcher Form die vorzulegenden Akten im Einzelfall zu bestimmen sind. Die Literatur zum Verwaltungsprozessrecht geht allgemein davon aus, dass die Aktenvorlage ein entsprechendes „Verlangen“ bzw. eine „Anforderung“ durch das Gericht voraussetzt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 99 Rn. 5; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2007, § 99 Rn. 9). Eine Behörde handelt jedoch auch dann in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn sie aufgrund der ihr bekannten Praxis des Gerichts, in einer bestimmten Verfahrensart (hier: in Antragsverfahren von Soldaten nach der Wehrbeschwerdeordnung) stets bestimmte gleichartige Akten (hier: neben den Akten des Beschwerdeverfahrens auch die Personalgrundakte des Soldaten) heranzuziehen, diese Akten von sich aus vorlegt.
34 Gegen diese Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie steht im Einklang mit § 99 Abs. 1 VwGO und trägt Besonderheiten der gesetzlichen Ausgestaltung des Wehrbeschwerdeverfahrens Rechnung.
35 Die Aktenvorlage auf „Verlangen“ bzw. „Anforderung“ entspricht dem typischen Ablauf eines Verfahrens vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten. Dort erhebt der Kläger die Klage bei dem Gericht (§ 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Vorsitzende fordert mit der Zustellung der Klage an den Beklagten (§ 85 Satz 1 VwGO) diesen zumeist nicht nur zu einer schriftlichen Äußerung auf (§ 85 Satz 2 VwGO), sondern ordnet zugleich die Vorlage der einschlägigen Akten an (§ 87 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verfahren vor den Wehrdienstgerichten unterscheidet sich von diesem Ablauf. Hier wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung von dem Antragsteller nicht bei dem Gericht, sondern bei dem für die Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständigen (oder den in § 17 Abs. 4 Satz 2 WBO genannten) Vorgesetzten gestellt; dieser legt ihn sodann mit seiner eigenen Stellungnahme dem Gericht vor (§ 17 Abs. 4 Satz 1 und 3 WBO, ggf. i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1, § 22 WBO). Im Hinblick auf diesen gleichsam „umgekehrten“ Ablauf bei der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bietet es sich an und ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der zuständige Vorgesetzte, hier: der Bundesminister der Verteidigung, zusammen mit seiner Stellungnahme ohne Weiteres auch die einschlägigen Akten vorlegt. Der Vorgesetzte trägt auf diese Weise dazu bei, das Verfahren zu beschleunigen und unnötigen Schriftverkehr zu vermeiden; er ermöglicht sowohl dem Gericht als auch dem Antragsteller (ggf. im Wege der Akteneinsicht, § 100 Abs. 1 VwGO), die Darstellung des Sach- und Streitstands in dem Vorlageschreiben sofort anhand der Akten zu überprüfen.
36 Die Aktenvorlage „ohne vorherige Aufforderung“ widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts, wonach in der Regel ein Beweisbeschluss oder eine sonstige förmliche Äußerung des Hauptsachegerichts erforderlich ist, wenn die vorzulegenden Akten geheimhaltungsbedürftige Vorgänge (z.B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) enthalten, die dritten Verfahrensbeteiligten, insbesondere wirtschaftlichen Wettbewerbern, im Falle der Aktenvorlage zugänglich werden (vgl. Beschlüsse vom 24. November 2003 a.a.O. und vom 12. Januar 2006 a.a.O.). Diese Rechtsprechung hat ihren tragenden Grund darin, dass das Gericht in den beschriebenen Fallkonstellationen seine Auffassung über die Entscheidungserheblichkeit des Akteninhalts förmlich verlautbaren soll, weil diese auch von Einfluss auf die Abwägung ist, die die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zwischen den Belangen der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung und des individuellen Rechtsschutzes einerseits und denen des Geheimnisschutzes andererseits vorzunehmen hat.
37 Im Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung stellen sich derartige Probleme der Geheimhaltung gegenüber dritten Verfahrensbeteiligten nicht. Zwar gehören Personalakten zu den Vorgängen im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1964 - BVerwG 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 <184 f.> = Buchholz 232 § 90 BBG Nr. 4; Urteile vom 4. Juni 1970 - BVerwG 2 C 5.68 - BVerwGE 35, 225 <227> = Buchholz 232 § 90 BBG Nr. 8 und vom 4. August 1975 - BVerwG 6 C 30.72 - BVerwGE 49, 89 <93 f.> = Buchholz 232 § 90 BBG Nr. 19). Das Antragsverfahren nach §§ 17, 21 WBO ist jedoch - anders als das Klageverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - nicht als (kontradiktorischer) Parteiprozess ausgestaltet. Es kennt weder die formelle Beteiligtenstellung eines Antragsgegners noch die eines Beigeladenen im Sinne von § 65 VwGO; einziger formeller Verfahrensbeteiligter ist vielmehr der Antragsteller (vgl. Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, Einf. Rn. 95). Da das Recht auf Einsicht in die dem Gericht vorgelegten Akten (§ 100 Abs. 1 VwGO) an die Beteiligtenstellung geknüpft ist, muss der Antragsteller nicht befürchten, dass Dritte Zugang zu Informationen über seine persönlichen Verhältnisse erlangen. Dementsprechend erübrigt sich insoweit auch eine Entscheidung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch die zuständige oberste Aufsichtsbehörde (vgl. auch Anlage 5 Nr. 3.1.3 der Bestimmungen über die Führung der Personalakten vom 8. August 2001, wonach eine Entscheidung durch das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ IV/Z - nur dann, wenn das Bekanntwerden des Inhalts der Personalakten dem Wohle des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereiten würde, also nur im Falle des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO, herbeizuführen ist).
38 cc) Soweit sich der Antragsteller schließlich dagegen wendet, dass ihm Inhalt und Empfänger der vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten Personalgrundakte nicht schriftlich mitgeteilt worden seien, ist die Vorschrift des § 29 Abs. 3 Satz 6 SG, die eine solche Mitteilungspflicht vorsieht, im gerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (siehe oben 2 a).
39 Allerdings wird der Antragsteller von sämtlichen Anordnungen des Gerichts benachrichtigt (§ 87 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung); ihm werden sämtliche im gerichtlichen Verfahren eingehenden Schriftsätze übermittelt (§ 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO in entsprechender Anwendung). Dementsprechend hat der Antragsteller der ihm vom Senat übermittelten Stellungnahme vom 10. August 2007 entnehmen können, dass der Bundesminister der Verteidigung als Anlage zu dieser Stellungnahme auch die Personalgrundakte vorgelegt hat.
40 4. Dem Antragsteller waren keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.